Organisation und Führung - 3. Der Prozess der Entfaltung und Entwicklung einer Organisation.

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1 Working/Discussion Papers ‚Organisation und FührungTeil 3: Der Prozess der Entfaltung und Entwicklung einer Organisation Peter Clausen 9.8.2014 (v6 6.4.2016) 1. GRUNDLAGEN ORGANISATIONALER ENTWICKLUNG Organisationen, als spezielle Form von sozialen Systemen, gewinnen und erhalten ihre Exis- tenz durch einen kontinuierlichen Strom von Entscheidung über ihre eigene Sinngebung, über ihre Strukturen und ihre Positionierung in Relation zu anderen Systemen der Umwelt. 1 Für Unternehmen z.B., sind Kunden und Wettbewerber solche hoch relevanten Systeme, gegen- über denen man mit der eigenen Identität auf jeden Fall „bemerkenswert“, also wahrnehmbar sein und bleiben möchte. Umgekehrt gilt natürlich das Gleiche: Kunden und Wettbewerber verändern sich gleichermaßen. Damit entsteht eine Situation, die durch wechselseitige Bewe- gung, d.h. von Veränderung und Weiterentwicklung der jeweiligen Positionen bestimmt ist. Für Unternehmen sind Veränderung und Wandel in ihrer Entwicklung also eine Frage des Überlebens. Sie müssen sich so weiterentwickeln, dass sie gegenüber Kunden und Wettbe- werbern bemerkenswert bleiben. Ein Modell des Entwicklungsprozesses einer Organisation ist damit neben dem Modell der konstitutiven Elemente einer Organisation das zweite grund- legende Element für eine systematische Beobachtung des Phänomens „Organisation“ und seiner Teilfunktionen. Zusammen liefern diese Modelle die Grundlage für die Beantwortung der früher aufgeworfenen Frage, wofür eine Organisation eine spezialisierte Funktion „Füh- rung“ benötigt und was diese Funktion leisten kann und soll. 2 N. Luhmann, dessen Theorie der Organisation als soziales System 3 hier zugrunde gelegt wird, beschreibt eine Organisation, wie z.B. ein Unternehmen sie darstellt, als ein spezialisiertes soziales System, das ausschließlich aus Interaktionen entsteht. In dieser Perspektive ist der Mensch als Akteur nicht mehr Teil dieses sozialen Systems, sondern Teil der Umwelt des Systems. Nur die Interaktionen die Kommunikationsbeiträge konstituieren das System, das sich dann ggf. mit für seine Zwecke geeigneten weiteren Systemen, z.B. auch technischen Systemen 4 , umgibt und koppelt. Menschen, die als Mitglieder dieses sozialen Systems mitei- nander interagieren, sind aber zweifelsohne in ihrer psychisch-körperlichen Dimension, mit ihren Bedürfnissen, ihren Wahrnehmungsfähigkeiten und -beschränkungen, mit ihren Erfah- rungen und Wertvorstellungen, mit ihren physischen Möglichkeiten und Grenzen bestimmend für alles, was Gegenstand der Interaktion in der Organisation werden kann und schließlich wird. In Organisationen, die sich ja ständig weiterentwickeln müssen, um ihre Position in der Welt und ihre Wahrnehmbarkeit als ein zusammengehörendes Ganzes also ihre Integrität ge- genüber der Umgebung sicherzustellen, liegt der Fokus auf dem Agieren, dem Machen, der Handlung 5 . Daher sollte der Schlüssel zum Verständnis des Entfaltungs- und Entwicklungs- prozesses von Organisationen im Verständnis des komplexen Zusammenspiels von menschli- chem biologischem und psychischem System liegen, das dem Individuum erfolgreiches Han- deln und eben auch in der Interaktion mit anderen das gemeinsame Handeln ermöglicht. Ausgangspunkt für das hier vorgestellte Modell organisationaler Entwicklungslogik wird da- her sinnvoller Weise ein Modell der Entfaltung menschlichen, erfahrungsbasierten Handelns sein. Die Entwicklungsphasen von Organisationen sollten dann analog zu beschreiben sind. Beide Modelle werden also aus der gleichen Struktur Schritt für Schritt entfaltet und bieten in weiteren Detaillierungsstufen die hier noch nicht dargestellt werden Anschlussmöglich- 1 Luhmann 1984 #1307} und LUHMANN 2006. Zusammenfassende Darstellung CLAUSSEN 15.7.2014. 2 CLAUSSEN 22.5.2014, CLAUSSEN 15.7.2014 und CLAUSSEN 18.10.2014. 3 LUHMANN 2006. 4 CLAUSSEN 2012. 5 Luhmann spricht von der zentralen Operation des Entscheidens, da in einer Organisation entschieden werden muss, wie sie handeln soll. Ohne Handlungsentscheidung würde die Kette der Aktivitäten abbrechen, die Orga- nisation wäre handlungsunfähig.

