Semiotik und Diskurs. Überlegungen zur Theorie und Methode

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Wolfgang Wildgen Semiotik und Diskurs. Überlegungen zur Theorie und Methode Einleitung Bei „Diskurs“ denkt man an Reden, Gespräche, obwohl zumindest im Wortteil „-kurs“ das Verb „lat. currere“, d.h. laufen, sich fortbewegen enthalten ist (vgl. deutsch „ Kurs halten“). Auf Zeichensysteme im Allgemeinen bezogen wäre dann ein Durchlaufen von Zeichenprozessen, ein zeitliches Nacheinander der Verständigung (eventuell mit Rollenwechsel) gemeint. Üblicherweise denkt man bei Diskurs natürlich an Sprache, meist in der Form der Argumentation oder des Gesprächs, aber bereits Michel Foucault verweist mit „diskursiver Praxis“ auf visuelle Medien, etwa in der Architektur oder auf performative Gestalten, sowie auf Institutionen, welche diese Praxis einrahmen, einengen, ja kontrollieren. 1 Falls man den Begriff auf semiotische Systeme jenseits der Sprache erweitert, muss man allerdings den Schwerpunkt auf die Sequentialität, die lineare Ordnung und den deduktiven Charakter von Argumentfolgen aufgeben bzw. erweitern. Das Bild wird zweidimensional gelesen, wobei die Lesewege nicht streng festgelegt sind und zumindest auf der Ebene der Augen-Sakkaden einen stochastischen Charakter haben. Die Architektur kann dreidimensional betrachtet, abgeschritten und in der täglichen Praxis erlebt werden. Der Film hat für den Betrachter eine kontinuierliche Verlaufsstruktur, wobei das Auge bestimmte Felder fokussiert verfolgt. Die meisten Benützer dieser Zeichensysteme sind aber eher Patheure, d.h. sie sehen, erleben leiblich die Architektur (vgl. Hasse, 2014: 4f) oder sie lassen den Film auf sich wirken; dasselbe gilt auch für die Musik, obwohl in manchen Kulturen der Anteil aktiver Musiker sehr hoch ist. Die kreative Gestaltung von Musik bleibt aber wenigen vorbehalten. Aktive Musik ist auch sehr häufig zusammengefügt aus der Zeichentätigkeit vieler (im Chor, im Orchester). Die Chorfunktion der Musik könnte sogar evolutionäre entscheidend gewesen sein (vgl. Merker, 2001: 318). Dieser kollektive Charakter prägt auch den Diskurs, der gesellschaftsfundierend ist, d.h. nicht nur von Gesellschaftlichem geprägt ist, sondern dieses konstituiert (vgl. die Ethnomethodologie, etwa bei Garfinkel, 1967). Der diskret kombinatorische Charakter, wie er durch die Alphabet-Schriften nahegelegt wird, ist weder für die gesprochene Sprache noch für die anderen semiotischen Medien zwingend. Dem logisch-mengentheoretischen Grundmuster für Zeichensysteme (das auch in die computerbezogene Sichtweise übertragen wurde) ist eine allgemeinere Perspektive entgegen zu stellen: 2 1 In der Diskurslinguistik wird der Begriff des Diskurses häufig auf Aussagenkomplexe begrenzt, also rein propositional aufgefasst. Der semiotische, über das Propositionale hinausweisende Charakter des Diskurses wird damit negiert (vgl. Warnke, 2007: 11). Er fällt weitgehend mit einem an der Performanz orientierten Text- bzw. Dialogbegriff zusammen. 2 Es gibt bereits seit der Rezeption der Arbeiten Saussures eine kontroverse Diskussion zur seiner Vision eines statischen Systems, der „langue“. Der Begriff des Diskurses (wie die énonciation bei Benveniste und der speech act bei Austin) sollte diese Fixierung überwinden (vgl. Angermüller, 2007: 59f). Es wurde aber kein wirklich neuer Zugang jenseits statisch-logischer Schemata gefunden. Diese Beschränkung wird in der „dynamischen Semiotik“, die auf Konzepte von René Thom zurückgeht, aufgehoben, indem systematisch topologische, d.h.

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Wolfgang Wildgen Semiotik und Diskurs. Überlegungen zur Theorie und Methode

Einleitung Bei „Diskurs“ denkt man an Reden, Gespräche, obwohl zumindest im Wortteil „-kurs“ das Verb „lat.

currere“, d.h. laufen, sich fortbewegen enthalten ist (vgl. deutsch „ Kurs halten“). Auf

Zeichensysteme im Allgemeinen bezogen wäre dann ein Durchlaufen von Zeichenprozessen, ein

zeitliches Nacheinander der Verständigung (eventuell mit Rollenwechsel) gemeint. Üblicherweise

denkt man bei Diskurs natürlich an Sprache, meist in der Form der Argumentation oder des

Gesprächs, aber bereits Michel Foucault verweist mit „diskursiver Praxis“ auf visuelle Medien, etwa

in der Architektur oder auf performative Gestalten, sowie auf Institutionen, welche diese Praxis

einrahmen, einengen, ja kontrollieren.1 Falls man den Begriff auf semiotische Systeme jenseits der

Sprache erweitert, muss man allerdings den Schwerpunkt auf die Sequentialität, die lineare Ordnung

und den deduktiven Charakter von Argumentfolgen aufgeben bzw. erweitern. Das Bild wird

zweidimensional gelesen, wobei die Lesewege nicht streng festgelegt sind und zumindest auf der

Ebene der Augen-Sakkaden einen stochastischen Charakter haben. Die Architektur kann

dreidimensional betrachtet, abgeschritten und in der täglichen Praxis erlebt werden. Der Film hat für

den Betrachter eine kontinuierliche Verlaufsstruktur, wobei das Auge bestimmte Felder fokussiert

verfolgt. Die meisten Benützer dieser Zeichensysteme sind aber eher Patheure, d.h. sie sehen,

erleben leiblich die Architektur (vgl. Hasse, 2014: 4f) oder sie lassen den Film auf sich wirken;

dasselbe gilt auch für die Musik, obwohl in manchen Kulturen der Anteil aktiver Musiker sehr hoch

ist. Die kreative Gestaltung von Musik bleibt aber wenigen vorbehalten. Aktive Musik ist auch sehr

häufig zusammengefügt aus der Zeichentätigkeit vieler (im Chor, im Orchester). Die Chorfunktion der

Musik könnte sogar evolutionäre entscheidend gewesen sein (vgl. Merker, 2001: 318). Dieser

kollektive Charakter prägt auch den Diskurs, der gesellschaftsfundierend ist, d.h. nicht nur von

Gesellschaftlichem geprägt ist, sondern dieses konstituiert (vgl. die Ethnomethodologie, etwa bei

Garfinkel, 1967).

Der diskret kombinatorische Charakter, wie er durch die Alphabet-Schriften nahegelegt wird, ist

weder für die gesprochene Sprache noch für die anderen semiotischen Medien zwingend. Dem

logisch-mengentheoretischen Grundmuster für Zeichensysteme (das auch in die computerbezogene

Sichtweise übertragen wurde) ist eine allgemeinere Perspektive entgegen zu stellen:2

1 In der Diskurslinguistik wird der Begriff des Diskurses häufig auf Aussagenkomplexe begrenzt, also rein propositional aufgefasst. Der semiotische, über das Propositionale hinausweisende Charakter des Diskurses wird damit negiert (vgl. Warnke, 2007: 11). Er fällt weitgehend mit einem an der Performanz orientierten Text- bzw. Dialogbegriff zusammen. 2 Es gibt bereits seit der Rezeption der Arbeiten Saussures eine kontroverse Diskussion zur seiner Vision eines

statischen Systems, der „langue“. Der Begriff des Diskurses (wie die énonciation bei Benveniste und der speech act bei Austin) sollte diese Fixierung überwinden (vgl. Angermüller, 2007: 59f). Es wurde aber kein wirklich neuer Zugang jenseits statisch-logischer Schemata gefunden. Diese Beschränkung wird in der „dynamischen Semiotik“, die auf Konzepte von René Thom zurückgeht, aufgehoben, indem systematisch topologische, d.h.

2

a) Geometrisch, d.h. auf den Raum bezogen: im Prinzip seit Platons Dialog „Timaos“, expliziter

seit Euklid und Archimedes theoretisch erfasst; in der Bildsemiotik sind sowohl die Rolle der

Rahmen als auch die geometrischen Abstraktionen der modernen Kunst klare

Manifestationen dieses Aspekts.3

b) Topologisch: angeregt von Leibniz, von Hausdorff ab 1914 axiomatisch fundiert.4 Ein

semiotisch relevantes Konzept betrifft die Invarianz der Objektwahrnehmung bei stetiger

Transformation, z.B. bei der Bewegung von Objekt und Wahrnehmendem. Genereller sind

Probleme der strukturellen Stabilität unter Störungen und Deformationen Gegenstand der

Differentialtopologie.

c) Dynamisch: begrifflich im Differentialkalkül von Leibniz/Newton erfasst, die Grundlage der

modernen Naturwissenschaften; als qualitative Dynamik in der Katastrophen- und

Chaostheorie für die Geisteswissenschaften zugänglich gemacht. Nicht nur die Interaktion

von Körpern und Handelnden (Akteuren), sondern auch Szenarien der Entstehung neuer

(Zeichen-) Strukturen sind mit Begriffen der Dynamik (Lehre von Kräften und ihren

Wirkungen) und der Morphodynamik (Entstehung und Veränderung von Formen) begrifflich

erfassbar.

