‚Hauptstädte– Ein globales Phänomen einer (national-) staatlichen Idee - Washington, D.C. –...

79
Universität Potsdam Historisches Institut Wintersemester 2014/15 Juniorprofessur Europäische Aufklärung Masterarbeit Hauptstädte– Ein globales Phänomen einer (national-) staatlichen Idee Washington, D.C. – Von der Planstadt der Frühen Neuzeit zum globalen Vorbild Abschlussarbeit im Rahmen des Masterstudienganges Kulturelle Begegnunsgräume der Frühen Neuzeit vorgelegt von Tobias Luksch; Matrikelnummer.: 738583 E-Mail: [email protected] Themensteller / Erstgutachter: Prof. Dr. Iwan-Michelangelo D’Aprile Zweitgutachter: Prof. Dr. Ralf Pröve Berlin, im April 2015

Transcript of ‚Hauptstädte– Ein globales Phänomen einer (national-) staatlichen Idee - Washington, D.C. –...

Universität Potsdam Historisches Institut Wintersemester 2014/15 Juniorprofessur Europäische Aufklärung Masterarbeit

Hauptstädte– Ein globales Phänomen einer (national-) staatlichen Idee

Washington, D.C. – Von der Planstadt der Frühen Neuzeit zum globalen Vorbild

Abschlussarbeit im Rahmen des Masterstudienganges Kulturelle Begegnunsgräume der Frühen Neuzeit

vorgelegt von Tobias Luksch; Matrikelnummer.: 738583 E-Mail: [email protected] Themensteller / Erstgutachter: Prof. Dr. Iwan-Michelangelo D’Aprile Zweitgutachter: Prof. Dr. Ralf Pröve Berlin, im April 2015

Gliederung 1. Einleitung 1

2. Die Hauptstadt in ihrer historischen Entwicklung 10 2.1 Was ist eine Hauptstadt? 10

2.2 Die historische Entwicklung der Hauptstadt 14 2.2.1 Das ‚europäische’ Mittelalter 14

2.2.2 Die Hauptstadt in der Frühen Neuzeit 18

2.3. Eine Hauptstadttheorie (Die Hauptstadt in der ‚Moderne’) 22

3. Die politische Architektur 26 3.1. Die architektonische Semiotik nach Umberto Eco 26

3.2 Politische Architektur 31

4. Washington, D.C. 37 4.1. Der Plan für eine neue Hauptstadt 37

4.1.1. Die rechtlichen und legislativen Grundlagen 37

4.1.2. Die Bauplanung 43

4.2. Die Architektur Washington, D.Cs. am Beispiel -

The President’s House und The Capitol 48

4.3. Die Hauptstadtfrage 53

5. Fazit und Ausblick 58

6. Bibliographie 66

7. Anhang 73

1

1. Einleitung

"Wir könnten ihnen das bieten, was ihnen seit 50 Jahren verweigert wird:

Trinkwasser, Gesundheitsversorgung, saubere Luft und viel mehr."1

Es ließe sich aber auch eine neue Hauptstadt bauen. So plant es

zumindest der ägyptische Präsident Abdel-Fattah el-Sisi und versucht mit

Geldgebern aus den finanzstarken Golfstaaten ein nicht unübliches

Machtsymbol in das Niemandsland zu errichten. Dieses gigantische

Projekt, welches in lediglich sieben Jahren realisiert werden soll2, ist der

jüngste Planungsentwurf eines globalen Phänomens, welches seinen

Ursprung im Rahmen der Staatsplanung in den noch jungen Vereinigten

Staaten von Amerika mit der Gründung Washingtons, D.C. im

auslaufenden 18. Jahrhundert fand. Bei aller Aktualität der ägyptischen

Planungen lohnt sich ein Blick zurück in die frühe Geschichte der

Vereinigten Staaten von Amerika.

Kaum eine Nation versteht es auf vergleichbare Weise global, durch eine

kooperierende Interpretation von Selbstinszenierung und wirtschaftlich-

militärischer Macht ihre Deutungshoheit zu zelebrieren, wie die

Vereinigten Staaten von Amerika.

Die Supermacht des 20. Jahrhunderts blickt auf eine verworrene

Gründungsgeschichte zurück sowie ein Wechselspiel von früher

Demokratiegeschichte und zahlreichen Rückfällen in eine schon

überwunden geglaubte Zeit.3

1 Die Reaktion des ägyptischen Wissenschaftler Khaled Fahmy zur geplanten neuen, noch namenslosen, Hauptstadt Ägyptens, zitiert nach: Christoph SYDOW, Ägyptens neue Hauptstadt: Sisis Luftschlösser, unter: Spiegel Online, < http://www.spiegel.de/politik/ausland/aegypten-sisis-plaene-fuer-eine-neue-hauptstadt-sind-riskant-a-1023870.html >, (19.3.2015). 2 Vgl. Paul-Anton KRÜGER, Ägyptens neue Hauptstadt - Flucht aus Kairo, unter: sueddeutsche.de, < http://www.sueddeutsche.de/politik/aegyptens-neue-hauptstadt-flucht-aus-kairo-1.2394108 >, (19.3.2015). 3 Da in der vorliegenden Arbeit nicht genügend Raum zur Verfügung stehen wird für eine ausführliche und allumschließende Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika zu porträtieren und dies bei Bedarf auch in zahlreichen Publikationen auf verschiedenerlei Weise schon geschehen ist, unter Unzähligen z.B. als Einstiegsheft: Manfred BERG, Geschichte der USA, München,

2

Dieser Staat oder besser Staatenbund soll im Folgenden in den Fokus

dieser Arbeit rücken. Es wird darüber zu urteilen sein, weshalb

ausgerechnet mein eigener eurozentrischer Blick den Kontinent wechselt

und inwiefern sich dies auf die zu entwickelnden Beobachtungen auswirkt.

Der eigentliche Schwerpunkt für die folgende Arbeit soll jedoch auf einem

globalen Phänomen - der Hauptstadt - liegen und damit auch gleich meine

erste These einleiten: Die Hauptstadt ist ein globales Phänomen

nationaler Ausprägung und wird in einem internationalen Diskurs

erschlossen.

Die Faszination für die Hauptstadt ist eine sehr aktuelle

Auseinandersetzung und mein Zugang hierzu ist in dem Diskurs innerhalb

der Europäischen Union begründet.4 Brüssel ist der Kristallisationspunkt

der Europäischen Union, offiziell und verfassungsmäßig aber nicht seine

Hauptstadt. 5 Das Vorhaben, Brüssel langfristig zur europäischen

Hauptstadt aufzubauen, ist von vielen Widerständen begleitet , besonders

wenn man die jahrzehntelangen, bürokratischen Kontroversen mit

Straßburg oder bedeutend kürzer mit Luxemburg (Stadt), um den Sitz des

Europäischen Parlaments, mitbedenkt. 6 Jeder Staat und insbesondere

jede Nation hat zum derzeitigen Augenblick eine Hauptstadt, wenn auch

Japan und die Schweiz diesem globalen Phänomen entgehen wollen,

indem sie bislang keine offizielle Deutung zugelassen haben, dass Tokio,

(Oldenbourg Grundriss der Geschichte. - München!: Oldenbourg, 1980-, Bd. 42), 2013.; So gibt es auch die (noch nicht abgeschlossenen) Lebenswerke, z.B.: Hermann WELLENREUTHER und ETC., Niedergang und Aufstieg Geschichte Nordamerikas vom Beginn der Besiedlung bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts, Berlin u.a., Geschichte Nordamerikas in atlantischer Perspektive von den Anfängen bis zur Gegenwart., 2000.; auf dem anglo-amerikanischen Markt findet man aber auch sich der Ereignisgeschichte entgegenstellende Werke, vor allem: Howard ZINN, A people’s history of the United States: 1492 - present, New York, 2003.) Auf Grund dieser Fülle an Material sei an dieser Stelle lediglich mit einer sybillinischen Phrase mein grundlegendes Deutungsmuster eines schwer zu überblickenden Zeitraumes schraffiert. 4 Vgl.: Daniel HABIT, Die Inszenierung Europas?!: Kulturhauptstädte zwischen EU-Europäisierung, Cultural Governance und lokalen Eigenlogiken / Daniel Habit, Münster, 2011., S. 262-268. 5 Verfassungsgemäß natürlich nur in dem Sinne, dass der ‚Vertrag von Lissabon’ (2007) äquivalent gedacht wird. 6 Vgl. Daniel HABIT, Die Inszenierung Europas?, Münster, 2011, S.263f.

3

bzw. Bern ihre jeweiligen Hauptstädte sind.7 Dadurch bilden sie ein gutes

Beispiel für die derzeitige Beschaffenheit der europäischen Union,

zumindest in der Frage einer verfassungsmäßigen Hauptstadt.

Ein noch besseres Beispiel offenbart sich jedoch am

Untersuchungsgegenstand dieser Ausarbeitung, der US-amerikanischen

Hauptstadt Washington, D.C. Wie bereits angedeutet, ist eine Hauptstadt

im Regelfall an einen (National-)Staat gebunden.8 Je nach Lesart ist aber

die Herausbildung des Staatssystems der Vereinigten Staaten von

Amerika im 18. Jahrhundert mit dem Bündnissystem der Europäischen

Union vergleichbar.9

In den letzten Jahren erschien eine ganze Reihe an Publikationen, die

sich an global-komparativen Stadtstudien versuchten. 10 Diese

thematisieren hingegen hauptsächlich die soziologischen Eigenheiten

einer Stadt, wie z.B. das Finanzzentrum oder die kulturellen Institutionen.

Durch die Konzentration auf diese Themen wird eine Stadt wie Frankfurt

am Main zu einer global city aufgebaut, basierend auf dem Finanzzentrum

und seinem Flughafen, trotz ihrer städtisch geringen Bedeutung im

Vergleich zu den Megacities11 dieser Welt.

Diese Studien haben aber wenig Einfluss auf das folgende Gedankenspiel

einer Hauptstadtanalyse, sondern sind vielmehr in Abgrenzung zu

verstehen.

7 Sehr übersichtlich wird die Geschichte der Bundesstadt Bern schraffiert, in: ANDRÉ HOLENSTEIN, Das Bundehaus als Nationaldenkmal der Bundesstadt Bern, Bern, Im Herzen der Macht?: Hauptstädte und ihre Funktion!: Referate einer Vorlesungsreihe des Collegium generale der Universität Bern im Frühjahrssemester 2012, Bern 2013. 8 Vgl.: Jens KIRSCH, Hauptstadt: zum Wesen und Wandel eines nationalen Symbols, Münster, (Geographie. - Wien!: LIT-Verl., 1989-, Bd. 18), 2005. 9 Vgl. Martin GROßE-HÜTTMANN, Bundesrepublik Deutschland - Der unitarische Republikanismus wird vielfältiger, in: Regional Governance in EU-Staaten, hrsg. von Jürgen DIERINGER/Roland STURM, Leverkusen und Berlin, 2010. 10 Besonders: Saskia SASSEN (Hrsg.), Global networks, linked cities, New York, NY [u.a.], 2002. 11 Einen Erklärungsansatz für den Begriff der Megacities liefert: Vgl. Jiawen YANG, Spatial Planning in Asia: Planning and Developing Megacities and Megaregions, in: Megaregions: Planning for Global Competitiveness, hrsg. von Catherine ROSS, Washington D.C., 2012.

4

Eine Hauptstadt für einen Staat herauszubilden, scheint ein

gemeinsames, globales Motiv zu sein. Dies macht es zwar noch nicht zu

einem globalen Phänomen, aber für den wissenschaftlichen Zweck erlaubt

es die Integration komparativen Erwägens in eine globale Perspektive

einer nationalen Eigenheit. Die Regeln und Ursachen einer Hauptstadt gilt

es in den Folgekapiteln zu markieren.

Zunächst möchte ich auf meinen zugrunde liegenden theoretischen

Rahmen zu sprechen kommen. Für diese Ausarbeitung habe ich mich

entschieden, einige Thesen des soziologischen ‚Evergreens’ aus den

1960er Jahren: ‚Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit’ von

Peter L. Berger und Thomas Luckmann 12 , aufzugreifen und auf die

Stadtgeschichts- und Hauptstadtforschung anzuwenden.

Die in diesem Werk und unzähligen folgenden Auflagen aufbereiteten,

theoretischen Grundlagen bieten mir einen Zugang zu

erkenntnistheoretischen und allgemeinen wissenssoziologischen Fragen,

welcher in anderer Weise nur schwerlich möglich wäre. Um die aktuellen

Entwicklungen nicht aus den Augen zu verlieren, möchte ich diese Theorie

auch immer in ihrer Ergänzung in einem Gesprächsband mit einem der

beiden Autoren, Thomas Luckmann, aus dem Jahr 2003 13 im Blick

behalten.

Um die Thematik rund um Hauptstädte an dieser Stelle aufzugreifen,

versuche ich zunächst Allgemeinplätze mit der einleitenden Theorie zu

verknüpfen - ein Vorhaben, welches ich in aller Ausführlichkeit in den

Folgekapiteln ergänzen werde.

Zunächst möchte ich ganz plakativ die Hauptstadt als ‚Wirklichkeit’

definieren. Es ist an dieser Stelle unumstößlich, dass es Hauptstädte gibt.

Man findet sie in topographischen Sammelwerken, bei den

Länderbeschreibungen im Internet, als Werbezusatz einer

12 Peter Ludwig BERGER und Thomas LUCKMANN, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit: eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt a. M, (Conditio humana), 1969. 13 H. WALTER SCHMITZ und TATJANA PAWLOWSKI (Hgg.), 30 Jahre „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“!: Gespräch mit Thomas Luckmann, Aachen, 2003.

5

Touristeninformation, als Beschreibungshilfe bei der Analyse von

Machtstrukturen 14 und natürlich in der Selbstauskunft der jeweiligen

Länder über ihr Herrschaftsgefüge. Wenn wir diesen Topos, diese große

Bandbreite an verschiedenen Realitäten und Wissenskonfigurationen nun

als Wirklichkeit bezeichnen, so ist sie „gesellschaftlich konstruiert“. 15

Dieses ‚Wissen’ wird nach Berger und Luckmann folgend definiert: „[...] als

die Gewißheit, dass Phänomene wirklich sind und bestimmbare

Eigenschaften haben.“16 Welches Wissen wir über Hauptstädte haben, ist

äußerst diffizil, aber Gegenstand des folgenden Kapitels.

Für die anschließenden Thesen ist die Erkenntnis: „daß offenbar

spezifische Konglomerate von ‚Wirklichkeit’ und ‚Wissen’ zu spezifischen

gesellschaftlichen Gebilden gehören“17, von besonderer Bedeutung. Die

Hauptstadt als gesellschaftliches Gebilde ist ein solches Konglomerat von

‚Wirklichkeit’ und ‚Wissen’.

Ausgehend von diesen angenommenen Erkenntnissen der letzten

wenigen Zeilen, ergibt sich folglich ein Fahrplan für die Bearbeitung der

Thematik, welchen ich mit einem Katalog an Fragen ergänzen möchte:

1. Welche Faktoren und Bedingungen kristallisieren sich in einer

Hauptstadt heraus?

2. Welche Hauptstadttypen zeichnen sich global ab?

3. Gibt es eine architektonische Dimension hinter einer Hauptstadt, die

unabhängig von stilistischen Elementen durch die Zeit Bestand hat/te?

Wie kann man diese beschreiben?

14 Hier sei ganz plakativ an die jüngste Debatte rund um die Bedeutung des Kalifats des sogenannten IS im Gebiet der international legitimierten Staaten Syrien und Irak erinnert. Der IS proklamiert seine eigene Hauptstadt Ar-Raqqa (türkisch: Rakka), während die hierzulande berichteten Medien diese vornehmlich noch als Hauptstadt in Anführungszeichen listen. Diese Problematik soll uns aber erst im Kapitel rund um die Definition einer Hauptstadt ausführlicher beschäftigen. 15 Siehe Peter Ludwig BERGER und Thomas LUCKMANN, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, Frankfurt a. M, (Conditio humana), 1969, S.1. 16 Siehe Ebd. 17 Siehe Ebd.,S.3.

6

4. Hat sich eine prototypische Hauptstadt etabliert, welche spätere

Hauptstadtgründungen oder –erweiterungen beeinflusst hat?

5. Welche Ursprünge hat die Hauptstadtplanung von Washington, D.C.?

Welchen Charakter gibt diese Planung dem jungen, demokratischen

Staatenbund an der Wende ins 19. Jahrhundert?

6. Welche Besonderheiten zeichnen sich bei der Hauptstadtplanung in

Washington, D.C., speziell im Vergleich zu den des 17. Jahrhunderts ab?

Es ist nicht möglich, all diese Forschungsfragen im folgenden Vorhaben in

ihrer Gänze zu beantworten. Trotz allem sollen sie meinen Standpunkt

aufzeigen und ebenfalls die Möglichkeiten eines solchen

Forschungsvorhabens in dem größeren Zusammenhang einer Promotion

skizzieren. In den folgenden Thesen versuche ich diese Fragen auf die

Möglichkeiten dieser Analyse hin zuzuspitzen und einzukreisen:

1. Die Hauptstadt ist ein globales Phänomen unterschiedlicher, (national-)

staatlicher Ausprägung.

2. Eine Hauptstadt wird in erster Linie durch ihre innere Struktur geformt,

aber durch ihre internationale Wirkung schließlich global wahrgenommen.

3. Der architektonische Aufbau einer Stadt geschieht regelmäßig nach

internationalen Mustern. Architektonisch ist die Hauptstadt eines Staates

mit internationalen Beziehungen kein national ausgestaltetes

Erkennungszeichen mehr.

4. Washington, D.C., folgt trotz der neuerlichen demokratischen Ordnung

dem architektonischen Weg einer Stadt mit markanter absolutistischer

Herkunft: Die Stadt Versailles.

Um nun ein umfassenderes Bild über die folgenden Kapitel zu zeichnen,

möchte ich an dieser Stelle die wichtigsten Inhalte vorstellen.

Das nächste Kapitel geht der Frage nach, wie eine Hauptstadt zu

definieren ist. Hierbei wird ein historischer Abriss von großer Bedeutung

sein. Die Möglichkeit, eine allgemeingültige Definition der ‚Hauptstadt’ zu

7

erschließen, ist schwierig, bis hin zu unmöglich 18 . Je nach

Forschungsschwerpunkt und zeitlich-historischer Perspektive lassen sich

unzählige Differenzen aufstellen. Steht in der Erforschung des

europäischen Mittelalters die Trennung zwischen Hauptort und Hauptstadt

im Vordergrund19, verändert sich dies in der Frühneuzeitforschung zur

Frage von Residenzstadt und Hauptstadt20. Spätestens durch die Vorliebe

der absolutistischen Herrscher ab dem 17. Jahrhundert, sich aus dem

urbanen Raum abzusetzen, entsteht eine ganz neue Dynamik. Die

Hauptstadt im 19. Jahrhundert wiederum steht ganz im Zeichen der

nationalen Bedeutungsaufladung. In einem Exkurs möchte ich ein Modell

vorstellen, welches die Hauptstädte global in drei Kategorien einteilt. Zum

einen die Planhauptstädte, wie die Beispielstadt dieser Arbeit,

Washington, D.C. Zum zweiten Städte, die auf eine solch lange

Hauptstadtgeschichte zurückblicken können, dass sie schon Hauptstadt

waren, vor dem Prozess der (National-)Staatsbildung im 18. und 19.

Jahrhundert, wie London, Paris oder Peking. Zuletzt gibt es noch eine

Kategorie an Hauptstädten, die schon entwickelte Städte waren, bevor

ihnen der Status der Hauptstadt im Rahmen der (National-)Staatsbildung

verliehen wurde, wie Berlin, Ankara oder Manila.

Das dritte Kapitel lässt die Architektur als Regulativ in diese Ausarbeitung

mit einfließen. Es wird der Frage nachzugehen sein, inwiefern

Hauptstadtarchitektur global vergleichbar sein kann, werden doch auf

Grund der anzunehmenden Unterschiede in der Baukultur verschiedene

stilistische Ausformungen anzufinden sein. Von weiterem Interesse ist die

Aussagekraft der Gestaltung des öffentlichen Raums. In meinem

Verständnis ist die politische Architektur ein Kondensat des öffentlichen

18 Dieser Schwierigkeit möchte ich jedoch mit einem eigenen Definitionsansatz begegnen. 19 Ein ganzes Kapitel zu dieser Thematik widmet: Vgl. Evamaria ENGEL und Forschungsschwerpunkt "Geschichte und Kultur OSTMITTELEUROPAS.", Metropolen im Wandel: Zentralität in Ostmitteleuropa an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, Berlin, 1995, S.11–32. 20 Eine vorzügliche Unterscheidung der beiden Stadttypen trifft: Vgl. Mirko NOVÁK, Herrschaftsform und Stadtbaukunst: Programmatik im mesopotamischen Residenzstadtbau von Agade bis Surra man raʼā, Wiesbaden, 1999, S.58f.

8

Diskurses um eine Repräsentation der Macht. Es wird an dieser Stelle

ebenfalls herauszufinden sein, inwiefern ein öffentlicher Diskurs begründet

bzw. geleitet werden kann, durch eine Ausgestaltung eines Bauwerkes.

