Externe Kosten des Agglomerationsverkehrs und Internalisierung

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Externe Kosten des Agglomerationsverkehrs und Internalisierung RENÉ NEUENSCHWANDER, HEINI SOMMER, STEFAN SUTER und FELIX WALTER* 1. EINLEITUNG Umweltbelastung des Verkehrs und Gegenmassnahmen: Ein Thema, das heute zu politi- schen Diskussionen Anlass gibt. Die Luftreinhalteverordnung des Bundes ist Grund für vielerlei Massnahmenvorschläge, und in Zukunft wird die Lärmschutzverordnung eine ähnliche Rolle spielen. Besteht aus ökonomischer Sicht tatsächlich ein verkehrspoliti- scher Handlungsbedarf? Oder anders gefragt: Verursacht der Verkehr in relevantem Mass Kosten, welche nicht von ihm gedeckt werden? Und wenn ja: Mit welchen Massnahmen könnten aus ökonomischer Sicht diese externen Kosten dem Verkehr angelastet werden? Mit diesen Fragen befasst sich unsere Fallstudie für die Agglomeration Bern (ECOPLAN, 1992a und 1992b). 1 Es ist bekannt, dass externe Kosten auftreten, sobald die Aktivität eines Wirtschafts- subjektes (in unserem Fall eines Verkehrsteilnehmers) den Nutzen oder die Produktions- möglichkeiten eines andern Wirtschaftssubjektes (in unserem Fall z.B. eines Anwohners einer vielbefahrenen Strasse) reduziert, ohne dass dies durch den Preismechanismus erfasst wird. Die so definierten externen Kosten sind technologische externe Kosten. Im Gegensatz dazu handelt es sich boi pekuniären Externalitäten um Aktivitäten von Wirt- schaftssubjekten, welche über eine Änderung der Preisrclation das Nutzenniveau Dritter verändern. Die Verkehrsteilnehmer verursachen fast ausschliesslich negative externe Effekte. Technologischer externer Nutzen entsteht dagegen höchstens in vernachlässig- barem Ausmass (vgl. ECOPLAN 1992c). Im 2. Abschnitt zeigen wir, welche Arbeitsschritte bei der Berechnung der externen Kosten durchlaufen werden müssten. Mit Hilfe eines 4-Quadranten-Diagramms lassen sich die einzelnen Punkte anschaulich darstellen. Anschliessend stellen wir die Ergebnisse unserer Berechnungen für die Agglomeration Bern vor. Mögliche Internalisierungsstra- tegien sind das Thema von Abschnitt 3. Dabei stehen Strategien auf Agglomerationsebene im Vordergrund. Diese sind als Ergänzung zu nationalen (oder sogar internationalen) * ECOPLAN, Seidenweg 63, CH-3012 Bern. 1. Wir bedanken uns für die Finanzierung der Studie durch den Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen des Nationalfondsprogramms 25 "Stadt und Verkehr". Schweiz. Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik 1992, Vol. 128 (3), 437-451

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Externe Kosten des Agglomerationsverkehrs und Internalisierung

RENÉ NEUENSCHWANDER, HEINI SOMMER, STEFAN SUTER und FELIX WALTER*

1. EINLEITUNG

Umweltbelastung des Verkehrs und Gegenmassnahmen: Ein Thema, das heute zu politi­schen Diskussionen Anlass gibt. Die Luftreinhalteverordnung des Bundes ist Grund für vielerlei Massnahmenvorschläge, und in Zukunft wird die Lärmschutzverordnung eine ähnliche Rolle spielen. Besteht aus ökonomischer Sicht tatsächlich ein verkehrspoliti­scher Handlungsbedarf? Oder anders gefragt: Verursacht der Verkehr in relevantem Mass Kosten, welche nicht von ihm gedeckt werden? Und wenn ja: Mit welchen Massnahmen könnten aus ökonomischer Sicht diese externen Kosten dem Verkehr angelastet werden? Mit diesen Fragen befasst sich unsere Fallstudie für die Agglomeration Bern (ECOPLAN,

1992a und 1992b).1

Es ist bekannt, dass externe Kosten auftreten, sobald die Aktivität eines Wirtschafts­subjektes (in unserem Fall eines Verkehrsteilnehmers) den Nutzen oder die Produktions­möglichkeiten eines andern Wirtschaftssubjektes (in unserem Fall z.B. eines Anwohners einer vielbefahrenen Strasse) reduziert, ohne dass dies durch den Preismechanismus erfasst wird. Die so definierten externen Kosten sind technologische externe Kosten. Im Gegensatz dazu handelt es sich boi pekuniären Externalitäten um Aktivitäten von Wirt­schaftssubjekten, welche über eine Änderung der Preisrclation das Nutzenniveau Dritter verändern. Die Verkehrsteilnehmer verursachen fast ausschliesslich negative externe Effekte. Technologischer externer Nutzen entsteht dagegen höchstens in vernachlässig­barem Ausmass (vgl. ECOPLAN 1992c).

Im 2. Abschnitt zeigen wir, welche Arbeitsschritte bei der Berechnung der externen Kosten durchlaufen werden müssten. Mit Hilfe eines 4-Quadranten-Diagramms lassen sich die einzelnen Punkte anschaulich darstellen. Anschliessend stellen wir die Ergebnisse unserer Berechnungen für die Agglomeration Bern vor. Mögliche Internalisierungsstra-tegien sind das Thema von Abschnitt 3. Dabei stehen Strategien auf Agglomerationsebene im Vordergrund. Diese sind als Ergänzung zu nationalen (oder sogar internationalen)

* ECOPLAN, Seidenweg 63, CH-3012 Bern.