Der „Diskurs“ in einer topologisch-dynamischen Perspektive hat Vorläufer in der antiken Rhetorik,

insbesondere in der Gedächtniskunst (ars memoriae), die bildhaft-räumlich organisiert ist (vgl. dazu

Wildgen, 1998a); Peirce hat in seiner grafischen Logik und mit der Semiotik der Diagramme eine Art

grafischer Semiotik vorgestellt. Dieser Ansatz wurde von Stjernfelt (2007) aktualisiert (vgl. dazu:

Zeitschrift für Semiotik, 1999, 31,3-4). Die topologisch-dynamische Perspektive wurde von René

Thom in die Linguistik/Semiotik und andere Geisteswissenschaften eingeführt. Im Kontext der

qualitativen Dynamik gibt es Wege in einer Landschaft von Attaktoren und Repelloren, plötzliche

Übergänge (Katastrophen) und Prozess-Schemata, die mit diskursiven Phänomenen verknüpfbar

sind. Aber der Begriff des Diskurses/Verständigungsprozesses ist in diesem Theoriekontext

grundlegend verändert, da primär von einem Kontinuum ausgegangen wird, in das (durch

Katastrophen) Grenzen eingezogen werden, und da raumzeitliche Musterbildungen im Vordergrund

stehen und nicht statische Schemata und Konfigurationen (Strukturen genannt). Ich werde im

Folgenden deshalb eher von Zeichenprozessen, deren zeitlichen Organisation und im Fall von

Zeichenschöpfung und -veränderung von Semiogenese sprechen (vgl. dazu auch Wildgen, 2014).

Grundzüge einer semiotischen Methodik

abstrakt geometrische Konzepte und grundlegende Resultate aus der Theorie dynamischer Systeme zur Anwendung kommen. 3 Das Geometrische ist gleichzeitig das Konstruierbare, das technisch Machbare. Die Bevorzugung des Gemachten, des Produkts menschlicher Arbeit vor dem Gedachten, der Kontemplation sieht Hannah Arendt als ein Spezifikum des industriellen Zeitalters und im Werke von Marx besonders hervorgehoben: „Die Formel lautet, daß der Mensch nur das wissen kann, was er selbst gemacht hat.“ (Arendt, 2012: 69). 4 Charles Sanders Peirce (1839-1914) konnte die Arbeit von Hausdorff nicht mehr rezipieren; in seiner Kontinuum-Hypothese werden aber einige Themen der Topologie vorweggenommen. Johanson (2001: 1) schreibt: „Peirce’s metaphysics relies heavily on mathematics, especially the branches of mathematics that are concerned with continuity; namely topology and analysis.”

3

Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen einer induktiven, einer deduktiven und einer gemischten

(abduktiven) Methodik.5 Bei der induktiven ist die Basis ein Korpus von primären Erfahrungen, wobei

primär immer relativ ist, d.h. man startet von einer Ebene der Beobachtbarkeit oder Messbarkeit des

Phänomens. Diese Ebene kann später wiederum zum Gegenstand einer empirischen Untersuchung

werden; dies bietet sich an, wenn man einen Zugang zu grundlegenderen Phänomenen oder

Beobachtungen gefunden hat. Bei der deduktiven Methode verfügt man bereits über ein

ausgedehntes und wohl organisiertes Wissen, aus dem man Prinzipien, Gesetzmäßigkeiten (bzw.

Hypothesen zu ihnen), eventuell sogar Axiome gewinnen kann. Aus diesen wird ein Wissenssystem

konstruiert, das einem erlaubt, Voraussagen, zu überprüfende Kernhypothesen zu gewinnen. Die

abduktive (gemischte) Methode kombiniert die deduktive Hypothesengewinnung (Hypothesen

müssen erklärungsrelevant und im systematischen Zusammenhang wichtig sein, damit sich der

Aufwand einer Prüfung lohnt) mit induktiven Beobachtungs- und Prüf-(Test-)-Verfahren. Die

abduktive Methode ist die übergreifende; in einzelnen Abschnitten des wissenschaftlichen Arbeitens

sind aber auch rein induktive oder rein deduktive Vorgehensweisen (Methoden) angebracht und

nützlich. Sie können aber isoliert kein größeres Problemfeld wissenschaftlich erschließen. Ich werde

auf die einzelnen Methoden und deren Anwendung im Bereich der Semiotik zurückkommen, will

aber zuerst die grundlegende Frage klären, inwiefern die Semiotik eine spezifische Methodik

erfordert, methodische Prinzipien mit benachbarten Disziplinen teilt und ob es

Alleinstellungsmerkmale der semiotischen Methodik gibt. Die Frage einer kohärenten, möglichst

exhaustiven Methodik ist darüber hinaus ein Test für den Disziplincharakter der Semiotik und ihren

Anspruch, neben anderen institutionell gefestigten Disziplinen bestehen zu können.6

Besondere Eigenschaften von Zeichen bzw. Zeichensystemen implizieren besondere Vorgehens-

weisen in der Analyse. Dies sind:

1. Zeichen im Sinne von Saussure oder Peirce, symbolische Formen im Sinne von Cassirer treten in

verschiedenen phänomenalen Gestalten auf, denen lediglich die Zeichen- oder Symbolfähigkeit

des Menschen gemeinsam ist. Die Hauptformen sind (nach Cassirer:

a. Sprache, historisch in den Formen der gesprochenen Sprache (primär) und der

geschriebenen Sprache oder anderer Kulturtechniken, welche die Sprache spezifisch

gestalten (Fachsprachen, Kunstsprachen, formale Sprachen usw.).

b. Mythen, rein imaginativ oder in Bildern, Ritualen und/oder Texten manifestiert.

Religionen und Ideologien sind eine späte Entwicklung dieser symbolischen Form.

c. Bildzeichen, die auf der visuellen Kompetenz des Menschen und seiner motorischen

Fähigkeit zur Herstellung visuell wahrnehmbarer Gestalten und Artefakte beruhen. In der

archäologisch/historischen Reihenfolge gehören dazu: Körperbemalung und Schmuck

(prähistorisch bis heute), Skulpturen und kulturelle Artefakte (Tier- und

Menschenskulpturen seit dem Paläolithikum, Werkzeuge, Möbel, Häuser, Städte usw.),

5 Die induktive Methode verweist auf Beobachtungen, die deduktive bezieht sich auf Wissensorganisationen (ideale Modelle), die abduktive benützt die Modelle zur Imagination von Sachverhalten, die durch Beobachtungen oder Experimente geprüft werden (vgl. Krois, 2009: 237). 6 Die Landschaft der geisteswissenschaftlichen Disziplinen wurde im Wesentlichen in der zweiten Hälfte des 19.

Jh.s gefestigt (Soziologie, Sprachwissenschaft, Psychologie, Kunstwissenschaft). Die Semiotik ging dagegen aus einer Einheitsbewegung Ende des 19. Jh.s hervor, d.h. aus der Reaktion auf die Zersplitterung der ursprünglichen philosophischen Fakultät bzw. der neuzeitlichen Sieben Künste (septem artes), die in der Artistenfakultät gelehrt wurden. Dieses Vorhaben wurde nicht zu Ende geführt.

4

Zeichnungen und Malereien (seit dem Paläolithikum, aber besonders entfaltet seit den

antiken Hochkulturen).

d. Tanz und Musik, welche auch auditive und motorische Fähigkeiten nützen, aber mehr die

rhythmische und tonale Qualität betreffen. Dazu gehört auch der Bereich der Mimik und

Gestik, da sie primär den Zeichencharakter der Motorik nutzen.

e. Geruchsbezogene (olfaktorische) und geschmacksbezogene (gustative) Zeichen, die in

der Beeinflussung des Körpergeruchs (durch Reinlichkeit oder Duftessenzen), der

Auswahl und Endfertigung von Speisen und Getränken ihren Ausdruck finden.7

Diese Liste ließe sich vervollständigen; wichtig ist der multimediale Charakter von Zeichen,

d.h. sie treten in verschiedenen Formen auf, die sich auch vermischen können oder durch

Kombination neue Effekte erzielen. Die semiotische Methode muss versuchen, dieser

Gliederung des Phänomens „Zeichen“ , „Symbol“ gerecht zu werden, d.h. sie darf nicht von

dieser Vielfalt abstrahieren oder positiv gewendet, sie muss immer die Multimodalität und

entsprechende Interferenzphänomene im Auge behalten.

