(2012) "Medizin in globalen Feldern: Forschen und Studieren am Institut für Ethnologie in Berlin"

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Medizin und Gesundheit in globalen Feldern: Forschen und Studieren am Institut für Ethnologie in Berlin Hansjörg Dilger, Susann Huschke, Dominik Mattes, AngelikaWolf Die Medizinethnologie ist in Deutschland eine relativ junge Subdisziplin der Eth- nologie bzw. Sozial- und Kulturanthropologie. Gleichwohl erfreut sie sich steigen- der Nachfrage nicht nur bei Studierenden und ForscherInnen der Sozialwissen- schaften und der Medizin, sondern auch im weiteren gesellschaftlichen Umfeld. Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit und Public Health hat sich ein breites Berufsfeld für (Medizin)EthnologInnen etabliert. Und auch innerhalb des deut- schen Gesundheitswesens steigt die Nachfrage nach medizinethnologischen Er- kenntnissen bspw. bei der Frage der Versorgung von MigrantInnen. Die angeführten Felder verweisen auf Bereiche der Medizinethnologie, in de- nen nicht nur kulturelle Faktoren, sondern auch soziale, ökonomische und politi- sche Bezüge in den Fokus aktueller Forschung gelangen. Der über Berlin und Deutschland hinaus bekannte Mediziner Rudolf Virchow hatte auf solche Zusam- menhänge bereits vor mehr als 160 Jahren verwiesen: „Die Medicin ist eine sociale Wissenschaft, und die Politik ist weiter nichts, als Medicin im Grossen“ (Virchow 1848: 125). Gemeinsam mit dem Ethnologen und Mediziner Adolf Bastian gründe- te er 1869 die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschich- te. Die frühe Zusammenarbeit von Ethnologie und Medizin führte jedoch nicht zu einer unmittelbaren Herausbildung einer Medizinethnologie – ganz im Gegenteil erwies sich dieser Umstand eher als hinderlich (Wolf et al. 2007). Während die wis- senschaftliche Ethnographie ihren Aufschwung erlebte, bewirkten die eigenen Vor- behalte medizinisch versierter EthnologInnen eine Degradierung medizinischer Praktiken in anderen kulturellen Kontexten zur „primitive medicine“ (Ackerknecht 1971: 114) mit einem Fokus auf magische Praktiken (Drobec 1955). Für eine lange Zeit bestand eine klare Demarkierungslinie zwischen einer sog. rationalen Biome- dizin und einer „primitiven“ Medizin (Lux 2003). In den 1970er Jahren lebte die Zusammenarbeit zwischen MedizinerInnen und EthnologInnen in Deutschland wieder auf. Joachim Sterly etablierte ethnome- dizinische Forschung an der Universität Hamburg und war Mitbegründer der Ar- 156 INSTITUTE IM BLICK | INSTITUT FÜR ETHNOLOGIE IN BERLIN

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Medizin und Gesundheit in globalen Feldern: Forschen undStudieren am Institut für Ethnologie in Berlin

Hansjörg Dilger, Susann Huschke, Dominik Mattes, AngelikaWolf

Die Medizinethnologie ist in Deutschland eine relativ junge Subdisziplin der Eth-

nologie bzw. Sozial- und Kulturanthropologie. Gleichwohl erfreut sie sich steigen-

der Nachfrage nicht nur bei Studierenden und ForscherInnen der Sozialwissen-

schaften und der Medizin, sondern auch im weiteren gesellschaftlichen Umfeld. Im

Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit und Public Health hat sich ein breites

Berufsfeld für (Medizin)EthnologInnen etabliert. Und auch innerhalb des deut-

schen Gesundheitswesens steigt die Nachfrage nach medizinethnologischen Er-

kenntnissen bspw. bei der Frage der Versorgung von MigrantInnen.

Die angeführten Felder verweisen auf Bereiche der Medizinethnologie, in de-

nen nicht nur kulturelle Faktoren, sondern auch soziale, ökonomische und politi-

sche Bezüge in den Fokus aktueller Forschung gelangen. Der über Berlin und

Deutschland hinaus bekannte Mediziner Rudolf Virchow hatte auf solche Zusam-

menhänge bereits vor mehr als 160 Jahren verwiesen: „Die Medicin ist eine sociale

Wissenschaft, und die Politik ist weiter nichts, als Medicin im Grossen“ (Virchow

1848: 125). Gemeinsam mit dem Ethnologen und Mediziner Adolf Bastian gründe-

te er 1869 die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschich-

te. Die frühe Zusammenarbeit von Ethnologie und Medizin führte jedoch nicht zu

einer unmittelbaren Herausbildung einer Medizinethnologie – ganz im Gegenteil

erwies sich dieser Umstand eher als hinderlich (Wolf et al. 2007). Während die wis-

senschaftliche Ethnographie ihren Aufschwung erlebte, bewirkten die eigenen Vor-

behalte medizinisch versierter EthnologInnen eine Degradierung medizinischer

Praktiken in anderen kulturellen Kontexten zur „primitive medicine“ (Ackerknecht

1971: 114) mit einem Fokus auf magische Praktiken (Drobec 1955). Für eine lange

Zeit bestand eine klare Demarkierungslinie zwischen einer sog. rationalen Biome-

dizin und einer „primitiven“ Medizin (Lux 2003).

In den 1970er Jahren lebte die Zusammenarbeit zwischen MedizinerInnen

und EthnologInnen in Deutschland wieder auf. Joachim Sterly etablierte ethnome-

dizinische Forschung an der Universität Hamburg und war Mitbegründer der Ar-

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beitsgemeinschaft Ethnomedizin in Heidelberg, die seit 1978 die Zeitschrift Curare

herausgibt. Am Tropenmedizinischen Institut der Universität Heidelberg wurde

des Weiteren unter Leitung von Hans Jochen Diesfeld die kulturvergleichende me-

dizinische Anthropologie gelehrt (KMA, Sich et al. 1993) und der Grundstein für ei-

ne kulturelle Epidemiologie gelegt (Trostle und Sommerfeld 1996). Erst mit der

Rückkehr von Beatrix Pfleiderer aus den USA an die Universität Hamburg aller-

dings wurde die Medizinethnologie systematisch in die ethnologische Lehre einge-

führt und das erste deutschsprachige medizinethnologische Lehrbuch entstand

(Pfleiderer und Bichmann 1985; Pfleiderer 1993). Mit der Aufgabe ihrer akademi-

schen Laufbahn im Jahr 1992 hinterließ Pfleiderer eine wissenschaftliche Lücke,

die vor allem junge NachwuchswissenschaftlerInnen auf der Suche nach Kontinui-

tät in medizinethnologischer Lehre und Betreuung von Forschungsarbeiten betraf

und die die Bedeutung wissenschaftlicher Institutionalisierung für die theoretische

und methodologische Ausdifferenzierung des Forschungsfelds deutlich vor Augen

führte (Wolf et al. 2007).

