Gallese V. (2015) Welche Neurowissenschaften und welche Psychoanayse? Intersubjektivität und...

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PSYCHE ZEITSCHRIFT FÜR PSYCHOANALYSE UND IHRE ANWENDUNGEN HERAUSGEGEBEN VON WERNER BOHLEBER vittorio gallese Welche Neurowissenschaften und welche Psychoanalyse? martin dornes Macht der Kapitalismus depressiv? ulrich lamparter & christa holstein Traumatisierung bei Zeitzeugen des »Hamburger Feuersturms« (1943) 2 69 . JAHRGANG FEBRUAR 2015 Autorenexemplar – nur zur persönlichen Verwendung © Klett-Cotta Verlag, J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, Rotebhlstr. 77, 70178 Stuttgart

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PSYCHEZ E I T S C H R I F T F Ü R P S Y C H O A N A LY S E U N D I H R E A N W E N D U N G E N

H E R A U S G E G E B E N V O N W E R N E R B O H L E B E R

vittorio gallese

Welche Neurowissenschaften und welchePsychoanalyse?

martin dornes

Macht der Kapitalismus depressiv?

ulrich lamparter & christa holstein

Traumatisierung bei Zeitzeugen des »HamburgerFeuersturms« (1943)

2 69 . JAH RGANG F E B RUAR 2015

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Psyche – Z Psychoanal 69, 2015, 97–114 www.psyche.de

VITTORIO GALLESE

Welche Neurowissenschaften und welche Psychoanalyse?

Intersubjektivität und Körperselbst. Notizen für einen Dialog*

Übersicht: Vor dem Hintergrund von Freuds Auffassung des Selbst als eines kör-perlichen bieten die Themen der Intersubjektivität und des Subjekts als Körper-selbst Gelegenheit zu einem Dialog zwischen den Neurowissenschaften und derPsychoanalyse. Seine volle Funktionstüchtigkeit erbringt das Gehirn nur, weil esan einen Körper gebunden ist. Der Begriff der »verkörperten Simulation« wirdim Kontext der zeitgenössischen psychoanalytischen Theorien zu Problemen derIntersubjektivität erörtert. Die verkörperte Simulation gestattet eine neurobiolo-gische Deutung unbewusster, aber nicht verdrängter Vorgänge als Grundlagendes Modus unserer Beziehungen zu anderen, des Stils dieser Beziehungen undder sie begleitenden Affekte.

Schlüsselwörter: Intersubjektivität; Körperselbst; verkörperte Simulation

Einleitung

Die Beziehungen zwischen der Hirnforschung und der Psychoanalyse rei-chen sehr weit zurück. Ihren Beginn können wir zumindest formell an-setzen mit Freuds »Entwurf einer Psychologie« (1950c [1895]). In diesemFrühwerk beanspruchte Freud, »eine naturwissenschaftliche Psychologiezu liefern, d.h. psychische Vorgänge darzustellen als quantitativ bestimmteZustände aufzeigbarer materieller Teile« (S. 387). Bekanntlich wurde die-ses Vorhaben bald zugunsten der Arbeit an der Metapsychologie aufge-geben. Dies geschah in Erwartung der Ergebnisse, die die Biologie in denkommenden Jahren würde liefern können.

Die Hirnforschung hat in den vergangenen Jahrzehnten große Fort-schritte gemacht. Begünstigt wurden sie durch die außerordentliche Ent-wicklung bei der Untersuchung von Tieren – allen voran durch die elek-

* Überarbeitete Fassung eines Vortrags, den der Autor anlässlich der Verleihung des Ce-sare Musatti-Preises auf dem XVII. Congresso Nazionale der SPI: »All’originedell’esperienza psichica: divenire soggetti« in Milano (22.–25.3.2014) gehalten hat. Dieitalienische Fassung des Textes, »Quali neuroscienze e quale psicoanalisi? Intersogget-tività e Sé corporeo: Appunti per un dialogo«, ist in der Rivista di Psicoanalisi (60, 2014,687–704) erschienen.Bei der Redaktion eingegangen am 24. 6. 2014.

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trophysiologische Erforschung des Gehirns der Makaken – sowie durchdie Einführung neuer Technologien, die zum ersten Mal eine nicht-inva-sive Untersuchung des menschlichen Gehirns gestatteten, wie die funk-tionelle Magnetresonanztomographie (abgekürzt fMRT oder fMRI), dieElektroenzephalographie mit hoher Ortsauflösung (EEG) und die trans-kranielle Magnetstimulation (kurz TMS). Daneben gibt es die herkömm-liche, aber entwicklungsgeschichtlich nicht weniger wichtige Untersu-chung neurologischer Patienten durch die klinische Neuropsychologie.

Diese neuen methodischen Ansätze haben eine enorme Menge an em-pirischen Daten hervorgebracht. Außerdem führten sie zu der Gewissheit,dass das Gehirn für psychische Aktivitäten faktisch notwendig ist. Sehrviel kontroverser blieb jedoch die Entscheidung darüber, ob die Anteiledes Gehirns zwar notwendig, aber darüber hinaus auch ausreichend sind,um unsere psychischen Zustände zu determinieren. In dieser Frage sinddie Neurowissenschaftler heute offensichtlich unterschiedlicher Meinung.Es gibt unter ihnen solche, die glauben, dass das Gehirn an sich ausreicht,um psychische Aktivitäten darzustellen. Sie wollen bei der Untersuchungder Kreisläufe im Gehirn Elemente aufspüren, aus denen sich die mensch-liche Intelligenz in naher Zukunft mithilfe nicht-biologischer Mittel wieComputer und Automaten reproduzieren lässt.

