Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes in der Religions- und...

28
Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes in der Religions- und Literaturgeschichte Israels Methodische, religionsgeschichtliche und exegetische Aspekte zur neueren Diskussion um den sogenannten »Monotheismus« im antiken Israel 1 Konrad Schmid – Zürich 1. Einführung Die Monotheismusfrage hat nicht nur 2 , aber besonders auch in der alttesta- mentlichen Wissenschaft in den letzten zwanzig Jahren erhöhte Aufmerksamkeit gefunden 3 . Ihre Neuentdeckung fiel damit in einen Zeitraum, der insgesamt von 1 Dieser Text geht auf Vorträge in Heidelberg und Zürich aus dem Jahr 2001 zurück. 2 Vgl. etwa aus den Gebieten der Ägyptologie und der Altorientalistik: E. Hornung, Der Eine und die Vielen. Ägyptische Gottesvorstellungen, Darmstadt 5 1994; J. Assmann, Arbeit am Polytheismus. Die Idee der Einheit Gottes und die Entfaltung des theologischen Diskurses in Ägypten, in: H. van Stietencron (Hg.), Theologen und Theologien in verschiedenen Kulturkreisen, Düsseldorf 1986, 46–69; ders., Monotheismus und Kosmotheismus. Ägyptische Formen eines »Denkens des Einen« und ihre europäische Rezeptionsgeschichte, SHAW.PH 12, Heidelberg 1993; ders., Moses und Echnaton: Religionsstifter im Zeichen der Wahrheit, in: B. Köhler (Hg.), Religion und Wahrheit. Religionsgeschichtliche Studien, FS G. Wießner, Wiesbaden 1998, 33–44; B. Nevling Porter (Hg.), One God or Many? Concepts of Divinity in the Ancient World, Transactions of the Casco Bay Institute 1, Casco Bay 2000; J. van Oorschot/M. Krebernik (Hgg.), Polytheismus und Monotheismus in den Religionen des Vorderen Orients, AOAT 298, Münster 2002. Für den Bereich der Religionswissenschaft s. den Beitrag von G. Ahn in diesem Band und die dort genannte Lit. sowie u. Anm. 19ff; vgl. ferner J. Manemann (Hg.), Monotheismus, Jahrbuch Politische Theologie Bd. 4, Münster 2001. 3 Vgl. O. Keel (Hg.), Monotheismus im Alten Israel und seiner Umwelt, BB.NF 14, Fribourg 1980; B. Lang (Hg.), Der einzige Gott. Die Geburt des biblischen Monotheismus, München 1981; ders., Neue Probleme in der Erforschung des Biblischen Monotheismus, in: B.J. Diebner/K.A. Deurloo (Hgg.), Yhwh – Kyrios – Antitheism. FS R. Zuurmond, DBAT.B 14, Dielheim 1996, 29–41; ders., Art. Monotheismus, Handbuch rel.wiss. Grundbegriffe IV, Stuttgart u.a. 1998, 148–165; E. Haag (Hg.), Gott der einzige. Zur Entstehung des Mono- theismus in Israel, QD 104, Freiburg i.Br. 1985; M. Görg, Monotheismus in Israel. Rück- schau zur Genese, in: K. Hilpert/K.-H. Ohlig (Hgg.), Der eine Gott in vielen Kulturen. In- kulturation und christliche Gottesvorstellung, Zürich 1993, 59–70; ders., Wege zu dem Einen. Perspektiven zu den Frühphasen der Religionsgeschichte Israels, MThZ 37 (1986), 97–115; G. Schmuttermayr, Vom Gott unter Göttern zum einzigen Gott. Zu den Spuren 12.11.08

Transcript of Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes in der Religions- und...

Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes in der Religions- und Literaturgeschichte Israels

Methodische, religionsgeschichtliche und exegetische Aspekte zur neueren Diskussion um den sogenannten »Monotheismus« im antiken Israel1

Konrad Schmid – Zürich

1. Einführung

Die Monotheismusfrage hat nicht nur2, aber besonders auch in der alttesta-mentlichen Wissenschaft in den letzten zwanzig Jahren erhöhte Aufmerksamkeit gefunden3. Ihre Neuentdeckung fiel damit in einen Zeitraum, der insgesamt von

1 Dieser Text geht auf Vorträge in Heidelberg und Zürich aus dem Jahr 2001 zurück. 2 Vgl. etwa aus den Gebieten der Ägyptologie und der Altorientalistik: E. Hornung, Der Eine

und die Vielen. Ägyptische Gottesvorstellungen, Darmstadt 51994; J. Assmann, Arbeit am Polytheismus. Die Idee der Einheit Gottes und die Entfaltung des theologischen Diskurses in Ägypten, in: H. van Stietencron (Hg.), Theologen und Theologien in verschiedenen Kulturkreisen, Düsseldorf 1986, 46–69; ders., Monotheismus und Kosmotheismus. Ägyptische Formen eines »Denkens des Einen« und ihre europäische Rezeptionsgeschichte, SHAW.PH 12, Heidelberg 1993; ders., Moses und Echnaton: Religionsstifter im Zeichen der Wahrheit, in: B. Köhler (Hg.), Religion und Wahrheit. Religionsgeschichtliche Studien, FS G. Wießner, Wiesbaden 1998, 33–44; B. Nevling Porter (Hg.), One God or Many? Concepts of Divinity in the Ancient World, Transactions of the Casco Bay Institute 1, Casco Bay 2000; J. van Oorschot/M. Krebernik (Hgg.), Polytheismus und Monotheismus in den Religionen des Vorderen Orients, AOAT 298, Münster 2002. Für den Bereich der Religionswissenschaft s. den Beitrag von G. Ahn in diesem Band und die dort genannte Lit. sowie u. Anm. 19ff; vgl. ferner J. Manemann (Hg.), Monotheismus, Jahrbuch Politische Theologie Bd. 4, Münster 2001.

3 Vgl. O. Keel (Hg.), Monotheismus im Alten Israel und seiner Umwelt, BB.NF 14, Fribourg 1980; B. Lang (Hg.), Der einzige Gott. Die Geburt des biblischen Monotheismus, München 1981; ders., Neue Probleme in der Erforschung des Biblischen Monotheismus, in: B.J. Diebner/K.A. Deurloo (Hgg.), Yhwh – Kyrios – Antitheism. FS R. Zuurmond, DBAT.B 14, Dielheim 1996, 29–41; ders., Art. Monotheismus, Handbuch rel.wiss. Grundbegriffe IV, Stuttgart u.a. 1998, 148–165; E. Haag (Hg.), Gott der einzige. Zur Entstehung des Mono-theismus in Israel, QD 104, Freiburg i.Br. 1985; M. Görg, Monotheismus in Israel. Rück-schau zur Genese, in: K. Hilpert/K.-H. Ohlig (Hgg.), Der eine Gott in vielen Kulturen. In-kulturation und christliche Gottesvorstellung, Zürich 1993, 59–70; ders., Wege zu dem Einen. Perspektiven zu den Frühphasen der Religionsgeschichte Israels, MThZ 37 (1986), 97–115; G. Schmuttermayr, Vom Gott unter Göttern zum einzigen Gott. Zu den Spuren

12.11.08

12 Konrad Schmid

einschneidenden Umwälzungen in der Einschätzung der alttestamentlichen Re-ligions-, Literatur- und Theologiegeschichte geprägt ist, deren Folgen gegenwär-tig noch nicht stabilisiert sind.

der Geschichte des Jahweglaubens in den Psalmen, in: E. Haag/F.-L. Hossfeld (Hgg.), Freude an der Weisung des Herrn, FS H. Groß, SBB 13, Stuttgart (1986) ²1987, 349–374; M. Hutter, Das Werden des Monotheismus im alten Israel, in: N. Brox/A. Felber (Hgg.), An-fänge der Theologie, FS J.B. Bauer, Graz 1987, 25–39; G. Braulik, Das Deuteronomium und die Geburt des Monotheismus, in: ders., Studien zur Theologie des Deuteronomiums, SBAB 2, Stuttgart 1988, 257–300; M. Weippert, Synkretismus und Monotheismus. Religionsinterne Konfliktbewältigung im alten Israel (1990), in: ders., Jhwh und die anderen Götter. Studien zur Religionsgeschichte des antiken Israel in ihrem syrisch-palästinischen Kontext, FAT 18, Tübingen 1997, 1–24; J.C. de Moor, The Rise of Yahwism. The Roots of Israelite Monotheism, BEThL 91, Leuven 1990; M.S. Smith, The Early History of God. Yahweh and the Other Deities in Ancient Israel, (San Francisco u.a. 1990) Dearborn 22002; ders., The Origins of Biblical Monotheism. Israel’s Polytheistic Background and the Ugaritic Texts, Oxford u.a. 2000; M.-Th. Wacker/E. Zenger (Hgg.), Der eine Gott und die Göttin. Gottes-vorstellungen des biblischen Israel im Horizont feministischer Theologie, QD 135, Freiburg i.Br. u.a. 1991; O. Keel/C. Uehlinger, Göttinnen, Götter und Gottessymbole. Neue Er-kenntnisse zur Religionsgeschichte Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener ikonographischer Quellen, QD 134, Freiburg u.a. (1992) 52001; W. Dietrich/M.A. Klopfen-stein (Hgg.), Ein Gott allein? JHWH-Verehrung und biblischer Monotheismus im Kontext der israelitischen und altorientalischen Religionsgeschichte, OBO 139, Fribourg/Göttingen 1994; W.H. Schmidt, Art. Monotheismus II. Altes Testament, TRE 23, Berlin/New York 1994, 237–248; ders., »Monotheismus« und Erstes Gebot, ThLZ 122 (1997), 1081–1092; C. Frevel, Aschera und der Ausschließlichkeitsanspruch JHWHs, BBB 94/1.2, Weinheim 1995; F. Stolz, Einführung in den biblischen Monotheismus, Darmstadt 1996; D.V. Edelman, The Triumph of Elohim. From Yahwisms to Judaisms, CBET 13, Kampen 1995; O. Loretz, Des Gottes Einzigkeit. Ein altorientalisches Argumentationsmodell zum »Schma Israel«, Darm-stadt 1997; R.K. Gnuse, No Other Gods. Emergent Monotheism in Israel, JSOT.S 241, Sheffield 1997; M. Köckert, Von einem zum einzigen Gott. Zur Diskussion der Religionsge-schichte Israels, BThZ 15 (1998), 137–175; M. Beck, Elia und die Monolatrie. Ein Beitrag zur religionsgeschichtlichen Rückfrage nach dem vorschriftprophetischen Jahweglauben, BZAW 281, Berlin/New York 1999; J. Pakkala, Intolerant Monolatry in the Deuterono-mistic History, SESJ 76, Helsinki/Göttingen 1999; W. Propp, Monotheism and Moses, UF 31 (1999), 537–575; M. Albani, Der eine Gott und die himmlischen Heerscharen. Zur Be-gründung des Monotheismus bei Deuterojesaja im Horizont der Astralisierung des Gottesverständnisses im Alten Orient, ABG 1, Leipzig 2000; C.M. Maier, Der eine oder der einzige Gott? Israels Weg zum Monotheismus in exilischer Zeit, BiKi 55 (2000), 140–146; B. Becking u.a. (Hgg.), Only One God? Monotheism in Ancient Israel and the Veneration of the Goddess Asherah, BiSe 77, New York 2001; Z. Zevit, The Religions of Ancient Israel. A Synthesis of Parallactic Approaches, London/New York 2001; W. Dietrich/U. Luz, Universalität und Partikularität im Horizont des biblischen Monotheismus, in: C. Bultmann u.a. (Hgg.), Vergegenwärtigung des Alten Testaments, FS R. Smend, Göttingen 2002, 369–411; R. Albertz, Jahwe allein! Israels Weg zum Monotheismus und dessen theologische Be-deutung, in: ders., Geschichte und Theologie. Studien zur Exegese des Alten Testaments und zur Religionsgeschichte Israels, BZAW 326, Berlin/New York 2003, 359–382 (vgl. ins-gesamt das Themenheft BiKi 49/2 [1994] sowie Welt und Umwelt der Bibel 11 [1999]).

Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 13

Forschungsgeschichtlich4 lässt sich die jüngste Monotheismus-Debatte in gewisser Weise als Rückkehr zu bestimmten Grundüberzeugungen der religi-onsgeschichtlichen Schule anfangs des 20. Jahrhunderts beschreiben, die sich auch in anderen Bereichen der Rekonstruktion religionsgeschichtlicher Entwick-lungen im antiken Israel beobachten lässt. Exemplarisch kann dies an einem Vergleich zwischen den »Monotheismus und Polytheismus«-Artikeln in der zweiten5, dritten6 und vierten7 Auflage der RGG illustriert werden: Statuierte Haller 1930 noch, dass sich »M.[onotheismus] als bestimmt formulierte Lehre vom Dasein eines einzigen Gottes ... erst vom Exil« an belegen lasse8 und so erst nach und nach im Verlauf der geistigen Geschichte Israels aufgekommen sei, so liest sich der Artikel von Baumgärtel aus dem Jahr 1960 dazu wie ein Ge-genmanifest: »Der M.[onotheismus] in der at. Religion ist zwangsläufige Folge ihres Grundverständnisses von Gott, mit dem sie wie ein erratischer Block aus den Umweltreligionen herausragt«9, die Religion Israels und ihr Monotheismus lassen sich nicht evolutionär erklären, sondern nur als »Stiftung« von Mose her10. 2002 stellt dann Müller wieder fest: »Einen reflektierten M.[onotheismus] gibt es erst als Antwort auf die Exilskrise«11, er präzisiert aber die zuvorlaufende Religionsgeschichte mittels des Begriffs eines »privilegierte[n] Gegenseitigkeits-verhältnis[ses]«12.