1. Wir bedanken uns für die Finanzierung der Studie durch den Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen des Nationalfondsprogramms 25 "Stadt und Verkehr".

Schweiz. Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik 1992, Vol. 128 (3), 437-451

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Massnahmen zu verstehen. Im 4. Abschnitt fassen wir die Ergebnisse zusammen und ziehen Schlussfolgerungen.

2. EXTERNE KOSTEN DES AGGLOMERATIONS VERKEHRS

2.1 Methodik zur Berechnung der externen Kosten

Mit Hilfe eines 4-Quadranten-Diagramms (Abbildung 1) soll das idealtypische Vorgehen bei der Berechnung der externen Kosten erläutert werden. Mit diesem Prinzipschema lässt sich eine komparativ-statische Analyse der externen Kosten vornehmen. Weitergehende Überlegungen, insbesondere die Darstellung dynamischer Optimierungsprozesse, sind nur sehr beschränkt möglich. Die eingezeichneten Kurvenverläufe sind hypothetischer

Abbildung 1

Fr.

Zahlungsbereitschaft

Schadens- \ Vermeidungskosten kosten \ \ /

Externe \ Grenz­kosten K^ (Minimal ^ * kosten-kombi-nation)

Umwelt- Q° qualität > •

\y Ä ^ ^

Q*

/ Q(E) g 1 Transmissions- g

funktion *s

i

N

l Nachfrage N(Z)

P* "^y*

\ V*

E* _ \

Eo

externe Grenzkosten pro Fahrzeug-km

\ Verkehrsmenge \ (Fahrzeug-km)

Vo

\ Ej (V) \ Emissions­

funktion

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Natur. Sie variieren je nach externem Kostenbereich (z.B. Luft- oder Lärmbelastung) und dienen an dieser Stelle nur der Verdeutlichung allgemeintheoretischer Überlegungen.

Der rechte obere Quadrant zeigt die Verkehrsnachfrage N als Funktion des Umweltzu­schlags Z. Auf der horizontalen Achse ist die Verkehrsmenge (in Fahrzeugkilometern), auf der vertikalen Achse der Umweltzuschlag (in Fr.) abgetragen. Ohne Umweltzuschlag beträgt die aktuelle Verkehrsmenge Vo. Vo ist exogen gegeben, d.h. es werden keine weiteren Bestimmungsgründe für die Verkehrsnachfrage betrachtet. Würden beispiels­weise tiefere Tempolimiten eingeführt, würde sich N(Z) nach links verschieben.

Der rechte untere Quadrant zeigt, zu welchen Emissionen die Verkehrsmenge Vo führt. Die Masseinheit wird durch die jeweils betrachteten Emissionen bestimmt, also z.B. Tonnen NOx pro Jahr. Je emissionsärmer die verwendeten Technologien sind, desto steiler verläuft die Emissionsfunktion Ej(V). In der komparativ-statischen Betrachtungs­weise von Abbildung 1 ist der Technologiemix j exogen vorgegeben (z.B. der Anteil der Personenwagen mit Katalysator und das Temporegime).

Der linke untere Quadrant hat die Transmission der Emissionen zu einem bestimmten Umweltqualitätszustand Q zum Thema. Die Transmissionsfunktion Q(E) ist abhängig von der geographischen und klimatischen Lage. Je nach externem Kostenbereich ergibt sich auch ein unterschiedlicher Verlauf dieser Funktion. Bei der Luftbelastung scheint ein linearer Verlauf plausibel. Bei der Lärmbelastung hingegen ist - wie eingezeichnet -mit einem S-förmigen Verlauf zu rechnen.

Der linke obere Quadrant stellt den "Umweltmarkt" dar. Die Frage lautet, welche Folgekosten eine bestimmte Umweltbelastung erzeugt. Damit rücken Bewertungsfragen ins Zentrum des Interesses. Bevor wir auf diese eingehen, soll das 4-Quadranten-Dia-gramm zu Ende geführt werden: Die externen Grenzkosten der Umweltbelastung werden auf den Verkehrsmarkt übertragen, indem sie nicht mehr pro Schadstoff- bzw. Umwelt­qualitätseinheit, sondern pro Verkehrseinheit ausgewiesen werden. Durch einen optima­len Abgabesatz P ergäbe sich die optimale Verkehrsmenge V .

Im folgenden gehen wir ausführlicher auf die Frage der Bewertung der externen Grenzkosten ein. Wir konzentrieren uns dabei auf zwei Fragen: In welchem Verhältnis stehen die verschiedenen Methoden der Bewertung externer Kosten zueinander? Gibt es einen minimalen externen Grenzkostenverlauf? Zur Bewertung der externen Kosten stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, welche je nach Autor unterschiedlich gegliedert werden (vgl. z.B. PEARCE/MARKANDYA 1989,POMMEREHNE 1987). Wir schlagen die in Abbildung 2 wiedergegebene Gliederung vor (siehe nächstfolgende Seite).