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Working/Discussion Papers ‚Organisation und Führung‘ Teil 3: Der Prozess der Entfaltung und Entwicklung einer Organisation Peter Clausen 9.8.2014 (v6 6.4.2016)

1. GRUNDLAGEN ORGANISATIONALER ENTWICKLUNG

Organisationen, als spezielle Form von sozialen Systemen, gewinnen und erhalten ihre Exis-

tenz durch einen kontinuierlichen Strom von Entscheidung über ihre eigene Sinngebung, über

ihre Strukturen und ihre Positionierung in Relation zu anderen Systemen der Umwelt.1 Für

Unternehmen z.B., sind Kunden und Wettbewerber solche hoch relevanten Systeme, gegen-

über denen man mit der eigenen Identität auf jeden Fall „bemerkenswert“, also wahrnehmbar

sein und bleiben möchte. Umgekehrt gilt natürlich das Gleiche: Kunden und Wettbewerber

verändern sich gleichermaßen. Damit entsteht eine Situation, die durch wechselseitige Bewe-

gung, d.h. von Veränderung und Weiterentwicklung der jeweiligen Positionen bestimmt ist.

Für Unternehmen sind Veränderung und Wandel in ihrer Entwicklung also eine Frage des

Überlebens. Sie müssen sich so weiterentwickeln, dass sie gegenüber Kunden und Wettbe-

werbern bemerkenswert bleiben. Ein Modell des Entwicklungsprozesses einer Organisation

ist damit neben dem Modell der konstitutiven Elemente einer Organisation das zweite grund-

legende Element für eine systematische Beobachtung des Phänomens „Organisation“ und

seiner Teilfunktionen. Zusammen liefern diese Modelle die Grundlage für die Beantwortung

der früher aufgeworfenen Frage, wofür eine Organisation eine spezialisierte Funktion „Füh-

rung“ benötigt und was diese Funktion leisten kann und soll.2

N. Luhmann, dessen Theorie der Organisation als soziales System3 hier zugrunde gelegt wird,

beschreibt eine Organisation, wie z.B. ein Unternehmen sie darstellt, als ein spezialisiertes

soziales System, das ausschließlich aus Interaktionen entsteht. In dieser Perspektive ist der

Mensch als Akteur nicht mehr Teil dieses sozialen Systems, sondern Teil der Umwelt des

Systems. Nur die Interaktionen – die Kommunikationsbeiträge – konstituieren das System,

das sich dann ggf. mit für seine Zwecke geeigneten weiteren Systemen, z.B. auch technischen

Systemen4, umgibt und koppelt. Menschen, die als Mitglieder dieses sozialen Systems mitei-

nander interagieren, sind aber zweifelsohne in ihrer psychisch-körperlichen Dimension, mit

ihren Bedürfnissen, ihren Wahrnehmungsfähigkeiten und -beschränkungen, mit ihren Erfah-

rungen und Wertvorstellungen, mit ihren physischen Möglichkeiten und Grenzen bestimmend

für alles, was Gegenstand der Interaktion in der Organisation werden kann und schließlich

wird.

In Organisationen, die sich ja ständig weiterentwickeln müssen, um ihre Position in der Welt

und ihre Wahrnehmbarkeit als ein zusammengehörendes Ganzes – also ihre Integrität – ge-

genüber der Umgebung sicherzustellen, liegt der Fokus auf dem Agieren, dem Machen, der

Handlung5. Daher sollte der Schlüssel zum Verständnis des Entfaltungs- und Entwicklungs-

prozesses von Organisationen im Verständnis des komplexen Zusammenspiels von menschli-

chem biologischem und psychischem System liegen, das dem Individuum erfolgreiches Han-

deln und eben auch in der Interaktion mit anderen das gemeinsame Handeln ermöglicht.

Ausgangspunkt für das hier vorgestellte Modell organisationaler Entwicklungslogik wird da-

her sinnvoller Weise ein Modell der Entfaltung menschlichen, erfahrungsbasierten Handelns

sein. Die Entwicklungsphasen von Organisationen sollten dann analog zu beschreiben sind.

Beide Modelle werden also aus der gleichen Struktur Schritt für Schritt entfaltet und bieten in

weiteren Detaillierungsstufen – die hier noch nicht dargestellt werden – Anschlussmöglich-

1 Luhmann 1984 #1307} und LUHMANN 2006. Zusammenfassende Darstellung CLAUSSEN 15.7.2014. 2 CLAUSSEN 22.5.2014, CLAUSSEN 15.7.2014 und CLAUSSEN 18.10.2014. 3 LUHMANN 2006. 4 CLAUSSEN 2012. 5 Luhmann spricht von der zentralen Operation des Entscheidens, da in einer Organisation entschieden werden

muss, wie sie handeln soll. Ohne Handlungsentscheidung würde die Kette der Aktivitäten abbrechen, die Orga-

nisation wäre handlungsunfähig.

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keiten für unterschiedliche Methodenansätze bei der Umsetzung des Modells in die organisa-

tionale Praxis.

