Die Verschlankung der Wirtschaft und ihre ökonomischen Folgen

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Dr. Joachim H. Spangenberg, Biodiversity and SPAC, Belgrade 9.10. 07 Die Verschlankung der Wirtschaft und ihre ökonomischen Folgen Joachim H. Spangenberg UFZ Helmholtz Centre for Environment Research, Dept. Community Ecology, Halle, Germany Joachim.Spangenberg [at] ufz.de or [at] gmail.com, Vorsterstr. 97-99, 51103 Köln, Germany, Tel. +49-221-2168-94 Tagung „Politische Ökonomik großer Transformationen“ Tutzing, ev. Akademie, 9. bis 11. März 2015

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Dr. Joachim H. Spangenberg, Biodiversity and SPAC, Belgrade 9.10. 07

Die Verschlankung der Wirtschaft und ihre

ökonomischen Folgen

Joachim H. SpangenbergUFZ Helmholtz Centre for Environment Research, Dept. Community Ecology, Halle, Germany

Joachim.Spangenberg [at] ufz.de or [at] gmail.com, Vorsterstr. 97-99, 51103 Köln, Germany, Tel. +49-221-2168-94

Tagung „Politische Ökonomik großer Transformationen“Tutzing, ev. Akademie, 9. bis 11. März 2015

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Teil 1: Status quo

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Status quo: Zu wenig Wachstum?

Seit Jahren bleiben die Wachstumsraten hinter den Hoffnungen zurück, nach 8% in den 50er, 4% in den 60er, 2,5% in den 70er/80er, 1,2% in den 90er Jahren und unter 1% in neuen Jahrhundert.

In absoluten Zahlen ist das jedoch kein Rückgang, sondern ein Zuwachs des das BIP-Wachstums: 1955 14,1% 11,5 Mrd. €2005 1,5% 22,3 Mrd. €

Verglichen mit der „Goldenen 50ern“ wächst die Wirtschaft also mehr, nicht weniger.

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Wachstumspolitik…

…heißt Deregulierung, Privatisierung, Abbau von Bürgerbeteiligung bei Planungen, Widerstand gegen Mindestlohnregelungen, Ausbau des Niedriglohn-sektors und die Zumutbarkeitsregelungen nach Hartz.

…verursacht soziale wie ökologische Schäden lange bevor sie Wachstum erzeugt und wurde am konse-quentesten wurde sie von rot-grün umgesetzt.

… ist schädlich, bezüglich des Wirtschafts-wachstums weitgehend wirkungslos, beruht auf einer falschen (neoklassischen) Analyse und ist hoffnungslos veraltet.

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Wachstum in der Dienstleistungsgesellschaft

In der Industriegesellschaft konnte durch Standardisie-rung und Automatisierung permanent mehr und besseres mit demselben Aufwand hergestellt werden.

Das gilt nicht für die Dienstleistungsgesellschaft, die personenbezogenen Dienstleistungen wie Bildung, Pflege, Kultur, Gastgewerbe, Friseure, Wellness-Oasen und Nagelstudios.

Diese Dinge können nicht automatisiert werden ohne wesentlich an Qualität zu verlieren, weil die menschliche Zuwendung für die Qualität der Dienstleistung von zentraler Bedeutung ist.

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Wir leben in der Dienst-leistungs-

gesellschaft

Quelle: Stat. Bundesamt 2008

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Kontraproduktive Produktivitätssteigerungen

Eine wirkliche Dienstleistungsgesellschaft muss geringere Wachstumsraten der Arbeitsproduktivität akzeptieren, sogar negative Raten durch Verbesserung der Dienstleistungsqualität plus Verkürzung der Arbeitszeit und Verlängerung der Ruhezeiten (z.B. bei Kraftfahrern und Flugpersonal), Humanisierung der Arbeit, gute Arbeit.

Gute Dienstleistungen erfordern dieses zu akzeptieren, und kontraproduktive Produktivitätssteigerungen zu verhindern.

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Vergesst das BIP!

Das BIP unterscheidet zwar zahlreiche Branchen und Gütergruppen, aggregiert aber Dienstleistungen summarisch in einer Position: es ist in der Industrie-gesellschaft stecken geblieben.

Das BIP ist ein Relikt der Kriegs- und Nachkriegszeit und zur Bewertung wirtschaftlicher Erfolge im 21. Jahrhundert denkbar ungeeignet.