Im vorliegenden Artikel werden die Entstehung und Lehr- bzw. Forschungs-

schwerpunkte der Arbeitsstelle Medical Anthropology an der Freien Universität

Berlin vorgestellt, die nicht zuletzt auch als ein Ergebnis von Initiativen gesehen

werden kann, die von NachwuchswissenschaftlerInnen ab Mitte der 1990er Jahre

im Bereich der Medizinethnologie entwickelt wurden. Nach einer Skizzierung des

theoretischen Rahmens, der die an der FU Berlin entstandenen Forschungsarbei-

ten – und die Motivation zu ihrer Durchführung – heute verbindet, werden vier

thematische Schwerpunkte der Arbeitsstelle vorgestellt: die Konstitution globaler

Medizinlandschaften; soziale Beziehungen und Sicherung im Kontext transnatio-

naler Gesundheitspolitiken; Transformationsprozesse in biomedizinischen Institu-

tionen und das Feld Migration und Gesundheit. Der Artikel schließt mit einem Aus-

blick auf zukünftige Herausforderungen für die Medizinethnologie.

Die Arbeitsstelle Medical Anthropology

Die Arbeitsstelle Medical Anthropology wurde im Jahr 2010 am Institut für Ethno-

logie der Freien Universität Berlin gegründet und ist seitdem mit dem Aufbau von

Forschung und Lehre im Bereich der Medizinethnologie befasst. Die Forschungen

der Arbeitsstelle1 bauen dabei einerseits auf Arbeiten auf, die von Ute Luig und Ge-

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org Pfeffer in den 1990er bzw. frühen 2000er Jahren mit-initiiert und betreut wur-

den: Diese befassten sich u.a. mit den sozialen und kulturellen Dimensionen von

HIV/AIDS im südlichen und östlichen Afrika (Dilger 2005; Dilger und Luig 2010;

Offe 2010; Wolf 2001, 2010); den religiös-rituellen Dimensionen von Gesundheit

und Heilung in Orissa (Otten 2006); sowie mit unterschiedlichen Aspekten von Ge-

sundheit und Migration (Kotte 2009).

Zum anderen gehen die inhaltlichen und institutionellen Wurzeln des Ar-

beitsbereichs auf ein studentisches Tutorium zurück, das in den Jahren 1994/95 an

der Freien Universität zur Medizinethnologie durchgeführt wurde und das 1996 in

einer Abschlusskonferenz und -publikation mündete (Wolf und Stürzer 1996). Teil-

nehmerInnen der Konferenz gründeten im Jahr 1997 die Arbeitsgruppe Medical

Anthropology in der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde, die heute über 85

Mitglieder in den deutschsprachigen Ländern umfasst und die im Jahr 2006 an der

Gründung des Netzwerks Medical Anthropology unter dem Dach der European

Association of Social Anthropologists (EASA) beteiligt war. Bis heute sind die Mit-

arbeiterInnen der Arbeitsstelle an der FU eng mit diesen überregionalen Netzwer-

ken verbunden und tragen sowohl personell als auch inhaltlich zu deren vielfältigen

Aktivitäten bei (Wolf und Hörbst 2003; Wolf 2004; Dilger und Hadolt 2010; Bei-

träge in Hsu und Potter 2012). In den letzten Jahren koordinierten MitarbeiterIn-

nen der Arbeitsstelle zusammen mit KollegInnen aus anderen Ländern innerhalb

der EASA das 2009 gegründete internationale Netzwerk für Studieren-

de/DoktorandInnen der Medizinethnologie (MAYS - Medical Anthropology Young

Scholars), das mittlerweile über 300 Mitglieder aus ganz Europa zusammenbringt

und bisher vier internationale Workshops ausgerichtet hat (Berlin 2010, Oxford

2010, Warschau 2011, Paris 2012)2.

Am Institut für Ethnologie selbst hat sich ein Netzwerk von Medizinethnolo-

gInnen gebildet, das – parallel zu drittmittel-geförderten Forschungsprojekten und

Promotionen (s.u.) – den Lehrschwerpunkt Medical Anthropology an der FU Berlin

ausbaut und die Subdisziplin für den wissenschaftlichen Nachwuchs öffnet. Medi-

zinethnologische Lehre ist hier einerseits in einem der vier Profilbereiche des Mas-

terstudiengangs Sozial- und Kulturanthropologie verankert, aus denen Studierende

jeweils zwei Bereiche für die eigene fachliche Vertiefung wählen können. Zum an-

deren werden studentische Forschungen betreut, die auf die Masterarbeit hinfüh-

ren und die teilweise in thematischen Schwerpunkten zusammengefasst sind. Zu

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Letzteren zählt das in Kooperation mit der Fachgruppe für Infektionsschutz/Infek-

tionsepidemiologie des Landesamtes für Gesundheit und Soziales durchgeführte

Studienprojekt „Emerging Infections“: Hier gehen Studierende der Frage nach, wie

z.B. Schweinegrippe oder Magendarminfektionen kulturell und gesellschaftlich

konstruiert werden und welche gesundheitspolitischen Strukturen und Handlungs-

strategien periodisch auftretende Krankheitsausbrüche hervorbringen. In einem

weiteren Projekt, das in Zusammenarbeit mit dem Master-Studiengang Visual and

Media Anthropology konzipiert wurde, erstellten Studierende sieben Kurzfilme

über HeilerInnen in Berlin, die sich auf globalisierende Heilmethoden wie die tibe-

tische Medizin und Ayurveda – aber auch schamanistische Heilrituale oder den

Candomblé – spezialisiert haben.

Auf einer weiteren Ebene ist die Arbeitsstelle Medical Anthropology ein Kon-

takt- und Austauschpunkt für nationale und internationale WissenschaftlerInnen

im Bereich der Medizinethnologie geworden, die teilweise in Berlin Forschungen

durchführen und ihre laufenden Arbeiten in den regelmäßigen Treffen des Arbeits-

kreises Medical Anthropology vorstellen und diskutieren. Von 2009 bis 2010

forschte Pamela Feldman-Savelsberg vom Carleton College (USA) mit Förderung

der Wenner-Gren Foundation über Geburt und Zugehörigkeit unter kameruni-

schen MigrantInnen in Berlin. Im Jahr 2012 war Heide Castañeda von der Univer-

sity of South Florida mit einer Fulbright-Gastprofessur am Institut für Ethnologie

affiliiert und führte von hier ihre Untersuchungen zu Citizenship und den Zugang

von osteuropäischen Roma zum Gesundheitssystem in Deutschland durch. Von

2011 bis 2013 schließlich ist Małgorzata Rajtar von der Universität Danzig mit ei-

nem Alexander von Humboldt Postdoc-Stipendium an der Freien Universität ange-

bunden und forscht zu Bluttransfusionen und medizinethischen Fragen bei den

Zeugen Jehovahs.

