'Bootsicheyt: Malerei, Mythologie und Alchemie im Antwerpen des 17. Jahrhunderts: Zu Rubens' Silen...

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cultur æ intermedialität und historische anthropologie intermédialité et anthropologie historique intermediality and historical anthropology herausgegeben von / publié par / edited by Kirsten Dickhaut, Jörn Steigerwald 4 2012 Harrassowitz Verlag · Wiesbaden

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culturæintermedialität und historische anthropologie

intermédialité et anthropologie historiqueintermediality and historical anthropology

herausgegeben von / publié par / edited byKirsten Dickhaut, Jörn Steigerwald

4

2012Harrassowitz Verlag · Wiesbaden

2012Harrassowitz Verlag · Wiesbaden

Erosionen der Rhetorik?

Strategien der Ambiguität in den Künsten der Frühen Neuzeit

herausgegeben von Valeska von Rosen

ISSN 1868-8713ISBN 978-3-447-06131-5

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Valeska von Rosen

Erosionen der Rhetorik? Strategien der Ambiguität in den bildenden Künsten, Dichtung und Musik. Einleitende Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Ulrich Pfisterer

Akt und Ambiguität: 1552, 1559, 1640 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Kristin Marek

Zwischen Verehrung und Ekel. Die Ambiguität des toten Christus als bildliche Rhetorik bei Holbein d. J. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Kirsten Dickhaut

Zur Ambiguität der Evidenz von Hexenbildern: Hans Baldung Grien, Zwei Hexen (1523) und Gianfrancesco Pico della Mirandola, Strix

oder La Strega (1523 und 1524) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Gerald Schröder

Metamorphosen der Skulptur: Michelangelos Sklaven in Buontalentis Grotte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Jörg Robert

Simple Venus vs. art de Pétrarquiser. Pluralität der Liebe und Erosion der Kunst bei Pierre de Ronsard und Joachim Du Bellay . . . . . . . . 139 Alexandra Ziane

Ambiguität der Mariendarstellung in geistlicher Musik um 1600 in Italien . . . 169 Laurenz Lütteken

Die Erregung der Affekte. Imagination und Darstellung in Monteverdis Combattimento . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Jörn Steigerwald

Meraviglioso Adone: Das Wunderbare als Lizenz episch-didaktischer Dichtung in Giovan Battista Marinos Adone . . . . . . . . . . . . . . . 209

Inhalt VI

David Nelting

Jenseits des aptum. Überlegungen zu Giovan Battista Marinos L’Adone als Sonderfall frühneuzeitlicher imitatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Christine Göttler

„Bootsicheyt“: Malerei, Mythologie und Alchemie im Antwerpen des frühen 17. Jahrhunderts: Zu Rubens’ Silen in der Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste in Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Peter J. Burgard

Desacralization of the Sacred: Caravaggio, Bernini, Asam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Wolf-Dietrich Löhr

„Vielleicht ...“. Sinnentzug und Faktur in Giambattista Piazzettas Kölner Pastorale (1740/45) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

„Bootsicheyt“: Malerei, Mythologie und Alchemie im Antwerpen des frühen 17. Jahrhunderts:

Zu Rubens’ Silen in der Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste in Wien

CHRISTINE GÖTTLER

1. Gemalter Tumult: rusticitas und urbanitas

In den 1642 erschienenen Vite de’ pittori, scultori et architetti bezeichnete Giovanni Baglione „Pietro Paolo Rubens“ (1577–1640) als den besten Maler Flanderns, der wie kein anderer flämischer Künstler sich durch das Studium der „antiken und modernen Werke“ in der „wunderbaren“ Stadt Rom „der guten italienischen Manier angenähert“ habe („felicemente accostato alla buona maniera Italiana“).1 „Maniera Italiana“ meinte für Baglione eine an der Antike orientierte groß-formatige Figurenmalerei, die auch im Brennpunkt von Rubens’ frühen theo-retischen Interessen stand. Rubens gab dem in Italien begonnenen theoretischen Skizzenbuch den Titel „De figuris humanis“; er leitete es mit zwei Zitaten aus Ciceros Vom Wesen der Götter ein, die besagen, dass die Gestalt des Menschen „unter allen Gestalten die schönste“ sei.2 Dass Rubens mit seiner eigenen Malerei

1 Giovanni Baglione: Le vite de’ pittori, scultori ed architetti. Dal pontificato di Gregorio XIII

del 1572 in fino a’ tempi di Papa Urbano Ottava nel 1642. Ristampa Anastatica [dell’ edi-zione] Roma 1642. Hg. von Jacob Hess und Herwarth Röttgen. 3 Bde. Rom 1995, Bd. 1, S. 362–363 [264–265]. Zur Vorstellung von Rom als „urbs mirabilis“ vgl. Anthony Grafton (Hg.), Rome Reborn: The Vatican Library and Renaissance Culture. New Haven 1993.

Beim vorliegenden Beitrag handelt es sich um meine überarbeitete Antrittsvorlesung an der Universität Bern vom 16. März 2010. Teile des Beitrages habe ich außerdem am Inter-nationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften, Wien, an der University of York, am Warburg-Haus, Hamburg, an der Université de Genève und am Niederländischen Forum des Kunsthistorischen Instituts der Freien Universität Berlin vorgetragen. Den Teil-nehmenden danke ich für zahlreiche Anregungen.

2 Vgl. Marcus Tullius Cicero: Vom Wesen der Götter. Hg., übers. und erläutert von Wolfgang Gerlach und Karl Bayer. München 21987, S. 58–59 (Buch 1, 47–48). Der Eintrag findet sich im sogenannten MS Johnson (Courtauld Institute Galleries, London), einer Manuskript-Kopie, die als relativ verlässliche Kopie des Originals angesehen wird. Vgl. dazu: Tine Meganck: Rubens on the Human Figure: Theory, Practice and Metaphysics, in: Joost vander Auwera, Sabine Sprang (Hgg.), Rubens: A Genius at Work: The Works of Peter Paul Rubens in the Royal Museums of Fine Arts of Belgium Reconsidered. Ausst.-Kat. Musées Royaux des Beaux-Arts de Belgique, Brüssel, 14. Sep. 2007 – 27. Jan. 2008. Tielt 2007, S. 52 – 64; Arnout Balis: Rubens und Inventio: Der Beitrag seines theoretischen Studienbuches, in: Ulrich Heinen, Andreas Thielemann (Hgg.), Rubens Passioni. Kultur der Leidenschaften im

Christine Göttler 260

an die aus der Antike hervorgegangene italienische Tradition anzuknüpfen ver-suchte, geht auch aus der von ihm in der Korrespondenz bevorzugten italieni-schen Sprache und der Signatur „Pietro Paolo Rubens“ hervor.

Rubens’ Blick auf Italien war jedoch durch die Antwerpener Wissenskultur geprägt, in welcher der Bezug auf die Antike ebenfalls eine wichtige Rolle spielte. Wie Tine Meganck dargelegt hat, griff er in einzelnen Teilen seines theo-retischen Skizzenbuchs auf ein in Antwerpen verbreitetes Wissen – etwa die paracelsische Naturphilosophie und Alchemie – zurück. 3 In den ersten Jahren nach seiner Rückkehr aus Italien setzte er sich vermehrt mit niederländischen und nordeuropäischen Traditionen der Kunst und Kunstliteratur auseinander. Verschiedentlich arbeitete er mit anderen Antwerpener Malern – etwa mit Jan Brueghel dem Ältern und Frans Snyders – zusammen, wie er auch in seinen Sammleraktivitäten ein Interesse für niederländisches und speziell Antwerpener Künstlerwissen und eine mit Antwerpen verbundene Künstleridentität zeigte. Für seine eigene Porträtgalerie erwarb und kopierte er Porträts von Jan van Eyck, Joos van Cleve, Jan van Scorel, Jan Sanders van Hemessen, Jan Cornelisz. Vermeyen, Willem Key und Frans Floris.4 In den 1610er Jahren gelangten zudem mehrere Gemälde von Pieter Bruegel dem Älteren, dem Vater von Jan Brueghel dem Älteren, in seinen Besitz.5

Aus der Auseinandersetzung mit lokalem malerischen Wissen, das Rubens aus der Erfahrung der Antike und Italiens neu interpretierte, ging auch die bac-chische Szene mit dem trunkenen Silen in der Wiener Akademie der bildenden Künste hervor (Abb. 1), die im Mittelpunkt dieses Beitrages steht.6 Rubens’

Barock. Göttingen 2001, S. 11–40; Jeffrey M. Muller: Rubens’s Collection in History, in: Kristin Lohse Belkin, Fiona Healy (Hgg.), A House of Art: Rubens as Collector. Ausst.-Kat. Rubenshuis, Antwerpen, 6. März – 13. Juni 2004. Antwerpen 2004, S. 10–85, hier 18–28.

3 Meganck, Rubens on the Human Figure. 4 Kristin Lohse Belkin: Rubens: Copies and Adaptations from Renaissance and Later Artists:

German and Netherlandish Artists. 2 Bde. London 2009 (Corpus Rubenianum Ludwig Burchard 26(1)).

5 Kristin Lohse Belkin: Rubens’ Kopien nach deutschen und niederländischen Meistern, in: Reinhold Baumstark mit Mirjam Neumeister (Hgg.), Vorbild und Neuerfindung: Rubens im Wettstreit mit Alten Meistern. Ausst.-Kat. Alte Pinakothek, Bayerische Staatsgemälde-sammlungen München, 23. Okt. 2009 – 7. Feb. 2010. Ostfildern 2009, S. 28–55, hier S. 52–53.

6 Johann Kräftner, Wilfried Seipel, Renate Trnek (Hgg.), Rubens in Wien. Die Meisterwerke. Ausst.-Kat. Liechtenstein Museum, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, Wien. Wien 2004, S. 60–63, Kat. 10 (Renate Trenk); Rubens und die flämische Barockmalerei in der Gemäldegalerie der bildenden Künste Wien. Wien 2000, S. 36–39, Kat. 5; Christa Nitze-Ertz et al. (Hgg.), Das flämische Stillleben. Ausst.-Kat. Kunst-historisches Museum, Wien, 18. März – 21. Juli 2002, Kulturstiftung Ruhr Essen, 1. Sep. – 8. Dez. 2002. Lingen 2002, S. 46–49, Kat. 7 (Renate Trenk); Reinhild Stephan-Maaser: Mythos und Lebenswelt: Studien zum „Trunkenen Silen“ von Peter Paul Rubens. Köln 1992, S. 94–98; Hans Gerhard Evers: Rubens und sein Werk. Neue Forschungen. Brüssel 1943, S. 221–236 („Der ‚träumende Silen’ der Wiener Akademie von Rubens“). Zu den dargestellten Gläsern: Anna-

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Wiener Gemälde ist die vielleicht ungewöhnlichste Darstellung Silens in der frühneuzeitlichen Malerei. Sie zeigt den Ziehvater des Bacchus als satyrhaftes Mischwesen schlafend neben einer Sammlung kostbarer Gläser und prunkvollen Tafelgeschirrs, wie sie dem Geschmack der wohlhabenden Elite in Antwerpen entsprach. Durch die weite Verbreitung von Erasmus’ Adagium von den „Silenen des Alkibiades“, das Alkibiades’ Vergleich von Sokrates mit Silen in Platons Symposium aufgreift, erhielt die „monströse“, „göttliches Wissen“ verbergende Gestalt Silens in der Kunst und Kultur der Niederlande und des nördlichen Europa eine große Bedeutung.7 In dem an die „beveurs très illustres“ gerichteten Prolog zu Gargantua und Pantagruel weist François Rabelais sowohl Sokrates als auch seinem eigenen Werk eine silenische Gestalt zu – und identifiziert diese mit jenen „kleinen Büchslein“ in den „Läden der Apotheker“, die außen mit Har-pyen und Satyrn bemalt sind, in ihrem Innern jedoch „feine Spezereien [...], Edelsteine und andere kostbare Dinge“ bergen.8 In der Folge wurde Silen zur zentralen Figur einer der Groteske nahe stehenden (nördlichen) Kunst und Literatur, die durch die Verwendung von niedrigen, komischen, burlesken und „rustikalen“ Elementen herkömmliche Gattungsnormen unterlief. Natalie

Elisabeth Theuerkauff-Liederwald: Ein Stilleben mit Gläsern. „Träumender Silen“ von Peter Paul Rubens, in: Kunst und Antiquitäten, Heft 10 (1992), S. 22–27. Zu den Goldschmiede-arbeiten: Wim Nys (Hg.), Antwerps Huiszilver uit de 17e en 18e eeuw. Ausst.-Kat. Rubens-huis, Antwerpen, 10. Nov. 1988 – 15. Jan. 1989. Antwerpen 1988, S. 30, Abb. 10 (P. Baudouin in Zusammenarbeit mit I. Kockelbergh). Vgl. auch Lucy Davis: The Bacchic Paintings of Peter Paul Rubens. Courtauld Institute of Art, University of London, Diss., 2004. Ich danke Lucy Davis, mir das Kapitel zum Wiener Silen ihrer noch unpublizierten Dissertation zur Verfügung gestellt zu haben.

7 Desiderius Erasmus: Opera omnia, emendatiora et auctiora. Hildesheim 1961 (Nachdruck der Auflage Leiden 1703), Bd. 2, Sp. 770–782 (Chiliades tertiae, centura III.1: „Sileni Alci-biadis“): „Aiunt enim Silenos imagunculas quaspiam fuisse sectiles, et ita factas, ut diduci et explicari possent, et quae clausae ridiculam ac monstrosam tibicinis speciem habebant, apertae subito numen ostendebant [...].“ Die Literatur zu Erasmus’ Adagium ist sehr reich. Weiterhin grundlegend ist Rosalie Colie: Paradoxia Epidemica: The Renaissance Tradition of the Paradox. Princeton 1966 , S. 16–17 (zu Erasmus), S. 47–48 (zu Rabelais); vgl. auch Wolfgang G. Müller: Das Problem von Schein und Sein in Erasmus’ Sileni Alcibiadis und Shakespeare’s Macbeth, in: Wolfenbütteler Renaissance Mitteilungen 15 (1991), S. 1–18. Zur Rezeption von Erasmus‘ Sileni Alcibiadis in der niederländischen Malerei vgl. Jürgen Müller: Das Paradox als Bildform. Studien zur Ikonologie Pieter Bruegels d. Ä. München 1999, S. 90–125; Margaret A. Sullivan: Bruegel’s Proverbs: Art and Audience in the Northern Renaissance, in: Art Bulletin 73 (1991), S. 431–466; Michel Weemans: Herri Met de Bles’s ‚Way to Calvary’: A Silenic Landscape, in: Art History 32 (2009), S. 307–331.

