Tugend im Rampenlicht: Friederike Sophie Hensel als Schauspielerin und Dramatikerin

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Tugend im Rampenlicht: Friederike Sophie Hensel als Schauspielerin und Dramatikerin Author(s): Susanne T. Kord Source: The German Quarterly, Vol. 66, No. 1, From Mid-18th-Century to Romanticism (Winter, 1993), pp. 1-19 Published by: Wiley on behalf of the American Association of Teachers of German Stable URL: http://www.jstor.org/stable/408506 . Accessed: 17/11/2014 06:56 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Wiley and American Association of Teachers of German are collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to The German Quarterly. http://www.jstor.org This content downloaded from 163.1.128.140 on Mon, 17 Nov 2014 06:56:23 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

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Tugend im Rampenlicht: Friederike Sophie Hensel als Schauspielerin und DramatikerinAuthor(s): Susanne T. KordSource: The German Quarterly, Vol. 66, No. 1, From Mid-18th-Century to Romanticism(Winter, 1993), pp. 1-19Published by: Wiley on behalf of the American Association of Teachers of GermanStable URL: http://www.jstor.org/stable/408506 .

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SUSANNE T. KORD University of Cincinnati

Tugend im Rampenlicht: Friederike Sophie Hensel als Schauspielerin und Dramatikerin

Friederike Sophie Hensel (1738-1789), spaitere Seyler, ist heute vallig unbekannt. Die Literaturgeschichte hat bisher weder ihre Leistungen als Schauspielerin gewiir- digt noch ihre Verbindung zu Lessing und dem Hamburger Nationaltheater unter- sucht. Als Dramatikerin gar wurde sie fiber- haupt nicht zur Kenntnis genommen. Diese Unterlassungssiinden nachzuholen ist Ziel der folgenden Untersuchung. Weiterhin soll einer Spur nachgegangen werden, die von dem "ersten biirgerlichen Trauerspiel,"1 Lessings Mi/3 Sara Sampson, zu Friederike Sophie Hensels erstem Drama, Die Familie aufdem Lande, fiihrt.

"Kennt ihr, Verzagte, nicht die Henselinn?"

Hensel war Schauspielerin, und zwar, so Lessing, "ohnstreitig eine von den besten Aktricen, welche das deutsche Theater jemals gehabt hat."2 In der Hamburgischen Dramaturgie pries Lessing ihre Leistungen wiederholt in den hachsten T6nen. So be- schreibt er ihr Spiel in einer Auffiihrungvon Mme. de Graffignys Cenie in der Uberset- zung von Luise Gottsched:

Cenie ist Madame Hensel. Kein Wort faillt aus ihrem Munde auf die Erde. Was sie sagt, hat sie nicht gelernt; es k6mmt aus ihrem eignen Kopfe, aus ihrem eignen Herzen. Sie mag sprechen, oder sie mag nicht sprechen, ihr Spiel geht unun- terbrochen fort. Ich wii3te nur einen ein- zigen Fehler; aber es ist ein sehr seltner Fehler; ein sehr beneidenswiirdiger Feh- ler. Die Aktrice ist fir die Rolle zu grof3. Mich diinkt einen Riesen zu sehen, der mit

dem Gewehre eines Kadetten exerzieret. (HD 20, 202)

Lessing stand mit seinem Urteil keineswegs allein: in fastjeder Theatergeschichte, in der Hensel erwihnt wird, wird sie einhellig als "eine der besten deutschen Schauspielerin- nen" bezeichnet.3 In zeitgen6ssischen Brie- fen findet sich dasselbe Urteil, so im Schrei- ben eines ungenannten Freundes an L6wen, einen der MitbeoTiinder des Hamburger Nationaltheaters, und in den begeisterten Briefen Heinrich Leopold Wagners, der sich im Mai und Juni 1777 jede Auffiihrung, in der Hensel auftrat, ansah, also tdiglich ins Theater ging, und ihre Darstellungen-wie Lessing-ausftihrlich besprach.5 In ihrer

ffinfunddreifigjfihrigen Schauspielerinnen- laufbahn erreichte Hensel einen Ruhm, fUir den sich in der Theatergeschichte nur weni- ge Parallelen finden lassen-Richard Gar- rick in England, August Wilhelm Iffland, dessen Idol sie war,6 in Deutschland.

Zum Theater kam sie, wie ihre beriihmte Kollegin Karoline Neuber, durch ihre Flucht vor einem sie mil3handelnden Erzieher- eine Flucht, die ihr als einer "Entlaufenen" kaum Alternativen iibrigliel3. 1738 in Dresden geboren, floh sie 1754 vor den MiI3- handlungen ihres Onkels zum Theater und, ebenso wie Karoline Neuber, 1755 in eine Ehe (mit dem Schauspieler Hensel).7 Sie spielte unter anderem bei den Prinzipalen Schuch und Ackermann "beinahe alle Fdicher und war in allen gro3.'" Ihre Glanz- rolle war die der tragischen Heldin: Semi- ramis, Merope, Cleopatra, Alzire, Orsina, Medea, Lady Macbeth. Vor allem ftir ihre Darstellungen dieser '"kolossalen Heroi-

The German Quarterly 66.1 (Winter 1993) 1

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nen," wie Goethe es nannte,9 war Hensel

berfihmt; mit der Zeit wurde sie mit diesen Rollen bzw. diesem Frauentyp identifiziert. In Beschreibungen ihrer Aufffihrungen und in Widmungsgedichten werden immer ihr Temperament, ihre Kraft und Energie be- wundert (oder auch kritisiert). So in Michae- lis' Gedicht "An Madam Hensel als Kleopa- tra in der Rodogiine": "Die du, in Scenen voll Verderben, / Mit Blitzen deinen Tod in unsre Seelen graibst; / Nie kannst du oft genung fir Deutschlands Ehre sterben: / Damit du lang genug fiir Deutschlands Ehre lebst!"10 Ahnlich sah sie der anonyme Verfasser des Gedichts "Giesen [d.i. GieBen], bey der An- kunft der Seilerschen Schauspielergesell- schaft: Eine Erscheinung." Dort heiBt es:

Ha! Juno, auf der Stirne Majestit, In jeder Miene Koniginn, seht, dort Entbrennet sie in schauderhafte Wuth!- Die Sphdiren zittern, Jupiter erbebt! - "Kennt ihr, Verzagte, nicht die Henselinn!" Nicht doch! Dies ist nicht Mummerey!

Es nahm Fiarwahr die Juno sonst der Henselinn

Gestalt.11

Zeitgen*ssischen Berichten zufolge liBt sich vermuten, daB ihrem Charakter eher die temperamentvollen Frauenrollen ange- messen waren als die der sanftmfitigen Liebhaberinnen. Hensel war selbst eine sehr temperamentvolle Erscheinung, auf privater und professioneller Ebene. Sie bewies als Schauspielerin nicht nur er- staunliches Talent, sondern auch entspre- chenden Ehrgeiz. Ihr Karrierestreben aber stand in krassem Gegensatz zu dem Weib- lichkeitsideal ihrer ZeitgenossInnen und spaiteren Biographen; wo sie Hensels Ehrgeiz beschreiben, erscheint er meist als Unmoral und Skrupellosigkeit. "MaBlos eitel, herrschsiichtig und kokett war sie die Heldin vieler Liebesabenteuer bis in ihre spaiteren Jahre. Wollte sie etwas durchset- zen, so scheute sie vor keinem Hindernis zurfick und ergriff jedes Mittel, ob es nun gut oder schlecht war," beschreibt Hans Devrient sie in einer FuBnote.12 Die Kritik

an ihrem "unweiblichen" Temperament fibersetzte sich bei manchen in eine Kritik ihres Spiels, fir das sie so berfihmt war. Der splitere Schauspieler und Direktor Ludwig Schrdder beschwerte sich fiber ihren "Dra- gonerschritt" auf der Biihne,13 und ein Spottwort fiber sie lautete: "Die Ungeheuer macht Madame Hensel allemal vortreff- lich."14

Fiir ihr Temperament, ihr Karrierebe- wuf3tsein und ihre Empfindlichkeit in bezug auf Kritiken ihrer schauspielerischen Lei- stungen war Hensel fast ebenso berfihmt wie fUr ihre Kunst. Kritik-dafiir wurde sie oft kritisiert-konnte sie schlecht vertra- gen. An Lessings zweifellos gutgemeinter Rezension nahm sie AnstoB und setzte ihm so sehr zu, daB er danach die Darstellungen der Schauspieler sorgfiltig aus der Ham- burgischen Dramaturgie aussparte.15 Ihre Empfindlichkeit und ihr ungeheures Tem- perament werden in zeitgen*ssischen und spaiteren Berichten fUr die bittere Konkur- renz verantwortlich gemacht, die zwischen ihr und ihrer Kollegin Karoline Schulze ent- stand. Diese Streitigkeiten hatten theater- geschichtliche Konsequenzen: sie waren der AnstoB ffir die Griindung des Hamburger Nationaltheaters. Allerdings werden weder die Umstdinde noch die Beteiligten in mo- derneren Berichten fiber die Grfindung des Nationaltheaters auch nur erwaihnt, weil die meisten dieser Berichte sich auf Les- sings Beteiligung an dem Unternehmen konzentrieren bzw. beschrainken, und so bleiben fast alle anderen Figuren schemen- haft und namenlos. Schneider zum Beispiel berichtet 1961, in Hamburg habe

der Schriftsteller Ldwen aus Clausthal "Kurzgefalfte Grundsditze von der Bered- samkeit des Leibes" veriffentlicht und danach eine "Geschichte des deutschen Theaters," die auch Vorschlfige zu seiner Verbesserung enthielt. Daraufhin hatten sich zw5lf Hamburger Kaufleute zusam- mengeschlossen, um mit Lowen als Direk- tor ein deutsches Nationaltheater ins Leben zu rufen. Nun wollte man den an-

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KORD: Hensel 3

gesehensten deutschen Dramatiker und Kritiker [Lessing] ffir die Sache gewin- 16 nen.

Altere Quellen sind da genauer: aus ihnen ist zu entnehmen, daB sich unter diesen zw6lfKaufleuten der Kaufmann und spitere Prinzipal Abel Seyler befand, einer der treibenden Kriifte des Unternehmens und der Hauptgeldgeber sowie ein gliihender Verehrer der Schauspielerin Hensel, die ihn Jahre spiter heiratete. Was er mit dem Un- ternehmen erreichen wollte, war, "ein Theater zu schaffen, auf dem sie ... herr- schen k6nnte: so kam das Hamburger deutsche Nationaltheater zustande, an das Lessing als Rechtskonsulent und Drama- turg berufen wurde."17 Gleichlautend aiuBern sich andere Quellen aus dem 19. oder friihen 20. Jahrhundert:18 das Theater, das wir heute ausschlieBlich mit Lessing as- soziieren, war urspriinglich ein Forum fUir die beriihmte Schauspielerin Hensel.

Der Widerspenstigen Zaihmung: "Madame Henseln starb ungemein

anstiindig"

Bereits mit der ersten Auffiihrung am neuen Hamburger Theater, Cronegks Olint und Sophronia, begann die kurze Periode, in der Hensels schauspielerische Leistun- gen von Lessing, dem Dramaturgen, fach- miinnisch beurteilt wurden, bis sie sich- auf Grund jener schon zitierten Rezen- sion-diese Beurteilung verbat. FUir ihre Darstellung der Clorinde in Olint und Sophronia erhielt Hensel von Lessing eine begeisterte Besprechung, in der er beson- ders eingehend die Liebesszene zwischen Clorinde und Olint beschreibt:

Die Augen zur Erde geschlagen, nach einem langsamen Seufzer, in dem furcht- samen gezogenen Tobne der Verwirrung, kam endlich

Ich liebe dich, Olint, - heraus, und mit einer Wahrheit! Auch der, der nicht weiB3, ob die Liebe sich so erkliirt,

empfand, daB sie sich so erkliren sollte. Sie entschlol3 sich als Heldin, ihre Liebe zu gestehen, und gestand sie als ein zairtli- ches, schamhaftes Weib. (HD 4, 140f.)