Auf der anderen Seite gibt es Neurowissenschaftler (wie den Autordieses Beitrags), die der Auffassung sind, dass das Gehirn die eigene volleLeistungsfähigkeit nur und nur deshalb erreicht, weil es an einen Kör-per gebunden ist. Dieser Körper ist in einer Welt situiert, die einer Viel-zahl physikalischer Gesetze unterliegt und von anderen Individuen bevöl-kert ist. Daraus ergibt sich, dass sich ein neurobiologischer Ansatz zumVerständnis psychischer Vorgänge nicht auf eine Untersuchung der Be-ziehung zwischen den Konzepten beschränken darf, mit denen wir siebeschreiben, und den Teilen des Gehirns, die während der Anwendungdieser Konzepte aktiviert werden. Er muss vielmehr erforschen, wie dasSystem Gehirn-Körper in den jeweiligen Beziehungen zur Welt die psy-chische Aktivität entstehen lässt und wie dieses System aufgenommenwird, wenn andere es zum Ausdruck bringen. Anders gesagt, die von denkognitiven Neurowissenschaften angebotene Beschreibung ist notwendig,aber nicht hinreichend. Wir müssen ausgehen von der Erfahrung konkre-ter Individuen. Wir müssen sie dekonstruieren, naturalisieren und neuro-wissenschaftlich subpersonal untersuchen. Mithilfe der so gewonnenenErgebnisse müssen wir die Persönlichkeit dann erneut auf dem Niveaudiskutieren, von dem wir ausgegangen sind. Auf diese Weise schaffen wireinen Zirkel des Erkennens.

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Dieser Gesichtspunkt stimmt offensichtlich voll und ganz mit demüberein, wovon Freud ausging, als er schrieb: »Das Ich ist vor allem einkörperliches« (Freud 1923b, S. 253). Ein weiterer Berührungspunkt, wennnicht ein Element vollständiger Überschneidung betrifft die zentrale Be-deutung der Intersubjektivität für unsere psychischen Aktivitäten. DieEntwicklung der Psychoanalyse hat dem Thema des Interpsychischenstets mehr Aufmerksamkeit geschenkt als dem Intrapsychischen. All dieslässt einen Dialog zwischen unseren Disziplinen nicht nur möglich, son-dern sogar äußerst wünschenswert erscheinen. Er sollte ausgehen von derGewissheit, dass die Komplexität der menschlichen Natur einen ebensovielschichtigen wie multidisziplinären Ansatz erfordert.

Um diesen Dialog in Gang zu bringen, widme ich mich in meinen fol-genden Ausführungen dem Thema der Intersubjektivität und des Subjektsals Körperselbst. Wenn man wie Freud beim Thema des Selbst im Verhält-nis zu seiner Körperlichkeit ansetzt, ergeben sich Ansatzpunkte für einnützliches Gespräch zwischen Neurowissenschaften und Psychoanalyse.Doch dieses Thema stellt absolut nicht das einzige Gebiet eines Dialogsund einer Zusammenarbeit zwischen unseren Disziplinen dar. Ich habemich aus aktuellem Anlass entschieden, es zu erörtern, weil die Problemeder Intersubjektivität und des Körperselbst im Zentrum vieler unserer ge-genwärtigen Untersuchungen stehen.

Welche Neurowissenschaften?

Ein Ziel der kognitiven Neurowissenschaften besteht darin, die Verbin-dungen zwischen den Funktionsmechanismen des Systems Gehirn-Kör-per und unseren kognitiven sozialen Kompetenzen besser zu verstehen.Das Thema der Intersubjektivität ist zudem untrennbar mit dem des Sub-jekts verbunden. Die neurowissenschaftliche Erforschung der Intersubjek-tivität kann das Problem der Subjektivität und der Erfahrung, die sie kon-stitutiert, mithin nicht umgehen. Die Neurowissenschaften haben in denletzten Jahrzehnten begonnen, das Thema der Intersubjektivität und dieModi interindividueller Beziehungen wie der Empathie zu untersuchen.

Doch was sind die kognitiven Neurowissenschaften? Die kognitivenNeurowissenschaften sind in erster Linie ein methodischer Ansatz, dessenErgebnisse von ihrem theoretischen Bezugsrahmen stark beeinflusst,wenn nicht voll und ganz antizipiert werden: Die Untersuchung einzelnerNeuronen und/oder des Gehirns nimmt nicht notwendig die Fragen vor-weg, die ein wissenschaftlicher Ansatz zum Verständnis des Menschenaufzuwerfen vermag, und noch weniger die Antworten.

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Die kognitiven Neurowissenschaften sind noch heute stark beeinflusstvon der klassischen Kognitionswissenschaft einerseits und von der evolu-tionistischen Psychologie andererseits. Die klassische Kognitionswissen-schaft vertritt eine solipsistische Auffassung der Psyche. Ihr zufolge ist dieUntersuchung der Psyche eines Einzelnen alles, was zur Bestimmung derPsyche als solcher und ihrer Funktionsweisen erforderlich ist. Der klassi-schen Kognitionswissenschaft zufolge lässt sich die menschliche Psycheals ein funktionales System auffassen, das Informationssymbole nach for-malen syntaktischen Regeln behandelt.

Die evolutionistische Psychologie hingegen fasst die Psyche als ein En-semble kognitiver Module auf, die im Laufe der Evolution wegen ihresAdaptationswerts selektiert worden sind. Leda Cosmides & John Tooby(1997), zwei Exponenten dieser Theorie, haben sich zu der Behauptunghinreißen lassen, das Gehirn sei ein System des Körpers, das wie ein Com-puter funktioniere. Der evolutionistischen Psychologie zufolge ist dasmenschliche Gehirn rückführbar auf die Funktion einer Reihe von Modu-len, so etwa des Sprachmoduls, des Moduls einer Theorie der Psyche etc.(Pinker 1996, 1998).

Vor allem unter Berufung auf diesen theoretischen Rahmen haben diekognitiven Neurowissenschaften während der vergangenen zwanzig Jahreim menschlichen Gehirn die oben genannten hypothetischen kognitivenModule zu lokalisieren versucht. Das hat sie zu einem Ansatz geführt,der durch eine Art ontologischen Reduktionismus charakterisiert ist. Derverdinglicht das Subjekt zu einem Haufen Neuronen, die jeweils als Mo-dule im Gehirn verteilt sind. Ein derartiger ontologischer Reduktionis-mus ist durch exzessives Vertrauen in die Techniken des brain imagingals alleiniger Untersuchungsmethode gefährdet. Obwohl sie es erlauben,viele Aspekte des Funktionierens des menschlichen Gehirns zu erklären,konnte der neurowissenschaftliche Ansatz durch Untersuchungen unterVerwendung des fMRI nicht zum Abschluss gebracht werden. Denn die-ser Ansatz verfügt über die Möglichkeit, Untersuchungen auch auf einemextremen, subpersonalen Niveau durchzuführen, beispielsweise an einzel-nen Neuronen.