8 François Rabelais: Œuvres complètes. Paris 1955, S. 25 (Bibliothèque de Pléiade): „Silènes estoient jadis petites boites, telles que voyons de présent ès bouticques des apothecaires, pinctes au-dessus de figures joyeuses et frivoles, comme de harpies, satyres, oysons bridés, lièvres cornuz, canes bastées, boucqs volans, cerfz limonniers et aultres telles pinctures con-trefaictes à plaisir pour exciter le monde à rire (quel fut Silène, maistre du bon Bacchus); mais au dedans l’on réservait les fines drogues comme baulme, ambre gris, amomon, musc, zivette, pierreries et aultres choses précieuses.“

Christine Göttler 262

Zemon Davis hat auf die Vielfalt der Sprachen und Identitäten aufmerksam gemacht, aus denen sich Rabelais’ Werk – selbst eine hybride, groteske, silenische Figur – zusammensetzt.9

Das Wiener Gemälde unterscheidet sich von Rubens’ späteren Darstel-lungen Silens durch das Motiv des Banketts, das ja auch den zentralen Bezugs-punkt bei Platon, Erasmus, Rabelais, Johannes Fischart und Giordano Bruno ausmacht. Rubens orientierte sich an der antiken und frühneuzeitlichen kon-vivialen Kultur, an der, wie Todd Richardson jüngst gezeigt hat, auch Pieter Bruegels Bilder von Bauernbanketten und Bauernhochzeiten entscheidenden Anteil hatten. Diese schmückten zusammen mit anderen Gemälden vorwie-gend die Speisezimmer der merkantilen und kulturellen Elite.10 Antike und

9 Natalie Zemon Davis: Beyond Babel, in: Dies., Timothy Hampton: Rabelais and His Critics.

Berkeley 1998 (The Doreen B. Townsend Center Occasional Papers 10), S. 15–28; Vgl. auch Antónia Szabari: Rabelais Parrhesiastes: The Rhetoric of Insult and Rabelais’s Cynical Mask, in: MLN 120, suppl. (2005), S. 84–123.

10 Todd Richardson: Pieter Bruegel the Elder: Art Discourse in the Sixteenth-Century Netherlands. Farnham 2011 (im Druck), Kap. 2: „Art, Conversation, and the Convivium Tradition“. Mein Dank

Abb. 1: Peter Paul Rubens und Antwerpener Maler: Trunkener Silen, Wien, Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste

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frühneuzeitliche Gastmahlliteratur zeichnete sich durch sprachliche Vielfalt, Fülle und eine kunstvolle Unordnung aus, wobei unter den unterschiedlichen Gesprächsmaterialien auch das Gastmahl selbst und dessen kulinarische und materielle Opulenz sowie gemalte und beschriebene Bankette – und deren co-pia und varietas – die Unterhaltung bestimmten. Der Ort von Rubens’ Bankett, über den noch ausführlich zu sprechen sein wird, ist sowohl der einer bur-lesken, rustikalen Mythologie als auch der einer reichen Sammlung von mit Antwerpen verbundener Kunst („const“), die in den 1610er Jahren auch durch die gemalten Kunstkammern neue Beachtung erzielte. Wie Bruegels Bauern mit ihrer Affinität zu den „rustici“ und Satyrn der antiken und frühneuzeit-lichen Literatur die brabantische Landschaft definierten,11 verkörperte auch Rubens’ Silen niederländische Geschichte und eine (an der Antike orientierte) niederländische künstlerische Identität. Die mit Wein halbgefüllten Gläser und das in Bewegung geratene Geschirr im unmittelbaren Vordergrund des Ge-mäldes verweisen auf eben noch im Bild anwesende Gäste und eine Welt, die sich von derjenigen der „rustici“, der Satyrn und des Silen unterscheidet: Nach der antiken und frühneuzeitlichen mythographischen Literatur pflegte Silen stets nur aus einem Becher zu trinken und verachtete jeglichen Reichtum und Prunk.12 Der gemalte Tumult durchbricht die Fiktion einer fernen mytho-logischen Welt. Die hier verwendeten künstlerischen Strategien entsprechen jener Art von ingenium und Witz, die Karel van Mander im Schilder-boeck von 1604 unter dem Begriff der „bootsicheyt“ als zentrales Element einer von Bosch und Bruegel begründeten Malerei definiert hat. Rubens nahm diese Ele-mente auf; Wie der Wein – das Geschenk des Bacchus – so soll auch Rubens’ „weinrote“, „glühende“ („rubens“) Malerei Witz, Heiterkeit und eine Form

geht an Todd Richardson, der mir das zur Zeit der Niederschrift dieses Beitrags noch un-publizierte Manuskript zur Verfügung gestellt hat. Vgl. auch: Michel Jeanneret: A Feast of Words: Banquets and Table Talk in the Renaissance. Übers. von Jeremy Whiteley und Emma Hughes. Cambridge 1991.

11 Vgl. dazu Stephanie Porras: Producing the Vernacular: Antwerp, Cultural Archaeology and the Bruegelian Peasant, in: Journal of Historians of Netherlandish Art 3:1 (2011), zu finden unter http://www.jhna.org (Stand 31.03.2011). Zur Figur des Bauern in der niederländischen Malerei des 16. Jahrhunderts: Larry Silver: Peasant Scenes and Landscapes: The Rise of Pic-torial Genres in the Antwerp Art Market. Philadelphia 2006, S. 103–132; Margaret A. Sulli-van: Bruegel’s Peasants: Art and Audience in the Northern Renaissance. Cambridge 1994; B. A. M. Ramakers: Bruegel en de rederijkers: Schilderkunst en literatuur in de zestiende eeuw, in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek 47 (1997), S. 81 – 105.

12 Zu der in Antwerpen im frühen 17. Jahrhundert benutzten mythographischen Literatur: Elizabeth McGrath: Artists, their Books, and Subjects from Mythology, in: Carl van de Velde (Hg.), Classical Mythology in the Netherlands in the Age of Renaissance and Baroque. Leuven, Paris, Walpole, MA 2009, S. 301–332; Elizabeth McGrath: Artists and Mythographic Handbooks: Some Evidence of Use and Ownership, in: Rembrandt Duits, François Quiviger (Hgg.), Images of Pagan Gods: Papers of a Conference in Memory of Jean Seznec. London 2009 (Warburg Institute colloquia 14), S. 389–420.

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der urbanitas erzeugen, die sich zudem aus niederländischen Traditionen der rusticitas speist.13

2. Zusammengesetzte Bilder

Im Wiener Gemälde sind figürliche Szene und Stillleben einander gleichwertig gegenübergestellt, wie auch die Doppelnatur des Mischwesens durch die Stirn-hörner, fellbesetzten Ohren und die behuften Bocksbeine hervorgehoben ist. Im späteren, ungleich bekannteren Silen der Alten Pinakothek in München schreitet der alte Halbgott auf menschlichen Beinen daher, wie auch sein Kopf keine der tierischen Merkmale aufweist, wie sie für Satyrn überliefert sind und den Silen der Wiener Akademie charakterisieren.14 Das 158 auf 217 Zentimeter messende Bild ist auf eine Doppelleinwand, ein sogenanntes „twee-dobbelen doeck“, ge-malt, wie es damals für große und aufgrund des Formats auch kostspieligere Gemälde in Antwerpen üblich war.15 Die im Original gut sichtbare vertikale Naht verläuft rechts von der linken Hand des schlafenden Mischwesens in der genauen Mitte der Komposition, die im Bildvordergrund auch durch einen Zweig mit blauen Weintrauben bezeichnet ist. Die zwei Teile stellen verschie-dene Gattungen und Themen der Malerei vor, wie sie auch von zwei oder vielleicht auch von mehr als zwei Künstlern und mit Werkstatthilfe ausgeführt worden sind: links die bacchische Szene mit Rubens’ erstem, virtuos gemalten Silen; rechts das Prunkgeschirr und die Gläser eines Antwerpener Malers, über dessen Identität sich die Forschung nicht einig ist. Aufgrund der sehr hellen gemalten Reflexlichter auf den unterschiedlichen Oberflächen aus Glas und Metall ist das Stillleben schon David Rijckaert II. zugeschrieben worden.

13 Zu Bacchus als dem Gott der Metamorphosen, der unterschiedliche Gestalten annehmen

kann, wie sich auch der aus der Rebe gewonnene Saft durch „Pressen“ in Wein verwandelt: Vincenzo Cartari: Le imagini de i dei de gli antichi [1587]. Hg. von Ginetta Auzzas et al. Vicenza 1996, S. 367. Zur Lachen („risus“) auslösenden Rede zwischen „urbanitas“ und „rusticitas“ vgl. Marcus Fabius Quintilianus: Ausbildung des Redners. Zwölf Reden, hg. und übers. von Helmut Rahn. 2 Bde. Darmstadt 31995, Bd. 1, S. 714–761 (zur „urbanitas“ als Gegenteil der „rusticitas“, S. 720–721: VI 3, 17). Zur Bedeutung von „rubens“ als „vom Weine glühend“: Karl Ernst Georges: Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch. 2 Bde. Darmstadt 1992, Bd. 2, Sp. 2414. Zum künstlerischen Kontext von Rubens’ Silen der Münchner Alten Pinakothek: Svetlana Alpers: The Making of Rubens. New Haven 1995, S. 101–157.

14 Die antiken und frühneuzeitlichen Mythographen haben oft nicht zwischen Silenen (silenoi) und Satyrn (satyroi) unterschieden, die als miteinander verwandte sterbliche Mischwesen galten. Vgl. Gerhild Conrad: Der Silen. Wandlungen einer Gestalt des griechischen Satyr-spiels. Trier 1997 (Bochumer Altertumswissenschaftliches Colloquium 28), S. 20–24.

15 Eine Doppelleinwand oder ein „twee-dobbelen doeck“ besteht aus zwei zusammen-genähten Leinwandstücken, beide von einer Standardbreite von ungefähr eineinhalb Ellen. Vgl. Vander Auwera, Sprang (Hgg.), Rubens: A Genius at Work, S. 151; Ernst van de Wetering: The Canvas Support, in: J. Bruyn et al. (Hgg.), A Corpus of Rembrandt Paintings. Bd. 2: 1631–1634. Dordrecht, Boston, Lancaster 1986, S. 15–43, hier S. 40.

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Rijckaert war 1608 Mitglied der Antwerpener Malergilde geworden und hatte in den frühen 1610er Jahren auch andere Prunkstillleben oder banketjes (gedeckte Tische) gemalt.16 Aber auch andere Namen sind in der Literatur angeführt wor-den, unter anderem Frans Snijders und Paul de Vos.17

Ein Teil der Goldschmiedearbeiten im Vordergrund scheint dabei von Rubens retuschiert, möglicherweise auch angelegt worden zu sein. Der Leopard mit dem Traubenkorb ist hingegen aller Wahrscheinlichkeit nach von Frans Snyders ausgeführt worden, der sich als Maler auf Tiere, Früchte und Gemüse speziali-sierte und mit welchem Rubens in jenen Jahren zusammenzuarbeiten begann. Das sich umarmende Paar (hinter den Gläsern) ist wohl ebenfalls von Rubens ent-worfen, jedoch mit Werkstatthilfe ausgeführt worden. Aus den im Röntgenbild sichtbaren Pentimenti geht hervor, dass das Stillleben ursprünglich eine größere Fläche einnahm. So wurden etwa die behuften Tierbeine des schlafenden Misch-wesens über eine zuvor schon angelegte runde Platte oder Schale gemalt.18 Aller Wahrscheinlichkeit nach war es der Stilllebenmaler und nicht Peter Paul Rubens, der das gemeinsame Werk initiiert hat.

Der Figurenmaler Rubens fand folglich zu seiner ersten Silensfigur in direk-ter Auseinandersetzung mit anderen Antwerpener Malern oder, wie man damals gesagt hätte, mit den „Verschiedenheiten“ („verscheydenheden“) der Antwerpener oder niederländischen Malerei. Zu jenen Verschiedenheiten zählt van Mander im Schilder-boeck neben der „Vollkommenheit in Figuren und Histo-rien“ auch „Tiere, Küchen, Früchte, Blumen, Landschaften, Ornamente (‚Metsel-rijen’), Architekturen (‚Prospectiven’), Gewölbe (‚Compartimenten’), Grotesken, Nachtstücke, Brände, Porträts nach lebenden Personen, Seen und Schiffe“.19 Im Unterschied zu den Historien, denen auch die italienische Kunsttheorie den höchsten Rang zuwies, bezogen sich die anderen „Verschiedenheiten“ auf die Wiedergabe „nach dem Leben“, die Herstellung von Aktualität, wie es van Man-der ja auch bei den Porträts durch den Ausdruck „naer het leven“ („nach dem Leben“) hervorhebt.20 Das Zitat findet sich in der Vorrede im ersten der sechs Bücher von van Manders Schilder-boeck, dem in Versform geschrieben Grondt der

16 Ähnlichkeiten zeigen sich etwa mit einem signierten und 1616 datierten Stillleben, das sich

1996 im Kunsthandel Rafael Valls, London, befand. Eine Abbildung findet sich in RKD (Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie), Datenbank “Images”, Nr. 7560. Für den Hinweis danke ich Nico van Hout, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen.

17 Vgl. etwa Rubens und die flämische Barockmalerei, S. 36–39. Arnout Balis vermutet Frans Snijders als Autor der Prunkgeschirre (mündliche Mitteilung, September 2010).

18 Renate Trnek, Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, hat mir freundlicher-weise Einblick in die Infrarotaufnahmen ermöglicht.

19 Karel van Mander: Den grondt der edel vry schilder-const. Hg. von Hessel Miedema. 2 Bde. Utrecht 1973, Bd. 1, fol. *6r.

20 Vgl. Claudia Swan: Ad vivum, naar het leven, from the life: Defining a Mode of Repre-sentation, in: Word & Image 11 (1995), S. 353–372.

Christine Göttler 266

Edel Vry Schilder-Const (Grundlage der Malerei).21 Das Schilder-boeck ist die erste in niederländischer Sprache verfasste Geschichte und Theorie der niederländischen Malerei, die in ihrer Bedeutung kaum überschätzt werden kann. Neben dem Grondt umfasst sie die Leben der antiken, modernen italienischen und modernen niederländischen und deutschen Maler, eine „Auslegung der Metamorphosen von Ovid“ und eine Anweisung, wie die von Ovid erwähnten Personen und Tiere bildlich darzustellen seien.