Welchen Einfluss hat die Architektur auf die Öffentlichkeit? Im gleichen

Maße ist auch der Frage nachgehen, inwieweit die Politik Architektur

plant. Dies alles geschieht jedoch nicht im einem kunsthistorischen Abriss,

sondern Architektur soll stets funktional verstanden werden. Am Beispiel

des Neubaus des Berliner Stadtschlosses lassen sich diese Ansätze sehr

gut konkretisieren. Es ist an dieser Stelle von keinem Interesse, ob der

Architekturstil dieses Betonschlosses der Neorenaissance mit Einflüssen

von neogotischen Spielereien, mit Barockverzierungen und einem Hauch

von Rokoko nacheifert, sondern es steht lediglich die Frage im Raum,

weshalb die öffentliche Hand Gelder bereitstellt ein Monument des

königlichen Preußentums mit dem Anstrich von Originaltreue

wiederauferstehen zu lassen und nicht wie zum Beispiel bei der

Neuschöpfung des Berliner Reichstages Elemente einer ‚demokratischen’

Architekturform (begehbare Glaskuppel) implementiert werden. Welcher

Zeitgeist wird mit dieser Form der Architektur zum Ausdruck gebracht?

Welche Form von Macht wird repräsentiert? Diese Analyse der Funktion

von Architektur soll im Vordergrund stehen.

Im vierten Kapitel wird schließlich das Beispiel Washington, D.C. auf die

angesprochenen theoretischen Grundlagen hin analysiert. Zunächst soll

die Gründungsgeschichte dieser Stadt am Potomac River im Vordergrund

stehen. Hierbei gilt es an Hand von Kongressbeschlüssen,

Korrespondenzen, den gestalterischen und räumlichen Planungen des

Architekten Pierre Charles L’Enfant und den ersten Umsetzungen bis

1830 ein Panorama zu entwickeln, das die frühe Stadtgeschichte auf

mehreren Ebenen plastisch verbildlicht.

Im zweiten Teil dieses Kapitel gilt es dann die gewonnenen Erkenntnisse

zu verwenden, um der Frage nachzugehen, was Washington, D.C. zu

einer Hauptstadt macht. Diese Stadt wurde eigens zu dem Zweck

gegründet, diese Funktionen wahrzunehmen - aber welche Charakteristika

9

aus architektonischer und stadtplanerischer Sicht erzeugen schließlich

das Bild einer Hauptstadt?

Abschließend soll in einem Ausgangskapitel nicht nur das Fazit entwickelt

werden, sondern auch ein Ausblick auf die Möglichkeiten der

Hauptstadtforschung gegeben werden. Hierzu möchte ich Washington,

D.C. als Vorreiter in einer postkolonialen Entwicklung der

Hauptstadtgründungen einordnen. Die Referenzen an die US-

Amerikanische Kapitale, die spätere Planhauptstädte wie Ottawa,

Canberra, Islamabad oder Abuja in ihrer Gründungsgeschichte

beeinflussten, sollen aufgezeigt werden. Des Weiteren möchte ich in

einem Ausblick noch einmal vertiefend auf das Modell der drei

Hauptstadttypen eingehen, um die Erkenntnisse dieser Arbeit

einzuordnen.

10

2. Die Hauptstadt in ihrer historischen Entwicklung 2.1 Was ist eine Hauptstadt?

Eine Definition für das Phänomen Hauptstadt zu subsumieren ist kein

einfaches Unterfangen. Es sei an dieser Stelle noch einmal betont, dass

sich keine eingängige und allgemein gültige Erklärung für die ‚Hauptstadt’

beschreiben lässt21.

Um ein Beispiel aufzuzeigen, wie die Definition einer ‚Hauptstadt’

aussehen kann, möchte ich mich einer bedeutenden komparatistischen,

globalen Untersuchung zu föderalen Hauptstädten bedienen22:

„As in most countries, federal capitals host the legislative, executive, judicial branches of the national government and are usually home to many national

institutions, such as national museums, the national library, art centers, and the national bank. Capital cities also host foreign embassies. Capital cities promote

national pride through ceremonies and commemorations, but they also experience more public-protest activity than other cities. Capital cities symbolize the actions of the national government and are often associated with the national

government policies, [...]. At the same time that capital cities take on special political, administrative and symbolic roles, they are also places where people live, use local services, and

engage in local political activity [...].23“

21 Es gibt aber durchaus Rechtstexte, jene Form eines textuellen Kompromisses, welche durchaus als Definition angesehen werden können. Das Grundgesetz in der Bundesrepublik Deutschland z.B. beschränkt sich in Artikel 22 I GG auf die kurze aber nicht unbedeutende Feststellung, dass „ [die] Repräsentation des Gesamtstaates in der Hauptstadt [...] Aufgabe des Bundes [ist]“. Kraft Gesetzes ist somit die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland -Berlin- vorrangig für die Repräsentation des Gesamtstaates vorgesehen. Das Grundgesetz gibt keine weiteren Anforderungen vor. 22 Naomi E. SLACK und Rupak CHATTOPADHYAY (Hgg.), Finance and governance of capital cities in federal systems, Montreal [u.a.], (Thematic issues in federalism. - Montreal [u.a.]!: McGill-Queen’s Univ. Press, 2009-, Bd. 1), 2009. 23 Siehe Ebd., p. 3f. –„Wie in den meisten Ländern, beherbergen föderale Hauptstädte die legislativen, exekutiven und judikativen Einrichtungen der nationalen Regierung und beheimaten zumeist viele der nationalen Institutionen, wie die Nationalmuseen, die Nationalbibliothek, Kunstzentren und der Nationalbank. Hauptstädte beherbergen ebenso die Botschaften anderer Länder. Hauptstädte verbreitern Nationalstolz durch Zeremonien und Gedenkfeiern, sie erfahren aber auch eine größere Auswirkung an öffentlichen Protest als andere Städte. Hauptstädte symbolisieren die Handlungen der nationalen Regierung und werden oft mit der Politik der nationalen Regierung assoziiert, [...]. Im selben Moment, wie die Hauptstädte Träger verschiedener politischer, administrativer und symbolischer Rollen sind, fungieren sie auch als Ort in dem Menschen

11

Wenn wir nun die einzelnen Bestandteile der Hauptstadtdefinition von

Naomi Enid Slack und Rupak Chattopadhyay genauer betrachten, fallen

sogleich die sehr gegenwartsgerichteten Komponenten auf. Dies hängt in

erster Linie mit der Definition von Hauptstädten in einem staatlich-

politischen Kontext zusammen - dem föderal organisierten Nationalstaat -

welcher historisch gesehen ein sehr junges Phänomen ist. Hinzu kommt

die Uneinigkeit beim Begriffspaar des Föderalismus’ nach europäischem

Beispiel und dem federalism nach amerikanischer Prägung. Die

amerikanische Variante des federalism fordert einen starken

zentralorganisierten Nationalstaat, während die europäische Variante eher

von einem gewaltenteilenden System ausgeht.24

Die Hauptstadt wird von den beiden Autoren als Ort der Gewaltenteilung

angesehen. Dies lässt sich nicht auf alle Hauptstädte übertragen, nicht

einmal auf den speziellen Typus der Hauptstadt eines föderalen Staates.

Im deutschen System sitzt die Judikative in Karlsruhe, Teile der

Legislative noch in der alten Hauptstadt Bonn. Ganz ähnlich verhält es

sich in der Tschechischen Republik, wo die Judikative in Brno sitzt. Ein

anderes Beispiel aus der Europäischen Union, Estland, stellt einen

ähnlichen Fall dar, hier sitzt der Oberste Gerichtshof in Tartu. Besonders

deutlich wird dies aber in den Niederlanden. Amsterdam ist die offizielle

Hauptstadt, obwohl fast die gesamte Regierung (samt dem Königshof) in

Den Haag ansässig ist. Dieser kleine Exkurs zeigt nachdrücklich, dass

dies kein Punkt einer allgemeingültigen Definition sein kann.

Abseits der Regierungsinstitutionen sollen sich noch kulturelle und

wirtschaftliche Repräsentationen eines Staates in der Hauptstadt

wiederfinden.

leben, lokale Angebote nutzen und sich in der örtlichen Politik engagieren[...]“ (Übersetzung T.L.) 24 Vgl. HERTEL, WOLFRAM, Formen des Föderalismus. Die Beispiele der USA, Deutschlands und Europas, in: Europäischer Föderalismus: supranationaler, subnationaler und multiethnischer Föderalismus in Europa, hrsg. von Wolfgang VITZTHUM, Berlin (Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht!: TSSV. - Berlin!: Duncker & Humblot, 1989-, Bd. 57), 2000, S.13ff.

12

Für die genannten Beispiele von Museen, Kunstzentren, Nationalbanken

und Nationalbibliotheken ließen sich mühelos eine Reihe von Ausnahmen

finden. Hier erweist sich abermals das deutsche Beispiel als prägnant: Die

Bundesbank sitzt in Frankfurt am Main und das Deutsche Museum in

München und Bonn. Jedoch spiegelt dies lediglich die historische

Entwicklung, der Kleinstaaterei des Heiligen Römischen Reiches und des

Deutschen Bundes wider. In dieser Zeit entwickelte sich kein

hauptstädtisches Zentrum für den Gesamtraum auf dem jetzigen

Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, die Hauptstadt dieser Zeit

(und selbst dies nicht eindeutig25) ist nun die Hauptstadt eines anderen

Staates, Wien in Österreich. Für die Großzahl der anderen Staaten

jedoch, lassen sich zumindest für die Gegenwart gesprochen diese

kulturellen und finanziellen Zentren in den jeweiligen Hauptstädten

wiederfinden. Dies jedoch nur, wenn die Hauptstadt zeitgleich die

Metropole eines Landes ist. So sind folglich keine der Planhauptstädte

dieser Welt kulturelles, noch wirtschaftliches Zentrum. Weder Washington,

D.C., noch Brasilia, nicht Abuja oder Islamabad sind im nationalen

Zusammenhang von großer Bedeutung in dieser Kategorie. Lediglich sind

verschiedene Institutionen, als schwache Ausweise der kulturellen

Bedeutung, in diesen Städten ansässig. Die wirtschaftliche und kulturelle

Bedeutung einer Hauptstadt hängt somit vor allem mit ihrer möglichen

Ausprägung als Metropole zusammen.

Im Folgenden verweisen die Autoren auf die Hauptstadt als Sitz der

ausländischen Botschaften. In seltenen Fällen, wie in Israel, sind auf

Grund der internationalen Nichtanerkennung der Hauptstadt Jerusalem,

als auch der prekären Sicherheitslage, die Botschaften in Tel Aviv

angesiedelt26. Grundsätzlich ist das Botschaftssystem, abgesehen von

25 In den Augen von: Vgl. Volker KRONENBERG, Patriotismus in Deutschland: Perspektiven für eine weltoffene Nation, Springer-Verlag, 2012, S.65ff, ist Wien niemals Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches gewesen. 26 Die langwierige Auseinandersetzung lässt sich gut an der amerikanischen Verfahrensweise über seine Botschaft in Israel nachvollziehen. Trotz einer bestehender Anordnung des Kongress verweigerten seit 1995 alle Präsidenten die Unterzeichnung der Anordnung und damit den Umzug der Botschaft von Tel

13

den sehr wenigen Ausnahmen, wichtiger Bestandteil einer Hauptstadt. Die

Internationalität in diesem Kontext ist somit global vergleichbar.

Ein weiterer Punkt, ebenfalls eine kulturhistorische Erscheinung, sind die

nationalen Gedenkfeiern und Zeremonien. Abseits von Gedenkfeiern an

den Orten ihres Geschehens, sind die Zeremonien der Macht und des

Gedenkens in dem Machtzentrum verankert. Um das Beispiel der

Niederlande mit ihrer seltenen Trennung von Hauptstadt und Metropole

und einem Regierungsort noch einmal zu bemühen: Die wichtigen

nationalen Zeremonien und die Gedenkfeiern, das historische

Vergewissern der Nationalität, finden in Amsterdam, der Hauptstadt, nicht

in den Den Haag, dem Regierungssitz statt.

Zusammenfassend lassen sich aus der vorangehenden Definition lediglich

zwei Kategorien für eine Hauptstadtdefinition der Gegenwart folgern:

1. Jede Hauptstadt ist international durch die Vertretungen anderer

Länder in Form von Botschaften.

2. Jede Hauptstadt ist ein (national-) staatliches Symbol.

Für die weitere Ausarbeitung ist es aber von Nöten, einen genaueren Blick

auf eine ganz spezielle Hauptstadt zu werfen, Washington, D.C. Um die

oben genannte Definition einer Hauptstadt zu erweitern und gleichzeitig

auch für die Beispielstadt zu historisieren, müssen mehrere Faktoren

bedacht werden:

Welche Zeit wird historisch verhandelt?

Welche politischen Rahmenbedingungen herrsch(t)en und welches

Staatssystem beruft sich auf die jeweilige Hauptstadt?

Welche internationalen Verflechtungen werden in der Hauptstadt

offenbar? Aviv nach Jerusalem zurück, Vgl. Text of S. 1322 (104th): Jerusalem Embassy Act of 1995 (Referred to House Committee version), unter: GovTrack.us, < https://www.govtrack.us/congress/bills/104/s1322/text >, (1.4.2015).

14

Welche (national-)staatliche Bedeutung besitzt die Hauptstadt?

Diese Fragen gilt es näher im vierten Kapitel dieser Arbeit zu verhandeln,

um die Geschichte der Hauptstadt Washington, D.C. näher zu bestimmen

und auch in die Metadiskussion um die Hauptstadt einzuordnen.

2.2 Die historische Entwicklung der Hauptstadt 2.2.1 Das ‚europäische’ Mittelalter

Beginnen möchte ich an dieser Stelle mit der Feststellung, dass der

Begriff „Hauptstadt“ im ‚Mittelalter’ eine andere Bedeutung hatte, als

diejenige, die wir in der Gegenwart (und dann auch nur in entsprechenden

sprachlichen Zusammenhängen) darunter verstehen27.

Um sich dieser großen Thematik, die an dieser Stelle nur in kleinen

Ansätzen besprochen werden kann, anzunähern, möchte ich einerseits

dem bekannten französischen Mediävisten Jacques Le Goff und

andererseits seinem deutschen Pendant im Bereich der

spätmittelalterlichen Städtewissenschaft, Hartmut Boockmann, folgen.

Während Le Goff europäisch arbeitet, immerhin möchte er ja die Geburt

Europas als zusammenhängendes Gebilde schon im Mittelalter erkennen,

beschränkt sich Boockmann auf die ‚deutschen’ Hauptstädte, was im

Mittelalter auf Grund der fehlenden Nationalstaatlichkeit ein

begriffstheoretisch wenig gelungener Ansatz ist28.

Jacques Le Goff verhandelt das Themengebiet der mittelalterlichen

Hauptstädte recht kurz und kommt schon nach wenigen Zeilen zu der

Annahme, dass „es im mittelalterlichen Europa keine Hauptstädte“29 gab.

27 Vgl. JACQUES LE GOFF, Die Geburt Europas im Mittelalter. L’ Europe est-elle née au Moyen Age? <dt.>, München, 2004, S.143. 28 Hartmut BOOCKMANN, Mittelalterliche deutsche Hauptstädte, in: Hauptstadt -Perspektiven eines deutschen Themas, hrsg. von Hans-Michael KÖRNER/Katharina WEIGAND, München, 1995. 29 Siehe JACQUES LE GOFF, Die Geburt Europas im Mittelalter. L’ Europe est-elle née au Moyen Age?, München, 2004, S.144.

15

Als wenige Ausnahmen führt er die christliche Hauptstadt Rom, die caput

mundi, auf. Paris war nur Hauptstadt im Duett mit Saint-Denis und auch

London war nicht Hauptstadt sondern lediglich die City of Westminster30.

Diese Feststellungen Le Goffs lassen uns nun mit lediglich drei

Hauptstädten im gesamten europäischen Raum zurück. Verglichen mit der

Anzahl an Staaten wäre es demnach ein sehr kleines Phänomen, das

scheinbar nur für die auch heute noch vorherrschenden Metropolen

Europas gegolten hat. Als einzige Definition der Hauptstadt lässt Le Goff

Städte gelten, „die zum Sitz einer übergeordneten politischen Gewalt

auserkoren waren“31.

Diesen Punkt des Herrschaftssitzes habe ich im obigen Abschnitt schon

als taugliches Element für eine Hauptstadt disqualifiziert. Lediglich das

politische Machtzentrum zu repräsentieren, kann nicht Ausweis für eine

Hauptstadt sein. Gerade für das Mittelalter, mit dem immer wieder

beschworenen „Abendländischen Schisma“, jener Zeit der Spaltung der

lateinischen Kirche, die das Papsttum schwächte und Rom als Zentrum

der Kirche einen Stoß versetzte, ist die Stellung der italienischen Stadt als

Hauptstadt der Christenheit in Frage zu stellen32. Auch das französische

Königtum gibt mit seinen häufigen Wechseln der Hauptstädte zwischen

Paris (und Saint-Denis) und Orléans keine klare Positionierung über die

Hauptstadtfrage des eigenen Territoriums33. Lediglich London zeigt sich

seit der Eroberung durch William the Conqueror als konstanter Ort einer

Hauptstadt, mit der bereits genannten Einschränkung, dass lediglich die

City of Westminster und nicht der gesamte Ballungsraum Hauptstadt

war34.

30 Vgl. Ebd., S. 143f. 31 Siehe Ebd., S. 143. 32 Einen kurzen Überblick über die (kirchen-) politischen Entwicklungen im Rahmen des sogenannten Abendländischen Schismas gibt folgendes Werk: Vgl. Anton GRABNER-HAIDER, Johann MAIER und Karl PRENNER, Kulturgeschichte des späten Mittelalters: von 1200 bis 1500 n. Chr., Göttingen [u.a.], 2012, S.29–39 und 59–66. 33 Vgl. JACQUES LE GOFF, Die Geburt Europas im Mittelalter. L’ Europe est-elle née au Moyen Age?, München, 2004, S.143. 34 Vgl. Ebd.

16

Wenn wir uns nun dem Beispiel aus dem Heiligen Römischen Reich

zuwenden, konstatiert auch Hartmut Boockmann wie Jacques Le Goff für

ganz Europa, dass es auch in diesem Reichsgebilde keine Hauptstadt

gab35. Wiederum spricht Boockmann aber gleich von Hauptstädten. Es

gab demnach nicht nur eine, sondern gleich mehrere Hauptstädte 36 .

Hierbei bedient sich Boockmann einer in der deutschen

Geschichtswissenschaft beliebten Phrase, der Gleichzeitigkeit von

Ungleichzeitigen, da er nicht nur von einem übergangshaften Wechsel der

Hauptstädte ausgeht37. Nur wie erklärt er sich, einerseits keine Hauptstadt

zu definieren und andererseits von einer Vielzahl auszugehen?

Hartmut Boockmann versuchte die lange Diskussionstradition der

Mediävistik um Hauptorte vs. Hauptstadt einerseits zu vereinfachen und

andererseits zu verdrängen. Diese Besonderheit des Heiligen Römischen

Reiches, mit seinem Krönungsort Aachen, dem Ort der Königswahl

Frankfurt und Nürnberg als Ort des ersten Hoftages, motivierte schon viele

Historiker von einer Vielzahl von Hauptstädten zu sprechen.

Selbst verweigert Boockmann eine Aussage über seine Kriterien für eine

Hauptstadt38 , lässt aber in Form einer Quelle aus dem Umkreis des

Erzbischofs von Trier eine kleine Utopie einer mittelalterlichen Hauptstadt

entstehen39.

Der Schreiber entwickelt dabei folgende Merkmale für seine

Wunschhauptstadt des Heiligen Römischen Reiches:

1. Der Kaiser soll in einer wohlhabenden Stadt in der Mitte des

Reiches für längere Zeit residieren.

2. Ebenfalls sollen die Kurfürsten für längere Zeit am selben Ort

verweilen.

3. Ein ständiges Gericht soll in dieser Stadt etabliert werden.

35 Vgl. Hartmut BOOCKMANN, Hauptstadt, in: Hauptstadt -Perspektiven eines deutschen Themas, hrsg. von Hans-Michael KÖRNER/Katharina WEIGAND, München, 1995. 36 Vgl. Ebd., S. 31. 37 Vgl. Ebd., S. 30. 38 Vgl. Ebd., S. 31. 39 Vgl. Ebd., S. 31ff.

17

4. Eine Finanzbehörde soll errichtet werden.

Wenn man diese Kriterien nun mit dem obigen Zitat über die Merkmale

einer Hauptstadt in der Gegenwart vergleicht (Anm. 23), fallen deutliche

Überschneidungen auf. Die Hauptstadt wird als wirtschaftlich starkes

Zentrum, samt regulierender Behörde, angesehen, das die

Rechtsprechung und jegliche Gewalten für längere Zeit in sich vereinigt.

Nach diesem Katalog an Ausweisen einer Hauptstadt gemessen, würde

zu der Zeit der Quelle, im auslaufenden 15. Jahrhundert auch im

europäischen Vergleich nur London den Titel einer Hauptstadt verdienen.

Paris erarbeitet ihn sich zusehends, aber auf dem Gebiet des Heiligen

Römischen Reiches ist keine Stadt diesen Anforderungen gewachsen.

Es gibt zudem keine Hauptstädte im Plural, wie es Hartmut Boockmann

versucht zu deuten, sondern Hauptorte im Heiligen Römischen Reich, die

verschiedene politische Funktionen tragen. Würde man dieser Deutung

Boockmanns folgen, auch wenn sie für das Mittelalter gedacht ist, würde

es bedeuten, dass im heutigen Deutschland und in fast alle ‚modernen’

Staaten fast jede Stadt eine Hauptstadt wäre, da die Aufteilung der

verschiedenen Zuständigkeiten (und der moderne Bürokratiestaat hat

viele solcher Zuständigkeiten zu verteilen) über einen breiten Raum

verstreut sind.