Was Lessing in dieser Besprechung positiv auffdillt, ist der Gegensatz "Heldin"/ "zirtliches, schamhaftes Weib," den Hensel seiner Meinung nach vollendet auf die Biihne brachte. Hensel spielte bei dieser Gelegenheit nicht nur ihre Rolle, sondern auch den Gegensatz zu dem Hensel-Mythos, der damals bestand; denn die Hensel auf dem Theater lieB normalerweise etwas anderes erwarten, naimlich eine "Juno, auf der Stirne Majestdit, / In jeder Miene K6niginn," bei der man auch damit rechnen muBte, daB sie "in schauderhafte Wuth" geraten k6nnte. Die Darstellung dieser Wut miBbilligt Lessing kurz darauf an Cronegk, der seine Clorinde in einer anderen Szene "in dem wahren Tone einer besoffenen Marketenderin rasen" liiBt (HD 4, 142). In- teressanterweise kritisiert er Hensel, deren empfindsames Spiel er in der Liebesszene so hervorhob, daffir, daB sie auch diese Clorinde perfekt spielte:

Das einzige, was die Schauspielerin zu seinem [Cronegks] Besten noch tun k6nnte, waire vielleicht dieses, wenn sie sich von seinem wilden Feuer nicht so ganz hinreil3en lieB3e, wenn sie ein wenig an sich hielte, wenn sie die iuB3erste Wut nicht mit der iiuBersten Anstrengung der Stimme, nicht mit den gewaltsamsten Ge- bdirden ausdriickte. (HD 4, 142)

Hier warnt Lessing die Schauspielerin nicht etwa vor Ubertreibung (die Ubertreibung, das macht er deutlich, steckt im StiUck), sondern vielmehr vor zu getreuer Aus-

ffihrung der Rolle der "Heldin" bzw. der "rasenden Marketenderin." Solange da- gegen die Rolle primAir die des "schamhaften Weibes" ist, erntet Hensel h6chstes Lob, wenn sie sie so getreu wie maglich aufs Theater bringt.

DaB Hensel diese Rolle auch spielen konnte, stellte sie in unziihligen Auffiihrun- gen der Sara Sampson unter Beweis. Sara

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Sampson war eine ihrer Paraderollen, die einzige im Fach der 'jugendlichen Liebha- berinnen," die sie fiber zehn Jahre lang spielte.19 Obwohl (nach einem Blick auf die tiblichen Paraderollen der Hensel wie Cleo- patra, Medea, Lady Macbeth, Orsina) ihr die Marwood auf den Leib haitte geschnei- dert sein miissen, hat sie diese Rolle meines Wissens nie gespielt. In der Rolle der Sara dagegen leistete sie Erstaunliches. Fried- rich Nicolai beschrieb 1756 in einem Brief an Lessing eine Leipziger Auffiihrung der Sacra Sampson mit Hensel in der Titelrolle und muBte gestehen, "daB ich ungemein geriihrt worden bin, daB ich bis an den Anfang des ffinften Aufzuges 6fters geweint habe, daB ich aber am Ende desselben, und bei der ganzen Scene mit der Sarah, vor starker Riihrung nicht habe weinen k6nnen; das ist mir noch bei keinem Trau- erspiele begegnet."20 Bei einer Auffiihrung desselben Dramas elf Jahre spaiter in Han- nover, wieder mit Hensel in der Titelrolle, zerfloB3 Iffland, damals acht Jahre alt, in

Triinen.21 Lessing sah Hensel als Sara im Juni 1767, im ersten Jahr der Hamburger Unternehmung, und schloB sich Nicolais Urteil an: "Man kann von der Kunst nichts mehr verlangen, als was Madame Henseln in der Rolle der Sara leistet" (HD 13, 176). Angesichts dieser Begeisterung ist es um so erstaunlicher, daB Lessing nur ihre Todes- szene bespricht:

Madame Henseln starb ungemein anst.indig; in der malerischsten Stellung; und besonders hat mich ein Zug aul3er- ordentlich iiberrascht. Es ist eine Bemer- kung an Sterbenden, da13 sie mit den Fingern an ihren Kleidern oder Betten zu rupfen anfangen. Diese Bemerkung mach- te sie sich auf die gliicklichste Art zu nutze; in dem Augenblicke, da die Seele von ihr wich, diuBerte sich aufeinmal, aber nur in den Fingern des erstarrten Armes, ein gelinder Spasmus; sie kniff den Rock, der um ein weniges erhoben ward und gleich wieder sank: das letzte Aufflattern eines verlaschenden Lichts; der jiingste Strahl einer untergehenden Sonne. (HD 13, 176)

Auch hier wird, wie in anderen Besprechun- gen und Huldigungen, die Schauspielerin mit der Rolle identifiziert, allerdings un- freiwillig und unbewuBt ("Diese Bemerkung machte sie [Hensel] sich auf die gliicklichste Art zu nutze; in dem Augenblicke, da die Seele von ihr [Sara] wich . . ."). In dieser unfreiwilligen Identifizierung von Schau- spielerin und Rolle wiederholt sich Lessings unbewuBter Versuch, die Widerspenstige zu zdihmen: Saras Tod wird als "Verlaschen" zuerst beschrieben, dann rezipiert; die schauderhafte Wut, die zumindest nach Hensels Auffassung auch in dieser Rolle maglich gewesen waire, reduziert sich auf einen gelinden Spasmus.

In dem biBchen Theatergeschichte, in dem sie auftritt, und dem Theaterklatsch, der sie umgab, wird Hensel, die beriihmte- ste Schauspielerin ihrer Zeit, oft mit ihren Glanzrollen identifiziert. Lessing dagegen sah und schaitzte in ihr das "zlirtliche, schamhafte Weib," das sie seltener spielte, und wenn, dann meist in der von ihm ver- faBten Mi/3 Sara Sampson. DaB er in Be- sprechungen ihrer Schauspielkunst lieber diesen Teil der Rolle als den der Heldin (der "rasenden Marketenderin") betonte, ist viel- leicht eher verstaindlich als die umgekehrte Frage: Warum interessierte Hensel sich fUir das "zlirtliche, schamhafte Weib" Sara-so sehr, daB sie, die sich weitgehend ihre Rollen aussuchen konnte, sie immer wieder spielte?

Anhaltspunkte zur Beantwortung dieser Frage finden sich in Hensels eigenem Stuick Die Familie auf dem Lande (1770), ihrer Antwort aufMif3 Sara Sampson, und in der Rolle der Sara selbst. Sowohl ihr Drama als auch ihre Darstellung der Sara Sampson k6nnen als ihre Auseinanderset- zung mit den Frauenbildern verstanden werden, aufdie sie durch die zeitgen5ssische Identifizierung mit ihren Rollen festge- schrieben wurde.22 Hensels modern anmu- tendes Selbstverstlindnis, ihre Weigerung, sich der Identifizierung mit der Rolle zu un- terwerfen, ist erklkirbar aus ihrer besonde- ren Situation: jahrzehntelang brachte sie

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KORD: Hensel 5

beide Frauenbilder, das "zairtliche, scham- hafte Weib"und die "kolossale Heroine" bzw. "Rasende" auf die Biihne und stand, sobald sie eine dieser Rollen spielte, der jeweils anderen gegeniiber--denn von dem Kon- trast zwischen diesen Frauenbildern lebten bekanntlich viele zeitgenassische Dra- men.23 Sie, die sich immer dariiber im klaren war, daB sie nur eine Rolle spielte und das Ganze sehr wohl als bloBe '"Mum- merey" verstand, wurde wechselweise mit beiden Bildern identifiziert. Beide Momen- te, die totale Identifizierung der Schauspie- lerin mit ihren Rollen ("zairtliches, scham- haftes Weib" vs. "Heroine"/"Rasende") und die seltsame Gegensaitzlichkeit dieser Rollen, sind Hinweise auf die Rolle, die Hensel als Frau zugewiesen wurde.

Moralapostel oder Moralkritiker? Lessings Mifl Sara Sampson

Worin diese Rolle bestand, d.h. welche Erwartungen an reale Frauen im 18. Jahr- hundert gestellt wurden, ist andernorts un- tersucht worden;24 uns interessiert ledig- lich, wie diese Erwartungen im zeitgenSssi- schen Drama formuliert wurden. Wie Inge Stephan feststellt, wird "der Diskurs fiber weibliche Unschuld geradezu zum Bestim- mungsmerkmal des biirgerlichen Trauer- spiels von Mif3 Sara Sampson hin bis zu Kabale und Liebe."25 Standardmotive sind unter anderem die Verfiihrung der Un- schuld,26 die "Dichotomisierung" der Frau- enfiguren in "' Furie' und 'Engel','27 die Be- tonung der Vater-Tochter-Beziehung und der fast vallige AusschluB der Mutter,28 die Verbindung zwischen Herrschaftsanspruch und Liebesbeziehungund die daraus folgen- de Intimisierung der Vater-Tochter-Bezie- hung, wobei die friiheren Zwangsandrohun- gen und Befehle der viiterlichen Autoritdit nun durch "emotionalen Zwang des Liebes- gebots"ersetzt werden,29 und schlieBlich die Verkarperung moralischer Werte im Bild der Tochter bzw. Unschuld,30 die letztend- lich auf zweierlei Weise aufrechterhalten

wird: durch ihre Kontrastierung mit der "Furie" und durch den Tod, mit dem die Un- schuld ihr Vergehen (oder Versehen) siihnt. 'Tugend," ein Wort, das in der Friihaufkldi- rung noch eine "sozial und gesellschaftlich verstandene . . . Eigenschaft" bezeichnete, "die vor allem durch Vernunft definiert war und aufWissen zielte," wurde im Laufe des Jahrhunderts "immer stlirker identisch gedacht mit weiblicher Unschuld"31 bzw. '"mit 'Nicht-Wissen'."32 Die Ideologie der Friihaufkldirung, die Vernunft und Wissen als 'Tugend" auch der Frau propagierte, wird in der Aufklkirung zuriickgenommen durch das Bild der Unschuld:

Sexuelle Unschuld wird ... mit "Nicht- Wissen" und Wissen und Erfahrung mit dem Verlust der sexuellen Unschuld, mit "Mutter-Sein" in Verbindung gebracht. Damit wird Wissen ganz allgemein in die Nahe der Sexualitat geriickt und somit suspekt gemacht. Die "zum Trotze" auch "denken[de]" Frau (Grdifin Orsina) wird zumeist als Maitresse, als sexuell aktive, "wissende" Frau dargestellt und somit ideologisch abgewertet.33

Mif3 Sara Sampson (wie fibrigens auch Emilia Galotti) entspricht genau diesem dramatischen Modell, durch das besonders die einander entgegengesetzten Frauen- bilder "Unschuld" und "Buhlerin" sowie die dahinterstehende praiskriptive Tugend- moral ffir Frauen festgeschrieben wurden. Entsprechend beschiiftigt sich ein GroBteil der neueren Lessingforschung mit der Frage, ob Lessing an der Festschreibung des Moralsystems, das sich in diesen Bildern ausdriickt, beteiligt war oder ob er dieses Modell lediglich zu Demonstrationszwecken fibernahm, um daran zeitgenassische Moralvorstellungen zu kritisieren. Die erste Position geht davon aus, daB sich das patri- archalische Wertesystem in Lessings Be- handlung nicht dindert. Die zweite, weit- aus hiiufiger vertretene, sieht Lessings Kritik an den herrschenden Moralvorstel- lungen ausgedriickt in seiner Darstellung von Saras starrem Festhalten an der Tu- gendmoral und Sir Williams Zagern, diese

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Vorstellungen fahrenzulassen. Jedoch kor-

rigierten am Ende des Dramas-so die

gaingige Interpretation-beide Figuren diese Haltung durch ihre Fiihigkeit zu ver- geben und Vergebung anzunehmen; die starre Tugendmoral wuirde also durch eine humanere Vergebungsmoral ersetzt.35 (Daneben gibt es auch Deutungen, die die

Tugendmoral des 18. Jahrhunderts und die ihr entsprechenden Frauenbilder unreflek- tiert akzeptieren und dabei selbstver-

st~indlich auch voraussetzen, daB Lessing das ebenfalls tat; dort wird Sara als "voll- kommene Tugend" bzw. "Verk6rperung der Tugend'"6 rezipiert.)