Die kunstgeschichtliche Forschung hat Rubens’ Wiener Silen ganz im Gegen-satz zum Silen der Münchner Alten Pinakothek eher spärlich berücksichtigt, wie auch der auffällige doppelte Charakter der Komposition bisher nicht themati-siert worden ist. Die ausführlichste Untersuchung stammt von Hans Gerhard Evers, der das Gemälde in Beziehung zu Michelangelos in Drucken und Kopien damals weit verbreiteten Zeichnung Il Sogno gesetzt und es als Allegorie einer „traumhaften Rauschwelt“ interpretiert hat, die er jedoch nicht näher defi-nierte.22 Nachfolgende Autoren haben den von Evers gegebenen Bildtitel eines „träumenden Silen“ unhinterfragt übernommen. Mein Ausgangspunkt hier sind die in der kunstgeschichtlichen Literatur bisher kaum beachteten, jedoch sehr auffällig präsentierten kostbaren Artefakte, wie sie in Antwerpen gesammelt und zum Teil auch hergestellt wurden: die auf einer Felsenplatte aufgereihten, mit verschiedenen Weinen gefüllten Trinkgefäße aus Glas, Gold und Silber, deren Fragilität durch die raue Unterlage noch hervorgehoben wird; und die zum Teil mit Wappen versehenen Gold- und Silbergeschirre rechts von den Gläsern, von denen einzelne besonders kostbare Stücke von der Felsenplatte herunter- und ineinander fallen – veranlasst durch eine Bewegung außerhalb oder jenseits des Bildes. Die Porzellanschale, die Prunkkanne und die großen Platten in der rechten unteren Bildecke sind in leichter Vergrößerung und sehr detailgenau wiedergegeben, wodurch sich der Eindruck einer starken Nahsicht einstellt.23 Ebenso spielen die aus dem Korb hervorquellenden und – wie jene

21 Walter S. Melion bezieht van Manders Begriff der ‚verscheydenheden’ auf die in den

imperialen Sammlungen Rudolfs II. versammelten Bilder: Shaping the Netherlandish Canon: Karel van Mander’s Schilder-Boeck. Chicago, London 1991, S. 25, 209–211. Zu den niederländischen Genres vgl. auch: Silver, Peasant Scenes and Landscapes, S. 87–102. Weiterhin grundlegend: Jan Bialostocki: Das Modusproblem in den bildenden Künsten: Zur Vorgeschichte und zum Nachleben des ‚Modusbriefes’ von Nicolas Poussin, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 24 (1961), S. 128–141.

22 Evers, Rubens und sein Werk, hier S. 235. 23 Prominent an die Bildgrenze gerückte Gegenstände und Motive finden sich auch in den

Gemälden Pieter Aertsens, die allerdings im Hintergrund von Auslagen mit Produkten des Antwerpener Marktes oft kleinfigurige biblische Szenen zeigen: Reindert Leonhard Falken-burg: On Compositional „Errata“ in Pieter Aertsen’s Peasant Scenes, in: Jeffrey F. Ham-burger, Anne S. Korteweg (Hgg.), Tributes in Honor of James H. Marrow: Studies in Painting and Manuscript Illumination of the Late Middle Ages and Northern Renaissance. London 2006, S. 197–205; Elizabeth Alice Honig: Painting and the Market in Early Modern

„Bootsicheyt“ 267

des Zeuxis – täuschend lebensnah gemalten Trauben mit der Bildgrenze. Die gemalte Fiktion einer mit Schätzen und Preziosen gefüllten, halb unterirdischen Grotte verdoppelt und kommentiert auch einen konvivialen Raum jenseits der Bildgrenze, der, so kann man annehmen, dem Weingenuss und dem Kunst-gespräch gedient hat.

Den lokalen, mit der Kunst Antwerpens verbundenen Artefakten fügte Rubens seine neuen mythologischen Inventionen hinzu, die das bacchische Hauptthema – den Weingenuss – variieren: das Liebespaar im Hintergrund rechts; die Frau mit der Satyr- oder Silensmaske auf dem Kopf, die mit ihren Händen den Saft von Trauben in eine gläserne Schale presst; 24 den wie Bacchus mit einem Weinrebenkranz geschmückten jungen Mann, der mit geröteten, auf-geblähten Wangen aus dieser Schale trinkt. Die unterschiedlichen Formen der imbibitio, des Trinkens, Einsaugens, in sich Aufnehmens beziehen sich, so meine These, gleichermaßen auf den Wein und die Trauben (die etwa der aus dem Bild schauende Leopard genüsslich verzehrt25) als auch auf spezifisch nieder-ländische Formen des künstlerischen ingeniums und der künstlerischen Inspi-ration, auf die hier noch ausführlich eingegangen werden soll. Imbibitio, die phy-sische Absorption und Durchdringung, war ein Schlüsselbegriff der nieder-ländischen Kunsttheorie um 1600. Rubens hat in dem nur durch Abschriften überlieferten Traktat De imitatione statuarum von der „imbibitio“, der „Einverleibung“ antiker Statuen gesprochen.26 Ebenso hat van Mander über den

Antwerp. New Haven, London 1998, S. 19–52; Victor I. Stoichita: L’Instauration du tableau: Métapeinture à l’aube des temps modernes. Genf 21999; Sergiusz Michalski: Fleisch und Geist: Zur Bildsymbolik bei Pieter Aertsen, in: Artibus et historiae 22 (2001), S. 167–186.

24 Das Motiv des Traubenpressens bezieht sich auf die ‚Erfindung’ des Weins, die man in der antiken und frühneuzeitlichen Mythographie mit Bacchus verband. Vgl. Cartari, Le imagini, S. 367: „[...] ne fu creduto il ritrovatore [del vino], mostrando a’ mortali già da principio come si avevano da raccoglier l’uve dalle viti e spremere il dolce succo tanto grato et utile ancora a chi temperatamente l’usa [...].“ In dem wohl wenige Jahre später entstandenen Gemälde eines Trunkenen Silen im Palazzo Durazzo Pallavicini in Genua presst ein junger Mann die Trauben des Rebenkranzes des Silen. Vgl. Christine Göttler: Rubens’s ‚Ecce Homo’ and ‚Derision of Silenus’: Classical Antiquity, Images of Devotion, and the Ostenta-tion of Art, in: Reindert Falkenburg, Walter S. Melion, Todd M. Richardson (Hgg.), Image and Imagination of the Religious Self in Late Medieval and Early Modern Europe. Turnhout 2007 (Proteus: Studies in Early Modern Identity Formation 1), S. 427–483, bes. S. 458–465; Il Palazzo Durazzo Pallavicini. [Bologna] 1995, S. 167–172, Kat. 63 (Michael Jaffé).

25 Wie die Satyrn und Silene wurden auch Leoparden aufgrund ihrer Trinklust dem Gefolge des Bacchus zugeordnet. Karel van Mander: Uytbeeldinge der Figueren: waer in te sien is / hoe d’Heydenen hun Goden uytghebeeldt en onderscheyden hebben, in: Ders.: Het Schilder-boeck. Haarlem: Jacob de Meester, 1604, fol. 129v („Van het Panther-dier, en zijn beteyckeninghe“): „Het Panther-dier / by eenighe verstaen den Lupard / een heet Dier / beteyckent dronckenschap / en is Baccho toeghewijdt: want het Panther-dier wort van den Iaghers droncken ghemaeckt / die hem vooren stellen eenighen Wijn in t’veldt / daer het seer lustigh nae is / valt droncken neder / en laet hem vanghen.“

26 Zu Rubens’ Theorie der Nachahmung vgl. Jeffrey M. Muller: Rubens’s Theory and Practice

Christine Göttler 268

Malerwitz („schilder-gheest“, ingenium) geschrieben, dass dieser „beim Genuss der ersten Luft [...] eingesogen und eingeschlürft“ werde.27 Die bacchusähnliche Figur in Rubens’ Gemälde führt dieses Einsaugen und Einschlürfen subtiler Geister exemplarisch vor.

3. Kunsturteile

Unterschiedliche Hände, Begabungen und Spezialisierungen vereinende Bilder hatten in Antwerpen eine bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts zurück reichende Tradition. Dass ein Gemälde von mehreren Autoren in gemeinsamer Arbeit ausgeführt wurde, erhöhte dessen künstlerischen Wert, wie ja auch das Erkunden und Beurteilen verschiedener malerischer Stile dem dilettierenden Kunstlieb-haber einen angenehmen Zeitvertreib bot. Die von zwei oder mehreren Malern

of the Imitation of Art, in: The Art Bulletin 64 (1982), S. 229–247; Andreas Thielemann: Ru-bens’ Traktat „De imitatione statuarum“, in: Peter Seiler, Ursula Rombach (Hgg.), Imitatio als Transformation: Theorie und Praxis der Antikennachahmung in der frühen Neuzeit. Petersberg 2012, S. 95–150.

27 Mander, Den grondt der edel vry schilder-const, Bd. 1, fol. *5v: „[...] die in’t ghenieten van der eerster Locht uyt soo goede gesterten hebben ghesoghen / oft ingheslorpt een gantsche toegheneghentheyt / in onse Schilder-const behendigh te wesen [...].“ Zum Begriff ingenium vgl. J. Engels: Ingenium, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Hg. von Gert Ueding. Bd. 4. Darmstadt 1998, Sp. 382–417.

Abb. 2: Peter Paul Rubens und Frans Snyders: Die Erkennung des Philopoemen, Madrid, Museo Nacional del Prado

„Bootsicheyt“ 269

ausgeführten Gemälde waren in den seltensten Fällen signiert, Liebhaber und Kenner der Malerei vielmehr aufgefordert, Stile und Sujets mit einzelnen Künst-lern und Künstlerfamilien zu verbinden. Ebenfalls 1612 oder 1613 führten Rubens und Snyders ein relativ großformatiges Leinwandgemälde in gemeinsamer Arbeit aus, das die „Verschiedenheiten“ und neu erworbenen Fähigkeiten der wenige Jahre zuvor aus Italien nach Antwerpen zurückgekehrten Antwerpener Maler einer wohlhabenden Käuferschicht vorstellte (Abb. 2). Die von Rubens gemalte Ölskizze im Louvre macht deutlich, dass in diesem Fall der Entwurf vom Figurenmaler stammte, der jedoch, nach dem Vorbild von Aertsen und Beucke-laer, dem toten Wild, Obst und Gemüse, das von Snyders ausgeführt werden soll-te, mehr Raum zuwies als seiner eigenen, in der Hierarchie der Künste höher bewerteten Historie (Abb. 3).28 Rubens’ dramatische Affektmalerei bezieht sich auf eine selten dargestellte Anekdote aus Plutarchs Leben des Philopoemen, in der es, wie schon bei Silen, um die äußerliche Hässlichkeit des größten aller Feldherrn geht, der darüber hinaus allen überflüssigen Prunk vermied. Wegen seiner „schlechten Kleider“ wurde Philopoemen von der Wirtin einer Gaststätte in der antiken Hafenstadt Megara für einen Diener des großen Feldherrn gehalten, den man für den Abend erwartete. Sie bat ihn daher, ihr beim Zurüsten des Nacht-mahls behilflich zu sein, worauf hin er willig Holz zu spalten begann.29 Als der Irrtum mit Entsetzen erkannt und Philopoemen gefragt wurde, was er denn täte, entgegnete dieser, dass er mit dieser Arbeit den Preis für seine Hässlichkeit be-zahle. Rubens mochte das nur wenigen Kennern und Kunstliebhabern bekannte antike Exemplum von der Täuschungskraft der äußeren Erscheinung dazu be-nutzt haben, seine eigene und Snyders Malerei als eine dem Philopoemen ver-wandte ‚silenische’ Malerei zu empfehlen, die gerade dem scheinbar niedrigen beziehungsweise hässlichen Sujet den Glanz der Neuheit verlieh.

28 Zum Gemälde und der vorbereitenden Ölskizze vgl. María Dolores Gayo García, Alejandro

Vergara: Filopómenes reconocido por unos ancianos en Megara, de Rubens y Snyders, in: Boletín del Museo del Prado 22 (2004), S. 26–37; Julius Held: The Oil Sketches of Peter Paul Rubens. 2 Bde. Princeton 1980, Bd. 1, S. 374–375; Hella Robels: Frans Snyders: Stilleben- und Tiermaler, 1579–1657. München 1989, S. 118–119.

29 Im Folgenden konsultierte ich: Plutarchus: Von den herrlichsten, löblichsten, namhafftesten Historien, Leben, Handlungen und ritterlichen Thaten der mannlichsten Helden und herr-lichsten Männer. Übers. von Guilielmus Xylandrus und Jonas Löchinger. Frankfurt a.M. 1616, S. 142.

Christine Göttler 270

Mit solchen Formen der Zusammenarbeit zwischen gleichrangigen Künstlern hat sich Rubens fast ausschließlich in den ersten Jahren nach seiner Rückkehr aus Italien beschäftigt, als er seine Werkstatt erst aufzubauen begann. In jenen Jahren begann er die lokalen, niederländischen Traditionen der Malerei mit einem in Italien gesammelten Künstlerwissen neu zu erkunden. Rubens war einer der wenigen niederländischen Maler, der sich in Italien erfolgreich gegen die ein-heimische Konkurrenz durchzusetzen vermochte und Aufträge von den bedeu-tendsten kirchlichen Institutionen in Genua, Mantua und Rom erhielt. Schon früh hatte er sich als Historienmaler im großen Format stilisiert, wie ihm auch von der italienischen Kunstkritik schon zu Lebzeiten zugestanden wurde, dass er in der „buona maniera Italiana“ – also wie ein guter italienischer Künstler – arbeitete.30 1609 war er von den Erzherzögen Albert und Isabella zum Hofkünstler ernannt worden, und die guten Beziehungen zum spanischen Hof in Brüssel erleichterten ihm wiederum den Zugang zur wohlhabenden Oberschicht Antwerpens. Die in Antwerpen lebenden Kaufleute und Bankiers verliehen ihrer Kunstliebe und ihrer Liebe zur Stadt durch den Kauf von in Antwerpen hergestellter ‚Kunst’ sichtbaren

30 Baglione, Vite, Bd. 1, S. 362–364 [264–266].

Abb. 3: Peter Paul Rubens: Die Erkennung des Philopoemen, Paris, Musée du Louvre

„Bootsicheyt“ 271

Ausdruck. Neben der Ausstattung von Kirchen und privaten Kapellen gewann auch die private Sammlung zunehmend an Bedeutung. Mit großer Wahrschein-lichkeit war auch Rubens’ Wiener Gemälde in einem der größeren öffentlichen Räume eines Antwerpener Wohnhauses oder Palastes zu sehen.

Knapp zwanzig Jahre nach der Fertigstellung des Wiener Silen wurde eine Version des Wiener Bildes Bestandteil einer fiktiven gemalten Sammlung, näm-lich Willem van Haechts um 1630 datierter Kunstkammer in Den Haag. Van Haechts Apelles in der Kunstkammer in Den Haag ist das ambitionierteste Beispiel dieses neuen Bildtypus, der ebenfalls in den 1610er Jahren in Antwerpen er-funden worden war (Abb. 4).31 Van Haecht selbst bezeichnete das Mauritshuis Gemälde in seinem Testament als seine „größte Kunstkammer“ („grootste

31 Zu Van Haechts Kunstkammern und der Antwerpener Gattung gemalter Kunstkammern

vgl.: Ariane van Suchtelen, Ben van Beneden (Hgg.), Rooms for Art in Seventeenth-Century Antwerp. Ausst.-Kat. Rubenshuis, Antwerpen, 28. Nov. 2009 – 28. Feb. 2010, Mauritshuis, Den Haag, 25. März – 27. Juni 2010. Zwolle 2009, S. 58–92 (zur Kunstkammer mit Apelles und Campaspe, S. 74–83 (mit Angabe der älteren Literatur)). Zur Kunstkammer als Ort der Inszenierung optischen Wissens vgl. Sven Dupré: Trading Luxury Glass, Picturing Collec-tions and Consuming Objects of Knowledge in Early Seventeenth-Century Antwerp, in: Intellectual History Review 20 (2010), S. 53–78. Vgl. weiter Honig, Painting and the Market, S. 170–212; Zirka Zaremba Filipczak: Picturing Art in Antwerp, 1550–1700. Princeton 1987, S. 58–72.