18

2.2.2 Die Hauptstadt in der Frühen Neuzeit

Auch für den folgenden epochalen Abschnitt, der gemeinhin zwischen

1500 und 1800 angenommen wird 40 , zeigt es sich mit besonderer

Schwierigkeit, Hauptstädte zu eruieren. Da dieser Zeitabschnitt von

besonderer Wichtigkeit für Washington, D.C. ist, möchte ich die

Überlegungen aus dem vorangegangenen Teilkapitel noch ausweiten. In

der Wahl zwischen zwei Standardwerken von Leonardo Benevolo41 und

Herbert Knittler42 habe ich mich für letzteres entschieden, da dieses Werk

nicht nur aktueller ist, sondern auch die Gedanken Benevolos schon

einarbeitet.

Im folgenden möchte ich die wichtigsten Stadttypen dieser Epoche

vorstellen, um ein erstes Bild zu erlangen, inwiefern die Planhauptstadt

Washington, D.C. in diesem Gefüge von Stadttypen entsprechen kann.

Einen besonderen Fokus möchte ich trotzdem auf die Hauptstadt in der

Frühen Neuzeit legen.

Wichtige Grundlage für Washington, D.C. bilden die Idealstädte und

Festungssterne dieser Zeit. Darauf folgend gilt es den Unterschied

zwischen Residenzen und Hauptstädten herauszuarbeiten.

40 Die Debatte um diese künstliche Epochenbildung ist noch eine relativ junge Entwicklung, gemeinhin wird die Zeit zwischen 1500 und 1800 als nicht starre Zeitgrenze angenommen. Einen einführenden Überblick über die Beweggründe dieser Zeitmarkierung liefert neben unzählig anderen, u.a. : Vgl. ANETTE VÖLKER-RASOR [HRSG, Frühe Neuzeit, 2. Aufl., München, 2006, S.15f. Für diese Ausarbeitung, deren Zentrum die Gründung der Stadt Washington, D.C. steht bedarf es aber einer Dehnung des Zeitrahmens bis ungefähr 1830. Die Entwicklung der Stadt, deren Anfang direkt an der Epochengrenze liegt, ist nach meiner Einschätzung aber noch so stark mit dieser Epoche verbunden, dass ich die Anfänge der US-amerikanischen Hauptstadt noch dieser Epoche zuordnen würde. 41 LEONARDO BENEVOLO, Die Geschichte der Stadt. Storia della città <dt.>, 7. Aufl., Frankfurt u.a., 1993. 42 Herbert KNITTLER, Die europäische Stadt in der frühen Neuzeit: Institutionen, Strukturen, Entwicklungen, Wien, (Querschnitte!: Einführungstexte zur Sozial-, Wirtschafts-, und Kulturgeschichte. - Innsbruck!: Studien-Verl, 1999-, Bd. 4), 2000.

19

Beginnend mit den Planstädten lässt sich für sie eine

Entwicklungstendenz ab dem auslaufenden 15. Jahrhundert, aus dem

italienischen Raum zur Zeit der Renaissance, feststellen. Was

gegenwärtig in einer Zeit von Bauamtsvorschriften undenkbar erscheint

und spätestens durch die Haussmann’schen Begradigungen Paris’ zur

vorbildhaften Norm im europäischen Raum geworden zu sein scheint, ist

ein häufiges Städtewachstum im organischen, ungeplanten Rahmen.43

Die Idealstadtplanung wurde am Ende des 15. Jahrhunderts „zum

Gegenstand der Diskussion zwischen Künstlern, Architekten und

potentiellen Auftraggebern“44.

Jedoch führte dieser Austausch zwischen den Eliten aus Kunst und

Wirtschaft nicht zu einem beständigen Modell der Stadtplanung, da

„die Theoretiker [...] die Stadt nicht als Zufalls- oder Entwicklungsergebnis, sondern als

Gesamtwerk, das bestimmte Funktionen zu erfüllen und diesen entsprechend eine Ganze erfassende Ordnung aufzuweisen hatte [, sahen].“45

Diese schwierige Vereinbarkeit der städtebaulichen Planung zwischen

dem theoretischen Anspruch und der praktischen Bewohn- und

Benutzbarkeit einer Stadt wird uns im Folgenden noch ausführlicher

beschäftigen müssen46.

Ein weiterer Aspekt der Stadtplanung sind die Festungsstädte, welche

verstärkt ab dem 17. Jahrhundert errichtet wurden. Hierbei handelte es 43 Hierzu bedarf es nur einen Blick in die sogenannten ‚Schwellenländer’ dieser Welt und deren Umgang mit der Urbanisierungswelle in den jeweiligen Megacities, wie Mexiko City, São Paulo oder Manila. 44 Siehe Herbert KNITTLER, Die europäische Stadt in der frühen Neuzeit, Wien, (Querschnitte!: Einführungstexte zur Sozial-, Wirtschafts-, und Kulturgeschichte. - Innsbruck!: Studien-Verl, 1999-, Bd. 4), 2000, S.57. 45 Siehe Ebd., S. 58. 46 Wir können diese Schwierigkeit zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Gegenwart speziell in den großen städtebaulichen Projekten nachvollziehen. Sei es der hochgradige Verlust an Einwohnern in den sozialistischen Stadtplanungen am Rande einer Metropole (Berlin- Marzahn) oder die infrastrukturelle Unterversorgung und der Niedergang der französischen Banlieues. Beide Bauprojekte waren ihrer jeweiligen Entstehungszeit ein komfortabler Wohnraum, der durch den Abbruch der Versorgung und Weiterentwicklung aber seinem Niedergang geweiht war.

20

sich zumeist um Erweiterungen von bestehenden Städten oder um

gänzliche Neugründungen. Viele dieser Städte sind zweckgebundene

Gründungen. Vor allem das französische Königtum bediente sich dieser

Art des Städtebaus, um seine Grenzen mit wehrfähigen Städten

befestige47. Einen besonderen ‚Boom’ erlebte diese Form des Städtebaus

auch unter dem dänischen König Christian IV. zu Beginn des 17.

Jahrhunderts, welcher zahlreiche Städte, die jeweils seinen Namen

trugen, gründete48. Im ähnlichen Maße investierte auch die schwedische

Krone in diese Form der Städteplanung, um seine Ostseegrenzen zu

stärken49.

Eines haben aber all diese Stadtgründungen, bzw. Stadtausbauten

gemein: Sie waren wenig bis gar nicht erfolgreich. Die engen

Abgrenzungen des verteidigenden Festungsbaus und das damit

verhinderte Wachstum ließen die Städte in ihren Mauern veröden.

Im anschließenden Abschnitt möchte ich das für diese Ausarbeitung

bedeutsamste Städtegespann herausarbeiten: Die Trennung zwischen

Residenz und Hauptstadt. Seit der Zeit des ewigen Beispiels, des

Schlosses und der Stadt Versailles, dem Auszug des französischen

Königshofes in das Pariser Umland, folgten diesem Vorbild viele

Königshäuser im europäischen Raum. Eine neue Form der Residenzstadt

war geboren, eine Form, die nicht den Hof in einer Stadt etablierte,

sondern eine Stadt im Umkreis des Hofes schuf50.

Eine Residenz zu definieren ist folglich kein schwieriges Unterfangen, zum

einen muss dieser Ort der Sitz des Regenten sein, zum anderen müssen

47 Vgl. Herbert KNITTLER, Die europäische Stadt in der frühen Neuzeit, Wien, (Querschnitte!: Einführungstexte zur Sozial-, Wirtschafts-, und Kulturgeschichte. - Innsbruck!: Studien-Verl, 1999-, Bd. 4), 2000, S.60ff. 48 Vgl. Ebd., S. 61f. 49 Vgl. Ebd., S. 62. 50 Vgl. Ebd., S. 65. – Knittler formuliert die Frühgeschichte der Residenz noch etwas deutlicher: „Ansätze der Residenzbildung reichen bis ins Mittelalter zurück und werden dort fassbar, wo der König oder Fürst seine Reiseherrschaft zugunsten einzelner bevorzugter Aufenthaltsorte aufgab.“

21

„die Residenzbauten eine das gesamte Baugefüge beherrschend Stellung

erlangt [haben]“.51

Interessant wird es erst, wenn wir den Kriterienkatalog für eine Hauptstadt

bei Herbert Knittler näher betrachten:

1. Eine „durch Bevölkerungsagglomeration und Multifunktionalität

bezeichnete Staats- oder Landesmitte“52

2. Die „Konzentration zentraler politischer Behörden wie Regierung,

Parlament, höchster Gerichts- und Verwaltungsstellen“53

3. „Keine Überlagerung der Residenzbauten im gesamten

Stadtgefüge“54

Knittler führt schließlich auch eine Reihe von Beispielen an, die nach

seinen Kriterien zur Hauptstadt (in Europa) gereift waren. So sieht er

Paris, London, Edinburgh, Kopenhagen, Stockholm und Lissabon als

Hauptstädte an.55 Andere Städte sieht er im Laufe der Frühen Neuzeit zur

Hauptstadt aufsteigen - Den Haag, Madrid oder Warschau.56

All jene Städte sind mit Ausnahme von Den Haag (trotz allem noch der

Regierungssitz der Niederlande) auch in der Gegenwart noch die

Hauptstädte eines (National-) Staates.

Für die Frühe Neuzeit scheint somit ein anderer Kriterienkatalog zu gelten,

als derjenige, den ich für die Gegenwart und das Mittelalter

herausgearbeitet habe. Diese Städte standen in voller Dominanz ihrer

jeweiligen absolutistischen Herrscher (was für den gesamten Zeitraum der

Frühen Neuzeit freilich schwer zu behaupten ist) und formten das

Machtzentrum des jeweiligen zentralisierten Staatengebildes57. Somit ist

51 Siehe Ebd., S. 67. 52 Siehe Ebd., S. 66. 53 Siehe Ebd. 54 Siehe Ebd., S. 67. 55 Vgl. Ebd., S. 66. – Den Haag als Hauptstadt zu bezeichnen bleibt mir schleierhaft. Wie auch in der Gegenwart war Den Haag zwar seit der Mitte des 18. Jahrhunderts der Regierungssitz, aber kein städtisches Zentrum. 56 Vgl. Ebd. 57 Vgl. Ebd., S. 66f.

22

die Verschiebung des Machtgefüges im ‚Zeitalter des Absolutismus’

entscheidend für die Herausbildung von Hauptstädten, im Gegensatz zu

Residenzstädten. Gleichwohl sind die Grenzen zwischen diesen beiden

Stadttypen fließend.

Von besonderer Bedeutung wird es sein, diese Ergebnisse der

Untersuchung der frühneuzeitlichen Hauptstadt auf Washington, D.C. zu

übertragen. Es wird zu fragen sein, ob Washington, D.C. diesen

aufgestellten Merkmalen überhaupt genügt oder ob der Gründung der

Stadt am Potomac River auch ein neuer Hauptstadttypus nachgeht.

2.3. Eine Hauptstadttheorie (Die Hauptstadt in der

‚Moderne’)

Wie im einleitenden Kapitel schon angekündigt, möchte ich nun meine

Theorie zur globalen Beschaffenheit einer Hauptstadt anreißen, um

nachvollziehbar zu machen, inwiefern Washington, D.C. zumindest nach

der gegenwärtigen Betrachtung ein neuer Hauptstadttypus ist.

Hierzu möchte ich drei Typen von Hauptstädten vorstellen, die global

gesehen, jegliche Hauptstädte subsumieren können. Diese Theorie

möchte ich in Auseinandersetzung mit dem Essay von Peter Hall in einem

der wichtigsten Sammelbände58 zu dieser Thematik beschreiben. Peter

Hall stellt in diesem Werk sieben Hauptstadttypen vor. Noch einige Jahre

zuvor konnte der selbe Autor lediglich sechs Typen von Hauptstädten

auszumachen 59 . Nicht zuletzt hieran, wenn ein und derselbe Autor

58 Peter HALL, Seven Types of Capital City, in: Planning twentieth century capital cities, hrsg. von David Laird Ashton GORDON, London [u.a.], Planning, history and environment series, London u.a., 2006. 59 Peter HALL, The Changing Role of Capital Cities: Six Types of Capital City, in: Capital Cities: Perspectives International/Les Capitales!: Internationales Perspectives, hrsg. von John TAYLOR/Jean G. LENGELLE/Caroline ANDREW, Montreal, 1993, S. 69–84.

23

verschiedene Häufigkeiten von Hauptstädten aufzeigen möchte, zeigt

sich, wie mäandernd eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik sein

kann.

Trotz all dem möchte ich nun die sieben Hauptstadttypen nach Peter

Hall60 vorstellen und im Anschluss darlegen, weshalb ich diese Zahl auf

lediglich drei reduzieren möchte:

1. Multifunktionshauptstädte: Diese vereinigen die meisten nationalen

Funktionen in sich (Regierung, Auslandsvertretungen etc.) (z.B.

London, Paris, Stockholm, Madrid und Tokio)

2. Globale Hauptstädte: Spezialfälle der ersten Kategorie, diese

Städte erfüllen außerdem noch supra-nationale Aufgaben in

Wirtschaft oder Politik (z.B. London und Tokio)

3. Politische Hauptstädte: Hauptstädte, die als Regierungssitze

gegründet wurden, aber kaum wirtschaftliche Funktionen erfüllen

(z.B. Washington, D.C., Ottawa, Canberra und Brasília)

4. Frühere Hauptstädte: Städte, die ihre Rolle als Regierungssitz

verloren haben, aber noch eine historische Funktion erfüllen (z.B.

St. Petersburg, Philadelphia und Rio de Janeiro)

5. Ehemals imperiale Hauptstädte: Städte, die ihre Hauptstadtfunktion

in einem Imperium verloren haben, aber noch ein wirtschaftliche

Rolle in diesem ehemaligen Konstrukt spielen (z.B. London,

Lissabon, Madrid und Wien)

6. Provinzhauptstädte: Ehemalige Hauptstädte, die aber noch eine

Bedeutung für ihr umliegendes Territorium darstellen (z.B. Turin,

Mailand, Stuttgart, München, Toronto, Sydney, Melbourne)

7. „Super Capitals“: Zentren internationaler Organisationen (z.B.

Brüssel, Rom und New York)

60 Vgl. Ebd., S. 8f. – Alle folgenden Darstellungen beziehen sich als Übersetzungen und/ oder Deutungen auf die genannten Seiten und die dort zu findenden Ausführungen zu den sieben Typen von Hauptstädten.

24

An Hand der starken Ausdifferenzierung in Peter Halls Auflistung von

möglichen Hauptstadttypen, wird rasch deutlich, welche Perspektive er

eingenommen hat. Sein Blick schweift zum einen über die heutige

Situation der Städte und zum anderen hin zu deren ehemals historischen

Bedeutung. Dies markiert den deutlichsten Unterschied zu der von mir

vorgeschlagenen Betrachtungsweise, welche die heutige Situation der

Hauptstädte in den Blick nimmt und deren historische Entwicklung

einbezieht und nicht exklusiviert. Die Perspektive Peter Halls ist für die

Geschichtswissenschaft nur schwierig anzuwenden, da sich seine

Sichtweise nicht historisieren lässt. Dies ist weniger verwunderlich, wenn

man bedenkt, dass der Brite Sir Peter Geoffrey Hall einer der

renommiertesten Urbanisten unserer Zeit ist. Seine Kategorisierung der

Hauptstadttypen ist in die Zukunft gerichtet, ein Punkt den Historiker zwar

in ihrem Weltbild immer mitbedenken, selten aber praktische Bedeutung

zukommen lassen. Die starke Ausdifferenzierung des Urbanisten sehe ich

aus zwei Gründen für nicht notwendig. Zum einen lassen sich auch die

drei Typen (Hauptstadttypen nach Hall 4-6) ehemaliger Hauptstädte in das

folgende Schema übernehmen, für den jeweiligen historischen Zeitpunkt.

Zum anderen ist es mein Anliegen mit der Reduktion der Möglichkeiten

der Hauptstadttypen, die Globalität des Phänomens der Hauptstadt

stärker zu betonen.

Somit komme ich zu der Schlussfolgerung, dass es global gesehen

lediglich drei Typen von Hauptstädten gibt:

1. Die Planhauptstadt: Ganz ähnlich wie die Beschreibung von Peter

Halls drittem Punkt der ‚politischen Hauptstädte’, sind diese Städte

aus der Neuschaffung des Regierungssitzes heraus entstanden.

Außer Betracht möchte ich aber ihre heutige Genese lassen. Dieser

Hauptstadttypus zeigt sich vor allem im post-kolonialen Diskurs.

(Beispiele sind neben Washington, D.C., Brasília, Islamabad,

Canberra oder Abuja)

25

2. Die gewachsene Hauptstadt: Städte wie Paris, Bagdad, Peking,

Warschau, Lissabon, Madrid oder Wien, die schon als Hauptstädte

vor dem Nationsbildungsprozess des 18. und 19. Jahrhundert

beschrieben werden können und diesen Status auch behielten.

3. Die gewordene Hauptstadt: Dies ist eine Gruppe von bereits

etablierten Städten, bevor sie den Status der Hauptstadt (im sich

unterscheidenden nationalen Kontext) erhielten. Diese Städte

mussten an ihre neue Funktion angepasst werden. (z.B. Berlin,

Ankara, Astana, Tunis, Helsinki und Manila)

Dieses Modell lässt sich nun auch entsprechend historisieren. Einerseits

lässt sich jede aktuelle Hauptstadt in einem der drei Punkte wiederfinden,

andererseits lassen sich auch mögliche Übergänge (Berlin ab 1871 oder

Ankara ab 1923) historisch analysieren. Auch auf politische Entwicklungen

kann man reagieren 61 (was interessanterweise bei dem Werk des

Zukunftsforschers Peter Hall mit der starren Anordnung seiner Kriterien

nicht möglich ist).

61 Wenn wir an dieser Stelle noch einmal auf Ar-Raqqa zurück kommen, wäre es für Peter Hall unmöglich diese Hauptstadt einzuordnen (im übrigen auch für alle anderen zitierten Kriterienkataloge). Unabhängig von der internationalen Anerkennung des Staates der IS, wurde Ar-Raqqa als einer der ersten Akte zu Beginn des Krieges zur Hauptstadt des unzusammenhängenden Staatsgebildes ernannt. Dieser Status wurde auch nicht geändert, als die bedeutend größere Stadt Mossul eingenommen wurde. Ar-Raqqa wurde zum Symbol, als die erste Großstadt, die vom IS erobert wurde und bleibt ein Symbol für das System des IS als gewordene Hauptstadt.

26

3. Die politische Architektur 3.1. Die architektonische Semiotik nach Umberto Eco

Wie im einleitenden Kapitel bereits erwähnt, fehlt es der oben

geschilderten Theorie zu einer Hauptstadt an einem globalen

Verbindungsstück. Um diesem nun gerecht zu werden, möchte ich im

Folgenden zwei verschiedene Ansätze vorstellen. Zum einen handelt es

sich um die sogenannte politische Architektur, zum anderen um eine

Spezialisierung der Semiotiktheorie des italienischen

Literaturwissenschaftlers Umberto Eco.

Diese Theorie Umberto Ecos hat in der kulturwissenschaftlichen

Zeichentheorie einen besonderen Platz eingenommen. Ich möchte mich

nun selbstredend nicht in die lange Liste der Interpretationsversuche seit

den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhundert einordnen, diese gibt

es schon in Überfülle62.

Vielmehr möchte ich mich auf die architektursemiotischen Kapitel seines

Hauptwerkes ‚Einführung in die Semiotik’63 begrenzen.

Die Grundlage seiner Zeichentheorie möchte ich an dieser Stelle als

vorausgesetzt ansehen und nur noch einmal betonen, dass „eine der

Hypothesen der Semiotik [ist], daß unter jedem Kommunikationsprozess

diese Regeln - oder Codes - existieren und daß diese auf irgendeiner

kulturellen Übereinkunft beruhen“64. Ich habe aus der Grundtheorie der

Semiotik bewusst diese Stelle herausgesucht, um mit Nachdruck die

Gemeinsamkeit der Annahmen von Peter L. Berger und Thomas

62 Um nur einige unter Unzähligen zu nennen: Grit FRÖHLICH, Umberto Eco: Philosophie - Ästhetik - Semiotik, München, 2009; Susanne WEHDE, Typographische Kultur: eine zeichentheoretische und kulturgeschichtliche Studie zur Typographie und ihrer Entwicklung, Tübingen, (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur. - Berlin!: De Gruyter, 1981-, Bd. 69), 2000; Dorothee KIMMICH (Hrsg.), Texte zur Literaturtheorie der Gegenwart, Stuttgart, (Reclams Universal-Bibliothek. - Stuttgart!: Reclam, 1867-, Bd. 9414), 1997. 63 Umberto ECO, Einführung in die Semiotik, München, (Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste!: Texte und Abhandlungen. - Paderborn!: Fink, 1963-, Bd. 32), 1972. 64 Siehe Ebd., S. 20.

27

Luckmann im Verständnis der gesellschaftlichen Aneignung von Wissen

und dem Umgang mit bereits vorhandenen Wissensbeständen zu

untermauern. Die Theorie Ecos ist, bevor ich sie nun ausführlicher

darlege, als eine Spezialisierung der globalen Vergleichbarkeit von

Hauptstädten zu verstehen. Die Architektur von Hauptstädten ist stilistisch

mitunter schwierig zu vergleichen, bedenkt man die verschiedenen

kulturellen Hintergründe. Funktional lässt sich die Architektur als

aussagekräftiges Arrangement einer kulturellen Idee jedoch als

Zeichensystem analysieren, deren Handwerk ich nun beschreiben

möchte65.