2. PHASENMODELL INDIVIDUELLER MENSCHLICHER ENTWICKLUNG

Schon Ende der 1980er Jahre hat Heckhausen6 ein Modell vorgestellt, mit dem der Weg vom

vorhandenen Motiv bis zum Handeln in einem Phasenmodell beschrieben wird. Erweitert man

dieses Modell um die Phase der Entwicklung eines Handlungsmotivs, hat man eine Grundlage

zum Verständnis des Prozesses, den Menschen auf dem Weg von den zunächst unscharfen

Vorstellungen einer möglichen Zukunft über die Konkretisierung von Handlungsalternativen

bis zum tatsächlichen Handeln durchlaufen – und natürlich auch, bewusst oder unbewusst,

erleben. Es liegt nahe, davon auszugehen, dass der Entwicklungs- und Entfaltungsprozess

von sozialen Systemen, also auch von Organisationen, von dieser Ablauflogik im biologisch-

psychischen System ihrer Mitglieder geprägt wird und daher vergleichbare Entwicklungspha-

sen zu beobachten sind. Sie sollen hier mit den Begriffen

Entfalten von Zukunftsvorstellungen u. Handlungsintentionen Evolve

Ausrichten, Strukturieren, Entwickeln von Handlungskonzepten Align

Handeln, Umsetzen der Konzepte Perform

bezeichnet werden (Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.).

In der Phase der Entfaltung von Zukunftsvorstellungen schöpfen Menschen aus bewusst oder

unbewusst gesammelten Erfahrungen, also einer Verknüpfung von Wahrnehmungen und Be-

wertungen ihrer Vergangenheit. Sie dienen – wiederum teils bewusst, teils unbewusst – bei

neuen Wahrnehmungen zur Bewertung und Einordnung. Die Gedanken sind in dieser Phase

meist noch unscharf, wenig strukturierte und stark assoziativ von vorbewussten Bedürfnissen

6 HECKHAUSEN 1980. Überarbeitete und ergänzte Fassung HECKHAUSEN, HECKHAUSEN 2010., S. 278ff.

Abbildung 1: Phasenmodell individueller menschlicher Entwicklung

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getrieben. Da sie auf Erfahrungen der Vergangenheit gründen, die in der Interaktion mit ande-

ren Personen, mit Artefakten und Elementen der Natur gewonnen werden, sind sie umso we-

niger limitiert, je umfangreicher und auch reflektierter diese Interaktionen sind.

Sich verdichtende Gedanken münden in Motiven und schließlich in Intentionen. Erst dann

kann eine bewusste Auseinandersetzung mit der Möglichkeit der Realisierung dessen stattfin-

den, was bisher noch im Stadium der Intentionen verharrt. Es entstehen Strukturen, in denen

Handlungsalternativen gedanklich vorbereitet und mit Zielprojektionen verbunden, bewertet

und schließlich präferiert und ausgewählt werden, bis in konkretem Handeln versucht wird,

die nun gesetzten persönlichen Ziele zu erreichen (Abbildung 2). Der französische Biologe und

Nobelpreisträger von 1965, François Jacob, beschreibt diese unterschiedlichen Phasen (in

umgekehrter Reihenfolge) in seiner Autobiographie sehr poetisch:

Die im Entstehen begriffene Wissenschaft hat zwei Seiten: Man könnte sie als Tag- und als

Nachtwissenschaft bezeichnen. Die Tagwissenschaft ist ein denkerischer Versuch, bei dem die

Beweisschritte wie ein Räderwerk ineinandergreifen und die Erkenntnisse die Kraft der Ge-

wißheit haben. Solche majestätische Lehrgebäude sind bewundernswert wie ein Bild Leonar-

dos oder eine Fuge Bachs. Man ergeht sich darin wie in einem französischen Garten. Ihrer

Vorgehensweise bewußt, stolz auf ihre Vergangenheit, der Zukunft sicher, schreitet die Tag-

wissenschaft ruhm- und glanzumwoben voran.

Die Nachtwissenschaft hingegen ist ein blindes Irren. Sie zögert, stolpert, stößt an, kommt ins

Schwitzen, schreckt auf. An allem zweifelnd, sucht sie sich, befragt sich, setzt unaufhörlich

neu an. Sie ist eine Art Werkstätte des Möglichen, in welcher der künftige Baustoff der Wis-

senschaft ausgearbeitet wird. In der die Hypothesen bloße Ahnungen, dunkle Vorgefühle blei-

ben. In der die Phänomene erst Einzelerscheinungen sind, unter sich durch nichts verbunden.

In der die Entwürfe für Versuchsreihen noch nicht richtig gereift sind. In der das Denken ver-

schlungene Wege geht, windungsreiche Sträßchen, die sich meist als Sackgassen herausstel-

len. Dem Zufall ausgeliefert, irrt das Denken durch ein Labyrinth, in einer Flut von Hinwei-

sen, auf der Suche nach einem Zeichen, einem Wink, einem unerwarteten Begegnis. Es kreist

wie ein Gefangener in seiner Zelle, sucht einen Ausgang, einen Lichtschein. Ohne je zum Ein-

halt zu kommen, schöpft es Hoffnung und wird wieder enttäuscht, gerät von äußerster Erre-

gung erneut in tiefe Melancholie. Nichts läßt darauf schließen, daß die Nachtwissenschaft je

das Tagstadium erreichen, daß der Gefangene je aus dem Schatten treten wird. Und geschieht