Abb. 4: Willem van Haecht: Apelles malt Campaspe, Den Haag, Mauritshuis

Christine Göttler 272

constcamere“). Die gemalten Kunstkammern inszenierten die Geschichte und Identität der jungen, durch den internationalen Seehandel groß gewordenen Stadt, die sich seit dem frühen 16. Jahrhundert aus dem Reichtum an Gütern und Wissen definierte.

Die Wände dieser Kunstkammer sind mit flämischen und einzelnen italieni-schen Gemälden dicht behängt, unter den letzteren ragen Werke von Tizian (†1576), Correggio (c. 1489–1534) und Sebastiano del Piombo (1485–1547), aber auch zeitgenössischer Künstler wie Domenichino (1581–1641) und Guido Reni (1575–1642) heraus. Besonders kostbare Gemälde wie Renis Kleopatra und Ru-bens’ Amazonenschlacht sind mit Vorhängen versehen, die zur Seite gezogen sind. Die Antwerpener Malerei wird auch von Bewohnern fremder und neuer Welten als ‚Neuheit’ erfahren, jener Welten, deren ‚Entdeckung’ durch nieder-ländische und spanische Technologien erst ermöglicht worden war. Im Hinter-grund links vermisst etwa ein europäischer Gelehrter mit dem Zirkel einen Glo-bus, eine scientia, die wie die scientia der Antwerpener Malerei Staunen auslöst.

Im Vordergrund wird eine berühmte, von Plinius überlieferte Anekdote der hohen Wertschätzung der Malerei in einer zeitgenössischen Antwerpener Umgebung neu inszeniert. Der große griechische Künstler Apelles malt mit genau vier Farben (wie es für seine Pa-lette überliefert ist) ein Porträt der Ge-liebten Alexanders des Großen, Cam-paspe.32 Alexander, der Apelles bei der Arbeit zuschaute, bemerkte, dass die-ser während des Malens in Liebe zu Campaspe entbrannte. Er gab folglich Campaspe seinem Hofmaler zum Ge-schenk, aus Wertschätzung für die ho-he Kunst der Malerei. Apelles’ Staffelei ist unter dem prominenten Hauptbild der gemalten Kunstkammer zu sehen, der Amazonenschlacht von Rubens, der in jenen Jahren längst als der Apelles

von Antwerpen galt. Ebenfalls an kompositorisch wichtiger Stelle, in der rechten oberen Ecke der rechten Bilderwand, findet sich das zweite Rubens zuge-schriebene Gemälde in van Haechts Kunstkammer, eine Version des Wiener Silen

32 C. Plinius Secundus d. Ä.: Naturkunde, Buch 35: Farben, Malerei, Plastik. Hg. von Roderich

König in Zusammenarbeit mit Gerhard Winkler. Darmstadt 21997, S. 70 – 73 (§ 86). Nach Plinius’ Text malte Apelles Campaspe „wegen ihrer bewunderungswürdigen Gestalt“ nackt.

Abb. 5: Willem van Haecht: Apelles malt Campaspe (Detail), Den Haag, Mauritshuis

„Bootsicheyt“ 273

(Abb. 5). Dass nur ein Teil der Komposition wiedergegeben ist, wird durch das Fehlen der rechten Rahmenleiste deutlich gemacht. Rubens’ Schlafender Silen ist neben einem berühmten Gemälde Correggios zu sehen, das Rubens mit Sicherheit am Mantuaner Hof gesehen, vielleicht sogar für die Sammlung von Rudolf II. in Prag kopiert hat.33 Es zeigt einen bocksfüßigen Satyr, der sich mit begehrlichen Blicken der in einer Waldlichtung neben dem Amorknaben schlafenden Venus nähert. In Rubens’ Wiener Gemälde wird umgekehrt ein bocksfüßiger Silen von einem jungen Mann und einer jungen Frau im Schlaf überrascht, wobei die von der Frau auf dem Kopf getragene rote Silensmaske auch auf die Täuschungskraft der Malerei verweist.34 Van Haechts Bild im Bild zeigt selbst die im originalen Gemälde von Rubens besonders hervorgehobenen Tropfen auf Schulter und Nacken des Silen, ein Motiv, das die antike und frühneuzeitliche Kunsttheorie mit malerischer Virtuosität verband. Im Unterschied zum Wiener Gemälde ist in diesem Bild im Bild hinter Silen ein Baum vor einer Landschaft zu erkennen.

Eine ebenfalls von Willem van Haecht signierte, kleinere und leicht ver-änderte Version der Kunstkammer mit Apelles und Campaspe zeigt nun einen grö-ßeren Teil von Rubens’ Gemälde mit dem schlafenden Silen. Neben dem Misch-wesen ist hier ein Tisch mit einem Früchtestillleben sowie einigen wenigen Prunkgefäßen zu erkennen (Abb. 6).35 Im Antwerpen des frühen 17. Jahrhun-derts gab es folglich mehrere Versionen von Rubens‘ mythologischer Invention. Im Gemälde der Wiener Akademie sind die von der Natur hervorgebrachten Produkte der Erde durch eine Sammlung kunstvoller Artefakte ersetzt, welche auch auf die in Antwerpen ausgeübten Künste verweisen. Jenen Künsten wen-den wir uns jetzt zu.

33 Vgl. Jeremy Wood: Rubens: Copies and Adaptations from Renaissance and Later Artists:

Italian Artists, Bd. 1: Raphael and His School. London 2010 (Corpus Rubenianum Ludwig Burchard 26(2)), S. 41–42. Zu Correggios Schlafender Venus mit Cupido und einem Satyr: David Ekserdjian: Correggio. New Haven 1997, S. 272–274; Marcin Fabiański: Correggio’s Venus, Cupid and a ‚Satyr’: Its Form and Iconography, in: Artibus et historiae 17 (1996), S. 159–173.

34 Zur Maske vgl. auch Eckhard Leuschner: Persona, Larva, Maske. Ikonologische Studien zum 16. bis frühen 18. Jahrhundert. Frankfurt a.M. et al. 1997 (Europäische Hochschul-schriften XXVIII/292), hier S. 86–87.

35 Peter Schoon, Sander Paarlberg (Hgg.), Greek Gods and Heroes in the Age of Rubens and Rembrandt. Ausst.-Kat. National Gallery / Alexandros Soutzos Museum, Athen, 28. Sep. 2000 – 8. Jan. 2001. Dordrecht 2000, S. 214–215, Kat. 29; Heiner Borggrefe et al. (Hgg.), Hans Rottenhammer: Begehrt – vergessen – neu entdeckt. Ausst.-Kat. Weserrenaissance-Museum Schloss Brake, Lemgo, 17. August – 16. November 2008. München 2008, S. 150, Kat. 54 (Thomas Fusenig); Important Old Master Paintings. New York, 28. Januar 2010. Sotheby’s. Lot Nr. 169, S. 66–77.

Christine Göttler 274

Die von mir so ausführlich besprochenen gemalten Kunstkammern van Haechts entwerfen einen Kontext der Rezeption von Rubens’ Gemälde mit Silen, der sich auf die Vielfalt der Künste und Wissenschaften im Antwerpen des frühen 17. Jahrhunderts bezieht. Darüber hinaus dokumentieren sie den anhaltenden Wert, den man in Antwerpen mit Rubens’ früher bacchischer Komposition ver-band. In van Haechts gemalten Kunstkammern verkörpert die Kunst der Malerei die ‚scientia’ oder ‚const’, der die Stadt im frühen 16. Jahrhundert ihren Aufstieg zum Handelszentrum verdankte. Nach der Blockade der Schelde durch die Flotte der nördlichen (protestantischen) Provinzen verlor der internationale Seehandel für Antwerpen an Bedeutung, und die städtische Ökonomie verlagerte sich vermehrt auf die Herstellung von und den Handel mit Luxusgütern. Mit der Malerei erlebten auch hochspezialisierte Kunsthandwerke – wie die Gold-schmiedekunst und die Kunst des Glasmachens – einen neuen Aufschwung. Kunsthandwerke standen schon im Antwerpen des 16. Jahrhunderts in hohem Ansehen. Der italienische Kaufmann und Humanist Ludovico Guicciardini hebt in seiner Beschreibung der Niederlande (Descrittione di tutti i Paesi Bassi) von 1567 unter den in Antwerpen ausgeübten Künsten die Malerei, Goldschmiedekunst und die Kunst des Glasmachens besonders hervor. 124 Goldschmiede lebten, so Guicciardini, um 1560 in Antwerpen, welche „wunderschön und künstliche arbeit machen, und [...] großmechtigen handel mit köstlichen Kleinoten und Edlem geschmucke treiben. Es werden auch in dieser Statt mehr dann inn keiner andern

Abb. 6: Willem van Haecht: Apelles malt Campaspe, New York, 28. Januar 2010. Sotheby’s

„Bootsicheyt“ 275

Provintz gefunden.“36 Antwerpener „silberwerk“, so Guicciardini, sei in Spanien, Portugal und England besonders begehrt.37 Guicciardini erwähnt weiter die damals von Jacopo Pasquetti aus Brescia geleitete Antwerpener Glashütte, die er einen „wunderbaren Ofen“ (mirabil fornace) nennt, „wo man wunderschönste Kristallgläser auf venezianische Art in großer Anzahl“ herstelle. 38

36 Ich zitiere nach: Ludovico Guicciardini: Niderlands Beschreibung. Übers. von Daniel Feder-

mann. Basel: Sebastian Henricpetri, 1580, S. 135. Archivalische Dokumente bestätigen die von Guicciardini genannten Zahlen. Vgl. J. F. Hayward: Virtuoso Goldsmiths and the Triumph of Mannerism, 1540–1620. London 1976, S. 281–282.

37 Guicciardini, Niderlands Beschreibung, S. 143–144. 38 Ich zitiere nach: Ferdinand W. Hudig: Das Glas. Amsterdam 1923, S. 15: „La mirabil fornace

ove si fanno tutte sorte di vitri cristallini alla vinitiana stata fondata con grande spesa e con diversi privilegi del Re.“ Zu Herstellung und Vertrieb von Glas à la façon de Venise in Antwerpen vgl. Johan Veeckmann, Claire Dumortier: La production de verres à Anvers: Les données historiques, in: Johan Veeckman (Hg.), Majolica and Glass from Italy to Antwerp and Beyond: The Transfer of Technology in the 16th–Early 17th Century. Antwerpen 2002, S. 69–78; Johan Veeckman: Production and Consumption of Glass in 16th and Early 17th Century Antwerp: The Archeological Evidence, in: Ders. (Hg.), Majolica and Glass, S. 79–93.

Abb. 7: Frans van den Wyngaerde nach Peter Paul Rubens: Trunkener Silen,London, The British Museum

Christine Göttler 276

Wohl in den frühen 1640er Jahren verfertigte der Antwerpener Illustrator, Verleger und Kunsthändler Frans van den Wyngaerde (1614–1679) eine Radierung, die Rubens’ mythologische Invention, wie sie heute in Wien zu sehen ist, einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machte (Abb. 7). Nach der Bildunterschrift hat Rubens die Komposition gemalt („pinxit“), während van den Wyngaerde sie radiert („mit Säure hergestellt“) und veröffentlicht hat.39 Der Druck gibt Rubens’ Gemälde mit großer Genauigkeit wieder. Deutlich zu erken-nen ist der aus der Höhle emporwachsende knorrige Baum, der im nachge-dunkelten Gemälde kaum mehr unterschieden werden kann. Dass van den Wyngaerde die Autorschaft eines in gemeinschaftlicher Arbeit zweier oder mehrerer Maler entstandenen Gemäldes ausschließlich Rubens zuwies, hing nicht zuletzt mit dem Verkaufsgespür des erfolgreichen Verlegers zusammen. Der Ruhm des schon zu Lebzeiten berühmtesten Antwerpener Künstlers ver-größerte sich nach dessen Tod im Jahr 1640. Wie van Haechts gemalte Kunst-kammern vermittelte auch van den Wyngaerdes Druck eine spezifische Lesart von Rubens’ Komposition. In Rubens’ Gemälde ist im Zentrum des Prunk-beckens mit den maritimen Darstellungen und den Buckeln in der Kehle das Maskaron einer weiblichen Seegottheit zu sehen. In Wyngaerdes Druck findet sich aufgrund der Seitenverkehrung das Prunkbecken im Bildvordergrund links, gleich über der Bildunterschrift „Petrus Paulus Rubens pinxit“. Wyngaerde veränderte jedoch das Maskaron der weiblichen Seegottheit in das Fratzengesicht eines Satyrs mit langen, spitz zulaufenden Ohren und Stirnhörnern, wie er auch am Henkel der Prunkkanne einen Satyrkopf an-brachte. Wyngaerde unterstrich dadurch die satyrhaften und grotesken Elemente von Rubens’ Komposition, um die es uns im Folgenden geht.

4. Die Maske des Silen

Rubens hat sich für den beleibten Körper des Wiener Silen von einer frühen Krei-dezeichnung anregen lassen, die er während seines Aufenthalts in Rom nach einer heute in Dresden befindlichen Skulptur geschaffen hat (Abb. 8).40 Die merkwürdige, halb sitzende, halb liegende Stellung der monströsen Gestalt ist nach dem Torso von Belvedere entworfen, dem durch Michelangelo berühmt gewordenen Fragment einer kolossalen Skulptur, das Rubens während seines Aufenthalts in Rom

39 Die Bildunterschrift lautet: „Petrus Paulus Rubenius pinxit [links]. Franciscus vanden

Wijngaerde fecit aqua forti excudit Antverpiae [rechts]“. Konrad Renger, Gerd Unverfehrt (Hgg.): Rubens in der Graphik. Ausst.-Kat. Kunstgeschichtliches Seminar, Göttingen, 13. Mai – 19. Juni 1977, Niedersächsisches Landesmuseum, Hannover, 28. Juni – 7. Aug. 1977, Stadtgeschichtliche Museen, Nürnberg, 10. Sep. – 30. Okt. 1977. Göttingen 1977, S. 124, Kat. 87 (Konrad Renger).

40 Marjon van der Meulen, Rubens’ Copies after the Antique. Hg. von Arnout Balis. 3 Bde. London 1994–1995 (Corpus Rubenianum Ludwig Burchard 23), Bd. 2, S. 50–51, Kat. 28; Bd. 3, Abb. 58; Julius Held: Rubens: Selected Drawings. Oxford 21986, S. 81 (zu Kat. 37).