Es ist deutlich, dass der Wandel in der Darstellung der Monotheismus-Thematik von der zweiten über die dritte zur vierten Auflage der »Religion in Geschichte und Gegenwart« nicht nur, aber auch mit entsprechenden Verände-rungen in der theologischen Großwetterlage zusammenhängt. Die »Religion in Geschichte und Gegenwart« war in ihrer ersten und zweiten Auflage noch fest in der Hand der sogenannten religionsgeschichtlichen Schule13, als deren Organ

4 Vgl. dazu N. Lohfink, Zur Geschichte der Diskussion über den Monotheismus im Alten

Israel, in: E. Haag (Hg.), Gott der einzige. Zur Entstehung des Monotheismus in Israel, QD 104, Freiburg i.Br. u.a. 1985, 9–25; Köckert, Von einem zum einzigen Gott; R.K. Gnuse, The Emergence of Monotheism in Ancient Israel: A Survey of Recent Scholarship, Religion 29 (1999), 315–336; Smith, The Early History of God (22002), xii–xxxviii; N. MacDonald, Deuteronomy and the Meaning of ›Monotheism‹, FAT II/1, Tübingen 2003, 5–58.

5 M. Haller, Art. Monotheismus und Polytheismus II. Im AT, RGG2 IV, Tübingen 1930, 192–194.

6 F. Baumgärtel, Art. Monotheismus und Polytheismus II. Im AT, RGG3 IV, Tübingen 1960, 1113–1115.

7 H.-P. Müller, Art. Monotheismus und Polytheismus II. Im AT, RGG4 V, Tübingen 2002, 1459–1462.

8 Haller, Monotheismus 192. 9 Baumgärtel, Monotheismus 1113. 10 Ebd. 1114. 11 Ebd. 1461. 12 Müller, Monotheismus 1460. 13 Vgl. G. Lüdemann/A. Özen, Art. Religionsgeschichtliche Schule, TRE 28, Berlin/New

York 1997, 618–624, 621 (Lit.: 623f).

12.11.08

14 Konrad Schmid

sie ursprünglich auch ins Leben gerufen worden war. Die religionsgeschichtliche Schule um Forscher wie Johannes Weiß, Wilhelm Bousset und Hermann Gun-kel erklärte das Judentum und das Christentum aus den nachweisbaren äußeren Einflüssen anderer Religionen, die durch die großen archäologischen Funde und Entdeckungen des 19. Jahrhunderts greifbar geworden waren.

Anfangs der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts wandte sich jedoch die Diskussionslage entscheidend und die erwachende dialektische Theologie um Karl Barth drängte die religionsgeschichtliche Schule mehr und mehr ins theo-logische Abseits. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich die dialektische Theologie dann als maßgebliche Position in der deutschsprachigen protestanti-schen Theologie etablieren, und dies wirkte sich auch einschneidend auf die exegetischen Disziplinen, die alt- und die neutestamentliche Wissenschaft, aus.

Das zuvor vorherrschende Erklärungsparadigma der religionsgeschichtlichen Ab

ngsli-nien für Bibel und Theologie waren so erfolgreich, dass sie der alttestamentli-ch

leitung biblischer Aussagen verschwand fast völlig, in den Vordergrund trat nun vielmehr die Analogielosigkeit des biblischen Glaubens. Die in der dialekti-schen Theologie zentrale Grundunterscheidung zwischen natürlicher Theologie und Offenbarungstheologie fanden die Alttestamentler in der Folge auch in der Religionsgeschichte des Vorderen Orients wieder: Die Nachbarreligionen Israels huldigten ihren aus den Wachstumsvorgängen der Natur extrapolierten Göttern, während Israel an den einen, sich in der Geschichte offenbarenden Gott glaubte und sich damit von allem Anfang an von seinen Nachbarn unterschied14.

Diese Diskontinuitätskonzeption und die durch sie eröffneten Erkläru

en Wissenschaft zeitweilig sogar zu einer Position innerhalb der Theologie verhalf, die von unverdächtiger Seite, nämlich von Gerhard Ebeling, als »Füh-rungsrolle« bezeichnet werden konnte15. Natürlich gingen auch in dieser For-schungsepoche in vielen Einzelfragen der alttestamentlichen Literatur-, Theolo-gie- und Religionsgeschichte die Ansichten weit auseinander, aber es herrschte doch bezüglich einiger fundamentaler Annahmen ein erstaunlicher Konsens. Namentlich in der Pentateuchforschung genossen die Neuere Urkundenhypo-these und die mit ihr verbundenen religionsgeschichtlichen Implikationen eine

14 Vgl. etwa die programmatischen Aussagen in G. von Rad, Theologie des Alten Testaments.

Band I. Die Theologie der geschichtlichen Überlieferungen, München (1957) 21958, 39 (»Ein Jahwekultus ohne das erste Gebot ist wirklich nicht vorstellbar«); 117–142; ders., Theologie des Alten Testaments. Band II. Die Theologie der prophetischen Überlieferungen Israels, München 1960, 120; ders., Das theologische Problem des alttestamentlichen Schöpfungs-glaubens (1936), in: ders., Gesammelte Studien zum Alten Testament, TB 8, München 1958, 136–147; s. dazu etwa B. Janowski, JHWH und der Sonnengott. Aspekte der Solarisierung JHWHs in vorexilischer Zeit, in: J. Mehlhausen (Hg.), Pluralismus und Identität, Gütersloh 1995, 214–241 (= ders., Die rettende Gerechtigkeit. Beiträge zur Theologie des Alten Tes-taments 2, Neukirchen-Vluyn 1999, 192–219), 216 mit Anm. 11.

15 G. Ebeling, Studium der Theologie. Eine enzyklopädische Orientierung, UTB 446, Tübin-gen 1972, 26f.

Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 15

Akzeptanz, die die Alttestamentler glauben ließ, die wesentlichen Koordinaten ihrer historischen Rekonstruktionen nun vor Augen zu haben.

Ihr religionsgeschichtliches Bild ist heute allerdings durch die neueren literar-historischen Ergebnisse der alttestamentlichen Exegese – namentlich im Gefol-ge

n die Frage nach der religionsgeschichtlichen Problematik der Kategorie »Monotheismus« zu

der unzutreffenderweise sogenannten »Krise« der Pentateuchforschung – im Verbund mit den durch die Archäologie in den letzten Jahrzehnten massiv be-reitgestellten Primärzeugnissen16 aus dem Bereich des antiken Israel17 nachge-rade falsifiziert worden. Die neuere religionsgeschichtliche Forschung muss heute damit rechnen, dass das historische königszeitliche Israel in den üblichen Orientierungskoordinaten einer vorderorientalischen »National«-Religion ge-dacht hat18, und dass das biblische Bild Israels sich im Wesentlichen späteren Rezeptionen und Interpretationen verdankt, die hauptsächlich der Epoche des klassischen antiken Judentums entstammen. Allerdings ist Vorsicht geboten, die Unterscheidung der Religion des antiken, namentlich königszeitlichen Israel und der Theologie des Alten Testaments mit derjenigen von »Polytheismus« und »Monotheismus« in annähernde Übereinstimmung bringen zu wollen. Für eine Verhältnisbestimmung bedarf es einer genaueren Überprüfung der Betrach-tungsweisen und der Befunde, zu der die folgenden Überlegungen einige Hin-weise geben möchten. Sie versuchen exemplarisch, Differenzierungen und Kon-zeptualisierungen der Einheit Gottes in der Religions- und Literaturgeschichte Israels aus einer gewissen Distanz zu der in nur sehr beschränktem Maß hilfrei-chen »Monotheismus«-/»Polytheismus«-Begrifflichkeit vorzustellen.

Im Folgenden sollen drei Aspekte der neueren »Monotheismus«-Diskussion herausgegriffen und näher betrachtet werden. Sie betreffen zum eine

r Beschreibung der damit gemeinten Phänomene (2.), dann neuere epigraphi-sche Funde aus dem Bereich des königszeitlichen Israel, die für die Thematik von Bedeutung sind (3.), und schließlich die Umwälzungen in der jüngsten Pen-tateuchdiskussion und ihre Konsequenzen im Blick auf die Monotheismusfrage (4.).

16 Vgl. dazu die Diskussion im Sammelband C. Hardmeier (Hg.), Steine – Bilder – Texte.

Historische Evidenz außerbiblischer und biblischer Quellen, ABG 5, Leipzig 2001, sowie F. Hartenstein, Religionsgeschichte Israels – ein Überblick über die Forschung seit 1990, VF 48 (2003), 2–28, 5.

17 Vgl. v.a. Keel/Uehlinger, Göttinnen; Zevit, Religions; E. Stern, Archaeology of the Land of the Bible. Vol II: The Assyrian, Babylonian, and Persian Periods (732–332 B.C.E.), New York u.a. 2001.

18 Vgl. etwa die Darstellung von Weippert, Synkretismus und Monotheismus und dazu Hartenstein, Religionsgeschichte Israels, 3–7.

12.11.08

16 Konrad Schmid

2. Die religionswissenschaftliche Problematik der Kategorie »Monotheis-mus«

Die Frage nach der Kategorie »Monotheismus« ist in jüngster Zeit gerade im Blick auf ihre religionswissenschaftliche Problematik breit diskutiert worden19, dabei sind wichtige Anfragen und Probleme formuliert worden, von der die weitere Forschung nicht absehen kann. Die im folgenden behandelten Punkte schöpfen die Diskussion nicht aus, scheinen mir aber zu den wesentlichsten zu gehören.

a) Das Verblassen des »Polytheismus« als definitorische Hintergrundsfolie

Die gegenwärtig gelegentlich zu beobachtende kulturwissenschaftliche Begeiste-rung für den »Polytheismus« (»Lob des Polytheismus«20 o.ä.) hinkt der religi-onswissenschaftlichen Forschung insofern eigentümlich hinterher, als letztere mehr und mehr feststellt, dass »Polytheismus«, gefasst als religiöses System, das sich primär über die Vielgötterei definiert und erschließt, sachlich eine höchst unglückliche Kategorie darstellt.

Natürlich gibt es Religionen, die eine Vielzahl von Göttern kennen, aber die-se Vielzahl der Götter ist in der Regel in eine bestimmte Struktur gefasst, näm-lich ein Pantheon, das erst als ganzes die göttliche Wirklichkeit repräsentiert21. Die sogenannten »Polytheismen«22 lassen sich nicht einfach als Vielgöttersyste-me mit autonom handelnden göttlichen Subjekten rekonstruieren, sondern es kommt alles darauf an, die theologische Kohärenz der jeweiligen Panthea zu erfassen, wenn man sie verstehen will23. Das hat schon Benno Landsberger

19 Vgl. v.a. Ahn, FS Bergerhof; Stolz, Monotheismus; B. Gladigow, Polytheismus und Monotheismus, in: J. van Oorschot/M. Krebernik (Hgg.), Polytheismus und Monotheismus in den Religionen des Vorderen Orients, AOAT 298, Münster 2002, 3–20; ferner J. Moltmann, Kein Monotheismus gleicht dem anderen. Destruktion eines untauglichen Begriffs, EvTh 62 (2002) 112–122.

20 Vgl. O. Marquard, Lob des Polytheismus. Über Monomythie und Polymythie (1979), in: ders., Abschied vom Prinzipiellen, Stuttgart 1981, 91–116; vgl. im angelsächsischen Sprachraum D.L. Miller, The New Polytheism. Rebirth of Gods and Goddesses, New York 1974 (repr. Dallas 1981).

21 W. Lambert (The Historical Development of the Mesopotamian Pantheon: A Study in Sophisticated Polytheism, in: H. Goedicke/J.M. Roberts [Hgg.], Unity and Diversity. Essays in the History, Literature and Religion of the Ancient Near East, Baltimore/London 1975, 191–200) spricht von »sophisticated polytheism«. Vgl. auch B. Kienast, Überlegungen zum Pantheon Babylonicum, Or. 54 (1985), 106–116.

22 Vgl. A. Brelich, Der Polytheismus, Numen 7 (1960), 123–136; B. Gladigow, Polytheismus. Akzente, Perspektiven und Optionen der Forschung, ZfR 5 (1997), 59–77; ders., Polytheismus und Monotheismus; U. Berner, Art. Polytheismus, TRE 27, Berlin/New York 1997, 35–39.

23 Vgl. dazu auch M. Krebernik, Vielzahl und Einheit im altmesopotamischen Pantheon, in: J. van Oorschot/ders. (Hgg.), Polytheismus und Monotheismus in den Religionen des Vorde-

Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 17

gesehen, der den mesopotamischen »Polytheismus« als »Monotheiotetismus«24 ansprechen wollte, also als Vorstellung von der einen »Göttlichkeit«. Diesem Vorschlag war allerdings wenig Zuspruch beschieden – zu Recht, denn man kann nicht einfach neue Schubladen eröffnen, wenn die alten klemmen. Schon erfolgversprechender war der Vorschlag des holländischen Religionswissen-schaftlers van Baaren25, vorfindliche »Polytheismen« auch als »pluriforme Mo-notheismen« zu interpretieren.