Zentral für die nationale und internationale Vernetzung der Arbeitsstelle sind

eine Reihe von Konferenzen und Workshops, die in den letzten Jahren am Institut

durchgeführt wurden und die auf die Weiterentwicklung theoretischer und metho-

discher Ansätze im Bereich der Medizinethnologie ausgerichtet sind. Im Jahr 2011

präsentierten Mitglieder der Arbeitsstelle ihre Forschungen im Workshop Health

and Suffering in an Interconnected World und erhielten Anregungen und Kom-

mentare von Arthur Kleinman (Harvard), den die Arbeitsstelle in Zusammenarbeit

mit der Charité Berlin für einen Vortrag nach Berlin eingeladen hatte. Im gleichen

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Jahr diskutierten Steven Feierman (Pennsylvania), Julie Livingston (Rutgers),

Nancy Rose Hunt (Michigan) – gemeinsam mit Mitgliedern der Arbeitsstelle und

anderen internationalen Gästen –, wie Vertrauen und Intimität in Begegnungen

zwischen HeilerInnen, ÄrztInnen und PatientInnen und ihren familiären bzw. so-

zialen Netzwerken im südlichen Afrika hergestellt werden.3 Im Jahr 2012 rückte

die Abschlusskonferenz des DFG-Projekts „Männlichkeit(en) in Kapstadt, Südafri-

ka“ die Frage in den Vordergrund, wie transformierende Männlichkeiten und emo-

tionale bzw. affektive Dispositionen in Bezug auf gesundheitliche Herausforderun-

gen und Dynamiken von Gewalt (neu) ausgehandelt werden; Gäste waren u.a. Janis

Jenkins (California San Diego), Philippe Bourgois (Pennsylvania), Emily Wentzell

(Michigan) und Robert Morrell (Cape Town).

Kennzeichnend für die vielfältigen Aktivitäten, die aus der Arbeitsstelle Medi-

cal Anthropology heraus entwickelt werden, ist zum einen die transregionale Aus-

richtung des Arbeitsbereichs: Während das südliche und östliche Afrika der regio-

nale Ausgangspunkt mehrerer – insbesondere auch in diesem Artikel vorgestellter

– Projekte ist, befassen sich andere Untersuchungen mit Migrationszusammen-

hängen in Deutschland oder fokussieren südasiatische bzw. lateinamerikanische

Kontexte. Zum anderen sind einige der am Institut betriebenen Forschungen – in

deren Fokus die medizinethnologische Grundlagenforschung steht – über diszipli-

näre und akademische Grenzen hinaus vernetzt und haben zu einer Reihe von in-

terdisziplinären und praxisbezogenen Kooperationen geführt. Schließlich verorten

sich die unterschiedlichen Forschungsschwerpunkte im weiteren Sinne in einem

gemeinsamen Theoriegebäude, das an Ansätze der kritischen und interpretativen

Medical Anthropology anschließt und gleichzeitig eng an andere Themenbereiche

der Ethnologie (wie z.B. Religion, Recht, Wirtschaft und Politik) anknüpft.

Globalisierung, Medizin und Gesundheit: Die theoretische Ausrich-tung der Arbeitsstelle

Die theoretische Ausrichtung der Arbeitsstelle Medical Anthropology setzt an der

Schnittstelle der interpretativen Medizinethnologie und der Critical Medical An-

thropology an, wie sie von Scheper-Hughes und Lock (1987) aufgezeigt und von

Byron Good in seinen vier Ansätzen der Medical Anthropology ausgeführt wurde

(Good 1994: 36-62, für einen Überblick siehe auch Dilger und Hadolt 2012).4

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Die interpretative Medizinethnologie, deren zentrale Begrifflichkeiten von Klein-

man (1980) geprägt wurden, betrachtet Krankheitsdarstellungen als kulturell kon-

struierte Realitäten. Mit dem Konzept der Erklärungsmodelle (explanatory mo-

dels) stellte Kleinman analytische Kategorien zur Untersuchung von Krankheits-

phänomenen auf, die jenseits einer rein biologisch definierten Begrifflichkeit von

Krankheit (disease) auch die individuelle Ebene des Krankseins (illness) als sich er-

gänzende und überschneidende Dimensionen von Erkrankung (sickness) erfasst.

Zwar wurde das Konzept der Erklärungsmodelle als zu sehr an der Biomedizin aus-

gerichtet kritisiert und auf den darin nicht berücksichtigten gesellschaftlichen So-

zialisationsprozess von sickness verwiesen (Young 1981). Es stellte jedoch gleich-

zeitig in grundlegender Weise den Definitionsanspruch der Biomedizin5 über

Krankheit und Gesundheit in Frage. Darüber hinaus definierte Kleinman Medizin-

systeme als kulturelle Systeme, die ähnlich wie Sprache, Verwandtschaft oder Reli-

gion als Systeme mit symbolischen Bedeutungen analysiert werden können, in de-

nen zwischenmenschliche Beziehungen und soziale Institutionen zusammenwir-

ken. Weitere Arbeiten dieser Zeit (Janzen 1978; Comaroff 1981) stellten dar, wie

Heilkundige, PatientInnen und deren Angehörige Krankheit unterschiedlich inter-

pretieren und pragmatisch zwischen verschiedenen therapeutischen Angeboten in

einem medizinischen Pluralismus navigieren (Leslie 1980). Auch Arbeiten der in-

terpretativen Medizinethnologie innerhalb der Arbeitsstelle legten den Schwer-

punkt ihrer Forschung auf die Bedeutung, die einem Krankheitsgeschehen beige-

messen wird, und erwiesen bspw. den Metaphern der Beschreibung von Erkran-

kung besondere Beachtung (Dilger 1999; Wolf 1996).

VertreterInnen der Critical Medical Anthropology (CMA) bezogen gegen den

eher bedeutungszentrierten Ansatz Stellung. Sie kritisierten, dass diese Herange-

hensweise asymmetrische Machtbeziehungen in der Konstruktion klinischer Reali-

täten vernachlässige und Prozesse der Etablierung und Aufrechterhaltung sozialer

und gesellschaftlicher Ungleichheiten nicht genügend in den Blick nähme. Die

CMA speist sich aus zwei unterschiedlichen Quellen. Die von der marxistischen

Theorie und Dependenztheorie ausgehende Strömung sieht in der Biomedizin vor

allem ein kapitalistisch ausgerichtetes Heilsystem und untersucht die soziale Pro-

duktion von Krankheit im Kontext imperialistischer Machtbeziehungen eines kapi-

talistischen Weltsystems (Baer et al. 2003). Die andere Denktradition ist beein-

flusst durch das Foucaultsche Verständnis von Biomacht und seinem Blick auf den

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Körper als Arena der Ausübung sozialer Kontrolle. Sie untersucht sowohl die histo-

rischen Dimensionen der Entstehung medizinischer Erkenntnis als auch der Kon-

trolle und biopolitischen Regulierung. Beiden Denktraditionen gemein ist der kriti-

sche Blick auf die scheinbare Objektivität der Biologie und der Medizin sowie die

Analyse der Biomedizin in ihrer Vielfalt unter den Gesichtspunkten von gesell-

schaftlichen Machtverhältnissen, Verteilung von Ressourcen und der Legitimation

und Reproduktion sozialer Ungleichheit (vgl. Einleitung in Dilger und Hadolt

2010).