Abbildung 2: Zweistufig detailliertes Modell persönlicher (individueller) Erfahrung

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es doch, dann ganz unwillkürlich: ein Zufall. Unvermutet, gleichsam eine Urzeugung. Irgend-

wo, irgendwann, wie wenn der Blitz einschlägt. Der Geist wird in diesem Falle nicht durch die

Logik geleitet, sondern durch Instinkt, Intuition. Durch das Bedürfnis, klar zu sehen. Lebens-

gier. In dem nicht abreißenden inneren Dialog, unter den unzähligen Vermutungen, Verglei-

chen, Kombinationen, Assoziationen, die das Denken unaufhörlich beschäftigen, zerreißt zu-

weilen ein Feuerschein das Dunkel. Taucht plötzlich einen Horizont in blendendes, erschre-

ckendes Licht, stärker als tausend Sonnen. Nach dem ersten Schock beginnt ein hartes Ringen

mit den Denkgewohnheiten. Mit dem Begriffskomplex, der unsere Gedankengänge festlegt.

Noch rechtfertigt nichts die Annahme, daß die neue Hypothese über ihre Urform des grob-

schlächtigen Entwurfs hinauskommen und ausgefeilt, vervollkommnet werden wird. Ob sie

der Überprüfung durch die Logik standhalten wird. Ob sie von der Tagwisssenschaft aufge-

nommen werden wird.“

Dieser Prozess des Entfaltens von Gedanken, des Strukturierens und Umsetzens ist ein steti-

ger Lernprozess. Er wird immer wieder von neuem durchlaufen und fokussiert dabei auf un-

terschiedliche Themen und Inhalte. Die einzelnen Phasen können sich in ihrer Dauer deutlich

voneinander unterscheiden und auch die Dauer der einzelnen Zyklen variiert stark. Der Vorrat

an Erfahrungen wird ständig erweitert, Erfahrungen werden bestätigt oder als nicht mehr ak-

tuell verworfen und stehen in Form der assoziierten Elemente wiederum als Material für neue

Gedanken zur Verfügung. Wahrnehmen, Bewerten, Handeln sind Grundoperationen dieses

Prozesses, die auch zur Selbstbeobachtung eingesetzt werden und permanent (unbewusst und

bewusst) aktiv sind. Dem Modell ist also noch eine Zeitachse (Abbildung 3) hinzuzufügen.

Dann wird modellhaft deutlich, dass der Prozess menschlicher Entwicklung sich als immer

wieder neu zu durchlaufender Lernprozess in die Zukunft entfalten kann. Der abrufbare Be-

stand an Erfahrungen aus der Vergangenheit, als ein Produkt aus Beobachtung und Bewer-

tung des Geschehens in der Umwelt und aus der Selbstbeobachtung und -bewertung ist also

das Material, aus dem in der Gegenwart neue Gedanken, neue Pläne und neue Handlungen

entstehen und in der Zukunft entstehen können. Der Philosoph Odo Marquard hat es mit dem

Titel eines Essays griffig formuliert: „Zukunft braucht Herkunft“.7 Und erst in einer solchen

Form aufeinander aufbauendem Erleben und Lernen, der Reflexion und Bewältigung von

Gelungenem und Gescheitertem, kann sich menschliche Existenz sinnhaft und umfassend

entfalten.

7 MARQUARD 2003.

Abbildung 3: Zeitliche Entwicklung im Modell individueller Entfaltung

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3. PHASENMODELL ORGANISATIONALER ENTWICKLUNG

Im Entwicklungsprozess einer Organisation treffen nun diese individuellen Vorgänge des

Entwickelns von Gedanken und Strukturen und der daraus folgenden Handlungen zusammen.

Auch hier beobachten die Mitglieder, selektieren das, was für sie Bedeutung hat, aber be-

stimmend wird nun allein der Prozess des Austauschs, der Kommunikation. Was nicht für

mitteilenswert gehalten und in die Kommunikation eingeführt wird, kann keine Bedeutung für

die Organisation gewinnen. Das Gleiche gilt für die Beobachtung. Eine Mitteilung, die nicht

beobachtet (Luhmann: verstanden) wird, bleibt ebenfalls bedeutungslos. Aufmerksamkeit für

die Mitteilungen der Kommunikationspartner und gemeinsame Fokussierung auf eine ver-

bindende Fragestellung ist also Voraussetzung für die Entstehung geteilter mentaler Modelle.

Mentale Modelle – auch als „Sinnstrukturen“ bezeichnet – beinhalten die spezifischen

(Grund-)Überzeugungen von Organisationen und entstehen im Abgleich der mentalen Model-

le ihrer Mitglieder. Damit liegt auf der Hand, dass ein Abgleich der „Phasenlage“ individuel-

ler Aufmerksamkeit erfolgen muss, damit Kommunikation zur Entwicklung einer Organisati-

on entstehen kann (Abbildung 4). Wenn aber einige Mitglieder mit aktuellen Schwierigkeiten

bei der Umsetzung eines am Rande des Scheiterns stehenden Projekts kämpfen, andere sich

auf die Planung der nächsten Schritte im Folgejahr konzentrieren, wird keine geteilte Sicht zu

einer veränderten Zukunftskonzeption zu entwickeln sein.