Die Frage, wie Lessing zu den Moralvor- stellungen seiner Zeit stand, ist ffir uns zu- nichst weniger wichtig als eine Feststellung im Hinblick auf die Forschung: daB und warum diese Frage vdllig unterschiedlich beantwortet wurde, oft unter Hinweis auf dieselben Textstellen. Die Frage nach dem "warum" beantwortet nicht die Binsen- wahrheit, daB Lessings Text offensichtlich gegensitzliche Interpretationen zulkiBt, sondern ein Blick auf die unterschiedlichen Ausgangspositionen der Sekunddirlitera- tur: saimtliche Forscher und Forscherinnen, die sich fUr die These entscheiden, Lessing habe das Moralsystem seiner Zeit als fiber- kommen oder inhuman kritisiert, sprechen ausschlieBlich von der Intention des Autors.

Diejenigen, welche in Lessings Text eine Bestditigung der zeitgendssischen Moral sehen, beschaiftigen sich mit der Wirkung seines Dramas.

Auch darin, in der Diskrepanz zwischen auktorialer Intention und zeitgen*ssischer Wirkung, liegt eine Lieblingsvorstellung der Lessingforschung: die n imlich von dem ge- nialen Dramatiker Lessing, dessen Verst6- Be gegen die dramatische Konvention seine Werke von zeitgen*ssischer Trivialliteratur unterscheiden, aber gleichzeitig daffir ver- antwortlich zu machen sind, daB diese Werke beim zeitgen6ssischen Publikum (und in moderner Forschung) auf Un- bzw. MiJ3verstlindnis stoBen.37 Lessing wird damit sowohl als genialer Dramatiker wie

auch als miBverstandener Aufkliirer bzw. Prophet im eigenen Lande tradiert. Dabei wird jedoch oft jibersehen, daB Lessing selbst groBes Interesse an der Wirkung seiner Dramen hatte sowie auch allgemein an den M6glichkeiten gespielten Dramas-- in der Hamburgischen Dramaturgie und in vielen Briefen an Nicolai und Mendelssohn geht es um nichts anderes.38 Die seltsame Diskrepanz zwischen auktorialer Intention und dramatischer Wirkung kann nicht mit dem Diktum, Lessing sei seiner Zeit voraus gewesen, abgetan werden.

Ich neige zu der Annahme, daB Lessing als Philosoph durchaus daran interessiert war, die Moralvorstellungen seiner Zeit zu modifizieren. Als Dramatiker dagegen, der seine Dramen erfolgreich aufgeffihrt und wohlwollend rezensiert sehen wollte und der dariiber hinaus sein Publikum recht gut kannte, paBte er sich denselben Moralvor-

stellungen an bzw. fibernahm er dramati- sche Konventionen, die diese Vorstellungen reflektierten. Diese ambivalente Haltung k6nnte einige Widerspriiche im Text erklii- ren--etwa Lessings stereotype Gegenfiber- stellung der weiblichen Hauptfiguren als "beste" und "Schande ihres Geschlechts,"39 die die traditionelle Tugendmoral bestaitigt, bei gleichzeitiger Charakterisierung Mar- woods als eine Sara "ihnliche Person" (176), die diese Moral wiederum modifiziert. Die auktoriale Ambivalenz, die sich im Drama niederschlkigt, k6nnte auch die Diskrepanz zwischen Intention und Wirkung erklairen: Lessings Drama unterschreibt eine Moral, mit der der Autor nicht unbedingt einver- standen war. Seine ZeitgenossInnen aber fanden die tradierten Moralvorstellungen in

Mif3 Sara Sampson bestitigt und kritisier- ten das Drama lediglich da, wo die Moral von der Geschicht' nicht iiberdeutlich war. Aufgabe des Dramas, so impliziert eine Re- zension, sei es, "Liebe zur Tugend" zu er- wecken;40 da '"ugend" eindeutig als weibli- che Unschuld verstanden wird, bedeutet "Liebe zur Tugend" zunrichst schlicht: Iden- tifizierung mit der Titelfigur. Daher galt das Interesse des Publikums nicht etwa Mar-

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KORD: Hensel 7

wood oder Mellefont, komplexen Figuren, die wir heute vielleicht als interessanter empfinden wiirden, sondern ausschlieBlich der bedrohten 'Tugend," um die das Publi- kum genBiilich zitterte.41 "Je naiher uns die Personen stehen, desto starker bewegt uns ihr Schicksal," meinte ein Zeitgenosse.42 Ein anderer beschwerte sich:

Marwood und Sara interef3iren uns gleich stark; beyde haben ein gleiches Recht an den Mellefont; und, zum Ungliick, die erste noch ein graBeres, als die letzte .... sie war die erste Geliebte: und was noch mehr, sie war von ihm eine Mutter! ... Wer dieses bedenket, der muB3 sich der Marwood gegen den Mellefont wahrhaftig annehmen; und doch soll Sara uns allein interef3iren!43

Die meisten zeitgenassischen Kritiker ur- teilten dieser Auffassung gemiiJ: "Schan- heiten" des Dramas konstatierten sie fast ausnahmslos in Szenen, in denen Sara ihre Tugend beweist oder Marwood abgekanzelt wird;44 die Stfirke des Dramas lag, so die Rezensenten einmiitig, in der hervorgeru- fenen "Riihrung.'45 Umgekehrt bezeichnete Lessings schairfster Kritiker das Drama wie- derholt als "kalt, eiskalt,'46 und Rezensent Klotz vermiBte eine ausreichende Charak- terisierung der Marwood als Megaire bzw. Kontrastfigur zur Tugendheldin Sara, als er sich beschwerte, daB Marwood nicht oft genug in Raserei ausbricht.47 Klotz hatte

spliter auch die Idee zu einem "sehr riihren- den Auftritt," auf die Lessing nicht gekom- men war: der Autor haitte naimlich in Saras Sterbeszene "der Sara von ihrem Vater den Seegen ... geben lassen [kannen]... : und ich glaube, hier h itte man ein lautes Geheul auf dem Theater erregen k6nnen, wenn der alte graue Sampson seine zitternde Hand auf die Stirne seiner Tochter gelegt, und sie geseegnet hiatte.'"8

Das klingt nach ebendem Trivialdrama, gegen das Lessing heute gern abgegrenzt wird. Bevor wir uns aber beeilen festzustel- len, da3 der geniale Dramatiker Lessing kein Interesse daran haben konnte, "ein lau- tes Geheul auf dem Theater [zu] erregen,"

sollten wir seine realenArbeitsbedingungen in Betracht ziehen. Als Philosoph und Auf- kliirer haitte er sicher lieber durch Appelle an die Vernunft seiner Zuschauerschaft iiberzeugt, wie er es spaiter in den philoso- phischen Schriften tat; fiir den Dramatiker, dessen dramaturgische Schriften sich haiu- fig um die Frage drehten, wie man das Pu- blikum am effektivsten riihren k6nne, war "lautes Geheul aufdem Theater" das sicher- ste Zeichen fir den Erfolg.

DaB die moderne Forschung Lessings Drama offensichtlich anders liest, als das zeitgenissische Publikum es sah, ist nicht ein Zeichen unserer intellektuellen Uber- legenheit,49 sondern einfach ein Hinweis auf die unterschiedlichen Interessen, die dabei im Spiel waren und sind. Die For- schung ist meist autorenkonzentriert und analytisch orientiert; ihr sind Widerspriiche ein Zeichen literarischer Qualitdit. Das Pu- blikum, ftir das Lessing schrieb, interessier- te lediglich das Drama, d.h. seine Wirkung, seine Haltung war keine analytische, son- dern im Gegenteil eine subjektive, identifi- kationsbediirftige; Unklarheiten wirkten starend. Selbst wenn sich in der kritischen Analyse anderes ergibt, erscheint auf der von der Zeitgenossenschaft wahrgenomme- nen Oberfliiche, dem Theater, platzlich sehr traditionell, was vielleicht kritisch inten- diert war. Auf dieser Oberflaiche bleibt die Vaterfigur der einzige Elternteil;50 die Un- schuld wird traditionsgemaiB mit der Buh- lerin kontrastiert und begeht einen Fehl- tritt, den sie dann im Tod siihnt. Durch ihre Siihne und ihr standhaftes Festhalten an tradierten Moralvorstellungen erweist sie sich als wiirdig, diese im Drama zu verk6r- pern. Angesichts der totalen Identifizierung des Publikums mit Sara, der bedrohten Un- schuld, wird die Frage, ob Lessing an tra- dierte Moralvorstellungen glaubte, unwich- tig gegenfiber der, ob Sara es tut: dieser Glaube und ihr Tod definieren sie fuir das Publikum als Identifikations- und Idealfi- gur des Dramas und sichern ihr die Verzei- hung der Zuschauerschaft. Dieser gegen- fiber ist Sara Sampson in genau derselben

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Situation wie ihrem Vater gegeniiber: sie kannVerzeihung erhalten; annehmen kann sie sie nicht, ohne ihre Stellung als Idealfi- gur des Dramas zu verlieren. Ihr Tod wird so zur psychologischen Notwendigkeit; dra- matisch gesehen ist er die Hauptursache der oft gepriesenen Riihrung. Die Funktion der Frauenfiguren (Sara, Marwood, Arabella) als Repriisentantinnen tradierter Moral- vorstellungen (gefallene Tugend, Laster, kindhafte Unschuld) sowie ihre Funktionen in bezug auf den Mann (Geliebte, Mutter, Tochter) sind eindeutig wichtiger als die Darstellung der Frau als Person: sobald die Frauen ihre Unschuld verlieren und dadurch ihre Funktion dem Mann gegen- iiber nicht mehr austiben k6nnen, werden sie beliebig austauschbar. Sara zum Bei- spiel setzt sich an Marwoods Stelle (als Mel- lefonts Geliebte; noch in ihrer Todesszene phantasiert sie sich als Arabellas Mutter); am Ende des Dramas iibernimmt Arabella Saras Rolle als Sir Williams unschuldige Tochter.

