[2014-10-08] Demografischer Wandel als gesellschaftliche Krise – Deutsche Alterungsdiskurse der...

18
Folie: 1 37. Kongress der DGS, Universität Trier – 8.10.2014 Demografischer Wandel als gesellschaftliche Krise Deutsche Alterungsdiskurse der Gegenwart und die wachsende Kritik an deren Demografisierung und Dramatisierung Reinhard Messerschmidt, M.A.

Transcript of [2014-10-08] Demografischer Wandel als gesellschaftliche Krise – Deutsche Alterungsdiskurse der...

Folie: 1

37. Kongress der DGS, Universität Trier – 8.10.2014

Demografischer Wandel als gesellschaftliche Krise

Deutsche Alterungsdiskurse der Gegenwart und die wachsende

Kritik an deren Demografisierung und Dramatisierung

Reinhard Messerschmidt, M.A.

• Diskurs: „eine Menge von Aussagen, die einem gleichen

Formationssystem angehören“ (AdW: 156)

• Aussage: „irgendeine Folge von Zeichen, von Figuren, von

Graphismen oder Spuren“ (AdW: 120), der erkennbare Ordnung zu

Grunde liegt (z.B. Tastaturlayout, Tabelle)

Folie: 2

Begriffsklärung Foucault‘sche Diskursanalyse

Folie: 3

„Expertise“ von Think Tanks: Bsp. Berlin-Institut

Folie: 4

Bsp. Herwig Birg/ BILD

Folie: 5

Bsp. Herwig Birg/ Spiegel

Folie: 6

Demografisierung (Barlösius 2007, 2010)

1. (vermeintlich) eindeutige Herleitung der Zukunft

2. Perspektivwandel: Bevölkerung statt Gesellschaft

3. Technokratische Ausrichtung

Folie: 7

Bevölkerungsprojektionen (Destatis vs. VID)

• deterministische vs. probabilistische Projektion

• visuelle Aussage: dramatische Schrumpfung vs. offene Zukunft (beide szenarienbasiert)

• grafische Darstellung: Achsenskalierung!

Folie: 8

Bsp. McKinsey

Folie: 9

Zusammensetzung des Textkorpus (N=3810)

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

70

75

80

85

90

20132012201120102009200820072006200520042003200220012000

Zeit/ online Focus/ Money Stern taz Financial Times*

Süddeutsche Welt/ am Sonntag Spiegel/ online FAZ/ online Bild.de*

0

50

100

150

200

250

300

350

400

450

500

Themenrelevante Artikel pro Jahr

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 650

Zeit/ online

Focus/ Money

Stern

taz

Financial Times*

Süddeutsche

Welt/ am Sonntag

Spiegel/ online

FAZ/ online

Bild.de*

Folie: 10

Codesystem/ diskursive Argumentationsstruktur

49

45

505

96

36

42

78

62

17

10

31

109

95

15

120

112

10

5

18

11

145

117

15

18

13

33

60

14

24

50

41

62

47

41

15

36

133

41

31

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500

BBR/BBSR

BIB

DESTATIS

DIW

Eurostat

HWWI/HWWA

IAB

Ifo

Institut für Weltwirtschaft

IWH

MEA

MPIDF

OECD

RWI

Stat. Landesämter

UN

VID/IIASA

WZB

ZEW

BDI

Berlin-Institut

Bertelsmann-Stiftung

Deutsche Stiftung Weltbevölkerung

Empirica

Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft

McKinsey

Prognos

Enquete-Kommission "DW"

Rürup-Kommission

Axel Börsch-Supan

Bernd Raffelhüschen

Bert Rürup

Frank Schirrmacher

Franz Müntefering

Hans-Olaf Henkel

Hans-Werner Sinn

Herwig Birg

Meinhard Miegel

Wolfgang Clement

sta

atlic

h/ offiz

iell

thin

k-t

anks/

Lobbyorg

anis

atio

nen

Pe

rsonen/

Netz

werk

eFolie: 11

Codes: Datenquellen/ Akteure

Folie: 12

Codes: Konsequenzen18

25

70

191

127

51

52

17

38

118

403

733

336

312

14

197

45

726

40

105

310

173

15

166

16

269

202

19

168

0 150 300 450 600 750

weniger (Jugend-)Kriminalität

"demogr. Rendite" (Bildungssystem)

weniger Arbeitslosigkeit/ ALG

"Silbermarkt"/ Gesundheitsmarkt/ Aktien

Altersarmut

"Rentnerdemokratie"/ Gerontokratie

weniger Innovation/ Risikobereitschaft

mehr Kriminalität (gegen Ältere/ im Alter)

mehr soziale Spannungen/ Ungleichheit

Alterserkrankungen (Demenz/AH/Krebs...)