Jenseits technischer Beschränkungen besteht das Hauptproblem der ko-gnitiven Neurowissenschaften heute in der Wahl ihrer Explananda und inder Frage, wie diese zu untersuchen sind. Sie müssen ausgehen von einerdetaillierten Analyse der perzeptiven, motorischen und kognitiven Pro-zesse, die sie erforschen wollen. Relevanter noch – sie müssen deren Re-sultate interpretieren auf der Grundlage einer Untersuchung der Aktivitä-ten einzelner Neuronen von tierischen Versuchsobjekten sowie unter

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Einbeziehung der Untersuchung von Patienten der klinischen Neuropsy-chologie. Auf diese Weise können die Neurowissenschaften ihre heuristi-schen Fähigkeiten enorm steigern.

Die Vorgaben der klassischen Kognitionswissenschaft sind zum Glücknicht der einzige neurowissenschaftliche Ansatz für das Problem der Inter-subjektivität. Die Entdeckung der Spiegelneuronen im Gehirn der Maka-ken und später auch des Menschen hat ein neues Szenarium eröffnet, dasdie »motorische Kognition« als Schlüsselelement für das Erscheinen derIntersubjektivität beim Menschen erkennt (vgl. den Überblick bei Amma-niti & Gallese 2014). Um die Intentionen anderer zu verstehen, müssenwir sie uns nicht unbedingt propositional metarepräsentieren. MotorischeZiele und Intentionen sind Teile eines Vokabulars des motorischen Sys-tems. Meist schreiben wir anderen nicht ausdrücklich bestimmte Intentio-nen zu; wir bemerken sie einfach an ihnen. Während wir dem Verhaltenanderer beiwohnen, können wir ihre intentionalen motorischen Inhaltedirekt erfassen, ohne sie notwendig metarepräsentieren zu müssen.

Die verkörperte Simulation: Intersubjektivität als Zwischenleiblichkeit

Die Entdeckung des Mechanismus der Spiegelung von Aktionen führteuns zu der Annahme, die Spiegelneuronen könnten nur die Spitze einessehr viel größeren Eisbergs im Reich der Emotionen und Empfindungensein, das in Bezug auf Spiegelungen noch ganz und gar unerforscht ist(Goldman & Gallese 2000; Gallese 2003a,b). Die in den Folgejahren er-mittelten empirischen Ergebnisse haben diese Annahme bestätigt. Wei-tere Spiegelungsmechanismen sind Bestandteile unserer Fähigkeit, an denEmotionen und Empfindungen anderer teilzuhaben (zu einem Überblickvgl. Ammaniti & Gallese 2014). Wenn jemand beobachtet, dass andereeine bestimmte Emotion durch ihre Mimik zum Ausdruck bringen, wer-den auch die Gesichtsmuskeln des Beobachters in gleicher Weise aktiviert,und zwar mit einer Intensität, die sich offenbar proportional verhält zuden empathischen Fähigkeiten des Beobachters.

Ähnliche Mechanismen wurden für die Wahrnehmung von Schmerzenund Berührungen beschrieben. Beobachten wir den Körper eines anderen,während er berührt, geliebkost, geschlagen oder verletzt wird, so akti-viert das einen Teil unserer motorischen, somato-sensorischen und visze-ral motorischen/limbischen Systeme, die normalerweise unser Verhaltensteuern und einen Ort schaffen für unsere sensomotorischen, taktilen,nozizeptiven und interozeptiven Empfindungen, die wir auf subjektivemNiveau wahrnehmen. Nicht nur das Handeln, sondern auch das Erleben

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eines gegebenen sensorischen oder affektiv-emotiven Status scheint imInnern einer wir-zentrierten Dimension vor sich zu gehen. Wenn wir denGesichtsausdruck eines anderen beobachten, verstehen wir dessen Bedeu-tung nicht allein über einen expliziten Analogieschluss. Die Emotionenund Empfindungen eines anderen werden vielmehr in erster Linie kons-tituiert und direkt verstanden über die Verwendung derselben neuralenHirnschaltkreise, auf die sich unser eigenes Erleben der gegebenen Emo-tionen und Empfindungen gründet.

Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass wir in den unterschiedlichenBeziehungen zu anderen einen Teil derselben neuralen Hirnschaltkreiseverwenden, auf die sich unsere Aktionen, unsere subjektiven emotionalenErfahrungen und sensorischen Empfindungen gründen. Ich habe vorge-schlagen, dass ein gemeinsamer Funktionsmechanismus, die verkörperteSimulation, ein integriertes und neurobiologisch plausibles Bild dieserVielfalt intersubjektiver Phänomene liefern könnte (Gallese 2003a,b;2005, 2014; Gallese & Sinigaglia 2011).

Die verkörperte Simulation ermöglicht eine direkte Form des Verständ-nisses anderer, und zwar gelangen wir dank einer Aktivierung basaler neu-raler Systeme zu einer intentionalen Übereinstimmung hinsichtlich des-sen, was wir und die anderen tun und erleben. Parallel zur distanziertensensorischen Beschreibung des anderen in der Dritten Person werden imBeobachter interne, nicht-propositionale »Repräsentationen« in körper-lichem Format aktiviert. Es handelt sich um Repräsentationen jener kör-perlichen Zustände, die mit den beobachteten Aktionen, Emotionenund Empfindungen assoziiert werden, als würde der Beobachter ähnlicheHandlungen ausführen oder ähnliche Emotionen und Empfindungen er-leben. Dank der verkörperten Simulation können wir Beziehungen zuanderen unterhalten, die auf einer Perspektive in der Zweiten Person be-ruhen, bei der dem Ich ein Du entspricht.