Die Wachstums-Obsession verspricht das Unmögliche: die Wachstumsraten einer Industriegesellschaft in einer Dienstleistungsgesellschaft zu reproduzieren.

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Wer nur das Geld zählt (und das tut das BIP)

wird Nachhaltigkeit nie erfassen können

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Bremsen, aber keine Stoppschilder

Die Sättigung der Inlandsmärkte – ein gutes Zeichen.Die sinkende die Kaufkraft der Bevölkerungsmehrheit, plus

Zwangssparen (Privatisierung der Risikovorsorge)Die Investitionslücke: Seit Jahrzehnten wird weniger als die

Hälfte der in Deutschland erwirtschafteten Gewinne hier wieder investiert.

Die steigenden Ressourcenpreise: Fast alle erneuerbaren Ressourcen haben ihren Peak hinter sich, ebenso Öl. Sand ist knapp (UNEP), seltene Erden auch.

Aus Klimagründen müssen 2/3 der Fossilen im Boden bleiben.

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Wer steht auf dem Gaspedal?Überraschend: da gibt es keine Einigkeit unter den

Ökonomen. Mindestens 3 Faktoren sind wichtig:1. Der Konsum (neoklasisch): die Konsumansprüche von

Haushalten und Staat (z.B. Bildung, soziale Sicherung, Subventionen, Militär) steigen, die Wirtschaft folgt nur der Nachfrage.

2. Die Akkumulation (marxistisch): Profiterzielung im Kapitalismus basiert auf dem Mechanismus der fortgesetzten und sich erweiternden Warenproduktion und der erweiterten Kapitalreproduk-tion, und damit der fortlaufenden Akkumulation des Kapitals.

3. Die moderne Geldwirtschaft (H. C. Binswanger) sie erzeugt eine „Wachstumsspirale“ aus „Wachstumsdrang“ der Unternehmen und einem „Wachstumszwang“ zur Vermeidung eines kumulativen Schrumpfungsprozesses.

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Wer steht nicht auf dem Gaspedal?Das Bevölkerungswachstum!Die Bevölkerungszahl wird gegen 2045 ihr Maximum

von 8,5 Milliarden Menschen erreichen und dann langsam zurückgehen.

Da die Weltbevölkerung heute bei über 6,8 Milliarden Menschen liegt, haben wir bereits über 80% des Bevölkerungs-Maximums erreicht.

Im selben Zeitraum soll das BIP auf 400% steigen.60% der Weltbevölkerung sind im Übergang von

der Agrar- zur Industriegesellschaft. Die 20% die schon da sind haben unsere Probleme erzeugt.

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Teil 2: Zwischen Skylla und Charybdis

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Die WachstumsfalleZwei Minimumbedingungen für eine nachhaltige Wirtschaft sind (i) die Entlastung der Umwelt, und (ii) die Schaffung/Sicherung von Arbeit. Dazu muss das die Ressourcenproduktivität schneller wachsen (oder langsamer schrumpfen) als die Wirtschaft, während die Arbeitsproduktivität (Produktion pro Kopf) langsamer wachsen muss als die Wirtschaft. Die Politik eines maximalen Wachstums verletzt die erste Bedingung; und soll die zweite erfüllen, während ein Wachstumsstopp die erste erfüllt und die zweite gefährdet.

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Die WachstumsfalleWirtschaftswachstum dY kann nur nachhaltig sein, wennder Ressourcenkonsum sinkt: d(R) < 0Das ist der Fall wenn die Ressourcenproduktivität

Y/R schneller steigt als die Wirtschaft wächst: d(Y/R) > d(Y)

und Arbeitsplätze entstehen: d(L) > 0 Das ist der Fall wenn die Produktion pro Kopf

Y/L langsamer steigt als die Wirtschaft Y wächst: d(Y/L) < d(Y)

Zusammen ergibt sich als Mindestbedingungdi N hh l i k i l i h

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Wegen Überfüllung geschlossen: die Senken

Die Treibhausgasemissionen und die Stoffumsätze der Industrieländer müssen bis 2050 um 90% reduziert werden (Faktor 10). Die Landnutzung muss zur Rettung der biologischen Vielfalt völlig neu strukturiert werden.Emission = Intensität x Volumen Im 40 Jahren -90% heißt bei Wachstum0%: 6% Produktivitätssteigerung/Jahr.3%: 9% Produktivitätssteigerung/Jahr.Eine Verdoppelung der Ressourcen-produktivität bis 2050 bei 3% Wachstum heißt Null Reduzierung der Belastungen!