Sozialversicherungssystem generell

Rentenversicherung

Gesundheitssystem/ KV

Pflege(-versicherung)

ALV

Generationen("-vertrags")konflikt

öffentl. Haushalt (sinkende Einnahmen)

Arbeitsmarkt/ Fachkräftemangel

Ärztemangel

Pflegekräftemangel

Dependency Ratio

öffentl. Infrastruktur

höhere Staatsverschuldung (pro Kopf)

sinkendes Wirtschaftswachstum

Finanzmärkte (konditional/negativ)

(Aus-)Bildungssystem/ Schüler-/Lehrlingsmangel

Immobilienmarkt/ Bauwirtschaft

Know-How-Verlust

Alterung der Belegschaft

positiv

negativ

Folie: 13

Codes: Strategien

39

211

246

177

141

272

201

65

278

182

138

294

60

20

27

276

41

17

146

52

318

26

42

58

116

0 50 100 150 200 250 300 350

Steigerung der Produktivität

mehr Gleichberechtigung/ höhere Frauenerwerbsquote

(andere) Familienpolitik

Zuwanderung (allgemein)

(bessere) Integration (in Arbeitsmarkt)

gesteuerte Zuwanderung (Fachkräfte)

aktives Alter(n)

betriebl. Gesundheitsmanagement

weniger Altersdiskriminierung/ mehr ältere Arbeitnehmer

"altersgerecht" (incl. Barrierefreiheit )

"Stadtumbau"/ "Rückbau"

Aus-/ Weiterbildung ("lebenslang lernen")

Investitionen in Bildung/ "Reformen"

(Pflege-)Roboter

(aktive/ offensive) "Bevölkerungspolitik"

(Teil-)Privatisierung/ Eigenvorsorge

Rente/SV in Abhängigkeit v. Kinderzahl

längere Wochenarbeitszeit

längere Lebensarbeitszeit (allg. + Ausbildung)

Flexibilisierung Lebensarbeitszeit

Erhöhung Renteneintrittsalter (spez.)

Beitragssteigerung PV

Beitragssteigerung KV

Beitragssteigerung RV

Rentenkürzung/ Nullrunden

Be

ltig

un

gsstr

ate

gie

n (

allg

em

ein

)S

ozia

lve

rsic

he

run

gen

(sp

ezifis

ch

)

Folie: 14

…generelle Tendenz im medialen Diskurs

Folie: 15

Dependency Ratio („Altenquotient“)

OADR (Old-age dependency ratio)

2005-10 2025-30 2045-50

Germany 0,33 0,48 0,63

increase 0,15 0,30

% 45,45 90,91

POADR (Prospective OADR)

2005-10 2025-30 2045-50

Germany 0,21 0,25 0,34

increase 0,04 0,13

% 19,05 61,90

ADDR (Adult disability dependency ratio)

2005-10 2025-30 2045-50

Germany 0,12 0,13 0,15

increase 0,01 0,03

% 8,33 25,00

Folie: 16

• “[…] the best way to understand population aging is to treat age in two

different dimensions, one backward-looking and one-forward looking.”

(Sanderson & Scherbov 2007: 50)

• „Zusammenfassend spricht also einiges dafür, die konventionelle Perioden-

TFR nicht länger als Universalindikator der Geburtenhäufigkeit zu

verwenden, wie es zurzeit üblich ist.“ (Sobotka & Lutz 2010: 687)

Bsp. demografischer (Selbst-)Reflexivität

Folie: 17

„Es ist offenkundig, dass wissenschaftliche Ideen wie alle

anderen Ideen sozial gefiltert werden, sie werden von Individuen

nach deren Wahrnehmungskategorien rezipiert, die zu einem

großen Teil soziale Kategorien sind, und auch Politiker können in

gutem Glauben den wissenschaftlichen Diskurs falsch auffassen,

nicht nur, weil sie ihn nicht verstehen, und auch wenn sie ihn

verstehen und wohlgesonnen sind, können sie ihn verdrehen und

entsprechend ihren Erwartungen und Interessen deformieren. Es

ist richtig, dass Politiker dazu tendieren, die Wirtschafts- und

Sozialwissenschaften zu instrumentalisieren. Ein Problem ist, wie

man sich gegen diese Instrumentalisierung schützen kann. Damit

sind wir wieder bei den Journalisten. Der Zugang zum

öffentlichen Raum ist äußerst ungleich verteilt, und es ist sehr

schwierig, sich gegen Manipulation zu wehren.

Was ist also zu tun?“

(Bourdieu 2001: 36)

Vielen Dank für die

Aufmerksamkeit!

Folie: 18