Ich bin der Meinung, dass die verkörperte Simulation unter Anleitungder Spiegelungsmechanismen eine entscheidende Rolle bei der Konstitu-tion einer Grundform der Mentalisierung spielt (Gallese 2014). DieseGrundform erfordert keine Beteiligung propositionaler Einstellungen, dieauf körperlich formatierte Repräsentationen wie die motorischen Reprä-sentationen von Zielen und Intentionen sowie die viszero-motorischenund somatosensorischen Repräsentationen von Emotionen und Empfin-dungen Bezug nehmen. Die Theorie der verkörperten Simulation impli-ziert nicht unbedingt, dass wir die spezifischen Inhalte des Erlebens ande-rer erleben. Sie impliziert, dass wir die anderen als ein Selbst erleben, dasähnliches erlebt wie wir. Ich glaube, dass es nicht möglich ist, sich als ein

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Selbst zu begreifen, ohne sich in diesem Wissen von einer intersubjektivgeteilten, wir-zentrierten Matrix zu verankern.

Das bedeutet offenkundig nicht, dass der Unterschied zwischen Selbstund Anderem von sich aus verschwindet. Das Merkmal der Alterität, daswir anderen zuschreiben, wird als solches auch auf subpersonalem neura-lem Niveau vermerkt. Die kortikalen motorischen Schaltkreise, die beiunseren Handlungen aktiviert werden, überlappen sich weder vollständig,noch weisen sie dieselbe Intensität auf, wenn wir die Handlungen andererbeobachten. Dasselbe gilt für die Emotionen und Empfindungen.

Das minimale Selbst als Körperselbst

Nachdem ich in aller Kürze die neue Konzeption der Intersubjektivitätund der ihr zugrunde liegenden neuro-funktionalen Mechanismen darge-stellt habe, werde ich nun das Wesen des Subjekts, also des Selbst zu be-stimmen suchen, das an einer intersubjektiven Beziehung beteiligt ist. Inder Thematik des Subjekts treffen heute die Ansichten der Phänomeno-logie und der Neurowissenschaften zusammen (Gallese 2006, 2011, 2014;Gallese & Ebisch 2013). Der Begriff der Subjektivität – verstanden als Wer-den dessen, der man ist, durch das Zusammentreffen mit anderen – wird indiesem Ansatz kompatibel mit einem Hintergrund, der die Bestimmun-gen der Subjektivität im Einzelnen ermöglicht. Und das nicht in Abhän-gigkeit von einem Universalsubjekt, das im Hinblick auf die einzelnenVerkörperungen der Subjektivität a priori denkbar ist, das mithin absiehtvon den Subjekten, die wir jeweils sind.

Das Körperwissen des Selbst kann sich als brauchbar erweisen für eineelementare Definition des Selbstbewusstseins. Es stellt den konstitutivenKern dar, um den sich eine Vielzahl von Formen des Selbstbewusstseinsbildet. In zahlreichen Studien wurde das Körpererleben aus unterschied-licher Perspektive untersucht. Sie erforschten seine neuralen Korrelate oderdie Komponenten, die seine Phänomenologie zu etwas Besonderem ma-chen. Diese Studien stimmen in der Behauptung überein, dass das Kör-perwissen eine entscheidende Rolle im Selbstbewusstsein spielt. Das Kör-perwissen des Selbst ist eindeutig multidimensional. Denn es betrifft nichtnur die Außenwelt, in die der Körper sich entwirft, indem er ihre Kon-turen in seiner Wahrnehmung rekonstruiert, sein eigenes Handeln in sieüberträgt und ihre Afferenzen in seiner Selbstwahrnehmung erfährt. Es be-trifft auch die Innenwelt der interozeptiven Sphäre, die Welt der Atmung,des Herzschlags, der Schweißabsonderung und der Peristaltik. Eine dritteDimension, die höchstwahrscheinlich die beiden anderen umfasst, wird

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von den Emotionen und Affekten konstituiert. Aus Gründen einer knap-peren Darstellung beschränke ich mich hier auf die motorischen Aspekteim Körperwissen des Selbst. Diese Entscheidung wird auch diktiert vonder Überzeugung, dass die Motorik, die das Potential unseres Körpers be-stimmt, das notwendige Gerüst bildet, um die interozeptive und emotio-nal-affektive Dimension auf das Körperselbst zu beziehen.

Empirische Untersuchungen der kognitiven Neurowissenschaften ha-ben den engen Zusammenhang zwischen Handlungen und Wahrnehmun-gen nachgewiesen. Unsere Wahrnehmung der Welt wird auch dann vonHandlungen gebildet, wenn wir keinerlei Bewegung ausführen. Sie stellteinen ursprünglichen Modus dar, mit dem wir auf unsere Umwelt bezo-gen sind. Das hat Folgen für die Art und Weise, in der wir Erfahrungenvon uns als Körperselbst machen. Wenn wir etwas als greifbar, werfbaroder tretbar wahrnehmen, dann erfahren wir uns selbst als einen Körper,der greifen, werfen oder treten kann. Dieses »kann« bezieht sich auf einemotorische Möglichkeit, deren sich ein Individuum bewusst ist. Wenn wiretwas als greifbar oder tretbar wahrnehmen, bietet sich uns unser Körperunter dem Gesichtspunkt einer bestimmten motorischen Möglichkeit dar.Unsere Erfahrung dessen, was uns umgibt, kommt nicht aus ohne die Be-gleiterfahrung unser selbst als einer »Potenzialität« des Handelns unseresKörpers, d.h. ohne die Vielzahl potentieller Handlungen, die zum moto-rischen »Repertoire« gehören, das uns im jeweiligen Kontext zur Hand ist(Gallese & Sinigaglia 2010).

Der uns umgebende Raum und die Objekte, die ihn bevölkern, werdenin unserer Wahrnehmungswelt als Ausdruck unserer motorischen Poten-zialitäten konstituiert. Das stimmt noch mehr, wenn wir das Handeln an-derer in Rechnung stellen. Der Spiegelungsmechanismus der Spiegelneu-ronen wird in erster Linie im Zusammenhang mit dem direkten undimpliziten Verständnis des Verhaltens anderer aufgefasst. Doch wir dürfennicht vergessen, dass die Spiegelneuronen, auch während wir selbst han-deln, aktiv sind.