Zu Beginn möchte ich mich Ecos Definition von Architektur anschließen:

„Es soll klargestellt werden, daß von nun an der Ausdruck „Architektur“ als

Bezeichnung sowohl für Phänomene der Architektur im eigentlichen Sinn

wie für die des Design und Städtebaus verwandt wird.“66

Dieser gedehnte Architekturbegriff ermöglicht es, Architektur nicht nur als

gestalterisches Element wahrzunehmen, sondern ebenso den Verweis auf

die gesellschaftlichen Strukturen und Handlungsprozesse angemessen zu

deuten67.

Wenn wir uns nun schon einmal den Möglichkeiten der Deutung des

Aufbaus einer Hauptstadt widmen, gibt folgendes Zitat eine bestimmende

Deutungsrichtung vor:

„Alle Genialität eines Architekten oder Designers macht eine neue Form noch nicht funktional (und gibt einer neuen Funktion noch keine Form) , wenn sie sich

nicht auf vorhandene Codifizierungsprozesse stützt.“68

65 Vgl. Ebd., S. 293. - Um Eco an dieser Stelle aber noch expliziter zu Wort kommen zu lassen: „Warum stellt die Architektur eine Herausforderung für die Semiotik dar? Weil die Objekte der Architektur scheinbar nichts mitteilen (oder zumindestens nicht für die Kommunikation gedacht sind) sondern funktionieren.“ (S. 293f.) 66 Siehe Ebd. 67 Vgl. Ebd., S. 296ff. - Eco versucht die Weitung eines Zeichens hin zu seiner mitgedachten Funktionalität am Beispiel eines fiktiven Steinzeitmenschen und dessen Deutung einer Höhle zu erarbeiten. In dieser klaren Vereinfachung wird die in diesem Falle natürliche Beschaffenheit einer Höhle, nicht anders werden auch Bauprojekte wahrgenommen, sofern man sie nicht selbst entworfen hat, mit ihrer Schutzfunktion vor Unwettern in Verbindung zu setzen. 68 Siehe Ebd., S. 308.

28

Dieses Grundmuster einer jeden kunstgeschichtlichen Deutung, dass ein

neues Design lediglich ältere, bestehende Muster aufnehmen kann, um

weiterhin als solches erkannt zu werden, setzt nun auch Eco fort.

Für die Hauptstadt gesprochen, wenn wir sie nach Berger und Luckmann

als ein gesellschaftlichen tradiertes Wissen verstehen möchten, bedeutet

dies nun, dass die Architektur, die global in ihr zu finden ist, auf bereits

bestehende Muster zurückgreifen muss, um die bereits vorhandenen

‚Codifizierungsprozesse’ an den neuen ‚Wissensbestand’ einer individuell

staatlichen Hauptstadt anzupassen.

Für Washington, D.C. bedeutet dies nun, dass die Stadtplaner ihre

Entscheidungen nur in einem gewissen Aktionsradius fällen konnten, der

zur Voraussetzung hatte, auf bereits bestehende ‚Codifizierungsprozesse’

zurück zu greifen, mochte man den zur Hauptstadt erkorenen Ort auch als

solchen erkennbar machen69.

Für die allgemeine Entwicklung einer Hauptstadt, wozu oben bereits

ausführlich verschiedenste Modelle zur Genese angeführt wurden,

bedeutet dies nicht weniger, als dass jegliche Hauptstädte einem

gewissen Muster folgen, da der Rezipient sonst nicht mehr in der Lage

wäre, die Stadt als solche architektonisch und planerisch als Hauptstadt

zu erkennen.

Somit ist die Historizität einer Hauptstadt auf der einen Seite und die

globale Vergleichbarkeit auf der anderen Seite theoretisch begründet. Den

beiden Theorien von Berger und Luckmann sowie von Umberto Eco

folgend ist eine Hauptstadt demzufolge gesellschaftlich konstruiertes

Wissen, welches auch in seiner architektonischen Beschaffenheit

funktional und nicht nur in ihrer allgemeinen, verwaltenden Funktionen zu

begründen ist.70

69 Vgl. James D KORNWOLF und Georgiana Wallis KORNWOLF, Architecture and town planning in colonial North America, Baltimore, 2002, S.1245f. 70 Wie es vor allem Peter HALL, Seven Types of Capital City, in: Planning twentieth century capital cities, hrsg. von David Laird Ashton GORDON, London [u.a.], Planning, history and environment series, 2006. zu begründen versucht, sondern genauso die historischen Deutungen von Herbert KNITTLER, Die europäische Stadt in der frühen Neuzeit, Wien, (Querschnitte!: Einführungstexte

29

Abschließend möchte ich nun Umberto Ecos Vorstellung von

‚architektonischen Codes’ näher beleuchten, um so die

Untersuchungsmöglichkeiten von einer Hauptstadtarchitektur

aufzuzeigen.71

Auf Grund der Schwierigkeit, Architektur klar einem bestimmten

Deutungssystem zuzuordnen, versucht Umberto Eco zwei verschiedene

Systeme und deren Auswirkungen aufzuzeigen72.

Zuerst sind es ‚syntaktische Codes’, die es näher zu betrachten gilt. Eco

versteht darunter all jene Dinge, die keinen Hinweis auf die Funktion

innerhalb eines Bauwerkes bilden, sondern aus statischen Gründen von

Nöten sind73. Dies bezeichnet er als „strukturale Logik“74. Hierunter fallen

insbesondere die tragenden Elemente, wie die Decken, Balken, Pfeiler

usw.75

Diesem Konzept stellt er die „semantischen Codes“ gegenüber, welche

sich in den zwei Unterkategorien, der „Artikulation architektonischer

Elemente“ und der „Artikulation in typologische Gattungen“ ausdrücken.76

Erstere zeichnet sich durch die „Denotation von (symbolischen)

Funktionen“ und möglichen Raumprogrammen aus. Hier lassen sich

Dachformen, Terassenaufbauten, Säulen, aber auch das Esszimmer, der

Gemeinschaftsraum, der Tanzsaal usw. einordnen.77

zur Sozial-, Wirtschafts-, und Kulturgeschichte. - Innsbruck!: Studien-Verl, 1999-, Bd. 4), 2000. nahe legen. Auch die in Anmerkung 22 zitierte Bestandsaufnahme einer Hauptstadt durch Naomi E. SLACK und Rupak CHATTOPADHYAY (Hgg.), Finance and governance of capital cities in federal systems, Montreal [u.a.], (Thematic issues in federalism. - Montreal [u.a.]!: McGill-Queen’s Univ. Press, 2009-, Bd. 1), 2009. bietet keinerlei Anlaufpunkt für die eine architekturtheoretische Auseinandersetzung mit der Hauptstadt. Dieser Punkt ist es jedoch, der Hauptstädte zu Hauptstädten werden lässt. Es sind die Bauwerke in ihrer jeweiligen Architektur, mit ihren jeweiligen Funktionen, die über den Status der Stadt entscheiden. 71 Vgl. Umberto ECO, Einführung in die Semiotik, München, (Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste!: Texte und Abhandlungen. - Paderborn!: Fink, 1963-, Bd. 32), 1972, S.325–332. 72 Vgl. Ebd., S. 325–331. 73 Vgl. Ebd., S. 329. 74 Siehe Ebd. 75 Vgl. Ebd. 76 Vgl. Ebd. 77 Vgl. Ebd.

30

Die typologischen Gattungen teilen sich in soziale und räumliche Typen

ein.78 Erstere deuten auf die Nutzungsbestimmung der Architektur hin,

sprich auf die Funktionen, welche das Bauwerk erfüllen soll.79 So zeigen

sich selbstredend Unterschiede zwischen Krankenhäusern, Wohnblöcken,

Bahnhöfen, Villen oder Schlössern. Kompliziert wird es erst, wenn ein

ursprünglicher Bau, eine Folgenutzung erhält, wie z.B. der ehemalige

Pariser Bahnhof, der nun zum Musée d’Orsay umfunktioniert wurde. Bei

Gebäudeumnutzungen dieser Art ist aber folglich immer vom eigentlichen

Funktionsgedanken auszugehen. Die räumlichen Typen spezifizieren die

soziale Gattung. Hier wird katalogisiert, welche Form Einzug in die

Architektur erhält sowie die Art und Weise der stilistischen Prägung, in

Verbundenheit mit ihrer Funktion. So verweisen verschiedene Grundrisse

(Rundbau, Kreuzbau oder offene Formen) auf eine Architekturtradition,

welche Auskunft über die Funktion des Bauwerkes geben kann.80

Falls man sich nun fragt, inwiefern die Theorie von den

‚Codifizierungsprozessen’ der Architektur nützlich für die globale

Komparatistik von Hauptstädten sein kann, sei an dieser Stelle an die

Funktion der Architektur als Kondensat von gesellschaftlichem Wissen

erinnert. Umberto Eco formuliert es zum Abschluss seiner

Auseinandersetzung noch einmal unmissverständlich:

„[D]ie Architektur [ist] auch keine Möglichkeit, Geschichte und Gesellschaft zu verändern, sondern ein System von Regeln, um der Gesellschaft das zu geben, was diese der Architektur vorschreibt. Die Architektur ist also ein Dienst, wie Stadtreinigung, Wasserversorgung, Eisenbahn- und Tramverkehr Dienste sind; das heißt: Dienste, die mit immer raffinierteren technischen Leistungen eine vorgegebene Nachfrage befriedigen müssen.“81

Diese Loslösung der Architektur vom Kunstbegriff hin zu einem auf die

Funktionalität ausgerichteten Dienstleistungsbegriff, ermöglicht es nun

erst, auch Hauptstädte global miteinander zu vergleichen.

78 Vgl. Ebd. 79 Vgl. Ebd. 80 Vgl. Ebd., S. 329f. 81 Siehe Ebd., S. 330.

31

Nun stellt die künstlerische Verspieltheit eines „mittelalterlichen“ Angkor

Wat im Vergleich zur nüchternen Bauweise des Berliner

Regierungsviertels kein Hindernis in der Vergleichbarkeit mehr dar.

Losgelöst von der hinduistisch und buddhistischen Verzierung der

Tempelbauten, bilden beide schließlich nur das Regierungszentrum auf

funktionaler Ebene.

3.2 Politische Architektur

Für den nun folgenden Abschnitt zur politischen Architektur möchte ich

zwei verschiedene Wissensgebiete vergleichen. Zum einen die

kunsthistorische Auseinandersetzung mit politischer Architektur82 und zum

anderen den architektursoziologischen Zugang83.

Die zuletzt genannte Studie versucht einen Zugang zur politischen

Architektur auf Basis des Wechselspiels von Staatsmacht und deren

Bedürfnis nach Repräsentanz zu erzeugen. Ich möchte auch an dieser

Stelle, in Form der von Walter Gottschall formulierten Thesen, einen

ersten Eindruck über die Möglichkeiten der Untersuchung der politischen

Architektur zu vermitteln: „Politische Architektur stellt den baulichen

Ausdruck jener Kräftekonstellationen in einer Gesellschaft dar, welche die

politische Herrschaftsordnung zentral bestimmen [...].“84

Um jene noch sehr allgemeine Definition direkt auf die Thematik der

Hauptstädte zu beziehen, lässt sich übernehmen, dass die Architektur in

einer Hauptstadt demnach der Ausdruck der ‚Kräftekonstellationen’ in

einem Land ist. Auf Grund der Fokussierung auf eine ganz bestimmte

82 Auf der Basis von: Martin WARNKE, Politische Architektur in Europa vom Mittelalter bis heute: Repräsentation u. Gemeinschaft, Köln, (DuMont-Taschenbücher!; 143), 1984. 83 Der Studie von Walter GOTTSCHALL, Politische Architektur: begriffliche Bausteine zur soziologischen Analyse der Architektur des Staates, Bern [u.a.], ([Europäische Hochschulschriften / 37] Europäische Hochschulschriften. - Bern!: Lang, 1981-, Bd. 5), 1987 folgend. 84 Siehe Ebd., S. 46.

32

Stadt, eben die Hauptstadt dieser Gesellschaft und ihrer individuellen

Herrschaftsordnung, ist eine Kristallisation dieses Ausdrucks in baulicher

Form umso mehr zu vermuten.85

Diese Grundannahmen Gottschalls stellen im Rahmen dieser

Ausarbeitung keine besondere Neuerung dar. Von hohem Interesse ist

jedoch sein Angebot an verschiedenen Untersuchungsmöglichkeiten, der

politischen Architektur näher zu kommen. Zum einen die Strukturanalyse,

welche ein typisches Element der soziologischen Untersuchung darstellt.

Hierbei werden insbesondere die politischen Gegebenheiten und die Art

der Bauwerke untersucht. 86 Darauf folgt die kultursoziologische

Untersuchung, wie auch schon bei Umberto Eco, mit den Mitteln der

Semiotik und der Soziologie der politischen Institutionen.87 Anschließend

wird die Deutung der subjektiven Ebene und der Verhaltensebene

aufgezeigt. Im weitesten Sinne lässt sich dies als die

Rezeptionsgeschichte der einzelnen Ergebnisse in den beiden

vorangegangenen Analysen betrachten. Es soll untersucht werden,

inwiefern einerseits der Adressant seine Botschaften zu vermitteln

versucht und wie der Empfänger andererseits auf die „politische

Architektur“ reagiert(e).88

Die Leistung dieser Theorie Walter Gottschalls zur „Politischen

Architektur“ besteht darin, dass er die Ebene der semiotischen

Betrachtung mit den politischen und staatlichen Auswirkungen in

Verbindung setzt. Die Deutungsmuster Umberto Ecos werden, und

insbesondere für ein politisches Phänomen wie die Hauptstadt,

dahingehend erweitert, dass auch die Herrschaftsanalyse mit in Betracht

gezogen wird. Gerade der wirkungsrezeptionistische dritte Teil der

Analyse, die subjektive Deutung, ermöglicht es, meine im vorhergehenden 85 Gottschall intensiviert diese Annahme noch einmal, wenn er schreibt „ Politische Architektur moderner Gesellschaften manifestiert sich vor allem in der Architektur des Staates“ (Siehe Ebd.) 86 Vgl. Walter GOTTSCHALL, Politische Architektur, Bern [u.a.], ([Europäische Hochschulschriften / 37] Europäische Hochschulschriften. - Bern!: Lang, 1981-, Bd. 5), 1987, S.46–67. 87 Vgl. Ebd., S. 69–115. 88 Vgl. Ebd., S. 109–116.

33

Kapitel dargestellte Definition einer Hauptstadt besser einzuordnen. Auf

Grund der Rezeptionsgeschichte wird es nun möglich, sowohl die

Internationalisierung einer Hauptstadt erkennbar zu machen, als auch

dem Phänomen des (national-)staatlichen Symbols nachzuspüren. Beide

sind stark deutungsabhängig und bedürfen sowohl der Ausstrahlung von

politischer Wirkmacht, als auch der entsprechenden Rezeption des

gewünschten Empfängers. Wenn wir nun noch einmal auf Ecos

Darstellung der Architektur als eine Dienstleistung nach den Wünschen

und Vorstellung der Gesellschaft (s. Anm. 81) zurückblicken, lässt sich

diese Trennung zwischen Sender und Empfänger der politischen

Botschaft und ihrer Ausprägung in der „politischen Architektur“ nicht mehr

zweifelsfrei bestätigen.

Die kunsthistorische Perspektive lässt selbstredend nicht die

ikonographische Betrachtung und die Formanalyse außen vor, hat aber im

Rahmen der Betrachtung von „politischer Architektur“ ihr Handwerk

verfeinert, indem sie die funktionale Ebene einbezieht. Im gleichen Sinne,

wie die geschichtswissenschaftliche Perspektive, die es trotz

verschiedenster Ansätze nie geschafft hat (seien es Hayden Whites

Negation von der Trennung zwischen Quellen und Forschungsliteratur89,

das kurze Aufbäumen von konstruktivistischen Tendenzen 90 oder die

Abkehr von nationalgebundenen Forschungsinteressen91), ihre Herkunft

und Fortführung der hermeneutischen Grundlagen aus dem 19.

Jahrhundert abzulegen, so ist auch die Kunstgeschichte an das öffentliche

Interesse gebunden. Für beide Disziplinen gilt weiterhin, dass der

öffentliche Diskurs möglichst einfache Ergebnisse übermitteln muss, es 89 Hayden V. WHITE, Metahistory: die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa, Frankfurt am Main, 1991. 90 Von besonderer Scharfsinnigkeit: Hans-Jürgen GOERTZ, Unsichere Geschichte: zur Theorie historischer Referentialität, Stuttgart, Reclam, (Reclams Universal-Bibliothek. - Stuttgart!: Reclam, 1867-, Bd. 17035), 2001, S.83–103. 91 Unter vielen, z.B.: Margrit PERNAU, Transnationale Geschichte, Göttingen [u.a.], (UTB. - [Wechselnde Verlagsorte und Verleger], 1971-, Bd. 3535), 2011; Jürgen OSTERHAMMEL und Niels P. PETERSSON, Geschichte der Globalisierung: Dimensionen, Prozesse, Epochen, München, (Beck’sche Reihe!: BsR. - München!: Beck, 1987-, Bd. 2320), 2003.

34

werden Kausalketten verlangt, welche möglichst nah an den

beweistragenden „Originalquellen“ argumentiert werden müssen. So

überrascht es auch nicht, dass der im Folgenden vorzustellende Beitrag

aus den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts dort folgenlos

geblieben ist, wo er nach radikaleren Schnitten suchte. Dies lässt sich

nicht zuletzt am Herausgeber Martin Warnke selbst festmachen. In all den

Jahren seit der Veröffentlichung 198492 hat er bisher eine fortführende

Recherche zur „Politischen Architektur“ vermissen lassen, lediglich 2004

trat er abermals als Herausgeber für den Sammelband „Politische Kunst“93

in Erscheinung. Diese Kollektion von Essays verfolgt aber einen

vollkommen anderen Auftrag, untersucht sie doch im weitesten Sinne

noch die Kulturgeschichte von Gegenständen, Gesten oder Riten.

Trotz dieser Entwicklung, die wie beschrieben, nicht ungewöhnlich für die

Entwicklung der Geisteswissenschaften selbst ist, möchte ich der frühen

Herausgeberschaft Warnkes die nötige Aufmerksamkeit zukommen

lassen. Ganz zu Beginn formuliert Warnke hier den Auftrag des Bandes,

wie folgt: „Die in diesem Band zusammengestellten Aufsätze sollen einige

Aspekte des politischen Bedeutungsumfanges, in dem die Architektur

wirksam werden kann, belegen.“94 Leider bietet auch dieser Band, wie

schon einführend dargelegt, keine systematischen Erschließungen zur

Thematik der Hauptstädte. Die Möglichkeit, sich dieser zu nähern, bietet

jedoch der architekturtheoretische Zugang des Werkes. Insbesondere

jene Ausführungen, die laut Warnke „eine Architektur zu einem politischen

Faktor werden lassen“ 95 . Zum Beispiel ließe sich die wirtschaftliche

Bedeutung des Bauwesens anführen96. Diese Funktion lässt sich durch

die Geschichte verfolgen und zeigt sich nicht zuletzt im Bereich der

Hauptstädte besonders in jenen Städten, die zu diesem Zwecke errichtet 92 Martin WARNKE, Politische Architektur in Europa vom Mittelalter bis heute, Köln, (DuMont-Taschenbücher!; 143), 1984. 93 Martin WARNKE (Hrsg.), Politische Kunst: Gebärden und Gebaren, Berlin, (Hamburger Forschungen zur Kunstgeschichte, Bd. 3), 2004. 94 Siehe Martin WARNKE, Politische Architektur in Europa vom Mittelalter bis heute, Köln, (DuMont-Taschenbücher!; 143), 1984, S.12. 95 Siehe Ebd. 96 Vgl. Ebd., S. 12f.

35

wurden oder in jenen Städten, die zu Hauptstädten umfunktioniert wurden.

Die Kosten des oben genannten Baus der neuen ägyptischen Hauptstadt

soll schätzungsweise 45 Milliarden Dollar betragen97, der bisherige Umbau

des Berliner Regierungsviertels wurde im Hauptstadtbeschluss von 1991

auf zwanzig Milliarden Mark beschränkt.98 Weiter wird der Architektur eine

Schutzfunktion, bzw. Sicherheitsaufgaben zugeordnet. 99 Dies gilt wohl

weniger in der gegenwärtigen Zeit, da weder der Burgenbau, noch

Gräben, Wälle oder Stadtmauern eine unbedingte Rolle spielen. Die

Schutzfunktionen finden heutzutage indirekt Ausdruck, z.B. durch

Kameratechnik im öffentlichen Raum, die Einrichtungen von

Justizvollzuganstalten oder ganz aktuell der Bau des Hauptsitzes des

Bundesnachrichtendienstes im Zentrum Berlins. Diese Bauten bieten

keinen gesellschaftlichen Schutz aus sich selbst heraus, sondern auf

Grund ihrer Funktion. Im globalen Verhältnis, z.B. in Israel und seiner

Hauptstadt Jerusalem, die sowohl über eine ausgefeilte

Sicherheitsarchitektur, als auch über gegenwärtige Stadtmauern verfügt,

finden sich jedoch forthin eine Reihe von Beispielen für dezidierte

Sicherheitsarchitektur. Des Weiteren kann Architektur zur politischen

Demonstration und zur Darstellung der Machtverhältnisse benutzt

werden.100 Der Hauptunterschied zur den oben genannten Darstellungen

von Umberto Eco und Walter Gottschall zeigt sich darin, dass der

Kunsthistoriker Warnke weiterhin die Architektur bzw. die Kunst in seinem

Verständnis als Sprachrohr für spätere gesellschaftliche Entwicklungen

ansieht und nicht als Kondensat dieser Entwicklung. Er stellt die These

auf: „Immer liefern die architektonischen Metaphern Bilder für den Zustand

politischer und sozialer Stabilität“ 101 und sieht in der Sprache einen

97 Vgl. O.A., Kairo: Ägypten will neue Hauptstadt bauen, unter: Die Zeit, < http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-03/kairo-aegypten-neue-hauptstadt >, (18.3.2015). 98 Diese Regelung findet sich im Berlin/BonnG vom 20. Juni 1991. 99 Vgl. Martin WARNKE, Politische Architektur in Europa vom Mittelalter bis heute, Köln, (DuMont-Taschenbücher!; 143), 1984, S.13f. 100 Vgl. Ebd., S. 14f. 101 Siehe Ebd., S. 16.