Sara Sampson repriisentiert, wenn nicht der Intention des Autors entsprechend, so doch effektiv, die traditionelle Tugendmoral, die sich in diesen Frauenbildern ausdriickt. Wenn man Mi/3 Sara Sampson als effektive, aber im Text selbst modifizierte Exemplifi- zierung solcher Moralvorstellungen liest, wird Hensels doppelte Faszination ver- stdindlich. Hensel war eine der wenigen Schauspielerinnen ihrer Zeit, die die Ein- schriinkung der Tugendmoral im Drama er- kannten. Paradoxerweise trug sie selbst, in ihrerAusftihrungder Sara-Rolle, nichtetwa dazu bei, dem Publikum diese Modifizie- rung bewuft zu machen; im Gegenteil, die

triinenselige Identifizierung mit der gefal- lenen Tugend diente letztendlich nur dazu, die klischierte Tugendmoral zu zementie- ren. Ahnlich wie Lessings Drama, so wurde auch Hensels Spiel immer dann kritisiert, wenn sie versuchte, die im Text angelegte Ahnlichkeit zwischen Sara und Marwood in der Rolle der Sara auszudrficken, indem sie Sara einige Charakterziige der Marwood verlieh. Hensels Kolleginund Konkurrentin

Karoline Schulze, die selbst oft die Sara spielte, beschreibt eine solche Auffiihrung entgeistert: ". .. nie haitte ich gewagt, als Sara die Marwood so anzudonnern, den Stuhl zu packen und an die Seite zu schleu- dern, daB man

ungewi_3 war, ob derselbe der

Marwood an den Kopf oder an die Kulisse fliegen wiirde."61 Schulzes Entriistung ist verstlindlich: wer die Parallele zwischen Sara und Marwood nicht zieht, kann bei "einem Frauenzimmer von einer sonst so sanften Denkungsart," wie Marwood es aus- driickt (228), kaum derartige Ausbriiche vermuten.52 Hier ergibt sich bereits ein Hinweis auf Hensels spiitere Auseinander- setzung mit beiden Rollen und den Bildern, die ihnen zugrunde liegen. Als Schauspiele- rin brachte sie zumindest einmal die Ver- wandtschaft zwischen "Unschuld" und "Buhlerin" auf die Bretter--ein Vorgehen, das ihre Kollegin als Bruch mit der Rolle empfand-, bevor sie in ihrer malerischen Todesszene das Bild weiblicher Tugend wie- derherstellte. Drei Jahre nach der Hambur- ger Unternehmung setzte sie sich in ihrem dramatischen Erstlingswerk mit diesem Bild selbst auseinander.

"Mores lehren": Hensels Familie aufdem Lande

Hensels dramatisches Werk besteht aus drei Dramen, zwei Bearbeitungen ihrer eigenen Dramen und einer Ubersetzung, die in weiten Zeitabstainden entstanden. Sie verfalte ein Lustspiel (Der Hinkende und der Stotternde, o. J.), das nicht gedruckt wurde, eine Ubersetzung aus dem Franzd- sischen (Melanide, o. J.), und zwei Dramen, die sie beide sphter umarbeitete und erneut veriffentlichte. Ihr erstes Drama, das riih- rende Lustspiel Die Familie auf dem Lande (1770), erschien 1771 neu bearbeitet unter demTitelDieEntfiihrung, oder: die zartliche Mutter; Huon und Amande, ein romanti- sches Singspiel nach Wielands Oberon, wurde in ihrem Todesjahr 1789 zuerst ver- 6ffentlicht; ihre Bearbeitung desselben

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KORD: Hensel 9

Stiickes erschien 1792 unter dem Titel Oberon, oder K6nig der Elfen.53 Uber ihren Erfolg als Dramatikerin lii3t sich heute nur noch wenig feststellen; obwohl Hans Devrient behauptet, sie habe sich "mit

Gltick als dramatische Schriftstellerin" ver-

sucht,54 konnten keine Auffiihrungszahlen ihrer Dramen und nur eine Besprechung ermittelt werden. Diese Besprechung aller-

dings ist gerade im Hinblick auf den Hensel-

Mythos interessant; denn der anonyme Re- zensent entriistet sich nach eigenerAussage nicht dartiber, dap3 sie das Sttick schrieb (er behauptet, nicht zu glauben, daB Frauen "von einem verbotenen Baume kosten, wenn sie die Feder ergreifen"55), sondern

dartiber, wie sie es schrieb-eben nicht im Einklang mit dem Mythos, der Hensel als Heldin oder Megaire rezipierte. So ist es wenig verwunderlich, daB der Verfasser zum Beispiel im Dialog "das Feuer sehr vermiBt, mit dem sie agirt"; besonders in der Wahnsinnsszene "erwartete ich Madam Hensel, und fand mich betrogen."56 Weiter- hin fiihrt der Rezensent ins Feld, das Sttick sei ein Plagiat von Frances Sheridans Roman Memoirs of Miss Sidney Bidulph. Obwohl dramatische Bearbeitungen von Romanen zu dieser Zeit durchaus tiblich waren, ist dieser Vorwurf nicht ganz unbe- rechtigt: Hensel gab ihre Quelle nicht an, entlehntejedoch in ihrem Sttick die meisten Charaktere und einen groB3en Teil der Hand- lung dem Roman Sheridans.

Zu Beginn des Dramas beklagt die tu- gendhafte Lady Danby den Verlust ihrer verschwundenen Tochter Caroline, die ihrer Vermutung zufolge mit einem Mann entlau- fen ist und die sie, fUir alle Fiille, in aller Form verstB1t. Trotz ihres Kummers um ihre Lieblingstochter versucht sie, ihre zweite Tochter Charlotte an den Grafen Drummond, einen Freund der Familie, zu verheiraten. Charlotte aber liebt Carl, den Adoptivsohn ihrer Mutter, der ihre Zunei- gung erwidert, aber heimlich Caroline um- worben und ihr die Ehe versprochen hat, weil er sich von Charlotte nicht wiederge- liebt glaubte. Nun glaubt er sich durch Ca-

rolines Flucht von seinem Versprechen ent- bunden und macht Charlotte erneut den Hof. Der Graferriit die Liebe zwischen Carl und Charlotte, entsagt seinen Anspriichen auf Charlotte edelmiitig und tut alles, um die beiden zusammenzubringen. Selbst Lady Danbys hartherzigen Bruder Lord Hamilton, der Charlotte unbedingt an ihn verheiraten will, erweicht Drummond, indem er Carl adoptiert und ihm eine Aus- steuer verschafft. Inzwischen aber ist Caro- line in den SchoB der Familie zuriickge- kehrt, wo sich herausstellt, daB sie keines- wegs entflohen, sondern von Lord Ogliby entfiihrt und derart bedriingt worden ist, daB sie schliel31ich den Verstand verloren hat. Durch diese Geistesverwirrung hinrei- chend entschuldigt, schlkigt sie alle weibli- che Zuriickhaltung in den Wind, platzt in die Verlobungsszene zwischen Carl und Charlotte und stellt Anspruiche auf Carl. Carl wird von der Lady verstol3en und spaiter sogar verdaichtigt, an der Entftihrung beteiligt gewesen zu sein; nur die Vermitt- lung des giitigen Grafen ermaglicht es ihm, seine Unschuld zu beweisen.

Soweit in groben Ziigen die Handlung des Sttickes und weitgehend auch des Romans. Bei Sheridan t6tet Carls Urbild, Lord Falkland, den Entfiihrer im Duell, die Mutter stirbt, und Cecilia, bei Hensel Char- lotte, heiratet ihren Lord V- (Hensels Drummond) und nimmt ihre geistesgestar- te Schwester Dolly (Hensels Caroline) zu sich. Dolly schw6rt, nie zu heiraten, und lehnt Falklands Werbung ab, obwohl sie ihn liebt. Mit dieser Ablehnung zeigen sich zum ersten Male Anzeichen einer m6glichen Heilung: Dollys Verstand, den sie im wahr- sten Sinne des Wortes fiber diesen Mann verloren hatte, kehrt jetzt zurtick; dies ist "the first time ... that she had ever shewed herself thoroughly mistress of her faculties ..., for it was observed that from that time she every day appeared more and more to recover her former judgment and tranquil- lity, and in a little while she was perfectly restored."57 Anders bei Hensel: dort wird Carolines Entfiihrer von Carl zu einem

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10 THE GERMAN QUARTERLY Winter 1993

Duell gefordert und besiegt, woraufer seine Schurkerei gesteht und Carl entlastet. Die Mutter fiberlebt, um am Ende des Stiickes die Doppelhochzeit anzuordnen: Charlotte und der Graf werden miteinander verlobt, Caroline wird Carl versprochen, sobald ihr Verstand zuriickgekehrt ist. Auf eine m6g- liche Heilung ihres Irrsinns gibt es aller- dings am Ende des Stiickes keinen Hinweis.

Widhrend Hensel viele ihrer Figuren und einen Teil der Handlungvon Sheridan iiber- nahm, verdankte sie Lessings Mif3 Sara Sampson die Anregung zu dem Hauptthe- ma ihres Dramas. Anhand des gleichen Er- eignisses, der Verfiihrung oder Entfiihrung einer Tochter, behandelt ihr Drama das Thema der Sozialisation besonders weibli- cher Charaktere zur 'Tugend." Wdihrend Lessing die zeitgen6ssische Tugendmoral, wie in der Forschung oft betont wird, allen- falls "ansatzweise hinterfragt," "ansatzw eise in ihrer Problematik" zeigt58 oder nur "in- direkt Kritik an den Regeln gesellschaftlich kanonisierter Sittlichkeit" iibt,59 eine Kri- tik, die zudem noch durch die Wirkung des Dramas verwischt wird, stellt Hensel das Tugendkonzept weit radikaler und unmilB- verstdindlicher nicht als Ideal, sondern als Zwang dar. Dieser Zwang zur Anpassung an die Tugendmoral fiihrt in ihrem Drama die tugendhaft erzogenen Kinder ins Ungltick. Hensels Tugendbegriffscheint zuniichst der zeitgendssischen Moral und den Erwartun- gen des Publikums vollkommen zu entspre- chen: d.h. 'Tugend" wird im Kontext des Dramas implizit vorausgesetzt als sexuelle Unschuld bei den Tdchtern; Elternliebe und protektives Insistieren aufder t6chterlichen sexuellen Unschuld bei der Mutter, die hier die "v'iterliche"Autoritiit besitzt. Anders als in Lessings Drama, in dem die Liebe und Vergebung der Vaterfiguren Sir William und Waitwell eine Gegenposition zur gefor- derten Tugendstrenge bieten, erfolgt bei Hensel die Erziehung zur Tugend durch Lie- besentzug von seiten der Eltern, exemplifi- ziert am Beispiel der Lady Danby und des Lord Hamilton. W~ihrend Sir William, Les- sings sentimentaler Vater, selbst unter der

Unerbittlichkeit des geforderten Ideals leidet und beteuert, "lieber von einer laster- haften Tochter als von keiner geliebt sein [zu] wollen" (170), macht die tugendhafte Lady Danby ihre miitterliche Liebe von der intakten Tugend ihrer Kinder abhaingig. Obgleich sie zu Beginn des Dramas von dem Schicksal ihrer Tochter nichts weil3 und sowohl Verfiihrung als auch Entfiihrung vermuten k6nnte, nimmt sie ohne weitere Begruindung an, daB "ihr Herz von dem Laster befleckt worden ist," und will Caro- line nie wieder sehen, "wenn ich sie nicht tugendhaft wieder finden soll.'60 Als sich spaiter ihr Irrtum herausstellt, ist ihr eine wahnsinnige Tochter lieber als eine laster- hafte: "ich will lieber den Verlust deiner Sinnen, als den Verlust deiner Tugend, be- weinen" (49).