Die neueren religionswissenschaftlichen Debatten lassen sich mit hinreichen-der Deutlichkeit daraufhin auswerten, dass »Polytheismus« in der Tat kaum mehr als ein Kampfbegriff aus dem 19. Jahrhundert ohne jeweils präzis erfass-ten historischen Inhalt ist26. Seine wohl zutreffendste Definition findet sich in der »Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche« aus dem Jahr 1904, die noch schlicht statuiert: Polytheismus ist »der gelehrte Name für das, was sonst Abgötterei, Götzendienst oder Heidentum genannt wird«27.

Wenn es stimmt, dass »Polytheismus« als definitorische Hintergrundfolie für die Bestimmung von »Monotheismus« mehr und mehr verblasst, dann bedeutet das in der Folge, dass »Monotheismus« nicht mehr einfach als Komplementär-begriff dazu definiert werden kann (»monotheistisch« ist, was nicht »po-lytheistisch« ist), sondern dass der Begriff aus sich heraus erklärt werden muss. Dann tritt aber sogleich das Problem auf, dass dasjenige, was sich bisher im Ge-genüber zum »Polytheismus« als definitorische Einheit erwies, in der Binnenper-spektive sehr vielgestaltig wird, und es mehr und mehr fraglich ist, was denn die sogenannten »Monotheismen« im Innersten zusammenhält.

b) Die innere Differenziertheit des »Monotheismus«

»Monotheismus« ist nicht gleich »Monotheismus«. Zwar bildet das Merkmal des einen Gottes so etwas wie einen gemeinsamen Nenner, doch darüber hinaus

ren Orients, AOAT 298, Münster 2002, 33–51, 43. S. weiter K. Koch, Die hebräische Spra-che zwischen Polytheismus und Monotheismus, in: ders., Spuren des hebräischen Denkens. Beiträge zur alttestamentlichen Theologie, Gesammelte Aufsätze I, Neukirchen-Vluyn 1991, 25–64. Überzogen ist der Versuch von S. Parpola (Monotheism in Ancient Assyria, in: B. Nevling Porter [Hg.], One God or Many? Concepts of Divinity in the Ancient World, Tran-sactions of the Casco Bay Institute 1, Casco Bay 2000, 165–209), Assur als »monotheisti-schen« Gott zu interpretieren; vgl. dazu die Kritik von E. Hornung, Das Denken des Einen im alten Ägypten, in: J. van Oorschot/M. Krebernik (Hgg.), Polytheismus und Monotheis-mus in den Religionen des Vorderen Orients, AOAT 298, Münster 2002, 21–32, 22 Anm. 1.

24 B. Landsberger, Die Eigenbegrifflichkeit der babylonischen Welt, in: ders./W. von Soden, Die Eigenbegrifflichkeit der babylonischen Welt. Leistung und Grenze babylonischer Wissenschaft, Darmstadt 1965, 15 (= Islamica 2 [1926], 355–372, 369).

25 P. van Baaren, Pluriform Monotheism, NThT 20 (1965/1966), 321–327. 26 Vgl. J. Assmann, Altägyptische Monotheismen, Welt und Umwelt der Bibel 11 (1999), 21–

24, 21. 27 O. Zöckler, Art. Polytheismus, RE3 Bd. 15, Leipzig 1904, 538–549, 538.

12.11.08

18 Konrad Schmid

herrscht schiere Mannigfaltigkeit: Man unterscheidet heute gerne exkludierende und inkludierende Konzeptionen, evolutionäre und revolutionäre Systeme, im-plizite und explizite Ausformulierungen, Einheit und Einzigkeit Gottes, mono-latrische und monotheistische Vorstellungen usw. Deutlich ist dabei, dass die Begrifflichkeit »Monotheismus« allein defizitär ist, sie muss näher bestimmt und modifiziert werden. Vielleicht ist sie für die historische Deskription überhaupt wenig geeignet und bezieht ihre Legitimation als Fundamentalunterscheidung gegenwärtig eher aus forschungsgeschichtlicher Usanz als aus der Anschauung ihrer Gegenstände28.

So verschieben sich mit veränderter Optik die Grenzziehungen zwischen un-terschiedlichen Konzeptionen und lassen generell zweifeln, ob unter dem Eti-kett »Monotheismus« nicht Allzuverschiedenes subsumiert wird und ob so die Gewichte in der Beobachtung richtig gesetzt sind. Auf keinen Fall aber dispen-siert die Kennzeichnung einer Konzeption als »monotheistisch« von deren nä-heren sachlichen Profilierung, sondern fordert sie geradezu heraus. Hinzu tritt nun aber noch ein weiteres – vielleicht das gravierendste – Problem.

c) Die Ausklammerung des religiösen und kultischen Bezugs

Sachlich besteht das Grundproblem jedes nicht näher erläuterten Monotheis-musbegriffs m.E. darin, dass die Zentralisierung der Gottesvorstellung ein sub-stantialistisches Gottesverständnis suggeriert. Überspitzt gesagt: »Monotheisti-sche« Religionen werden – so klassifiziert – unter dem Aspekt zusammengefasst, dass sie mit dem Dasein nur eines höheren Wesens rechnen. Das Problem dabei liegt darin, dass hier »Gott« ohne religiösen und kultischen Bezug thematisiert wird, dass die Frage nach der Existenz Gottes derjenigen nach seiner Wirklich-keit und Erfahrbarkeit übergeordnet ist, was nicht nur gegenwärtigem christli-chem, sondern im Grundzug wohl auch jüdischem und muslimischem Selbst-verständnis zuwiderläuft. Wer Gott primär als ein in der numerischen Quantität »eins« existierendes höheres Wesen bestimmt, vermag weder antike noch ge-genwärtige »monotheistische« Religiosität adäquat zu erfassen29.

Denn weder das Christentum noch seine biblischen Vorläufer sind »Theis-me

n« oder »Deismen« im Sinne der aufklärerischen Erfinder dieser Konzeptio-nen, in deren Gefolge überhaupt erst die Kategorie »Monotheismus« generiert worden ist, die sprachlich erstmals bei H. Moore (1660) belegt ist30. Die begriff-

28 Vgl. G. Ahn, ›Monotheismus‹ – ›Polytheismus‹. Grenzen und Möglichkeiten einer

Klassifikation von Gottesvorstellungen, in: M. Dietrich/O. Loretz (Hgg.), Mesopotamica –

29

30 , Darmstadt 1984, 142–146; MacDonald, Deuteronomy, 5–9.

Ugaritica – Biblica. FS K. Bergerhof, AOAT 232, Kevelaer/Neukirchen-Vluyn 1993, 1–24. Das Urteil von A. Brelich (Politeismo e soteriologia, in: S.G.F. Brandon [Hg.], The Saviour God, Manchester 1963, 46), dass Polytheismen keine Soteriologie kennen, ist deshalb kaummehr als eine petitio principii. An Explanation of the Grand Mystery of Godliness, London 1660; vgl. R. Hülsewiesche, Art. Monotheismus II., HWP 6

Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 19

liche Filiation »Monotheismus« ist eben nicht nur sprachlicher, sondern auch sachlicher Natur und damit importiert der Begriff »Monotheismus« die Proble-me einer theistischen Interpretation der Religion, die deren Selbstverständnissen gar nicht entspricht31.

Die genannten Punkte a)–c) zeigen m.E. mit aller Klarheit, dass man die Mo-no

it ist nun zu den religiösen Gegebenheiten selbst überzuleiten, im Rah-men der Themenstellung also zur Religion des antiken Israel, die in sich ja sehr

3. Neuere epigraphische Funde aus dem königszeitlichen Israel: Die Inschriften aus Kuntillet ‘A rud und Chirbet-el-Qom

und ihre religionsgeschichtliche Bedeutung

Die Inschriften aus Kuntillet ‘A rud und Chirbet-el-Qom aus dem 9./8. Jh. tragen neben den Befunden aus Elephantine32 und der kritisch gesichteten

theismusproblematik wieder sehr viel stärker von den religiösen Gegebenhei-ten als von den Kategorien her angehen muss und dass in der konkreten Arbeit jeweils die konzeptionelle Einbettung der Gottesvorstellung im Rahmen des religiösen Gesamtsystems beachtet werden muss. Das Etikett »Monotheismus« hat zwar heuristischen Wert, es bedarf jedoch der Präzisierung und der Erläute-rung.

Dam

vielgestaltig ist. Es sollen hier nur zwei historische Querschnitte gelegt und an-diskutiert werden, die aber beide datierungsmäßig gut abgesichert sind. Der eine liegt im 9. und 8. Jh. v.Chr. und basiert auf zwei Inschriften, die als Primärquel-len gelten können, der andere bezieht sich mit der Priesterschrift, dem archime-dischen Punkt der Pentateuchforschung, auf das ausgehende 6. Jh. v.Chr.

Seinen Aufstieg zu einem Zentralbegriff in Theologie und Religionswissenschaft verdankt

31

h in genetischem Sinne: »Polytheismen« entwickeln

32

der »Monotheismus«-Begriff vermutlich erst Schleiermacher, vgl. C. Schwöbel, Art. Mono-theismus V. Systematisch-Theologisch, TRE 23, Berlin/New York 1994, 256–262, 257; C. Markschies, Heis Theos – Ein Gott?, in: J. van Oorschot/M. Krebernik (Hgg.), Polytheis-mus und Monotheismus in den Religionen des Vorderen Orients, AOAT 298, Münster 2002, 209–234, 215f mit Anm. 14–16. In der Folge wird damit auch klar, dass die Kategorie »Monolatrie« nicht als Zwischenstufe (vgl. Pakkala, Intolerant Monolatry, 15–17) zwischen »Polytheismus« und »Monotheismus« gefasst werden kann (womöglich nocsich via »Monolatrie« zu »Monotheismen«), vielmehr bewegt sich die Kategorie »Monolatrie« auf einer kategorial anderen Ebene, die eben nicht die Gottesvorstellung zentralisiert, sondern den religiösen Bezug. Das fördert zwar ihre Angemessenheit zur Deskription religiöser Wirklichkeit, auf der anderen Seite ist sie deshalb allerdings auch eigentümlich banal, denn dass sich religiöse und kultische Verehrung jeweils auf eine bestimmte Gottheit bezieht, ist sowohl in »Polytheismen« wie »Monotheismen« der Fall. Vgl. zu den dortigen Gottesvorstellungen etwa K. van der Toorn, Anatyahu, some other Deities, and the Jews of Elephantine, Numen 39 (1992), 80–101; s. jetzt aber den Beitrag von B. Becking im vorliegenden Band.

12.11.08

20 Konrad Schmid

Fremd eglast für das he eit »po-lytheistisch« gewe n seit Ende der sechziger bzw. siebziger Jahre bekannt, wirkliche Beachtung fanden sie aber erst,

es an Brisanz; man braucht nur an

d zu [..]: Ich segne h

htr#)lw : }rm# : hwhyl 2 durch35 Jhwh von Samaria

götterpolemik des Alten Testaments einen wesentlichen Teil der Belute weitverbreitete Urteil, Israels Religion sei in vorexilischer Z

sen33. Die beiden Inschriften sind zwar scho

als sich die Pentateuchforschung in breiterem Maß umzuschichten begann und so Neuorientierungen möglich geworden sind.

Dieses »Polytheismus«-Urteil, das sich zu wesentlichen Teilen auf die genannten Inschriften stützt, ist nun inhaltlich näher zu bestimmen, gleichwohl drängt sich zunächst eine Vorbemerkung zur Bedeutung dieses Urteils auf: Im Sinne der klassischen Unterscheidung »Polytheismus«-»Monotheismus« ist diese Einschätzung zwar durchaus folgerichtig und auch nachvollziehbar, aber sie verliert nach dem o. unter 2. Festgestellten einig

das pluriform »monotheistische« Funktionieren von »Polytheismen« sowie die grundsätzliche Problematik der Kategorie zu erinnern. Mit der Aussage, die Religion Israels sei vorexilisch »polytheistisch« gewesen, ist zwar das numerische Problem der Gottheiten im antiken Israel insofern richtig erfasst, als vermutlich nicht nur eine Gottheit, Jhwh, verehrt wurde, damit ist aber über diese Religion, ihre Struktur, Leistung und ihre Grenze noch sehr wenig ausgesagt – das bleibt anhand der Quellen genauer zu untersuchen, deren Fragmentarität und Selektivität allerdings grenzbewusst Rechnung zu tragen ist. Der Text34 der genannten Inschriften lautet:

Kuntillet ‘A rud Pithos 1:

: rm) : \[..] h [..]) : rm) 1 Gesagt hat [..]: Sprich zu [..] und zu : tkrb [..]w : h#(Wylw [..]lhyl Yauca a un

{kt) euc

zur Religion Kanaans bekämpften, war m.E. die

34

loquialsprache und Volksreligion in den

35

33 Vgl. etwa Weippert, Synkretismus und Monotheismus, 10: »Was also die kritischen Autoren des Alten Testaments, die Propheten, Deuteronomiker und Deuteronomisten, als Abfall von Jahwe und Hinwendung Israels traditionelle israelitische Religion der vorexilischen Zeit. Diese Religion war polytheistisch« [Hervorhebung im Original]; ähnlich E.A. Knauf, Zur Herkunft und Sozialgeschichte Israels. »Das Böckchen in der Milch seiner Mutter«, Bib. 69 (1988), 153–169, 155–157; weitere Stimmen bei Albertz, Jahwe allein!, 359 Anm. 3. Vgl. J. Renz/W. Röllig, Handbuch der althebräischen Epigraphik I, Darmstadt 1995, 59–64.202–211; vgl. auch K.A.D. Smelik, Historische Dokumente aus dem alten Israel, Göttingen 1987, 137–150; H.-P. Müller, KolInschriften von Kuntillet ‘A rud und Hirbet el Qom, ZAH 5 (1992), 15–51; Keel/Uehlinger, Göttinnen, 237–282; zur Ortslage Kuntillet ‘A ruds vgl. W. Zwickel, Überlegungen zur wirtschaftlichen und historischen Funktion von Kuntillet ‘A rud, ZDPV 116 (2000), 139–142. \rb mit l und Gottesnamen wird üblicherweise als Segensempfehlung an eine bestimmte Gottheit verwendet (vgl. Keel/Uehlinger, Göttinnen, 268 [Lit.]). Gleichwohl ist die Überset-

Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 21

und seine(r) Aschera.