Es wurde die Auffassung vertreten, dass der Spiegelungsmechanismusauch zu einem primitiven Körperwissen beitragen könnte, das jedem re-flexiven Wissen des Selbst vorausgeht und zugrunde liegt (Gallese & Sini-gaglia 2010). Während wir dank der verkörperten Simulation mit demKörper eine »Resonanz« der Bewegungen anderer erbringen, sind wiruns zugleich unserer motorischen Möglichkeiten als der unseren und dermotorischen Möglichkeiten der anderen als der ihnen eigenen bewusst.Das motorische System stellt uns zugleich ein allgemeines Terrain und einKriterium bereit, um das Wissen des Selbst von dem der anderen zu un-

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terscheiden. Rochat et al. (2010) haben gezeigt, wie die Spiegelneuronenmit höherer Intensität aktiviert werden, wenn eine Aktion ausgeführt, alswenn sie beobachtet wird. Analoge Ergebnisse waren beim Menschen zuerhalten. Als Urheber unserer Aktionen und/oder Eigentümer unseresKörpers haben wir, bevor ein reflexives Selbstbewusstsein explizit auftritt,einen Sinn für unser Selbst als Körperselbst, der dank des Umstands, dasser intrinsisch eine Vielzahl motorischer Möglichkeiten konstituiert, aktivmit dem Körperselbst anderer zu tun hat, indem er zugleich die eigenenKörpererfahrungen und die anderer formt.

Die Spiegelneuronen und die anderen in unserem Gehirn vorhandenenSpiegelungsmechanismen bilden eine Grundlage für die Entstehung eineselementaren Sinns für das eigene Selbst und für das Selbst anderer. Dennsie reflektieren die intrinsische Verbindung zwischen Identität und Alteri-tät, die charakteristisch ist für unsere Erfahrung des Körperselbst, dasEmotionen und Empfindungen ausführt und erlebt. Bei unserer Speziesscheint die körperliche Alterität die Art und Weise zu beeinflussen, in derunser motorisches System unsere Interaktionen mit der Welt sehr früh-zeitig, faktisch schon vor der Geburt steuert. Eine neuere Untersuchung(Castiello et al. 2010) kommt zu dem Ergebnis, dass die Föten von Zwil-lingen bereits in der vierzehnten Woche der Schwangerschaft Bewegungenübergeordneter Art ausführen, die unterschiedliche kinematische Profilehaben, je nachdem ob sie auf den eigenen Körper oder den des Zwillingsgerichtet sind. Während der vierzehnten und der achtzehnten Woche derSchwangerschaft nimmt der Prozentsatz der auf den eigenen Körper ge-richteten Bewegungen ab, während die auf den anderen Zwillingsfötusgerichteten Bewegungen zunehmen. Dies zeigt eindeutig, dass das moto-rische System bei unserer Spezies schon vor der Geburt Funktionseigen-schaften aufweist, die soziale Interaktionen ermöglichen und dass dieseInteraktionen im Hinblick auf die verschiedenen motorischen Möglichkei-ten zum Ausdruck gelangen (Ammaniti & Gallese 2014).

Körperselbst und Gehirn

Forschungen zu den neurobiologischen Grundlagen des Sinns für dasSelbst als Körperselbst sind in vollem Gange. Diese Forschungen habensich vor allem mit dem (Wieder-)Erkennen des Selbst durch Beobachtungdes Gesichts und, weniger häufig, des Körpers befasst. Der größte Teil die-ser Untersuchungen, die wir aus Platzgründen hier nicht darstellen kön-nen, hat von den Teilnehmern ein klares Urteil darüber verlangt, wie siesich selbst wiedererkennen. Wir dagegen haben uns für eine andere Stra-

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tegie entschieden. Sie ist abhängig von dem allgemeineren Ziel, zu denWurzeln der Konzepte vorzudringen, die wir zur Beschreibung des Selbstverwenden, indem wir diese Konzepte dekonstruieren. Wir haben unsentschieden, die Grundlagen der im Körperselbst implizit enthaltenenKomponenten zu untersuchen und herauszufinden, wie das Gehirn einesBetrachters auf Bilder der eigenen Hände oder der Hände anderer rea-giert. In einer kürzlich unternommenen fMRI-Studie (Ferri et al. 2012)haben wir die Aktivitäten im Gehirn von freiwilligen Untersuchungsteil-nehmern registriert, die unterschiedlich rotierende Abbildungen von Hän-den beobachteten. Sie sollten feststellen, ob es sich um rechte oder umlinke Hände handelte. Diese Aufgabe erfordert eine mentale Rotation derjeweils beobachteten Hand, um ihre Identifizierung als linke oder rechtezu erleichtern. Zahllose vorausgegangene Studien hatten gezeigt, dass diementale Rotation von Körperteilen wie der Hand (ein Sonderfall des men-talen motorischen Vorstellungsvermögens) gebunden ist an eine moto-rische Simulation eben dieser Rotation. Sie wird bestimmt durch eineAktivierung der motorischen Gebiete, welche die Bewegungen eben die-ses Körperteils kontrollieren. In unserem Experiment gehörte die Hälfteder zu beobachtenden Hände den freiwilligen Versuchsteilnehmern, dieandere Hälfte hingegen Fremden.

Während der Betrachtung der eigenen Hände wird ein Netzwerk vonGebieten des Gehirns aktiviert. Zu ihm gehören der ventrale prämotori-sche Kortex, der supplementärmotorische Kortex, die anteriore Insulaund die Okzipitallappen. Dieser Schaltkreis wird vorzugsweise jedes Maldann aktiviert, wenn wir einen unserer Körperteile (wie etwa eine Hand)in Augenschein nehmen, ohne dass von uns verlangt wird festzustellen,ob er zu uns gehört oder nicht. Darüber hinaus hat diese Untersuchungden Nachweis erbracht, dass das Betrachten der eigenen rechten Hand daslinke prämotorische ventrale Gebiet aktiviert, das die Bewegungen dieserHand kontrolliert.