„Bootsicheyt“ 277

wiederholt kopiert hat.41 Die gegen-über dem antiken Vorbild gesteigerten Dehnungen und Verschiebungen des Körpers sind mit tiefen bläulichen und rötlichen Untermalungen akzentuiert. Glanzlichter betonen die lichtdurch-lässige Qualität der Haut, mit deren malerischer Wiedergabe sich Rubens auch theoretisch beschäftigt hat. Am efeubekränzten, auf die Brust gesun-kenen schweren Haupt lässt sich Ru-bens’ Mischgestalt genauer bestim-men. Stirnglatze, knollige Nase und wulstige Lippen identifizieren ihn als den alten Silen, den Pflegevater und Lehrer des Weingottes Bacchus. Der alte Silen zeichnete sich vor den ge-wöhnlichen oder jungen Silenen (den Satyrn) durch pädagogische Talente, die Gaben der Poesie und Prophetie sowie eine unbändige Trinklust aus.42 Rubens beobachtete mit medizinisch-physiologischem Interesse die körper-lichen Symptome der Intoxikation: die aufgeblähten und geröteten Wangen, die verdrehten Augen unter den fast geschlossenen Lidern, den halbgeöffneten Mund, der den Blick auf Zunge und Zähne freigibt und aus dem Speichel fließt (Abb. 9). Silens Schlaf ist so schwer, dass er die zwei Gestalten in seinem Rücken kaum wahrzunehmen scheint. Ein mit einem Kranz aus Weintrauben und Weinblättern bekrönter junger Mann trinkt aus einer gläsernen Schale den Saft, den eine junge Frau aus den Trauben presst. Die spitzbärtige, spitzohrige und stumpfnasige Silensmaske, welche die Frau auf dem Kopf trägt, verdoppelt und karikiert das Gesicht des schlafenden Silen. Durch die Schrägsicht von unten ist sie zudem in grotesker Weise verzerrt. Zwar finden sich häufig Masken in antiken und früh-neuzeitlichen bacchischen Szenen,43 doch ist Rubens’ auffällig rot gefärbte und an auffälliger Stelle im Bild platzierte Maske mehr als nur ein bacchisches Attribut. Die Maske definiert auch den spezifischen Modus von Rubens’ Malerei – nämlich den einer lachenden Satire, mit ihrer Affinität zu Witz und Ironie.

41 Van der Meulen, Rubens’ Copies, Bd. 2, S. 56–58, Kat. 37; Bd. 3, Abb. 75. 42 Zur Silensikonographie und deren Verwendung für das Sokratesbildnis: Paul Zanker: Die

Maske des Sokrates: Das Bild des Intellektuellen in der antiken Kunst. München 1995, S. 38–45.

43 Leuschner, Persona, Larva, Maske, S. 75–92.

Abb. 8: Peter Paul Rubens: Statue des Silen, Orléans, Musée des Beaux-Arts

Christine Göttler 278

In Cesare Ripas Iconologia – einem weit verbreiteten Handbuch zur Dar-stellung von Personifikationen und Allegorien – wird die Maske mit der Nach-ahmung (imitatione) verknüpft und als Attribut neben anderen Personifikationen der Komödie (Commedia) und dem Gelächter (Riso) zugeordnet. Aufgabe der „commedia vecchia“ sei nach Horaz, Gelächter („riso“) und Spott („sciocchez-za“) über die Laster und Handlungen der Menschen zu erzeugen; die Maske des Gelächters wird folglich von Ripa als ein „verzerrtes und hässliches Gesicht“ („faccia distorta e brutta“) beschrieben.44 Rubens selbst hat sich in einer Reihe von nur noch in Kopien überlieferten Zeichnungen von Doppelhermen mit den Masken und Physiognomien poetischer Gattungen auseinandergesetzt. So weist etwa eine mit „Comedia“ und „Tragedia“ überschriebene Doppelherme der Ko-mödie eine Silensmaske zu (Abb. 10). Auf einer anderen Zeichnung, die De-mokrit und Heraklit als Doppelherme vorstellt, ist vermerkt, dass die Züge Demokrits, des lachenden Philosophen, einem Silen ähnlich gestaltet werden

44 Ich zitiere nach Cesare Ripa: Iconologia [...] ampliata ultimamente dallo stesso autore di 200

imagini, e arricchita di molti discorsi pieni di varia eruditione; con nuovi intagli, e con Indici copiosi nel fine. Siena: Heredi di Matteo Florimi, 1613, S. 110 („commedia vecchia“), 199 („riso“). Eine „maschera ridicolosa“ hält auch die Muse Thalia in den Händen, welche für die Komödie steht: Ripa, Iconologia, S. 77.

Abb. 9: P. P. Rubens und Antwerpener Maler: Trunkener Silen (Detail), Wien, Gemäldegalerie

Abb. 10: Nach P. P. Rubens: Doppelmaske mit Komödie und Tragödie, London, Courtauld Institute Galleries

„Bootsicheyt“ 279

sollten.45 Rubens’ das Gesicht eines satyrhaften Silen karikierende und ver-zeichnende Maske verweist zudem auf die am Anfang des 17. Jahrhunderts gerade in den Niederlanden diskutierte etymologische Verbindung von Satire und Satyr.46 Dass es im Wiener Gemälde um eine Kunst des capriccio geht, zeigen auch die für einen alten Silen ungewöhnlichen Bocksfüße – die capripedes – an, die Rubens, wie schon erwähnt, über eine vom Stilllebenmaler angelegte runde Schüssel gemalt hat.

Die niederländischen Humanisten des späten 16. und 17. Jahrhunderts grif-fen vielfach auf Formen der römischen Satire zurück, die sich einer proteus-haften Vielfalt literarischer Gattungen bediente.47 Justus Lipsius hatte mit seiner Prosasatire Satura Menippaea. Somnium (Menippeische Satire. Traum) von 1581 die menippeische Satire und die Verbindung von Traum und Satire wiederbelebt.48 Im 1612 in Löwen erschienenen Traktat De Satyra Horatiana (Über die horaz-ianische Satire) hat der niederländische Dichter und Philologe Daniel Heinsius (1580–1655) die Satire neu definiert und sie aufgrund ihres niedrigen Sprach-registers in die Nähe der Komödie und des Satyrspiels gerückt. Vorrangige Aufgabe der Satire sei es nicht, die menschlichen Laster zu geißeln, sondern vielmehr zu scherzen und zu spotten („ridere“, „iocari“); sie soll Gelächter („risus“) hervorrufen; ihre Haupteigenschaften seien die sokratische Verstellung („dissimulatio“) und Ironie („ironia“).49 Rubens selbst hat seinen Garten den

45 London, Courtauld Institute, MS Johnson, fol. 121r und 123r. Die originalen Zeichnungen

datieren um 1617–1618: Elizabeth McGrath: Rubens. Subjects from History. Hg. von Arnout Balis. 2 Bde. London 1997 (Corpus Rubenianum Ludwig Burchard 13), Bd. 1, S. 103–104; Elizabeth McGrath: Rubens’s Musathena, in: Journal of the Warburg and Courtauld Insti-tutes 50 (1987), S. 233–245.

46 Helmut Arntzen: Satire, in: Ästhetische Grundbegriffe. Hg. von Karlheinz Barck. Bd. 5. Stuttgart, Weimar 2003, S. 345–364. Gegen Isaac Casaubonus leitete Daniel Heinsius das römische Wort „satura / satira“ von den Satyrn her, die Spott verkörperten: Eckart Schäfer: Die anonymen menippeischen Satyren auf Scioppius, in: Eckard Lefèvre, Eckart Schäfer (Hgg.), Daniel Heinsius. Klassischer Philologe und Poet. Tübingen 2008 (Neo Latina 13), S. 249–276, hier. S. 269–272. Zur Herkunft und Verwendung der Begriffe „satura“ und „satyra“ vgl. auch Barbara Könneker: Satire im 16. Jahrhundert. Epoche – Werke – Wirkung. Mün-chen 1991, S. 12, 24–33.

47 Werner Suerbaum (Hg.), Die archaische Literatur von den Anfängen bis Sullas Tod. Die vorliterarische Periode und die Zeit von 240 bis 78 v.Chr. München 2002 (Handbuch der lateinischen Literatur der Antike 1), S. 302.

48 Schäfer, Die anonymen menippeischen Satyren, S. 270–271. Zum Rückgriff auf die menippeische Satire im 16. und 17. Jahrhundert: Ingrid A. R. De Smet: Menippean Satire and the Republic of Letters 1581–1655. Genf 1996 (Travaux du Grand Siècle 2), S. 87–116 („,Somnium Satyricum’: The Literary Development and Socio-Political Function of the Dream-Framework“).

49 Thorsten Burkard: Heinsius’ De satyra Horatiana Liber von 1612, in: Lefèvre, Schäfer (Hgg.), Daniel Heinsius, S. 277–295. Heinsius hat in einem 1609 verfassten, Peter Paul Rubens zur Hochzeit gewidmeten Gedicht diesen erstmals einen Apelles genannt, der selbst die griechi-schen Maler Parrhasios und Apelles in den Schatten stelle.

Christine Göttler 280

Bereichen der „alten Komödie“ und des „Satyrspiels“ zugeordnet, indem er am Eingangsportikus Satyrn anbringen ließ, die Inschriftentafeln mit Zitaten aus der zehnten Satire Juvenals hochhalten.50 Rubens’ Wiener Silen gehört ebenfalls dem Bereich der Komödie an, wie sich auch Rubens hier als silenischer Künstler zeigt.

5. Silens ‚const’

Die um 1600 in Antwerpen und den Niederlanden berühmteste Darstellung bacchischer Gestalten war Maarten van Heemskercks Triumphzug des Bacchus (Abb. 11).51 Van Mander hielt Heemskercks um 1536–1537 datiertes Gemälde für das „beste Stück Malerei“ unter dessen nachrömischen Arbeiten und hob vor allem die „nackten Partien“ hervor, die „morbido“ oder „poeselich“ gemalt seien. Das Ge-mälde zeige die antiken Ausgelassenheiten („dertelheden“), welche die Heiden beim Fest begehen, wie etwa Purzelbäume („tuymelen“) und dergleichen Dinge.52 In der italienischen Kunstliteratur der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bezeichnet „morbidezza“ jene allein durch die Ölmalerei erreichbare Illusion einer weichen und belebten Haut.53 So erscheinen nach Lodovico Dolce die Gemälde jener Maler, welche die Mürbheit oder Weichheit („morbidezza“) des Fleisches gut wiedergeben können, lebendig, als ob ihnen nichts fehlte als der Atem.54 „Poeselijck“, das

50 Ulrich Heinen: Rubens’ Garten und die Gesundheit des Künstlers, in: Wallraf-Richartz-

Jahrbuch 65 (2004), S. 71–182, hier S. 124–130 (mit Angabe älterer Literatur). 51 Vgl. Rainald Grosshans: Maerten van Heemskerck: Die Gemälde. Berlin 1980, Kat. 24. 52 Karel van Mander: The Lives of the Illustrious Netherlandish and German Painters, from

the first edition of the Schilder-boeck (1603–1604). Eingel., übers. und hg. von Hessel Mie-dema. 6 Bde. Dornspijk 1994–1999, Bd. 1 (Text), fol. 246v, 13–16: „[…] een lanckwerpich stucxken / een Bacchanalia, oft Bacchi feest […] maer dit is wel het best gheschildert van al wat men nae zijn comst van Room sien mach / wesende seer morbido / oft poeselich van naeckten. Daer in zijn te sien die oude dertelheden / die men by den Heydenen in die feest oeffende / van tuymelen / en derghelijcke dinghen.“ Meines Wissens verwendet van Mander den Begriff ‚morbido’ nur an der Stelle des Schilder-boeck.

53 Philip Sohm: Gendered Style in Italian Art Criticism from Michelangelo to Malvasia, in: Renaissance Quarterly 48 (1995), S. 759–808. Vgl. auch die Publikationen von Ann-Sophie Lehmann, etwa: Fleshing Out the Body: The ‚Colours of the Naked’ in Workshop Practice and Art Theory, 1400–1600, in: Dies., Herman Roodenburg (Hgg.), Body and Embodiment in Netherlandish Art. Nederlands kunsthistorisch jaarboeck 58 (2007/08), S. 86–109; Dies.: Jan van Eyck und die Entdeckung der Leibfarbe, in: Daniela Bohde, Mechthild Fend (Hgg.), Weder Haut noch Fleisch: Das Inkarnat in der Kunstgeschichte. Berlin 2007 (Neue Frank-furter Forschungen zur Kunst 3), S. 21–40; Dies.: Hautfarben: Zur Maltechnik des Inkarnats und der Illusion des lebendigen Körpers in der europäischen Malerei der Neuzeit, in: Christoph Geissmar-Brandi et al. (Hgg.), Gesichter der Haut. Frankfurt a.M. 2002 (Nexus 57), S. 93–128.

54 Lodovico Dolce: Dialogo della pittura intitolato L’Aretino, in: Paolo Barocchi (Hg.), Trattati d’arte del Cinquecento fra Manierismo e Contrariforma. Bd. I. Bari 1960–1962, Bd. I, S. 183: „E certo il colorito è di tanta importanza e forza, che, quando il pittore va imitando bene le tinte e la morbidezza delle carni e la proprietà di qualunque cosa, fa parer le sue pitture vive

„Bootsicheyt“ 281

niederländische Wort, das van Mander im Leben van Heemskercks neben das italienische „morbido“ setzt, wird im Schilder-boeck durchwegs synonym zu „soet“ (süß), „sachtich“ (sacht) und „vleeschachtich“ (fleischlich) und ausschließlich im Zusammenhang mit der malerischen Wiedergabe der Karnation von Frauen oder bacchischer Figuren verwendet. In der Wiedergabe menschlicher Haut seien die Italiener „veel poeslijcker en sachter“ als die Niederländer.55 Nach van Mander war der Antwerpener Maler Jacques de Bakker (ca. 1555–ca. 1585) einer der besten Kolo-risten Antwerpens, der „een vleeschachtighe manier van schilderen“ besaß und nicht mit Weiß, sondern mit Fleischfarbe („carnatie“) Höhungen anbrachte.56 Hendrick Goltzius, so ebenfalls van Mander, nahm während seines Aufenthalts in Italien die „eyghen vleesachticheyt“ von Correggio in sich auf und begann im Jahr 1600 auch mit Farbe zu malen.57 Bemerkenswerterweise hatte Otto van Veen, so wiederum van Mander, 1604 – also im Jahr der Publikation des Schilder-boeck – einen Triumphzug des Bacchus nach Heemskercks Komposition oder nach Cornelis Bos’ Stich nach dem Gemälde gemalt. Der nach Antwerpen zurückgekehrte Rubens, der Heemskercks Bacchuszug und das von van Mander erwähnte „große, gut gemalte Stück“ seines Lehrers zweifellos kannte, bezog sich umgekehrt auf den üppigen Körper Silens, um seine an Correggio und Tizian geschulte Kunst der Inkarnatsmalerei oder „vleeschachtighe manier van schilderen“ vorzustellen.58

Warum aber wurde Silen für die Antwerpener Maler und Rubens so wichtig? In der sogenannten „Auslegung der Metamorphosen“, dem fünften Teil des Schilder-boeck von 1604, fasst Karel van Mander das für die zeitgenössischen Maler und Dichter erforderliche antike Wissen über Silen auf einer knappen Seite zu-sammen.59 Er exzerpierte dabei aus den seit dem Mittelalter berühmtesten poe-tischen Texten zu Silen, dem elften Buch von Ovids Metamorphosen und der sechsten Ekloge von Vergil. Dem elften Buch der Metamorphosen entnahm van Mander die Geschichte von der Entführung Silens durch den sagenhaft reichen

e tali che lor non manchi altro che ′l fiato.“

55 Mander, Den grondt der edel vry schilder-const, Bd. 1, fol. 49r (12/35): „Dus zijn d’Italianen al bedachter | In’t verwen als wy zijn / hoe wy ons pooghen, | Hun dinghen staen veel poeslijcker en sachter /| Als d’ons’ en doen [...].“ Zu van Manders Verwendung der Begriffe „poeselijck“ und „vleesachtich“ vgl. Melion, Shaping the Netherlandish Canon, S. 104–105.