36

gängigen Rückgriff auf bauliche Metaphern. 102 Man muss der

Kunstgeschichte zugute halten, dass sie ihr Arbeitsgebiet verteidigt wissen

möchte und zudem liefert sie besonders für die architektonischen

Detailuntersuchungen Erkenntnisse von immenser Bedeutung, die

unabdingbar sind, um eine entwicklungsgeschichtliche Einordnung

verschiedener architektonischer Phänomene zu deuten. Leider bietet der

kunstgeschichtliche Ansatz nur eine bedingte Möglichkeit des

komparatistischen Zugangs, da die funktionale Ebene nach Warnke

niemals von ihrer Form getrennt werden sollte. 103 Dieser Hang zur

Ästhetik verhindert letztlich eine Vergleichbarkeit, da die Individualität der

Leistung für die Kunstwissenschaft stets im Vordergrund zu stehen

scheint.

102 Vgl. Ebd., S. S. 16. 103 Vgl. Ebd., S. 11.

37

4. Washington, D.C. 4.1. Der Plan für eine neue Hauptstadt 4.1.1. Die rechtlichen und legislativen Grundlagen

Im folgenden Kapitel gilt es nun am konkreten Beispiel zu argumentieren.

Ich habe in den vorhergehenden Abschnitten zahlreiche Möglichkeiten der

Bearbeitung vorgestellt, um den Phänomen der Hauptstadt näher zu

kommen. An dieser Stelle möchte ich eine allerletzte Kategorie

hinzufügen, eine Kategorie die so einleuchtend wie einfach ist: Eine

Hauptstadt ist auch dann eine Hauptstadt, wenn sie schlichtweg als solche

von der herrschenden Elite eines Landes bezeichnet wird.

Am Beispiel der burmesischen (bzw. myanmarischen) Hauptstadt

Naypyidaw, dem jüngsten Musterbeispiel einer Planhauptstadt, lässt sich

(noch) keiner der zuvor genannten Kriterienkataloge anwenden.

Naypyidaw ist weder ein internationales Zentrum104, noch kann sie dem

nationalen Symbol Yangon den Rang ablaufen. Jedoch ist der Baubeginn

der Planhauptstadt des südostasiatischen Staates kaum ein Jahrzehnt

Geschichte. Wenn wir diesen Zeitabstand nun auf Washington, D.C.

übertragen, bedurfte es ebenfalls ein Jahrzehnt, zwischen der

Entscheidung, die Hauptstadt am Potomac River anzusiedeln und der

Ernennung zur Hauptstadt. Zu diesem Zeitpunkt, genau im Jahre 1800,

war Washington, D.C. noch keine Hauptstadt, gemessen an den vorherig

aufgestellten Katalogen, wie Naypyidaw heute.

Die Geschichte der Hauptstadt Washington, D.C. lässt sich in zwei

gleichberechtigte Teile gliedern. Zum einen die geostrategischen und

machtpolitischen Bestrebungen des noch jungen Staates, die in diesem

Unterkapitel aufgearbeitet werden sollen, zum anderen die

bauplanerischen Bestimmungen um den planenden Architekten Pierre-

Charles L’Enfant und den ausführenden Architekten Andrew Ellicott. 104 Vgl. THE NEW YORK TIMES, Built to Order: Myanmar’s New Capital Isolates and Insulates Junta, unter: The New York Times, < http://www.nytimes.com/2008/06/24/world/asia/24myanmar-sub.html >, (1.4.2015).

38

Von besonderer Bedeutung ist der sogenannte Residence Act aus dem

Jahr 1790. Er definiert noch genauer, was die Verfassung der Vereinigten

Staaten von Amerika in Artikel 1 Absatz 8 vorgibt:

„The Congress Shall have Power [...] to exercise exclusive Legislation in all Cases whatsoever, over such District (not exceeding ten Miles square) as may, by Cession of particular States, and the Acceptance of Congress, become the

Seat of the Government of the United States, and to exercise like Authority over all Places purchased by the Consent of the Legislature of the State in which the Same shall be, for the Erection of Forts, Magazines, Arsenals, dock-Yards, and

other needful Buildings [...]“105

Diese konstitutionelle Vorgabe gibt einerseits die Größe eines 10 Meilen

großen Quadrates für die Stadtfläche der zu gründenden Hauptstadt vor.

Des Weiteren unterliegt dieser Distrikt der direkten Kontrolle des

Kongresses. Der zu gründende Distrikt soll ebenso der Sitz der Regierung

sein. Die Liste der Gebäude, die im Auftrag des Kongresses errichtet

werden dürfen, dienen vor allem der Versorgung und der militärischen

Kontrolle des Territoriums. Dies ist an dieser Stelle noch wenig

verwunderlich, da das Zitat in eine Reihe von Vorgaben für die

Machtbefugnisse des Kongresses eingebettet ist. Es zeigt sich aber auch,

dass dem District of Columbia, wie er später heißen soll, eine klare

Funktion zugeordnet wird - dem Kongress der Vereinigten Staaten von

Amerika als Regierungsort und ‚Machtzentrale’ zu dienen. Ich möchte an

dieser Stelle noch einmal auf die Diskussion verweisen, die bereits rund

um die Hauptstadtkriterien in der Frühen Neuzeit von Herbert Knittler

vorgestellt wurden. Seine Definition einer frühneuzeitlichen Hauptstadt

(und genau an deren definitionsgemäßen Wendepunkt befindet sich die

105 Zitiert nach: David P. CURRIE, The Constitution of the United States: A Primer for the People, New York, 2000, S.106. (Alle weiteren Zitate, sofern nicht anders angegeben aus der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika beziehen sich auf diese Ausgabe) - Der Kongress soll die Macht besitzen in jeglichen Fällen die exklusive Gesetzgebung über einen solchen Distrikt (zehn Meilen im Quadrat nicht übertreffend), der durch Loslösung von bestimmten Staaten und durch die Anerkennung des Kongress, der Regierungssitz der Vereinigten Staaten von Amerika werden soll und besitzt die Autorität über all jene Gebiete, die durch die Zustimmung der Gesetzgebung des Staates, in welchen der selbige liegen soll, zu verfügen, um Forts, Magazine, Arsenale, Häfen und andere notwendige Gebäude zu errichten. (Übersetzung, T.L.)

39

Gründung Washington, D.Cs.) widerspricht dieser Annahme. 106 Von

Interesse ist ebenfalls, dass im gesamten Text der amerikanischen

Verfassung von einer ‚capital city’, also Hauptstadt, keine Rede ist.

Vielmehr wird die Bezeichnung ‚District’, die sich bis heute auch im

Stadtnamen erhalten hat, verwendet. Streng an der Originalquelle

orientiert, bedeutet es somit, dass die amerikanische Verfassung keine

Gründung einer Hauptstadt, sondern lediglich eines autonomen

Verwaltungsdistriktes vorgibt.

Wenige Zeit später verabschiedete der Kongress den Act for establishing

the temporary and permanent seat of the Government of the United States

oder verkürzt auch Residence Act genannt, um der Frage nach dem

neuen Sitz der Regierung mehr Nachdruck zu verleihen:

„Be it enacted by the Senate and House of Representatives of the United States of America in Congress assembled, That a district of territory, not exceeding ten miles square, to be located as hereafter directed on the river Potomack, at some place between the mouths of the Eastern-Branch and Connogochegue be, and the same is hereby accepted for the permanent seat of the government of the

United States: [...] And be it further enacted, That the President of the United States be authorized to appoint [...] three commissioners, who [...] survey, and by proper metes and

bounds, define and limit a district of territory, under the limitations above-mentioned; and the district so defined, limited and located, shall be deemed the

district accepted by this act, for the permanent seat of the government of the United States. [...]

And be it enacted, That [...] all offices attached to the seat of the government of the United States [...] shall remain at the city of Philadelphia, in the state of

Pennsylvania; [...] And be it enacted, That on the said first Monday in December, in the year one

thousand eight hundred, the seat of the government of the United States, shall, by virtue of this act, be transferred to the district and place aforesaid [...]107

106 Vgl. Anmerkungen 55 bis 57. 107 Siehe Act of July 16, 1790 (D.C. Residency Act), 1 STAT 130, which established the District of Columbia as the seat of government., 07/16/1790 - 07/16/1790, Department of State, Enrolled Acts and Resolutions of Congress, compiled 1789 - 2011. - Es sei verordnet vom Senat und dem Abgeordnetenhaus der Vereinigten Staaten von Amerika, dass ein Distrikt auf dem Gebiet, zehn Meilen nicht übersteigend, hiernach gelegen am Fluss Potomac, an einem Ort zwischen den Mündungen des Eastern Branch und Connogochegue, und der gleiche hierbei als permanenter Sitzung der Regierung der Vereinigten Staaten angesehen wird [...] Es sei ebenso verordnet, dass der Präsident der Vereinigten Staaten autorisiert wird, drei Kommisare ernennen kann, die unter angemessenen Maß und Ziel ein Gebiet nach den genannten Kriterien erkundschaften und definieren; der so erschlossene Distrikt soll der von diesem

40

Der sogenannte Residence Act stellt zahlreiche Anordnungen auf,

inwiefern die Suche nach dem geeigneten Ort vom Kongress abgesteckt

wird. Gleich zu Beginn wird auf die verfassungsgemäße Beschränkung

der Größe der Hauptstadt verwiesen, die forthin bei zehn Meilen im

Quadrat liegt. Der Ort wird noch etwas ungenau abgesteckt, er befindet

sich aber am Fluss Potomac, wobei das Gebiet einer Länge von über

achtzig Meilen entspricht. 108 Darüber hinaus wird die Rolle des

Präsidenten beschrieben, der Kommissare bestimmte, den geeigneten Ort

für die Ansiedlung auszuwählen. Von besonderem Interesse ist die

Regelung, dass zunächst übergangsweise Philadelphia, PA die

Hauptstadt wird und schon im Jahr 1800 der Umzug in den neu zu

gründenden Regierungssitz erfolgen soll.

Präsident George Washington bedurfte auch nur eines Jahres, den

geeigneten Ort auszumachen, was vor allem damit zusammenhing, dass

dieser in gewissem Maße bereits feststand.109

Die Ergebnisse, die in einem sogenannten Amendement (ein

Abänderungsantrag von Gesetzen) am 3. März 1791 veröffentlicht

wurden, geben einen ersten Aufschluss über die zukünftige Lage des

Regierungsdistriktes:

„An act for establishing the temporary and permanent seat of the Government of the United States, as requires that the whole of the district of territory, not exceeding ten miles square, to be located on the river Potomac, [...], shall be located above the mouth of the Eastern Branch, [...], and above the mouth of Hunting creek, [...], and also the town of Alexandria [...]. That nothing herein

contained shall authorize the erection of the public buildings otherwise than on

Akt anerkannte Distrikt für den dauerhaften Sitz der Regierung der Vereinigten Staaten sein. Ebenso wird angeordnet, dass alle Ämter, die der Regierung der Vereinigten Staaten angeschlossen sind, verbleiben in Philadelphia, im Staat Pennsylvania. Ebenso wird angeordnet, dass am ersten Montag im Dezember, des Jahres eintausend achthundert der Sitz der Regierung der Vereinigten Staaten, bei der Kraft dieses Gesetzes, zu dem vorher beschriebenen Distrikt und Ort umziehen. (Übersetzung, T.L.) 108 Vgl. John William REPS, The Making of Urban America: A History of City Planning in the United States, New Jersey, 1965, S.241. 109 Vgl. Ebd.

41

the Maryland side of the river Potomac[...].“110

Zunächst lässt sicher erneut feststellen, dass auch in dieser Verordnung,

wie schon in der Verfassung und dem Residence Act nicht von einer

Hauptstadt die Rede ist, sondern lediglich von einem Distrikt gesprochen

wird. Es wird mehrfach betont, dass es sich um den Sitz der Regierung

handelt. Dieser Regierungssitz soll sogar eine Stadt namens Alexandria

(ebenfalls die Siedlung Georgetown) beinhalten, welche heutzutage

außerhalb im (Süd-) Westen Washingtons liegt. Eine eigenständige Stadt,

eine Hauptstadt also, wird in den Anordnungen nicht festgesetzt. Die

Beschreibung der Lage wird an Hand der Flussläufe abgesteckt, der

Hunting Creek, eine Bucht im Süden von Alexandria bildet auch

heutzutage noch die Stadtgrenze.

Diese schon sehr genauen Beschreibungen des zukünftigen

Regierungsdistriktes ist einer Geschichte voller Kompromisse,

Tauschhandel und diplomatischer Hürden geschuldet.111 Diese möchte ich

jedoch nur anreißen, insofern sie Aufschluss über die Hauptstadtfrage

geben.

Ganz zu Beginn stand die Frage nach einer ‚federal city’ im Allgemeinen,

diese sollte aber weder im Norden liegen, daran hatten die südlichen

Staaten des Bundes kein Interesse, noch umgekehrt. In den 1780er

110 Zusatz zum An Act for Establishing the Temporary and Permanent Seat of the Government of the United States, zitiert nach: Franklin K. Van ZANDT, Boundaries of the United States and the several States: with miscellaneous geographic information concerning areas, altitudes, and geographic centers, Washington D.C., 1976, S.90. - Eine Verordnung zur Errichtung des temporären und dauerhaften Regierungssitzes der Vereinigten Staaten, die vorgibt, dass das gesamte Territorium des Distrikts, die zehn Meilen im Quadrat nicht überschreitend, am Fluss Potomac angesiedelt sein soll, [...] angesiedelt sein soll oberhalb der Mündung des Eastern Branch, [...] und oberhalb der Mündung des Hunting Creek, [...] und ebenso die Stadt Alexandria [...]. Nichts hierin enthaltenes soll die Errichtung von öffentlichen Gebäuden abseits der Marylander Seite des Flusses Potomac berechtigen [...]. (Übersetzung, T.L.) 111 Vgl. Frederick Albert GUTHEIM und Antoinette Josephine LEE, Worthy of the nation: Washington, DC, from L’Enfant to the National Capital Planning Commission, 2. Aufl., Baltimore, Md., 2006, S.8–35.

42

Jahren kursierten deshalb erste Pläne, zwei Hauptstädte zu installieren.112

Dieser Plan wurde rasch verworfen, da über die jeweiligen Befugnisse der

beiden theoretischen Hauptstädte keine Einigung zu erzielen war. Letztlich

waren es rein finanzielle Gründe, die den Ausschlag für eine Hauptstadt in

den damaligen Südstaaten gaben. Diese versprachen den Nordstaaten

den Erlass von Schulden aus den Unabhängigkeitskriegen und sicherten

sich damit die Nähe der Regierung.

William Maclay gibt uns in seinem Tagebuch Auskunft über das Ende der

Verhandlungen und den gefundenen Kompromiss der verschiedenen

Parteien:

„Mr. Morris however called me aside, and told me that he had a Communication from Mr. Jefferson of a disposition of having the temporary Residence 15 years in

Philad[elphia] and the Permanent Residence at George Town on the Potowmack.“113

Wie im Zusatz des Residence Acts bereits zu lesen, hatte Philadelphia

diese Rolle lediglich zehn Jahre inne, doch die Regierung um George

Washington und Thomas Jefferson plante mit Nachdruck an der

Verwirklichung von Washington, D.C. (selbstredend zu diesem Zeitpunkt

noch nicht der Name des geplanten Regierungssitzes)114. Der von William

Maclay in seinem Tagebuch genannte Thomas Jefferson beantwortet in

einer Notiz vom 29. November 1790 Opinions on proceedings to be had

under the Residence Act auch jene Frage, die schon im gesamten

112 Vgl. John William REPS, The Making of Urban America, New Jersey, 1965, S.241. 113 Siehe WILLIAM MACLAY, Diary: William Maclay Papers, Washington D.C., Manuscript Division, Library of Congress (081.02.00) [Digital ID # us0081_02], 1789. - Mr. Morris nahm mich jedoch zur Seite und sagte mir, dass er eine Mitteilung von Mr. Jeffeson über eine Anordnung der übergangsweisen Residenz für 15 Jahre in Philadelphia und der permanenten Residenz in Georgetown am Potomac erhalten habe. (Übersetzung, T.L.) 114 Dies änderte sich jedoch schon sehr zügig, spätestens mit der Planung der Stadt Washington selbst, wie in diesen Zeilen der drei Kommissionare an Pierre-Charles L’Enfant nachzuvollziehen ist: „We have agreed that the Federal District shall be called ‘The Territory of Columbia,’ and the Federal City the ‘City of Washington.’ The title of the map will therefore be, ‘A Map of the City of Washington in the Territory of Columbia.’“ Siehe William TINDALL, Naming the Seat of Government of the United States: A Legislative Paradox, in: Records of the Columbia Historical Society, Washington, D.C., 23 (1920), S. 13f.

43

Abschnitt keine eindeutige Klärung zuließ - ob der ‚federal district’ auch

eine ‚federal city’ beherbergen soll. Weder die Verfassung, noch der

Residence Act und sein Zusatz geben darüber Aufschluss, doch Thomas

Jefferson mutmaßte: „no doubt it is the wish, and perhaps expectation [...]

that [...] it will be laid out in lots and streets.“115 Somit zeigt sich, dass die

Planungsabsicht einer Stadt sehr wahrscheinlich immanent war, jedoch zu

keinem Punkt in den verfassungsgemäßen Plänen direkt vorgeschrieben

wurde. Inwiefern sich nun wirklich eine Hauptstadt entwickelte und

angedacht war, wird in einem gesondertem Kapitel zu verhandeln sein.

4.1.2. Die Bauplanung

Die Planung von Washington, D.C. ist mit einer Person eng verwoben:

Pierre Charles L’Enfant. Und das obwohl er an der eigentlichen

Bauaufsicht und Detailplanung überhaupt nicht mehr beteiligt war, worauf

noch näher einzugehen sein wird.

Dieser Abschnitt soll die vorangegangen Ausführungen dahingehend

ergänzen, inwieweit die wenigen Jahre der Bauplanung das Konzept einer

Hauptstadt bzw. eines Hauptstadtdistriktes vorantrieben, welchen

möglichen Ursprung diese besitzen und inwiefern die Entwürfe,

vorbereitend für den folgenden Abschnitt, in eine Tradition von

Hauptstädten eingeordnet werden können.

Für einen Stadtplaner und Architekten gibt es wohl kaum eine reizendere

Vorstellung, als eine große (ungefähr 259km2) Fläche frei bespielen zu

können. Das Gebiet östlich des Potomac ist jedoch lediglich für die

öffentlichen Gebäude und demnach für eine Stadtplanung vorgesehen.

115 Zitiert nach: Jefferson THOMAS, The Works of Thomas Jefferson Volume 6, 1904, S.157. - Es ist keine Frage der Wunsch und vielleicht sogar die Erwartung, dass es mit Parzellen und Straßen angelegt wird. (Übersetzung, T.L.)

44

Dies kann man an den ersten Planungen L’Enfants gut nachvollziehen

(Vgl. Anlage 1116).

Zum einen erkennt man die Anpassung an die natürlichen Begrenzungen

und den trichterförmigen Aufbau der Grundform der Stadt. Im Westen bis

Süden des Potomac und im Süden bis Osten der Eastern Branch. Im

Nordwesten zeigt sich die Abgrenzung zur bereits bestehenden Siedlung

Georgetown. Auch die von Jefferson visierte, für eine Stadtplanung

logische, Einteilung in Straßen und Parzellen für Bauflächen, ist unschwer

zu erkennen. Es zeigt sich zudem eine grundlegende Orientierung im

Gegnsazu zum Stil New Yorks bzw. auch des vorhergehenden

Regierungssitzes Philadelphia, nicht dem schachbrettmusterartigen

Aufbau des Wegesystems nachzugehen, sondern ein von Plätzen und

diagonalen Straßenzügen bestimmtes System der Anordnung zu

verfolgen. Man kann an dieser Stelle schnell L’Enfant auf seine

europäische Herkunft hin durchleuchten und entsprechende Vorbilder

herausfiltern.117 Zahlreiche weitere Studien setzen sich intensiv mit den

möglichen Vorbildern Washington D.Cs. auseinander und bezeugen dabei

vielfältige Favoriten. 118 Von besonderem Interesse scheint aber die

Analogie mit dem Stadtaufbau rund um das barocke Schloss Ludwig XIV. 116 L’ENFANT, PIERRE CHARLES, Plan of the city intended for the permanent seat of the government of t[he] United States!: projected agreeable to the direction of the President of the United States, in pursuance of an act of Congress, passed on the sixteenth day of July, MDCCXC, „establishing the permanent seat on the bank of the Potowmac“, Library of Congress Geography and Map Division Washington, D.C. 20540-4650 USA dcu, G3850 1791 .L41 1991. 117 Gutheim und Lee versuchen seine architektonischen Wurzeln z.B. bei Pére Marc-Antoine Laugier (Essai sur l’archtecture) and Pierre Patte (Monuments) jeweils in der Mitte des 18. Jahrhunderts zu suchen. Trotz der jeweilig möglich vorbildhaften Aussagen der beiden Architekten und ihrer Vorstellungen der städtischen Raumaufteilung in wichtigen Plätzen die von weiden Avenues verbunden sind oder Plätzen, von denen die Straßen radieren. Auf Grund der schlechten Erkenntnislage über L’Enfant lassen sie diese Verknüpfung aber lediglich als Möglichkeit im Raum, nicht als evidenten Beweis: Vgl. Frederick Albert GUTHEIM und Antoinette Josephine LEE, Worthy of the nation, 2. Aufl., Baltimore, Md., 2006, S.14. 118 So zum Beispiel mit dem Vorbild Versailles und Paris in, Vgl. Stanley ELKINS und Eric MCKITRICK, The Age of Federalism: The Early American Republic, 1788-1800, London, 1995, S.171; Vgl. Scott W. BERG, Grand Avenues: The Story of Pierre Charles L’Enfant, the French Visionary Who Designed Washington, New York, 2009, S.109–113.