Auch wenn diese Forschungsrichtung noch am Anfang steht, berechtigtsie meiner Meinung nach dazu, folgende Hypothese für plausibel zu hal-ten: Unsere Öffnung zur Welt und die Intentionalität unserer psychischenProzesse, also ihr Sein im Blick auf etwas, werden durch eine primitivemotorische Intentionalität konstituiert und ermöglicht. Unser motorischesSystem, das als Aufbewahrungsort der Potenzialität unserer pragmati-schen Beziehungen zur Welt dient, prädisponiert uns zu solchen Bezie-hungen. Und eben diese motorischen Potenzialitäten bestimmen unsals intentionales Körperselbst, insofern sie intentional konstituiert, alsoauf potenzielle Objekte unseres Handelns gerichtet sind. Eine motorisch

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vorab festgelegte, aber modellierbare Planung, die jeweils im Hinblick aufdie kontingente Modalität, in der sie sich aktualisiert, koordiniert wird,liefert die grundlegende Beziehungsstruktur des Selbst. Dieses Selbst ge-langt voll zum Ausdruck, wenn es die Bereiche der Interozeptivität sowieder Affekte und Emotionen in sich integriert.

Welche Psychoanalyse? Vom Intrapsychischen zum Interpsychischen.Anregungen zu einem Dialog

Wie Werner Bohleber (2013) kürzlich schrieb, haben in den letzten Jahr-zehnten viele Strömungen der Psychoanalyse eine stärker ausgeprägteintersubjektive Orientierung angenommen. Nach Bohleber waren dreiSchlüsselkonzepte für diese Wendung verantwortlich: die Gegenübertra-gung, das Enactment und die projektive Identifizierung. Diese Entwick-lung wurde ohne Zweifel ausgelöst und beeinflusst durch die Bindungs-theorie, die Säuglingsforschung und in jüngerer Zeit auch durch denBeitrag der Neurowissenschaften.

Insbesondere die Psychoanalyse in der Nachfolge Bions hat die Bedeu-tung der Intersubjektivität für die Beziehung zwischen Analytiker und Pa-tient im psychoanalytischen Setting betont (vgl. Ferro 2003, 2011; Ferro &Basile 2005; Civitarese 2008). Brown hat die Intersubjektivität bestimmtals einen

»weitgehend unbewussten Prozess der Kommunikation und Sinnstiftungzwischen den zwei intrapsychischen Welten, der des Patienten und der desAnalytikers, der zu Veränderungen sowohl im Innern beider Mitglieder desanalytischen Paars wie zwischen ihnen führt« (2011, S. 109).

Vor allem ist von mehreren Seiten darauf hingewiesen worden, dass impsychoanalytischen Setting ein Austausch impliziter Kommunikationenstattfindet, die zwar eines verbalen Inhalts ermangeln, aber eine therapeu-tische Wirkung entfalten.

Ich möchte jedoch hier nur kurz auf das eingehen, was Freud über dieBeziehung des Ichs und des Selbst zum Körper geschrieben hat. Das be-trifft zunächst die Verwendung der beiden Begriffe Ich und Selbst. Dernorwegische Analytiker Jon Sletvold (2013) hat kürzlich auf James Stra-cheys Einleitung zur englischen Ausgabe von Das Ich und das Es (1961,S. 7 f.) verwiesen. Strachey stellt dort fest, dass Freud den Begriff des Ichsauf zwei grundverschiedene Weisen verwendet: zum einen, um das Weseneiner Person (gemeinsam mit ihrem Körper) von dem einer anderen zuunterscheiden; zum anderen, um einen gesonderten Teil ihrer Psyche zu

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beschreiben, der durch spezielle Funktionen und Attribute charakterisiertist. Diese Feststellung Stracheys ist von Kernberg (2006 [1984]) erneutaufgegriffen worden. Ihm zufolge umfasst der Begriff des Ichs für Freudsowohl eine auf psychisches Handeln angelegte seelische Struktur als auchein personales Selbst als subjektive Erfahrung. Diese Auffassung taucht beiFreud in allen seinen Schriften auf. Als Beleg mag hier ein Satz aus DasUnbehagen in der Kultur (1930a) dienen, in dem es heißt: »Normaler-weise ist uns nichts gesicherter als das Gefühl unseres Selbst, unseres eige-nen Ichs« (S. 423). Die Begriffe Ich und Selbst werden hier synonymgebraucht.

In Das Ich und das Es verweist Freud auf die Verbindung zwischen demIch und einem nicht verdrängten Unbewussten. Er erklärt, dass ein Groß-teil der psychoanalytischen Forschung sich allzu ausschließlich auf dasThema Verdrängung konzentriert hat. Es sei an der Zeit, schreibt er, sichmehr mit den unbewussten Eigenschaften des Ichs zu beschäftigen. UnterVorwegnahme der späteren Untersuchungen von Panksepp, Damasio undSolms weist er der Interozeption und dem Bereich der affektiv-emotiona-len Empfindungen eine entscheidende Rolle zu. Er unterstreicht derenAnfänglichkeit insofern, als nach seiner Meinung die Möglichkeit einerBewusstwerdung nicht von einer Übertragung in Worte abhängt (Freud1930a, 247 f.). Hier sehen wir noch einmal, dass Freud der nun von innenher erforschten Körperlichkeit nicht allein eine zentrale, sondern auch einegenetisch grundlegende Rolle zuschreibt.

Zu diskutieren bleibt, auch im historischen Kontext, die klare vonFreud vorgenommene Unterscheidung der deutlichen und evidenten Be-ziehung des Selbst zu den Wahrnehmungen der Außenwelt von einer pro-blematischeren und verborgenen Beziehung des Selbst zu den innerenKörperwahrnehmungen. Die Ergebnisse unserer Untersuchungen zeigen,dass beiden Beziehungen des Selbst derselbe Mechanismus einer verkör-perten Simulation zugrunde liegt. Er wird von Fall zu Fall durch neuraleHirnschaltkreise ausgedrückt, die in jeweils unterschiedlichem Ausmaßmit dem in Verbindung stehen, was der Körper zum Ausdruck bringtund/oder erfährt. Beide Arten der Beziehung, sowohl die der sogenanntenAußenwahrnehmung wie die der Interozeption, gründen sich auf unbe-wusste Vorgänge, die nicht unbedingt einer Übertragung in Worte bedür-fen (auch wenn eine solche Übertragung ihre Merkmale und Funktionenrundheraus ändert). Dass der interozeptiven und limbischen Sphäre An-fänglichkeit zugeschrieben wird, ist vielleicht nur durch psychologischeAspekte des Selbst zu rechtfertigen. Es wäre meiner Meinung nach arbi-trär, diese Dimensionen unserer Intentionalität, unserer Öffnung zur Welt

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gesondert aufzuführen. Denn sowohl in seinen somatischen als auch inseinen viszeralen Bestandteilen bildet unser Körper letztlich einen integra-len Teil dieser Welt.

