Soziologische Zeitdiagnosen als „Publikumsmagneten“: Gegenwartsdiagnostische...

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in co-operation with academic and practice partners LBIHPR: A-1020 Vienna, Untere Donaustraße 47, Austria | [email protected] | www.lbihpr.lbg.ac.at | +43 1 2121493 -10 | FAX - 50 Soziologische Zeitdiagnosen als „Publikumsmagneten“: Gegenwartsdiagnostische Argumentationsmuster und deren massenmediale Anschlussfähigkeit Fran Osrecki 37. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie Trier, am 09.10.2014

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in co-operation with academic and practice partners

LBIHPR: A-1020 Vienna, Untere Donaustraße 47, Austria | [email protected] | www.lbihpr.lbg.ac.at | +43 1 2121493 -10 | FAX - 50

Soziologische Zeitdiagnosen als „Publikumsmagneten“: Gegenwartsdiagnostische Argumentationsmuster und deren massenmediale Anschlussfähigkeit

Fran Osrecki 37. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie Trier, am 09.10.2014

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Public Sociology: Burawoys Konzept (2004, 2005)

n  Moderne Soziologie differenziert in vier Felder Akademisches

Publikum Nicht-akademisches Publikum

Instrumentelles Wissen

Professionelle Soziologie

Anwendungs-bezogene Soziologie

Reflexives Wissen

Kritische Soziologie

Public Sociology

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Die Agenda

n  Soziologie als „Feld der Macht“ n  Dominanz der „professionellen Soziologie“ n  Schwache öffentliche Wahrnehmung des Faches n  V.a. „öffentliche Soziologie“ soll langfristig ein wichtigerer Status

zukommen n  „Öffentliche Soziologie“ hat zwei Gesichter:

à  „traditionelle öffentliche Soziologie“: öffentliche Intellektualität, nicht-intendierte

Popularisierung wissenschaftlichen Wissens à  „public sociology“: organische Intellektualität, intendiertes öffentliches

Engagement mit zivilgesellschaftlichen Akteuren zum Zwecke der Lösung lebensweltlicher Probleme

à  Professionelle Soziologie als „sine qua non“ öffentlicher Soziologie

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Kritik und Zustimmung

n  Kritik: à  Idealisiertes Bild der Zivilgesellschaft à  Organische Intellektualität inkompatibel mit Objektivitätsansprüchen:

zu normativ à  Zu starke Orientierung an „professioneller Soziologie“: zu wenig

normativ à  Neuauflage des Streits um Werturteilsfreiheit

n  Zustimmung: à  Soziologie fehle gute Öffentlichkeitsarbeit à  Kaum Diskussionen über Publizität der Soziologie

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Soziologie in den Massenmedien

n  Findet als Thema kaum Berücksichtigung n  Soziologie der Massenmedien: marginales Phänomen vor

dem Hintergrund technischen Medienwandels n  Wissenschaftsforschung: v.a. an Naturwissenschaften

interessiert n  „Verwaistes“ Thema à  „Relativ“ selten Thema des Wissenschaftsjournalismus à  Soziale Probleme à  ZEITDIAGNOSTIK

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Soziologische Zeitdiagnostik: einige unklare Bestimmungen

n  Stilistische Definitionen: „pointierte“, „essayistische“, „polemische“ Beschreibung sozialen Wandels à erlaubt keine soziologische Definition

n  „Beschreibungen der gegenwärtigen Gesellschaft in ihrer Gesamtheit“: à erlaubt keine klare Unterscheidung zu Gesellschaftstheorien

n  „Makrotheorien mit relativ geringem Abstraktionsgrad“ à schwierige Operationalisierung

Vorläufige Definition: Zeitdiagnosen als Gesellschaftsbeschreibungen, die für die Gegenwart Epochenbrüche konstatieren

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Zeitdiagnostik als massenmediales Genre

n  Neben „sozialen Problemen“ DAS soziologische Genre mit der höchsten massenmedialen Beachtung

à  Aktualitätsbezug: gegenwärtig sich vollziehende Epochenschwellen à Neuigkeitswert der Analysen

à  Inklusivität der Themenwahl: ein neues Prinzip durchdringt alle Bereiche der Gesellschaft à garantiert breite Leserschaft

à  Soziale Wettervorhersage: auf dem Weg in die …gesellschaft à garantiert Informationsbereitschaft

à  Avantgarde-Milieus: Leser sind die Vorreiter einer neuen Epoche à stellt trotz Abstraktheit lokalen Bezug her

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Zeitdiagnostik als hybrides Genre

n  Retrospektiver Realismus à Stilisierte Darstellung der Vergangenheit à Reduktion der Vergangenheit auf einen idealisierten Typus, von

dem sich die Gegenwart radikal unterscheiden kann

à Verdinglichung von umstrittenen Theorien über Vergangenheit

Drei Funktionen: 1. Sozialer Wandel als disruptiv à Neuigkeitswert sozialen Wandels 2. Konziliantes Angebot an Dogmatiker

3. Bezug zum akademischen Diskurs

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Was lernt man daraus?

n  Relativ hohe Autonomie der Massenmedien: à auch wenn über Gesellschaft in ihrer Gesamtheit kommuniziert wird, registrieren das Massenmedien nur, wenn es in der Sprache der Massenmedien passiert à Gesellschaft als Ganzes kann als Nachricht verarbeitet werden à Risiko öffentlicher Soziologie: Überbetonung von Neuheiten, Geschichtsvergessenheit

n  Relativ niedrige Autonomie der Soziologie: à Beschreibungen der Gesamtgesellschaft werden oft erst über den Umweg der Massenmedien zu Themen der akademischen Soziologie

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Herausforderungen an die Wissenschaftsforschung

n  Im Falle der Soziologie kann nicht mit Handlungsmodellen der Wissenschaft gearbeitet werden, die ausgehen von:

à  Intentionaler Grenzarbeit à  Ausschluss von Laien à  Intentionaler Professionalisierung à  Intentionalem Objektivierung von Wissen à  Intentionalem Rückzug auf „reine“ Wissenschaft

Zeitdiagnostik zeigt das Scheitern all dieser Bemühungen in der Soziologie

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