Zur Geschichte des Klosters, in: Der Klosterhof und die Kirche St. Marien in Bergen auf Rügen,...
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Geschichte
O S T S E E
HerrschaftMecklenburg
MarkgrafschaftBrandenburg
HerzogtumPommern
FürstentumRügen
GrafschaftGützkow
Abriss der Geschichte des Klosters -
von Dr. Sven Wichert
Nach der Eroberung der Tempelburg Arkona und der Kapitu-
lation des rügenschen Adels vor dem dänisch-pommerschen
Heer im Jahr 1168 wurde die einheimische slavische Bevöl-
kerung systematisch christianisiert. Dabei zeichnete sich
auch der regierende Rügenfürst Jaromar aus, in dem die
Zeitgenossen einen zweiten Paulus erblickten, der „das rohe
und in tierischer Wildheit wütende Volk teils durch emsiges
Predigen, teils aber auch durch Drohungen von der angebo-
renen Rohheit zu der ein neues Leben bringenden Religion
bekehrte.“, wie der Bosauer Priester Helmold in seiner Sla-
venchronik schrieb. Ein Vierteljahrhundert nach dem Fall des
heidnischen Hauptheiligtums bewidmete der so hochgelob-
te Jaromar im Jahr 1193 ein neues, ein christliches Heilig-
tum, das Kloster in Bergen. Die darüber ausgestellte Urkunde
ist nicht mehr erhalten, Kenntnis über den Inhalt bringt eine
Abschrift in der Bergener Klostermatrikel aus dem 14. Jahr-
hundert. Dies war nicht nur die erste Urkunde für das Klos-
ter, sondern stellt auch die erste schriftliche Äußerung eines
Rügenslaven dar. Es liegt in der Natur der Sache, dass Jaro-
mar den Text nicht selbst geschrieben hat und weite Teile
den üblichen Strukturen und Formulierungen einer mittelal-
terlichen Urkunde folgen. Gleichwohl blieb traditionell in
der Einleitungspassage genügend Raum für eine ganz indi-
viduelle Note. In Referenz gegenüber J. J. Grümbke, der sich
als erster gründlich mit der Klostergeschichte befasste, hier
die entsprechenden Textstellen nach seiner Übersetzung von
1833: „Durch des allmächtigen Gottes Barmherzigkeit sind
Wir dem Götzendienst, dem Unsere Voreltern unglücklicher
Weise anhingen, entrissen, zum wahren katholischen Glau-
ben gebracht und zu den Segnungen seiner Gnade gelangt;
mit so vielen Gaben beschenkt wollen Wir Uns nicht un-
dankbar zeigen, sondern, in Gemäßheit der von ihm Uns zu
Theil gewordenen Gütern seinen Wolthaten nach Unsern
Kräften bestmöglich zu entsprechen suchen.“ Jaromar hält
Rückschau auf das in diesem Zusammenhang entscheidende
Ereignis der eigenen Christianisierung und bewertet es posi-
tiv. Er sieht sich dabei in einer durchgehend passiven Rolle,
er „wurde entrissen“ und er „wurde gebracht“, und zwar
„durch Gottes Barmherzigkeit“, die sich, und das wird hier
nicht angesprochen, der Pommern und Dänen als Werkzeuge
bedient hat. Jaromar kontrastiert sein Glück mit dem Un-
glück seiner Eltern, ohne aber über ein allgemeines Bedau-
ern hinauszugehen. Es fällt auf, dass seine genealogische
Rückschau nur seine direkten Vorfahren einschließt und
dass er an dieser Stelle die Gelegenheit verstreichen lässt,
Gottes Barmherzigkeit auch für seine unglücklichen Eltern
zu erflehen. Das korrespondiert jedoch mit der von Jaromar
gelieferten Begründung für seine Aktivitäten, die er aus dem