Die Zahlungsbercitschaft kann direkt mit Hilfe von Befragungen (contingent valua­tion) oder indirekt über die Beobachtung von Märkten ermittelt werden, welche von der Umweltqualität becinflusst werden (hedonic regression, Aufwandmelhode). In der theo­retischen Analyse besitzen diese Bewertungsansätze verschiedene Vorteile. Insbesondere können nur mit dem Zahlungsbereitschaftsansatz die Präferenzen für eine Verbesserung der Umweltqualität explizit berücksichtigt werden. In der empirischen Anwendung ist dieser Ansatz aber mit verschiedenen z.T. schwerwiegenden Problemen verbunden (vgl. ITEN 1990, Kap. 2).Der direkte Zahlungsbereitschaftsansatz ist beispielsweise an folgen-

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Abbildung 2

Ansätze zur Bewertung externer Kosten

Zahlungsbereitschaft

direkt

Schadensbewertung

indirekt

Vermeidung

direkt

i

indirekt

(Befragung) (beeinflusste (Wertverlust) (Reparatur) Märkte)

(aktiv)

(ander Quelle)

passiv

(beim Geschädigt ten)

de Voraussetzungen gebunden: Voll informierte Individuen, Präferenzen zukünftiger Generationen werden berücksichtigt, kein strategisches Verhalten (Trittbrettfahren), Be­rücksichtigung der Budgetrestriktion. In der empirischen Arbeit steht zudem häufig das Problem im Vordergrund, dass mit einem Ansatz nicht alle Kostenbereiche (z.B. für die Luftbelastung: Gesundheitsschäden, Wohnqualität, Luftqualität auf dem Arbeitsweg, Vegetationsschäden, Gebäudeschäden usw.) erfasst werden können. Aus diesen Gründen ist es sinnvoll, neben dem Zahlungsbereitschaftsansatz auch den Schadensbewertungsan­satz und den Vermeidungskostenansatz zur Schätzung der externen Kosten zu benützen.

Es gibt aber auch ein theoretisches Argument zur Verwendung verschiedener Bewer­tungsmethoden. Um dies deutlich zu machen, müssen der Umwelt- und Verkehrsmarkt einzeln, aber in ihrem Zusammenhang dargestellt werden. Viele klassische Darstellungen zeigen nur die Optimierung auf dem Um weitmarkt im Schnittpunkt von Grenzschadens­kosten- und Vermeidungskostenkurve, wobei häufig nicht klar ist, welche Bewertungsan­sätze diesen Kurven zugrunde liegen. Damit die den Kostenfunktionen zugrunde lie­genden Strategien auf dem Umweltmarkt (passives Vermeiden, Reparatur der Schäden, Hinnahme der Belastung) und dem Verkehrsmarkt (Verkehrsverzicht, Technologie, Temporegime) gleichzeitig und in ihren Abhängigkeiten dargestellt werden können, muss auf ein 4-Quadranten-Diagramm zurückgegriffen werden. Damit lässt sich z.B. zeigen, dass auf dem Umweltmarkt unabhängig vom Verkehrsmarkt eine Optimierung erfolgen kann. Angenommen, die Anwohner einer lärmbelasteten Strasse bauen freiwillig Lärm­schutzfenster ein. Solange die Kosten dafür oder für andere passive Vermeidungsmass-nahmen geringer sind als die Zahlungsbereitschaft für die damit verbundene Abnahme der Lärmbelastung, müsste erwartet werden, dass diese Massnahmen freiwillig ergriffen werden. Dies ist aus verschiedenen Gründen (administrierter Wohnungsmarkt, Trittbrett-

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fahrer-Problematik beim öffentlichen Gut Ruhe) häufig nicht der Fall. Das Beispiel zeigt, dass es offensichtlich möglich ist, dass bei einer bestimmten Lärmbelastung (z.B. Qo in Abbildung 1) die passiven Grenzvermeidungskosten unter der marginalen Zahlungsbe­reitschaft liegen. Was bedeutet dies für die externe Grenzkostenkurve? Sie entspricht der Minimalkostenkombination von marginaler Zahlungsbereitschafts- und marginaler Ver­meidungskostenkurve: Wenn die Kosten zur Reduktion der Lärmbelastung mit Vermei-dungsmassnahmen geringer sind als die Zahlungsbereitschaft für eine solche Reduktion, dann kann nicht die mit dieser Massnahme verbundene Konsumentenrente (Differenz zwischen marginaler Zahlungsbereitschaft und marginalen Vermeidungskosten) zu den externen Kosten dazugezählt werden. Mit derselben Argumentation kann die marginale Schadenskostenkurve in den Umweltmarkt integriert werden. Somit entsprechen die externen Kosten der Räche unter der (dick gezeichneten) minimalen Grenzkostenkurve. Das Beispiel zeigt, dass es zu einer systematischen Überschätzung der externen Kosten kommen kann, wenn diese z.B. zwischen der Ausgangslage Qo und dem Optimum Q als Fläche unter der marginalen Zahlungsbereitschaftskurve ermittelt werden, da in diesem Bereich günstigere Varianten (z.B. passive Vermeidung) bestünden. Diese Überlegung führt uns zu einem weiteren Punkt: Offensichtlich besteht sowohl auf dem Verkehrsmarkt wie auf dem Umweltmarkt ein Optimierungsbedarf. Auf dem Verkehrsmarkt führt der Schnittpunkt zwischen minimalen externen Grenzkosten pro Fahrleistungseinheit und der Nachfragekurve N(Z) zum theoretischen Optimum, in Abbildung 1 dargestellt durch die beiden Punkte P und V . In der statischen Betrachtung des 4-Quadran ten-Diagram ms führt dies zu einer Umweltqualität von Q . Sofern nun bei Q die marginalen Vermei­dungskosten unter der marginalen Zahlungsbereitschaft liegen, was beispielsweise beim Lärm der Fall sein könnte, wären auf dem Umweltmarkt zusätzliche Vermeidungs-massnahmen sinnvoll. Eine Pigou-Abgabe auf dem Verkehrsmarkt muss also nicht unbedingt gleichzeitig auch den Umweltmarkt ins Gleichgewicht bringen.