Der theoretische Ansatz der Arbeitsstelle an der FU Berlin lässt sich als kri-

tisch-interpretative Medizinethnologie bezeichnen. Scheper-Hughes und Lock

(1987) betonen, dass der Körper nicht nur ein Ort der Regulierung und politischen

Überwachung ist, sondern auch eine symbolische Verdichtung gesellschaftlicher

und kultureller Prozesse und Bedeutungen, und vereinten damit den interpretati-

ven und kritischen Ansatz der Medizinethnologie.

Die Forschungen der Arbeitsstelle thematisieren dabei die politischen und

ökonomischen Faktoren von Krankheit und Gesundheiterhaltung ebenso wie die

Beziehungen zwischen Makro- und Mikroebenen in einer global bzw. transnational

verflochtenen Welt. Mit dem Konzept der medicoscapes lassen sich die globalen

Ströme und Interaktionen in weltweiten Gesundheitsarenen erfassen (Hörbst und

Wolf 2003). Hierbei werden die weltweit verstreuten Landschaften von Personen,

Organisationen und Therapien im heilkundlichen Bereich nicht nur als im Fluss

befindlich betrachtet. Sie werden auch in ihren bremsenden oder sich Platz ver-

schaffenden Eigenschaften in den Blick genommen, bspw. wenn wie im Fall von

HIV/AIDS immense Finanzmittel für Medikamente, Techniken und Gerätschaften

auf den afrikanischen Kontinent fließen, im Fall von Unfruchtbarkeit hingegen be-

stimmte Ideologien bspw. zu europäischen Vorstellungen von Fruchtbarkeit und

Überbevölkerung greifen und keine finanziellen Mittel bereitgestellt werden.Medi-

coscapes dienen diesbezüglich als Instrument zur Analyse von Dynamiken der Glo-

balisierung in gesundheitsbezogenen Feldern und zum Verständnis der verflochte-

nen lokalen, nationalen und globalen Beziehungen, die Geometrien der Macht ab-

bilden (Hörbst und Wolf in Vorbereitung; siehe auch Dilger, Kane und Langwick

2012).

Ein Schwerpunkt der am Institut vertretenen medizinethnologischen For-

schungen liegt damit auf den Rekonfigurationen von Medizin und Heilung, die mit

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den Transformationen von Gesundheitssystemen und medizinischen Wissensland-

schaften im Kontext globaler und transnationaler Verflechtungen verbunden sind.

Dabei wird die wechselseitige Konstitution von Medizin und Biologie sowie Gesell-

schaft und Kultur mit Bezug auf die in diesen Prozessen implizierten Machtbezie-

hungen, Wissenshierarchien und (moralischen, politischen, ökonomischen) Posi-

tionierungen unterschiedlicher AkteurInnen untersucht. Des Weiteren finden die

kritischen Perspektiven auf Gesundheitssysteme und Strukturen der Ungleichheit

dann aber auch in einigen der am Institut durchgeführten Projekte einen Ausdruck

in explizit anwendungsbezogenen Forschungsdesigns. Singer und Castro formulie-

ren dieses Anliegen der Critical Medical Anthropology folgendermaßen:

“[CMA] asserts that its mission is emancipatory; it aims not simply to

understand but also to change culturally inappropriate, oppressive,

and exploitative patterns in the health arena and beyond; and sees

commitment to change as fundamental to the discipline” (Singer und

Castro 2004: xiv).

Dementsprechend ist eine Zusammenarbeit mit NGOs und politischen AkteurIn-

nen konstituierender Bestandteil einiger Forschungen in der Arbeitsstelle, bei-

spielsweise in Bezug auf die Versorgung von MigrantInnen in Deutschland sowie

im Zusammenhang mit der Vormachtstellung der Biomedizin, die eine Institutio-

nalisierung anderer Therapieformen erschwert. Im Folgenden werden die themati-

schen Forschungsschwerpunkte der Arbeitsstelle im Einzelnen vorgestellt.

Forschungsschwerpunkte der Arbeitsstelle Medical AnthropologyGlobale Medizinlandschaften

Ein wichtiger Forschungsschwerpunkt der Arbeitsstelle ist die Transformation me-

dizinischer Landschaften in transnationalen Verflechtungen und die Frage, wie me-

dizin- und gesundheitsbezogene Ideen, Praktiken und strukturelle Konfigurationen

im globalen Zusammenhang aufeinander bezogen werden. Ein Fokus dieser For-

schungen liegt im Bereich „traditioneller Medizin“, der im Kontext rezenter Priori-

tätensetzungen in der globalen Gesundheitspolitik zum Gegenstand strategischer

Aushandlungsprozesse geworden ist (Knipper 2010) und in dem materia medica

selbst zu treibenden Akteuren kultureller und sozialer Transformationsprozesse

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werden. Des Weiteren werden hier die Grenzen zwischen unterschiedlichen medi-

zinischen Traditionen neu verhandelt. Aus der Begegnung und Reibung zwischen

religiös, ‚traditionell‘ und biomedizinisch motivierten Bedeutungen und Praktiken

entstehen neue Formen hybridisierten medizinischen Wissens und von Heilungs-

praxen (Adams, Schrempf und Craig 2010).

Britta Rutert untersucht in einem von der Deutschen Forschungsgemein-

schaft geförderten Forschungsprojekt den sich neu formierenden Markt der Bio-

prospektion in Südafrika, der in komplexer Weise Fragen nach national-kultureller

Identität, wirtschaftlichen Interessen und der Standardisierung von Wissen bzw.

Eigentum zueinander in Beziehung setzt (Reihling 2008; Rutert et al. 2011). Im

Kontext einer vom früheren Präsidenten Mbeki proklamierten „African Renaissan-

ce“ wird die Suche nach wissenschaftlich und ökonomisch verwertbarem Pflanzen-

material zu einer Art von „Identitätsökonomie“, in der spezifische Bilder von Afrika

Hoffnung auf monetäres ebenso wie nicht-monetäres Kapital in einer neoliberalen,

den afrikanischen Kontinent tendenziell marginalisierenden Marktordnung erzeu-

gen (Comaroff und Comaroff 2009). Britta Rutert zeigt zudem, dass die vielschich-

tigen Interaktionen und Reibungen im Feld der Bioprospektion auf divergierende

Konzepte von Eigentum in Bezug auf Pflanzen(wissen) verweisen – sowie auf eine

sich neu formierende „Environmentality“, die spezifische Formen des Regierens

und Eigentumsschutzes in Bezug auf Biodiversität und den Schutz „indigener“

Rechte hervorbringt (Rutert et al. 2011; vgl. Hayden 2003).