Status eines mit Geschenken überhäuften Empfängers ab-
leitet, wie die sich unmittelbar anschließende Textpassage
zeigt: „Weil wir dem zufolge die Achtung seines heiligen
Namens weiter zu verbreiten und zu dessen Verehrung recht
viele herbeizurufen trachten, so haben Wir auf Unserm eige-
nen Grundstück eine Kirche von Ziegelsteinen erbauet und
solche durch die Hände des ehrwürdigen und gottseeligen
Bischofs Peter der ruhmvollen Jungfrau Maria geweihet.“ An
diesem Punkt vermeidet es Jaromar noch, auch nur andeu-
tungsweise die Hoffnung auszusprechen, mit seinen guten
Taten die von ihm oder von anderen begangenen Sünden zu
heilen und so für sein Seelenheil zu sorgen. An späterer
Stelle wird er es tun, aber hier findet sich kein Wort des
Bedauerns, der Reue, der Zerknirschung. Hier agiert ein
glücklicher Fürst machtvoll und machtbewusst, der auf ei-
genem Grund eine Kirche baut und weiht und sich dazu des
Bischofs als Werkzeug bedient: Wir haben die Kirche gebaut,
wir haben die Kirche geweiht. „Damit nun dieselbe nicht
ohne würdige Verehrung zum Preise dieser hochgelobten
Jungfrau bleiben möge, so haben Wir beschlossen, von der
Kirche eben dieser Jungfrau zu Roskilde Nonnen aufzuneh-
Abriss der Geschichte des Klosters
1 - Rügen war ein Fürstentum, das sich nicht nur auf die Insel beschränkte. Um 1200
waren die Grenzen noch nicht überall gesichert, die Karte zeigt den Zustand im
14. Jahrhundert.
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Geschichte
Hiddensee 1530Eldena 1530Bergen Zuwachs 1530Bergen Zuwachs 1250Bergen 1193
KlosterBergen
men, welche deren rühmlich fruchtbare Jungfrauschaft all-
da immerfort lobpreisen sollen.“ Diese Meldung berührt die
liebgewonnene Frage, wann die aus Dänemark nach Bergen
kommenden Benediktinerinnen Zisterzienserinnen gewor-
den waren. Unter Berufung auf eine Schutzurkunde von
Papst Innozenz IV. aus dem Jahr 1250 wurde der Zeitraum
„um 1250“ in die Diskussion eingeführt. In der Tat nimmt der
Papst in dieser Urkunde auf die Befolgung der Zisterzienser-
regeln durch die Bergener Nonnen Bezug, „die sie schon vor
dem Generalkonzil angenommen haben“. Unter diesem Kon-
zil kann man das von 1245 in Lyon oder, mit größerer Wahr-
scheinlichkeit, jenes von 1215, dem 4. Laterankonzil, verste-
hen. Die letzte Äußerung von Gewicht in dieser Frage
verweist darauf, dass sich die Benediktinerinnen des Mari-
enklosters in Roskilde schon seit ungefähr 1176 nach den
Geboten der Zisterzienser gerichtet hatten, von einem spä-
teren Übertritt der Bergener Nonnen also gar nicht gespro-
chen werden kann. Für diese Meinung spricht auch das Pa-
tronat der Jungfrau Maria, der Schutzheiligen des
Zisterzienserordens. Damit wäre das Problem eigentlich ge-
löst, es ist allerdings ein wenig vertrackter. Einmal ist zur
Kenntnis zu nehmen, dass auch die Zisterzienser sich nach
der Regel des Hl. Benedikt richteten, ein Übertritt damit gar
nicht erfolgen kann. Dies hat übrigens Papst Innozenz IV.
berücksichtigt, als er den Nonnen in seiner Schutzurkunde
attestierte, dass sie gemäß „der Regel des Hl. Benedikt und
den Institutionen der Zisterzienserbrüder“ leben würden.