Dass ein solches Alignment gelingt, ist – wie die allgemeine Erfahrung zeigt – nicht selbst-

verständlich. Es bedarf der Aufmerksamkeit der Mitglieder einer Organisation auf das aktuel-

le Geschehen in der Organisation, der Wahrnehmung der Veränderungen in der Umgebung

und des Interesses an einer gemeinsamen, langfristigen Ausrichtung. Sie kann nur entstehen,

wenn sich von den Mitgliedern geteilte Überzeugungen zum Sinn der Veränderung der bisher

gültigen Überzeugungen, Vorgehens-, Verhaltensweisen und Zukunftskonzepte herausbilden.

Individual- und Organisationmodell unterscheiden sich also in den Inhalten der einzelnen

Phasen. Das Organisationsmodell (Abbildung 5) fokussiert auf Gemeinsamkeit und Interakti-

onsinhalte, während das Individualmodell das agierende Ich in den Mittelpunkt stellt.

Beide Modelle machen in der erweiterten Beschreibung der einzelnen Phasen auch deutlich,

wie die Übergänge zwischen den drei Grundphasen beschrieben werden können. So bewegt

sich zum Beispiel in der Planungsphase der Fokus zwischen dem Bedürfnis nach Alignment

und dem Wunsch nach Performance. Die Planung der Prozesse und ihrer damit erwarteten

Ergebnisse schlägt die Brücke zwischen der Konzeptidee und der Umsetzung, steht aber unter

Abbildung 4: Alignment der individuellen Aufmerksamkeit als Grundvoraussetzung für Kommunikation

6

dem Generalvorbehalt, dass Zukunft sich nicht planen lässt und die Umsetzung durchaus auch

einen anderen Weg nehmen kann, als gedacht.

3.1. VISION UND MISSION (CORE PURPOSE)

Was Organisationen zusammenhält ist die Ausrichtung auf ein gemeinsames, als attraktiv

empfundenes, langfristig zu erreichendes Ziel. Nur in einem solchen Rahmen können für

kaum realisierbar gehaltene, anspruchsvolle operative Ziele immer wieder erreicht werden.8

Insbesondere im englischsprachigen Raum wird die Beschreibung einer solchen langfristigen

Zielvorstellung als Vision bezeichnet. Sie kann nur auf der Grundlage einer ausreichend fes-

ten und breiten Basis gemeinsamer Bedürfnisse, Motive und Wertvorstellungen entstehen und

setzt voraus, dass dazu bei den Mitgliedern ein ähnlicher Erfahrungshintergrund besteht, an

den Neues anschlussfähig ist. Für Individuen wie für Organisationen gilt, dass die Erfahrun-

gen der Vergangenheit immer die Grundlage sind, auf der Neues entstehen kann. Wie vorher

schon zitiert: „Zukunft braucht Herkunft“.9 Für Organisationen wie für Individuen gilt, dass

eine Fülle aufsteigender Gedanken als Ergebnis der Beobachtung der Umwelt – die zunächst

unscharf, oft widersprüchlich sein können – die Grundelemente für eine (Weiter-) Entwick-

lung sind. Ihnen wird durch Sinnstrukturen und den aus Erfahrungen entstandene Grundüber-

zeugungen dann Form verliehen.

Erstaunlicher Weise widmen Organisationen dieser Phase der Entwicklung, in dem das Bau-

material und die Schalung für das Bauwerk der Organisation, seine Erweiterungen und Um-

bauten entstehen, wenig Zeit und Aufmerksamkeit. Dementsprechend instabil erweisen sich

die dann entstehenden Strukturen und Konzepte. Die vielzitierte „operative Hektik“ bei der

Umsetzung ist die Folge, das Scheitern eine häufige Erscheinung.

Daher ist die gemeinsam entwickelte Vision der Ausgangspunkt für die Beschreibung der

Kernaufgabe (Core Purpose oder Mission), die dauerhaft im Fokus der gemeinsamen Arbeit

stehen soll. Vision und Mission zusammen bilden das Fundament auf dem die Strukturen ent-

stehen, die nach Überzeugung der Organisation geeignet sind, um die langfristige Zielsetzung,

zu realisieren. Dass Vision und Mission aber auch anschlussfähig an die Umgebung sein müs-

sen, wird aus Luhmanns Konzept einer Organisation verständlich: Eine Organisation, die für

8 CSIKSZENTMIHALYI 1993. 9 MARQUARD 2003.

Abbildung 5: Dreistufig detailliertes Modell organisationaler Entfaltung/Entwicklung

7

ihre Umgebung nicht „bemerkenswert“ ist, wird nicht wahrgenommen und damit fehlt ihr die

wesentliche Voraussetzung für ihre Existenz. (Abbildung 5, oberer Bereich).