Damit der im 4-Quadranten-Diagramm dargestellte ideale Weg zur Bestimmung externer Kosten beschritten werden kann, sind häufig die Datengrundlagen zuwenig gut. Trotzdem ist es zur Verdeutlichung der Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Bewertungsansätzen und als Denkmodell hilfreich. Auf verschiedene weitere theoreti­sche Fragen (z.B. räumliche und zeitliche Aggregation der Funktionen) soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.

2.2 Das Vorgehen nach Kostenbereichen im Überblick

Im empirischen Teil der Studie waren im Vergleich zum gezeigten idealtypischen Vorgehen wesentliche Vereinfachungen nötig. Nicht alle externen Kosten, die der Ver­kehr verursacht, können tatsächlich monetarisiert werden. Wir beschränken uns auf die

2. Diese Kurve entspricht der oben besprochenen minimalen Grenzkostenkurve, wobei sie sich nicht auf die Lärm- oder die Luftbelastung bezieht, sondern auf Fahrzeugkilometer.

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sechs folgenden Bereiche: Luftverschmutzung, Lärmbelastung, Unfälle, Stau, Wegeko­sten und Treibhauseffekt. Bei den Berechnungen der externen Kosten in diesen sechs Bereichen betrachten wir nur die laufenden Belastungen. Schäden, welche erst in der langen Frist durch Akkumulation von Schadstoffen entstehen, können wir nicht monetär bewerten. Ausgenommen davon ist der Treibhauseffekt, dessen zukünftigen Auswirkun­gen schon heute so hoch eingeschätzt werden, dass eine Vernachlässigung nicht zu verantworten wäre. Andere mögliche intertemporale externe Effekte wurden vernachläs­sigt. Ebenfalls vernachlässigt wurden mögliche exteme Kosten in den Bereichen Abfälle, Erschütterungen, direkte Boden- und Gewässerbelastung oder intangible Kosten wie die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Indem wir diesen Teil der Schäden nicht bewer­ten, geben wir ihnen den impliziten Wert von null, was besonders unwahrscheinlich ist. Die Vernachlässigung dieser Kostenbereiche hat zur Folge, dass wir insgesamt nur eine Untergrenze der externen Kosten des Verkehrs schätzen.

Bei der empirischen Bestimmung der externen Kosten schätzt man in einem ersten Schritt meistens die Fläche unterhalb der marginalen Schadens-, Zahlungsbereitschafts-oder Vermeidungskostenkurve. Daraus lässt sich eine Bandbreite der gesamten externen Kosten herleiten. Für Internalisierungsstrategien sind aber die externen Grenzkosten relevant, also die externen Kosten eines zusätzlichen Fahrzeugkilometers. Aus datentech­nischen Gründen muss zur Bestimmung der externen Grenzkosten aber meist ein prag­matischer Ansatz gewählt werden: Das Prinzip der "average cost of the marginal plant" (vgl. JANSSON 1980). Die externen Grenzkosten entsprechen dem Verhältnis zwischen den externen Kosten einer unterstellten Verschlechterung der Umweltqualität und der diese Verschlechterung verursachenden Zunahme des Verkehrsaufkommens.

Es wurden durchwegs die Kosten des Verkehrs in der Region Bern berechnet (Verur­sacher- bzw. Emissionsprinzip), und nicht die Kosten, die in der Region Bern anfallen (Territorial- bzw. Immissionsprinzip). Diese Unterscheidung ist besonders beim Treib­hauseffekt und bei den Schäden der Luftverschmutzung wichtig. Generell wurden vor­sichtige Schätzungen und Annahmen getroffen, die tendenziell zu einer Unterschätzung führen. Für die einzelnen Kostenbereiche wurde folgendes Vorgehen gewählt:

Liftverschmutzung Schadensbewertung:

- Menschliche Gesundheit: Basierend auf einer statistischen Analyse (HEINZ/KLAAS-

SEN-MIELKE 1990) wurde die höhere Krankheitshäufigkeit und -dauer in belasteten Gebieten ermittelt und auf bernische Kostenverhältnisse angepasst.

- Gebäudeschäden: Die erhöhten Reinigungs- und Sanierungskosten (INFRAS 1986) wurden auf bernische Fassadenflächen umgerechnet.

- Ertragsausfälle in der Landwirtschaft: Die nachgewiesenen Ertragsausfälle aufgrund erhöhter Ozonkonzentrationen (FUHRER/LEHNHERR/STADELMANN 1989 und NÄF 1991) wurden von uns monetarisiert.

- Waldschäden: Die Schätzungen (teilweiser Verlust der Schutzfunktion sowie Ertrags­ausfälle, BASLER&PARTNER/HANSER&PARTNER 1986, ALWEGG 1989) wurden über­nommen (Mittelwert).

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- Schäden an Stadtbäumen: Es wurde eine Untersuchung der Stadtgärtnerei Bern herangezogen. Vernachlässigt werden mussten u.a. Schäden an historischen Bauten, ideelle und

ästhetische Funktionen der Pflanzen und Beeinträchtigungen der Lebensqualität ohne Arztbesuch. Der Verkehrsanteil an den Schäden wurde aufgrund von Emissionsmengen und Toxizitätsfaktoren nach Schadensbereichen getrennt ermittelt und liegt zwischen 38 und 45%.