Beide Autorittitsfiguren der Familie, Lady Danby und Lord Hamilton, sind als bewulBte Gegensaitze zur im biirgerlichen Trauerspiel Jiblichen Konstellation der Au- toritditsfiguren konzipiert. Lady Danby, stets praisent, stets autoritair und kiihl ab- weisend gegeniiber den Versuchen Lord Hamiltons, ihr Entscheidungen aufzuzwin- gen, besitzt die absolute Kontrolle fiber die Ereignisse im StiUck und steht damit in be- tontem Kontrast zur fiblichen abwesenden oder t6richten Mutter der Dramentradition. Lord Hamilton, das genaue Gegenstiick zur sentimentalen Vaterfigur, ist ein zynischer und brutaler Haustyrann, der auf der Biihne herumpoltert und flucht, die mUitter- liche "Verzdirtelung" der Kinder ffir jedes Ungliick in der Familie verantwortlich macht und verschiedentlich mit Enterbung droht. Sein Verhailtnis zu den Kindern be- schrainkt sich auf Drohungen--"Wart, ich will dich Mores lehren" (33); die weibliche Tugend, zu der seine Schwester ihre T6chter zu erziehen versucht, sieht er als "Verstel- lung, verdammte Verstellung. - Aber ... die Weiber sind alle so" (32). Der Lord ist es auch, der zuerst das Thema der Zwangsehe einfiihrt, ein Thema, das mit grol3er Wahr- scheinlichkeit autobiographisch motiviert war (ein Grund fuir Hensels Flucht vor

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KORD: Hensel 11

ihrem Onkel war dessen Versuch, sie zu einer Ehe zu zwingen). Der Onkel in ihrem

Stiick driingt nach Carolines Verschwinden auf eine schnellstm6gliche Verheiratung Charlottes, "ehe sie uns auch noch einen Streich spielt" (30), um so mehr,

weil sie immer eine widersinnige Kreatur gewesen ist; sie hat schon einmal eine vor- theilhafte Verbindung ausgeschlagen. Und ... da ihre Schwester, die immer die Sittsame vorstellte, den Streich gespielt hat, so gebe ich nicht eine Prise Tabak drum, da13 die nicht auch lieber mit einem Taugenichts fortliuft, als daB sie, zur Ehre der Familie, einen rechtschaffenen Mann heiratet. (31)

Der Versuch Lord Hamiltons, Charlotte zur Ehe zu zwingen---"es ist auch nicht

n6thig, sie erst zu fragen" (31)--ist durchaus im Sinne der Lady. Auch sie bietet dem Grafen ihre Tochter an, ohne diese auch nur zu informieren, und beschlieBt, ihn "noch heute meiner Tochter als ihren kiinftigen Gemal vor[zu]stellen. Ich weiB, daB ich von ihrem Gehorsam versichert seyn kann" (27). Die Katastrophe verhindert der Grafselbst, der die Entscheidung Charlotte fiberlassen will und der Lady das Versprechen ab- nimmt, sie zu nichts zu zwingen. Also fiber- mittelt die Lady ihrer Tochter den gr"iflichen Antrag mit dem wenig subtilen Vokabular emotioneller Erpressung:

Ich darf dir nicht erst sagen, wie sehr ich eine Verbindung mit ihm wiinsche; sie wiirde das ganze Gliick meines Lebens ausmachen, und die Schmerzen meiner verwundeten Seele wenigstens lindern, wenn sie auch nicht geheilt werden konnen. Er wird morgen unser Haus ver- lassen; er wiinscht, deine Entschliissung mitzunehmen. Doch iiberlasse ich dich ganz dir selbst. So sehr mich eine abschligige Antwort betriiben wiirde, so will ich doch deinem Herzen keinen Zwang auflegen. (39)

Der Zwang, der allen Kindern auferlegt wird, iu3ert sich teils in der Angst vor dem

jilhzornigen und unberechenbaren Onkel, vor allem aber im immerwfihrenden Kampf um die Zuneigung der Mutter, die durchaus

nicht selbstverstindlich ist. Im Gegenteil ist fir Lady Danby bereits der geringste Zweifel an Tugend oder Gehorsam der Kinder aus- reichend, um diesen ihre Liebe zu entziehen. So wird Caroline ffir ihren vermeintlichen Fall verstoBen, ohne sich rechtfertigen zu kinnen; Charlottes Status als geliebte Toch- ter wird von einem Gehorsam abhaingig gemacht, der ihr einen ungeliebten Mann aufzwingt. Carl schlieBlich, im Stuick der Adoptivsohn der Lady (Sheridans Falkland ist nicht mit der Familie verwandt), zieht sich zwar durch seine Doppelwerbungselbst den Liebesentzug der Mutter zu, an anderer Stelle aber trifft auch ihn die miitterliche Strenge grundlos: er wird aus dem SchoB der Familie verstoBen, weil er unschuldig verdiichtigt wird, an Carolines Entfiihrung beteiligt gewesen zu sein. Schon die Namensgleichheit-Carl, Caroline, Char- lotte--deutet parallele Entwicklungen an: alle drei Kinder miissen ununterbrochen ihre '"Unschuld" unter Beweis stellen (bei den Frauen moralisch definiert als sexuelle Unberiihrtheit und elterlicher Gehorsam, beim Mannjuristisch als Unschuld an einem Verbrechen), um sich die miitterliche Zuneigung zu erhalten.

Auf diese an Bedingungen gebundene Liebe der Mutter reagieren die Kinder ei- nerseits mit ostentativer Anerkennung der miitterlichen Tugend--die Mutter gilt saimtlichen Figuren des Stiickes, mit allei- niger Ausnahme des wenig sympathischen Lord Hamilton, als Paradebeispiel weibli- cher Tugend und als Vorbild fiUr die Kin- der-, andererseits mit Angst vor der ihnen aufoktroyierten Tugendstrenge und dem implizit stLindig drohenden Liebesentzug. Obwohl keinem der Kinder die emotionale Manipulation von seiten ihrer Mutter be- wuBt wird, ergeben sich aus diesem Wider- spruch wiederholt AuBerungen mit omin6- sen Untert6nen, wo immer die miitterliche Liebe bzw. Tugend angesprochen wird. Als die geistesgest5rte Caroline zum ersten Male die Biihne betritt, wird sie von der Lady zuriickgestol3en und des Lasters an- geklagt, von Charlotte aber weinend

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12 THE GERMAN QUARTERLY Winter 1993

umarmt. Darauf Caroline: "Liebe Mama, warum weint denn die arme Charlotte? ist ihr auch Uibel begegnet worden? Sie ist ja, wie ich denke, bey einer so zairtlichen Mutter gewesen; sie werden ihr gewiB nichts gethan haben" (50). Das letzte "sie," von dem die Bedrohung ausgeht, bezieht sich eindeutig auf die Mutter--die Autorin schreibt das "Sie" der direkten Anrede immer klein--; Carolines Worte verdeutlichen, gerade indem sie die "Z'irtlichkeit" der Mutter be- schwaren, einmal mehr die Angst der Kinder vor ihrer Mutter.

Umgekehrt versucht die Lady mehrfach, das Vertrauen ihrer Kinder zu erzwingen. In der oben angefiihrten Szene, in der sie Charlotte nahelegt, den Grafen zu heiraten, reagiert sie auf Charlottes Triinen, Triinen aus Angst vor der ihr bevorstehenden Zwangsehe, wie folgt:

... schiitte deinen Kummer in den School3 deiner Mutter aus. Du kannst nie eine zartlichere Freundinn haben, die deines Vertrauens wiirdiger ist.-Schon wieder Thriinen?-O, mein Kind, k6nntest du wohl Geheimnisse vor einer Mutter haben, die nichts, als deine Gliickseligkeit, wiinscht?-Ach, ich habe nur noch dich;- du alleine muf3t mir den Verlust ersetzen, den ich durch die Grausamkeit deiner Schwester erlitten habe: denn, indem sie von dem Wege der Tugend abgewichen ist, hat sie die siissen Bande zerrissen, die sie an mein Herz fesselten. (38)

Diese Szene kann als typisch ffir die Inter- aktion zwischen Mutter und 'ITchtern gel- ten: die Mutter beteuert ihre Liebe zu ihren Kindern, macht aber im selben Atemzug deutlich, daI8 diese Liebe von der un- bedingten Anpassung an die mfitterliche Tugendmoral und vom bedingungslosen Gehorsam der Kinder abhdingt, und erpreB3t die tugendhaften Kinder mit den Ubeltaten der weniger perfekten Geschwister. Die miitterliche Liebe wird den Kindern nur dann garantiert, wenn diese, wie auch Sara Sampson es hiufig tut, sich selbst kasteien, bevor die Mutter dazu kommt:

CAROLINE (stiirzt sich zu ihrer Mutter Fiissen.) Liebste, theuerste Mama, ver- zeihen sie ihrer ungliicklichen 'Ibchter die Unruhe, die sie ihnen verursacht. Ich bin ein verworfenes Gesch6pf, das bestimmt ist, alle die zu betriiben, die ich liebe, die mir theurer sind, als mein Leben, und die- LADY (will sie aufheben.) Beruhige dich, meine Caroline; du bist mein liebes Kind; ich liebe dich- (77)

In diesen Status als geliebte Tochter wird Caroline allerdings erst wiedereingesetzt, nachdem ihre sexuelle Unschuld erwiesen ist; gleich darauf aber wird sie erneut aus der mfitterlichen Gegenwart verbannt, wobei Lady Danby in fibelster Weise mit Carolines Angst vor Lord Hamilton spielt. Als die Lady nach ihrem Bruder schickt, bit- tet Caroline sie knieffillig, ihn nicht rufen zu lassen, und die Lady gibt nach; kurz darauf aber kann die zartfiihlende Mutter den Anblick ihrer geisteskranken Tochter nicht mehr ertragen:

LADY (ganz ausser sich.) 0, Charlotte, nimm sie, ffihre sie von mir; ich kann es nicht ausstehen! (zu Carolinen.) Gehe mit deiner Schwester, mein Kind; dein Onkel m6gte uns sonst iiberfallen. CAROLINE (faihrt bey diesen Worten zusammen.) Mein Onkel? Nein, nein, ich will gehen. Komm, fiihre mich, wohin du willst; nur nicht zu meinem Onkel. (Geht voller Angst mit Charlotten ab.) (51)

Angesichts der Erpressungs- und Droh- ungstaktiken, mit denen Lady Danby ihre Kinder erzieht, k6nnen die zahlreichen Zitate, die sie als Inbegriffweiblicher Tugend und mfitterlicher Zirtlichkeit darstellen, nur als blanke Ironie gelesen werden, zumindest solange man Elternliebe als eine der gepriesenen miitterlichen 'Tugenden" postuliert. Der Graf zum Beispiel versucht mit folgenden Worten, bei Lady Danby fTir Carl einzutreten: "I'hre erhabene Tugend ist unfiihig, jemand zu verdammen, ohne ihn gehart zu haben" (72)---und das, nachdem die Lady sowohl Caroline als auch Carl

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KORD: Hensel 13

verstol3en hat, ohne ihnen auch nur die geringste M6glichkeit zu geben, sich zu rechtfertigen. Solche AuBerungen, die die 'Tugend" der Mutter (verstanden als Liebe zu ihren Kindern) im offensichtlichen Ge- gensatz zu den GeschehnissenaufderBiihne behaupten, haiufen sich gegen Ende des Stiickes.

Fiir diese Widerspriichlichkeit gibt es letztendlich nur eine Erkliirung: Wihrend der Text aufder Oberflaiche eine Identifizie- rung zwischen miitterlicher Liebe und weib- licher Tugend vornimmt, wird diese Tugend im Subtext des Dramas nicht als Synonym, sondern als direkter Gegensatz zur miitter- lichen Liebe interpretiert. Hensels ein Jahr spaiter erschienene Bearbeitung des Dra- mas greift diese Interpretation wieder auf. Das Stiick selbst ist, von geringfiigigen An- derungen abgesehen, dasselbe; die wichtig- ste Anderung findet sich im Titel. Der neue Titel, Die Entfihrung, oder: die zidrtliche Mutter, informiert das Publikum bereits vor Beginn des Dramas, daB es sich um eine

Entffihrung handelt, und schaltet damit zu- mindest im Zuschauerraum jeden Zweifel an Carolines sexuell verstandener '"Tugend" von vornherein aus. Mit diesem Wissen im Hintergrund beobachtet das Publikum fiinf Akte lang die im Titel thematisierte "Zirt- lichkeit" der Mutter: die Verstof3ungen, die Beschimpfungen, den Liebesentzug, die Er- pressungsversuche, den psychologischen Terror, den Ehezwang. Die Autorin begriin- det die Anderung in ihrer Vorrede mit Riick- sicht auf das Genre: "Der Titel, die Familie aufdem Lande ist fast durchgingig getadelt worden, weil er mehr etwas komisches, als etwas riihrendes zu versprechen scheint. Da nun solche T~iuschungen nicht immer ange- nehm sind, so glaube ich, daB der itzige, mehr Analog mit der Geschichte des Stiicks seyn wird."'1 Wichtiger aber ist meines Erachtens die Funktion des neuen Titels auf der Subtextebene, wo er die tyrannische Tu- genderziehung der Lady Danby fir das Pu- blikum von Anfang an durchschaubarer macht.