2. Die Beziehung zwischen Zeichenkörper und Objekt selbst hat nach Peirce drei grundlegende

Aspekte, die meistens in Kombinationen auftreten, deren Spezifik aber bei jeder Analyse zu

berücksichtigen ist: als Index, als Ikon und als Symbol. Dabei ist zu beachten, dass für Peirce die

Beziehung (Relation) primär ist, nicht die Relata. Das Objekt, auf das der Zeichenkörper verweist,

kann nicht ohne diese Relation bestimmt werden. Das dynamische Objekt entspricht der im Limit

erreichbaren Anpassung der Semiose an die Realität (und ist damit ein Äquivalent des naiven

Objektbegriffes).8 Aus den unterschiedlichen Objektbeziehungen ergeben sich verschiedene

methodische Herangehensweisen:

a. der Index, wird wesentlich verursacht durch das Bezeichnete, z.B. der Rauch, der für

Feuer steht, der Donner, der für Blitz steht, das Krankheitssymptom, das auf einen

Krankheitstypus verweist. In dieser Hinsicht ist das Zeichen in einen quasi-natürlichen,

mit naturwissenschaftlichen Begriffen und Methoden erforschbaren Komplex

eingebettet. Diese Zeichenfunktion und deren Spezifikation in der griechischen Medizin

standen Pate für den Begriff der Semiotik (als semeiotikon meros, d.h. semiotischer

Anteil der Medizin). Peirce nimmt außerdem den Akt des Zeigens, der demonstratio ad

oculos (Index =Zeigefinder) als Definitionsmerkmal des Index auf. Tomasello (2011)

vergleicht Primaten, Kleinkinder und erwachsene Menschen in Hinsicht auf die

Zeigegesten (die in manchen Kulturen auch mit Lippen oder Kopfbewegungen umgesetzt

werden). Eng damit hängen Begriffe der wahrgenommenen Kausalität zusammen.

Beides, Zeigen und Kausalitätswahrnehmungen bzw. –hypothesen sind typisch für den

Menschen und zeichnen ihm vor höheren Primaten aus. Empirisch sind nur Korrelationen

und zeitliche Abfolgen feststellbar sowie deren kollektive Interpretation als Ursache-

7 Diese Erweiterung jenseits der Vorschläge von Cassirer ergibt sich zuerst aus der Existenz von Sinnesorganen jenseits von Gehör- und Gesichtssinn. Nach Cassirer verlangt die symbolische Form außerdem gewisse normative Fixierungen, die eine Kultur konstituieren. Diese Bedingung wird auch für die weniger reichen Modalitäten Tanz/Musik und Geruch erfüllt. 8 Der Objektbezug ist senso-motorisch konstituiert, d.h. auf der Basis einer Koordination von Wahrnehmung

und Bewegungen, etwa Greifbewegungen, und muss auch bei Tieren angenommen werden. Die symbolischen Formen entfalten diese Basis, wobei der Bezug zur Senso-motorik aber jeweils verschieden ist. Er ist in Sprache und Bildkommunikation deutlich anders organisiert als in der Musik, im Tanz und im Bereich von Geschmack und Geruch. Auch soziale Prozesse der Referenzfixierung und der text- und diskursbezogenen Referenzabfolgen sind spezifisch für sprachliche Formen (Texte und Diskurse); vgl. Agha (2007: Kap. 2). Sie können in Bilderserien /Film und Musik in Analogie zur Sprache entfaltet werden.

5

Wirkungsbeziehung. Die eigentliche Kausalität fällt methodisch in den Bereich der

Naturwissenschaften (Physik, Chemie), Kausalitätsattributionen sind dagegen

Gegenstand der Wahrnehmungspsychologie (vgl. die Arbeiten von Michotte im Rahmen

der Gestaltwahrnehmung).

b. Als Ikon, d.h. vermittelt durch eine Ähnlichkeit von Zeichen und Bezeichnetem

(Signifikant und Signifikat). Um ein Maß der Ähnlichkeit verfügbar zu haben, ist ein

mentaler Raum mit Differenz /Äquivalenz und Distanzmaßen (einer spezifischen

Topologie) notwendig. Die semiotische Methodik muss also auf kognitive bzw.

emotionale Kräfte und Strukturmuster Bezug nehmen, um die ikonische

Zeichenbeziehung angemessen erfassen zu können. Dies kann natürlich auf

verschiedenen Feinheitsstufen bzw. Beobachtungsebenen geschehen. So sind alltägliche

Ähnlichkeitsurteile (etwa Ähnlichkeit von zwei Farben oder Formen) ein möglicher

Zugang, wenn die Variation subjektiver Urteile statistisch in Rechnung gestellt wird. Es

können aber auch Testserien, wie sie in der Psychologie üblich sind, als methodischer

Zugang gewählt werden; eventuell sind sogar Ergebnisse der funktionellen MR-

Tomographie, wenn ähnliche Regionen des Gehirn aktiviert werden, ein methodischer

Zugang. Deduktiv (mathematisch) können unterschiedliche geometrische und

topologische Modelle des mentalen Raums und entsprechende Ähnlichkeitsmaße

vorgeschlagen werden und (abduktiv) die Basis zur Einordnung entsprechender

Beobachtungen im Zeichenverhalten sein. Die entsprechenden Methoden sind die der

Kognitionswissenschaften, die allerdings selbst aus einem interdisziplinären Feld mit den

Kerndisziplinen: Mathematik/Informatik, Neurologie und Psychologie bestehen. Intuitive,

subjektive Ähnlichkeitsurteile sind zu qualifizieren (wie ähnlich in Bezug auf welchen

Aspekt?)und natürlich intersubjektiv abzusichern, da im Prinzip alles mit allem eine

(eventuell erfundene) Ähnlichkeit aufweist.9

c. Als Symbol, d.h. im Sinne von Peirce beruhend auf gesellschaftlich (kulturell) fixierten

Regeln oder Gewohnheiten (habits bei Darwin, habitus in der Soziologie von Bourdieu).

Häufig ist die Rede von Konventionen (dem arbitraire du signe bei de Saussure). Da keine

expliziten Vereinbarungen stattfinden, muss man diese im Sinne eines contrat social bei

Rousseau denken. Diese Querbezüge deuten an, dass wir uns im Bereich der Soziologie,

Ethnologie und ihrer Methodik bewegen. Aus der Wirtschaftswissenschaft (etwa bei

Adam Smith) sind Prozesse der „hidden hand“, modern gesprochen Selbstorganisations-

prozesse ins Auge zu fassen (vgl. Wildgen und Mottron, 1987; neu Wildgen, 2005). Man

kann natürlich auf einer elementaren empirischen Ebene die Verhaltensregelmäßigkeiten

in einer Population statistisch oder strukturell untersuchen und auf einen idealen

Sprecher/Hörer bzw. Zeichenbenützer extrapolieren, wie dies die Linguisten in der

Nachfolge von Chomsky versucht haben. Im Bereich nichtsprachlicher Zeichen ist aber

die Variation bzw. die Vagheit der konventionellen Bindungen so dominant, dass die

strukturlinguistischen Methoden nicht mehr erfolgversprechend sind. Die linguistischen

Regelrekonstruktionen haben nur wegen des Normcharakters von Sprachen, die stark

institutionalisiert sind (etwa im Kontext von Schriftsprache) eine Existenzberechtigung.

9 So werden bei einem Säugling Ähnlichkeiten zu allen möglichen Familienmitgliedern imaginiert. Da

Metaphern auch unter die Kategorie des Ikons fallen, sind auch die Urteile im Kontext der von Lakoff und Johnson initiierten kognitiven Grammatik (vgl. Wildgen, 2008: Kap. 3) auf ihre Gültigkeit und Zuverlässigkeit zu prüfen. Leider hat in dieser Beziehung George Lakoff die leichtsinnige Akzeptanz von intuitiven Urteilen von der generativen Linguistik in der Nachfolge Chomskys (bei Chomsky auf Grammatikalität bezogen) übernommen.

6

Wie Pike dies bereits in den 60er Jahre des 20. Jhs. gezeigt hat (vgl. Pike, 1967), sind

religiöse Rituale in dieser Hinsicht sprachähnlich (und teilweise in sprachlichen, meist in

schriftlichen Regelsystemen kodiert). Auch juristische Systeme und formale Sprachen

entsprechen einem Regelkanon. Eine strikte und einfach erfassbare, weil ständig

wiederholte, Regelbefolgung ist aber eher ein spezieller Fall im Bereich des

Semiotischen.