)

by : htr#)lw 6 ra. Er seg- \rm#yw : 7 e dich und behüte dich

[n]d) : meinem Her[r]n.

htr#)lw : }m nd seine Aschera... [..ht)] }nx #)m t von irgend-

hbbl e- m gemäß

hirbet el-Qom: .

hl (#wx : htr#)l whyn)l 4

htr#)l

Diese Texte weisen v onsge-schichtliche Auffälligk n nd seiner Aschera« und andererseits die Verbindung »Jhwh von Samaria« bzw. »Jhwh von Teman«.

a) Jhwh und »seine Aschera«

sen Inschriften eine Partnerin hatte. In der ersten Euphorie, als die Inschriften neu bekannt geworden waren, meinte man zunächst sogar, in Kuntillet ‘A rud

Pithos 2: ) wyrm) 1

ynd) : rm 2Amaryau: Sprich zu meinem Herrn: l

[t]) : {l#h 3 Geht es di[r] gut? yl \

[…h]wh 5tkrb 4 Ich segne dich durch Jh-

w[h…] [von Teman] und durch seine Asche

\r ( : yhyw 8

nund sei mit {

[…]y 9

th : hwhyl 1 durch Jhwh von Teman ul)#y k why hl }tnw

r#) lk 2 Mit allem, was er erbajemandem, hat [man ihn] gnädig bdacht [..], und Jhwh hat ihseinem Wunsche gegeben

C

hbtk : r#(h : whyr) 1 )Uriyahu, der Reiche, hat es schreiben (lassen)hwhyl : whyr) : \rb 2 Gesegnet sei )Uriyahu vor Jhwh.

hyrcmw 3 Und von seinen Feinden hat er ihn durch seine Aschera36 errettet. Durch )Oniyahu

5htr[#])lw [..] 6

und durch seine Aschera. [..] (?) und durch seine A[sch]era.

or allem zwei, mittleeiten auf, e

rweile allseits bekannte revo »Jhwh u

ligiinerseits die Redeweise

Die Verbindung »Jhwh und seine Aschera« zeigt, dass Jhwh jedenfalls nach die-

zung des l in seiner Mehrfachverwendung notorisch strittig; vgl. die Diskussion und unter-schiedlichen Entscheidungen bei Müller, Kolloquialsprache, 20f; Keel/Uehlinger, Göttin-nen, 255 mit Anm. 196; J. Jeremias/F. Hartenstein, »JHWH und seine Aschera«. »Offizielle Religion« und »Volksreligion« zur Zeit der klassischen Propheten, in: B. Janowski/M. Kö-ckert (Hgg.), Religionsgeschichte Israels. Formale und materiale Aspekte. VWGTh 15, Gü-tersloh 1999, 79–138, 115–117; van Oorschot, »Höre Israel ...!«, 120.

36 Zur Bestreitung der Lesung htr#)l durch S. Mittmann (Die Grabinschrift des Sängers Uriahu, ZDPV 97 [1981], 139–152) vgl. Keel/Uehlinger, Göttinnen, 271.

12.11.08

22 Konrad Schmid

seien zusätzlich noch bildliche Darstellungen von Jhwh und seiner Aschera er-halten geblieben37.

Diese These erwies sich aber sehr schnell als unhaltbar: Zum einen zeigt der ch den Kopfschmuck der größeren Figur hindurch

Befund, dass die Inschrift durverläuft, dass Zeichnung und Inschrift kaum auf denselben Schreiber zurückge-hen, zum anderen bereitet namentlich die Schenkelpartie der kleineren Figur der Deutung auf Aschera gewaltige Probleme38.

37 Vgl. das Forschungsreferat bei Keel/Uehlinger, Göttinnen, 272. Die ganz vereinzelt

elt der Bibel 11 (1999), 50f.

vertretene Deutung der Leier spielenden Figur auf »Aschera« (W.G. Dever, Ashera, Consort of Yahweh? New Evidence from Kuntillet ‘Ajrud, BASOR 255 (1984), 21–27, 22–25) ist nur schon aus dem Grund unplausibel, da es sich bei ihr kaum um eine Gottheit handelt (vgl. Keel/Uehlinger, Göttinnen, 273).

38 Allerdings weist der Ausdruck vom Typ männlicher Gottesname samt Toponym + weiblicher Gottesname samt Suffix der 3.p.m.sg. ausweislich altorientalischer Parallelen (s. P. Xella, Le dieu et »sa« déesse: L'utilisation des suffixes pronominaux avec des théonymes d'Ebla à Ugarit et à Kuntillet 'Ajrud, UF 27 [1995], 599–610) durchaus auf ein Kultstatuenpaar. Für ein entsprechendes Bild – allerdings nicht aus in Kuntillet ‘A rud –, das möglicherweise »Jhwh und seine Aschera« darstellt s. Abb. 395 in Keel/Uehlinger, Göttinnen, 501; C. Uehlinger, Ein Bild Jhwhs und seiner Aschera? Vielleicht!, Welt und Umw

Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 23

Die bildliche Darstellung muss somit – wofür auch generelle methodische Überlegungen sprechen39 – für sich interpretiert werden, dasselbe gilt für die Inschriften, auf welche wir uns im Folgenden beschränken werden.

Hier ist zunächst abzuklären, wie sich Jhwh und seine Aschera zueinander verhalten. Dazu ist die Syntax der Fügung »Jhwh und seine Aschera« genauer zu betrachten40. Wie unschwer zu erkennen ist, wird in dem Ausdruck »seine Aschera« ein Eigenname mit einem Personalsuffix konstruiert41. Das ist nach den üblichen grammatischen Regeln nicht möglich: »seine Aschera« wäre dop-pelt determiniert, einerseits, weil Eigennamen per definitionem determiniert sind, andererseits, weil das Personalsuffix das voranstehende Nomen determi-niert.

Daraus wurde geschlossen: Aschera kann hier nicht die Göttin Aschera mei-nen, sondern nur den sie repräsentierenden Kultpfahl42, der zudem durch das Personalsuffix eng an die Wirkmächtigkeit Jhwhs gebunden ist.

Diese Argumentation ist aber wenig überzeugend. Sie hat zwar einen relati-ven Vorteil: Die Inschrift folgt den Regeln der modern bestimmten Syntax, sie erkauft diesen Vorteil aber durch einen zu hohen Preis, denn sie muss Göttin und Kultbild vorstellungsmäßig voneinander trennen, was religionsgeschichtlich

43. Zwar gibt es einen biblischen An-alt für diese Trennung, nämlich die deuteronomistische Polemik in den Ge-

ein schwerlich plausibles Konzept darstellthschichtsbüchern des Alten Testaments, die alles daran setzt, die Göttin Aschera zum bloßen Kultobjekt zu profanieren44, doch spiegeln diese Texte nicht die religionsgeschichtlich wahrscheinlichen Sachverhalte, sondern bloß deren Per-horreszierung aus der Sicht der späteren Orthodoxie.

Man muss das Problem der doppelten Determination bei Eigennamen von den Befunden her wohl offener angehen. Hält man sich an das Alte Testa-

39 Vgl. C. Uehlinger, Bildquellen und ›Geschichte Israels‹. Grundsätzliche Überlegungen und

Fallbeispiele, in: C. Hardmeier (Hg.), Steine – Bilder – Texte. Historische Evidenz außerbiblischer und biblischer Quellen, ABG 5, Leipzig 2001, 25–77, 41–44.

40 Vgl. dazu grundlegend J.A. Emerton, New Light on Israelite Religion, ZAW 94 (1982), 2–20.

41 Die von A. Angerstorfer, Ašerah als »consort of Jahwe« oder Aširtah?, BN 17 (1982), 7–16, vorgeschlagene Alternative hat sich zu Recht nicht durchgesetzt (vgl. dazu etwa Müller, Kolloquialsprache, 29 Anm. 50).

43 en Gottesbild im Alten

bild [sind] nicht zu trennen«) sowie das Zugeständnis der »Transparenz« von

44 eit bezeugen vgl. Müller, Kolloquialsprache, 27f Anm. 45.

42 So bes. Keel/Uehlinger, Göttinnen, 263f.270.272. Vgl. dazu immerhin den Verweis von Keel/Uehlinger (Göttinnen, 263) auf U. Winter, Frau und Göttin. Exegetische und ikonographische Studien zum weiblichIsrael und dessen Umwelt, OBO 53, Fribourg/Göttingen 1983, 555 (»die Göttin und ihr KultDarstellung und Göttin selbst (264). Vgl. Frevel, Aschera, 954; Pakkala, Intolerant Monolatry, 195f. Zu biblischen Belegen, die Aschera als personhafte Gotth

12.11.08

24 Konrad Schmid

me

a«, }nblh »Liba-no

n, so beruht dies in Wahr-he

nt45, so gibt es zwei Beleggruppen von Eigennamen, die so etwas wie dop-pelte Determination zeigen. Das sind zum einen nomina propria, die den Artikel führen können wie }dryh »Jordan«, hmrh »Rama«, h(bgh »Gibe

n«, }$bh »Baschan«, y(h »Ai«, zum anderen Ausdrücke wie tw)bc hwhy »Jhwh Zebaot«, {yd&k rw) »Ur Kasdim« oder {yrhn {r) »Aram Naharaim«, die zeigen, dass offenbar regelwidrig auch constructus-Verbindungen mit Eigennamen möglich sind, was ebenso auf doppelte Determination herausläuft. Man kann diese Fälle entweder so erklären, dass Determination bei Eigennamen46 in be-stimmten Fällen einen graduellen Prozess darstellt, d.h. dass die entsprechende Größe genauer oder weniger genau determiniert werden kann, oder aber man hält sich an Gesenius-Kautzsch § 122h: »Wenn gelegentlich auch solche Nomi-na, die der Sprachgebrauch überall als eigentliche Nomina propria behandelt, in Anlehnung an einen nachf. Genetiv zu stehen scheine

it auf einer Breviloquenz, die das wirkliche Regens des Genetivs, sc. den im Nomen proprium enthaltenen Appellativ-Begriff unterdrückt«. tw)bc hwhy »Jhwh Zebaot/der Heerscharen« ist dann elliptisch formuliert für tw)bc yhwl) hwhy »Jhwh, der Gott der Heerscharen« (so z.B. 2Sam 5,10). Entsprechend stünde dann »und seine Aschera« abkürzend für »und Aschera, seine Gemahlin«.

Wie man sich auch entscheidet – entweder man lässt doppelte Determination von Eigennamen zu oder aber man erklärt sie als Breviloquenz –, der Ausdruck »und seine Aschera« schließt das personale Verständnis, das religionsgeschicht-lich ohnehin am nächsten liegt, nicht aus: »seine Aschera« meint in diesen In-schriften tatsächlich die Göttin Aschera47 und nicht einfach den sie symbolisie-renden Kultpfahl (das wäre eine »subdeuteronomistische« Rezeption).

Gleichwohl muss man im Blick auf das »Polytheismus«-Urteil festhalten: Jhwh und seine Aschera sind nur zwei und nicht viele Gottheiten und Aschera ist Jhwh subordiniert48 und funktional eng zugewiesen gewesen, wie es das Per-

45 Für die Kombination von Gottheiten mit Suffixen in Ugarit vgl. M. Dietrich/O. Loretz,

»Yahwe und seine Aschera«. Anthropomorphes Kultbild in Mesopotamien, Ugarit und ter 1992, 98–101; Xella, Le dieu et »sa«

46

chmidt, Neukirchen-Vluyn 2000, 331–349.

als

.

48

Israel. Das biblische Bilderverbot, UBL 9, Münsdéesse. Vgl. dazu F. Stolz, Determinationsprobleme und Eigennamen, ThZ 53 (1997), 142–151, 150; E. Schwab, Die doppelt determinierte Konstruktus-Verbindung und ihre Bedeutung für die Interpretation des markinischen Weinwortes (Mk 14,24), in: A. Graupner u.a. (Hgg.), Verbindungslinien, FS W.H. S

47 Vgl. etwa Müller, Kolloquialsprache, 27f; zu »Aschera« vgl. J. Day, Asherah in the Hebrew Bible and Northwest Semitic Literature, JBL 105 (1986), 385–408; K. Koch, Aschera Himmelskönigin in Jerusalem, UF 20 (1988), 97–120; G. Braulik, Die Ablehnung der Göttin Aschera in Israel. War sie erst deuteronomistisch, diente sie der Unterdrückung der Frauen?, in: M.-Th. Wacker/E. Zenger (Hgg.), Der eine Gott und die Göttin, QD 135, Freiburg i.Br1991, 106–136 = ders., Studien zum Buch Deuteronomium, SBB 24, Stuttgart 1997, 81–118; Frevel, Aschera. Vgl. auch K. van der Toorn, Currents in the Study of Israelite Religion, CR:BS 6 (1998), 9–30, 18f.

Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 25

sonalsuffix nahe legt49. Aschera scheint sich besonders für Segensaussagen empfohlen zu haben, da sich Segen und Fruchtbarkeit namentlich im Rekurs auf geschlechtliche Polarität plausibel verbalisieren ließen. Jhwh und seine Aschera scheinen von daher eher eine Differenzierung als eine Multiplizierung des Gött-lic

eb so wie Ištar mehrere Kultorte hatte, so scheint das auch für Jhwh der Fall gewesen zu sein51.

hen darzustellen50.

b) Das Problem eines »Polyjahwismus«

Die zweite religionsgeschichtliche Auffälligkeit der Inschriften von Kuntillet ‘A rud und von Chirbet-el-Qom besteht darin, dass hier von Jhwh von Sama-ria bzw. Jhwh von Teman gesprochen wird. Auch das sind nach Maßgabe der modernen Grammatik syntaktisch unzulässige Fügungen: Als constructus-Ver-bindungen zweier Eigennamen bilden sie ebenfalls doppelte Determinationen. Aber auch hier ist Offenheit gegenüber den sprachlichen Befunden angebracht: Die Näherbestimmung Jhwhs als Jhwh von Samaria bzw. Jhwh von Teman ist im altorientalischen Kontext nichts Erstaunliches. Sie entspricht logisch der Fügung Ištar von Arbela, Ištar von Ninive oder Hadad von Sikani: Eine namentlich genannte Gottheit wird durch einen bestimmten Kultort genauer determiniert. Und en

Teman bleibt für uns nur unsicher im edomitischen Bereich greifbar52 (es ist strittig, ob es sich bei Teman überhaupt um einen Orts- [und nicht Regions-]

Insofern mag man Keel/Uehlinger, Göttinnen, 488, zustimmen, die der Auffassung sind, die Inschriften aus Kuntillet ‘A rud nähmen »in der wissenschaftlichen Diskussion zur vorexilischen israe

49

litischen Religionsgeschichte einen unverhältnismäßig breiten Raum ein«.

in der Inschrift auf Pithos 2 aus Kuntillet ‘A rud: »Er segne und behüte dich ...«.

ischen

51

52

er Determination.

50 Besonders zu vermerken ist dabei die singularische Weiterführung von »Jhwh und seiner Aschera«– Für moderne Instrumentalisierungen ist Aschera als Partnerin Jhwhs so oder so nicht heranziehbar: Wer heute die Rückkehr der Göttin fordert, weil sie offenbar früher einmal einen Platz in der Jhwh-Verehrung hatte, würde einen klassischen naturalistFehlschluss begehen: Aus dem Umstand, dass etwas einmal so war, wie es war, folgt nicht, dass es in Zukunft wieder so sein soll. Es gibt keine theologische Normativität religionsgeschichtlicher Ursprünge. Wer das bestreiten wollte, müsste im Gegenzug fordern, dass wir nicht die Bibel als Kanon haben sollten, sondern einige ägyptische Inschriften aus dem 14. Jh., die von dem edomitischen Berggott Jhw berichten, denn das sind die ältesten Zeugnisse vom nachmalig biblischen Gott Jhwh (vgl. M. Weippert, Art. Jahwe, RLA 5, Berlin/New York 1980, 246–253; E.A. Knauf, Yahwe, VT 34 [1984], 467–472; K. van der Toorn, Art. Yahwe, DDD, Leiden u.a. 1995, 1711–1730). Zu dem Zeitpunkt hatte er des Weiteren noch keine Partnerin, sondern er war ein Solitär, was das Argument von anderer Seite noch einmal ad absurdum führen würde. Vgl. Keel/Uehlinger, Göttinnen, 258f. Gegen eine Auswertung auf einen Jhwh-Tempel in Samaria äußern sich Jeremias/Hartenstein, »JHWH und seine Aschera«, 113 Anm. 137. Vgl. Am 1,12; Jer 49,7. H. Pfeiffer, Das Heiligtum von Bethel im Spiegel des Hoseabuches, FRLANT 183, Göttingen 1999, 150f bezweifelt die Lesung }mth wegen des schlecht erhaltenen m sowie d

12.11.08

26 Konrad Schmid

Namen handelt, wenngleich die Fügung Gottesname + geographische Angabe darauf hindeutet53), Samaria, die Hauptstadt des Nordreichs, hingegen ist hin-länglich bekannt54.

Auffällig ist allerdings, dass in der Bibel nur Dan und Bethel als Nordreichs-heiligtümer dokumentiert sind, doch außerbiblisch lässt sich durch das Kalah-Prisma55 Sargons II. stützen, dass es einen Reichsgott-Tempel in Samaria gege-ben hat, vielleicht hat man auch die biblischen Belege für einen Baalstempel in Samaria als nachträgliche Perhorreszierungen eines nicht-Jerusalemer Jhwh-Tempels zu verstehen56.

Die Belege aus Kuntillet ‘A rud und Chirbet-el-Qom zeigen also, dass Jhwh in unterschiedlichen Manifestationsformen bekannt war, neben dem Jhwh von Jerusalem, der sich – im Zug der josianischen Reform57? – gegen andere Aus- 53 Vgl. R. de Vaux, Téman, ville ou région d’Édom? RB 76 (1969), 379–385; Keel/Uehlinger,

Göttinnen, 258 (Lit.). Jeremias/Hartenstein, »JHWH und seine Aschera«, 114 (vgl. auch die Erwägung bei Albertz, Jahwe allein!, 365 Anm. 27), deuten »Jhwh von Teman« von Hab 3,3 (und Dtn 33,2; Ri 5,4) her: »So ist ›JHWH von Teman‹ am ehesten der Gott der Ursprünge, dessen Macht und Segen in Analogie zu den Ursprungserfahrungen erwartet werden«.

54 Van Oorschot, »Höre Israel ...!«, 119, interpretiert im Gefolge von Müller,

bestreiten will, vgl. dazu aber die nachfolgende Anm.

? (s.

Kottsieper (Hgg.), »Und Mose schrieb dieses

urevolution« zu erkennen vermag, und für }wrm$ hwhy in

57

Kolloquialsprache, 26f; Jeremias/Hartenstein, »JHWH und seine Aschera«, 113f, Samaria und Teman neuerdings wieder als Bezeichnungen für Regionen, nicht Städte. Für die Bezeichnung »Jhwh von Samaria« macht die exklusive Bestimmung »Samarias« als Reichs- (und nicht [zugleich] Stadt-) Name aber nur dann Sinn, wenn man einen Jhwh-Tempel dort

55 Vgl. TUAT I/4, 382; s. dazu B. Becking, The Gods, in Whom They Trusted ... Assyrian Evidence for Iconic Polytheism in Ancient Israel, in: ders. u.a. (Hgg.), Only One GodAnm. 2), 151–163; C. Uehlinger, »... und wo sind die Götter von Samarien?« Die Wegführung syrisch-palästinischer Kultstatuen auf einem Relief Sargons II. in Horsabad/Dur-Sharrukin, in: M. Dietrich/I. Lied auf«. Studien zum Alten Testament und zum Alten Orient, FS O. Loretz, AOAT 250, Münster 1998, 739–776; vgl. zum Problem auch S. Timm, Ein assyrisch bezeugter Tempel in Samaria?, in: U. Hübner/E.A. Knauf (Hgg.), Kein Land für sich allein. Studien zum Kulturkontakt in Kanaan, Israel/Palästina und Ebirnâri, FS M. Weippert, OBO 186, Fribourg/Göttingen 2002, 126–134.

56 Zeitgenössisch mag dieser Tempel auch ohne weiteres einem als »Baal« verehrten Jhwh geweiht gewesen sein, wenn man mit Weippert von der zeitweisen Identifizierung von Baal und Jhwh ausgehen darf (vgl. Weippert, Synkretismus). Die kritische Diskussion bei H. Pfeiffer, Das Heiligtum von Bethel im Spiegel des Hoseabuches, FRLANT 183, Göttingen 1999, 142–152, die »nicht einen positive[n] Beleg für die Existenz eines Heiligtums in Samaria für die Zeit nach der JehKuntillet ‘A rud bei der Übersetzung »Jhwh unser Beschützer« bleiben will, baut auf für historische Rekonstruktionen falschen Prämissen auf: Historisch wahrscheinlich kann auch sein, was sich auf keinen einzigen sicheren Beleg, aber mehrere konvergente Argumente stützen kann. Darüber hinaus spricht für die Wiedergabe von }wrm$ hwhy mit »Jhwh von Samaria« der Fund von 2 Stücken von sogenannter Samaria-Ware in Kuntillet ‘A rud, vgl. J. Gunneweg u.a., The Origin of the Pottery of Kuntillet ‘Ajrud, IEJ 35 (1985), 270–283. Vgl. dazu H. Niehr, Die Reform des Joschija. Methodische, historische und religionsge-schichtliche Aspekte, in: W. Groß (Hg.), Jeremia und die »deuteronomistische Bewegung«,

Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 27

prägungen durchsetzen konnte, gab es offenbar (zumindest) auch einen Jhwh von Samaria und einen Jhwh von Teman. Wenn man will, kann man hier von »Polyjahwismus« sprechen, aber dieser »Polyjahwismus« ist ganz ähnlich wie das Jhw

dsätzlich erschwinglich war, und wenn man 2Kön 21,7 historisch trau-en

den »Polyjahwismus« einen »Monojahwismus«, der in

h-Aschera-Problem als eine Differenzierungstendenz zu interpretieren, die Manifestationen einerseits und Ursprung des Göttlichen andererseits unter-scheidet.

Die Inschriften führen somit ein Bild der Religion des königszeitlichen Israel vor, dass uns durch die Bibel nur noch mittelbar zugänglich ist. Dass Jhwh eine Aschera an seiner Seite hatte, lässt sich nur noch e negativo ermitteln: Wenn es in Dtn 16,21 heißt: »Du sollst dir keine Aschera von irgendwelchem Holz auf-pflanzen neben dem Altar Jhwhs, deines Gottes«, dann impliziert das, dass diese Idee grun

darf, dann heißt das, dass in der Person Manasses tatsächlich auch jemand diese Idee ausgeführt hat.

Der »Polyjahwismus« der Inschriften hat sein negatives Gegenstück in der Behauptung der Einheit Jhwhs im Schema Israel58. Es heißt dort: »Höre Israel, Jhwh, dein Gott, ist ein Jhwh«. Jhwhs Manifestationen werden im Schema Israel alle auf den einen Jhwh von Jerusalem zurückgebunden; oder vielleicht schärfer gefasst: Der wahre Jhwh manifestiert sich als solcher in Jerusalem. Das Schema Israel propagiert also gegen

der Bibel ebenfalls nur noch den Endpunkt einer umfassenderen religionsge-schichtlichen Entwicklung zeigt.

oyer für ein begründetes Minimum, in: Groß (Hg.), Jeremia, 57–89, ande-

58

73–84 (s.

rach bereits W. Bade von »Monojahwismus«, vgl. ders., Der Monojahwismus des

BBB 98, Weinheim 1995, 33–55 einerseits und C. Uehlinger, Gab es eine joschijanische Kultreform? Plädrerseits. Gegen die Argumentationen von T. Veijola, Das Bekenntnis Israels. Beobachtungen zur Geschichte und Theologie von Dtn 6,4–9, ThZ 48 (1992), 369–381; ders., Höre Israel! Der Sinn und Hintergrund von Deuteronomium VI 4–9, VT 42 (1992), 528–541 (wieder gefolgt von J. van Oorschot, »Höre Israel ...!« [Dtn 6,4f.] Der eine und einzige Gott Israels im Wi-derstreit, in: ders./M. Krebernik [Hgg.], Polytheismus und Monotheismus in den Religionen des Vorderen Orients, AOAT 298, Münster 2002, 113–135, 125), die das theologische Profil des Schema Israel mit demjenigen des 1. Gebots gleichsetzen, vgl. nach wie vor P. Höffken, Eine Bemerkung zum religionsgeschichtlichen Hintergrund von Dtn 6,4, BZ 28 (1984), 88–93, neuerdings Jeremias/Hartenstein, »JHWH und seine Aschera«, 113 Anm. 135; R.G. Kratz, Die Komposition der erzählenden Bücher des Alten Testaments. Grundwissen der Bibelkritik, UTB 2157, Göttingen 2000, 130–133; Pakkala, Intolerant Monolatry, auch die bei MacDonald, Deuteronomy, 71 Anm. 78 Genannten; MacDonalds Kritik [72f] bleibt demgegenüber nicht überzeugend). Bei Veijolas Übersetzung bleibt E. Aurelius (Der Ursprung des Ersten Gebots, ZThK 100 [2003], 1–21), er erkennt jedoch der Sache nach zutreffend den monojahwistischen Charakter von Dtn 6,4. Noch ohne die epigraphischen Funde spDeuteronomiums, ZAW 30 (1910), 81–90. Vgl. zur Diskussion auch R.W.L. Moberly, »Y-ahweh is one«. The Translation of the Shema, VT.S 41 (1990), 209–215; C. Hardmeier, Das Schema 'Jisra'el in Dtn 6,4 im Rahmen der Beziehungstheologie der deuteronomistischen Tora, in: E. Blum (Hg.), Mincha, FS R. Rendtorff, Neukirchen-Vluyn 2000, 61–92.