Aber nicht nur die iibliche Identifizie-

rung von Elternliebe und Tugenderziehung wird in Hensels Drama konsequent bezwei- felt und negiert, sondern auch die traditio- nelle Vorstellung, Anpassung an das Tu- gendideal fiihre zum Glfick (oder k6nne zu- mindest die Katastrophe abwenden). Die Rhetorik des Stiickes schlieBt ein uneinge- schrinktes Happy End von vornherein aus. Denn die Welt des Stiickes ist eine, "wo der Tugendhafte so oft mit Jammer zu kimpfen hat" (16); "das Ungliick, das den Tugendhaf- ten fast immer verfolgt" (23), heftet sich auch hier an die Fersen der dargestellten Figuren. So iiberrascht es kaum, daB die standhafte Tugend bei Hensel keineswegs mit dem Happy End belohnt wird, das die zeitgenossische Ideologie verspricht. Wah- rend es Lessings Publikum ein leichtes war, Sara Sampsons Ende als Strafe fiir ihr Ab- weichen vom geraden Weg der Tugend zu nehmen, bleibt das Ende der Familie nach traditionellen Vorstellungen unerkliirlich: die Katastrophe trifft nicht nur Carl, der diesen Weg ebenfalls zeitweilig verliiJ3t, sondern auch die tadellosen Tugendheldin- nen Caroline und Charlotte. Anders als im biirgerlichen Trauerspiel besteht die Kata- strophe nicht im Tod der Tochter, sondern- dem traditionellen Happy End der Komadie gemi1---in der Verlobung der Kinder. Sowohl Carl als auch Charlotte gehen eine Ehe mit einem ungeliebten Partner ein und verlieren den geliebten; Caroline bleibt geistig verwirrt. Die Zuversicht der Lady, die meint, "Der Himmel, der uns genug gepriift hat, wird deine Vernunft zuriicke bringen; und dann werden wir alle gliicklich seyn" (86), scheint reichlich optimistisch, vor allem im Hinblick auf Sheridans Ende: dort hat gerade Dollys Ablehnung der Werbung und permanente Ehelosigkeit ihre Heilung zur Folge. Die Erziehung zur Tugend rechtfertigt die Lady am Ende des Stiickes nicht mit dem Gliick, das die Tugend belohnt, sondern mit einer erneuten Drohung, diesmal impliziert in ihrem Dank fiir kleine Gnaden, mit dem das Stuick schlieBlt:

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14 THE GERMAN QUARTERLY Winter 1993

... laJ3t uns dem Allmlichtigen danken,

dab3 seine priifende Hand uns zwar beriihrt, aber nicht erdriickt hat. LaJ3t uns jeden kiinftigen Tag unsers Lebens zur Ausiibung der 'Tgend, und der Pflichten, die wir ihr schuldig sind, anwenden: so werden wir, wenn auch ein Wetter fiber unsern Hiiuptern steht, doch stets auf den Schutz der Vorsicht bauen k6nnen. (86)

Der Intention nach mag Hensels Drama dem Lessings verwandt gewesen sein; es ist durchaus maglich, daB sie in ihrer unmiB3- verstdindlichen Kritik zeitgenSssischer Tu-

gendmoral Ansiitze aus Mif3 Sara Sampson wiederaufnahm. Diese Kritik LiuBert sie jedoch gerade in ihrer Umnkehrung vieler Motive aus Mi/3 Sara Sampson: solche Um- kehrungen finden sich in Hensels Drama immer da, wo Lessing ein dramatisches Modell entlehnte, das fiblicherweise zur Aufrechterhaltung der traditionellen Tu- gendmoral diente. So steht bei ihr das riih- rende Lustspiel gegen das biirgerliche Trau- erspiel, drei Kinder gegen eine Tochter, die Mutter gegen den Vater bzw. die Viiter (wenn man Waitwell als Vaterrolle sieht), der brutale Onkel gegen den sentimentalen Vater, Carolines und Charlottes tadellose Tugendhaftigkeit gegen die "gefallene" Tugend Sara Sampsons, die Verlobung der drei Kinder gegen den Tod der Tochter, Hensels offensichtlich unvollkommenes Happy End gegen Lessings riihrend-tragi- schen Schlul3. Lessings liebenden Vater, der auch eine lasterhafte Tochter akzeptieren kinnte, und die nicht existente Mutter, von der Sara vermutet, sie "wviirde mich viel- leicht mit lauter Liebe tyrannisiert haben" (215), ersetzt Hensel durch eine Mutter, bei der von derartiger Liebe nichts zu spiiren ist und die ihre Kinder mit dem Dogma der unbedingten Tugend tyrannisiert. Wiihrend Lessing Sara und Marwood einander auf doppelte Weise gegenfiberstellt (als Reprdi- sentantinnen von 't"ugend" und "Laster," aber auch als einander iihnliche Figuren mit verwandtem Schicksal), verzichtet Hensel auf die Figur der Kurtisane-und damit auch auf einen wie immer gearteten Ver-

gleich-und begniigt sich mit der Darstel- lung der lieblosen, aber effektiven miitterli- chen Erziehung. Aber obwohl die Erziehung zur Tugend in Hensels Stiick erfolgreich ist, erwaichst daraus nicht die von der Lady an- gesprochene Gliickseligkeit, die, zeitgen6s- sischer Ideologie zufolge, die Tugend stets belohnt. Bei Hensel besteht der "Lohn" der Tugend darin, gro63erem Elend entgangen zu sein--ein Ende, das kaum iiberrascht, wenn man bedenkt, daB die Tugend, zu der die Kinder in ihrem StiUck erzogen werden, vor allem die Aufgabe der eigenen Glficks- ansprtiche bedeutet. Weibliche Tugend ist bei Hensel identisch mit bedrdingter Tu- gend; das Glfick kann die Tugend nicht be- lohnen, denn Tugend und Gliick sind per definitionem unvereinbar. So ist anzuneh- men, daB die Figuren ihres Stiickes auch nach dem kom6dienhaften Ende ihre Stand- haftigkeit weiter unter Beweis stellen muisen.

Dieser letzte Aspekt stellt Hensels Stuick in eine Tradition von Dramen weiblicher Autoren, von denen sich viele mit dem Konzept weiblicher Tugend besch iftigten.62 Wdihrend Trag6dien von Frauen, etwa von Luise Gottsched (1713-1762), Christiane Friederike Huber (um 1729-1799) oder Luise von Pernet (1742-1801), die dramati- sche Weltordnung umkehren, die Tugend bestrafen und das Laster belohnen,63 findet sich in Kom dien von Victoria von Rupp (ca. 1755-ca. 1824), Marianne Sophie von Reit- zenstein (1770-1823) oder Maria Antonia Teutscher (1752-1784) h iufig ein auf aihn- liche Weise relativiertes oder widerspriich- liches "Happy" End wie das oben beschrie- bene.64 Hensels direkte literarische Ein-

flfisse waren Lessing und Sheridan, die wiederum in Samuel Richardson ein ge- meinsames literarisches Vorbild haben;65 die literarische Tradition jedoch, in der sie steht, ist die der konsequenten Auseinan- dersetzung vieler Autorinnen mit einem Tu- gendkonzept, das ihnen--nicht zuletzt in der Literatur m~innlicher Autoren-aufge- natigt wurde.

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KORD: Hensel 15

Anmerkungen

1Sobezeichnet u.a. bei Kuno Fischer, G.E. Lessing als Reformator der deutschen Biihne (Stuttgart und Berlin: Cotta, 1904-05) 78. Ferdinand van Ingen gibt zwar zu, daI3 nicht Lessing das Genre erfand, h&lt diesen Einwand aber angesichts der "Wirkung des Sara-Dramas" fiir unwichtig ('Tugend bei Lessing: Bemerkungen zu 'Miss Sara Sampson'," Amsterda- mer Beitrage zur neueren Germanistik 1 [1972]: 43-

73; hier 43). Ursula Friess schrlinkt ein: "'MilB Sara

Sampson' gilt als erstes gewichtiges 'biirgerliches Trauerspiel"' ("'Verfiihrung ist die wahre Gewalt': Zur

Politisierung eines dramatischen Motivs in Lessings

biirgerlichen Trauerspielen," Jahrbuch der Jean-

Paul-Gesellschaft 6 [1971]: 102-30; hier 103). 2Gotthold Ephraim Lessing, Hamburgische Dra-

maturgie, 4. Stiick, Lessings Werke, hg. Kurt W6lfel, 3 Bde. (Frankfurt/M.: Insel, 1967) II: 121-533; hier 140. Alle folgenden Zitate aus der Hamburgischen Dramaturgie beziehen sich auf diese Ausgabe und werden im Text mit der Abkiirzung HD, Stiick- und Seitenzahl bezeichnet.

3U.a. bei K. HerloBsohn, H. Marggraffu.a. (Hg.), Allgemeines Theater-Lexikon oder Encyklop•die alles Wissenswerthen fiar Biihnenkisnstler, Dilettanten und

Theaterfreunde unter Mitwirkung der sachkundig- sten Schriftsteller Deutschlands, Neue Ausgabe, 7 Bde. in 3 (Altenburg und Leipzig: Expedition des

Theater-Lexikons, 1846) IV: 218; Robert E. Prutz, Vor-

lesungen iber die Geschichte des deutschen Theaters

(Berlin: Duncker und Humblot, 1847) 295 und 359; Alexander von Weilen und Oscar Teuber, Die Theater

Wiens, 2 Bde. (Wien: Gesellschaft fiir vervielftiltigen- de Kunst, 1899-1906) II: A84; Arthur Eloesser (Hg.), Aus der gropen Zeit des deutschen Theaters: Schau-

spieler-Memoiren (Miinchen: E. Rentsch, 1911) 37; Paul Schlenther, Theater im 19. Jahrhundert: Ausge- wdhlte theatergeschichtliche Aufs~tze (Berlin: Verlag der Gesellschaft fiir Theatergeschichte, 1930) 2.

4Johann Friedrich Lwen, Geschichte des deut- schen Theaters (1766) und Flugschriften iber das

Hamburger Nationaltheater (1766 und 1767) in Neu-

druck, hg. Heinrich Stiimcke (Berlin: E. Frensdorff, [1905]) 81.

5Heinrich Leopold Wagner, Briefe die Seylerische Schauspielergesellschaft und Ihre Vorstellungen zu

Frankfurt am Mayn betreffend (Frankfurt/M.: Ei-

chenbergische Erben, 1777).

6Iffland zitierte Hensel und ihren Kollegen und Mentor Konrad Ekhof hiufig als Vorbilder: "Freylich dachte ich mir zu den Helden und Heldinnen, welche sie [die Geschichte] schildert, immer nur Eckhof [sic] unddie Hensel."August Wilhelm Iffland, Uebermeine

theatralische Laufbahn (Nendeln/Liechtenstein: Kraus Reprint, 1968 [Nachdruck der Ausgabe Heil- bronn: Gebr. Henninger, 1886]) 13.