Zahlungsbereitschaft: In einer Zürcher Studie (ITEN 1990) wurden Mietpreisdifferen­zen mit einer Reihe von Merkmalen (Unterschiede in der Lage, Grösse, Ausstattung usw. und auch in der Luftbelastung) statistisch erklärt (sog. Hedonic-Regression). Dadurch Hess sich die Zahlungsbcreitschaft für bessere Luft nach umfangreichen Anpassungen an die Einkommens -, Luft- und Wohnsituation auch für Bern ermitteln. Nicht berücksichtigt werden mit dieser Methode Vegetationsschäden abseits des Wohnortes.

Plausibler Wert und Grenzkosten: Beide Methoden vernachlässigen wichtige Bereiche und sind deshalb als Unlerschätzungen zu betrachten. Der höhere Wert (Zahlungsbereit­schaft) ist deshalb immer noch eine Untergrenze. Bei der Grenzkostenberechung wurden die Kosten auf jene Kilometerzahl umgelegt, die für die Ueberschreitung der Grenzwerte und damit für die Schäden verantwortlich ist.

Lärm Schadensbewerlung: Aus der Literatur (SCHULZ/WICKE 1987) konnten grobe Werte

für die Produktivitätsverminderung an lärmbelasteten Arbeitsplätzen ermittelt werden, wodurch allerdings die Belastung am Wohnort vernachlässigt wird.

Passive Vermeidungskosten: Die Kosten für Lärmschutzmassnahmen (Schallschutz­fenster) wurden einerseits aufgrund von Projekten der Stadt Bern, andererseits aufgrund einer Detailanalyse (BUSCH/KESSLER 1990) eines Strassenzuges hochgerechnet. Diese Methode berücksichtigt nur Lärm im Gebäudeinnern.

Zahlungsbereitschaft: Es wurde das gleiche Verfahren wie bei Luftbelastung ange­wandt (Mietzinsdifferenzen), womit Produktivitätsausfälle nicht erfasst werden.

Plausibler Wert und Grenzkosten: Da alle Methoden wie erwähnt eine Unterschätzung ergeben, ist auch der höchste Wert (Zahlungsbereitschaft) noch eine Untergrenze. Als Grenzkosten können aufgrund der räumlich sehr unterschiedlichen Lärmbelastung nur pragmatisch die Durchschnittskosten verwendet werden.

Unfälle Die Folgekosten der Verkehrsunfälle wurden unlängst für die Schweiz detailliert

untersucht (ECOPLAN 1991). Auch die polizeilich nicht erfassten Unfälle ("Dunkelziffer") wurden erhoben. Die bedeutendsten Komponenten sind: Produktionsausfälle der Opfer, immaterielle Kosten (subjektives Leid, ermittelt aufgrund von Genuugtungsleistungen der Gerichte), medizinische Heilkosten und Justizkosten. Extern sind jeweils nur jene Kosten, die nicht von den Unfallverursachern oder ihren Haftpflichtversicherungen getragen werden, sondern von den unschuldigen Opfern oder den allgemeinen Versiche­rungen, die das Verkehrsrisiko in den Prämien nicht berücksichtigen (z.B. Invalidenver-

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Sicherung, Krankenkassen). Rund ein Drittel der sozialen Kosten ist extern. Mit diesen Werten und den Berner Unfallstatistiken konnten die externen Kosten bestimmt werden. Die Unfälle sind in der Region Bern im Durchschnitt etwas weniger folgenschwer, umgekehrt sind die Durchschnittslöhne und damit die Produktionsausfälle etwas höher. Die Grenzkosten wurden den Durchschnittskosten gleichgesetzt.

Zeitkosten Der individuelle Zeitbedarf für eine Fahrt gehört zu den internen kosten. Im Stau

entstehen aber auch externe Kosten (vgl. z.B. WALTERS 1961): Wenn in einer stockenden Kolonne ein zusätzliches Fahrzeug hinzukommt, so verschlimmert es den Stau und vergrössert für alle übrigen Fahrzeuge den Zeitverlust. Mit Hilfe einer Staufunktion, geeicht mit Berner Daten, wurden für die Morgen- und die Abend-Stosszeiten die externen Grenzkosten berechnet und sodann mit relativ niedrigen Zeitkostensätzen (z.B. 9 Fr. pro Pendlerstunde) hochgerechnet. Staukosten im Umland wurden vernachlässigt.

Wegekosten Unter Wegekosten verstehen wir die Bau- und Betriebskosten von Strassen und

öffentlichen Verkehrsmitteln. Die ökonomische Analyse der optimalen Tarifierung von Verkehrsinfrastruktur und -betrieb stellt komplexe Probleme, da es sich bei der Infrastruk­tur zumindest teilweise um öffentliche Güter handelt (diese Idee liegt z.B. dem SBB-Lei-stungsauftrag zugrunde). Deshalb kann nur bei einem Betriebsdefizit von externen Kosten gesprochen werden. Beiträge der öffentlichen Hand an die Infrastrukturkosten sollten dagegen als Finanzierungsproblem bei öffentlichen (oder halböffentlichen) Gütern be­handelt werden. Da die Trennung in Beiträge an Betriebsdefizite und an die Infrastruk­turkosten von der Datenlage her in den meisten Fällen nicht möglich ist, sprechen wir generell nicht von externen Wegekosten, sondern von einer Unterdeckung der Wegeko­sten und integrieren sie deshalb nicht in die Bilanz der externen Kosten.