56 Mander, The Lives of the Illustrious Netherlandish and German Painters, Bd. 1, fol. 232r, 08. 57 Ebd. Bd. 1, fol. 285v, 18. Vgl. Eric Jan Sluijter: Goltzius, Painting and Flesh; or, Why Goltzius

Began to Paint in 1600, in: Marieke van den Doel et al. (Hgg.), The Learned Eye: Regarding Art, Theory, and the Artist’s Reputation. Essays for Ernst van de Wetering. Amsterdam 2005, S. 158–177.

58 Mander, The Lives of the Illustrious Netherlandish and German Painters, Bd. 1, fol. 295r: „Van dit Jaer 1604 is oock van hem gecomen een groot stuck / wesende een Bacchus feest / oft triumph / ghelijck als by den Heer Wijntges ist te Middelborgh / ghedaen van Hemskerck, oft oock de self ordinantie also sy in Print comt / dat welck wel gheschildert en ghehandelt is.“

59 Karel van Mander: Wtlegghingh op den Metamorphosis Pub. Ovidii Nasonis. Haarlem 1604, fol. 89r („Van Silenus“); 89v („Van Midas“).

Christine Göttler 282

König Midas. Midas habe Silen nach einem zehntägigen Bankett im königlichen Palast Bacchus wieder zurückgegeben, während der zehn Tage jedoch von Silen manche „außergewöhnliche“ und „verborgene Dinge“ („uytnemende en verborghen dinghen“) erfahren, so zum Beispiel über das fremde und unbekannte Indien.

Darüber hinaus hatte van Mander 1597 sowohl Vergils Georgica als auch die Bucolica (also die Hirten- und Bauernlieder) aus dem Lateinischen in das Nie-derländische übersetzt und dabei der sechsten Ekloge den Titel „Den Poeet Silenus“ („der Dichter Silenus“) gegeben.60 Van Mander widmete die Übersetzun-gen dem „kunstreichen Herrn Goltzius“, den er im einleitenden Sonett als „unsere Zierrat“ und seinen „großen Gönner Maecenas“ bezeichnet.61 Goltzius hat um-gekehrt van Manders Übersetzungen mit Holzschnitten illustriert. Der Holzschnitt zur sechsten Ekloge hält jenen Moment fest, als der in einer Grotte schlafende Silen von zwei Hirtenjungen und der Nymphe Aegle überrascht, mit seinen eigenen Kränzen gefesselt und durch spielerische Drohung dazu gebracht wird, das längst versprochene Lied zu singen (Abb. 12).62 Das Lied des Silen, das den Rest der Ekloge ausmacht, übertraf an Wirkung selbst Orpheus’ Gesang, dadurch, dass es

60 Karel van Mander (Übers.): Bucolica en Georgica, dat is, Ossen-stal en Landt-werck P.

Virgilii Maronis. Amsterdam: Zacharias Heyns, 1597, S. 33. 61 Ebd., fol. a1v: „O Goltzi vry ons eeuwer ciersel, mijn Mecenas groot“. 62 Nancy Bialler (Hg.), Chiaroscuro Woodcuts. Hendrick Goltzius (1558–1617) and his Time.

Ausst.-Kat. Rijksmuseum, Amsterdam, 14. Nov. 1992 – 10. Jan. 1993, Museum of Art, Cleveland, 9. Feb. – 11. April 1993. Gent 1993, S. 156–168, hier S. 164, Kat. 40.

Abb. 11: Maarten van Heemskerck: Triumphzug des Bacchus, Wien, Kunsthistorisches Museum

„Bootsicheyt“ 283

auch die unbeweglichen Elemente der Landschaft in Bewegung versetzte.63 Die Illustration zu van Manders Übersetzung dieser Ekloge könnte Rubens’ figürliche Komposition ange-regt haben, welche die zwei herange-tretenen Gestalten ebenfalls im Rücken des schlafenden Silen zeigt. Die Figu-ren in Rubens’ Gemälde – die Frau mit der Maske und die trinkende, Bacchus ähnliche Figur – beziehen sich jedoch auf die Wirkkraft der Malerei, die Rubens jener des Gesangs des Silen gegenüberstellte.

Dass Rubens die Nymphe Aegle mit der schilder-const und seiner eige-nen Malkunst verknüpfte, wird auch aus einer um 1617 datierten Feder-zeichnung in Windsor Castle deutlich (Abb. 13).64 Rubens hielt mit der Feder in mehreren Versuchen den Moment fest, in welchem die Nymphe Aegle Stirn und Schläfen des Silen „mit blut-rotem Maulbeersaft“ einfärbte, um ihn dadurch zum Singen zu bewegen. Das von Rubens mit raschen Zügen skiz-zierte lachende Gesicht eines Jungen gleich über der „malenden“ Aegle ver-weist auf die burlesken Motive der Komposition. Dass Silens Gesang durch einen Saft von roter Farbe (lateinisch „rubens“) ausgelöst wurde, musste Rubens in besonderer Weise interessiert haben. Nach einer bei Sandrart überlieferten Anekdote soll Rubens einem englischen Alchemisten gegenüber geäußert haben, dass er „den rechten wahrhaften Lapidem Philosophicum“ schon früh „durch

63 Mander, Bucolica, S. 34: „Van Eycken stijf de toppen hoogh verheven“ („steife Eichen regten

die Wipfel“). (Vergil, Bucolica, VI.29). 64 Mander, Bucolica, S. 34: „[...] sy sijn voorhooft en sijn twee | Hooftslapen al met bloeghe roo

moerbesen | Beschildert heeft“. (Vergil, Bucolica, VI.21: „[...] sanguineis frontem moris et tempora pingit“.) Zum Skizzenblatt mit Silen und Ägle vgl. Klaus Albrecht Schröder, Heinz Widauer (Hgg.), Peter Paul Rubens. Ausst.-Kat. Albertina, Wien, 15. Sep. – 5. Dez. 2004. Wien 2004, S. 234–237, Kat. 37 (Anne-Marie Logan und Michiel C. Plomb); Anne-Marie Logan in Zusammenarbeit mit Michiel C. Plomb (Hgg.), Peter Paul Rubens: The Drawings. Ausst.-Kat. The Metropolitan Museum of Art, New York, 15. Jan. – 3. April 2005. New Haven 2005, S. 133–134; McGrath, Rubens: Subjects from History, Bd. 2, S. 19, unter Kat. 2; Alpers, The Making of Rubens, hier S. 142–143.

Abb. 12: Hendrick Goltzius: Illustration zur 6. Ekloge, in: Vergil: Bucolica en Georgica

Christine Göttler 284

den Pensel und die Farben [...] gefunden“ habe.65 Der Stein des Philosophen wurde mit Zinnoberrot identifiziert, wie ja auch Rubens’ malerische Wiedergabe von Haut schon zu Lebzeiten des Künstlers mit dem Effekt der Verlebendigung (vivificatio) verknüpft worden war.66

6. „Bootsicheyt“: Kunst des Eigensinns

Johannes Fischart nennt in der Geschichtklitterung von 1575, der berühmten Über-setzung von Rabelais’ Gargantua, die jedoch das Original an Umfang und Sprachgewalt weit übertrifft, den „weisesten Lehrer Sokrates“ einen „Grillus

65 Joachim von Sandrart: Teutsche Academie der Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste. Nürnberg

1675–1680. Hg. von Christian Klemm. Nördlingen 1994, Bd. 1, S. 292. 66 Cornelis Kiliaen (1530–1607) übersetzt im Etymologium teutonicae linguae „incarnaet“ als:

„Ruffus, purpureus color: vulgò incarnatus; colorem vivae carnis referens: ex albo rufes-cens.“ Zit. in: Mander, Den grondt der edel vry schilder-const, Bd. 2, S. 602. Zur Herstel-lung und den alchemistischen Assoziationen von Zinnoberrot: Pamela M. Smith: Vermilion, Mercury, Blood, and Lizards: Matter and Meaning in Metalworking, in: Ursula Klein und E. C. Spary (Hgg.), Materials and Expertise in Early Modern Europe. Chicago 2010, S. 29–49; Rutherford J. Gettens, Robert L. Feller und W. T. Chase: Vermilion and Cinnabar, in: Ashok Roy (Hg.), Artists’ Pigments: A Handbook of Their History and Characteristics. Oxford 1997, S. 159–182. Mit Vorsicht zu konsultieren ist Spike Bucklow: The Alchemy of Paint: Art, Science and Secrets from the Middle Ages. London, New York 2009, S. 75–140 („Vermilion: Towards the Philosopher’s Stone“). Grundlegend für Antwerpen: Filip Vermeylen: The Colour of Money: Dealing in Pigments in Sixteenth-Century Antwerp, in: Jo Kirby, Susie Nash und Joanna Cannon (Hgg.), Trade in Artists’ Materials: Markets and Commerce in Europe to 1700. London 2010, S. 356–365.

Abb. 13: Peter Paul Rubens: Skizzenblatt mit Silen und Ägle, Windsor Castle

„Bootsicheyt“ 285

und Silenus“. Von den „Schilenden Sileni“ selbst schreibt er, dass sie „Ovidische verformungen, Weinsauffende Grillos [...] geile Satyri und Geyßmänlin“ seien, jenen grotesken Figuren ähnlich, wie sie Dante in der fegefeurigen Hölle be-schrieben, Giotto und Michelangelo im Jüngsten Gericht gemalt haben. Die Sileni seien „Grillische, Grubengrotteschische, fantastische krüg, läden, büchsen und häfen, wie wir sie heut in den Apotecken stehen sehen“.67 Fischart wie vor ihm Rabelais und vor Rabelais Erasmus von Rotterdam im eben erwähnten Adagium bezogen sich auf jene berühmte Stelle in Platons Symposium, in welcher der betrunkene Alkibiades Sokrates mit den „Silenen“ vergleicht, wie sie in den Bildhauerwerkstätten geschnitzt werden: Äußerlich lächerlich und hässlich, bergen sie in ihrem Inneren Götterbilder. Fischart verweist sowohl auf den „großen Spottvogel Erasmus“ als auch auf Rabelais, der mit dem Vergleich von Sokrates und Silen die silenenhafte Qualität seines eigenen Werkes definiert. Be-merkenswerterweise hat nun auch Rubens, wie vor ihm Erasmus, Rabelais (†1553), Fischart (1546/47–1591), Giordano Bruno (1548–1600), Shakespeare (1564–1616) und andere mehr, jene berühmte Stelle aus Platons Symposium oder Trinkgelage kommentiert, und zwar mit einer höchstwahrscheinlich ebenfalls während eines Trinkgelages oder gemeinsamen Mahles rasch dahin geworfenen Posse oder Skizze (Abb. 14). Die Zeichnung ist wohl während Rubens’ erstem Aufenthalt in Rom um 1601 oder 1602 entstanden, als er zusammen mit seinem Bruder Philipp logierte; dieser studierte in Rom Philosophie und Jurisprudenz. Sie zeigt eine mit „A“ überschriebene, hereinstürmende, wild gestikulierende Figur (den das Gastmahl störenden Alkibiades), während über dem kahlen, bärtigen, im Profil sichtbaren alten Mann „Socrates“ steht.68

Dem Grillischen und Fantastischen, wie es ja auch die Kunst des capriccio charakterisiert, kommt in der niederländischen Kunstliteratur des frühen 17. Jahrhunderts eine zentrale Bedeutung zu. Van Mander beschreibt im Schilder-boeck künstlerischen Eigensinn und Witz als Produkt des ingeniums (des Witzes oder Geistes, niederländisch „gheest“), wobei er die spezifisch niederländische Kunst und Kultur des Witzes mit dem Begriff der „bootsicheyt“ definiert. Im 16. Jahrhundert meint das niederländische Wort „bootse“ (wie ja auch das deutsche Wort „posse“) einerseits „herausgetriebenes Bildwerk“, meist von seltsamer, zusammengesetzter Gestalt, andererseits Scherz, Spott, Mummerei; nieder-

67 Ich zitiere nach: Johann Fischart: Geschichtklitterung. Synoptischer Abdruck der Bear-

beitungen von 1575, 1582 und 1590. Neu hg. von Hildegard Schnabel. Halle 1969 (Neu-drucke deutscher Literaturwerke des 16. und 17. Jahrhunderts 65–69), S. 22–23. Zu Fischarts Umgang mit seiner Vorlage: Beate Kellner: Spiel mit gelehrtem Wissen. Fischarts ‚Ge-schichtklitterung’ und Rabelais’ ‚Gargantua’, in: Jan-Dirk Müller (Hg.), Text und Kontext. München 2007 (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 64), S. 219–244.

68 Elizabeth McGrath: ‚The Drunken Alcibiades’: Rubens’s Picture of Plato’s Symposium, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 46 (1983), S. 228–235; McGrath, Rubens: Subjects from History, Bd. 2, S. 61–64, Kat. 11.

Christine Göttler 286

ländisch „bootsen“ oder „bootseeren“ bedeutet „nachahmen“, „erschaffen“, „formen“, „modellieren“.69 Van Mander schreibt im Schilder-boeck über Hiero-nymus Bosch, dass dieser „fremdartige Figürchen“ („vreemde bootsen“) und „wunderliche und seltsame Possen oder Verzierungen“ („wonderlijcke oft seld-saem versieringhen“) im Kopf gehabt und mit dem Pinsel ausgedrückt habe, Spuk und Ungeheuer der Hölle.70 Umgekehrt zeichnete sich Pieter Bruegel, der ‚zweite‘ Hieronymus Bosch, dadurch aus, „dass er in Gesellschaft sehr spaßhaft war (‚bootsigh in’t gheselschap‘) und die Leute – auch seine eigenen Gesellen – durch allerlei Spuk und Lärm, den er ausheckte, zu erschrecken liebte“.71 Gillis Mostaert, der „sehr kunstreich und erfinderisch war in Figuren und Historien“ („constigh en versierlijck van beelden en Historien“), war gleichzeitig für seine vielen Späße („veel bootsen“) berühmt.72 „Bootsigh“, „constigh“ (kunstreich), „versierlijck“ (erfinderisch) werden in diesen und anderen Beispielen synonym verwendet.