7Zu ausfiihrlicheren biographischen Angaben siehe Johann Friedrich Schiitze, Hamburgische Theater-Geschichte (Hamburg: J. P. Treder, 1794) 328f.; HerloBsohn/ Marggraf IV: 217f.; Prutz 337-64; Philipp Stein, Deutsche Schauspieler: Eine Bildnis-

sammlung, 2 Bde. (Berlin: Verlag der Gesellschaft ffir

Theatergeschichte, 1907-08) I: 19 (verzeichnet unter

Seyler); die Gallerie von Teutschen Schauspielern und

Schauspielerinnen der iltern und neuern Zeit nebst Johann Friedrich Schinks Zusiitzen und Berichtigun- gen (Berlin: Verlag der Gesellschaft fiir Theaterge- schichte, 1910 [Nachdruck der Ausgabe Wien: bei Ig- natius Nepomuk Edeln von Epheu, 1783]) 365

(Seyler); Theater-Kalender auf das Jahr 1912, hg. Hans Landsberg und Arthur Rundt (Berlin: Oester-

held, [1913]) 100-13; Johann Georg Meusel, Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen

Schriftsteller, 15 Bde. (Hildesheim: Georg Olms, 1967-68 [Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Leipzig: G. Fleischer d. J., 1802-16]) XIII: 143f.

(Seyler); und Susanne Kord, Ein Blick hinter die Ku- lissew Deutschsprachige Dramatikerinnen im 18. und 19. Jahrhundert (Stuttgart: Metzler, 1992) 312-14

(Seyler). Zur Stellung der Schauspielerin im 18. Jahr- hundert vgl. Edward Harris, "From Outcast to Ideal: The Image of the Actress in Eighteenth-Century Germany," The German Quarterly 54 (1981): 177-87, und Ursula Geitner (Hg.), Schauspielerinnen: Der theatralische Eintritt der Frau in die Moderne (Biele- feld: Haux, 1988).

8Herlol3sohn/Marggraf IV: 218. Im 18. Jahrhun- dert wurden Rollen aus 5konomischen Grdinden

streng nach Fiichern eingeteilt; diese Einteilung wurde nach Talent, Alter und physischen Merkmalen der SchauspielerInnen vorgenommen und nur in Aus- nahmeffillen iibertreten, so daB beijeder Truppe bzw. bei jedem Theater eine Schauspielerin oder ein

Schauspieler das entsprechende Fach sozusagen "besetzt" hielt. Beispiele fiir weitere Rollenfltcher, auf-

gefilhrt bei Harris: ziirtliche, tragische oder komische

Miitter, erste oder zweite Liebhaberin, erste oder zweite Soubrette, ziirtlicher oder komischer Alter, Raisonneur, erster oder zweiter Liebhaber, Petitmai-

tre, erster oder zweiter Bedienter, Pedanten, Juden, Bauern, Soldaten ("Lessing und das Rollenfachsy- stem: Uberlegungen zur praktischen Charakterologie im 18. Jahrhundert," Schauspielkunst im 18. Jahr- hundert: Grundlagen, Praxis, Autoren, hg. Wolfgang Bender [Wiesbaden: Franz Steiner, 1992] 221-35). Zum Rollenfach vgl. auch Hans Doerry, Das Rollen- fach im deutschen Theaterbetrieb des 19. Jahrhun-

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16 THE GERMAN QUARTERLY Winter 1993

derts (Berlin: Verlag der Gesellschaft ffir Theaterge- schichte, 1926). Zur Theaterpraxis im 18. und 19. Jahrhundert siehe Kord 22-41.

9Zit. im Theater-Kalender auf das Jahr 1912 101.

10Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1772 (Leipzig: Weygand, [1772]) 71.

11Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1772 141. Die Hervorhebung ist die der Autorin oder des Autors.

12Hans Devrient (Hg.), Archiv fiir Theaterge- schichte, 2 Bde. (Berlin: E. Fleischel und Co., 1904-

05) II: 75f., Anm. 3; das Zitat auf S. 76. 13Heinz Kindermann, Theatergeschichte der Goe-

thezeit (Wien: H. Bauer, 1948) 449. 14Theater-Kalender aufdas Jahr 1912 101. Hein-

rich Leopold Wagner, ein begeisterter Verehrer, spielt in seinen Briefen auf Hensels kontroverse Rezeption an: ". .. Sie kennen sie ja, wissen wie stolz wir Teut- sche auf diese Schauspielerin seyn k6nnen, dii&ft ich doch von allen hinzusetzen, sind!" (Briefe die Seyleri- sche Schauspielergesellschaft ... betreffend 9.)

15Schiitze 339f.; Stein I: 19; Gloria Flaherty, "Lessing Among the Actors," Lessing Yearbook XIII

(1981): 81. Lessing macht in dem 101.-104. Stiick der HD einige sehr bittere Anmerkungen fiber die "Emp-

fmindlichkeit der Kiinstler, in Ansehung der Kritik" (525).

16Heinrich Schneider, Das Buch Lessing: Ein Le-

bensbild in Briefen, Schriften, Berichten (Miinchen und Bern: Francke, 1961) 106. Fast gleichlautend und ebenfalls unter Auslassung der bedeutenden Rolle, die Hensel dabei spielte, berichtet Dieter Fratzke von der Theatergriindung ("Die maBstabgerechte Nach-

bildung des Theaters am Giinsemarkt von 1765, des

spiiteren Hamburger Nationaltheaters," Lessing Yearbook XX [1988]: 1-14).

17Stein I: 19. 18U.a. A[lbert] E. Brachvogel, Das alte Berliner

Theater-Wesen bis zur ersten Blithe des deutschen Dramas (Berlin: O. Janke, 1877) 201. Schiitze ffihrt an, die Hamburger Entreprise sei urspriinglich Hensels Idee gewesen, und bezeichnet das Unterneh-

men, seinem Stifter nach, als"Seylersche Entreprise" (333 und 335). Im Theater-Kalender auf das Jahr 1912 wird berichtet, in Hamburg sei zu der Zeit das

Gerifcht umgelaufen, Hensel wolle das Theater leiten

(102). Laut Meusel stand sie zusammen mit Konrad Ekhof in Hamburg "an der Spitze der Gesellschaft" (XIII: 143).

19Schon allein die Tatsache, da3 Hensel im Jahre 1756 (mit 18 Jahren) und im Jahre 1767 (mit 29, d.h. in einem Alter, in dem die meisten Schauspielerinnen keine Rollen dieses Fachs mehr iibernehmen

konnten) dieselbe Rolle spielen konnte, deutet auf

eine beachtliche kiinstlerische Leistung, die sich ilber

Altersgrenzen und Rollenfachbeschriinkung hin-

wegsetzen konnte.

20Briefvom 3. 11. 1756; Briefe von und an Lessing 1743-1770, hg. Helmuth Kiesel et al. (Frankfdut/M.: Deutscher Klassiker Verlag, 1987) 1llf.

21Iffland 10. 22Zur Auseinandersetzung mit Frauenbildern in

Literatur rniinnlicher Autoren sowie zum interpreta- torischen Umgang mit ihnen siehe Inge Stephan, "'Bilder und immer wieder Bilder .. .': fUberlegungen zur Untersuchung von Frauenbildern in rminnlicher Literatur," Die verborgene Frau: Sechs Beitrdge zu einer feministischen Literaturwissenschaft, hg. Inge Stephan und Sigrid Weigel (Berlin: Argument, 1983) 15-34. Zum selben Thema vgl. auch Bernhard

Dotzler, "'Seht doch wie ihr vor Eifer schiiumet ...': Zum miinnlichen Diskurs iiber Weiblichkeit umrn 1800," Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft XXX (1986): 339-82; und Susan Cocalis, "Der Vormund will Vormund sein: Zur Problematik der weiblichen Unmiindigkeit im 18. Jahrhundert," Ge- staltet undl gestaltend: Frauen in der deutschen Lite-

ratur, hg. Marianne Burkhard (Amsterdam: Rodopi, 1980) 33-55.

23Vgl. die Gegeniiberstellung von Sara und Marwood in Mif3 Sara Sampson, Emilia und Orsina in Enilia Galotti, Leonore und Julia in Die Verschwo-

rung des Fiesco zu Genua, Luise Millerin und Milford in Kabale und Liebe, Maria und Adelheid in Gbtz von

Berlichingen, Elisabeth und Eboli in Don Carlos, Thekla und Terzky in Wallenstein, Gretchen und Marthe Schwerdtlein in Faust I. Dieser Kontrast in- teressierte viele Dramatiker mehr als nur die Darstel-

lung der biirgerlichen Unschuld, wie etwa Schillers

Titeliinderung von Luise Millerin zu Kabale uld Liebe andeutet. Dagegen existieren derartige kontrastierte Frauenbilder im zeitgen6ssischen Drama von Frauen nur selten. Mir sind im 18. und 19. Jahrhundert nur zwei Dramen von Frauen bekannt, die ein solches weibliches Gegensatzpaar auf die Bfihne bringen: Eleonore Thons (1753-1807) Adelheit von Rasten-

berg: Ein Trauerspiel in fiinfAufziigen (Weimar: Hoff- mannsche Buchhandlung, 1788) und Charlotte Birch- Pfeiffers (1800-1868) Elisabeth (1841), Gesammelte

draimatische Schriften, 2 Bde. (Berlin: Duncker und

Humblot, 1847) I: 169-374.

24U.a. von Barbara Becker-Cantarino, Der lange Weg zur Miinligkeit: Frau und Literatur 1500-1800

(Stuttgart: Metzler, 1987) bes. 46-65; dies. (Hg.), Die Frau von der Reformation zur Romantik: Die Situta- tion der Frau vor demn Hintergrun?l der Literatur- ulnc Sozialgeschichte (Bonn: Bouvier, 1980); Ute Frevert, Frauen-Geschichte zwischen biirgerlicher Verbesse-

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KORD: Hensel 17

rung und Neuer Weiblichkeit (Frankf?rt/M.: Suhr-

kamp, 1986), bes. 15-51. Zu diesem Thema vgl. auch

Stephan, "Bilder," Dotzler und Cocalis.

25Inge Stephan," 'So ist die Tugend ein Gespenst': Frauenbild und Tugendbegriff bei Lessing und Schil-

ler," Lessing und die Toleranz: Sonderband zum

Lessing-Jahrbuch, hg. Peter Freimark, Franklin Ko-

pitzsch und Helga Slessarev (Detroit: Wayne State

UP, 1986) 357-74; hier 357.

26Denis Jonnes, "The Family as Fiction: The Au- thoritarian-Sentimental Family in the Works of

Richardson, Diderot and Lessing" (Diss.: Brown Uni-

versity, 1977) and "'Solche Vdter': The Sentimental

Family Paradigm in Lessing's Drama," Lessing Year- book XII (1980): 157-74.

27Stephan, "Tugend" 360.

28Gail Hart, "A Family Without Women: The

Triumph of the Sentimental Father in Lessing's Sara

Sampson and Klinger's Sturm und Drang," Lessing Yearbook XXII (1990): 113-32. Hart nennt in der Reihe der mutterlosen Heroinen u.a. Sara Sampson, Goethes Gretchen, Stella und Marie Beaumarchais, Klingers Jenny Caroline, Wagners Friederike Walz, Schillers Amalie, Gerstenbergs Gianetta (Ugolino); weitere abwesende, nebensiichliche oder betont lii- cherliche Miitter: Claudia Galotti, Frau Millerin, Wagners Frau Humbrecht, Lenz' Frau Wesener in Die Soldaten (113). Die Abwesenheit der Mutter und die

schlieBlliche TEtung der Tochter in diesen Dramen be- schreibt Hart als "linked phenomena with the identi- cal effect: the removal of women from ... the family" (116).