In der schweizerischen Strassenrechnung ergibt sich für die meisten Fahrzeugkatego­rien eine leichte Unterdeckung. Eine Regionalisierung ist datentechnisch nicht möglich. Methodische Probleme stellen sich bei der Flächenbewertung (mit Sicherheit ist die offizielle Bewertung von 8.5 Fr./m sehr zurückhaltend). Im öffentlichen Verkehr dürfen bei der Unterdeckung (Defizite) die gemeinwirtschaftlichen Leistungen nicht mitgezählt werden.

Treibhauseffekt Nach dem heutigen Stand des Wissens können die Folgen des Treibhauseffektes kaum

abgeschätzt werden und deren Kosten noch viel weniger. Es ist aber international unbestritten, dass die klimawirksamen Emissionen gesenkt werden müssen und jede Tonne CO2 zum Klimaeffekt beiträgt. Wenn diese Folgen mit Null bewertet würden, wäre dies mit Sicherheit falsch. Aufgrund zahlreicher internationaler Studien (vgl. z.B. NORDHAUS

1991, MORGENSTERN 1991 oder die Literaturübersicht in HOHMEYER 1991), in denen mit verschiedenen Ansätzen die Kosten für eine teilweise Vermeidung der Schäden geschätzt werden, wurde ein Wert von 20 Rappen pro Liter Benzin (ca. 90 Fr./Tonne CO2) als

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Untergrenze bestimmt. Trotz des gegen oben sehr grossen Unsicherheitsbereichs wurde dieser Wert verwendet, da er wahrscheinlicher ist als eine Bewertung mit Null.

2.3 Ergebnisse

Wir fassen die wichtigsten Ergebnisse unserer Berechnungen anhand zweier Grafiken zusammen. Abbildung 3 zeigt die externen Kosten des Verkehrs pro Jahr. Sie betragen im Jahr 1989 in der VZRB-Region Bern3 rund 260 Mio. Franken. Der Verkehr auf Stadtgebiet verursacht davon knapp drei Fünftel. Auf den PW-Verkehr fallen rund 150 Mio. Franken, auf den LW-Verkehr ca. 95 Mio. Franken und auf den öffentlichen Verkehr 15 Mio. Franken pro Jahr.

Abbildung 3: Externe Kosten nach Verkehrsmittel, VZRB-Region Bern, 1989 (in Mio. FrJa)

PW LW Trolley Tram Bus Bahn PW LW Bus Bahn

Die externen Grenzkosten sind die wichtigste Basis zur Abschätzung des Handlungs­bedarfs für Internalisierungsstrategien. Für den Personenverkehr sind sie in Abbildung 4 abgebildet. Sie zeigt, dass Fahrten mit dem Personenwagen (PW) mit den höchsten externen Grenzkosten verbunden sind, nämlich rund 14 Rp./Personenkilometer (Pkm) auf Stadtgebiet. Während den Spitzenverkehrsstunden ergeben sich im PW-Verkehr auf­grund der während diesen Zeitperioden hohen Staukosten Werte von bis zu 35 Rp./Pkm.

3. Im Verein für Zusammenarbeit in der Region Bern VZRB sind die Stadt Bern und 25 Umlandgemeinden zusammengefasst.

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Abbildung 4: Externe Grenzkosten Personenverkehr, VZRB-Region Bern, 1989 (RpJPkm)

PW Trolley Tram Bus Bahn PW Bus Bahn

Im öffentlichen Verkehr sind die externen Grenzkosten im Durchschnitt um ein Mehrfaches geringer. Sie betragen bei der Eisenbahn 1 Rp./Pkm, bei Trolleybussen 1.4 Rp./Pkm und bei Tram 1.9 Rp./Pkm. Deutlich höher liegen sie bei Fahrten mit dem Autobus (zwischen 6.3 und 8.5 Rp./Pkm). Ein anderes Bild ergibt sich bei den nicht als externe Kosten zu bezeichnenden ungedeckten Wegekosten. Diese sind beim öffentlichen Verkehr deutlich höher als beim Individualverkehr. Sie liegen im öffentlichen Verkehr je nach Verkehrsmittel zwischen 5 und 9 Rp./Pkm, wobei wiederum Busse den höchsten Wert haben. Beim PW-Verkehr liegen die ungedeckten Wegekosten unter 1 Rp./Pkm.

Wie beim Personenverkehr gilt auch für den Gütertransport, dass der Strassenverkehr deutlich höhere externe Grenzkosten verursacht als der Schienenverkehr. Der Lastwagen­transport verursacht in der Agglomeration Bern externe Grenzkosten zwischen 17 und 28 Rp./Tonnenkilometer (tkm). Dagegen betragen sie auf der Schiene nur gut 1 Rp./tkm.