3. Wichtige Eigenschaften von Zeichen werden in der Zeichenschaffung (der Semiogenese)

festgelegt und sind in ihren allgemeinen Zügen nur verständlich, wenn wir diese Genese

beobachten oder ihre Prozesseigenschaften abschätzen können. Wie in der Astrophysik, siehe

den Urknall und die darauf folgenden Momente, werden im Keim der Genese die

Gesetzmäßigkeiten festgelegt, die für den ganzen weiteren Entwicklungszeitraum grundlegend

sind. Später auftretende Regularitäten sind weit weniger allgemein und damit auch weniger

erklärungsrelevant. Es gibt allerdings zwei große Hindernisse bei der Nutzung dieses wichtigen

phänomenalen Feldes:

a. Zeichensysteme können in ihren Grundzügen vor sehr langer Zeit geschaffen worden

sein, so dass eine historische oder gar evolutionäre Rekonstruktion notwendig wird. Da

im Gegensatz zu den in Geologie oder Paläontologie untersuchten Phänomenen (siehe

tektonische Platten, Schichtungen, die Evolution von Pflanzen und Tieren) für die Zeichen

vor der Erfindung der Schrift keine „Fossilien“ existieren, bleibt der Ursprung von

Sprachen und visuellen/motorischen, gustatorischen Zeichensystemen in den meisten

Fällen unzugänglich, bzw. Hypothesen dazu sind nur begrenzt prüfbar (es gibt eine

lediglich auf wenige Jahrtausende oder gar Jahrhunderte begrenzte Zeitdimension der

empirischen Prüfbarkeit).

b. Selbst synchron, d.h. in der Jetztzeit, im jeweiligen Beobachtungszeitraum, ist die Genese

von Zeichen und die frühe Konsolidierungsphase einerseits plötzlich und schnell, so dass

sie der Aufmerksamkeit leicht entgeht, andererseits kann sie an vielen Orten passieren

und sich ausbreiten. Im Falle der Sprache zeigen die Studien zur lexikalischen Innovation

(ad-hoc-Bildungen und Neologismen) und zur morphologisch-syntaktischen Variation

Aspekte dieser Problematik (siehe zu den Gelegenheits-Komposita Wildgen, 1982 und

zur Sprachvariation die Forschungen von Labov in amerikanischen Großstädten).

Die Problematik einer Rekonstruktion möglicher Semiogenesen zeigt sich deutlich bei

Untersuchungen zum Sprachursprung (vgl. Wildgen, 2004). Untersuchungen des Klimas, der

Entwicklung von Körper, Gangart, Gehirnvolumen und –struktur oder der Artefakte

(Steinwerkzeuge, Kunst, Schmuck, Wohnumgebungen, Bestattungsrituale) erlauben auf dem

Hintergrund der Evolutionstheorie und Genetik Hypothesen zum Sprachursprung. Deduktive

Ansätze erlauben auch Computersimulationen, die wiederum Plausibilitätsabschätzung zur

Folge haben und damit das Bild einer möglichen Evolution schärfen (ohne es allerdings

endgültig fixieren zu können). Wir können vier Bereiche unterscheiden:

a. Die evolutionäre Ebene: die Genese der Fähigkeit zur Zeichenerzeugung. Im Bereich

des Menschen (Humanevolution und Humansemiotik) sind die Evolution der

menschlichen Sprache und der anderen symbolischen Formen zu nennen

(Jahrmillionen und Jahrhunderttausende).

b. Die kulturelle Ebene: die Genese von Zeichenkulturen, Kunst und Technik

(Jahrtausende, Jahrhunderte, Jahrzehnte).

c. Die Ontogenese von Sprache und Zeichenverhalten beim Kind (Jahre, Monate, Tage).

7

d. Die Mikrogenese, d.h. die spontane und sehr schnelle Entstehung von Zeichen und

Zeichenordnungen im Denken und in der Kommunikation (Bruchteile von Sekunden

bis Minuten).

Mit der Zeit, die kürzer wird, werden auch die räumlichen Ausdehnungen kleiner:

Lebenswelten der Gattung Mensch > Kulturräume (z.B. ägyptisches Reich) > Familie,

Nachbarschaft > Individuum > Gehirnareale.

Insgesamt ergibt sich aus dieser Spezifik der Semiotik, dass deren Methodik multimedial und

interdisziplinar sein muss. Bevorzugte Bezugsdisziplinen sind: Linguistik, Soziologie,

Psychologie // Biologie, Genetik Evolutionstheorie // Physik, Chemie. Eine besondere Rolle

spielen die Formalwissenschaften, heute die Mathematik (inklusive Logik), die

Computersimulation und andere Spezialmedien der wissenschaftlichen Modellbildung.

Induktive Methoden in der Semiotik Eine semiotische Analyse, die im Wesentlichen induktiv verfährt, ist weitgehend mit Techniken

vergleichbar, die aus der linguistischen, besonders der strukturellen und statistischen Sprachanalyse,

und der sozialwissenschaftlichen, insbesondere der qualitativen Analyse bekannt sind. Folgende

Schritte sind wichtig:

a. Etablierung eines Korpus (einer Sammlung) von Beobachtungen oder Daten zum Phänomen.

Dies sind für die Sprache: Tonbandmitschnitte (bzw. deren Transskripte) und Texte; für die

visuelle Semiotik kommen in Frage, die Sammlung von Bildern und Artefakten bzw.

Dokumentationen zu Bildern und Artefakten. Bei Ritualen, Tänzen bieten sich

Feldbeobachtungen, Fotos, Filme, Videoaufnahmen an, bzw. deren Beschreibungen und

Transskripte.10 Die zu den dokumentierten Zeichenformen gehörigen Bedeutungen oder (bei

Artefakten) Funktionen, Verwendungsweisen sind ebenfalls zu dokumentieren, zu sammeln

und zu klassifizieren. Wichtig ist dabei, dass beide Seiten des Zeichens, die Zeichenformen

(Signifikanten) und deren Bedeutungen (Signifikate) dokumentiert werden. Auf die

Problematik der Bedeutung gehe ich später näher ein. Wenn nur der Zeichenkörper, quasi in

seiner Objekthaftigkeit systematisch erfasst wird, wird die Analyse durch eine subjektiv

ergänzte Bedeutungs-Attribution in unkontrollierbarer Weise beeinflusst und verfälscht.

b. Die qualitative oder quantitative Analyse. Sie fußt auf einem Raster von Kategorien, die

induktiv an das Material anzupassen sind.11 Der interpretative Charakter semiotischer

Analysen ist jedenfalls nicht vermeidbar; es geht lediglich darum, die Gefahr einer zirkulären

Argumentation sowie trivialer Selbstbestätigungen zu reduzieren. Für die systematische

Analyse müssen zuerst Klassen vergleichbarer Phänomene gebildet werden. In der Linguistik

sind Wortklassen und syntaktische Kategorien, bzw. entsprechende Klassifikationsraster

Ergebnisse dieser Analysephase. Wie die Debatte zur Prototypentheorie und zur Vagheit bzw.

„fuzzyness“ gezeigt hat, sind Klassen meistens nicht im aristotelischen Sinn strikt

unterteilend, sondern beziehen sich auf Standardformen (Prototypen) und haben lose

10

An allen Fällen sind die Rechte der Beobachteten, Fotografierten oder Gefilmten zu wahren. Da die Beobachteten informiert sind, entsteht das Beobachterparadoxon; d.h. das Verhalten in Abwesenheit von Beobachtern ist nicht zugänglich. 11 Die Illusion der amerikanischen deskriptiven Linguistik, dass die Kategorien durch „discovery procedures“ rein induktiv zu gewinnen seien, wurde Mitte der fünfziger Jahren von Bar-Hillel, Chomsky und anderen zerstört; vgl. Wildgen (2010b: Kap. 8).

8

Ränder mit Konfliktzonen. Die Klassifikation ist eine Messung auf Nominalskalenniveau. Wird

das Messniveau verfeinert, gelangen wir zur quantitativen Analyse, in der z.B. Urteile über

mehr oder weniger getroffen werden oder gar zu einer metrischen Skala, welche die

Berechnung von Mittelwerten und anderen Maßen der deskriptiven Statistik erlaubt. Die

Bedeutungsanalyse bleibt allerdings die methodische Achillesferse der semiotischen Analyse,

12 insbesondere ist es hier schwierig über die qualitative Analyse hinauszukommen (vgl. aber

die Maße eine semantischen Information und deren Anwendung in Wildgen, 1977a,b).

c. In einer erklärungsorientierten Analyse können schließlich verschiedene Verursachungs-

Faktoren gegeneinander abgewogen werden. Dies ist besonders bei komplexen Zeichen, die

gleichzeitig mehrere Modalitäten aktivieren, wichtig. Außerdem erfordern pragmatische

Gebrauchsaspekte und soziolinguistische Faktoren der Variation eine korrelations- und

inferenzstatistische Bearbeitung (vgl. dazu die Arbeiten von William Labov, z.B. in Labov,

2001). Als Beispiel mögen Oper und Film dienen; hier laufen visuelle, sprachliche,

musikalische Zeichenprozesse parallel ab und werden durch das Bühnenbild bzw. die

Raumkonstruktion im Film und die Kostüme unterstützt. Eine Diskursanalyse muss den

jeweiligen Anteil, eventuell die Dominanz eines Modus (etwa der Musik in der Oper)

bestimmen und die Bereiche festlegen, in denen eine starke Interaktion stattfindet. Beim

Film spielen die Kameraeinstellung und der Schnitt eine wichtige Rolle, d.h. der Zeichen-

Komplex wird nicht in Kontinuität erzeugt, sondern artifiziell zusammengestückelt.