29Karin Wurst, Familiale Liebe ist die wahre Gewalt: Die Reprisentation der Familie in G.E. Les-

sings dramatischem Werk (Amsterdam: Rodopi, 1988) 114, und Algot Bengt S0rensen, Herrschaft und Zart- lichkeit (Miinchen: Beck, 1984) 39-44 und 60.

30Wurst, Familiale Liebe 106.

31Stephan, 'Tugend" 360f. und 363. 32Karin Wurst, "Abwesenheit-Schweigen-

TEtung: Die MSglichkeiten der Frau? Lessings Funk- tionalisierung literarischer Klischees," Orbis Littera- rum 45/1 (1990): 113-27; hier 115.

33Wurst, "Abwesenheit" 115.

34Stephan, 'Tugend" und S0rensen 65-68, 78f. 35Gerd Hillen, "Die Halsstarrigkeit der Tugend:

Bemerkungen zu Lessings Trauerspielen," Lessing Yearbook II (1970): 115-34; Wolfram Mauser, "Les- sings Miss Sara Sampson: Bilrgerliches Trauerspiel als Ausdruck innerbi~rgerlichen Konflikts," Lessing Yearbook VII (1975): 7-27; Manfred Durzak, Zu Gott- hold Ephraim Lessing: Poesie im biirgerlichen Zeital- ter (Stuttgart: Klett, 1984); Gisbert Ter-Nedden, Les- sings Trauerspiele: Der Ursprung des modernen

Dramas aus dem Geist der Kritik (Stuttgart: Metzler, 1986); Wurst, Familiale Liebe 1llf. und "Abwesen- heit."

36Van Ingen 51; Fritz Brilggemann, "Lessings Biurgerdramen und der Subjektivismus als Problem," Gotthold Ephraim Lessing, hg. Gerhard und Sibylle Bauer (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesell- schaft, 1968) 83-126; hier S. 85.

37Stellvertretend fuir viele Ter-Neddens "Einlei-

tung: Lessings Fehler" 1-3. 38Gotthold Ephraim Lessing, Moses Mendels-

sohn, Friedrich Nicolai, Briefwechsel iiber das 7Tau- erspiel, hg. Jochen Schulte-Sasse (Miinchen: Winkler, 1972).

39Gotthold Ephraim Lessing, Mif Sara Sampson, Lessings Werke, 3 Bde., hg. Kurt W6lfel (Frankfurt: Insel, 1967) I: 167-247; hier 206 bzw. 193. Weitere Zitate aus dem Drama werden mit Seitenzahl im Text bezeichnet.

40Der Brief dieses Rezensenten-walu-scheinlich Johann Jakob Dusch-wie auch alle weiteren ange- filhrten Kritiken sind zitiert in Karl Eibl, Gotthold Ephraim Lessing: Miss Sara Sampson. Ein biirgerli- ches Trauerspiel (Frankfurt/M.: Atheniium, 1971) 214-49; hier 231.

41Auch die Forschung ist gegen diese Identifizie-

rung nicht immer gefeit, wie sich an Bezeichnungen des Dramas als "Sara-Drama" belegen liiBt (zum Bei- spiel bei van Ingen 43).

42Zit. Eibl 245. 43Zit. Eibl 225; Hervorhebungen des Autors.

Ahnlich heil3t es in einer anderen Kritik: "Ich weis zu

wenig Basesvon der Marwood und von dem Mellefont, und zu wenig Vortheilhaftes von der Sara, daB3 ich mich schon fiir sie, fiir einen jeden nach Verdienst, interel3iren kinnte, indem ich sie sehe" (zit. auf S. 235; Hervorhebungen des Autors).

44Eibl 240.

45Entsprechende Zitate bei Eibl 215f., 217, 242f., 244, 247.

46Zit. Eibl 229. 47Zit. Eibl 243f. 48Zit. Eibl 244. 49Wenn Ter-Nedden wiederholt feststellt, Les-

sings Dramen seien jahrhundertelang "miB-," d.h. anders verstanden wurden als unter Voraussetzung einer progressiven auktorialen Intention, bestiitigt er damit lediglich, da13 die Dramen offensichtlich eine andere Wirkung hatten als die von Lessing (m6gli- cherweise) intendierte. Vgl. bes. seine Einleitung "Lessings Fehler," 1-12, und sein Schlulkapitel"Les- sings Milverstlindlichkeit," 238-48.

50Wursts Theorie nach schafft Lessing in Wait- well eine Mutterfigur, die als Vertrauter Saras und

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18 THE GERMAN QUARTERLY Winter 1993

Vermittler zwischen Vater und Tochter fungiert; diese

"Funktionalisiel-ung des Klischees der Abwesenheit einer Mutterfigur" sieht sie als Kritik des Autors an "der scheinbaren

Nat-irlichkeit des tradierten Werte-

systems" ("Abwesenheit" 121). Auch das bezieht sich selbstverstiindlich nur auf die Intention des Autors und nicht auf die dramatische Wirkung--dem Publi- kum erscheint Waitwell nach wie vor als Mann. Wursts Analogie ist iiberzeugend bis aufeinen Punkt, den niimlich, wo sie P arallelen zieht zwischen der un-

tergeordneten Stellung des Dieners und der der Frau: Waitwell wird Sir William am Ende gleichgestellt; der soziale Unterschied wird aufgehoben, was bei einem

geschlechtlichen nicht miglich wire. 51Zit. Kindermann 449. 52Aus den angefiihrten Besprechungen geht

hervor, daI3 Hensel in den von Lessing, Nicolai und Iffland beobachteten Auffiihrungen die Sara anders

darstellte, eben als Frauenzimmer von sanfter Den-

kungsart und ohne wie immer geartete Marwoodsche

Anfiille.

53OUber zwei ihrer Dramen, Die Familie aufdemn

Laide und Oberon, K6nig der Elfen, siehe Kord 49f. und 199-201.

54Devrient II: 76, Anm. 3.

55Anon., "Die Familie auf dem Lande, ein Drama, in fiinf Aufziigen von Friederica Sophia Hensel," Al- manach der deutschen Musen auf das Jahr 1771

(Leipzig: Weygand, [1771]) 82f.; hier S. 82. Trotz der zitierten Aussage, in der der Rezensent Frauen das Recht zum Schreiben zugesteht, ziih1t in seiner Be-

sprechung nur ein Aspekt zur Beurteilung des Stiickes: das Geschlecht der Verfasserin. So postuliert der Verfasser, ohne Belege anzufiihren, daJ3 Hensel

"bey diesem ihren ersten Versuche ohne Zweifel einen

miinnlichen Rathgeber gebraucht hat, so mag sie an diesem ihren RegreB nehmen, wenn ihr die Kunst- richter zuviel thun" (83). Zu Beginn der Besprechung bezeichnet er ihr Drama als eine "merkwilrdige Er-

scheinung!" und mulB, "so gem ich dem sch6nen Ge- schlechte schmeichle," feststellen, das Stiick verdiene "mehr um der Verfasserinn, als um sein selbst willen

gelesen zu werden." "Merkwiirdig" findet er an dieser

Erscheinung vor allem folgendes: hier "tritt eine unsrer gr6sten Schauspielerinnen auf, und will ihren Namen auch durch ein Drama verewigen" (82). Die Botschaft an die Autorin scheint klar: Schusterin, bleib bei deinem Leisten.

56Anonym 83.

57Frances Sheridan, Conclusion of the Memoirs of Miss Sidney Bidulph, As prepared for the Press, By the Late Editor of the Former Part, 2 Bde. (London: Dodsley, 1770-72) II: 324f.

58Wurst, "Abwesenheit" 118; meine Hervorhe-

bung. 59Durzak 45; meine Hervorhebung. M6Friederike Sophie Hensel, Die Familie aufdem

Lande: Ein Drama, in fiinf Aufziigen von Friederica

Sophia Hensel (Braunschweig: Verlag der Fiirstl. Waisenhaus-Buchhandlung, 1770) 17. Alle folgenden Zitate aus dem Stilck beziehen sich aufdiese Ausgabe und werden im Text mit Seitenzahlen bezeichnet.

61Hensel, '"Vorbericht," Die Entfihrung, oder: die zartliche Mutter, Ein Drama in finf Aufziigen, Von Friederike Sophie Hensel, Neue Schauspiele Bd. 3

(Pressburg und Leipzig: 1772) 1-88; das Zitat unpag. 62Erste Aufarbeitungen der dramatischen Tradi-

tion von Frauen finden sich bei Dagmar von Hoff, "Die

Inszenierung des'Frauenopfers' in Dramen von Auto- rinnenum 1800,"Frauen--Literatur-Politik, hg. An-

negret Pelz et. al. (Berlin: Argument, 1988) 255-62; Ruth P. Dawson, "Frauen und Theater: Vom Stegreif- spiel zum biirgerlichen Riihrstiick," Deutsche Litera- tur von Frauen, hg. Gisela Brinker-Gabler, 2 Bde.

(Miinchen: Beck, 1988) I: 421-34, 508-10, 551f.; von

Hoff, Dramen des Weiblichen: Deutsche Draimatike- rinnen umr 1800 (Opladen: Westdeutscher Verlag, 1989); Karin Wurst, Hg., Frauen utwl Dramen in 18. Jahrhundert (1770-1800) (Koln: B6hlau, 1991) und Susanne Kord. Wursts Band enthalt Neudrucke von vier Dramen; bei Kord findet sich im Anhang eine Liste von Dramatikerinnen des 18. und 19. Jahrhun-

derts, mit Angaben zu Namen (Geburts-, Ehe-, Biih- nennamen, Pseudonymen), Geburts- und Sterbeorten und -daten, Dramen und heutigen Standorten der dramatischen Werke (323-467).

63Luise Adelgunde Gottsched, Panthea: Ein T'auerspiel in fiinf Aufziigen, Von Luise Adelg. Vict. Gottsched (Wien: Krausischer Buchladen, 1752); Christiane Friederike Huber, Cleveland dritter Theil, oder: Die redliche Untreu: Ein Tauerspiel in fianfAuf- ziigen, Von Eirer unbekannten HIand in Teutsche Verse

gebracht, und heraus gegeben von Christiana Fride- rica Huberin (Wien: 1756); Hedwig Luise von Pernet, Seline, ein konisches RTauierspiel, Versuch in Fabeln und Erzihlungen, nebst einem konischen Trauerspiel in Versen (Graz: Widmanstitterische Erben, 1770) 65-174.

64Victoria von Rupp, Mariatnne, oder Der Sieg der Thgend: Ein rihrendes Lustspiel in drey Aufziigen, Von Mifi Jennys Ubersetzerinn [Pseud.] (Frankfurt und Leipzig, 1777); Marianne Sophie von Reitzen- stein, Die seltene

BestdtMiigkeit: Ein Lustspiel in zwey

Aufzigen, yon Mariane Sophie Weikard, Deutsche

Schaubiihne Bd. 9 (1791): 383-440; Maria Antonia Teutscher, Fanny, oder Die glatckliche Wiedervereini-

gung: Ein Drama in einen Aufzuge (Wien: Zu finden bey dem Logenmeister, 1773). Fir eine Diskussion

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KORD: Hensel 19

beider Phiinomene vgl. Kord 48-52 und 94-100.

65Lessings Mi/f Sara Sampson wurde, wie zum

Beispiel Kuno Fischer (78) und Herbert Scurla (Hg.,

Triumph der Wahrheit, Gotthold Ephraim Lessing, Mensch und Werk [Berlin: Verlag der Nation, 1952] 75) hervorheben, von Richardsons Clarissa und

George Lillos The Merchant of London inspiriert; Sheridan widmete Richardson den ersten Teil ihres Romans. Vgl. Memoirs of Miss Sidney Bidulph, Ex- tracted from her own Journal, and now firstpublished (London und New York: Pandora, 1987).

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