3. INTERNALISIERUNG DER EXTERNEN KOSTEN

3.1 Einige methodische Überlegungen

Internalisieren definieren wir als "Anlasten der externen Kosten an die Verursacher über die Preise". In der puristischen Lehrbuchbetrachtung wird Internalisierung häufig mit der "preiszielorientierten" Pigou-Abgabe gleichgesetzt. Wir bezeichnen aber auch "mengen-zielorientierte" Ansätze wie den Standard-Preis-Ansatz (Lenkungsabgabe zur Erreichung

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eines vorgegebenen Umweltstandards) oder den Zertifikatsansatz als Internalisierungs-strategien. Obwohl häufig die Meinung vertreten wird, Standards Hessen sich natur­wissenschaftlich festlegen und würden damit die Ermittlung externer Kosten überflüssig machen, ist dies in der politischen Praxis unrealistisch: Beispielsweise zeigt die Luft-reinhaltepolitik, dass bei der Festlegung und insbesondere beim Vollzug von Standards immer zumindest implizit auf die Kosten aufgrund der resultierenden Abgabehöhe und auf den Nutzen der Umweltverbesserung (d.h. die vermiedenen externen Kosten) Rück­sicht genommen wird. So wurden z.B. die kostengünstig erreichbaren S02-Ziele recht scharf formuliert, während sich die Massnahmen (und damit die Zielerreichung) bei NOx

und Ozon aufgrund der hohen Kosten und des implizit relativ niedrig eingestuften Nutzens laufend verzögern. Die Ermittlung externer Kosten liefert somit wichtige Informationen bei der Festlegung eines effizienten Standards, nämlich - positiv formuliert - über den Nutzen der angestrebten Umweltqualitätsverbesserung. Langfristig wird kaum ein Stand­ard durchsetzbar sein, dessen Kosten die Nutzen deutlich überwiegen. Preiszielorientierte Strategien auf der Basis externer Kosten und mengenzielorientierte Internalisie-rungsstrategien sollten deshalb nicht als Gegensatz, sondern vielmehr als zwei Seiten der gleichen Medaille betrachtet werden.

Nicht alle berechneten Externalitäten treten in Ballungsgebieten verstärkt auf, sind also agglomerationsspezifischer Natur. Paradebeispiel einer solchen Externalität sind die Treibhausschäden. Aber auch die Unfälle und Teile der Luftverschmutzung (Ozonbela­stung) sind dazu zu rechnen. Diese externen Kostenbereichen sollten deshalb auf natio­naler oder internationaler Ebene angegangen werden. Dagegen sind die externen Kosten der Lärmbelastung, der Verkehrsstaus und teilweise der Luftbelastung auf Agglomera­tionsebene zu internalisicren. Intemalisierungsstrategien auf Agglomerationsebene sind also als Ergänzung zu nationalen oder internationalen Massnahmen zu verstehen.

Eine theoretisch optimale, vollständige Internalisierung wäre dann erreicht, wenn die externen Grenzkosten beim optimalen Niveau der Umweltbelastung den Verursachern angelastet werden. Dies bedeutet, dass einerseits der Verlauf der externen Grenzkosten-und der Verkehrsnachfragekurve bekannt sein müsste. Beides ist nur beschränkt der Fall. In der Praxis rückt deshalb die Frage nach der optimalen Abgabenhöhe in den Hinter­grund. Andererseits sollten die Intemalisierungsstrategien hochdifferenzierbar sein: Je nach Ort, Zeit, verwendetem Fahrzeugtyp und der individuellen Fahrweise entstehen unterschiedlich hohe externe Grenzkosten. Idealtypisch müssten dies Intemalisierungs­strategien durch ein hochdifferenziertes Abgabensystem erfassen. Dies ist aber nur beschränkt sinnvoll, weil mit zunehmender Differenzierung einer Strategie deren Trans­aktionskosten steigen. Es muss zwischen den Kosten der Strategie selbst und ihrem Internalisierungseffekt abgewogen werden. Somit können die idealtypisch an eine Inter-nalisierungsstrategie zu stellenden Anforderungen in der Praxis nur teilweise erfüllt weiden. Der entscheidende Vorteil marktwirtschaftlicher Strategien im Vergleich zu Gebots- und Verbotsstrategien bleibt aber erhalten: Es werden dauernde (dynamische) Anreize für ein umweltgerechtes Verhalten gesetzt. Die externen Kosten fliessen in die

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privaten Kostenrechnungen der Verkehrsteilnehmer ein, was zu einem umwelt-bewussteren Verkehrsverhalten führt.

Sofern kein hochdifferenzierbares elektronisches road pricing möglich ist, schlagen wir vor, die externen Grenzkosten des Lastwagenverkehrs und die Staukosten des PW-Verkehrs über eine Vignette und die übrigen agglomerationsspezifischen externen Grenzkosten des PW-Verkehrs über ein Parkplatzabgabensystem zu internalisieren. Die Vor- und Nachteile dieser Intemalisierungsstrategien wurden schon mehrfach diskutiert (vgl. z.B. die Übersicht in BALZLJ/SUTER 1991). Weniger bekannt sind jedoch einzelne konkrete Ausgestaltungen solcher Strategien. Zum Schluss soll deshalb ein Parkplatzab­gabensystem vorgestellt werden.

3.2 Ein Parkplatzabgabensystem für die Agglomeration Bern

In einem theoretischen Parkplatzabgabenmodell, auf welches wir an dieser Stelle nicht näher eintreten wollen, haben wir drei verschiedene Bestandteile von Parkplatzabgaben hergeleitet: - Eine umweltpolitisch begründete Lenkungskomponente, welche als Grundabgabe bei

jedem Parkvorgang unabhängig von der Parkdauer entrichtet werden muss. Ihre Höhe berechnet sich nach den externen Lärm- und Luftbelastungsgrenzkosten im PW-Verkehr.

- Eine parkdauerabhängige Abgabenkomponente, welche den Kosten für die Bereitstel­lung und Unterhalt des Parkraums entspricht und welche aufgrund der zeitlich schwan­kenden Nachfrage im Tages verlauf variiert wird. Die variablen Kosten werden zu allen Tageszeiten verrechnet. Die fixen Kosten werden nur tagsüber (also der Spitzen­lastnachfrage) angelastet.