12.11.08

28 Konrad Schmid

Man sieht also: Der vorexilische Jahwismus kennt bestimmte Differenzierun-gen, einerseits dadurch, dass Jhwh eine Paredros beigeordnet werden kann, an-dererseits dadurch, dass eine Mehrzahl kultischer Manifestationsformen Jhwhs unterschieden werden kann. Wenn man sich entscheiden müsste, ist das natür-lich eher »Polytheismus« als »Monotheismus« – aber dass diese Vorstellungen nicht einfach »polytheistisch« im Sinne einer bloßen Vielgötterei sind, zeigt sich sch

4. Die Umwälzungen in der jüngsten Pentateuchdiskussion

Dass die Priesterschrift60 eine »monotheistische« Gottesvorstellung vertritt, ist Gemeingut in der alttestamentlichen Forschung. Nur hat diese Bestimmung angesichts der jüngsten Transformationen in der alttestamentlichen Wissen-schaft, namentlich der neueren redaktionsgeschichtlichen Sicht des Pentateuch, eine ganz neue Brisanz gewonnen. Weshalb?

Die klassische Urkundenhypothese rechnete bekanntlich mit der Entstehung des Pentateuch aus der Zusammenarbeitung der drei Quellen »J«, »E« und »P«, die alle im Grunde genommen dasselbe erzählten, nämlich die Heilsgeschichte von der Schöpfung (»J«, »P«) bzw. den Vätern (»E«) über den Exodus bis hin zuwitenJhwbrisic

on daran, dass der Nachweis außerordentlich schwer fällt, wer denn außer Jhwh und seiner Aschera noch dieses vorexilische Pantheon bevölkert haben soll59.

Damit soll nun zum zweiten Querschnitt bei der Priesterschrift übergegangen werden, die aufgrund der neuesten Entwicklungen in der Pentateuchforschung ganz neue Aufmerksamkeit finden muss.

und ihre Konsequenzen für die »Monotheismus«-Problematik: Die theologische Leistung der Priesterschrift

m Tod Moses (»P«) bzw. zur Landnahme (»J«, »E«, die Landnahmedarstellung rd allerdings in der Regel als nicht mehr erhalten bestimmt). Schon die ältes- Literaturwerke, namentlich der salomonische »Jahwist«, kannten also bereits h als den Schöpfergott, Jhwh als denjenigen, der die Sintflut über die Welt

ngt und Jhwh als denjenigen, der die Menschheit daraus auch errettet und h in der Folge als der Führungsgott der Väter und des Volkes Israels zeigt.

S. auch Pakkala, Intolerant Monolatry, 196. Für Aschera gilt dabei: »Her divinity ... was bound to Yahwe’s cult to the extent that she did not have functions beyond it. There is very little evidence for a separate cult of Ashera« (229). Vgl. zur einleitungswissenschaftlichen Diskussion K. Koch, P – kein Redaktor! Erinnerung an zwei Eckdaten der Quellenscheidung, VT 37 (1987), 446–467; T. Pola, Die ursprüngliche Priesterschrift. Beobachtungen zur Literarkritik und Traditionsgeschichte von Pg, WMANT 70, Neukirchen-Vluyn 1995; E. Otto, Forschungen zur Priesterschrift, ThR 62 (199

59

60

7), 1–50; E. Zenger, Art. Priesterschrift, TRE 27, Berlin/New York 1997, 435–446; ders. u.a., Einleitung in das Alte Testament, Studienbücher Theologie 1,1, Stuttgart u.a. 42001, 142–162.

Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 29

Bereits n, dass namentlich in der traditionell als »jahwistisch« bezeichneten Urgeschichte tradi-tionelles Mythen ott hin syntheti-siert worden ist: In der mesopotamischen Literatur sind es je unterschiedliche

chen Pentateuchforschung ist der isr

n ihr

mit wenigen altorientalischen Kenntnissen lässt sich erkenne

material auf Jhwh als den einen und einzigen G

Gottheiten, die die Welt und die Menschen erschaffen, die Sintflut beschließen und die Menschheit daraus erretten. In Jhwh werden diese unterschiedlichen Funktionen auf eine Gottheit hin zusammengedacht und konzentriert61, die zudem ab Gen 12 noch mit den Gottheiten der Väterzeit und ab Ex 1 mit dem Exodusgott identifiziert wird. In der klassis

aelitische Monotheismus durch entsprechende literarhistorische Zuweisungen der betreffenden Texte schon beim ersten großen Schriftsteller, dem salomoni-schen »Jahwisten«, theologisch elementar angelegt. Die Sonderstellung des Glaubens Israels ist schon in der frühen Königszeit literarisch nachweisbar.

Dieses wirkmächtige Bild ist in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts zunächst aufgrund binnenexegetischer Beobachtungen zum Pentateuch ins Wanken geraten62, die sich freilich auch mit einem gewissen Zurücktreten des Einflusses der Kerygmatheologie auf die Bibelwissenschaften in Verbindung bringen lassen. Maßgeblich umgeprägt wurde diese Sichtweise dann aber vor allem durch die massiven Fortschritte der Palästina-Archäologie, die sich vo

em alten Image (und bisweilen auch Selbstverständnis) als biblischer Hilfs-wissenschaft gelöst hat und mittlerweile bei historischen Rekonstruktionen im Bereich des antiken Israel, seiner Religion und Literatur, zu Recht eine gewisse Führungsrolle beansprucht, da sie in die Lage gekommen ist, in ansehnlicher Zahl neue Primärquellen in die wissenschaftliche Diskussion miteinzuspeisen63. Diese Primärquellen umfassen sowohl textliche wie auch nichttextliche Funde, die für die Religionsgeschichte Israels von höchster Bedeutung sind und im We-sentlichen zeigen, dass das biblische Bild der Religion des königszeitlichen Israel eine bestimmte Rezeptionsgestalt dessen ist, was sich historisch rekonstruieren lässt. Das Alte Testament, das in der Tat dem Diskontinuitätsparadigma folgt, ist kein Dokument der altisraelitischen Religionsgeschichte, sondern eine Inter-

62

47,

63 ie »Primärquelle« vgl. o. Anm. 16.

61 Vgl. O. Keel, Jhwh in der Rolle der Muttergottheit, Or. 53 (1989), 89–92; N.C. Baumgart, Die Umkehr des Schöpfergottes. Zu Komposition und religionsgeschichtlichem Hintergrund von Gen 5–9, HBS 22, Freiburg u.a. 1999, 419ff. Vgl. J. Van Seters, Abraham in History and Tradition, New Haven 1975; H.H. Schmid, Der sogenannte Jahwist. Beobachtungen und Fragen zur Pentateuchforschung, Zürich 1976; R. Rendtorff, Das überlieferungsgeschichtliche Problem des Pentateuch, BZAW 1Berlin/New York 1977. Vgl. das Material bei Keel/Uehlinger, Göttinnen; Zevit, Religions; kurz zusammengefasst bei Pakkala, Intolerant Monolatry, 188–213. Zur Kategor

12.11.08

30 Konrad Schmid

pretation von ihr – aus dem Blickwinkel des nachmals orthodoxen perserzeitli-chen und hellenistischen Judentums64.

Wenngleich aus einem kurzen, aber doch bereits sprechenden forschungsge-schichtlichen Abstand heraus zeigt die klassische »J«-Hypothese des 20. Jahr-hunderts vor allem, dass die Einarbeitung der Priesterschrift in den Pentateuch ihr mutmaßliches rezeptionsästhetisches Ziel erreicht hat: Sie möchte gerne, dass man den Pentateuch durch ihre Brille liest, und genau das hat die alttesta-mentliche Exegese getan, wenn sie den vorpriesterlichen Pentateuch (»JE«) ent-sprechend »P« selbst bestimmte, nämlich als Geschichtsdarstellung von Schöp-fung über Erzväter, Exodus bis an den Eintritt ins Gelobte Land. Legt man die »P«-Brille aber ab, dann zeigt sich schnell, dass die Hauptthemen der Penta-teuchüberlieferung redaktionell nur sehr lose miteinander verknüpft sind und dass ihr literargeschichtliches Wachstum vor »P« sehr viel adäquater über ein Block- als über ein übergreifendes Quellenmodell beschreibbar ist. Die Haupt-themen des Pentateuch bestanden offenbar zunächst je für sich, sie waren ne-beneinander und nicht nacheinander geordnet65, wie bereits Martin Noth im Grundsatz erkannt hatte66. Er wollte dies allerdings unter dem Eindruck Ger-hard von Rads67 nur für die mündliche Vorgeschichte des Pentateuch gelten lassen, während die heutige Forschung bei der Nachprüfung, ob diese Separati-on nicht noch bis weit in die Literargeschichte des Pentateuch hinein bestanden hat, zu doch recht breit konsensfähigen Resultaten gekommen ist.

Diese Perspektivenverschiebungen in der Pentateuchforschung haben evi-denterweise entscheidende Implikationen für die Monotheismusfrage. Im Rah-men des klassischen Quellenmodells waren bezüglich der Verehrung des einen Gottes die Würfel bereits beim salomonischen »Jahwisten« gefallen – die Struk-tur der Einzigkeit Jhwhs ist hier bereits vorgezeichnet, die Epigonen leisten hier noch weitere Abgrenzungen und Präzisierungen, mehr aber nicht. Der eigentli-che Theologe war der »Jahwist«, und der »Jawhist« war im Grunde bereits Mo-notheist. Wenn aber nun die Priesterschrift wieder zu ihren alten Ehren aus der Zeit vor Wellhausen als Grundschrift68 des Pentateuch kommt, aber mit be- 64 Vgl. hierzu etwa die Darstellungen von Kratz, Komposition; C. Levin, Das Alte Testament,

München 2001 sowie das Themenheft Welt und Umwelt der Bibel 28 (2003): »Wer hat die

65

99; J.C. Gertz, Tradition und Redaktion in der Exoduserzählungen.

r

66 67 he Problem des Hexateuch (1938), in: ders., Gesammelte Studien zum

68

Bibel geschrieben?« Vgl. K. Schmid, Erzväter und Exodus. Untersuchungen zur doppelten Begründung der Ursprünge Israels innerhalb der Geschichtsbücher des Alten Testaments, WMANT 81, Neukirchen-Vluyn 19Untersuchungen zur Endredaktion des Pentateuch, FRLANT 186, Göttingen 2000; J.C. Gertz u.a. (Hgg.), Abschied vom Jahwisten. Die Komposition des Hexateuch in dejüngsten Diskussion, BZAW 315, Berlin/New York 2002. Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, Stuttgart 1948. Das formgeschichtlicAlten Testament, TB 8, München 1958, 9–86. Vgl. Th. Nöldeke, Untersuchungen zur Kritik des Alten Testaments, Kiel 1869; das Argument wird überzogen bei G.J. Wenham, The Priority of P, VT 49 (1999), 240–258.

Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 31

trächtlicher Zeitverschiebung nach hinten, dann muss man damit rechnen, dass einige entscheidende theologische Syntheseleistungen erst hier, in der frühen Perserzeit, vollzogen worden sind. Und in der Tat findet man auf der Ebene der Priesterschrift theologische Argumentationen, die darauf hinweisen, dass weder die Einheit noch die Einzigkeit Gottes, die sie vertritt, ihrem damaligen Publi-ku

(1) Die im Rahmen der Priesterschrift in Ex 1,7 beschriebene Mehrung des Vol-kewa

der nach der Sintflut genau wörtlich noch einmal an Noah und seine Söhne er-geht:

m ohne weiteres geläufig waren. Am deutlichsten lässt sich dies aus der be-rühmten Aussage in der priesterschriftlichen Moseberufung Ex 6,3 ersehen69:

»Ich bin Jhwh. Ich bin Abraham, Isaak und Jakob als El Schaddaj erschienen, mit meinem Namen Jhwh aber habe ich mich ihnen nicht kundgetan«.

Die Priesterschrift entwirft in Ex 6,3 eine gestufte Offenbarungstheorie, um zu zeigen, dass Vätergott und Exodusgott eben doch einer, und zwar ein und der-selbe sind: Den Vätern offenbarte sich Jhwh als El Schaddaj, unter diesem Na-men fasst »P« die ihr vorgegebene Tradition der unterschiedlichen Vätergotthei-ten zusammen, doch El Schaddaj ist niemand anders als Jhwh selbst, wie der Leserschaft der Priesterschrift übrigens bereits in Gen 17,1, dem einzigen Jhwh-Beleg in der Priesterschrift vor Ex 6, heimlich vorangezeigt worden ist.