Caroline Meier zu Biesen beleuchtet das Thema globalisierender Medizin-

landschaften am Beispiel der chinesischen Heilpflanze Artemisia Annua L., die in

Tansania nicht nur in Form synthetisierter Artemisinin-Derivate Eingang in die

staatliche Gesundheitsversorgung, sondern seit 2003 auch – als Tee verabreicht –

in die alternative, durch NGOs und Kirchen gestützte PatientInnenversorgung ge-

funden hat (Meier zu Biesen 2012). Sie untersucht sowohl die mit der universalen

Etablierung biomedizinischer Standards verbundenen globalen Machtbeziehungen

in der Pharma- und Gesundheitspolitik als auch die Handlungsspielräume, die in-

dividuellen AkteurInnen (PatientInnen, HeilerInnen, NGOs) in dieser Situation zur

Verfügung stehen. Aufbauend auf der Anthropology of Pharmaceuticals (Van der

Geest et al. 1996) und der Actor-Network Theory (Latour 1988, 2007) konzipiert

sie Artemisia selbst als Akteur, der Beziehungen, Werte und spezifische Interes-

senskonstellationen in immer neuer Weise prägt und unterschiedliche Dynamiken

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kultureller Aneignung hervorruft. Die hier entstehenden Konstellationen sind ins-

besondere hinsichtlich ihrer Brüchigkeit und Spannung sowie mit Blick auf vielfach

verzweigte Handlungsketten und Diskurse in einer „perspektivenabhängigen glo-

balen Landschaft“ (Appadurai 1990) zu verstehen.

Aufbauend auf ihrer Promotionsforschung untersucht Caroline Meier zu Bie-

sen in einem weiteren Forschungsprojekt (2011/2012) die Einbindung von traditio-

nellen HeilerInnen in das Gesundheitssystem auf Sansibar. Das an der Schnittstelle

zwischen Medizin, Gesundheitspolitik und ethnologischer Forschung angesiedelte

Projekt wird in Kooperation mit der NGO Südtiroler Ärzte für die Dritte Welt und

dem Gesundheitsministerium Sansibar durchgeführt. Mittels qualitativer und

quantitativer Interviews mit HeilerInnen, ÄrztInnen, PatientInnen und Regie-

rungsvertreterInnen ging Caroline Meier zu Biesen der Frage nach, ob eine Koope-

ration zwischen beiden Gesundheitssektoren möglich ist. Die Studie zeigt, dass so-

wohl ÄrztInnen als auch HeilerInnen eine Zusammenarbeit begrüßen würden, so-

fern eine „neutrale Vermittlerinstanz“ (wie die NGO Südtiroler Ärzte) als Mediator

im Aufbau einer solchen Kooperation fungieren würde. Biomediziner forderten au-

ßerdem eine verbesserte medizinische (Grund-)Ausbildung der HeilerInnen. Heile-

rInnen hingegen sind nur zu einer Kooperation bereit, sofern ihre „tradierte“ Un-

terordnung aufgehoben und sie als vollwertige AkteurInnen im Gesundheitssystem

respektiert würden.

Soziale Beziehungen und Sicherung im Kontext transnationalerGesundheitspolitiken

Wie anhand der Verortung „traditioneller Medizin“ in nationalen und internationa-

len Machtverhältnissen und politisch-legalen Rahmenbedingungen deutlich wird,

können an einem Ort vorherrschende gesundheits- und medizinbezogene Ideen,

Praktiken und Politiken nicht als von globalen Prozessen losgelöste, „lokale“ Phä-

nomene verstanden werden. So sind prekäre strukturelle Ausgangsbedingungen

medizinischer Versorgung in vielen Ländern Subsahara-Afrikas unter anderem auf

transnationale Strukturanpassungsmaßnahmen der 1980er Jahre zurückzuführen.

Weiterhin wird die Domäne der „globalen Gesundheit“ heute maßgeblich von inter-

nationalen Organisationen bestimmt, die nicht nur medizinische Technologien,

Praktiken und Standards über den gesamten Erdball verbreiten, sondern damit

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korrelierend auch normative Konzepte von „modernen“ Geschlechterrollen, Selbst-

verantwortlichkeit, und eines „rationalen“ Lebensstils. Auf diese Weise werden be-

stimmte Formen von Subjektivität beispielsweise innerhalb der Zielgruppen von

Public-Health-Kampagnen geprägt, die sich wiederum auf die Ausformung sozialer

Beziehungen im Umfeld einzelner PatientInnen oder KlientInnen auswirken, von

diesen aber in gleichem Maße beeinflusst werden (Dilger 2005, 2012).

Das Forschungsprojekt von Angelika Wolf zu Formen sozialer Absicherung in

Senegal untersucht hinsichtlich solcher Verflechtungen zunächst, wie die in den

1980er Jahren vorgenommene Einführung von Nutzergebühren im Gesundheits-

bereich für einen Großteil der Bevölkerung ohne Krankenversicherung den Zugang

zu medizinischer Versorgung in drastischer Weise einschränkte. Die daraufhin ein-

geführten Krankenkassen der Gegenseitigkeit (mutuelles de santé) lassen neue

Formen von Bürokratie entstehen, die eng an biomedizinische Behandlung gekop-

pelt ist und in dieser Forschung als biobureaucracy analysiert werden (Wolf 2012).

Das Projekt beleuchtet zudem alternative Formen sozialer Absicherung beispiels-

weise im Rahmen von Familien- und Nachbarschaftsverbänden oder religiös moti-

vierten Spargemeinden. Besondere Bedeutung kommt hier dem aus dem Wolof

stammenden Konzept „dimbalanté“ (sich gegenseitig helfen) zu. Anhand von Fall-

studien erarbeitet die Studie die Funktionsweisen der auf dieser Form der Rezipro-

zität basierenden Absicherung sowie die Spannungen innerhalb entsprechender

Gruppen, die sich im Ernstfall auch in sozialen Brüchen und einem Versagen von

Hilfeleistungen manifestieren.

Dominik Mattes befasst sich in seiner Studie zur antiretroviralen HIV-Thera-

pie in Tansania mit den Wechselwirkungen zwischen transnational organisierten

Behandlungsregimen und sozialen Beziehungen betroffener PatientInnen. Wäh-

rend der sich nach Therapiebeginn oftmals rasch verbessernde Gesundheitszu-

stand vielen Erkrankten ermöglicht, ihren ökonomischen Aktivitäten und familiä-

ren Pflichten nachzukommen und sich auf diese Weise vormals teils stark belastete

soziale Beziehungen normalisieren, verweisen die Forschungsergebnisse auch auf

negative Auswirkungen bestimmter sozialer Dynamiken auf behandlungsrelevante

Verhaltensweisen. Fortwährende Moralisierung und Stigmatisierung von

HIV/AIDS im Kontext massiver Armut beispielsweise kann zu einer Prioritätenset-

zung betroffener Menschen führen, gemäß welcher der Erlangung und Beibehal-

tung von Würde und Anerkennung als vollwertiges Mitglied der Solidargemein-

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schaft mehr Wert beigemessen wird als „regelkonformem“ Therapieverhalten

(Mattes 2012).