Zum anderen war es den Frauen freigestellt, nach welchen
Vorschriften sie ihr Leben organisierten, solange es die An-
erkennung des zuständigen Bischofs fand. Die Befolgung
eines zisterziensischen Lebenswandels führt aber noch lan-
ge nicht zu einer Aufnahme in diesen Orden. Es ist daher die
Frage, seit wann die Bergener Nonnen im zisterziensischen
Sinne lebten, von der Frage zu unterscheiden, seit wann das
Kloster Bergen zum Zisterzienserorden gehörte. Die Zisterzi-
enser haben sich beharrlich gegen die Aufnahme von Non-
nenklöstern in ihren Orden gewehrt und selbst den diesbe-
züglichen päpstlichen Aufforderungen, Mahnungen und
Weisungen hinhaltenden Widerstand geleistet. Schließlich
fügten sie sich dem päpstlichen Willen unter der Bedingung,
dass sie zu einem Ausschluss renitenter Nonnenklöster be-
rechtigt seien. Seit wann gehörte Bergen nun dem Zisterzi-
enserorden an? Eine vorschnelle Beantwortung dieser Frage
verbietet sich angesichts der verwickelten Lage, die durch
das warnende Beispiel des Klosters Trebnitz noch kompli-
zierter erscheint: Das schlesische Nonnenkloster Trebnitz
gehört zu den insgesamt vier (!) im Zeitraum von 1213 bis
1220 nachweisbaren Inkorporationen, so die korrekte Be-
zeichnung für den rechtlichen Vorgang der Aufnahme in ei-
nen Orden. 1203 spricht der Bischof davon, dass das 1202
gegründete Kloster für den Zisterzienserorden gedacht war,
1205 unterstellt es Papst Innozenz III. den Zisterziensern
von Leubus, 1216 bestätigt derselbe Papst, dass die klöster-
liche Ordnung gemäß „der Regel des Hl. Benedikt und den
Institutionen der Zisterzienserbrüder“ sei – es ist dies die
identische Formulierung, die für die Bergener Nonnen durch
Innozenz IV. 1250 gebraucht wurde. Tatsächlich wurde
Trebnitz aber erst 1218 in den Orden inkorporiert! Das be-
deutet für Bergen, dass selbst mit der päpstlichen Schutzur-
kunde von 1250 und ihrer so scheinbar eindeutigen Formu-
lierung in dieser Frage nichts gewonnen ist. Ein schriftlicher
Beleg für die Inkorporierung Bergens in den Orden ist nicht
vorhanden. Auch die Selbst- oder Fremdbenennungen als
Mitglied des Zisterzienserordens, wie sie in späteren Urkun-
den regelmäßig auftauchen, sagen über den wirklichen
rechtlichen Status nichts aus. Und dass die Vorsteherin des
Bergener Konventes wie bei den Benediktinern regelmäßig
Abriss der Geschichte des Klosters
2 - Der Besitz des Klosters Bergen war nicht geschlossen, sondern lag über die Insel
Rügen verteilt. Daneben verfügten auch die anderen Zisterzienserklöster Eldena
und Hiddensee über umfangreiche Besitzungen auf Rügen. Seit dem 13. Jahrhun-
dert verfügte das bei Greifswald gelegene Kloster Eldena über den südöstlichen
Teil der Insel, der deshalb Mönchgut genannt wurde.