Deduktive Methoden in der Semiotik Deduktiv oder theoretisch-modellbezogen sind in der Semiotik zuerst die grundlegenden

Systemansätze etwa bei Peirce oder Carnap, die sich auf philosophische Positionen (Pragmatismus

bzw. logischer Empirismus) und formale Systeme (etwa Logik der Relative bei Peirce, mathematische

Logik bei Carnap) beziehen. Gemischt deduktiv und induktiv (abduktiv im Sinne von Peirce) sind die

Forschungen von Jean Piaget zur kindlichen Sprach- und Denkgenese. Piaget nahm deduktiv Bezug

auf die axiomatische Struktur der Mathematik, wie sie in der Bourbaki-Schule dargelegt wurde. Trotz

einer kontroversen Diskussion seiner Ergebnisse, insbesondere der Parallelität von axiomatischem

Aufbau der Mathematik und Entwicklungsstadien der kindlichen Intelligenz, bleibt sein Ansatz

richtungsweisend für die Thematisierung der Genese von Sprache und Intelligenz. Chomsky nahm die

Theorie formaler Sprachen (Provinz der Algebra) als Rahmen, schwächte aber in der raschen Abfolge

der Modellvarianten die mathematische Fundierung zunehmend ab.

Deduktive Ansätze sind dort hilfreich, wo der empirische Zugang eher indirekt, partiell oder gar

unmöglich ist oder bei einem sehr weiten Skopus der Fragestellung, etwa nach den Universalien,

dem Sprachursprung bzw. den ständigen Fluss der semiotischen Erneuerung (der Semiogenese). Die

deduktiven Methoden sind in gewissem Sinne innersemiotisch, denn für die Modelle wird meist eine

Kunstsprache (bevorzugt die Logik oder die Mathematik) benützt; für die empirische Prüfung müssen

deren Aussagen (etwa Prognosen) zuerst in die operationale Sprache der Experimentatoren oder

Beobachter „übersetzt“ werden. Die Wahl der jeweiligen Formalsprache oder des mathematischen

Modells schränkt dabei die Analyseziele drastisch ein.13 Diese Techniken können hier nicht evaluiert

12

Vgl. dazu die Versuche von Bloomfield und Harris, den Bedeutungsbegriff zu eliminieren bzw. durch Distributionseigenschaften zu ersetzen. Dies blieb letztlich erfolglos, war aber eine gute Exploration zur Objektivierung in der Semantik; vgl. dazu Wildgen , 2010b: Kap. 8). 13 Wählt man etwa die der Geometrie nahestehende, sie generalisierende Topologie oder die aus der Differentialtopologie entwickelte qualitative Mathematik, ergibt sich eine ganz andere deduktive Methodik.

9

werden, es sollte nur angemerkt werden, dass der Raum für deduktive Methoden in der Semiotik bei

Weitem nicht ausgeschöpft ist (vgl. zur Mathematisierung in der Linguistik des 20. Jh.s Wildgen,

2010b: Kap. 14).

Die Anwendung semiotischer Methoden auf visuelle Diskurse Für Diskurse, die multimodal sind, erweisen sich neben der sprachlichen besonders die visuellen

Aspekte als tragend. Die Modalität wird einerseits durch die körperlichen Voraussetzungen

(Wahrnehmungsfähigkeiten und kognitive Erstverarbeitung), andererseits durch Kodierungen,

Elaborationen in kulturellen Traditionen bestimmt. Dies bedeutet etwa, dass bestimmte Diskurse die

eigentlich visuell oder musikalischer Natur sind, sich Gestaltungsformen aneignen, die ihren Ursprung

in anderen Sinnesmodalitäten, etwa der (mündlichen) Sprache haben. Sprachliche Formen sind

ihrerseits durch die Schrift und andere Medien in das visuelle Wahrnehmungsfeld transponiert

worden (vgl. zum Begriff der Modalität Meier, 2014: 32ff).14 Da ich in den vorherigen Abschnitten

immer wieder auf die Sprache Bezug genommen habe, will ich nun an drei Beispielen zeigen, dass die

Analyse visueller Diskurse andere Begrifflichkeiten erfordert. In diesem Bereich bieten sich besonders

deutlich geometrische Konzepte an; dynamische Aspekte wurden implizit und werden besonders mit

der Entwicklung des Films vorrangig (traditionell auch schon in Tanz und Theater; vgl. zum Film

Wildgen, 2013a: Kap. 7, sowie 2013b und 2015).

Beispiel 1: Methodik bei der Analyse von Motivserien bei Leonardo da Vinci (vgl. Wildgen,

2013a: Kap. 3)

Induktiv wird anhand von Künstbüchern, im Internet zugänglichen Bildern, Werkverzeichnissen und

durch gezielte Museumsbesuche das Korpus der zu berücksichtigenden Bilder erstellt (wichtige

Originale müssen direkt analysiert werden, da Fotos und Drucke einen Informationsverlust

bedeuten). Die ausgewählten Bilder (und die Bildtitel, eventuell Zeit- und Größenangaben,

Geschichte ihrer Besitzer, Renovierungen usw.) sind die Basis der Analyse. Die Klassifikation kann

Werk- und Themengruppen über einen größeren Zeitraum verfolgen (siehe die Analyse der

Abendmahl-Varianten in Wildgen, 2010a und 2013a). Jenseits von verbaler Beschreibung und

Klassifikation kann das Bild geometrisch-topologisch untersucht werden, d.h. thematische, figurale

Teilfelder des Bildes sind herauszulösen und in Beziehung zu setzen. Deren zweidimensionale

Struktur ist nach Gestaltprinzipien analysierbar (einen Überblick zu den Methoden gibt Wildgen,

2013a: Kap. 1.1). Die Ausdrucks- Dynamik kann z.B. anhand von Körperpositionen, Zeige- und

Blickvektoren rekonstruiert werden (vgl. dazu Wildgen, 2010a und 2013a: 97-100).15 Ich will dies kurz

an einem Beispiel verdeutlichen.

14

Die Multimodalität steht im Zentrum der Sozialsemiotik, wie sie angeregt durch die Arbeiten von Halliday von

Kress und Leeuven (2006) undBateman (2014) weiter entwickelt wurde. Semiotische Aspekte spielen auch in den „Visual Culture Studies“ eine Rolle; vgl. Meier (2014:34-39. 15 In der qualitativen Bild- und Videointerpretation von Bohnsack (2009: 96-109) werden im Kontext der Soziologie Familienfotos anhand von Teilfeldern und Körperachsen analysiert. Er spricht von Planimetrie, Perspektivität und szenischer Choreografie und reiht sein Verfahren in die ikonografische und ikonologische Tradition Panofskys ein (vgl. zu letzterer Wildgen, 2013a: 18-20).

10

Abbildung 1: Die endgültige Version der Anna Selbdritt, 1509/10 (Paris, Louvre, restaurierte Fassung) und Vektorbild

der Kräfte (vgl. Wildgen, 2013a: 100)

Man mag einzelne Phasen der Herangehensweise als induktiv, andere als deduktiv bezeichnen, meist

ist die Methode gemischt (abduktiv). Die Schriften Leonardos können als Basis einer Deduktion

benützt werden; auch die Vektoranalyse ist insofern deduktiv als die entsprechende Mathematik

vorausgesetzt wird. In der Anwendung werden Begriffsvorschläge in Leonardos Schriften mit der

Vektorschreibweise in Verbindung gebracht und an den Bildern exemplifiziert. Vergleiche der

Vektorbilder in verschiedenen Fassungen des Themas bei Leonardo lassen induktiv die Tendenz einer

Optimierung zentraler Gestaltprinzipien erkennen.

Beispiel 2: Methodik der vestimentären Semiotik

Induktiv kann die Bekleidung einer ausgewählten Population anhand von Modezeitschriften erfasst

werden, dabei können sowohl die Kleider (Formen, Farben, Zusammenstellung) auf den Fotos, als

auch die erkennbaren Anlässe (Alltag, Ferien, Luxusumgebung wie Theater oder Feste) in das

Datenmaterial aufgenommen werden. Die Beschreibungskategorien können den Texten der

Modezeitschriften entnommen werden. Diese Basis wählte Roland Barthes für seine klassische

Studie, Système de la mode (Barthes, 1967). Die Analyse bleibt im Bereich des Textes (ergänzt durch

Bildmaterialien) und hat einen vagen Bezug zur Population, die Modezeitschriften liest und sich an

ihnen orientiert. Deren Verhalten und deren Einstellungen werden aber nicht direkt zugänglich.