3.2. STRATEGIE

Im nächsten Schritt der Konkretisierung und Ausrichtung ist eine Strategie zu entwickeln. Sie

beschreibt, wie die Vision und die Mission umgesetzt werden sollen. Eine Strategie beinhaltet

die allgemeine Darstellung eines Weges10, einer Reiseroute, den die Organisation für sinnvoll

und gangbar hält, um das gemeinsame, in der Vision beschriebene, langfristige Ziel zu errei-

chen. Sie enthält aber auch die Beschreibung der Mittel, Ressourcen und wesentlicher Metho-

den, die dafür benötigt werden. Um im Bild zu bleiben: nicht nur die mögliche Reiseroute

wird beschrieben, sondern auch Ausrüstung und Reisemittel. Wie immer bei mehrjährigen

Reisen, bleiben Details offen, da genauere Informationen erst unterwegs und zum Zeitpunkt

des Geschehens verfügbar sein werden. Strategien sollten also genügend Flexibilität lassen,

um auf Unvorhergesehenes reagieren zu können, ohne das langfristig zu erreichende Ziel da-

bei aus den Augen zu verlieren. Die Notwendigkeit von Ausweichmanövern und Umwegen

sollte einkalkuliert werden. (Abbildung 5, linker Bereich). Ohne eine solche Beschreibung der

„Reiseroute“ und ohne intensive gemeinsame Reflexion der erschließbaren Ressourcen, ist

die Wahrscheinlichkeit gering das anspruchsvolle Reiseziele (oder dann besser: „Expeditions-

ziele“) gemeinsam zügig erreicht werden.

3.3. STRUKTUR

In den nächsten Entwicklungsschritten des Alignments einer Organisation sind Strukturen der

Aufgabenteilung und Zusammenarbeit wie auch der Abfolge der Tätigkeiten festzulegen

(Aufbau- und Prozessorganisation) und ggf. auch Strukturen der technischen Systeme, die für

die Erfüllung der Aufgaben genutzt werden sollen. Strukturbeschreibungen enthalten also im

Kern die Antworten auf die Fragen, wer, was, wann mit welchen Mitteln bearbeitet. Sie sind

damit ein wesentliches Element der Stabilisierung einer Organisation. Den zunächst „fluiden“

gedanklichen Konzeptionen von Vision, Mission und Strategie geben sie eine Form. Gerade

bei umfangreichen Aufgaben und Themen wird das Design der Strukturen unvermeidbar zu

einem wesentlichen Erfolgs- oder auch Misserfolgsfaktor.

Die bei komplexeren Leistungsangeboten unvermeidbare funktionale oder quantitative Diffe-

renzierung, die als Arbeitsteilung sichtbar wird, begründet dann ab einer zu bestimmenden

Größe der Organisation einen Koordinationsbedarf, der als eigenständige Funktion beschrie-

ben werden kann. Die betriebswirtschaftliche Theorie begnügt sich im Allgemeinen mit dieser

Ableitung, um damit die Notwendigkeit und Legitimation einer Funktion „Führung“ mit der

inhaltlichen Ausrichtung auf „Koordination und Zieldurchsetzung“ zu begründen. Dass diese

Herleitung vollständig und ausreichend ist, darf bezweifelt werden und soll später detaillierter

diskutiert werden. Nachvollziehbar ist aber sicherlich, dass in arbeitsteiligen Strukturen ein

Koordinationsbedarf besteht. (Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden., unterer Be-

reich).

3.4. ZIELE

Eine weitere Konkretisierung der erarbeiteten Struktur für die spezialisierten Teilfunktionen

der Organisation besteht in der Erarbeitung sinnvoller Detailziele für die jeweils nächsten

10 Siehe auch die Herkunft und Bedeutung des Wortes „Stratege m. Feldherr, Heerführer, Fachmann für den

Einsatz und das Zusammenwirken von Streitkräften, Waffen und Gerät […] aus griech. strategos […] zu griech.

stratos () ‚Heer‘ und ágein () ‚treiben, leiten, führen, ziehen, gehen‘ “ Deutscher Taschenbuch

Verlag 2004, S. 1374–1374. Im Lateinischen dann mit agere ‚handeln‘ eine allgemeinere Bedeutung des griechi-

schen Wortes.

8

Schritte. Dabei handelt es sich um operative Ziele für die verschiedenen arbeitsteiligen Funk-

tionen. Sie müssen so definiert sein, dass sie realistisch erreichbar erscheinen und passfähige

Beiträge entsprechend der vereinbarten Strategie liefern. Während der Umsetzung werden –

zumindest in größeren Organisationen – unvermeidbar Zielkonflikte, also Widersprüche zwi-

schen den Detailzielen verschiedener Teilfunktionen ergeben. Konfliktfreiheit ist prinzipiell

nicht zu erwarten. Die Anzahl der möglichen Einflussgrößen und Wechselbeziehungen zwi-

schen den Teilfunktionen und den relevanten Systemen der Umwelt sind unüberschaubar um-

fangreich und für jede Teilperspektive wird es eine widersprechende andere Teilperspektive

geben. Auch unterscheiden sich die realen Umgebungsbedingungen zum Zeitpunkt der Um-

setzung von den Zielprojektionen während der Planung Der Versuch einer „vollständigen“

oder „vollkommenen“ Planung ist daher von vorne herein zum Scheitern verursacht. Organi-

sationen, die ihr Heil in einer möglichst vollkommenen Planung suchen, laufen Gefahr, die