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Geschichte
eine Priorin war, während die Ziserzienserinnenklöster übli-
cherweise von Äbtissinnen geleitet wurden, lässt die Waag-
schale nicht eben zu Gunsten einer Inkorporation im Zister-
zienserorden sinken. Ein wirklich überzeugendes Indiz für
die Ordensangehörigkeit der Bergener Nonnen kann die Zu-
ständigkeit für die Aufsicht über das Kloster sein. Der Zister-
zienserorden hatte sich vor allem deswegen gegen eine
Aufnahme von Frauenkonventen gewehrt, weil die Mönche
sonst zwangsläufig für die innere Zucht und Ordnung sowie
für die geistliche Betreuung Sorge zu tragen hätten. Dazu
hätten die Zisterzienserklöster aber Mönche, Männer, in die
Nonnenklöster zu den Frauen delegieren müssen. Es spricht
nicht eben für einen gefestigten Status als asketischer
Mönch, wenn das die Hauptsorge war, aber es spricht für
einen lebensnahen Realismus. Nun ist bekannt, dass das
Zisterzienserkloster Eldena die Aufsicht über das Kloster
Bergen führte. Der erste belastbare Beleg stammt allerdings
erst aus dem Jahr 1306, als der Eldenaer Abt Heinrich seine
Zustimmung gab, dass der Ritter Pritbur von Vilmenitz sei-
ner als Nonne des Klosters Bergen eingekleideten Tochter
Sophie den lebenslänglichen Genuss von 10 Mark aus 4
Hakenhufen in Cyzeradicz schenkte. Für die Zeit davor las-
sen sich keine Beweise erbringen, was durchaus damit zu
tun haben dürfte, dass ein Großteil der Originalurkunden bis
auf einen Restbestand von lediglich 30 Stück vernichtet ist.
In der Bewidmungsurkunde aus dem Jahr 1193 ist von einer
Beteiligung Eldenaer Mönche jedenfalls keine Rede. Das
kann gut damit begründet werden, dass die Eldenaer um
diese Zeit herum ihr ursprüngliches Kloster Dargun wegen
der unendlichen Kriegszüge aufgegeben und sich an die Ufer
des Greifswalder Boddens geflüchtet hatten. Somit bleibt als
Bilanz festzuhalten: Die Nonnen aus Roskilde werden auch
in ihrer neuen Heimat Bergen nach den Gewohnheiten der
Zisterzienser gelebt haben, die Inkorporation in den Orden
allerdings fand zu einem späteren, unbekannten Zeitpunkt
vor 1306 statt.
„Zu ihrem notwendigen Gebrauch haben Wir dieselben“,
fährt der Text in der Urkunde von 1193 fort, „mit fünf
Landwirtschaftswesen und Gütern und zwar in der Hinsicht
bewidmet, dass sie ehrerbietig gegen Gott und die heilige
Mutter unsers Herrn und Erlösers sich bezeigen und deren
Gnade Uns fleißig erbittend es dahin bringen, dass der
Herr, durch ihre Gebete versöhnt, Uns sowohl Vergebung
der Sünden, als auch die Herrlichkeit des ewigen Lebens
zu Theil werden lasse.“ Hier nun findet sich die schon oben
angekündigte Passage über die von Jaromar erhoffte Sün-
denvergebung und die Erlangung des Seelenheils. Das ist
das entscheidende, ganz private Motiv für all die Aktivitäten
des Rügenfürsten. Bemerkenswert ist aber, dass er dieses
nicht durch seine eigene gute Tat zu erlangen hoffte, son-
dern sein eigenes Wirken lediglich als eine Voraussetzung
ansah. Entscheidend ist der fromme Lebenswandel und das
Gebet der Nonnen. Grümbke hat die Anzahl der Landwirt-
schaftsbetriebe mit „fünf“ angegeben, während Fabricius
kurz nach ihm und Conrad im überarbeiteten ersten Band
des Pommerschen Urkundenbuches von 1970 plures, „viele“
Abriss der Geschichte des Klosters
3 - Die Umzeichnung der Grabplatte zeigt die Äbtissin Elisabeth. Sie ist zuerst 1460
nachweisbar und regierte das Kloster Bergen bis zu ihrem Tode am 7. April 1473.
Aufgrund ihrer Herkunft aus dem pommerschen Herzoghaus führte sie den Titel
einer Äbtissin und war mit dem Bischofsstab versehen. Vor ihr genoss nur noch
die pommersche Prinzessin Anna, 1388 erwähnt, dasselbe Vorrecht. Ansonsten
wurde das Kloster durch eine Priorin geführt, der ein Senat, die sogenannten
Olderfruwen, zur Seite stand. Die Grabplatte Elisabeths hatte seinen ursprüngli-
chen Platz vor dem Altar und wurde 1896 in der Westhalle aufgestellt.