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Wegen Ausplünderung geschlossen: die Quellen

Peak Oil ist passé, Peak Gas kommt vor Mitte des Jahrhunderts. Die Förderhöhepunkte für verschiedene Metalle werden zwischen 2024 und 2068 überschritten, Phosphat und Wasser werden knapp, die meisten Erneuerbaren haben ihren Peak gegen 2009 überschritten. Dieses Zusammentreffen ist kein Zufall sondern systemisch bedingt: Peak everything.Wachstumsparadigma und unregulierte Märkte führen in die Katastrophe: Absolute Knappheiten oder Mangel überfordert den Marktmechanismus und führen zum Marktwirtschaftsversagen; schon heute blüht bei Öl, Gas und Mineralien der Neo-Merkantilismus.

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Politische Gestaltung ist unverzichtbar

Um Schock und Kollaps zu vermeiden muss Knappheit graduell erzeugt werden. Das fördert ein Ende der Verschwendungswirtschaft (planned obsolescence) und stimuliert die Suche nach Alternativen.

Auch würden arbeitsintensivere Tätigkeiten wie Wartung und Reparatur gegenüber Neubau und Neuproduktionen gefördert.

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Politische Gestaltung ist unverzichtbar

Ein positiver Nebeneffekt wäre die relative Verbilligung der Arbeit gegenüber den Ressourcen und damit ein abnehmender (bzw. auf Rohstoffe umgeleiteter) Rationalisierungs-druck; die Bezahlbarkeit von menschlicher Arbeit steigt, Dienstleistungen können ausgebaut und verbessert werden (Schüler/Lehrer-, Erzieher-/Kinder- oder Pflegepersonal/Kranken – Relationen).

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Teil 3: Quo vadis?

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Nur Qual, keine Wahl

Auch radikale Wachstumspolitik wird die erhofften 3% BIP-Zuwachs nicht liefern können.

Aber sie wird zu einer Katastrophe für soziale Verhältnisse und Umwelt

„Wenn Du merkst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab“ (Weisheit der Dakota)

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Stoppschild: Der Pott braucht einen Deckel

Die ökonomischen Akteure institutionell einzuhegen kann nicht mit innerökonomischen Maßnahmen gelingen. Möglich ist eine solche Rahmensetzung auf der physischen Ebene von Energie- und Stoffströmen und der Nutzung von Land und Biodiversität. Idealtypisch betrachten wir eine Kontingentierung der gesamten der Wirtschaft zur Verfügung stehenden Ressourcen, mit einer festen, jährlich sinkenden Obergrenze Cap. Dann gilt für das WirtschaftswachstumdY ≤ d(Y/R) - Cap

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Neoklassiker argumentieren dass ohne Wachstums-aussichten keine Investitionen stattfinden, Arbeitsplätze und Einkommen schrumpfen, Banken keine Kredite mehr vergeben und das System kollabiert. Das beruht auf der makroökonomischen Standardmethode, die Wirtschaft durch repräsentative Agenten (1 Bank, 1 Unternehmen, 1 Konsument) abzubilden. Die Kollaps-Prognose ergibt sich aus dieser Simplex-Ökonomik, nicht aus der Realwirtschaft. Verblüffend ist die Einigkeit vieler Marxisten mit den Neoklassikern.

Ende des Kapitalismus …

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Nimmt man nur zwei Banken, Unternehmen und Konsument/inn/en, so greift das Argument nicht mehr: Unter dem Deckel herrscht Konkurrenz. Zwar läuft ein physisches Nullsummenspiel, aber jede Firma hofft ein Gewinner zu sein, hofft auf Wachstum, und jede Bank auf lohnende Kreditvergabe. Es herrschen Innovation und Wettbewerb, die schöpferische Zerstörung läuft.Kapitalvernichtung erfolgt durch Konkurse: viele kleine Krisen statt großer Blasen.Das schafft ein soziales Problem, aber kein ökonomisches, und erfordert politische Lösungen.

…oder Kapitalismus ohne Ende?

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Was wem?

Ohne Wachstum greift die alte Formel (Produktivitäts-gewinne plus Inflationsausgleich der Arbeit, Wachstumsgewinne dem Kapital) nicht mehr: Es gibt nur noch Produktivitätsgewinne minus Deckelsenkung. Der jährliche Überschuss muss zwischen Kapital, Arbeit und Staat geteilt werden: Lohnerhöhungen heißen sinkende Staatsleistungen oder geschrumpfte Profite, mehr Sozialausgen heißen Lohnsenkungen oder geschrumpfte Profite.Arbeitszeitverkürzung erfolgt ohne Lohnausgleich, oder zu Lasten von Steuern und Profiten.