Astrid Bochow (aktuell Max-Planck-Institut, Halle) untersucht in ihrem For-

schungsprojekt Verständnisse von Fruchtbarkeit und damit in Zusammenhang ste-

hende soziale Identitäten einer neu entstehenden Eliteschicht im urbanen Botswa-

na. Im Kontext der nationalen HIV-Prävalenz von 25-30 Prozent in der erwachsenen

Bevölkerung erörtert Bochow die Transformationen reproduktiver Beziehungen und

Konzepte von Sexualität durch den zunehmenden Einfluss biomedizinisch orientier-

ter Präventionskampagnen. In differenzierender Weise stellt das Projekt den Zu-

sammenhang her zwischen diesen Wandlungsprozessen und darüber hinausweisen-

den Vorstellungen von Verwandtschaft und familiärer Zugehörigkeit.

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Forschungspro-

jekt von Hanspeter Reihling schließlich konzentriert sich auf die Transformation

von Männlichkeitskonzepten im Kontext von HIV/AIDS in Kapstadt. Reihling ana-

lysiert unter anderem männerspezifische HIV-Präventionsprogramme, die sich für

die Veränderung von hegemonialen Männlichkeitsvorstellungen einsetzen, gemäß

welcher Maskulinität vor allem durch starken Konsum von Alkohol oder Drogen

sowie multiple Partnerschaften definiert wird. In der Tat vollziehen manche Män-

ner einen Identitätswandel: Sie begreifen ihr Engagement als AIDS-Aktivisten als

eine Möglichkeit, soziale Anerkennung zu erlangen und der Ausgrenzung zu begeg-

nen, die sie aufgrund prekärer Bildungs- und Arbeitsverhältnisse erfahren. Sie

grenzen sich dadurch oftmals bewusst von Identitätskonstruktionen als „Tsotsis“

(„Ganoven“) ab und verschreiben sich einem Verständnis von Männlichkeit, das

mehr von Verantwortlichkeit und Partnerschaftlichkeit als von patriarchalischer

Dominanz geprägt ist. Die verschiedenartigen biographischen Verläufe von Män-

nern, das verdeutlichen die Forschungsergebnisse, können allerdings nur verstan-

den werden, wenn sie im Kontext der spezifischen, historisch bedingten Konstituti-

on der nach wie vor durch rassifizierte Bruchlinien zergliederten südafrikanischen

Gesellschaft verortet werden.

Transformationsprozesse in biomedizinischen Institutionen

Soziale Beziehungen und Subjektivitäten werden nicht nur durch internationale

Organisationen und Aufklärungsprogramme geprägt, sondern insbesondere auch

E t hnoSc r i p t s

in der alltäglichen Interaktion innerhalb biomedizinischer Institutionen. Während

ein wichtiger Beitrag früher medizinethnologischer Forschungen darin bestand,

„nichtwestliche“ Medizinsysteme als inhärent logische „kulturelle Systeme“ be-

greifbar zu machen, blieb die kulturelle und soziale Konstruiertheit der wissen-

schaftlichen Biomedizin für lange Zeit weitgehend unbeachtet. Ab Ende der 1980er

Jahre wurden jedoch auch biomedizinische Wissensproduktion, Praktiken und

Technologien in ihren spezifischen historischen und sozialen Kontexten untersucht

und ihre kulturelle Bedingtheit hervorgehoben (Lock und Gordon 1988). In diesem

Zusammenhang wurden Krankenhäuser und andere biomedizinische Einrichtun-

gen als Institutionen verstanden, in denen spezifische Wertvorstellungen, soziale

Hierarchien und Ungleichheiten der jeweiligen Gesellschaften zum Tragen kom-

men (Van der Geest und Finkler 2004; Van der Geest et al. 1996). Auch konträre

Wertvorstellungen unterschiedlicher Populations- und Professionsgruppen treffen

in ihnen aufeinander und müssen unter bestimmten ökonomischen Rahmenbedin-

gungen alltäglich ausgehandelt werden, was Krankenhäuser zu einem Terrain für

mikropolitische Machtprozesse werden lässt (Singer und Baer 1995: 96-74). Vor

diesem Hintergrund fokussieren mehrere Forschungsprojekte der Arbeitsstelle

Machtprozesse, konfligierende Rationalitäten und Aushandlungsprozesse in bio-

medizinischen Einrichtungen.

Mustafa Abdalla (2011) untersucht die historischen Bedingungen der Etablie-

rung der Biomedizin in Ägypten, die als Instrument staatlicher Modernisierung ge-

nutzt wurde und sich wie andernorts in Vormachtstellung gegenüber anderen medi-

zinischen Traditionen brachte. Die defizitären Verhältnisse der alltäglichen Lehr-

und Lernpraxis an einer staatlichen medizinischen Fakultät in Kairo, die sich in

überfüllten Seminaren, stark eingeschränktem Patientenkontakt und daraus resul-

tierendem mangelhaftem klinischem Wissen äußern, führt Abdalla auf einen neoli-

beral orientierten Rückbau des staatlichen Bildungswesens zurück. Ähnlich wie zur

Zeit der britischen Herrschaft über Ägypten macht dies die medizinische Ausbildung

zu einem Privileg der Eliten und verlangt den Studierenden eine Bandbreite von

Strategien ab, mit denen sie sich einen erfolgreichen Abschluss zu sichern versu-

chen. „Guten Beziehungen“ (wasta) kommt hierbei eine besondere Rolle zu. Nicht

nur zu ProfessorInnen müssen diese aufgebaut werden, sondern vor allem auch zu

„professionellen PatientInnen“, die als Beispielfälle in Prüfungssituationen fungie-

ren und sich in Abhängigkeit vorheriger Zahlungen besonders kooperativ verhalten.

168

INSTITUTE IM BLICK | INSTITUT FÜR ETHNOLOGIE IN BERLIN

169

Dominik Mattes verbrachte im Rahmen seines von der Fritz-Thyssen-Stiftung ge-

förderten Forschungsprojekts (s.o.) mehrere Monate in HIV/AIDS Behandlungs-

zentren im nordöstlichen Tansania zur Untersuchung der Einschreibung HIV-posi-

tiver Menschen in das nationale Behandlungsprogramm. Seine Studie stellt heraus,

dass nicht zuletzt angesichts der erschwerten infrastrukturellen Voraussetzungen,

der hohen täglich zu behandelnden Patientenanzahl und des konstanten Mangels

an Fachpersonal nationale Richtlinien nicht befolgt wurden. In vielen Fällen ist

nicht nur die labortechnische Langzeitkontrolle der PatientInnen, sondern auch die

nötige Diskretion im Klinikalltag nicht gewährleistet. Weiterhin verweisen autori-

täre Praktiken der Wissensvermittlung und der Überwachung, Disziplinierung und

Entmündigung der PatientInnen auf eine Entwicklung, die den im Zuge der Ein-

führung der antiretroviralen Therapie in anderen Teilen Afrikas entwickelten Kon-

zepten der „therapeutischen Bürgerschaft“ (Nguyen et al. 2007) und des „verant-

wortungsvollen Bürger-Patienten“ (Robins 2006) widersprechen (Mattes 2011).