In den niederländischen Kunstlehren entsprechen den „bootsen“ auch jene „Verzierungen“ beziehungsweise „grylli“ (lat.), die nach Plinius der griechische Maler Antiphilos zu einer eigenen Kunstgattung („genus picturae“) erhoben haben soll.73 In seinen Leben der alten antiken Maler beschreibt van Mander die von Plinius „grylli“ genannten Werke als „bootsighe Schilderije“.74 Auch Don Felipe de Guevara hat um 1560 Boschs Kunst in die Tradition der Grillenmalerei des Antiphilos gestellt.75 Im Malen solcher Bossen, Grotesken und Grillen zeichnete sich neben Bosch, Bruegel, Mostaert und vielen anderen mehr auch der in Antwerpen geborene Maler Adriaen Brouwer aus, dessen Werke von Rubens leidenschaftlich gesammelt wurden. In Antoon van Dycks posthum

69 Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Hg. von Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Bd. 4. Berlin,

New York 2001, Sp. 838–839; W. Kurrelmeyer: Der Posse, in: PMLA 59 (1944), S. 686–695; E. Verdam, J. Verwijs: Middelnederlandsch Woordenboek. 11 Bde. ’s-Gravenhage 1885–1929, Bd 1, Sp. 1369.

70 Mander, The Lives of the Illustrious Netherlandish and German Painters, Bd. 1, fol. 216v, 07 („wonderlijcke oft seldsaem versieringhen“, 23 („vreemde bootsen“), 38 („bootsighe vreemde tronien“).

71 Ebd., Bd. 1, fol. 233v, 11. 72 Ebd., Bd. 1, fol. 261r, 28–29. 73 Plinius, Naturkunde, Buch 35, S. 90–91 (§ 114). 74 Ich zitiere nach: Karel van Mander: Het Leven der Oude Antycke Doorluchtighe Schilders,

in: Ders.: Het Schilder-boeck. Amsterdam: Wachter, 1618, fol. 21: „Desen Gryllum hadde Antiphilus gheschildert in een bootsighe cleedinghe / schier als eenen sot: So datmen (seght Plinius) van die tijdt af dergelijcke bootsige Schilderije / Gryllus heeft gheheeten.“

75 Don Felipe de Guevara: Comentarios de la Pintura, in: F. J. Sánchez Cantón: Fuentes literarias para la historia del arte español. Madrid 1923, Bd. 1, S. 159: „Nació Antífilo en Egypto, y aprendió de Ctesideno este género de pintura, que a mi parecer fué semejante a la que nuestra edad tanto celebra de Hyerónimo Bosch [...].“

„Bootsicheyt“ 287

(1645) erschienener Iconographie wird Brouwer mit dem Ehrentitel eines „Grillenmalers von Antwerpen“ („Gryllorum pictor Antverpiae“) bedacht.76

In den Leben der niederländischen Maler stilisiert van Mander „bootsicheyt“ zum Leitbegriff der niederländischen Malerei. „Bootsicheyt“ bezeichnet jenen künst-lerischen Eigensinn, der aus einer Überfülle an Witz oder „gheest“ entsteht, genauer gesagt: einer Überfülle an Malerwitz oder kunstreichem Malerwitz („schilder-gheest“ oder „constigen schilder-gheest“). „Gheest“ oder „schilder-gheest“ versteht van Mander, in Übereinstimmung mit den Inspirationslehren der Zeit, als etwas Flüssiges oder auch Feinstoffliches, das der Malerseele bei der Geburt hinzugefügt, von ihr „eingesogen und eingeschlürft“ werde.77 Die von „kunstreichem Malergeist“ übervollen niederländischen Maler haben, so ebenfalls van Mander, oft auch eine Neigung zum exzessiven Konsum von Wein. Van

76 Vgl. Horst Bredekamp: Grillenfänge von Michelangelo bis Goethe, in: Marburger Jahrbuch

für Kunstwissenschaft 22 (1989), S. 169–180. 77 Vgl. Anm. 27, sowie auch Mander, The Lives of the Illustrious Netherlandish and German

Painters, Bd. 1, fol. 199r, 35 (zu den Gebrüdern van Eyck): „[...] doch hoe het zy / of hun Vader self een Schilder was / oft niet / het schijnt dat hun huys ghehell met den Constigen Schilder-gheest is bestort / en overgoten gheweest [...].“

Abb. 14: Peter Paul Rubens: Der betrunkene Alkibiades stört das Symposion,New York, Metropolitan Museum of Art

Christine Göttler 288

Mander beklagt an mehreren Orten des Schilder-boeck die ‚Weinliebe’ der nie-derländischen Maler, die er „weinliebende Bacchus-Kinder“ („wijnliefdighe Bacchus kinderen“) nennt, wie er auch die angehenden Maler mit eindringlichen Worten vor den Folgen der Trunksucht warnt.78

7. Bankett

Silen, der stets nur aus seinem Becher (cantharus) trank und nach Herodot (485? –425? v.Chr.) König Midas die Nichtigkeit alles menschlichen Strebens verkündet haben soll, hätte das hier dargestellte Prunkgeschirr verachtet.79 Auch im elften Buch der Metamorphosen von Ovid gehört das Gold dem Bereich des Midas an, der sich von Bacchus den unseligen Wunsch erfüllen ließ, dass alles, was er mit dem Leib berühre, sich in „funkelndes Gold“ („fulvum aurum“) verwandle. Bei Fischart werden zwar die „zeitgenössischen“ Silene erst durch ein „schön großgebeuchet wunderfrembd geboßiret schrecklich trinckgeschir“ zum „höflichen zechen“ willkommen geheißen; doch noch im selben Satz wer-den „gleich alle teller unnd platten“ abgeräumt, um einem „mutwilligen Geschirr“ Platz zu machen, das unter anderem aus „Bären, Leyren, Lauten-kübel[n], Kübel Lauten, Narrenkappen“ und „nackende[n] Megdlein“ besteht.80 In vergleichbarer Weise fungieren die an der Grenze zwischen Bildraum und Betrachterraum ineinander stürzenden Prunkgeschirre in Rubens’ Gemälde im Sinne eines Rabelaischen Prologs, der sich an die „sehr illustren Zechkumpane“ („beveurs très illustres“) wendet. Darüber hinaus werden auch die Geheimnisse der Malerei und des Glasmachens thematisiert.

Unterhalb des sich umarmenden Paares, auf einem aus einer Felsenplatte ge-formten Tisch, stehen rund zwanzig mit verschiedenen Weinen gefüllte Trink-gefäße aus Glas und Silber (Abb. 15). Trinkgefäße sind Teil des Banketts, wie ja auch Fischart die dem Rabelaischen Text hinzugefügte „Trunkene Litanei“ mit einer Aufzählung unterschiedlicher, zum Teil „erfundener“ Trinkgefäße beginnen lässt.81 Zeitgenössische Betrachter werden diese mit prunkvollen venezianischen

78 Ich zitiere nach: Karel van Mander: Het Leven der Moderne oft dees-tijtsche doorluchtighe

Italiaensche Schilders, in: Ders.: Het Schilder-boeck. Amsterdam: Wachter, 1618, fol. 115r; Mander, Den grondt der edel vry schilder-const, Bd. 1, fol. 1r–8r („Exhortatie, oft vermaninghe“). Zum Zusammenhang zwischen ingenium, „gheest“ und Weinkonsum vgl. ausführlich: Fiona Healy: Vive l’Esprit. Sculpture as the Bearer of Meaning in Willem van Haecht’s Art Cabinet of Cornelis van der Geest, in: Katlijne Van der Stighelen (Hg.), Munuscula Amicorum. Contributions on Rubens and his Colleagues in Honour of Hans Vlieghe. 2 Bde. Turnhout 2006, S. 423–441, hier S. 430–434.

79 Plutarchus, Historien, S. 143: „Nemlich als sie biß zu der Zeit gewohnet waren, grossen kosten an uberflüssige Kleider und scheinbaren Haußraht zulegen, mit allerhand Seiden und Purpur, auch ir Tisch und Nachtmal mit köstlichen Silber und güldenen Geschirren und vielerlei maß und tranck zuzieren und darin Ehr und Ruhm zu suchen.“

80 Fischart, Geschichtklitterung, S. 24–25. 81 Ebd., S. 122–151: „Das Truncken Gespräch, oder die gesprächig Trunckenzech, ja die

„Bootsicheyt“ 289

Trinkgläsern in Verbindung gebracht haben, wie sie zum Teil in der Antwerpener Glashütte Filippo Gridolphis produziert oder von Gridolphi vertrieben wurden. Gridolphi hatte 1598 die in der Mitte des 16. Jahrhunderts gegründete Glashütte übernommen und stand um 1611 auf dem Höhepunkt seines Erfolgs. In jenem Jahr erhielt er das Monopol für die südlichen Niederlande für den Verkauf von cristallo Gläsern nach venezianischer Art, und zwar sowohl für die in den eigenen Öfen hergestellten, als auch für die aus Venedig importierten. Den Begriff cristallo verwendeten Glasmacher in der Regel für ihre beste Glassorte, wenn sie auch manchmal feinere Unterschiede machten.82 Der Antwerpener Jesuit Carolus Scribani nennt in seinem Städtelob Antwerpens von 1610 unter den bedeutendsten Orten der Stadt die Plantinische Druckerei (die Scribanis Bücher publizierte) und die Glashütte, wobei er die Erfindungsgabe (das ingenium) Gridolphis in der Alchemie des Glases hervorhob.83 1612 erschien der Traktat L’Arte Vetraria (Die Glaskunst) des Florentiner Alchemisten und Glasmachers Antonio Neri. Neri (†1614) war auf Einladung des sehr wohlhabenden portugiesischen Kaufmanns Emmanuel Ximenes nach Antwerpen gekommen und hatte von 1603 bis 1611 in Ximenes’ Palast an der Meir, Antwerpens Prachtstrasse, gewohnt. Ximenes’ Palast, Rubens’ Haus am Wapper und Gridolphis Glashütte lagen in unmittelbarer Nachbarschaft. Ximenes teilte Neris Interesse für paracelsische Alchemie, Medizin und die Kunst des Glasmachens. Neri hatte die in seinem Traktat erstmals zugänglich gemachten „verborgenen Dinge“ („cose nascoste“) dieser Kunst zu einem maßgeblichen Teil in den Glasöfen Gridolphis und der „Alchimiecamer“ von Ximenes’ Palast erforscht. Dabei konnte er ebenfalls auf seine reichen Erfahrungen in den mediceischen Glashütten von Florenz und Pisa zurückgreifen. Der Traktat richtet sich an jenen neugierigen Künstler und Handwerker („curioso

Truncken Litanei, unnd der Säuffer unnd guten Schlucker, Pfingstag, mit jhrer unfeurigen doch dürstigen Weingengen Zungenlös, schönem gefräß und gethös.“ Zur reichen Termi-nologie von Trinkgefäßen vgl. auch Detlef Heikamp: Studien zur mediceischen Glaskunst. Archivalien, Entwurfszeichnungen, Gläser und Scherben. Florenz 1986, S. 25–27.

82 Vgl. dazu auch Heikamp, Studien zur mediceischen Glaskunst, S. 13–46. Zur Geschichte der Antwerpener Glasproduktion vgl. die in Anm. 38 genannte Literatur. Die in Rubens’ Gemälde dargestellten Prunkgefäße stehen in der venezianischen Tradition, ihre Provenienz kann jedoch kaum entschieden werden. Freundliche Auskunft von Dedo von Kerssenbrock-Krosigk, 13. August 2011. Dedo von Kerssenbrock-Krosigk danke ich für zahlreiche weiterführende Auskünfte. Zu den in Antwerpen, Amsterdam und London produzierten Gläsern à la façon de Venise, die von venezianischen Produkten in der Regel nur durch chemische Analysen unterschieden werden können vgl.: Ine De Raedt, Koen Janssens, Johan Veeckman: On the Distinction Between 16th and 17th Century Venetian and façon de Venise Glass, in: Veeckman (Hg.), Majolica and Glass, S. 95–122.

83 Carolus Scribanius: Origenes Antverpiensium. Antwerpen: Officina Plantiniana, 1610, S. 122–123: „Continuis fornacibus materiam liquantibus, cum alia flatu figuratur, alia tamquam torno teritur, alia argenti modo caelatur, alia denique auro opulentatur, tingitur-que color quocumque […] invenit hic ingeniosa solertia in arena, in herba, in vario pulvere quod ignibus provocaret in aliam aliamque faciem.“

Christine Göttler 290

operatore“, „artefice“), der „verständiges Augenmerk“ („occhio“, „giuditio“) besaß.84 Sowohl Federico Cesi, der Begründer der Accademia dei Lincei (Akademie der scharfsichtigen Luchse) als auch Galileo Galilei reagierten positiv auf die Ver-öffentlichung von Neris Arte Vetraria.85

Die im Wiener Gemälde präsentierten Gläser dokumentierten folglich Gri-dolphis und vielleicht auch Ximenes’ und Neris Kunst des Glasmachens und der Alchemie. Die das Licht vielfach brechenden und reflektierenden Oberflächen der Gläser verweisen aber auch auf die Kunst der Malerei, Reflexlichter und Spiegelungen wiederzugeben. Während die beiden Gläser ganz links und einige wenige weitere aus grünlichem Waldglas hergestellt sind, handelt es sich bei den übrigen Gläsern überwiegend um cristallo Gläser, also Gläser der besten Sorte.86 Unter den besonders kostbaren Gläsern ragt das hell spiegelnde Deckel-glas im Vordergrund hervor, dessen Kuppa und hoher Deckel mit beeren-

84 Antonio Neri: L’Arte vetraria distinta in libri sette. Ne quali si scoprono, effetti maravigliosi,

& insegnano segreti bellissimi, del vetro nel fuoco & altre cose curiose. Florenz: Stamperia de’Giunti, 1612 („Al curioso lettore“). Zu Antonio Neri vgl. Heikamp, Studien zur mediceischen Glaskunst, S. 81–92.

85 Am 24. Februar 1614 bedankt sich Federico Cesi aus Rom bei Galileo Galilei in Florenz für die Zusendung “del libro della Vetraria, che mi riesce molto ricco d’esperienze e belli artificii”. Zit. in Heikamp, Studien zur mediceischen Glaskunst, S. 356, Dok. LXXVII. Vgl. auch ibid., S. 91.