Sozialwissenschaftlichen Standards würde eher eine Feldstudie entsprechen, bei der die Bekleidung

sowohl fotografiert wird, als auch Tiefeninterviews mit den Trägern der Kleidung geführt werden.

Das Korpus besteht dann aus Bildern und Texten; d.h. der dokumentierte Diskurs ist multimedial

(visuell-sprachlich). Die Analyse muss die körperbezogenen Bildhaftigkeit erfassen, d.h. sie muss dem

zwei- bzw. dreidimensionalen Zeichen gerecht werden. Im Fall von gesetzlich oder religiös fixierten

Bekleidungsnormen oder –verboten kann das Verhalten deduktiv (als Regelbefolgung) abgeleitet

werden. Zur Analyse der Verbreitung von Mode können Diffusionsmodelle (Hintergrund

Thermodynamik) und Epidemie-Modelle (aus der Medizin) herangezogen werden. In diesem Fall

dominiert eine abduktive Methode. Bei synchronen Untersuchungen, wo der Untersuchende Zugang

Statisches

Gleichgewicht

der Körper

Hauptblicklinie

parallel zum

Kräftefeld des

statischen

Gleichgewichtes

Greifbewegungen

von Maria und

Jesus

11

zu den Produzenten und Verwendern bestimmter vestimentärer Zeichen hat, ist es empfehlenswert,

Milieustudien mittels teilnehmender Beobachtung durchzuführen, d.h. der Untersuchende begibt

sich als Quasi-Beteiligter in die Gruppe , die er untersucht, und unternimmt es, deren

Interpretationen und Wertungen nachempfindend zu verstehen. Diese Methode wird in der

Dissertation zum Kopftuchgebrauch deutsche Muslima von Frau Şahin (2014) vorgeführt. Die genaue

Bilddokumentation und –analyse ist zentral für diese Diskursanalysen.

Beispiel 3: Methodik der Filmsemiotik. Der Action-Film und die Verfolgungsszenen

Induktiv können alle Verfolgungsszenen und deren Höhepunkte (Kampfszenen) in einem Korpus von

Filmsequenzen in einem Genre oder sub-Genre gesammelt werden (etwa zu den drei letzten James-

Bond-Filmen; vgl. Wildgen, 2015). Für die Bewegungen, Beschleunigungen, Kampfinteraktionen ist

ein geeignetes Beschreibungsraster zu entwickeln. Dabei zeigt sich, dass eine lineare Erfassung nicht

ausreicht, der Raum spielt eine zentrale Rolle und Kräfte (antagonistische, protagonistische, neutrale)

müssen erfasst werden. Deduktiv kann die Theorie dynamischer Systeme (Katastrophen- und

Chaostheorie) als Folie zur Kategorisierung der Dynamik benützt werden (vgl. Wildgen, 2013b, 2015).

Ein einfacher Verfolgungsprozess (zu Pferd oder im Auto) ist linear; z.B. verläuft er entlang einer

Straße (beim Auto) oder eines Weges/Pfades (bei der Kutsche oder dem Reiter im Western). Erst

wenn die beiden Protagonisten zusammentreffen, ergibt sich eine mehrdimensionale Mikrostruktur,

etwas der Kampf um die Kutsche im Western oder die sich von der Straße drängenden Autos im

James-Bond-Film.

Der Bond-Film Ein Quantum Trost bringt bereits im Vorspann eine Autoverfolgungsjagd entlang des

Gardasees und in den Steinbrüchen von Carrara. Die erste Spielszene des Films eskaliert das

Verfolgungsthema und bettet es in die beginnende Erzählung ein. Die Eskalation erfolgt auf zwei

Ebenen: Einerseits ist Siena der Ort, wo traditionell Pferderennen im Stadtzentrum ausgetragen

werden. Andererseits kann der Gefangene fliehen und Bond verfolgt ihn über die Dächer von Siena.

In Abbildung 2 werden Phasen der beiden parallelen, aber nicht ursächlich verbundenen

Verfolgungen gezeigt.

Abbildung 2 Pferderennen in Siena und Verfolgungsjagd Bonds16

Die beiden Prozesse werden punktuell verbunden. Schließlich fallen beide Kontrahenten vom

Glockenturm auf ein labiles Baugerüst mit einem sich drehenden Lastenaufzug und den

Aufzugsseilen, die für einen Kampf in der „Zirkuskuppel“ genützt werden. An dieser Stelle wird das

Modell einer linearen Bewegung in der Fläche verlassen, die Bewegungen erfolgen pendelartig im

Raum. Die Singularitäten, d.h. die Treffpunkte beider Akteure, werden dadurch komplizierter und

schwerer zu erreichen. Das erweiterte Muster kann man als ein gekoppeltes Pendel beschreiben

(wenn beide am Seil hangeln) oder als ein Doppelpendel (wenn sich der Balken, an dem das Seil

16 Screen shots aus: http://screenmusings.org/QuantumOfSolace/index_19.htm#2035

12

hängt, bewegt). In Abbildung 3 werden anschauliche Modelle des gekoppelten und des doppelten

Pendels (links) mit Kampfszenen in der Kuppel aus dem Bond-Film Ein Quantum Trost (rechts) in

Verbindung gebracht. Mathematisch werden Pendelbewegungen in der Physik beschrieben und

Pendelbewegungen sind sogar ein Prototyp physikalischer Bewegungs- und Stabilitätsphänomene.

Doppelte Pendel sind Beispiele für chaotische Systeme und gekoppelte Pendel sind Paradebeispiele

der Synergetik (vgl. Haken, 1996: 128-147).

Abbildung 3 Gekoppelte Pendel (die beiden Seile) und Doppelpendel (der Arm an dem das Seil hängt schwingt seitlich)

Eine lineare Text-Grammatik, etwa im Stil von Propps Märchenanalyse oder Greimas „parcours“ in

einem statischen „carré sémiotique“ (vgl. Wildgen, 2010b, Kap. 11) werden der räumlichen und

dynamischen Komplexität des Action-Films nicht gerecht. Es ist notwendig, dass raum- und dynamik-

orientierte Kategorien zur Analyse herangezogen werden. Diese verweisen aber letztlich auf die

naturwissenschaftliche Dynamik und deren mathematische Modelle, z.B. auf die Theorie

dynamischer Systeme (vgl. Wildgen, 2005).

Methoden der Diskursforschung im Hinblick auf die Semiotik Die Diskursforschung lässt sich grob in eine engere und eine weitere unterscheiden:

Die engere geht im Sinne von Harris (1952) zuerst über den Satz hinaus und untersucht

Texte, Dialoge d.h. größere sprachliche Gebilde möglicherweise mit mehreren

Akteuren/Sprechern und die Kontexte, in die diese eingebettet sind. In einer ersten

Erweiterung können auch andere Zeichenformen, z.B. visuelle, musikalische auf einer

komplexen Ebene, jenseits des Einzelbildes, des einzelnen Gebäudes, der vestimentären

Gestalt, oder des einzelnen Liedes, eines Ton-Satzes als Texte untersucht werden. Der Begriff

des Texts wird damit zweidimensional auf eine Textur, dreidimensional auf die komplexe

Organisation im Raum (etwa von Architektur in einer Stadt) oder der Zeit (im Film; siehe

Beispiel 3) erweitert.

Die weitere Diskursanalyse dehnt die Kontexte auf Institutionen, Gesellschaften, historische

Zeiträume, usw. aus. Dabei dienen die Arbeiten von Foucault als Orientierung. Da auch die

Diskursforschung, Gegenstand der Diskursanalyse im weiten Sinn sein kann, ist diese

13

Forschung selbstreferentiell. Daraus wird teilweise gefolgert, dass eine standardisierte

Methode als Diskursfestlegung und –einschränkung; d.h. als Machtinstrument funktioniert

und abzulehnen ist. Foucaults Diktum „ni méthode, ni approche“ bringt dies auf den Punkt

(vgl. Bröckling und Krasmann, 2010 und Foucault, 2003). Ähnliches gilt für die kritische

Diskursforschung, die sich selbst als politisch und somit in den politischen Diskurs eingreifend

versteht und sich nicht etablierte Methodenstandards unterwerfen möchte. Sie setzt sich

damit aber verschiedenen Vorwürfen aus: Sie habe eine Tendenz zur Selbstimmunisierung,

d.h. sie reproduziere nur eigene Voreinstellungen, die nicht an der Erfahrung korrigierbar

seien (Bröckling & Krasmann, 2010: 39). Die englisch-sprachige “discourse analysis” ist

linguistisch-soziologisch ausgerichtet. So geben Jørgensen und Phillips (2004: 1) die folgende

vorläufige Definition: ”discourse as a particular way of talking about and understanding the

world (or an aspect of the world)”. Jenseits von Sprache sind auch soziale Handlungen

(Praktiken) und Wissensbestände Gegenstand der “discourse analysis”.