45

in Versailles zu sein. Der bedeutendste Ausweis absolutistischer

Architektur soll demnach seine Wiederkehr in dem noch jungen

demokratischen Staat gefunden haben. Zum einen wird wiederholend die

französische Herkunft L’Enfants angeführt. 119 Zum anderen die

städtebauliche Logik, die im Aufbau wiederzufinden ist. So ist es an dieser

Stelle sehr mühsam zu argumentieren, ob oder ob nicht die Stadt

Versailles Vorbild für den Aufbau Washingtons war, steht Versailles doch

ebenfalls in einer europäischen Tradition. Zugleich wird ebenfalls ein

Aufgreifen von Planungen für die Hauptstadt des britischen Königreiches -

London - formuliert.120

Da es die noch erhaltenen Unterlagen über Pierre Charles L’Enfant nicht

mehr ermöglichen, die Ursprünge zu erkennen, muss ich mich der

folgenden Meinung von William T. Partridge, Architekt des National

Capital Park in Washington, D.C. beugen:

„L’Enfant did not need to be endebted to Versailles or London plans; his alone was original and unique. His diagonal avenues with radial streets were simply

coincidential with these other city plans.“121

An dieser Stelle möchte ich jedoch an die einleitende Theorie von Berger

und Luckmann, sowie die Ausführungen Umberto Ecos erinnern. Auch

wenn es nicht mehr nachprüfbar oder in irgendeiner Weise erkennbar ist,

welche Stadtgrundrisse Pate für Washington standen, so lässt sich mit

einer gewissen Sicherheit annehmen, dass L’Enfant Vorlagen hatte. Sei

es Versailles, London oder italienische Städte, die Wahrscheinlichkeit,

dass seine Arbeit originell und einzigartig ist, bleibt im Bereich der

Architektur und damit auch der Stadtarchitektur ausgeschlossen,

119 Vgl. Stanley ELKINS und Eric MCKITRICK, The Age of Federalism, London, 1995, S.171. 120 Vgl. Marjorie Warvelle HARBAUGH, The first forty years of Washington DC architecture, Raleigh, 2013, S.73ff. 121 Zitiert nach: Ebd., p. 75. - L’Enfant war den Plänen von Versailles oder London nicht verpflichtet; seiner allein war original und einzigartig. Seine diagonalen Alleen mit strahlenförmigen Straßen waren einfach zufällig übereinstimmend mit den anderen Stadtplänen. (Überstzung, T.L.)

46

zumindest sofern man den Argumentationen des italienischen

Sprachwissenschaftlers und der beiden amerikanischen Soziologen folgt.

Eine Reihe von Vorbildern werden zumindest von Thomas Jefferson

suggeriert, soll er doch in einem Brief an George Washington die folgende

Liste von Stadtplänen an L’Enfant übermittelt haben: Frankfurt [am Main],

Karlsruhe, Paris, Orléans, Mailand, Amsterdam und ein weiteres Dutzend

Städte.122 In diesem Zusammenhang wäre es wünschenswert, das weitere

Dutzend Städte zu wissen, da Frankfurt, Paris, Orléans und Amsterdam

als mittelalterlich gewachsene Städte als direkte Vorbilder entfallen. Auch

das Amsterdamer Grachtensystem zeichnet sich beispielsweise durch

seine halbrunden Formen aus und lässt auf diese Weise eine

Weiterdeutung auf die linearen Avenues Washington nicht zu. Karlsruhe

wiederum besitzt ein gewisses Potential, da es ebenfalls eine Planstadt

mit Residenzfunktion ist. Der sogenannte ‚Karlsruher Fächer’, eine

stilisierte stadtplanerische Umwandlung des Sonnensymbols, mit dem

Schlossbau im Zentrum dieses Bildes, folgt aber ebenfalls einem anderen

Ideal. Ein interessantes Beispiel zumindest für die Positionierung von

Presidents House und Capitol, lässt sich in Mailand beobachten, durch die

ähnliche Anlage des Castello Sforcesco und des Duomo, beide mit einem

spätmittelalterlichen Hintergrund. Diese beiden Monumente, der Dom und

das Stadtschloss der Sforza Familie, werden heutzutage durch die Via

Dante miteinander verbunden, ganz ähnlich, wie auch die beiden

wichtigen Washingtoner Regierungsbauten durch die Pennsylvania

Avenue. Jedoch sind die Anlagen der Straßen auch in Mailand ganz

ähnlich wie in Paris, Wien und anderen europäischen Großstädten in der

Mitte des 19. Jahrhunderts großflächig verändert worden, um einerseits

dem Sicherheitsstreben der Regierenden vor Aufständen und dem

Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung vor Großbränden Genüge zu

leisten. Dieser Entwicklung wurde, unwissentlich, in Washington, D.C.

schon vorgegriffen. Nicht gänzlich von der Hand zu weisen, sind die

122 Vgl. John William REPS, The Making of Urban America, New Jersey, 1965, S.267.

47

genannten Ähnlichkeiten zur Anlage von Versailles und den Plänen für

London nach dem großen Brand. Mindestens stilistisch lassen sich durch

die breiten Alleen und deren Auffangen in mehren Plätzen Vergleiche

aufstellen.123 Ein weiteres wichtiges und bislang ungenanntes Beispiel für

städtebauliche Veränderungen in Europa ist Rom. Mit großzügigen

Befügnissen von Papst Sixtus V. ausgestattet, gestaltete Domenico

Fontana die zentralen Kirchenplätze, jeweils mit Obelisken und einer

Neuanordnung der zuführenden Straßen, zu den Zentren der römischen

Stadt.124 Rom als Vorbild möchte ich einen eigenständigen Abschnitt im

Anschluss widmen, da es für die Bauwerke des Capitols und des

President’s House von plausiblerer Vorbildwirkung ist.

Weniger umständlich ist es, dem zweiten Architekten Washington, D.Cs.

nachzuspüren, der nach dem Zerwürfnis von George Washington und

Pierre Charles L’Enfant die Bauplanung fortsetzen durfte - Andrew

Ellicott. 125 Dieser nutzte die bereits entworfenen, jedoch nicht

veröffentlichten Planungen (der Grund des Zerwürfnisses war wie so oft

ein finanzieller - bei der Versteigerung der Parzellen wollte L’Enfant keinen

exakten Plan vorlegen126) und vervollständigte diese durch eine exakte

Aufstellungen der Parzellen mit marginalen Änderungen im Gesamtgefüge

(Vgl. hierzu Anlage 2127).

123 Vgl. Scott W. BERG, Grand Avenues, New York, 2009, S.108–113. 124 Vgl. Ebd., S. 108f. 125 Vgl. John William REPS, The Making of Urban America, New Jersey, 1965, S.253–256. 126 Vgl. Stanley ELKINS und Eric MCKITRICK, The Age of Federalism, London, 1995, S.176f. 127 ANDREW ELLICOTT, Plan of the city of Washington in the territory of Columbia!: ceded by the states of Virginia and Maryland to the United States of America, and by them established as the seat of their government after the year MDCCC, Library of Congress Geography and Map Division Washington, D.C. 20540-4650 USA dcu, G3850 1792 .E4.

48

4.2. Die Architektur Washington, D.Cs. am Beispiel -

The President’s House und The Capitol

Wie oben bereits erwähnt, möchte ich einen ganzen Abschnitt zwei

prägenden Gebäuden der Planhauptstadt Washington, D.C. widmen.

Bereits in den frühesten Entwürfen von Pierre Charles L’Enfant sind sie

die einzigen Bauwerke, die sich auch schon bis in die frühe

Planungsphase zurückverfolgen lassen - President’s House und

Capitol.128 Beide Gebäude vereint eine klare Funktionszuschreibung. Wie

der Name schon direkt bekannt gibt, ist das President’s House bis zum

heutigen Tage Sitz und Arbeitsplatz des Präsidenten der Vereinigten

Staaten, wenn es auch mittlerweile The White House genannt wird. Das

Capitol beherbergt wiederum die beiden legislativen Organe der

amerikanischen Verfassung - The House of Senat und The House of

Representatives. Im frühen 19. Jahrhundert war hier ebenfalls die dritte

Gewalt des Staates angesiedelt - The Surpreme Court. Somit lässt sich

der gesamte Regierungssitz der Vereinigten Staaten zu dieser Zeit auf

lediglich zwei Gebäude beschränken.

Das Capitol blickt auf eine lange, durch Kriegszerstörung und häufige

Umbauten gezeichnete Geschichte zurück. Um dieses zentrale Bauwerk

der Washingtoner Architektur angemessen zu betrachten, muss ich den

Zeitraum der Arbeit, die sich bisher lediglich knapp um die

Jahrhundertwende zum 19. Jahrhundert beschränkte, in die Mitte des

selbigen dehnen. Die ungefähr dem heutigen Bild entsprechende Form

erhielt das Capitol abschließend erst im Jahre 1863. 128 Vgl. Anlage 2: L’ENFANT, PIERRE CHARLES, Plan of the city intended for the permanent seat of the government of t[he] United States!: projected agreeable to the direction of the President of the United States, in pursuance of an act of Congress, passed on the sixteenth day of July, MDCCXC, „establishing the permanent seat on the bank of the Potowmac“, Library of Congress Geography and Map Division Washington, D.C. 20540-4650 USA dcu, G3850 1791 .L41 1991.

49

Für die Vision dieser Hauptstadt ist es einleitend von Interesse, die

originalen Vorstellungen, welche eng mit der Gründung der Stadt

verknüpft sind, nachzuvollziehen. Nicht nur nicht untypisch für die Zeit,

sondern für Bauvorhaben im Allgemeinen zeichnet sich zumeist eine

Beziehung zwischen einem Mäzen und Bauherrn und einem willigen

kreativen Geist für die planerische Umsetzung des Projektes ab, bzw. ist

dies die bevorzugteste Darstellungsweise für historische Konfigurationen

in der Architektur. Diese Rollen übernehmen für die frühe Baugeschichte

des Kongresshauses Thomas Jefferson als Visionär und politischer

Weichensteller und Präsident und Benjamin Latrobe als gefragter Künstler

und stilgebende Ikone der noch jungen amerikanischen

Architekturgeschichte. 129 Dies repräsentiert jedoch leider nur einen

minimalen Ausschnitt der wechselvollen Baugeschichte. Erster Architekt

des Capitols war William B. Thornton, dessen Entwurf und Bau (siehe

Anlage 3130) lediglich wenige Jahre aktuell bliebt. Ab 1804 bis zum Krieg

und der teilweisen Zerstörung des Capitols 1814 sowie für die folgenden

Aufbauarbeiten übernahm Benjamin Latrobe die Leitung (siehe Anlage

4131), aber auch er hielt sich nur bis 1819, als schließlich Charles Bulfinch

übernahm.132 Die auch heute noch bekannte Kuppel wurde jedoch erst

1851 nach der Planung von Thomas U. Walter aufgesetzt. Über ein

129 Diesen Eindruck erhält man zumindest, wenn man die amerikanische Literatur zu dieser Thematik verfolgt, so z.B. Vgl. William C. ALLEN, History of the United States Capitol: A Chronicle of Design, Construction, and Politics, Washington D.C., 2001, S.49–97; Vgl. Ralph G. GIORDANO, The Architectural Ideology of Thomas Jefferson, 2012, S.138–145. 130 William THORNTON, [U.S. Capitol, Washington, D.C. East elevation, low dome] ADE - UNIT 2470, no. 4, Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D.C., 1793. 131 Benjamin Henry LATROBE, [United States Capitol, Washington, D.C. Perspective from the northeast], London!: Published at R. Ackermann’s Repository of Arts, 101 Strand, 1825, Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D.C., 1806. 132 Die wechselvolle Geschichte rund um die Architekten des Kapitols, die noch viele weitere Architekten, als oben beschrieben verschliss, wird z.B. hier dargestellt: Vgl. James M. GOODE, Washington sculpture: a cultural history of outdoor sculpture in the nation’s capital, Baltimore, Md., 2008, S.21f.

50

Jahrhundert später, 1958, wurde die Front des Ostflügels um zehn Meter

vorgeschoben.133

Der ausschlaggebende Grund, warum ich mich mit dem Capitol

beschäftige, ist jedoch die starke Rezeption Roms, die speziell bei diesem

Gebäude und dem umliegenden Capitol Hill (bei Beginn der Planung noch

Jenkins Hill), schon allein in der Namensgebung eine starke Referenz

aufweist.134 Der Baustil, welcher sich mit jedem Architekten änderte, was

die Deutung besonders erschwert, wird im allgemeinen als ‚Greek Style’

formuliert - das Markenzeichen von Benjamin Latrobe.135 Dem gegenüber

steht die ‚Romrezeption’ der sogenannten Gründerväter der Vereinigten

Staaten von Amerika, zu denen Thomas Jefferson gehört.136 Für jene

waren die Vereinigten Staaten von Amerika das neue Römische

Imperium.137

Jedoch genügt es an dieser Stelle, an der Vermutung einer antiken

Rezeption, ob nun griechisch oder römisch, für die Architektur

festzuhalten. Das Bauwerk selbst verändert seine Ausprägung und

Rezeption je nach den betrachtenden Rezipienten. Die Gemengelage, die

der Planung des Baus, samt den Erkenntnissen und Verformungen, die

wir bis heute daran weiterhin beobachten können, anhängt, lässt eine

zweifelsfreie kunsthistorische Deutung nicht zu, obgleich diese in vielen

Fällen forciert wurde. 138 Das Capitol eines der Wahrzeichen der

politischen Hauptstadt Washington, D.Cs. verweist in erster Linie durch

seine Funktion als Zentrum der Legislative (und für kurze Zeit der

Judikative) auf eine Tradition beim Bau von Regierungssitzen bzw.

Residenzen. Obgleich die Auskünfte über die architektonische

133 Vgl. Ebd., S. 21. 134 Vgl. Axel GAMPP, Rom zwischen Tivoli und Washington. Die Visualisierung des antiken Rom in der Frühen Neuzeit., in: Das antike Rom und sein Bild, hrsg. von Hans-Ulrich CAIN/Annette HAUG/Yadegar ASISI, Berlin 2011, S. 237-245. 135 Vgl. Ebd., S. 241f. 136 Vgl. Carl J. RICHARD, The Founders and the Classics: Greece, Rome, and the American Enlightenment, 1995, S.12–39. 137 Vgl. Carl J. RICHARD, Greeks & Romans Bearing Gifts: How the Ancients Inspired the Founding Fathers, Plymouth, 2009, S.97–129. 138 Um nur einen zu nennen, dieser dafür mit Nachdruck: Vgl. James LANTOS, U. S. Capitol (Pictorial America), Carlisle, 2010, S.4.

51

Ausgestaltung einen wahren Korpus an Deutungen erschlossen haben139,

sind sie für diese Ausarbeitung nur von geringem Interesse. Die möglichen

römischen Vorlagen, wie das Pantheon, für die heutige Kuppelanlage,

sind erst mit der Zeit erschlossen und spiegeln einen anderen

rezeptionshistorischen Hintergrund. 140 Die Diskussion, ob Versailles,

London oder Rom Vorbilder für die Planungen waren, kann am Bau des

Kongresshauses nicht beantwortet werden. Vielmehr lassen sich

Aussagen über den Zeitgeist treffen, welche Botschaften transportiert

werden sollen - lediglich hierauf kommt es im Rahmen dieser

Hauptstadtdebatte an. Das Projekt Disctrict of Columbia bedurfte

einerseits einer Einordnung in bestehende Systeme, andererseits eine

architektonische Abgrenzung vom europäischen Kontinent um die

ehemals koloniale Stellung als nun eigenständige Macht abzuschütteln.

Hierfür fehlten dem jungen Staatenbund jedoch die ausgezeichneten

Architekten141, was sich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts ändern

sollte, mit Hochhausbauten als Markenzeichen amerikanischer

Innenstädte, nur eben nicht in Washington, D.C., da es hier eine

besondere Restriktion für die Bauhöhe gab.

Das weitere Bauwerk von monumentaler Bedeutung für Washington, D.C.

ist das President’s House oder wie heute eher üblich The White House.

Die architektonische Geschichte des Weißen Hauses ist von einer

angenehmen Schlichtheit. Es war das einzige Regierungsbauwerk, das

beim Umzug im Dezember 1800 schon vollkommen fertiggestellt war.142

Von ebensolcher Einfachheit zeigt sich auch das architektonische Vorbild,

139 Vgl. James M. GOODE, Washington sculpture, Baltimore, Md., 2008, S.21f. 140 Obgleich der häufig zitierte Thomas Jefferson schon 1781 eine Vorbildfunktion des Patheon für das Kapitol propagiert haben soll, so zumindest: Vgl. Peter S. ONUF, Nicholas P. COLE und Richard Guy WILSON (Hgg.), Thomas Jefferson’s Classical Architecture: An American Agenda, in: Thomas Jefferson, the Classical World, and Early America, hrsg. von Peter S. ONUF/Nicholas P. COLE/Richard Guy WILSON, University of Virginia Press, 2011, S. 99–128, hier S. 112f. 141 Vgl. Frederick Albert GUTHEIM und Antoinette Josephine LEE, Worthy of the nation, 2. Aufl., Baltimore, Md., Johns Hopkins Univ. Press, 2006, S. 22f. 142 Vgl. Ebd., S. 42f.

52

das Leinster House in Dublin/ Irland, welches mittlerweile Sitz des

Kongress’ der irischen Republik ist, zur Entstehungs- und Planungszeit

des President’s Houses jedoch den Herrschaftssitz der gleichnamigen

Adelsfamilie darstellte. 143 Der leitende Architekt, James Hoban, war

irischer Herkunft, was die Assoziation des Ursprungs dieser Idee

nahelegt.144 Eine antike Rezeption ist an dieser Stelle höchstens auf

Grund der Farbwahl herzustellen, wobei ‚weiß’ als Farbe des Anstriches

aber auch nicht weiter ungewöhnlich war. Dem Widersprechend sind auch

die von Präsident George Washington erwünschten Blumen- und

Eichelmuster.145

Jedoch lässt sich abermals eine funktionale Ebene abstrahieren, das

Vorbild war genau wie das zu schaffende Haus des Präsidenten ein

repräsentativer Ort der Machtdarstellung (das mit Abstand größte

Gebäude in einem weiten Umkreis).

Die Architektur Washington D.Cs. ist wie oben bereits angedeutet für sich

selbst genommen in den Anfangsjahren nach der Stadtgründung kein

Ausweis an nationaler Besonderheit. Sie bedient auf funktionaler Ebene

vielmehr die nötigen Bedürfnisse an Repräsentation. Hierfür ist es

irrelevant, welche stilistischen Vorbilder aufgegriffen wurden, da diese mit

Ausnahme des White House auch nicht eindeutig bestimmbar sind. Es hat

sich somit auch in der Praxis gezeigt, dass die kunsthistorische Sichtweise

für eine komparatistische Darstellung von Architektur ungeeignet ist.

Würde man dem Pfad der Kunstgeschichte an dieser Stelle folgen, würde

man die Vereinigten Staaten von Amerika in dieser Phase zu einem

ausschließlichen Rezeptionisten antiker Ideen herabwürdigen. Diese

erfüllen jedoch lediglich einen Mittel zum Zweck - Repräsentation.

143 Vgl. Ebd. 144 Vgl. Ebd., S. 42f. 145 Vgl. Ebd., S. 42.

53

4.3. Die Hauptstadtfrage

In diesem zusammenfassenden Abschnitt möchte ich nun den einleitend-

theoretischen Teil in Bezug zur Hauptstadtfrage um Washington, D.C.

stellen. Hierzu werde ich im gleichen Rahmen noch einmal drei der

Entwürfe, darunter meinen eigenen, auf ihre Funktionalität hin überprüfen,

um anschließend Washington, D.C. in das von mir bereits angesprochene

globale Hauptstadtmodell als prägendes Beispiel für eine Planhauptstadt

einzuordnen.

Für Washington, D.C. und für die meisten folgenden Planhauptstädte der

globalen Geschichte gilt es die Frage zu beantworten, ob sie vielleicht

nicht Hauptstadt, sondern lediglich Residenzstadt sind? Hiermit ist es

besonders interessant, noch einmal das Modell von Herbert Knittler146 für

die Hauptstadtfrage in der Frühen Neuzeit zu befragen. Sofern mir selbst

Epochengrenzen auch als nichtig erscheinen, so besitzen sie auf Grund

ihres Kategorisierungsanspruches einen eigenen Wert und erleichtern bei

aller Abstraktion die Vergleichbarkeit. Die Frühe Neuzeit wird besonders

mit dem Bau von Residenzen verbunden, der Adel bewegte sich aus der

Stadt, um zumeist am heutigen Stadtrand seine eigene Idee von

Herrlichkeit zu präsentieren.