Planungsphase so spät – und dennoch unvollkommen – abzuschließen, dass ihre Planung we-

gen der in der Zwischenzeit zu beobachtenden Veränderung der Umwelt schon beim Start der

Umsetzung obsolet ist. Zwei zentrale Aufgaben in der Phase der Umsetzung – der Perfor-

mance –, sind daher das Ausbalancieren von widersprüchlichen Zielen und von Zielabwei-

chungen. Aussagen, wo ein Balancezustand liegen könnte, liefert die Strategie, die ja einen

für möglich gehaltenen Weg zu einem weiter entfernten Ziel beschreibt, aber unter dem Vor-

behalt des Irrtums steht, was Detailfestlegungen angeht. Ist die direkte Route nicht passierbar,

muss eben auch ein Umweg in Kauf genommen oder das Verkehrsmittel gewechselt werden.

Von großer Bedeutung ist es dabei, Hindernisse oder Widersprüche frühzeitig zu erkennen.

Wer erst auf dem Bahnsteig stehend erkennt, dass hier keine Bahn mehr fährt, kommt u.U.

genauso wenig zum rechten Zeitpunkt am Ziel an wie jemand, der von Überzeugungen ge-

trieben den Fußmarsch als einzig zulässige Alternative festgelegt hat. Sowohl sich als falsch

erweisende Annahmen als auch Zielkonflikte sind immer zu erwarten und erfordern perma-

nente Aufmerksamkeit.

Auch hier wird also ein Koordinationsbedarf in einer Organisation sichtbar, den die betriebs-

wirtschaftliche Theorie der Funktion Führung zuweist. Ob die bereits zitierte Beschreibung,

dass es um die Durchsetzung von Zielen11 geht, generell der richtige Ansatz ist, soll hier noch

offenbleiben. (Abbildung 5, unterer, rechter Bereich).

3.5. ABRUFBARE ERFAHRUNGEN

Das so oft zitierte kollektive Gedächtnis einer Organisation, das man auch als die abrufbare

Erfahrung der Organisation bezeichnen kann, ist natürlich nicht als geschlossene physische

Entität vorhanden. Der Begriff veranschaulicht die Tatsache, dass Menschen, die Mitglied

einer Organisation sind, ihre Erfahrungen im Kontext der Organisation abgleichen, geteilte

Überzeugungen (Sinnstrukturen) entwickeln und sie individuell im Gedächtnis behalten. Der

Abgleich erfolgt gerade für die grundlegenden Annahmen nicht durch einen Beschluss, son-

dern durch die Beobachtung, welchen Sachverhalten in der Organisation von einer Mehrheit

oder von besonders einflussreichen Mitgliedern Wert beigemessen wird, was als Erfolg und

was als Misserfolg eingeschätzt wird, was „man“ tun darf und was nicht. Diese Annahmen

können als Wertvorstellungen (Values) bezeichnet werden. Oft genug werden wichtige Inhal-

te des kollektiven Gedächtnisses aber nicht einmal explizit formuliert und sind dennoch hand-

lungsprägend. Schein bezeichnet sie als „basic assumptions“.12 Explizit als Grundüberzeu-

gungen oder sogar als Richtlinien formulierte Darstellungen können zu diesen handlungsprä-

genden Grundannahmen gehören. Nicht selten stellen sie aber nur dar, was handlungsprägend

sein sollte, und nicht das, was handlungsprägend ist. Entwicklung ist aber immer von den

tatsächlich wirksamen Grundannahmen abhängig. Daher erfordert jeder Versuch der Verände-

11 HEINEN 1984, S. 38–38. 12 SCHEIN 1985, S. 14–14.

9

rung eine intensive Beobachtung des Geschehens und tiefgehende Auseinandersetzung mit

diesen wirksamen Überzeugungen.

Gleichwertig neben den gemeinsamen Wertvorstellungen steht die Summe des kollektiven

Wissens einer Organisation, das sie befähigt, inhaltliche Fragestellungen effizient und wirk-

sam zu bearbeiten. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist hier über die grundlegenden Erfah-

rungen im Umgang mit den fundamentalen Sachinhalten und dem zugehörigen Methodenwis-

sen hinaus insbesondere das Wissen und die daraus erwachsende Kompetenz zur Erschlie-

ßung neuer Sachinhalte und Vorgehensweisen von Bedeutung. Disruptive Entwicklungen auf

der Sachebene, können in kürzester Zeit den Fundus an Sach- und Methodenkompetenzen

einer Organisation entwerten.

Zusammen repräsentieren die Elemente von kollektivem Wissen, kollektiver Kompetenz und

kollektiven Überzeugungen und Motiven die potentiellen Möglichkeiten einer Organisation.

Bedeutsam werden diese kollektiven Fähigkeiten, wenn die Organisation sie in Angebote um-

setzen kann, die von der Umwelt wahrgenommen werden. Dann werden sie dem Vergleich

mit den Angeboten anderer Organisationen unterzogen und bewertet. Die Umwelt entscheidet

über die Wettbewerbsfähigkeit, die Organisation muss ständig ihr Potential für den Wettbe-

werb erhalten oder vergrößern.