Małgorzata Rajtar fokussiert in ihrem laufenden, von der Alexander von

Humboldt-Stiftung geförderten Forschungsprojekt individuelle und kollektive Ver-

ständnisse standardisierter medizinischer Versorgung aus der Perspektive von den

Zeugen Jehovas angehörigen PatientInnen in Berlin. Sie geht der Frage nach, wie

mit religiös motivierten Maximen wie der Verweigerung von Bluttransfusionen im

klinischen Alltag umgegangen wird und inwiefern diese Praktiken durch gesetzliche

Regelungen gelenkt werden. Durch biographische Interviews mit betroffenen Pa-

tientInnen und medizinischem Personal arbeitet das Projekt insbesondere die ethi-

schen und emotionalen Herausforderungen involvierter Personen in entsprechen-

den Konfliktsituationen heraus. In diesem Kontext wird die Rolle des 1989 gegrün-

deten „Krankenhaus-Verbindungskomitees“ für Zeugen Jehovas beleuchtet, dessen

Mitglieder als „middle men“ zwischen PatientInnen und ÄrztInnen fungieren.

Migration und Gesundheit

Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeitsstelle bilden schließlich Arbeiten, die Ge-

sundheit, Krankheit und medizinische Versorgung im Kontext von transnationaler

Migration und kultureller Diversität untersuchen. Die am Berliner Institut für Eth-

nologie durchgeführten Studien zeigen, dass so genannte „kulturelle Faktoren“ nur

einen Aspekt unter mehreren darstellen, die die Krankheitserfahrungen und die

E t hnoSc r i p t s

Versorgungssituation von MigrantInnen prägen (vgl. Knipper und Bilgin 2010).

Aufenthalts- und Versicherungsstatus, unterschiedliche Migrationsgründe und

-wege, religiöse Überzeugungen und das soziale und kulturelle Kapital, etwa in

Form von Bildungstiteln und sozialen Netzwerken, spielen eine ebenso wichtige

Rolle. Krankheits- und Heilungserfahrungen werden zudem nicht nur aus transna-

tionaler Perspektive, sondern auch im Zusammenhang mit strukturellen Bedingun-

gen wie dem nationalen Versorgungssystem und den konkreten lokalen Versor-

gungsinstitutionen und Therapiemöglichkeiten untersucht.6 Damit tragen die an

der Arbeitsstelle angesiedelten Studien dazu bei, Gesundheit und Krankheit im Mi-

grationskontext als komplexe und multidimensionale Prozesse zu verstehen und zu

analysieren. Gleichzeitig liefern die Projekte Ergebnisse, die auf konkrete Versor-

gungssituationen angewendet werden können, und wirken damit auf eine Verbes-

serung der medizinischen Versorgung von MigrantInnen hin.

Linn Leißner (vgl. dieses Schwerpunktheft) untersucht in ihrer Masterfor-

schung „Leben mit MPS“, einem Kooperationsprojekt der Charité Berlin und der

Freien Universität, die Krankheitsvorstellungen und Gesundheitspraktiken tür-

kischstämmiger MigrantInnen, die an der seltenen Stoffwechselkrankheit Mukopo-

lysaccharidose VI (MPS VI) erkrankt sind. MPS VI ist eine chronische, vererbbare,

metabolische lysosomale Speichererkrankung, die sich erheblich auf den Alltag der

Betroffenen sowie ihrer Familien auswirkt. Leißner interviewte die Erkrankten, ih-

re Familienmitglieder und VertreterInnen des Gesundheitspersonals und führte

teilnehmende Beobachtung im Rahmen der Enzymersatztherapie (EET) in Mainz

und Berlin durch und besuchte die PatientInnen und ihre Familien im häuslichen

Umfeld. Auf der Basis ihrer Feldforschung arbeitet Leißner die Bedeutung des so-

zialen Kontextes für die Erklärung von PatientInnenverhalten und Krankheitser-

fahrungen heraus. In der ersten Datenauswertung zeigt sich, dass diese durch ein

Zusammenspiel verschiedenster Determinanten beeinflusst werden: Medizinische

Aspekte wie das Krankheitsbild und die konkreten Therapiebedingungen kommen

ebenso zum Tragen wie das sozial-familiäre Netzwerk, das Wissen der PatientIn-

nen über die Erkrankung, die Struktur der medizinischen Einrichtung und die

Kommunikation zwischen ÄrztInnen und PatientInnen (Leißner, Dilger und Plö-

ckinger 2012).

Gudrun Kotte, die neben ihrer sinologischen und ethnologischen Ausbildung

Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) studierte, setzt sich in ihrer Dissertation

170

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171

mit der Frage auseinander, wie chinesische MigrantInnen Schwangerschaft, Geburt

und Wochenbett erleben (Kotte 2009). Sie befragte über die Dauer von knapp zwei

Jahren 21 chinesische Frauen und interviewte zusätzlich Hebammen und einige der

chinesischen oder deutschen Ehemänner. Dadurch macht sie chinesische Migran-

tInnen als individuelle Akteurinnen sichtbar und arbeitet gleichzeitig die Relevanz

familiärer Netzwerke während und nach der Schwangerschaft heraus. Ein Schwer-

punkt der Arbeit liegt auf der Untersuchung von handlungsrelevantem Wissen und

Wissenserwerb im Kontext transnationaler Migration und der Navigation durch ein

„fremdes“ medizinisches Versorgungssystem. Die sozialen Netzwerke der Frauen,

insbesondere auch ihre Beziehungen zu Müttern und Schwiegermüttern, spielen

dabei eine entscheidende Rolle für die Schwangerschaftserfahrung und die Nut-

zung des Versorgungssystems (vgl. Stülb 2010).

Susann Huschke schließlich thematisiert in ihrer Dissertation die Krankheits-

erfahrungen und Heilungswege undokumentierter LateinamerikanerInnen in Ber-

lin (Huschke 2012). Aufenthaltsrechtliche Illegalität wird als sozial, politisch und

historisch eingebettetes (und damit veränderliches) Konstrukt verstanden, das die

Gesundheitsversorgung und die spezifischen Leidenserfahrungen undokumentier-

ter MigrantInnen grundlegend prägt (vgl. Castañeda 2007, 2010; De Genova

2002). Huschke liefert die erste ethnographische Analyse dieses Themas in

Deutschland, indem sie den faktischen Ausschluss undokumentierter MigrantIn-

nen aus der regulären Gesundheitsversorgung kritisch beleuchtet und gleichzeitig

anhand von detaillierten Fallstudien zeigt, wie individuelle AkteurInnen mit dieser

von Exklusion und Unsicherheit geprägten Lebens- und Versorgungssituation um-

gehen. Sie arbeitet heraus, dass informellen sozialen Netzwerken in diesem Kontext

eine zentrale Rolle zukommt und zeigt gleichzeitig, dass es sich hierbei häufig um

ein „fragiles Netz“ handelt, das von multiplen Abhängigkeiten, Misstrauen und Am-

bivalenz geprägt ist (Huschke 2009; vgl. Krause 2011; Leißner dieses Heft).