Die engere Diskursforschung wirft im Grunde die gleichen Methodenfragen auf, wie die Semiotik

(siehe oben). Bei der weiteren stellen sich wegen ihrer Selbstreferentialität neue

Methodenprobleme ein. Foucault (2003: 239) empfiehlt eine „aufsteigende Analyse“, die von

Mikro-Praktiken, lokalen Rationalitätskonstrukten ausgeht und schließlich zu globalen Konstrukten

(Beispiele: Staat, Neoliberalismus) fortschreitet (vgl. Bröckling & Krasmann, 2010: 25f). Es scheint

vernünftig, sowohl im Zeichenverhalten als im Diskurs davon auszugehen, dass globale (kulturelle,

ökonomische und politische) Kontexte im Mikrobereich nur eine begrenzte Wirkung haben.

Alkemeyer & Villa (2010: 327) sprechen von einer „prinzipiellen Unverfügbarkeit des Körpers gerade

in den Sozialisiations-, Bildungs- und Subjektivationsprozessen“; dem Körper werden schon frühzeitig

Kommunikations- und Zeichenpraktiken eingeschrieben (etwa im Erst-Sprachen-Erwerb und in der

visuellen Sozialisation), die nur begrenzt revidierbar, manipulierbar sind. Semiotisch oder linguistisch

betrachtet kann man sagen, dass der Staat, das Kollektiv nur einen begrenzten Einfluss auf die

Zeichensysteme im Alltag, im Privatbereich hat. In der Konsequenz lassen sich Zeichenprozesse und

Diskurse in diesem Bereich, z.B. in der privaten face-to-face-Kommunikation relativ ideologie- und

politikfrei untersuchen. Die Einflüsse des Staates etwa sind auf lexikalische Teilfelder begrenzt und

auch nur unter dem extremen Druck einer staatlichen Propaganda und Repression (vgl. zur Sprache

in Nazi-Deutschland Klemperer, 1986 und zum Schulddiskurs der Nachkriegszeit Kämper 2007)

ausdehnbar. Die grundlegende, etwa die morphologische und syntaktische Organisation bleibt davon

weitgehend unberührt; dies ist auch in der Bildkommunikation und noch stärker in der Musik

anzunehmen. Insofern können auch allgemeine Methoden, welche die etablierten

Rationalitätsstandards verwenden, zur Anwendung kommen. In einer aufsteigenden Analyse können

schließlich jene Bereiche thematisiert werden, in denen die Zeichenprozesse und Diskurse von

ökonomischen und politischen Interventionen betroffen sind (vom „symbolischen Markt“ nach

Bourdieu). Dies bedeutet nicht unmittelbar, dass sie manipuliert werden, denn die Politik wird von

Foucault durchaus als „produktive Macht“ verstanden, insofern die Gesamtgesellschaft und die

Politik den Diskurs und die verfügbaren Zeichensysteme/Medien gestalten.17 Dies geschieht

besonders durch ihre Bildungs- und Medienpolitik. In dieser Wirkung können sie ebenso wie

alltägliche Diskurse zum Gegenstand eine qualitativen (und quantitativen) Analyse werden, die

methodisch organisiert ist. Selbstreferentielle kritische Rückbezüge werden dadurch nicht

ausgeschlossen; im Gegenteil sie haben erst dann, wenn überprüfbare Analysen vorliegen, einen

17 Er steht damit in der Tradition des Marxismus, wo Diskursives, Semiotisches als „Überbau“ des ökonomischen und politischen Handelns verstanden wird; vgl. Arendt, 2012: 41f.

14

brauchbaren Ansatzpunkt (vgl. die Nutzung der deskriptiven englischen Sozialforschung durch Marx

bei der Verfassung des „Kapitals“).

Grenzen der semiotischen Methoden Die Grenzen der semiotischen Methodik sind verschieden für die Aspekte des Zeichens:

Zeichenform/Signifikant > Bedeutung/Referenz. Die induktive Methode hat in erster Linie Zugang zu

den Zeichenformen, diese können in Korpora gesammelt werden, einer Klassifikation unterworfen

und statistisch oder strukturell ausgewertet werden. In den vorherigen Abschnitten wurden auch

Korpora von Bedeutungszuweisungen /Interpretationen als Teil einer induktiven Strategie diskutiert.

Diese kommen in erster Linie subjektiv, d.h. aus der Perspektive des Befragten und im Verhältnis zum

Kontext zu Stande. Im Falle einer guten intersubjektiven Übereinstimmung (d.h. bei starker

Korrelation der Urteile) entsteht aber einer Art von Objektivität der Bedeutungszuweisungen, die als

empirische Basis dienen kann. Die Bedeutungsproblematik bleibt aber, wie die philosophische

Diskussion dazu zeigt, ein Problem. Man kann sich z.B. folgende skeptische Fragen stellen:

Gibt es die Bedeutungen überhaupt und wenn ja, welchen ontologischen Status haben sie?18

Sind Bedeutungen ganz oder zumindest teilweise naturalisierbar, z.B. auf Gehirnzustände

zurückzuführen, oder gar auf den Gebrauch reduzierbar? Dies hat z.B. der

Distributionalismus angenommen (vgl. Wildgen, 2010b: Kap. 8).

Ist der Bedeutungsbegriff jenseits der Sprache nicht-metaphorisch verwendbar, z.B. bei

visuellen, musikalischen, motorischen, olfaktorischen und anderen Zeichen?

Es ist außerdem noch zwischen Bedeutung und Referenz zu trennen, denn Bloomfield argumentiert

nur gegen eine vollständige Erfassbarkeit der Referenz, die nach ihm eine vollkommene

wissenschaftliche Beherrschung der Welt voraussetzen würde, was nicht möglich ist. Man kann

allerdings Referenz auf Diskursuniversen relativieren, muss dann aber auch diesen Begriff empirisch

absichern; z.B. kann man eine alltagsweltliche, grobe Ebene der sozial geteilten Wahrnehmung der

Umwelt als Referenzfeld benennen.19 Die Bedeutung als innerpsychisches Phänomen ließe sich

psychologisch oder neurologisch mit empirischen Methoden erfassen (nicht ohne weitere Probleme

auszuwerfen), aber für Zeichensysteme ist wesentlich, dass die Bedeutungen geteilt, sozial

zugänglich sind. Dieser Aspekt ist soziologisch anvisiert worden, bei Durkheim in der Form der

„représentations collectives“, im Symbolischen Interaktionismus Parsons als symbolisches Konstrukt

in einer Gemeinschaft, bei Garfinkel als alltagsweltliche Konstrukte der Interaktionsteilnehmer.

Semiotische Systeme

18 Für Peirce ist alles Zeichen, so dass eine zeichenunabhängige Ontologie negiert wird; sie ist wie bei Kants „Ding an sich“ jenseits menschlicher Erkenntnis anzusiedeln. René Thoms Prägnanztheorie geht dagegen von der Existenz von physiologisch fixierten Wahrnehmungsfenstern (Salienzen) und biologisch-evolutionär begründeten Relevanzprofilen (prégnances) aus, welche vorsemiotisch eine Basisontologie fundieren, aus der sich zeicheninduzierte Formen entfalten können; vgl. zur „Prägnanz“ die Beiträge in: Wildgen und Plümacher (2009). 19 Peirce würde einwenden, dass diese Welt zeichenkonstituiert ist. Sie ist somit ständig durch Zeichenprozesse modifizierbar und es besteht die Gefahr einer zirkulären Argumentation. Allerdings zeigt sein Begriff des dynamischen Objekts, dass in der Tendenz die soziale Konstitution der Umwelt die lebenswichtigen Aspekte korrekt abbildet, so dass sich eine halbwegs stabile Basis für die Kommunikation mittels Zeichen ergibt.

15

Die Analyse eines größeren, stark elaborierten semiotischen Phänomenbereiches (z.B. der Sprache,

der Religion, der Kunst, der Wissenschaft usw.) erlaubt oder fordert gar, das zu Grunde liegende

System zu suchen. Dabei werden Regularitäten, verallgemeinerbare Muster, man nenne sie Regeln,

Konstruktionen oder anders, hypothetisch festgehalten. Dies führt zu Konstrukten wie Paradigmen

(deskriptive Grammatik), Oppositionslisten (Saussure, Jakobson), Regeln und Prinzipien (Chomsky),

Netzwerken (konnexionistische Modelle) usw. Die Frage stellt sich, welche methodische Strategie

von den Einzelbeobachtungen zum System führt und wie dieses dann zu rechtfertigen, zu bewerten

ist. Es gibt verschiedene Wege, auf denen die Einzelergebnisse zu einem Gesamtbild

zusammengefügt werden können:

a) Die einzelnen Vorkommnisse, die nach einem Kriterium vergleichbar (identisch) sind, können

in einer Tafel oder Tabelle geordnet werden. Das klassische Vorbild einer sehr erfolgreichen

Tafel stellt die Periodentafel der Chemie dar, die im 19. Jh. vorgeschlagen, dann erfolgreich

erweitert wurde und (mit Modifikationen in der Interpretation) immer noch benützt und

weiter ausgebaut wird. Es wird dabei vorausgesetzt, dass das System aus diskreten „Plätzen“

besteht (diese Annahme wurde durch die Vermehrung der Anzahl entdeckter Isotope

relativiert), dass es endlich viele Plätze gibt, dass sich Ordnungsmuster wiederholen (so in

den Zeilen des periodischen Systems). Schließlich wird das System entscheidend bestätigt,

wenn Lücken im System gefüllt werden können, d.h. das System macht Voraussagen über

noch nicht bekannte oder nachgewiesene chemische Elemente. Die im Prager

Strukturalismus vorgeschlagenen phonologischen Systeme sind Konstrukte dieses Typs,

allerdings immer nur für eine Sprache. Die Prognosefunktion könnte den Sprachwandel

betreffen; dieser ist aber zusätzlich von vielen externen Faktoren abhängig. Die Tabellen und

Paradigmen in der Linguistik haben also eher eine klassifikatorischen als einen

prognostischen Charakter.