Abbildung 6: Entwicklung der potentiellen, relativen Wettbewerbsfähigkeit

4. GEMEINSAMKEITEN UND UNTERSCHIEDE DER MODELLE

Gemeinsam ist beiden Modellen, dass ein sich permanent weiter entwickelnder Bestand an

Erfahrungen entsteht, der als implizites und explizites Wissen bezeichnet wird oder – im Or-

ganisationskontext – auch als „Kultur“ oder „Sinnstruktur“13. Er ist die Grundlage für die Prü-

fung neuer Beobachtungen der Umgebung, z.B. von Wettbewerbern oder Kunden eines Un-

ternehmens, und der bestehenden Überzeugungen und Strukturen. Organisationen werden

aber, um ihre Geschlossenheit nicht zu verlieren, als wesentlich konsequenter und strukturier-

ter zu beobachten sein, als das auf der Individualebene zu erwarten ist. Sie sind auf den Erhalt

der Geschlossenheit, also der Unterscheidbarkeit von der Umgebung, angewiesen. Sie gehen

13 SCHEIN 1985, LUHMANN 2008. Luhmann zeigt explizit den Zusammenhang zwischen Sinnstruktur und den

individuellen psychischen Strukturen auf LUHMANN 2006, S. 275–275.

10

von der Gesamtkonzeption bis zur Konzeption von Teilfunktionen aufeinander aufbauend

vor, und durchlaufen dabei immer wieder von neuem die hier geschilderten Phasen von der

Überprüfung der langfristigen Konzeption über die Festlegung geeigneter Strategien und

Strukturen bis zur erneuten Vereinbarung von Detailzielen. Kennzeichnend ist für Organisati-

onen, dass sie diesen Ablauf zum Gegenstand ihrer Kommunikation machen und dass diese

Kommunikation durch Entscheidungen fortgeführt wird, die an den Status Quo anschlussfä-

hig sein müssen. Wie bei der Entwicklung von Individuen, ist auch hier die Dauer der einzel-

nen Phasen und Zyklen variabel.

Als Schwierigkeit erweist sich immer wieder, die Integration neuer Mitglieder. Wenn sich die

Organisation ihrer Vergangenheit und der aus den Vergangenheitserfahrungen kondensierten

Kulturmustern nicht bewusst ist und sich nicht bemüht, neue Mitarbeiter bei der Beobachtung

und Erforschung dieser Kulturmuster zu unterstützen, sind diese auf eigene Beobachtung und

einen „trial and error“ Prozess angewiesen, der lange dauern und viele Irritationen bei allen

Beteiligten erzeugen kann. Das Tempo aber, in dem über Veränderungen entschieden werden

muss, wird ganz wesentlich in der Umwelt der Organisation beeinflusst. Auf jede relevante

Veränderung dort, muss in überschaubarer Zeit in der Organisation eine geeignete Antwort

gefunden werden. Dabei sind neu Ideen und Konzepte genauso wichtig, wie die die Fähigkei-

ten, die dafür notwendigen Strukturen und Prozesse schnell genug zu entwickeln und zu stabi-

lisieren, d,h. geeignete Strategien zu entwickeln und sie zielgerichtet umzusetzen. Gelingt

dies nicht und verläuft die Entwicklung in anderen Organisationen schneller, konsequenter

und letztlich erfolgreicher, verliert die Organisation ihre Bedeutung für die Umwelt, wird

nicht mehr wahrgenommen und verschwindet schließlich als geschlossen wahrnehmbare

Form. Erhalten bleiben Erfahrungen der früheren Mitglieder, die diese mitnehmen in eine

andere Umgebung…. (Abbildung 7).

Disruptive Entwicklungen können diesen Vorgang extrem beschleunigen. Dies gilt nicht nur

für disruptive Entwicklungen der Umwelt, sondern auch für disruptive Entwicklungen, die auf

eigenen Entscheidungen einer Organisation beruhen. Das kann z.B. die Entscheidung für

neue, von dieser Organisation bisher nicht angebotenen Produkte sein, für deren Entwicklung

und Herstellung keine ausreichenden Kompetenzen bestehen. Selbst die Entscheidung für den

Wechsel aus manufakturähnlicher Fertigung in eine Linienfertigung, die von einem Wechsel

klassischer Planungsinstrumente zu einem Enterprise Resource Planning System begleitet

Abbildung 7: Entwicklung unter sich verändernden Umgebungsbedingungen

11

wird, kann vorhandene Kompetenzen schlagartig entwerten und eine Organisation in eine

kritische Situation bringen (Abbildung 8).

Abbildung 8: Wirkung disruptiver Entwicklungen auf die kollektiven Potentiale einer Organisation

(Reales Beispiel: Übergang von einer manufakturähnlichen Fertigung zu einer systemgestützten Steuerung der

Planungs- u. Steuerungsabläufe in einem Unternehmen (Einführung Enterprise Resource Planning, z.B. SAP,

getaktete Linienfertigung))

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Literaturverzeichnis

A. Quellen

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