Huschkes Studie basiert auf einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten

Feldforschung (2008-2011) mit teilnehmender Beobachtung, informellen Gesprä-

chen und teilstrukturierten Interviews mit 35 LateinamerikanerInnen sowie auf In-

terviews mit SozialarbeiterInnen, PastorInnen und medizinischem Personal. Als

Mitarbeiterin des Berliner Büros für medizinische Flüchtlingshilfe (Medibüro) ar-

beitet sie zudem auch praktisch und politisch zum Thema aufenthaltsrechtliche Il-

legalität und Gesundheit. Das Medibüro organisiert mithilfe eines Netzwerkes aus

E t hnoSc r i p t s

unentgeltlich arbeitenden ÄrztInnen und anderen medizinischen Fachleuten Be-

handlungen für MigrantInnen, die keinen Zugang zum regulären Gesundheitssys-

tem haben. Die (ebenfalls unentgeltlich tätigen) MitarbeiterInnen des Medibüros

arbeiten im Rahmen lokaler und bundesweiter Lobbyarbeit in Bündnissen, Kampa-

gnen und durch Medienberichte darauf hin, auch undokumentierten und unversi-

cherten MigrantInnen den Zugang zum Gesundheitssystem zu ermöglichen. Die

von Susann Huschke erhobenen Daten finden dabei beispielsweise am „Runden

Tisch Flüchtlingsmedizin“ ihre Anwendung. Die unzureichende Versorgung undo-

kumentierter MigrantInnen in Notaufnahmen und Krankenhäusern (Huschke

2010) ist eines der Themen, für das im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Ber-

liner Gesundheitssenat in diesem Forum konkrete Verbesserungsoptionen erarbei-

tet werden sollen.7

Ausblick

Dieser Artikel hat die Entstehung und Forschungsschwerpunkte der Arbeitsstelle

Medical Anthropology an der Freien Universität vorgestellt und aufgezeigt, welche

theoretischen und thematischen Perspektiven für das Feld der Medizinethnologie

in einer globalisierten Welt auch in Zukunft relevant sein können. In den kommen-

den Jahren sollen im Rahmen der Arbeitsstelle – neben dem Ausbau bestehender

Schwerpunkte – die Schnittstellen von Religion, Medizin und Heilung vertiefend in

den Blick genommen und untersucht werden, wie globalpolitische ebenso wie na-

tionalrechtliche Bedingungen die Verknüpfung von religiösen und medizinischen

Praktiken lokal konstituieren (vgl. z.B. Dilger, Burchardt und van Dijk 2010). Des

Weiteren sehen wir im Feld von Migration und Gesundheit grundlegende Heraus-

forderungen für die zukünftige Forschung, die neben der Problematisierung des

Migrationsbegriffs in diesen Studien auch vielfältige Perspektiven für die inter- und

transdisziplinäre Zusammenarbeit über den Berliner Raum hinaus eröffnen.

Auf einer weiteren Ebene möchten wir den Lehrschwerpunkt Medizinethno-

logie an der Freien Universität in den kommenden Jahren weiter ausbauen und auf

eine starke nationale und internationale Vernetzung hinarbeiten (z.B. durch die

Veranstaltung von Summer Schools und die Einbeziehung nationaler und interna-

tionaler DozentInnen). In diesem Zusammenhang wird an bestehende Vernetzun-

gen im deutschsprachigen Raum (z.B. mit den Instituten in Basel, Göttingen, Hei-

172

INSTITUTE IM BLICK | INSTITUT FÜR ETHNOLOGIE IN BERLIN

173

delberg, Tübingen, Wien) und auf europäischer Ebene (EASA, MAYS) ebenso ange-

knüpft wie an derzeitige Bestrebungen, im Feld der DoktorandInnenausbildung ge-

zielt Kontakte zu außereuropäischen Universitäten (zur Zeit: Tansania, Südafrika,

Bangladesch und USA) weiter auszubauen. Mit diesen unterschiedlichen Aktivitä-

ten wird die Arbeitsstelle Medical Anthropology auch in Zukunft einen Beitrag zur

Institutionalisierung der Medizinethnologie im deutschsprachigen Raum leisten,

der über den lokalen Forschungszusammenhang hinaus Impulse für die Theorie-

und Methodenreflexion in diesem Forschungsfeld setzen soll.

Anmerkungen

1 Die Arbeitsstelle Medical Anthropology steht in engem Austausch mit weiteren

Lehr- und Forschungsschwerpunkten des Instituts für Ethnologie, insbesondere

der Anthropologie der Emotionen bzw. der kulturellen Psychologie und der Reli-

gionsethnologie, aber auch mit der Visuellen und der Umweltanthropologie.

Weitere Informationen zur Arbeitsstelle Medical Anthropology unter

http://www.polsoz.fu-berlin.de/ethnologie/arbeitsstellen/medical_anthropo-

logy/index.html

2 Weitere Informationen unter http://www.mays-easa.org/

3 Der Workshop wurde von Astrid Bochow (MPI Halle) co-organisiert.

4 Wir sind uns dabei durchaus bewusst, dass die Übergänge zwischen diesen bei-

den Theorieansätzen immer schon fließender waren, als dies hier verkürzt wie-

dergegeben werden kann. Zum Konzept des social suffering, das eine explizite

Verknüpfung der Ansätze anstrebte, siehe Kleinman, Das und Lock 1997.

5 Als Biomedizin wird eine Heilkunde definiert, die sich an den Naturwissenschaf-

ten mit der Biologie als Leitwissenschaft orientiert und universalen Geltungsan-

spruch erhebt, vgl. Hahn & Kleinman (1983: 305f.).

6 Siehe zur Bedeutung nationalstaatlicher Politiken für transnationale Migrations-

prozesse Fleischer 2012.

7 Für weitere Informationen zur Arbeit des Medibüros siehe Interview mit Susann

Huschke auf ALEX TV: http://www.alex-berlin.de/mediathek/video/id/1263

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Dr. Hansjörg Dilger ist Juniorprofessor am Institut für Ethnologie der Freien Uni-

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Susann Huschke ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ethnologie der

Freien Universität Berlin.

Dominik Mattes ist Doktorand am Institut für Ethnologie der Freien Universität

Berlin.

Angelika Wolf ist Doktorandin am Institut für Ethnologie der Freien Universität

Berlin.

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