Es muss aber auch eine Erklärung für diese „schöne“ Ordnung geben; diese wurde im Fall der

Periodentafel von der Quantenphysik geliefert; im Fall der phonologischen Systeme sind

Selbstorganisationsprozesse mit Optimierungstendenzen eine mögliche Erklärung (vgl.

Wildgen und Mottron, 1987 und Wildgen, 1998b). Man kann aber nicht bei allen

Phänomenen davon ausgehen, dass Systemeigenschaften mit der im periodischen System

vorfindlichen Stringenz gegeben sind. Semiotische Systeme weisen eine große Toleranz

gegenüber Ambiguitäten, Missverständnissen usw. auf, d.h. sie funktionieren selbst sub-

optimal noch so gut, dass sie im Gebrauch bleiben. Immerhin unterliegen sie

Ökonomierestriktionen, da die Gedächtnisressourcen begrenzt sind und auch der Zeitrahmen

für eine Verständigung in vielen Fällen sehr eng ist (z.B. wenn Entscheidungen zu treffen

sind). Man kann in dieser Hinsicht zumindest in Teilbereichen Systemeigenschaften erwarten.

Sie generell zu postulieren, wie dies teilweise im Strukturalismus geschah („un système où

tout se tient“, Meillet, de Saussure), wäre aber ein Fehler.

b) Im Bereich jenseits der Phonologie, also dort wo Bedeutungen nicht nur unterschieden

sondern zum Ausdruck gebracht werden sollen, ist die Konstruktion von Systemen schwierig.

Immerhin wurden seit den 20er Jahren des 20. Jh. Feldmodelle der lexikalischen Bedeutung

vorgeschlagen. Dabei muss allerdings gefragt werden, ob die Ordnung nicht bereits im

Referenzbereich oder im gattungsspezifischen Körper gegeben ist, z.B. bei den Farben als

Skala der elektromagnetischen Frequenzen bzw. als physiologisches Profil bei der

16

Farbwahrnehmung (vgl. Wildgen, 2008: Kap. 2). In diesem Fall wäre das System nicht ein

genuin semiotisches.20

c) Bei größeren Verhaltenseinheiten (Wortstrukturen, Sätzen, Texten, Diskursen) gibt es

Formen der sozio-kommunikativen Konvergenz oder Divergenz, welche den „habitus“

(Bourdieu), das Gebrauchsprofil (Wittgenstein) oder das Regelsystem (quasi-juristisch)

sichtbar werden lassen und deshalb eine Systemkonstruktion rechtfertigen (aussichtsreich

machen). In der Kunst sind es Stilwechsel, in der Religion Umbrüche (mit Gründungsfiguren

wie Moses, Buddha, Christus, Mohammed assoziiert), in der Mode die Modesaison, welche

für die Abschaffung eines Systems und eine neue Systemkonstruktion verantwortlich sind.

Die unbewusste Selbstorganisation (hidden hand) wird besonders bei entwickelten Kulturen

mit „Kulturspezialisten“ durch rationale Momente ergänzt, d.h. die Veränderungen werden

im Bewusstsein repräsentiert, durch die Reflexion auf Bestehendes, Mögliches geplant und in

Prozessen der Überzeugungsarbeit oder Missionierung (durch Nachahmung,

Predigt/Belehrung oder Gewalt) durchgesetzt. Man sollte allerdings die Macht der

Kontextbedingungen, die durch wirtschaftliche, geographische und andere natürliche

Prozesse bestimmt sind und die vorbewusst den Entwicklungsgang kanalisieren, nicht

unterschätzen.

Fazit Die Semiotik überdacht den Diskurs, insofern sie generell das Symbolverhalten des Menschen

thematisiert und zwar in den unterschiedlichen Symbolformen (Sprache, Mythos, Kunst,

Wissenschaft, Recht usw.). Die Text-/Textur-Manifestationen sind komplexe Symbolorganisationen:

Diskurse sind deren Einbettung in soziales Handeln und institutionelle Praktiken (Foucault). In der

Konsequenz sind auch Diskurse ohne Sprache oder mit Sprache als begleitendem Anteil ins Auge zu

fassen. Bei dieser Überschreitung des Bereiches der klassischen Grammatik und Rhetorik wird die

Semiotik mit ihren Konzepten und Instrumentarien zur notwendigen Stütze. Allerdings ist sie jenseits

der klassischen Zeichendefinitionen und –klassifikation bei Peirce und Saussure weiter zu entwickeln,

wobei philosophisch die Kultur- und Symboltheorie Cassirers eine gute Basis darstellt; formal muss

sie über die Logik hinausgehen und moderne Zweige der Mathematik, etwa die qualitative Dynamik

(Morphodynamik) von Thom, die Chaostheorie und fraktale Geometrie (Mandelbrot) sowie die

Selbstorganisationstheorie im Kontext der Synergetik (Haken-Kelso-Bunz-Modell)21 als mögliche

Theoriehintergründe nützen. Die Diskussion der induktiven bis abduktiven Methoden hat zu

folgenden Einsichten geführt:

1. Die Methoden der Semiotik schöpfen aus einem interdisziplinären Reservoir von den Kunst- und

Sozialwissenschaften bis zur Biologie/Physik. Die Kompatibilität der Methoden muss allerdings

gesichert werden. In vielen Fällen ist eine multi-methodische Triangulation erforderlich.

20 Aus psycholinguistischer Perspektive ergeben sich ebenfalls Zweifel an der Relevanz statischer Bedeutungs-zuweisungen, die durch eine Abbildung in formale Sprachen der Logik rekonstruierbar sind. Scott-Kelso und Rączaszek-Leonardi (2008) folgern aus ihrer Analyse: “The main consequence of such a dynamic view for the theory of meaning is that instead of trying to formalize meaning in yet another symbol system, one should look for dynamical processes underlying the formation of symbolic forms, and in turn, how dynamical processes are constrained by symbol use.” 21 Das seit 1985 entwickelte Modell kombiniert mathematische Ansätze der Synergetik (Haken) mit experimentalpsychologischen Studien von Scott Kelso und anderen. Es befasst sich hauptsächliche mit komplexen Bewegungskoordinationen. Siehe:http://www.scholarpedia.org/article/Haken-Kelso-Bunz_model

17

2. Deduktive Strategien bestimmen und beschränken häufig die Basiskonzepte und Fragestellungen

und damit die Auswahl der Methode. Dies kann vorübergehend hilfreich sein, längerfristig

bedeutet es aber eine Einschränkung, gar Bevormundung. Die Mathematisierung eröffnet aber

auch Möglichkeiten der automatischen Bild- und Filmanalyse, die das „data-mining“ in großen

Korpora erst möglich machen.

3. Aspekte der Genese (evolutionär, historisch, ontogenetisch und aktualgenetisch) sind entgegen

dem Verdikt gegen die Diachronie im Strukturalismus anhand von stärker dynamischen und

kontextbezogenen Methoden ins Zentrum der Semiotik zu rücken. Dieser Aspekt ist aber wie die

Geschichtswissenschaft und Archäologie zeigen, nur schwerlich einer überwiegend

beobachtenden oder gar experimentellen Kontrolle zugänglich und fußt auf plausiblen, mit den

verfügbaren Daten kompatiblen Rekonstruktionen.

4. In der visuellen Semiotik (Bild, Film, Architektur, Bekleidung, Design usw.) sind raum- und

bewegungsbezogene Konzeptualisierungen und entsprechende Methoden notwendig und

zentral. Dies erfordert eine methodische Innovation und Begriffssysteme, die sich an Modellen

der dynamischen Systemtheorie orientieren.

5. Die Selbstreferentialität der kritischen Diskursforschung verlangt nach flexiblen

Forschungsstrategien (Foucault: „ni méthode , ni approche“); allerdings betrifft sie nur einen

kleinen, bewusstseinszugänglichen Anteil der Diskurse im weiten Sinn.

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18

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