- Zusätzlich ist eine ebenfalls parkdauerabhängige Knappheitskomponente zu berech­nen, sofern beim kurzfristig völlig unelastischen Angebot ein Nachfrageüberhang besteht. Dadurch wird insbesondere in hochzentralen Lagen der zeitweise bedeutende Suchverkehr abgebaut, d.h. Zeitkosten werden durch monetäre Kosten substituiert. Die Abgaben müssen räumlich differenziert werden, da die Knappheit und die Bereit­

stellungskosten, aber auch die durchschnittliche Fahrtlänge (und damit die externen Kosten) räumlich variieren. Aus diesen Grundüberlegungen haben wir Abgabenrichtwer­te für sechs verschiedene Parkplatztypen hergeleitet. Die Ergebnisse unserer Berechnun­gen sind in Abbildung 5 zusammengefasst.

Aufgrund bestehender Elastizitätsschätzungen führen diese Parkplatzabgaben zu einer Reduktion des PW-Verkehrs um rund 20% im Vergleich zur Trendentwicklung. Dadurch könnte ein grosser Teil des prognostizierten Verkehrswachstums in der Region Bern bis zum Jahr 2000 aufgefangen werden. Die Vorteile eines solchen Parkplatzabgabensystems liegen in vergleichsweise guten Realisierungschancen, in den relativ geringen Vollzugs­kosten und in der räumlichen Differenzierbarkeit. Der Nachteil liegt in der Vergleichs-

EXTERNE KOSTEN DES AGGLOMERATIONSVERKEHRS 449

Abbildung 5: Richtwerte für Parkplatzabgaben nach Parkplatztypen

hochzentral (Tag) im Freien

hochzentral (Tag) Parkhäuser

hochzentral (Nacht) im Freien

hochzentr. (Nacht) Parkhäuser

zentral (Tag)

zentral (Nacht)

peripher (Tag)

peripher (Nacht)

Grossanlässe

Einkaufszentren

Firmen

Abgabe pro Stunde Grandabgabe pro Parkvorgang

Fr. 0.0 1.0 2.0 3.0 4.0 0.0 1.0 2.0 3.0 4.0 5.0 6:0

i (kürzerfristige) variable Grenzkosten (Fr. / Std.)

I (längerfristige) Kapazitätsgrenzkosten (Fr. /Std.)

I Knappheitsabgabe (Fr. / Std.)

I Grundabgabe wegen Luft- und Lärmbelastung (Fr. / Parkvorgang)

weise schlechten Treffsicherheit, weil pro Parkplatztyp mit einer durchschnittlichen Fahrtlänge gerechnet werden muss.

4. SCHLUSSFOLGERUNGEN

Mit dem Prinzip der sicheren Seite lässt sich eine solide Untergrenze der externen Kosten des Agglomerationsverkehrs schätzen. Unsere Schätzungen weisen einen grossen Handlungsbedarf in der Verkehrspolitik aus. Das Postulat der Kostenwahrheit ist bei weitem nicht erfüllt. Die Mobilität ist insgesamt volkswirtschaftlich zu billig. Es stehen heute - auch, aber nicht nur auf Agglomerationsebene - konkrete Intemalisierungsstra­tegien zur Verfügung. Offen ist in erster Linie die politische Umsetzung dieser Vorschlä­ge.

450 NEUENSCHWANDER/SOMMER/SUTER/W ALTER

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ZUSAMMENFASSUNG

Dieser Artikel fasst einige methodische Aspekte und die Resultate einer Studie zur Ermittlung und Internalisierung externer Kosten des Agglomerationsverkehrs am Bei­spiel der Region Beni zusammen. Mit einer 4-Quadranten-Darstellung werden Umwelt-und Verkehrsmarkt einzeln, aber in ihrem Zusammenspiel dargestellt und die Zusammen­hänge zwischen unterschiedlichen Ansätzen zur Bewertung externer Kosten gezeigt. Als Untergrenze für die externen Kosten des Verkehrs in der Region Bern wurde für 1989 der Betrag von 260 Mio. Fr. ermittelt, was den Internalisierungsbedarf verdeutlicht. Aus dem Internalisierungskonzept für agglomerationsspezifische externe Kosten werden beispiel­haft die Ergebnisse eines Parkplatzabgabenmodells vorgestellt.

SUMMARY

This paper summarizes some methodical aspects and the results of a case study for Berne (Switzerland) about monetary valuation and internalization of external costs of urban transportation. A 4-quadrant-diagram is used to show the markets for transportation and for environmental quality in a separated but connected way as well as the relationship between different monetary valuation approaches. As a lower limit, external costs in the Bernese urban area are estimated at 150 Mio. ECU for 1989, which illustrates possible efficiency gains of internalization. A proposition for parking fees is discussed as part of an internalization strategy for urban areas.

RÉSUMÉ

Cet article résume quelques aspects méthodologiques et les résultats d'une étude sur l'évaluation monétaire et l'internalisation des coûts externes du trafic dans l'aggloméra­tion bernoise. A l'aide d'un diagramme à quatre quadrants, le marché du transport et celui des biens environmentaux sont présentés séparément mais avec leurs interdependences. Pour 1989, les coûts externes du trafic de l'agglomération bernoise sont estimés à 260 mio de Frs. au moins mettant ainsi en évidence que des mesures d'internalisation sont indispensables. Comme élément d'une telle stratégie au niveau régional, un système de taxes de parking est proposé.