Knittler nennt drei verschiedene Faktoren, die eine Stadt in der Frühen

Neuzeit zur Hauptstadt werden lassen147. Zunächst sei die Hauptstadt

eine ‚Bevölkerungsagglomeration’ und ‚multifunktionale Staats- und

Landesmitte’148. Dies ist Washington, D.C. nicht und war es auch zu

keinem Zeitpunkt. Jedoch findet sich zumindest der Plan für eine solche

Stadt in dieser Zeit. Der erste Planer Pierre Charles L’Enfant träumte von

einer Kapitale mit einer Millionen Einwohnern149, was bei einer ungefähren

146 Siehe die Anmerkung 45. 147 Siehe die Anmerkungen 55-57. 148 Siehe Anmerkung 55. 149 Vgl. Scott W. BERG, Grand Avenues, New York, 2009, S.112.

54

Bevölkerungszahl von fünf Millionen zu dieser Zeit, das herausragende

Zentrum des Landes bedeutet hätte. Washington, D.C. nahm diese

Entwicklung jedoch nie ein, die Stadt gab sogar nach weniger als fünfzig

Jahren ihre Gebiete auf der linken Seite des Potomac vollständig zurück,

weshalb selbst die vormalige Größe von einhundert Quadratmeilen nicht

mehr von Bestand ist. 150 Dieses Kriterium erfüllt Washington, D.C.

demnach lediglich in der Planungsphase, jedoch nie in Realität.

Weiter wichtig für Knittler war die Konzentration politischer Behörden in

der Stadt. 151 Diesem Kriterium, ich hatte mich oben kurz mit den

auffälligsten Bauwerken hierzu auseinandergesetzt, entspricht die Stadt

vollkommen. In rapider Geschwindigkeit siedeln nach und nach alle

Institute der amerikanischen Regierung in die noch unfertige Planstadt.

Knittler gibt jedoch eine Einschränkung vor, welche die beiden bisherigen

Ausführungen miteinander verknüpft. An dieser Stelle wird es besonders

schwierig eine Antwort zu finden. Knittler fordert für eine Hauptstadt, dass

„keine Überlagerung der Residenzbauten im gesamten Stadtgefüge“ 152

vorherrschen soll. Diesem Unterscheidungszeichen, das besonders auf

den Unterschied zwischen Hauptstadt und Residenzstadt anspielt,

entspricht Washington, D.C. in keiner Weise. Es sei nur an die Auflagen

der amerikanischen Verfassung erinnert, welche das Territorium für den

Regierungssitz nicht nur mit besonderen Rechten auszeichnet und

gleichzeitig mit starken Restriktionen für den privaten Bereich

einhergeht.153 Der spätere District of Columbia ist hiernach gänzlich dem

Kongress unterstellt, der auch gleichzeitig Herr über die Bautätigkeiten

und die allgemeine Stadtentwicklung bleibt. Gleichzeitig dominieren die

Bauten rund um die Pennsylvania Avenue, Capitol und Presidents House,

150 Vgl. Paul FINKELMAN, Donald R. KENNON und A. Glenn CROTHER (Hgg.), The 1846 Retrocession of Alexandria, in: In the Shadow of Freedom: The Politics of Slavery in the National Capital, hrsg. von Paul FINKELMAN/Donald R. KENNON/A. Glenn CROTHER, Ohio University Press, 2011. 151 Siehe Anmerkung 56. 152 Siehe Anmerkung 57. 153 Siehe Anmerkung 109.

55

samt der zu späterer Zeit hinzugefügten Monumente das Stadtbild in

besonderer Weise.

Somit ist zu schlussfolgern, dass Washington, D.C. nach Herbert Knittler

keine Hauptstadt darstellt, obgleich es sich durch höchste herrschaftliche

und bundesstaatliche Legitimation so bezeichnen darf. Es stellt sich also

die Frage, ob Washington, D.C. ein neuartiges Phänomen begründet,

einen neuen Typus der Hauptstadt repräsentiert oder ob es sich einfach

nicht in die europäische Definition einer frühneuzeitlichen Hauptstadt

einpassen lässt? Dies wird sich durch einen Blick auf die weiteren Modelle

klären lassen.

Im Modell von Slack und Chattopadhyay154 wird ein langer Katalog von

Hauptstadtsmerkmalen zusammengestellt. Diese sind, am Beispiel für

Washington, D.C. sehr richtig, für ‚federal capitals’, also Hauptstädten in

einem föderalen System, wie dem der Vereinigten Staaten von Amerika,

vorgesehen, nur leider nicht historisiert. Dies verkompliziert die

Einordnung in die verschieden Kategorien. Washington, D.C. war zwar

von Anfang an der Sitz der Regierung, womit der erste Punkt erfüllt ist, bis

die geforderten nationalen Institute, wie Nationalmuseen,

Nationalbibliotheken oder die Nationalbank Einzug in die Stadt erhielten,

verging noch weit über ein Jahrhundert.155 Schon zu Beginn wurde die

Internationalisierung der Hauptstadt vorangetrieben, Botschaften zählten

zu den ersten Gebäuden der neu gegründeten Hauptstadt. 156 Des

Weiteren formulieren die beiden Wissenschaftler die Maßgabe, dass der

Nationalstolz durch Zeremonien und Gedenktage in der Hauptstadt

geprägt wird. Dies trifft in den USA jedoch nur beschränkt zu, für die hier

verhandelte Zeitspanne überhaupt nicht. Die meisten Feierlichkeiten sind

gleichzeitig an vielen Städten des Landes und nicht auf die Hauptstadt 154 Siehe die ausführliche Darstellung in Anmerkung 24. 155 Das Smithsonian, das Nationalmuseum wurde erst 1846 angelegt, die Nationalbank, Federal Reserve, erst 1913, die Nationalbibliotek, die Library of Congress, entstand jedoch schon ganz zu Beginn um 1800. 156 Strenggenommen müsste man von Legationen, also Gesandtschaften um 1800 sprechen. Die erste vollumfängliche Botschaft eröffnete 1871 ihren Sitz in Washington, D.C., Vgl. Kent E. CALDER, Asia in Washington: Exploring the Penumbra of Transnational Power, Washington D.C., 2014, S.30ff.

56

beschränkt. Dies trifft auch auf die weiteren Kategorien zu. Diese sind, da

es sich um eine Arbeit von Urbanisten handelt, wie schon angesprochen,

in keiner Weise historisiert und in vielen Fällen auch nicht historisierbar.

Dieses Modell nähert sich Washington, D.C. als Hauptstadt zwar eher an

als die frühneuzeitliche Hauptstadtdeutung, kann es aber in seiner

historischen Entstehung und der nationalen Besonderheit nicht

entsprechend würdigen. Die Betrachtung der Hauptstädte allein aus der

Gegenwart wird keiner Hauptstadt gerecht und speziell die große Zahl an

Variablen, lässt viele unbeachtet. So auch bei Washington, D.C, welches

selbst in einer streng gegenwärtigen Betrachtung den beiden

nordamerikanischen Urbanisten nicht vollständig gerecht werden würde,

obwohl es heutzutage ein Musterbeispiel für eine Hauptstadt ist, die nach

über zweihundert Jahren Planung den vielfältigen Aufgaben einer solchen

Stadt wie kaum eine andere Genüge leistet. Durch die Sonderregelung

der Verfassung genießt Washington, D.C. auch heute noch einen

Sonderstatus, dem die Metropolen dieser Welt, die noch eine viel größere

Anzahl von Aufgaben neben der Hauptstadtfunktion erfüllen müssen, nicht

immer im gleichen Maße gerecht werden können.

Aus diesem Grund möchte ich zum Abschluss noch einmal mein eigens

formuliertes, konzentrierteres Programm für eine Hauptstadt aus dem

zweiten Kapitel anwenden. In diesem Kapitel erweiterte ich einleitend das

Modell um eine förmliche Belanglosigkeit, die aber zur Historisierung einer

Hauptstadt von großer Bedeutung ist - die Benennung und die

entsprechende Anerkennung einer Elite, welche eine Hauptstadt schon zu

einer solchen machen können. Hinzu kommt die Internationalisierung der

Hauptstadt, welcher auch bei Neugründungen rasch nachgegangen

wird. 157 Das letzte Merkmal ist die Bedeutung einer Hauptstadt als

nationales Symbol. Eine Hauptstadt zu bestimmen, ist entweder ein

bedeutender politischer Akt, oder wie in den Fällen von Peking, London 157 Für diesen Punkt lassen sich zweifelsohne Ausnahmen finden, wie das noch sehr junge Naypyidaw, Haupstadt von Myanmar oder schon genannte Sondersituationen, wie in Amsterdam oder Jerusalem, die auf Grund der Sicherheitslage, oder politischen Struktur lediglich über Konsulate verfügen, hierfür aber umso größere Bedeutung als nationales Symbol besitzen.

57

oder Paris eine historische Entwicklung solchen Alters, dass die

Bedeutung einen hohen Grad an Normalität erreicht hat, sodass eine

Änderung dieses Status gesellschaftlich und politisch undenkbar wäre.

Hier kommt die Architektur als vergleichendes Moment hinzu. Die

Funktionalität von Regierungsgebäuden, die benötigte Breite der Straße

für z.B. eine Militärparade, der strukturelle Aufbau einer Stadt für die

Anlage von Botschaften oder allgemeinen Verwaltungsbauten ist global

gesehen vergleichbar. Die Vergleichbarkeit setzt sich dabei auch über die

architektonischen und kulturell eigenständigen Formalien hinweg. Wie mit

dem theoretischen Unterbau der Semiotik von Umberto Eco bereits

erschlossen und mit den wissenssoziologischen Annahmen von Berger

und Luckmann vertieft, gilt auch für Washington, D.C., wie für jede andere

Hauptstadt, dass sie sich auf Bestehendes zurückbesinnen musste. Es

war mir nicht möglich, eindeutig zu bestimmen, ob die architektonischen

Ursprünge der amerikanischen Hauptstadt in Rom, Versailles, London

oder gar Paris 158 liegen. Dies spielt letztendlich für das weitere

Hauptstadtvorhaben, welches ich im Ausblick skizzieren möchte, keine

bedeutende Rolle. Es ist schließlich auch für Washington, D.C. im

Speziellen uninteressant, scheinen sich die Stadtplaner doch durch die

verschiedensten Reminiszenzen auf unterschiedlichste Baustile auf keine

eindeutige Zuweisung festlegen zu wollen. Ein irisches Adelshaus stand

Pate für das White House, das römische Pantheon, eine Kirche aus dem

3. Jahrhundert, für das Capitol, griechische und römische Tempelbauten

für verschiedenste Verwaltungsbauten, ägyptische Obelisken für das

Washington Monument, das älteste Gebäude des Smithsonian (der

Nationalmuseumskomplex) ist im normannischen Stil des englischen

Mittelalters gehalten, die National Cathedral ist im gotischen Mischstil

erbaut. Es zeigt sich somit abermals, dass eine kunsthistorische Deutung

158 Für diese Variante spricht sich sogar ein ganzer Sammelband aus. Dessen Ansätze sind leider ebenso überzeugend, wie die schon zitierten Darstellungen über Rom oder London: Vgl. Cynthia R. FIELD, Isabelle GOURNAY und Thomas P. SOMMA, Paris on the Potomac: The French Influence on the Architecture and Art of Washington, Washington, D.C., 2013.

58

wenig sinnvoll erscheint, um den Phänomen Hauptstadt näherzukommen.

Die Hauptstadt ist Funktionsträger und so auch ihre Architektur funktional.

Jedoch gibt es auch für das Kriterium des nationalen Symbols

Ausnahmen, wenn man hierbei lediglich die historische Aufladung in den

Blick nimmt. Es sind politisch fragwürdige Entscheidungen, wie die

Gründung Abujas, die Bestimmung Bonns als Hauptstadt der

Bundesrepublik Deutschland oder eben Naypyidaw als Beschluss der

Militärregierung und bisherige Fehlplanung, die einer national

aufgeladenen Geschichte entgegenstehen. Jedoch ist es die jeweilige

funktionale Architektur auch dieser Städte, die nationale Bestimmungen

aufnimmt und diese dann in den internationalen Diskurs einbettet. Mit der

Annahme, dass Architektur einerseits immer zweckgebunden und

andererseits einen bestimmten Diskurs folgen muss, wird sie auf der einen

Seite globalisiert und ist auf der anderen Seite an eine national(-staatliche)

Bestimmung gebunden.

Washington, D.C. erfüllt seit seiner Gründung alle drei Kategorien.

Lediglich die oben beschriebene kurze Phase zwischen 1787 und 1791,

als in den offiziellen Darstellungen keine Klarheit bestand, ob die Planung

des Hauptstadtterritoriums überhaupt eine Stadt beinhalten soll, lässt sich

hier ausgrenzen, in dieser Zeit waren jedoch auch New York City bzw.

Philadelphia die Hauptstädte der Vereinigten Staaten von Amerika.

Washington, D.C. ist demnach von jeher, seit der Einsetzung um 1800,

eine Hauptstadt, also auch in der Frühen Neuzeit.

59

5. Fazit und Ausblick

Dieses abschließende Kapitel soll nicht nur als Zusammenfassung dienen,

sondern den Blick auch nach vorn richten und noch einmal vertiefender

auf die Möglichkeiten der Hauptstadtforschung blicken. Zugleich möchte

ich Washington, D.C. als ein prägendes Beispiel für die komparative

Forschung zu Planhauptstädten vorstellen.

Zu Beginn gilt es jedoch die Ergebnisse zusammen zutragen, die sich aus

der Analyse der vorhergehenden Seiten ergeben haben. Hierzu möchte

ich die Fragestellungen des einleitenden Kapitels rekapitulieren und wenn

möglich zusammenfassend beantworten.

1. Welche Faktoren und Bedingungen kristallisieren sich in einer

Hauptstadt heraus?

Es hat sich abgezeichnet, dass nicht allzu viele Faktoren für die Definition

einer Hauptstadt von Bedeutung sind. Einerseits zeigte sich, dass mit den

Typisierungen der Urbanisten keine Geschichtswissenschaft zu betreiben

ist, da diese nicht entsprechend zu historisieren sind und sich nicht für

eine historische Analyse bewährt haben. Ich selbst habe den Begriff des

(national-) staatlichen Symbols eingeführt, welcher schon eine bestimmte

Zeitebene umfasst, da der Nationenbegriff ein Produkt des 18.

Jahrhunderts ist.159 Ich möchte den Begriff der Nation an dieser Stelle

aber als Ergänzung zum Forschungsbegriff ‚Staat’ verstanden wissen, der

nicht deckungsgleich mit der historischen Anwendung ist. Demnach ist

auch jene Form von Staatlichkeit, eine Nation im Sinne dieser Ausführung,

die ein großes Maß an Zentralisierung (nicht zuletzt ist die

Hauptstadtgründung ein Ausweis hierfür) erlebt hat. Auch der antike

römische Staat besaß zunächst eine Hauptstadt, caput mundi, in Rom,

später mit Konstantinopel dann sogar eine zweite Hauptstadt. Der

159 Vgl. E. J. HOBSBAWM, Nations and Nationalism Since 1780: Programme, Myth, Reality, London, 2012, S.46–80.

60

Vielvölkerstaat mit seinem Zentrum auf der Appenninischen Halbinsel

würde z.B. allen Klassifizierungen als Nationalstaat widersprechen,

weshalb der Nationenbegriff lediglich als verstärkende Ergänzung zu

verstehen ist, welcher den großzügigen Definitionsmöglichkeiten des

Staatsbegriffes eine weitere Einordnung und Richtung vorgeben soll.

Neben der Symbolhaftigkeit einer Hauptstadt zeigte sich besonders die

Internationalität als bedeutendes Merkmal einer Hauptstadt, die

heutzutage ritualisiert durch Botschaftsbauten und deren besonderen

Gesetzesstatus rund um den Globus Ausdruck findet. Aber auch in der

Geschichte waren Konsulate nicht nur gang und gäbe, sondern gehörten

ebenfalls zu gesonderten Bestandteilen einer Haupt- und Residenzstadt.

Ebenfalls von großer Bedeutung ist die Zuwendung von einer Elite eine

Stadt zu einer Hauptstadt zu bestimmen. Am historischen Beispiel

Washington, D.C. habe ich gezeigt, dass diese Stadt schon Hauptstadt

war, bevor sie die weiteren Kriterien der Urbanisten erfüllt hat. Diese

Erklärung, welche die Bearbeitung vielleicht etwas ‚vereinfacht’, ist aber

für eine historische Denkweise unerlässlich, da gerade

Hauptstadtgründungen oder Umwidmungen von Städten in Hauptstädte

selbstredend nicht in kürzester Zeit geschehen können.

2. Welche Hauptstadttypen zeichnen sich global ab?

Nach meiner Auffassung, und diese steht in einem gewissen Kontrast zur

Forschungsmeinung, welche jedoch zum größten Teil nicht historisch

arbeitet, gibt es lediglich drei Typen von Hauptstädten. Die

Planhauptstadt, welche mit der historischen Variante der Residenzstadt

verwandt ist, sich aber durch das Symbolhafte unterscheidet, ist ein

Typus, welcher ausführlich am Beispiel von Washington, D.C. in dieser

Arbeit betrachtet wurde. Hinzu kommen die historisch gewachsenen

Hauptstädte, die diese Funktion auf Grund eines langjährig umgebenden,

gleichbleibenden Staatstypus behalten haben und sukzessive weiter an

ihre Funktionen angepasst wurden. In der letzten Gruppe sind jene Städte,

61

die auf Grund von politischen Entscheidungen zu einer Hauptstadt

geworden sind und zuvor nur geringe staatliche politische Funktionen

besaßen. Hier ist neben z.B. Ankara auch die wiederholte Hauptstadt

Berlin zu nennen, die eine wechselvolle Geschichte besitzt.

3. Gibt es eine architektonische Dimension hinter einer Hauptstadt, die

unabhängig von stilistischen Elementen durch die Zeit Bestand hat/te?

Wie kann man diese beschreiben?

Es gibt sehr wohl eine architektonische Dimension hinter einer Hauptstadt.

Die Architektur ist sogar das tragende Element für den Aufbau einer

Hauptstadt. Diese Dimension liegt vor allem in der Funktionsweise der

jeweiligen Bauten, die sich global vergleichen lassen. Beschreiben lässt

sie sich mit Hilfe der semiotischen Theorie von Umberto Eco und den

wissenssoziologischen Ansätzen von Berger und Luckmann. Die beiden

Ansätze in Kombination erzeugen die Möglichkeit des Vergleiches, da sie

einerseits von der Funktionalität der Architektur ausgehen (Eco) und

gleichzeitig von der gesellschaftlichen Bestimmung eines Wissenskorpus

(Berger und Luckmann).

4. Hat sich eine prototypische Hauptstadt etabliert, welche spätere

Hauptstadtgründungen oder –erweiterungen beeinflusst hat?

Es hat sich gezeigt, dass die typische Hauptstadt nicht existiert. Am

Beispiel von Washington, D.C. habe ich versucht die Vorbilder für dieses

Konstrukt zu identifizieren. Die Beantwortung war aber schließlich nicht

möglich, da sich schon früh abzeichnete, dass die Referenzen nie deutlich

bestimmt wurden, sondern lediglich zu deuten sind. In Verbundenheit mit

den oben genannten Theorien, zeigte sich jedoch auch, dass eine direkte

Vorbildwirkung nicht notwendig ist, da der Rezipient der Bauwerke

Washington, D.Cs. ausschließlich für die Deutung der Bauten

verantwortlich ist. Sein gesellschaftlich konstruiertes Wissen trifft auf die

62

Möglichkeiten einer Architektur im semiotischen Sinne, die letztlich nur der

Funktion der Bauten folgen kann.

5. Welche Ursprünge hat die Hauptstadtplanung von Washington, D.C.?

Welchen Charakter gibt diese Planung dem jungen, demokratischen

Staatenbund an der Wende ins 19. Jahrhundert?

Wie soeben angedeutet, gibt es keine eindeutigen Ursprünge der

Hauptstadtplanung im Disctrict of Columbia, die deutbaren Referenzen

beziehen sich jedoch sämtlich auf einen europäischen Ursprung, was

nicht weiter verwunderlich ist. Für den noch jungen Staatenbund

bedeutete jedoch die Gründung einer neuen Hauptstadt letztendlich die

Loslösung aus seiner kolonialen Vergangenheit. Dieses Schema liegt

auch allen folgenden Planhauptstädten zu Grund. Es war ein wichtiges

Anliegen, dass sogar Verfassungsrang besaß 160 , und besonderer

Dringlichkeit unterlag.

6. Welche Besonderheiten zeichnen sich bei der Hauptstadtplanung in

Washington, D.C. , speziell im Vergleich zu den Residenzstadtgründungen

des 17. Jahrhunderts ab?

Die Trennung von einer Residenzstadt ist nur im Kontext aufzulösen. An

Hand der Darstellungen Herbert Knittlers für die Hauptstadt in der Frühen

Neuzeit161 würde sich Washington, D.C. nicht als Hauptstadt qualifizieren,

zu ähnlich ist die Gründung am Potomac im Vergleich mit den

europäischen Residenzstädten, wie das immer wieder angeführte

Versailles oder Potsdam, in Teilen auch Den Haag. Die Trennung ist im

Fall Washington, D.Cs. von besonderer Schwierigkeit. Jedoch konnte ich

aufzeigen, dass zumindest in der Planung die Hauptstadt der Vereinigten

Staaten von Amerika auch eine Hauptstadt und keine Residenzstadt, wie

Versailles oder Potsdam werden sollte. Letztere standen immer im 160 Siehe Anmerkung 106 161 Siehe Anmerkungen 52-54

63

Schatten der De-Urbanisierung der herrschenden Elite, blieben aber stets

in der Einflusszone der größeren Städte Paris, Berlin und Amsterdam. Sie

dienten lediglich als Herrschaftszentrum und nicht als wirtschaftliches oder

kulturelles Zentrum.