86 Vgl. zum Folgenden: Theuerkauff-Liederwald, Ein Stilleben mit Gläsern.

Abb. 15: P. P. Rubens und Antwerpener Maler: Trunkener Silen (Detail), Wien, Gemäldegalerie

„Bootsicheyt“ 291

förmigen Nuppen verziert sind. Es folgen eine hohe Flöte mit vergoldetem Mundrand, ein kleineres Glas mit horizontalen Einschnürungen und ein Kelch-glas mit achtkantiger Kuppa, vergoldetem Mundrand und einem ungewöhn-lichen Stiel mit nuppenbesetzten Flügeln. Unter den Gläsern finden sich eben-falls metallene Prunkgefäße, ganz vorne eine Tazza, daneben ein Pokal mit ein-geschnürter Kuppa und Löwenköpfen mit Ringen am Kuppawulst; der abge-nommene, mit einer Figur (einem sogenannten „miles Christianus“) bekrönte Deckel liegt links daneben. Im Hintergrund ist ein hoch aufragender Prunkpokal zu erkennen.

Wie die Trinkgefäße auf die reiche Vielfalt der Glaskunst der venezianischen Tradition verweisen, so stellen auch die Goldschmiedearbeiten ältere und wohl auch nicht ausschließlich in Antwerpen hergestellte Stücke dar. Gezeigt werden zu einem Großteil bereits vor einigen Jahrzehnten gefertigte Prunkstücke, die hier als kostbare Antiquitäten vorgestellt sind und auf die lange Tradition der Stadt als Zentrum der Goldschmiedekunst und des Handels mit Goldschmiede-arbeiten verweisen.87 Vom Bildrand abgeschnitten ist ein Nautiluspokal, dessen Deckel von einem Putto mit Dreizack bekrönt ist. Davor liegt umgestürzt eine silberne Tazza mit rhombenförmigen Diamantbuckeln in einem sich zum Rand hin erweiternden Netz; im Zentrum des Schalenbodens ist ein Wappen zu er-kennen. Es folgen ein Pokal mit gerippter Kuppa, ein innen vergoldeter konischer Becher und eine vergoldete, zehnfach gebuckelte Schale mit zwei ornamentierten Henkeln, deren Innenseite dem Betrachter zugekehrt ist. In der Bildecke rechts unten treffen weitere Prunkgeschirre scheppernd aufeinander, wobei das stumme Bild die akustische Dimension des Moments allein mit visu-ellen Mitteln auszudrücken vermag. Aus dem muschelförmigen Ausguss einer umkippenden kostbar gearbeiteten vergoldeten Kanne fließt Wein in eine prekär balancierte blau-weiße Porzellanschüssel (wohl der späteren Ming-Zeit), wobei die rötlich-transparente Farbe des mit Wasser vermischten Weins die blaue Be-malung durchscheinen lässt. Die als Griff dienende geflügelte weibliche Gro-teskenfigur mit den entblößten Brüsten der Kanne – eine Bosse oder Grille – unterstreicht die komödiantischen Elemente der Komposition.88

8. Alchemie der Malerei

Man kann wohl davon ausgehen, dass der mögliche Besitzer oder gar Auftrag-geber des um 1612 datierten Gemäldes ein Gespür für Antwerpener cristallo Glas besaß, und dass vielleicht ein Teil der dargestellten luxuriösen Objekte aus eige-

87 Für Hilfe bei der Identifikation und Zuordnung der hier dargestellten Goldschmiede-

arbeiten bin ich Lorenz Seelig zu großem Dank verpflichtet. Vgl. auch Wim Nys (Hg.), Zilver uit Antwerpen. Ausst.-Kat. Zilvermuseum Sterckshof Provinicie Antwerpen, 1. Okt. 2006 – 7. Jan. 2007. Antwerpen-Deurne 2006.

88 Dieselbe Kanne findet sich auch in Rubens’ Lot und seine Töchter, um 1610. Öl auf Lwd., 108 x 146 cm. Schwerin, Staatliches Museum, Inv. Nr. G158.

Christine Göttler 292

nem oder Familienbesitz stammte. Das 1617 erstellte Inventar von Ximenes’ Palast an der Meir erwähnt eine beachtliche Sammlung von sogenanntem „silverwerck“ und kostbaren, zum Teil vergoldeten Kristallgläsern,89 jedoch kein Gemälde mit einer bacchischen Szene. Ximenes hatte jedoch eine Vorliebe für Mythologien flämischer Künstler und besaß unter anderem einen Herkules mit dem Kentauren von Frans Floris und eine großformatige, ebenfalls auf Leinwand gemalte Geburt der Venus von Rubens, die nach dem Inventar mit einem blauen Samtvorhang versehen war.90 Doch selbst wenn Ximenes nicht der ursprüngliche Besitzer von Rubens’ Wiener Silen war, vermittelt das Inventar seines Palasts und besonders seiner sehr umfangreichen, über 1000 Bände zählenden Bibliothek einen Eindruck von der wechselseitigen Verschränkung alchemistischer, technologischer, künstlerischer und literarischer Interessen im Antwerpen des frühen 17. Jahr-hunderts. Neben dem Sammlungsschwerpunkt in alchemistischer, mathema-tischer und medizinischer Literatur besaß Ximenes die wichtigsten kunst- und architekturtheoretischen Traktate sowie Standardwerke der mythographischen Literatur.

Kunstliebhaber, Kaufleute und Gelehrte im Kreis um Ximenes, Gridolphi und Neri teilten ein Interesse am Glas und dessen imitativen Fähigkeiten, wie es auch aus einer Stelle in Neris Arte Vetraria hervorgeht. Im Kapitel über das Ma-chen einer Chalzedone nennt Neri Herrn Filippo Gridolphi einen „sehr leutseligen Mann“ und Herrn Emmanuel Ximenes einen „ingenieuse[n] und er-fahrne[n] Mann in allen Wissenschafften, über alle[n] andere[n], so ich in Nieder-Teutschland jemahls gekannt und gesehen habe“ („universale in ogni scienza“). Im Januar 1609 habe er, Neri, in Ximenes’ Haus eine neue Art, eine künstliche Chalzedone zu machen, erprobt. Mit diesem Pulver habe er an-schließend im Glasofen Gridolphis den „allerschönsten Calcedonier“ gemacht, der „an Schönheit der Farbe“ selbst einen natürlichen Achatstein übertraf. Dies

89 Das Inventar von Emmanuel Ximenes’ verstorbener Ehefrau Isabella Vega ist publiziert von

Erik Duverger: Antwerpse Kunstinventarissen uit de zeventiende eeuw. 14 Bde. Brüssel 1984–2009, Bd. 1, S. 400–461, Nr. 253 (aufgenommen vom 13. bis zum 28. Juni 1617; S. 429–430: „silverwerck“; Gläser fanden sich in verschiedenen Räumen, u. a. der „Porzellan-kammer“). Zusammen mit Sven Dupré bereite ich eine größere Arbeit zu den Sammlungen von Emmanuel Ximenes in Antwerpen vor. Vgl. auch Dupré, Trading Luxury Glass.

90 Duverger, Kunstinventarissen, Bd. 1, S. 404 („In de Salette voor aen de Strat“): „Een groot stuck schilderye op doeck Geboorte van Venus gedan by Peter Rubens met een blau zyden gordyne daervore“. Zum Gemälde vgl. Frans Baudouin: Schilderijen van Rubens en Van Dyck in het bezit van Filips Godines en Sebilla vanden Berghe (en enkele aantekeningen over Alexander Adriaenssen en Joos van Crasbeeck), in: Mededelingen van de Koninklijke Academie voor Wetenschappen, Letteren en Schone Kunsten van Belgie, Klasse der Schone Kunsten 51 (1991), S. 61–82, hier S. 63–66; Elizabeth McGrath: The Streams of Oceanus: Rubens, Homer and the Boundary of the Ancient World, in: Victoria von Flemming, Sebastian Schütze (Hgg.), Ars naturam adiuvans. Festschrift für Matthias Winner zum 11. März 1996. Mainz 1996, S. 464–476.

„Bootsicheyt“ 293

sei auch von den portugiesischen „Edelgestein-Arbeitern mit Verwunderung“ festgestellt worden.91

Kunst, Kunsthandwerk und Alchemie, so lässt sich aus Neris Beschreibung folgern, standen im Antwerpen des frühen 17. Jahrhunderts in enger Wechsel-beziehung zueinander. Wie die Glaskunst definierte sich auch die nieder-ländische Malerei – im Unterschied zur italienischen Malerei – als eine ‚Kunst des Experiments’. Nach einer alten, von Karel van Mander jedoch stark erweiterten und prominent an den Anfang der niederländischen Viten gestellten Legende hatte zu Beginn des 15. Jahrhunderts in Brügge der in Alchemie kun-dige Jan van Eyck mit Firnissen und Bindemitteln experimentiert und war so aus Zufall zur Ölmalerei gestoßen. Die mit Öl untermengten Farben aber eigneten sich durch ihre „Lebendigkeit“ und ihren „Glanz“ in besonderer Weise für jenen zentralen Teil der Malerei, den van Mander im Schilder-Boeck „reflexy const“ nennt:92 die Kunst, Reflexlichter, Spiegelungen und Widerscheine zu malen. In der „reflexy const“, so van Mander, zeichneten sich die Niederländer vor den Italienern aus. Im Gemälde der Wiener Akademie boten die unterschiedlich geformten, gefärbten und verzierten Gläser sowie die gehämmerten, getriebe-nen, punzierten und ziselierten Oberflächen aus Metall dem Stilllebenmaler ausreichend Gelegenheit, seine „reflexy const“ zu demonstrieren. Rubens’ Silen, dessen Schlaf auch durch die ineinander stürzenden Prunkgeschirre nicht ge-stört wird, mochte umgekehrt das alte, auch von van Mander wiederholte Ar-gument verkörpern, dass der Wert der Malerei sich nicht in Gold oder durch Geld bemessen lasse, wie ja auch das Gold des Midas – eines „umgekehrten Silens“ – nicht ausreichte, alle Geheimnisse von Silen zu erfahren. Ein mit vier Farben gemaltes Gemälde des Apelles, so van Mander, sei mehr wert als eine Mulde voller Gold. Ein raues, von Apelles ein wenig bezeichnetes Tuch werde höher geachtet als die kostbaren Stücke im Palast Caesars.93 Dass der Schlafende Silen des Apelles von Antwerpen in van Haechts Kunstkammer neben Cor-reggios Schlafender Venus mit einem Satyr hängt, weist auf die fortdauernde Bedeutung dieser kundigen mythologischen Mischwesen im antikenfernen und italienfernen Norden: auf das Satyrhafte und Silenenhafte einer neuen Malerei, die sowohl der Kunst der Posse (oder des künstlerischen Eigensinns) als auch der „reflexy const“, der Alchemie der Farben und Reflexlichter, verpflichtet war.

91 Neri, L’Arte vetraria, S. 48. Ich zitiere hier nach der deutschen Übersetzung von Neris

Traktat durch Johannes Kunckel: Ars vitraria experimentalis oder vollkommene Glas-macher-Kunst [1679]. Mit einem Vorwort von Günther Stein. Hildesheim, New York 1972 (Documenta Technica, Reihe II: Quellenschriften zur Technikgeschichte), S. 73.

92 Mander, Den grondt der edel vry schilder-const, Bd. 1, fol. 29r–34r („Cap. 7: Van de Reflecty / Reverberaty / teghen-glans oft weerschijn“). Zur zentralen Bedeutung dieses Kapitels für den Kanon der niederländischen Malerei: Melion, Shaping the Netherlandish Canon, S. 70–77.

93 Mander, Den grondt der edel vry schilder-const, Bd. 1, fol. *4r–*6r („Voor-reden“).

Christine Göttler 294

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Peter Paul Rubens und Antwerpener Maler: Trunkener Silen, Öl auf Leinwand, ca. 1611–1613, 158 x 217 cm, Wien, Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, Inv. Nr. 756; Bild: © Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, Wien.

Abb. 2: Peter Paul Rubens und Frans Snyders: Die Erkennung des Philopoemen, Öl auf Leinwand, 1609, 201 x 311 cm, Madrid, Museo Nacional del Prado, Inv. Nr. P-1851; Bild: © Museo Nacional del Prado.

Abb. 3: Peter Paul Rubens: Die Erkennung des Philopoemen, Öl auf Holz, 1609, 50,5 x 56,5 cm, Paris, Musée du Louvre; Bild: © bpk.

Abb. 4: Willem van Haecht: Apelles malt Campaspe, Öl auf Holz, ca. 1630, 104,9 x 148,7 cm, Den Haag, Mauritshuis; Bild: © Koninklijk Kabinet van Schilderijen, Mauritshuis, Den Haag.

Abb. 5: Detail von Abb. 4. Abb. 6: Willem van Haecht: Apelles malt Campaspe, Öl auf Holz, 77,8 x 114 cm, Old Master

Paintings. New York, 28. Januar 2010. Sotheby’s. Lot Nr. 169, S. 66–77. Abb. 7: Frans van den Wyngaerde nach Peter Paul Rubens: Trunkener Silen, Radierung,

nach 1640, 34,1 cm (beschnitten) x 43,8 cm, London, The British Museum, Inv. Nr. AN88419001; Bild: © The Trustees of the British Museum.

Abb. 8: Peter Paul Rubens: Statue des Silen, angelehnt an einen Baumstrunk, Schwarze Kreide, 39,5 x 26,5 cm, Orléans, Musée des Beaux-Arts, Inv. Nr. 1716b.

Abb. 9: Detail von Abb. 1.

„Bootsicheyt“ 301

Abb. 10: Nach Peter Paul Rubens: Doppelmaske mit Komödie und Tragödie, London, Cour-tauld Institute Galleries, MS Johnson, fol. 123r.

Abb. 11: Maarten van Heemskerck: Triumphzug des Bacchus, Öl auf Eichenholz, um 1536–1537, 56,3 x 106,5 cm, Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv. Nr. 990; Bild: © Kunsthistorisches Museum, Wien.

Abb. 12: Hendrick Goltzius: Illustration zur 6. Ekloge, Holzschnitt, 8,8 x 7 cm; aus: Vergil: Bucolica en Georgica. Übers. von Karel van Mander, 1597.

Abb. 13: Peter Paul Rubens: Skizzenblatt mit Silen und Ägle, Feder in Hellbraun und Dunkelbraun, Pinsel, braun laviert, um 1612–1614, 28,1 x 50,8 cm, Windsor Castle, The Royal Collection, Her Majesty Queen Elizabeth II., Inv. Nr. 6417; Bild: The Royal Collection © 2011, Her Majesty Queen Elizabeth II.

Abb. 14: Peter Paul Rubens: Der betrunkene Alkibiades stört das Symposion, Bleistift, Feder und Tinte auf braunes Papier, 26,8 x 36,2 cm, New York, Metropolitan Museum of Art; Bild: © bpk.

Abb. 15: Detail von Abb. 1.