Das Modell der verkörperten Simulation bietet nach meiner Über-zeugung die Möglichkeit einer neurobiologischen Interpretation des Um-stands, dass unbewusste, aber nicht verdrängte Vorgänge die Grundlageunserer Perspektive auf die Welt sind, der Art unserer Beziehungen zu ihr,ihres Stils und der affektiven Merkmale, mit denen und durch die wir inihr leben, mit denen und durch die wir mit den Dingen und anderen Men-schen zusammentreffen. Die Grundlage all dessen ist zuallererst in unse-rem Bauplan zu suchen (Straus 1960), in der Lebensweise, die uns von derkonstitutiven motorischen Potenzialität unserer Körperlichkeit gebotenwird.

Einer der von psychoanalytischer Seite am häufigsten vorgebrachtenKritikpunkte an der sogenannten Wende zur Intersubjektivität betrifft denangeblich horizontal-synchronen Aspekt der Intersubjektivität im psy-choanalytischen Setting. Die Konzentration aufs Hier und Jetzt, auf dengegenwärtigen Augenblick, schenkt, so hört man, der vertikalen und his-torischen Dimension der Zeitlichkeit weniger Aufmerksamkeit. Die Beto-nung, die viele Autoren auf das zufällige Moment des Zusammentreffenslegen, hat wohl dazu beigetragen, die diachronisch-historische Dimensionder Simulationsprozesse zu schmälern. Schauen wir, warum! Heute wis-sen wir, wie die Erfahrung einer Begegnung mit dem anderen die Mecha-nismen der Spiegelung und Simulation moduliert und formt. Bisherwurde die individuelle Einmaligkeit des Körperselbst vorzugsweise unter-sucht, indem man unterschiedliche Ebenen der Expertise in Rechnungstellte, die von den Teilnehmern an einem Experiment erworben wurden.Diese Studien haben gezeigt, dass die Mechanismen der Spiegelung undSimulation von den erworbenen Erfahrungen vor allem motorischer Na-tur stark beeinflusst und plastisch moduliert werden. Diese Modulierungführt ihrerseits zu unterschiedlichen Arten, sich auf einen Reiz, eine Situa-tion oder ein Ereignis zu beziehen. Wie ein traumatisches Erlebnis die spä-tere Art und Weise bedingen kann, in der eine Person lebt und das eigeneVerhältnis zu anderen erlebt, so kann auch ein vorherrschender Stil der in-terpersonalen Beziehungen im Alltag die Rektionen und die Funktionali-tät der Mechanismen der Spiegelung und Simulation in ihren zukünftigenInhalten und in ihrem Stil bedingen.

Ein weiterer Einwand, der gegen die Wende zur Intersubjektivität vor-gebracht wird, betrifft das Risiko, dass in dieser Perspektive die indivi-duelle Besonderheit des Subjekts verloren geht, wenn dieses der inter-

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subjektiven Dyade untergeordnet wird (vgl. Bohleber 2013, S. 821). Diekognitiven Neurowissenschaften haben bisher das Verhältnis einzelnerpersonenbezogener Merkmale von Individuen zu ihrer Gehirntätigkeitselten untersucht. Der Psychiater Giampiero Arciero hat jüngst die Thesevertreten (2006; Arciero & Bondolfi 2009, S. 26–29), dass man zur ge-danklichen Konstitution des Subjekts, also des selbstbewussten Selbst,zuerst die Wer-Frage angehen und sich fragen muss, »wer« und nicht»was« das Subjekt ist. Das Subjekt ausgehend vom Wer, also von seinerhistorisch-individuellen Dimension aus zu denken (und nicht vom Was,also von einem für alle und keinen als gültig angenommenen Universal) isteine der Herausforderungen für die kognitiven Neurowissenschaften, dieLicht in die Natur der menschlichen Psyche bringen wollen. Das solltewünschenswerterweise auch zur Untersuchung der neurophysiologischenGrundlagen der historischen Longitudinaländerungen bei ein und dem-selben Individuum in der Art seiner eingespielten Beziehungen zur Weltführen. Ich möchte betonen, dass der hier vorgestellte Ansatz der kogni-tiven Neurowissenschaften voll vereinbar ist mit einer hermeneutischenAnalyse des Selbst, die dessen historische Dimension ins Zentrum stelltund die folglich dem neurowissenschaftlichen Ansatz nicht untergeordnetist.

Schlussfolgerungen

Die Relevanz der Intersubjektivität und des Körperselbst für den Beginneines Dialogs und einer Konfrontation zwischen der Psychoanalyse undden kognitiven Neurowissenschaften umfasst mindestens vier Aspekte.Der erste betrifft die Herausbildung der Identität des Subjekts. Zweifelloshat uns die empirische Forschung heute ein Bild der neonatalen frühkind-lichen Entwicklung geliefert, das ganz und gar unvereinbar ist mit derAnnahme eines Primärnarzissmus, der einhergeht mit einer anfänglichautistischen Abschließung gegen die Welt der anderen (vgl. Ammaniti &Gallese 2014). Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass die Mechanismender Spiegelung und Simulation gleich nach der Geburt beteiligt sind anden frühkindlichen mimetischen Aktivitäten und an den Beziehungen zurFürsorgeperson, aus denen die primäre und sekundäre Intersubjektivitätentsteht.

Der zweite Aspekt betrifft die Beziehung zwischen der Begegnung mitanderen und der Entstehung eines impliziten Gepäcks an Erinnerungen,die auf eine Gestaltung zukünftiger Beziehungen abzielen. Die verkör-perte Simulation bietet sich an als ein funktional unbewusster Prozess, der

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durch eine Begegnung mit dem Anderen und die durch sie erworbene Er-fahrung gestaltet wird und dazu beiträgt, den Stil der Beziehungen einesIndividuums zu bestimmen. Als solches kann dieses Modell Licht bringenin die körperlichen Grundlagen von fundamentalen Momenten der Inter-subjektivität und ihrer psychischen Störungen.