Nach diesen Darstellungen zeigt sich insbesondere meine vierte These

aus dem Einleitungskapitel, dass sich Washington, D.C. als

demokratische Folgenentwicklung des absolutistischen Versailles

ansehen lassen muss, als fälschliche Annahme. Die ersten drei Thesen

bestätigten sich jedoch, soweit es dieser Rahmen zugelassen hat.

Washington, D.C. steht jedoch ganz am Beginn einer anderen

Entwicklung, jener der post-kolonialen Planhauptstadt. Ich möchte nun

einige Städte vorstellen, die unter dem direkten Einfluss des US-

amerikanischen Vorbildes standen.

Zunächst der kontinentale Nachbar, Kanada, dessen Hauptstadt Ottawa

einen Kompromiss zwischen dem französischsprachigen und

englischsprachigen Teil darstellen sollte, ganz ähnlich dem Ausgleich

zwischen den Süd- und Nordstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika.

Ottawa ist jedoch als Grenzfall zu betrachten, da schon am selben Ort

eine kleine Siedlung bestand, bevor die Hauptstadt an diesen Teil des

Staates verlegt wurde.162

Große Ähnlichkeit zeigt jedoch die Anlegung der Hauptstadt Canberra in

Australien, die einen Kompromiss zwischen den Zentren Melbourne und

Sydney schaffen sollte. Die Gründung Canberras zu Beginn des 20.

Jahrhunderts steht ganz in der Tradition Washingtons.

In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde Brasilia, zum Teil ein

künstlerisches Produkt, und als solches, auch zum nationalen Symbol.

Brasilia erschuf einen weiterentwickelten Typus der Hauptstadt, die

162 Vgl. Udo SAUTTER, Geschichte Kanadas, München, 2000, S.63f.

64

vorranging der Regierbarkeit des riesigen Landes dienen sollte, jedoch

auch noch die Grundideen Washington, D.Cs. verkörperte.

Bedeutend stärker von Brasilia beeinflusst zeigen sich dann die jüngsten

Planhauptstädte. Islamabad, Abuja und Naypyidaw forcier(t)en vor allem

das Machtkalkül eines Herrschaftssystems und zeigen sich aber trotzdem

in einer Tradition der post-kolonialen Hauptstadtgründungen.

Abschließend soll nun noch eine Möglichkeit der komparativen

Hauptstadtforschung dargeboten werden, um einen Ausblick zu

ermöglichen, inwiefern diese Thematik noch weiter vertieft und auf einen

breiteren Sockel gestellt werden kann.

Für eine genauere Betrachtung ist die Thematik der Hauptstadt soweit zu

globalisieren, dass sich drei verschiedene Typen von Hauptstädten, zum

Beispiel an Hand einer Betrachtung von abermals Washington, D.C., als

Beispiel für eine Planhauptstadt, von Berlin als jüngstes Beispiel einer

Hauptstadtwerdung und London als Beispiel einer gewachsenen

Hauptstadt, herauskristallisieren.

Der denkbare Untersuchungszeitraum wäre für Washington, D.C. ganz

ähnlich, wie in der vorliegenden Arbeit, seit dem Planungsbeginn im

auslaufenden 18. Jahrhundert bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, zur

Fertigstellung des Capitols anzusetzen. Als Zeitraum für Berlin würde sich

die Gegenwart und jüngste Zeitgeschichte, seit dem Beginn der

Hauptstadtdebatte am Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts bis

heute, empfehlen. Die Untersuchung zu London würde sich auf die Mitte

des 17. Jahrhunderts beschränken, nach dem Großen Brand 1666 und

um die Wiederaufbaupläne von Sir Christopher Wren.

Die Archetypen dieser Städte, könnte dann auf das unterliegende Schema

übertragen werden und so Auskunft über die Genese des Phänomens

Hauptstadt geben.

Im Ganzen soll so eine neue Theorie zur Hauptstadt entstehen, die auch

historisch zu bearbeiten ist und sich nicht ausschließlich auf die

65

Gegenwart beschränken. Gleichzeitig müssen die Prozesse aufgezeigt

werden, die hinter einer Hauptstadt stecken.

Es bietet sich an, die oben genannten Fragestellungen noch einmal einer

genaueren Betrachtung zu unterziehen, um abschließender Auskunft

geben zu können.

Die Thematik ‚Hauptstadt’ war bisher ein vernachlässigtes

Untersuchungsfeld der Geschichtswissenschaft und wurde vollkommen

den benachbarten Disziplinen überlassen, wenn es sich nicht um dezidiert

historische Problemfelder handelte.

Meine Theorie zur Genese der Hauptstadt, soll der

Geschichtswissenschaft die Deutungshoheit zurückgeben und sie aus

dem Status der mangelhaft ausgeführten Hilfswissenschaft in der

Urbanistik herauslösen und gleichzeitig auch im Allgemeinen für Themen

öffnen, die auch in der Gegenwart von hoher Relevanz sind.

66

6. Bibliographie

6.1. Quellen

ANDREW ELLICOTT, Plan of the city of Washington in the territory of Columbia!: ceded by the states of Virginia and Maryland to the United States of America, and by them established as the seat of their government after the year MDCCC, Library of Congress Geography and Map Division Washington, D.C. 20540-4650 USA dcu, G3850 1792 .E4.

LATROBE, Benjamin Henry, [United States Capitol, Washington, D.C. Perspective from the northeast], London!: Published at R. Ackermann’s Repository of Arts, 101 Strand, 1825, Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D.C., 1806.

L’ENFANT, PIERRE CHARLES, Plan of the city intended for the permanent seat of the government of t[he] United States!: projected agreeable to the direction of the President of the United States, in pursuance of an act of Congress, passed on the sixteenth day of July, MDCCXC, „establishing the permanent seat on the bank of the Potowmac“, Library of Congress Geography and Map Division Washington, D.C. 20540-4650 USA dcu, G3850 1791 .L41 1991.

THORNTON, William, [U.S. Capitol, Washington, D.C. East elevation, low dome] ADE - UNIT 2470, no. 4, Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D.C., 1793.

TINDALL, William, Naming the Seat of Government of the United States: A Legislative Paradox, in: Records of the Columbia Historical Society, Washington, D.C., 23 (1920).

WILLIAM MACLAY, Diary: William Maclay Papers, Washington D.C., Manuscript Division, Library of Congress (081.02.00) [Digital ID # us0081_02], 1789.

Text of S. 1322 (104th): Jerusalem Embassy Act of 1995 (Referred to House Committee version), unter: GovTrack.us, < https://www.govtrack.us/congress/bills/104/s1322/text >, (1.4.2015).

Act of July 16, 1790 (D.C. Residency Act), 1 STAT 130, which established the District of Columbia as the seat of government., 07/16/1790 - 07/16/1790, Department of State, Enrolled Acts and Resolutions of Congress, compiled 1789 - 2011.

THORNTON, William, [U.S. Capitol, Washington, D.C. East elevation, low dome] ADE - UNIT 2470, no. 4, Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D.C., 1793.

67

6.2. Forschungsliteratur

ALLEN, William C., History of the United States Capitol: A Chronicle of Design, Construction, and Politics, Washington D.C., 2001.

ANDRÉ HOLENSTEIN, Das Bundehaus als Nationaldenkmal der Bundesstadt Bern, Bern, Im Herzen der Macht?: Hauptstädte und ihre Funktion!: Referate einer Vorlesungsreihe des Collegium generale der Universität Bern im Frühjahrssemester 2012, Bern, 2013.

ANDREW ELLICOTT, Plan of the city of Washington in the territory of Columbia!: ceded by the states of Virginia and Maryland to the United States of America, and by them established as the seat of their government after the year MDCCC, Library of Congress Geography and Map Division Washington, D.C. 20540-4650 USA dcu, G3850 1792 .E4.

ANETTE VÖLKER-RASOR [HRSG, Frühe Neuzeit, 2. Aufl., München, 2006.

BERGER, Peter Ludwig & LUCKMANN, Thomas, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit: eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt a. M, (Conditio humana), 1969.

BERG, Manfred, Geschichte der USA, München, (Oldenbourg Grundriss der Geschichte. - München!: Oldenbourg, 1980-, Bd. 42), 2013.

BERG, Scott W., Grand Avenues: The Story of Pierre Charles L’Enfant, the French Visionary Who Designed Washington, New York, 2009.

BOOCKMANN, Hartmut, Mittelalterliche deutsche Hauptsätdte, in: Hauptstadt -Perspektiven eines deutschen Themas, hrsg. von Hans-Michael KÖRNER/Katharina WEIGAND, München, 1995.

CALDER, Kent E., Asia in Washington: Exploring the Penumbra of Transnational Power, Washington D.C., 2014.

CURRIE, David P., The Constitution of the United States: A Primer for the People, New York, 2000.

ECO, Umberto, Einführung in die Semiotik, München, (Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste!: Texte und Abhandlungen. - Paderborn!: Fink, 1963-, Bd. 32), 1972.

ELKINS, Stanley & MCKITRICK, Eric, The Age of Federalism: The Early American Republic, 1788-1800, London, 1995.

ENGEL, Evamaria & OSTMITTELEUROPAS.", Forschungsschwerpunkt "Geschichte und Kultur, Metropolen im Wandel: Zentralität in Ostmitteleuropa an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, Berlin, 1995.

68

FIELD, Cynthia R., GOURNAY, Isabelle & SOMMA, Thomas P., Paris on the Potomac: The French Influence on the Architecture and Art of Washington, 2013.

FINKELMAN, Paul/KENNON, Donald R./CROTHER, A. Glenn (Hgg.), The 1846 Retrocession of Alexandria, in: In the Shadow of Freedom: The Politics of Slavery in the National Capital, hrsg. von Paul FINKELMAN/Donald R. KENNON/A. Glenn CROTHER, Ohio University Press, 2011.

FRÖHLICH, Grit, Umberto Eco: Philosophie - Ästhetik - Semiotik, München, 2009.

GAMPP, Axel, Rom zwischen Tivoli und Washington. Die Visualisierung des antiken Rom in der Frühen Neuzeit., in: Das antike Rom und sein Bild, hrsg. von Hans-Ulrich CAIN/Annette HAUG/Yadegar ASISI, Berlin, 2011.

GIORDANO, Ralph G., The Architectural Ideology of Thomas Jefferson, Jefferson,NC, 2012.

GOERTZ, Hans-Jürgen, Unsichere Geschichte: zur Theorie historischer Referentialität, Stuttgart, (Reclams Universal-Bibliothek. - Stuttgart!: Reclam, 1867-, Bd. 17035), 2001.

GOODE, James M., Washington sculpture: a cultural history of outdoor sculpture in the nation’s capital, Baltimore, Md., 2008.

GOTTSCHALL, Walter, Politische Architektur: begriffliche Bausteine zur soziologischen Analyse der Architektur des Staates, Bern [u.a.], ([Europäische Hochschulschriften / 37] Europäische Hochschulschriften. - Bern!: Lang, 1981-, Bd. 5), 1987.

GRABNER-HAIDER, Anton, MAIER, Johann & PRENNER, Karl, Kulturgeschichte des späten Mittelalters: von 1200 bis 1500 n. Chr., Göttingen [u.a.], 2012.

GROßE-HÜTTMANN, Martin, Bundesrepublik Deutschland - Der unitarische Republikanismus wird vielfältiger, in: Regional Governance in EU-Staaten, hrsg. von Jürgen DIERINGER/Roland STURM, Leverkusen und Berlin, 2010.

GUTHEIM, Frederick Albert & LEE, Antoinette Josephine, Worthy of the nation: Washington, DC, from L’Enfant to the National Capital Planning Commission, 2. Aufl., Baltimore, Md., 2006.

HABIT, Daniel, Die Inszenierung Europas?!: Kulturhauptstädte zwischen EU-Europäisierung, Cultural Governance und lokalen Eigenlogiken / Daniel Habit, Münster, 2011.

HALL, Peter, Seven Types of Capital City, in: Planning twentieth century capital cities, hrsg. von David Laird Ashton GORDON, London [u.a.], Planning, history and environment series, 2006.

69

HALL, Peter, The Changing Role of Capital Cities: Six Types of Capital City, in: Capital Cities: Perspectives International/Les Capitales!: Internationales Perspectives, hrsg. von John TAYLOR/Jean G. LENGELLE/Caroline ANDREW, Montreal, 1993, S. 69–84.

HARBAUGH, Marjorie Warvelle, The first forty years of Washington DC architecture, Raleigh, 2013.

HERTEL, WOLFRAM, Formen des Föderalismus. Die Beispiele der USA, Deutschlands und Europas, in: Europäischer Föderalismus: supranationaler, subnationaler und multiethnischer Föderalismus in Europa, hrsg. von Wolfgang VITZTHUM, Berlin, (Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht!: TSSV. - Berlin!: Duncker & Humblot, 1989-, Bd. 57), 2000.

HOBSBAWM, E. J., Nations and Nationalism Since 1780: Programme, Myth, Reality, London, 2012.

H. WALTER SCHMITZ/TATJANA PAWLOWSKI (Hgg.), 30 Jahre „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“!: Gespräch mit Thomas Luckmann, Aachen, 2003.

JACQUES LE GOFF, Die Geburt Europas im Mittelalter. L’ Europe est-elle née au Moyen Age? <dt.>, München, 2004.

KIMMICH, Dorothee (Hrsg.), Texte zur Literaturtheorie der Gegenwart, Stuttgart, (Reclams Universal-Bibliothek. - Stuttgart!: Reclam, 1867-, Bd. 9414), 1997.

KIRSCH, Jens, Hauptstadt: zum Wesen und Wandel eines nationalen Symbols, Münster, (Geographie. - Wien!: LIT-Verl., 1989-, Bd. 18), 2005.

KNITTLER, Herbert, Die europäische Stadt in der frühen Neuzeit: Institutionen, Strukturen, Entwicklungen, Wien, (Querschnitte!: Einführungstexte zur Sozial-, Wirtschafts-, und Kulturgeschichte. - Innsbruck!: Studien-Verl, 1999-, Bd. 4), 2000.

KORNWOLF, James D & KORNWOLF, Georgiana Wallis, Architecture and town planning in colonial North America, Baltimore, 2002.

KRONENBERG, Volker, Patriotismus in Deutschland: Perspektiven für eine weltoffene Nation, Wiesbaden, 2012.

KRÜGER, Paul-Anton, Ägyptens neue Hauptstadt - Flucht aus Kairo, unter: sueddeutsche.de, < http://www.sueddeutsche.de/politik/aegyptens-neue-hauptstadt-flucht-aus-kairo-1.2394108 >, (19.3.2015).

LANTOS, James, U. S. Capitol (Pictorial America), Carlisle, 2010.

70

LATROBE, Benjamin Henry, [United States Capitol, Washington, D.C. Perspective from the northeast], London!: Published at R. Ackermann’s Repository of Arts, 101 Strand, 1825, Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D.C., 1806.

L’ENFANT, PIERRE CHARLES, Plan of the city intended for the permanent seat of the government of t[he] United States!: projected agreeable to the direction of the President of the United States, in pursuance of an act of Congress, passed on the sixteenth day of July, MDCCXC, „establishing the permanent seat on the bank of the Potowmac“, Library of Congress Geography and Map Division Washington, D.C. 20540-4650 USA dcu, G3850 1791 .L41 1991.

LEONARDO BENEVOLO, Die Geschichte der Stadt. Storia della città <dt.>, 7. Aufl., Frankfurt u.a., 1993.

NOVÁK, Mirko, Herrschaftsform und Stadtbaukunst: Programmatik im mesopotamischen Residenzstadtbau von Agade bis Surra man raʼā, Wiesbaden, 1999.

O.A., Kairo: Ägypten will neue Hauptstadt bauen, unter: Die Zeit, < http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-03/kairo-aegypten-neue-hauptstadt >, (18.3.2015).

OSTERHAMMEL, Jürgen & PETERSSON, Niels P., Geschichte der Globalisierung: Dimensionen, Prozesse, Epochen, München, (Beck’sche Reihe!: BsR. - München!: Beck, 1987-, Bd. 2320), 2003.

PERNAU, Margrit, Transnationale Geschichte, Göttingen [u.a.], (UTB. - [Wechselnde Verlagsorte und Verleger], 1971-, Bd. 3535), 2011.

REPS, John William, The Making of Urban America: A History of City Planning in the United States, New Jersey, 1965.

RICHARD, Carl J., Greeks & Romans Bearing Gifts: How the Ancients Inspired the Founding Fathers, Plymouth, 2009.

RICHARD, Carl J., The Founders and the Classics: Greece, Rome, and the American Enlightenment, 1995.

SASSEN, Saskia (Hrsg.), Global networks, linked cities, New York, NY [u.a.], 2002.

SAUTTER, Udo, Geschichte Kanadas, München, 2000.

SLACK, Naomi E./CHATTOPADHYAY, Rupak (Hgg.), Finance and governance of capital cities in federal systems, Montreal [u.a.], (Thematic issues in federalism. - Montreal [u.a.]!: McGill-Queen’s Univ. Press, 2009-, Bd. 1), 2009.

71

SYDOW, Christoph, Ägyptens neue Hauptstadt: Sisis Luftschlösser, unter: Spiegel Online, < http://www.spiegel.de/politik/ausland/aegypten-sisis-plaene-fuer-eine-neue-hauptstadt-sind-riskant-a-1023870.html >, (19.3.2015).

THE NEW YORK TIMES, Built to Order: Myanmar’s New Capital Isolates and Insulates Junta, unter: The New York Times, < http://www.nytimes.com/2008/06/24/world/asia/24myanmar-sub.html >, (1.4.2015).

THOMAS, Jefferson, The Works of Thomas Jefferson Volume 6, 1904.

TINDALL, William, Naming the Seat of Government of the United States: A Legislative Paradox, in: Records of the Columbia Historical Society, Washington, D.C., 23 (1920).

WARNKE, Martin (Hrsg.), Politische Kunst: Gebärden und Gebaren, Berlin, (Hamburger Forschungen zur Kunstgeschichte, Bd. 3), 2004.

WARNKE, Martin, Politische Architektur in Europa vom Mittelalter bis heute: Repräsentation u. Gemeinschaft, Köln, (DuMont-Taschenbücher!; 143), 1984.

WEHDE, Susanne, Typographische Kultur: eine zeichentheoretische und kulturgeschichtliche Studie zur Typographie und ihrer Entwicklung, Tübingen, (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur. - Berlin!: De Gruyter, 1981-, Bd. 69), 2000.

WELLENREUTHER, Hermann & ETC., Niedergang und Aufstieg Geschichte Nordamerikas vom Beginn der Besiedlung bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts, Berlin u.a., Geschichte Nordamerikas in atlantischer Perspektive von den Anfängen bis zur Gegenwart., 2000.

WHITE, Hayden V., Metahistory: die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa, Frankfurt am Main, 1991.

WILLIAM MACLAY, Diary: William Maclay Papers, Washington D.C., Manuscript Division, Library of Congress (081.02.00) [Digital ID # us0081_02], 1789.

WILSON, Richard Guy, Thomas Jefferson’s Classical Architecture: An American Agenda, in: Thomas Jefferson, the Classical World, and Early America, hrsg. von Peter S. ONUF/Nicholas P. COLE, 2011, S. 99–128.

YANG, Jiawen, Spatial Planning in Asia: Planning and Developing Megacities and Megaregions, in: Megaregions: Planning for Global Competitiveness, hrsg. von Catherine ROSS, Washington D.C., 2012.

72

ZANDT, Franklin K. Van, Boundaries of the United States and the several States: with miscellaneous geographic information concerning areas, altitudes, and geographic centers, Washington D.C., 1976.

ZINN, Howard, A people’s history of the United States: 1492 - present, New York, 2003.

Text of S. 1322 (104th): Jerusalem Embassy Act of 1995 (Referred to House Committee version), unter: GovTrack.us, < https://www.govtrack.us/congress/bills/104/s1322/text >, (1.4.2015).

Act of July 16, 1790 (D.C. Residency Act), 1 STAT 130, which established the District of Columbia as the seat of government., 07/16/1790 - 07/16/1790, Department of State, Enrolled Acts and Resolutions of Congress, compiled 1789 - 2011.

73

7. Anhang

Anlage 1

Quelle: L’ENFANT, PIERRE CHARLES, Plan of the city intended for the permanent seat of the government of t[he] United States!: projected agreeable to the direction of the President of the United States, in pursuance of an act of Congress, passed on the sixteenth day of July, MDCCXC, „establishing the permanent seat on the bank of the Potowmac“, Library of Congress Geography and Map Division Washington, D.C. 20540-4650 USA dcu, G3850 1791 .L41 1991.

74

Anlage 2

Quelle: ANDREW ELLICOTT, Plan of the city of Washington in the territory of Columbia!: ceded by the states of Virginia and Maryland to the United States of America, and by them established as the seat of their government after the year MDCCC, Library of Congress Geography and Map Division Washington, D.C. 20540-4650 USA dcu, G3850 1792 E4.

75

Anlage 3

Quelle: THORNTON, William, [U.S. Capitol, Washington, D.C. East elevation, low dome] ADE - UNIT 2470, no. 4, Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D.C., 1793.

76

Anlage 4

Quelle: LATROBE, Benjamin Henry, [United States Capitol, Washington, D.C. Perspective from the northeast], London!: Published at R. Ackermann’s Repository of Arts, 101 Strand, 1825, Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D.C., 1806.

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die beiliegende Seminar-/Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Seminar-/Diplomarbeit hat keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen.

Ort, Datum Unterschrift