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Gleichheit in Armut?

Die Arbeitseinkommen würden stagnieren oder sogar sinken; den Lebensstandard zu halten ist nur möglich• wenn bessere und langlebigere Produkte kurzlebige

ersetzen (obwohl sie teurer sind): besser statt mehr,• wenn andere Nutzungsformen (Sharing) sich

durchsetzen: gute Güter nutzen statt besitzen,• Wenn öffentliche Leistungen ineffizienten

Individualkonsum ersetzen (z.B. Automobilität).Dann muss das „psychische Einkommen“ und der Servicekonsum nicht sinken, wenn weniger gekauft und dieses länger genutzt wird (Fisher 1908).

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Soziale Sicherheit

90% weniger Ressourcenverbrauch erfordert also mehr als Effizienz, nämlich massiven wirtschaftlichen Strukturwandel, verschärften Wettbewerb, andere Konsummuster, neue öffentliche Dienstleistungen, ein Ende der Verschwendungswirtschaft (die obszöne geplante Obsoleszenz). Dann sinkt das BIP, aber nicht die LebensqualitätSoziale Sicherheit könnte durch ein physisches Grundeinkommen plus finanzieller Zulage hergestellt werden (Sockelfreibeträge für Gas, Strom, Wasser, ÖPNV etc.), finanziert durch progressive Tarife.

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Steuern zum steuern?

Progressive Einkommens- und Ressourcensteuern machen noch Sinn, aber die Steuerungs-möglichkeiten über Einkommens- und Verbrauchsbesteuerung und Abgaben lassen nach. Neben Mindest- und Höchsteinkommen (USA 1979) gibt es dann mehr Gerechtigkeit nur durch Umverteilen aus dem Bestand, nicht aus dem Zuwachs – und da ist in Deutschland viel zu holen.

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Quelle: Roland Struwe at de.wikipedia, http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lorenzkurve_Deutschland.jpg

Vermögen iszt die Herausforderung

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Statt Steuer oder Enteignung: Erbschafts-Obergrenzen

Vermögen bedeuten finanziell wie politisch Macht und Privilegien; eine Demokratie kann zu viel Vermögens-polarisierung nicht vertragen.Eine Obergrenze für Erbschaften von 10 Mio €würde einem neugeborenen Erben für 80 Jahre monatlich 10.000 € arbeitsfreies Einkommen garantieren – wer kann mehr verlangen?Steckt das Vermögen in einem Betrieb, so kann dieser verkauft, von der Belegschaft oder dem Staat übernommen bzw. verkauft werden.

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Zukunft der Arbeit

• Die Arbeitsproduktivität steigt langsamer weil die Ressourcenproduktivität bei Investitionen Vorrang hat.

• Das ist gut für die Wettbewerbsfähigkeit, aber Arbeitsplätze gehen immer noch verloren, wenn das nicht durch AZV aufgefangen wird.

• Diese wird ohne Lohnausgleich sein, oder dieser muss aus Umverteilung stammen.

• Eine sinkende Bevölkerung hilft Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

• Mehr Konkurse bedeuten höheres Risiko, und steigenden Bedarf an sozialen Netzen & Bildung.

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Arbeit der ZukunftNatürlich werden zahlreiche Techniker, Ingenieure, Softwarespezialisten benötigt, und weniger Juristen und Ökonomen. Aber das ist nicht alles:• Handwerkliche Fähigkeiten werden in

Reparaturberufen für langlebigere Güter benötigt, • „Design for Sustainability“ muss nachhaltigkeits-

fähige Produkte und Nutzungsformen entwickeln,• Qualifizierte Bauarbeiter werden mehr gebraucht

bei der Klimaanpassung und Schadenreparatur, • In der Energieproduktion werden viele neue

Mitarbeiter benötigt weil Erneuerbare eine geringere pro-Kopf Energieproduktion (MW/cap) haben.

• CO2-arme Landwirtschaft braucht Arbeit stattchemischer Inputs

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Sie sollte öffentlich sein, denn• private Systeme erzeugen freies Kapital, das

spekulieren muss weil Anlagemöglichkeiten fehlen und Renditeerwartungen überzogen sind.