In der Offenbarungstheorie von Ex 6,3 sind die Synthesebestrebungen der Priesterschrift handgreiflich an der Textoberfläche zu fassen. Sie finden sich jedoch auch anderwärts als Tiefenstrukur im Text. Dazu zwei Beispiele:

s ruft Assoziationen an zentrale Aussagen des vorlaufenden »P«-Textes ch70. Ex 1,7 lautet:

»Die Israeliten aber waren fruchtbar und breiteten sich aus, mehrten sich und wurden über alle Maßen stark, so daß das Land (jr)) von ihnen voll wurde.«

Die Formulierung der Mehrung der Israeliten erinnert zunächst an den Schöp-fungsauftrag Gottes in Gen 1,28:

»Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde (jr)) ...« (Gen 1,28),

69 Vgl. dazu W.R. Garr, The Grammar and Interpretation of Exodus 6:3, JBL 111 (1992), 385–

70 en oft gesehen und beschrieben worden, Ex

erschrift

istorian in Exodus-Numbers, Louisville 1994, 19–21.

408 sowie GK § 144l.m. In der Pentateuchforschung sind diese Relation1,7 (bisweilen mit literarkritischen Distinktionen, die aber nicht die hier verwerteten Textanteile betreffen) und seine Referenztexte werden gemeinhin zur Priestgerechnet; vgl. zur Diskussion Gertz, Tradition, 366–368; anders J. Van Seters, The Life of Moses. The Yahwist as H

12.11.08

32 Konrad Schmid

»Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde« (Gen 9,1).

Die Mehrung der Israeliten in Ex 1 erscheint damit als Teileinlösung des an das

die eigentümliche Koppelung der stärkeren Unterdrü-ckung der Israeliten mit ihrer gleichTe

Dass die Israeliten sich trotz der Opprren auch zu erwar-

wie deutsche Bibeln in der Regel übersetzen – »Sich-ausbreiten« der Isra-eli eweise vor, sondern die verwendete Wurzel

pten gezogen war, so ist leicht erkfordie kleine Jakobsippe muss binnen weniger Verse zu einem großen und starken

ar.

Zusehen doch seine genauere Bedeutung: Er kam zuvor nur in der großen Ver-

erste Menschenpaar und nach der Sintflut an die Noahfamilie ergangenen Schöpfungsauftrags: Dass sich die Israeliten in Ägypten vermehren, ist ein gott-gewollter Vorgang, es ist Schöpfungsgeschehen, ohne dass dies irgendwo expli-zit gesagt würde. Nur

zeitigen Vermehrung legt auf der xtoberfläche eine Spur in dieselbe Richtung:

»Aber je mehr sie das Volk bedrückten, um so mehr nahm es zu und breitete sich aus, so daß ihnen vor den Israeliten graute« (Ex 1,12).

ession durch die Ägypter weiter vermeh- und nicht, wie von den Ägyptern intendiert und billigerweise

ten, verringern, verdankt sich der Providenz des Schöpfergottes. Nun spricht Ex 1,7 neben dem »Fruchtbarsein« und »Mehren« auch noch

vom – ten. Damit liegt nicht einfach eine plerophorische Red

jr$ (»wimmeln«) hat in Ex 1,7 einen wohlabgewogenen Sinn: Sie findet sich im Alten Testament auf Menschen bezogen nur noch ein-mal, und zwar im unmittelbaren Folgekontext von Gen 9,1, in Gen 9,7, wo Gott wiederum zu Noah und seinen Söhnen spricht:

»Ihr nun seid fruchtbar und mehrt euch, breitet euch aus (jr$ )auf der Erde ...!«

Vergleicht man die Situation von Noahs Familie nach der Sintflut und diejenige der siebzigköpfigen Jakobsippe, die nach Ägy

ennbar, dass beide Male der Erzählfluss einen rasanten Bevölkerungsanstieg dert. Aus der Noahschar muss sich die ganze Erde bevölkern (Gen 10) und

Volk werden71. Auch hier wird also aus dem textlichen Hintergrund deutlich: Die Mehrung der Israeliten in Ägypten ist ein Geschehen, das ebenso gottgelei-tet ist, wie es die Wiederbevölkerung der Erde nach der Sintflut w

Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Die Volkwerdung der Israeliten ist nicht nur ein Schöpfungsgeschehen, sondern auch Erfüllung von Verheißung. In Ex 1,7 heißt es, die Israeliten seien »über alle Maßen« (d)m d)mb) stark geworden. Dieser Steigerungsausdruck mutet zwar als Floskel an, hat aber bei näherem

heißung an Abraham in Gen 17 vor. Gott spricht dort zu Abraham: Vgl. B. Gosse, Transitions rédactionelles de l’histoire des clans à l’histoire des peuples en Ex 1,7; 2,24b, EstB 51 (1993), 163–170; ders., Moïse entre l’alliance des patriarches et celle du Sinaï, SJOT 11 (1997), 3–15, 4.

71

Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 33

»Ich bin El Schaddaj, wandle vor mir und sei vollkommen, ich will einen Bund stiften zwi-schen mir und dir und will dich über alle Maßen (d)m d)mb) mehren« (Gen 17,1f).

Es ist also der Schöpfergott der Urgeschichte wie auch der Verheißungsgott der Vä steht und durch sie erfüllt sich einerseits der Schöpfungsauftrag an die ersten Menschen

iner Stelle, nä

eht wie bei der Schöpfung, dass nämlich das Trockene sichtbar wird, ist in der Priester-schfen n steht, oder umgemünzt auf die Gottesvorstellung: Der Gott der Schöpfung und der

mpositionellen Logik der Verbindung von Urge-schers er füschrift allerdings Entscheidendes liegt und die auch ihre Theologie insgesamt

on der Priesterschrift lässt sich vor allem an der ihr eigentümliche {yhl)-Begrifflichkeit erkennen. Ex 6,3 zeigt, dass Gott naName aber wird erst in der Mosezeit geoffenbart. Auf der Leseebene wird Gott in der Priesterschrift bekanntlich aber noch einmal anders eingeführt, nämlich als {yhl). Namentlich ihr Einsatz in Gen 1,1–2,4a benutzt {yhl) zur Bezeich-

tergeschichte, der hinter der Mehrung der Israeliten in Ägypten

sowie an Noah und seine Familie wie auch die Abraham gegebene Verheißung.

(2) Beim Durchzug der Israeliten durch das Meer heißt es in der priesterschrift-lichen Darstellung Ex 14,22:

»Und die Israeliten gingen inmitten des Meeres auf dem Trockenen (h$byb) und das Wasser war für sie eine Mauer zu ihrer Rechten und zu ihrer Linken.«

Der Begriff h$by begegnet in der Priesterschrift vor Ex 14 nur an emlich ganz am Anfang, in Gen 1,9:

»Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser, das unter dem Himmel ist, an einem Ort und es werde sichtbar das Trockene (h$byh). Und es geschah so.«

Dass beim Meerwunder bei der Spaltung des Meeres dasselbe geschi

rift offenbar mit Bedacht so dargestellt. Es zeigt sich so nämlich in der Tie-struktur des Textes, dass hinter dem Meerwunder Schöpfungshandel

rettende Gott beim Exodus sind ein und derselbe. Man sieht also bereits an diesen expliziten und impliziten Argumentationen,

die der Verknüpfung der Hauptthemen der Pentateuchüberlieferung dienen, dass die Priesterschrift enorme Anstrengungen unternimmt, die ihr vorgegebeneÜberlieferung hinsichtlich des Gottesbegriffs zu synthetisieren.

Die Gottesvorstellung der Priesterschrift lässt sich aber nur ansatzweise über solche Beobachtungen zur ko

ichte, Vätergeschichte und Exodusgeschichte erschließen, denn sie zeigen ja t die Einheit, noch nicht aber die Einzigkeit Gottes, an d r die Priester-

bestimmt. Die »monotheistische« Argumentati

ch der Priesterschrift den Vätern als El Schaddaj erschienen ist, der Jhwh-

nung Gottes außerordentlich prominent, nämlich nicht weniger als 33mal in

12.11.08

34 Konrad Schmid

Subjektstellung72, so dass die Programmatik dieses Sprachgebrauchs nicht zu verkennen ist. Die {yhl)-Begrifflichkeit fällt besonders auf neben dem ab Gen 2,5ff einsetzenden Gebrauch des Jhwh-Namens im nichtpriesterschriftlichen Textgut. Diese Beobachtung ist uralt und gehört zu den fundamentalen Requisi-ten der Pentateuchkritik, eigentümlicherweise wurde aber kaum nach dem theo-logischen Programm gefragt, das hinter der {yhl)-Begrifflichkeit steht, ge-sch

acht hat.

«, wobei es sich um einen sogenannten Hoheitsplural76 handelt. {yh

weige denn, dass es adäquat gewürdigt worden wäre. Erst in jüngster Zeit hat Albert de Pury73 auf die theologische Leistung aufmerksam gemacht, die die Priesterschrift hier – vermutlich in Aufnahme älterer, möglicherweise noch an-ders gelagerter Verwendungen von artikellosem {yhl)74 – vollbr

{yhl) ist ein hebräisches Nomen mit der Bedeutung »Gott« oder »Götter«. Undeterminiertes {yhl) ohne Artikel wäre also grundsätzlich zu übersetzen mit »ein Gott« oder »Götter«. Diese Bedeutung hat {yhl) in der Priesterschrift of-fenkundig nicht, wie sich aus Gen 1 unschwer ergibt: {yhl) heißt nicht »ein Gott«, schon gar nicht »Götter«, wie die singularischen Prädikate zeigen75, son-dern »Gott

l) wird in der Priesterschrift also singularisch und, obwohl es keinen Artikel führt, wie ein determiniertes Nomen verwendet. Das aber heißt: Die Priester-schrift gebraucht {yhl) hinsichtlich der Determination wie einen Eigennamen77,

72 Vgl. A. de Pury, Gottesname, Gottesbezeichnung und Gottesbegriff. Elohim als Indiz zur

Entstehungsgeschichte des Pentateuch, in: J.C. Gertz u.a. (Hgg.), Abschied vom Jahwisten. Die Komposition des Hexateuch in der jüngsten Diskussion, BZAW 315, Berlin/New York 2002, 25–47, 36 mit Anm. 48; vgl. den Hinweis auf {yhl) xwr 1,2 und {yhl) {lc 1,27.

73 Vgl. de Pury, Gottesname. 74 Vgl. de Pury, Gottesname, 40–44. Zu beachten ist allerdings der Umstand, dass der Artikel

im Hebräischen, wie das Inschriftenkorpus zeigt, erst seit dem 8.Jh. v.Chr. konsequent ein-gesetzt wird (vgl. A. Schüle, Die Syntax der althebräischen Inschriften. Ein Beitrag zur historischen Grammatik des Hebräischen, AOAT 270, Münster 2000, 53f). Man mag erwägen, ob sich artikelloses {yhl) bes. in Ri, Sam, Kön (vgl. de Pury, Gottesname. 42 Anm. 68–71) aus diesem älteren Sprachgebrauch im Rahmen monolatrischer persönlicher Frömmigkeit erhalten hat.

75 Zu Ausnahmen vgl. GK § 145i mit Verweis auf Gen 20,13; 31,53; 35,7; Jos 24,19. 76 Vgl. GK §124e.g; K. van der Toorn, Art. God (I), 668–692, DDD, 669; Joüon-Muraoka

§136d; z.B. auch {y$dq »der Hochheilige« Hos 12,1; Prov 9,10 oder }ynwyl( »der Höchste« Dan 7,18.22.25.

d be-dass absolut gebrauchtes {yhl) in monotheistischen Kontexten

77 Vgl. de Pury, Gottesname, 27–29, in Auseinandersetzung mit E. Blum, Die Komposition der Vätergeschichte, WMANT 57, Neukirchen-Vluyn 1984, 471–475. Blum sieht Eigenna-men dadurch definiert, dass sie keine intensionale Bedeutung tragen (der Name »Friedrich« gibt keine Auskunft über das Wesen oder den Charakter der betreffenden Person) unstreitet aus diesem Grund, zum Eigennamen werde: {yhl) behalte auch ohne Artikel die Bedeutung »Gott« (474), des-halb kenne das Alte Testament »im genauen Sinn also nur einen Gottesnamen«, nämlich hwhy. Das ist zwar im Rahmen dieser Definition grundsätzlich zutreffend (auch wenn man das Ar-gument der fehlenden Intension angesichts von Fällen wie »Le Havre«, »Deutsche Bank« oder »Großer Wagen« [Name des Sternbilds] nicht strapazieren sollte; vgl. zur weitverzweig-

Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 35

de

eißt es: »Ich bin Jhwh und keiner sonst, außer mir ist kein {yhl)« ({yhl) }y) ytlwz dw( }y)w hwhy yn)). Hier ist {yhdiese Gattung auch bei Deuterojesaja nur ein einziges Element, dieses heißt aber

resultiert, ist kein geringer, sondern

nen wie etwa derjenigen El Schaddajs in der abrahamitischen Ökumene steht Gogie

nn nur Eigennamen sind Nomen, die für sich genommen hinreichend deter-miniert sein und so auf den Artikel verzichten können, da es die mit ihnen be-zeichneten Größen nur einmal gibt (GK §125a.c)78.

Macht man sich diesen artikellosen Gebrauch des Begriffs {yhl), der her-kömmlich die Gattung »Gott« bezeichnet, nach der Art eines Eigennamens in der Priesterschrift in aller Schärfe klar, dann wird schnell deutlich, dass hier ein Vorgang von fundamentaler Bedeutsamkeit greifbar wird: Die Priesterschrift lässt die Gattung {yhl) und ihren einzigen Inhalt {yhl) koinzidieren: Der einzi-ge, der {yhl) ist, kann deshalb gleichzeitig auch {yhl) heißen.