Der dritte Aspekt betrifft die Rolle der Intersubjektivität im Hinblickauf ihre projektiven Bestandteile. Ein möglicher (und bisher schon erho-bener) Einwand könnte geltend machen, die verkörperte Simulation lie-fere ein rein empathisch-rezeptives Modell der Intersubjektivität, das dieBeziehungen zwischen Selbst und Welt zu einer platten stereotypen An-wendung von Routinen der Simulation mache und das Selbst zu einemrein mimetischen Empfangsbehälter des Anderen werden lasse.

In einem Aufsatz über Robert Bresson behandelt der Regisseur MichaelHaneke (2010) eines der Hauptwerke von Bresson, den Film Au hasardBalthazar (dt. Zum Beispiel Balthazar). Nach Haneke wird dieser Film inseiner artistischen Besonderheit bestimmt durch den Umgang mit derWahrheit in der systematischen Zweideutigkeit der in einer Welt von Bil-dern erzählten Situationen und Geschichten. Die Rolle des Zuschauerskann nicht länger empathisch-rezeptiv sein wie beim Genuss klassischerFilme aus Hollywood. Das Erzählen in Bildern ist bei Bresson (und beiHaneke ähnlich, wenn auch etwas anders) unterdeterminiert, zweideutigund offen. Gleichzeitig ist es vollkommen kongruent dank einer totalenHaftung der Form am Inhalt. Diese Besonderheiten machen die Bilderlaut Haneke zu »realen« Dingen. Der Zuschauer muss sich auf eine nichtnur metaphorische Beziehung von Körper zu Körper mit den erzähltenSituationen einlassen; er muss auch auf seine eigenen Erinnerungen undauf seine eingespielten Muster der Beziehung zu den Dingen und zu an-deren zurückgreifen, weil er wie im wirklichen Leben nicht weiß, wie esmit ihm enden wird.

Diese projektive Beziehungsform trägt zum Entwurf des Sinns bei, denwir der Welt zuschreiben. Und zwar dank der Sensibilität, die wir erwor-ben haben, und vermöge unserer Beziehungskompetenz, d.h. dank un-serer zeitlichen und lebensgeschichtlichen Identität. Die ist wahrschein-lich nicht beschränkt auf das Verständnis der narrativen Wirklichkeit einerfiktiven Welt, sondern stellt eine der Grundformen unserer Konstruktionmentaler Objekte dar. Die verkörperte Simulation kann uns den Moduseiner »Registrierung« impliziter Erinnerungen liefern. Sie zeigen, wie dielebensgeschichtlichen Zufälle unsere Beziehungen zur Welt verändern. Indiesem Sinn aktualisiert die verkörperte Simulation die lebensgeschicht-liche Dynamik in der Art dieser Beziehungen jedes Mal dann, wenn wir

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ein Handeln, die Folgen eines Handelns oder die Vorstellung von einemHandeln vor Augen haben. Sie ist die Spur dieses Handelns und zugleichdie Hand, die dieses Handeln schafft.

Der vierte Aspekt betrifft das klinische Handeln innerhalb des psycho-analytischen Settings und die Art, in der sich die dynamische Beziehungvon Patient und Analytiker entwickelt. Die verkörperte Simulation gestat-tet eine neurobiologische Deutung des Umstands, dass der Reichtum dergestisch-körperlich und sprachlich ausgedrückten Inhalte eine wesentlicheRolle in dem Sinnstiftungsprozess spielen kann, der im psychoanalyti-schen Setting stattfindet.

Der Begriff des Subjekts bezeichnet eine Vielzahl von Erfahrungsmodider Welt, die synchron und diachron vorhanden und außerhalb einer so-zialen Dimension undenkbar sind. Unsere Untersuchungen haben meinerMeinung nach gezeigt, dass die kognitiven Neurowissenschaften einen ver-lässlichen Beitrag zum Verständnis der Konzepte des Selbst und der Inter-subjektivität leisten können. Dieser Beitrag wird sich als umso fruchtbarererweisen, wenn die Neurowissenschaften im Dialog und in der Konfron-tation mit der Psychoanalyse und den Humanwissenschaften die angemes-senen Fragen vorzubringen wissen, um aus ihrer eigenen Perspektive undmit den ihnen eigenen Forschungsmethoden der Frage nachzugehen, wases heißt, Mensch zu sein.

Kontakt: Prof. Dr. med. Vittorio Gallese, Dipartimento di Neuroscienze – Unità diFisiologia, Università di Parma, Via Volturno 39, 42125 Parma, Italien.E-Mail: [email protected]

Aus dem Italienischen von Klaus Laermann, Berlin

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Summary

Psychoanalysis and the neurosciences. Intersubjectivity and body-self: notes for a dia-log. – Against the background of Freud’s view of the self as physical, the topics inter-subjectivity and the subject as body-self are an opportunity for a dialog between theneurosciences and psychoanalysis. The brain is only fully functional because it isattached to a body. The author discusses the term »embodied simulation« in the con-text of contemporary psychoanalytic theories on problems bound up with intersub-jectivity. Embodied simulation allows for a neurobiological interpretation of uncon-scious but non-suppressed events as the basis for the way we relate to others, the styleof those relations, and the affects attendant upon them.

Keywords: intersubjectivity; body-self; embodied simulation

Résumé

Quelles neuro-sciences et quelle psychanalyse? Intersubjectivité et le moi corporel: No-tices pour un dialogue. – Les thématiques de l’intersubjectivité et du sujet en tant quemoi corporel fournissent sur l’arrière-plan de la conception de Freud du moi commemoi physique l’occasion d’un dialogue entre neuro-sciences et psychanalyse. Le cer-veau ne parvient à sa pleine capacité fonctionnelle que parce que lié à un corps. Leconcept de »simulation incarnée« est interrogé dans le contexte des théories psychana-lytiques contemporaines sur les problèmes de l’intersubjectivité. La simulation incar-née permet une interprétation neurobiologique de processus inconscients mais nonrefoulés en tant que fondements de notre mode relationnel, du style de ces relations etdes affects les accompagnant.

Mots clés: intersubjectivité; le soi du corps; simulation incarnée

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