Ein öffentliches System floriert bei hohen Löhnen und Vollbeschäftigung, ein privates System bei hohen Dividenden, auch zu Lasten von Löhnen und Beschäftigung. Das ist in einer alternden Gesellschaft eine nicht ignorierbare Vorgabe für jede Regierung!

Ohne Börsengewinne unter Degrowth ist der Vorteil der privaten Anlage dahin.

und nach der Arbeit: die Rente der Zukunft

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Teil 4: Illustrationen

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Die öffentliche Diskussion stellt sich nicht der Frage, wie sich unsere Lebensweisen verändern werden,wenn wir von einerÜberfluss- zu einerMangelgesellschaftwerden.

Hier einige Denk-anstösse, keinePrognosen…

Was heißt das Konkret?

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Leben mit KnappheitWirtschaft

Transportpreiserhöhung drängt Globalisierung der Produktion zurück, „local sourcing“ wird ökonomisch attraktiver. Konsumentenpreise steigen.

Gewerbegebiete ohne Bahnanschluss verkümmern.

Versorgung

Einkaufen auf der „grünen Wiese“ wird (zu) teuer. Die Logistik wird von just in time auf Transport-minimierung umgestellt.

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Leben mit KnappheitAutos

Die effizientesten Zweisitzer PKW emittieren heute, bei 10.000 km/a, rund 2 t CO2/a.

Elektroautos werden unerschwinglich bleiben. PKW werden ein Luxus, den sich wenige leisten können oder wollen.

Wie wird die Wirtschaft versorgt?

Welchen ÖPNV brauchen wir?

Warum noch Brücken, Straßen, Tiefgaragen bauen? Wo ist der Bundeswegeplan für 90% weniger PKW?

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Leben mit KnappheitDie Bahn – ausbauen und entschleunigen

Der Energieverbrauch steigt mit dem Quadrat der Geschwindigkeit. Ein voll besetzter ICE mit 350 km/h verbraucht mehr Energie als die PKWs.

Proportional mit der Geschwindigkeit steigen die Kosten für Unterbau, Fahrstrom, Zugmaterial, Lärmschutz und Sicherheit.

Beschleunigung von 100 auf 150 km/h ergibt 20 Minuten Zeitgewinn/100 km, von 200 auf 250 km/h 6, von 300 auf 350 km/h 2 Minuten.

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Leben mit KnappheitLangstrecke

Flugverkehr belastet die Atmosphäre besonders, und er wird teuer. Billigflieger stellen Routen –und vielleicht den Betrieb – ein.

Fliegen – nur ein mal im Leben? Für wen?

Das Internet verbraucht heute so viel Energie wie der Schiffs- oder Flugverkehr. Ein Avatar im Spiel „Second Life“ verbraucht so viel Energie wie ein Brasilianer im ersten Leben. Spielen ist nicht unschuldig. Wo sind die Grenzen?

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Leben mit KnappheitWohnen

Für Normalverdiener nur da möglich, wo ÖPNV-Anschluss besteht (kein Auto zum Arbeitsplatz).

ÖPNV ist für Kommunen nur da leistbar, wo verdichtete Wohnbebauung besteht.

Das Haus im Grünen wird unerschwinglich (Heiz- und Transportkosten).

Heute sollten Flächennutzungspläne, Stadtent-wicklungspläne etc. angepasst werden. Stadt-wohnung statt Eigenheim, Flächenbegrenzung.

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Leben mit KnappheitErnährung

Die Landwirtschaft emittiert 1,3 t CO2/a x cap, 13% der deutschen Emissionen.

Ökolandbau spart bis zu 50% im Pflanzenbau, und deutlich bei Geflügel und Schweinefleisch.

Rindfleisch hat extreme Emissionen, Käse noch mehr. Dazu kommen die Transportkosten für Futtermittel, nach Peak Oil kaum bezahlbar.

Wird Fleisch wieder zum Sonntagsbraten?

Wer kann noch Rindfleisch essen?

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NachwortePolitik ist an den Grenzen des Umweltraums

schwieriger zu gestalten als weit davon entfernt, aber das ist die Erblast des Wachstumsparadigmas dem sich eine Politik für das 21. Jahrhundert stellen muss.

Eine nachhaltige Gesellschaft basiert auf einem fundamentalen kulturellen Wandel, nämlich der Einsicht, dass soziale wie ökologische Grenzsetzungen zwar Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit des Einzelnen sein können, aber die Bedingung für die freie Entfaltung aller sind.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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