Die Pointe der Koinzidenz von Gattung und einzigem Element lässt sich weiter profilieren, wenn man sie etwa gegen den Gebrauch von {yhl) in nur wenig älteren Deuterojesaja-Texten hält. In Jes 45,5 h

l) deutlich Gattungsbezeichnung79, und ganz wie in der Priesterschrift hat

nun hwhy und nicht gleicherweise {yhl). Gattung und einziger Inhalt koinzidieren hier also nicht, sondern bleiben unterschieden. Der Unterschied, der daraus

von fundamentaler Natur: Die Priester-schrift entwickelt eine inklusive Theologie – hinter allen göttlichen Manifestatio-

tt schlechthin –, Deuterojesaja dagegen vertritt eine streng exklusive Theolo- – es gibt keinen Gott außer Jhwh, alle anderen Götter sind Nichtse. ten Diskussion U. Wolf [Hg.], Eigennamen. Dokumentation einer Kontroverse, Frankfurt 1985; E. Schneider, Eigennamen in der analytischen Philosophie, Diss. [masch.] Bayreuth 1990; V. Blanár, Theorie des Eigennamens. Status, Organisation und Funktionieren der Ei-gennamen in der gesellschaftlichen Kommunikation, Hildesheim u.a. 2001), doch es ist zu differenzieren: Von der Semantik her bleibt {yhl) tatsächlich Gottesbezeichnung, hinsicht-lich der artikellosen Determination wird {yhl) aber fraglos wie ein Eigenname verwendet. Die Kombination dieser Elemente macht die Pointe der {yhl)-Begrifflichkeit in der Pries-terschrift aus. – Eine gewisse zeitgleiche Analogie zu diesem Gebrauch findet sich im abso-luten griechischen Gebrauch von �������� als Eigennamen zur Bezeichnung des persischen Großkönigs; vgl. W. Burkert, Die Griechen und der Orient. Von Homer bis zu den Ma-giern, München 2003, 107. Mutatis mutandis zeigt die doppelte Determination bei konkreten Gottesnamen in den kö-nigszeitlichen Inschriften aus Kuntillet ‘A rud und Chirbet-el-Qom, dass die betreffenden Gottheiten – Jhwh und Aschera – noch präziser als über ihren Eigennamen determiniert werden können und müssen

78

: Jhwh kann genauerhin als Jhwh von Samaria und Aschera als

79

Jhwhs Aschera identifiziert werden. Bei Gottheiten mit unterschiedlichen Kultorten – und das heißt: unterschiedlichen Manifestationsformen – präsentiert sich das Eigennamenprob-lem aus eben diesem Grund eine Stufe komplexer – diese Gottheiten sind nicht »Individu-en«, sondern »Dividuen«, was ihre unterschiedlichen kultischen Manifestationen betrifft. Vgl. zu {yhl) bei Deuterojesaja auch de Pury, Gottesname, 34 mit Anm. 42. Interessant ist allerdings die Formulierung dw( }y)w hwhy yn) »Ich bin Jhwh und keiner sonst«, die darauf hindeutet, dass Deuterojesaja nun – umgekehrt zur Argumentation der Priesterschrift – den Jhwh-Namen zur (exklusiven) Gottesbezeichnung umprägen will.

12.11.08

36 Konrad Schmid

Ma

sondern auf ver-sch

n sieht also: Mit Vehemenz erringt die Priesterschrift nicht nur die Einheit, sondern auch die Einzigkeit Gottes, die bei ihr allerdings – wie die hinsichtlich der Determination eigennamenartige Verwendung der Gattungsbezeichnung {yhl) hinreichend deutlich zeigt – inklusiv strukturiert ist. Im weiteren Leseab-lauf der Priesterschrift wird aber sogleich deutlich, dass dieses inklusiv-monotheistische Gottesverständnis nicht für sich interessiert,

iedene Seiten hin, namentlich auf die Beziehung Gottes zur Welt und zu den Menschen hin expliziert wird. Hier wäre nun die Theologie der Priesterschrift insgesamt zu entfalten (die aufgrund ihrer scharfen Reflexionsgestalt auch im strengen Sinn als eine solche gelten kann)80, an dieser Stelle müssen folgende Hinweise genügen:

(1) Die Priesterschrift entzaubert die Welt zum Lebensraum. Die Weltwahr-nehmung der Priesterschrift ist bekannt: Ihr Schöpfungsbericht zeichnet sich durch eine radikal entzauberte Weltsicht aus, was sich etwa besonders deutlich an der Erschaffung der Gestirne sehen lässt (Gen 1,14–18). Sie haben nicht von sich aus Licht, sondern das Licht wird drei Tage vor ihnen erschaffen, und sie bekommen auch keine Namen, sondern heißen nur »große und kleine Lampen« (vielleicht sogar eher: Reflektoren81), um jedwede Assoziation an göttliche We-senheiten zu tilgen. Diese Weltsicht lässt sich durchaus als sachliches Komple-ment der priesterschriftlichen Gotteskonzeption interpretieren. Wo Gott schlechthin {yhl) ist, kann es keine {yhl)-artigen Abschattungen in der Welt und ihrer kosmologischen Ausstattung geben.

80 Vgl. dazu grundlegend W. Zimmerli, Sinaibund und Abrahambund. Ein Beitrag zum Ver-

ständnis der Priesterschrift, ThZ 16 (1960), 268–280 = ders., Gottes Offenbarung. Gesam-melte Aufsätze zum Alten Testament, TB 19, München 1963, 205–217; N. Lohfink, Die Priesterschrift und die Geschichte, in: J.A. Emerton (Hg.), Congress Volume Göttingen 1977, VT.S 29, Leiden 1978, 183–225 = ders., Studien zum Pentateuch, SBAB 4, Stuttgart 1988, 213–253; B. Janowski, Sühne als Heilsgeschehen. Studien zur Sühnetheologie der Priesterschrift und zur Wurzel KPR im Alten Orient und im Alten Testament, WMANT 55,

Vluyn 1993, 214–246, so-

81

Neukirchen-Vluyn 22000; ders., Tempel und Schöpfung. Schöpfungstheologische Aspekte der priesterschriftlichen Heiligtumskonzeption, in: I. Baldermann u.a. (Hgg.), Schöpfung und Neuschöpfung, JBTh 5, Neukirchen-Vluyn 1990, 37–69 = ders., Gottes Gegenwart in Israel. Beiträge zur Theologie des Alten Testaments, Neukirchen-wie zuletzt – wenn auch mit dem problematischen Vorschlag der Erstreckung von »P« bis ins Josuabuch wie bei N. Lohfink – die wegweisenden Überlegungen von E. A. Knauf, Der Exodus zwischen Mythos und Geschichte. Zur priesterschriftlichen Rezeption der Schilf-meer-Geschichte in Ex 14, in: R.G. Kratz u.a. (Hgg.), Schriftauslegung in der Schrift. FS O.H. Steck, BZAW 300, Berlin/New York 2000, 73–84; ders., Die Priesterschrift und die Geschichten der Deuteronomisten, in: T. Römer (Hg.), The Future of Deuteronomistic History, BEThL 147, Leuven 2000, 101–118. Vgl. zur Diskussion aber O.H. Steck, Der Schöpfungsbericht der Priesterschrift. Studien zur literarkritischen und überlieferungsgeschichtlichen Problematik von Genesis 1,1–2,4a, FRLANT 115, Göttingen 21981, 101f mit Anm. 408f.

Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 37

Mit dieser Entzauberung ist nun aber ein zweites Moment gegeben, das die Formulierung »entzaubern zum Lebensraum« zu beschreiben versucht. Die Entzauberung der Welt geht nicht darin auf, bloßes Komplement des Gottes-verständnisses zu sein, sondern sie wird in einer bestimmten Funktionalität ge-sehen: Ohne jegliche dämonische Eigenaktivität öffnet sich die Welt ganz und gar ihrer Bestimmung als Lebensraum für Tier und Mensch. Dass dies in der Tat die Intention der Priesterschrift ist, zeigt sich am Aufbau von Gen 1,1–2,4a82: die acht Werke Gottes sind so auf die sechs Tage verteilt, dass in den Tagen 1–3 zunächst die Welt als gegliederter und ausgestatteter Lebensraum geschaffen wird und dann in den Tagen 4–6 die zuvor geschaffenen Lebensräume nun den einzelnen Lebewesen zugewiesen werden, in denen sie jedenfalls grundsätzlich die

zug auf das dominium ter-

entzaubert, so ist die Ernennung des Menschen zum königlichen Verwalter die-

Möglichkeit zu friedlicher Koexistenz haben83.

(2) Die Priesterschrift billigt der Gattung »Mensch« königlichen Rang zu. Die altorientalische Religiosität kennt traditionell vor allem einen Schnittpunkt zwi-schen göttlicher und weltlicher Sphäre, den König, der als Sohn Gottes ange-sprochen werden kann (vgl. Ps 2,7: »Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt«). Die Priesterschrift unterscheidet sich hier grundlegend von der altori-entalischen Königsideologie: Sie kennt keinen König und sie fordert keinen Kö-nig84 – das entspricht auch ihrer eigenen historischen Situation –, aber sie rezi-piert und transformiert die Königsideologie85: Die traditionell auf Könige bezogene Gottebenbildlichkeitsaussage, die in der Priesterschrift aber allen Menschen gilt, spricht der Menschheit in Bezug auf genau einen – und zwar funktionalen – Punkt königliche Qualität zu: in Berae86. Der Mensch hat in der Schöpfung einen königlichen Ordnungsauftrag, den er erfüllen oder verpassen kann. Diese königlich gezeichnete Anthropologie lässt sich sehr folgerichtig sachlich aus den beiden zuvor genannten Punkten ableiten: Wird Gott als Gott schlechthin gefasst und die Welt zum Lebensraum

Vgl. dazu grundlegend Steck, Schöpfungsbericht. Freilich nimmt bereits Gen 1,1–2,4a in den Blick, dass das Zusammenleben von Mensch und Tier konfliktträchtig ist. Den Landtieren bleibt der Segen zugunsten der Menschen vor-enthalten und nach der Flut werden sie – zusätzlich zur pflanzlichen Nahrung – den Men-schen als Speisemöglichkeit zugewiesen. Die Königeverheißung von Gen 17,6.16 ist au

82 83

84 s der Verfasserperspektive der Priesterschrift

85 chaft der Wissenschaften e.V. Ham-

W 215, Berlin/New York 1993, 215.

historisiert zu lesen. Vgl. dazu zuletzt K. Koch, Imago Dei – Die Würde des Menschen im biblischen Text. Be-richte aus den Sitzungen der Joachim-Jungius-Gesellsburg 18,4, Göttingen 2000, 13–24.

86 Vgl. M. Weippert, Tier und Mensch in einer menschenarmen Welt. Zum sog. dominium terrae in Genesis 1, in: H.-P. Mathys, Ebenbild Gottes – Herrscher über die Welt, BThSt 33, Neukirchen-Vluyn 1998, 35–55; U. Rüterswörden, Dominium terrae. Studien zur Genese einer alttestamentlichen Vorstellung, BZA

12.11.08

38 Konrad Schmid

ses Lebensraums in einer nichtdeterministischen Interpretation der Schöpfung die konsequente Folge.

(3) Die Priesterschrift stellt den Bestand der Schöpfung und die Nähe Gottes zu Israel durch Bundesschlüsse auf Dauer. Die Disposition der Schöpfung ist be-kanntlich »sehr gut« (Gen 1,31), sie wird aber durch Gewalt gegen Leben (smx in Gen 6,12) zerstört. Gott antwortet darauf nach der Sintflut mit zweierlei: Mit dem Noahbund (Gen 9), der den Bestand der Erde auf immer garantiert, und dem Abrahambund (Gen 17), der konkret Israel unkonditioniert Gottesnähe garantiert. Die priesterschriftliche Bundestheologie modifiziert also die schöp-fungsmäßige Ausgangsdisposition, was an sich schon sehr bemerkenswert ist: Die grundlegenden Neusetzungen Gottes nach der creatio prima werden durch Bundesschlüsse bewerkstelligt, und »Bundesschlüsse« heißt in der Priester-schrift: unkonditionierte Zusagen. Die Welt kann als Lebensraum bestehen dank der Selbstfestlegung Gottes gegenüber Noah, und Israel erhält die Zusage von

Gottes Nähe dank seiner Selbstfestlegung gegenüber Abraham. Damit wird hier zur Genüge deutlich: {yhl) ist kein Theos im Sinne eines Theismus oder Deis-mus, sondern er ist Gott für Mensch und Welt. Gott zeigt sich als der eine und wahre Gott in der Gewährung von Freiheit und Bestand von Mensch und Welt. Gottes Souveränität kann man in der Priesterschrift also als einen genetivus subjectivus und einen genetivus objectivus zugleich interpretieren.

Fasst man diese Explikationen zusammen, so lässt sich auch hier erkennen: Natürlich ist die Priesterschrift »monotheistisch«, aber was ist damit gesagt87? Ohne Präzisierung und Erläuterung bleibt der Begriff »Monotheismus« nur ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle, und es bedarf der Liebe zur Theolo-gie einer »monotheistischen« Konzeption insgesamt, wenn man verstehen will, was sie bewegt.

Vgl. für das Dtn jetzt ähnlich MacDonald, Deuteronomy, 209–221. 87