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Geschichte
gelesen haben. Viele Güter waren es aber nicht, die Jaromar
den Nonnen geschenkt hatte, auf der Insel Rügen waren
es gerade mal fünf: Gargolizi, Charua, Segozsti, Szabroda
und ein unbenanntes Gut auf Wittow, jeweils mit Äckern,
Wiesen, Ländereien und den Bauern. Dazu kamen die Dör-
fer Mylziz, das spätere Nonnendorf nahe Wolgast, und ein
benachbartes Dorf ohne Namen, ebenfalls inklusive der dort
ansässigen Bauern. Gewichtiger waren die anderen Einkünf-
te, der Scheffel Getreide und der eine Pfennig von jedem
Pflug aus den Landschaften Rügen, Wusterhusen, Buckow
auf Usedom, Meseritz an der Peene, Gützkow, Ziethen,
Triebsees, Barth und Loitz. Von Rügen wurden zusätzlich
eine Wagenladung Holz, ein halbes Fuder Heu, zwei Bündel
Hafer und fünf Eier eingefordert. Personen, die nicht in der
Landwirtschaft tätig waren, entrichteten zwei Pfennige.
Mit den aufgelisteten Landschaften sind die Gebiete auf
dem Festland umschrieben, auf die Jaromar neben der Insel
Rügen Ansprüche erhob. Nicht alle ließen sich auf Dauer
gegen die pommerschen Rivalen halten, und so gingen
auch die Einkünfte des Klosters mit den sich wandelnden
Grenzen zurück. Einen Ausgleich erhielten die Nonnen durch
Erwerbungen auf der Insel. Der Zuwachs lässt sich an der
päpstlichen Schutzurkunde von 1250 ablesen. Dann stockte
die Erweiterung des Landbesitzes für den Zeitraum von rund
100 Jahren, ehe ab der Mitte des 14. Jahrhunderts und in-
tensiver noch im darauf folgenden Saeculum die Erwerbun-
gen ganzer Dörfer auffällig zunehmen.
Von ausschlaggebender Bedeutung war die Entwicklung in
direkter Nachbarschaft zu den Klostermauern. Der mächtige
Burgwall des Rugard, die zeitweilige Residenz der Rügen-
fürsten, und das Kloster bildeten die Klammer, zwischen
der sich eine Ansiedlung entwickelte, die 1314 das erste
Mal unter der schlichten Bezeichnung villa Montis, „Dorf
auf den Bergen“, genannt wird. Das Dorf mutierte zu ei-
nem Flecken, in dem neben den reinen Ackerleuten auch
Handwerker ihrer Arbeit nachgingen, die alle dem Kloster
zu Zins und Dienst verpflichtet waren. Mit zunehmender
Bevölkerungszahl war es für das Kloster bequemer, Teile
der Verwaltung auszulagern, ohne jedoch auf die Herrschaft
zu verzichten. Dieser Trend wurde mit dem Privileg für die
Schuhmacher von 1355 eingeleitet und 1384 mit dem Pri-
vileg für die Kürschner und Pelzer fortgesetzt. Die örtliche
Gewandschneiderinnung hatte sich 1408 etabliert, 1468
die Leinweber. Dabei lässt der Wortlaut der vom Kloster
ausgereichten Privilegien aufhorchen: Die Handwerker
sollten nämlich Knechte einstellen können, „alse in anderen
stede in recht is.“ Bergen war noch weit entfernt davon, den
Status der „anderen stede“ zu erreichen, aber in dieser For-
mulierung zeigt sich die Bedeutung Bergens als Zentralort
für die Insel. In diese Zeit fällt anscheinend die Nutzung der
Klosterkirche durch die örtliche Gemeinde. Auf der fürstli-
chen Residenz, dem Rugard, existierte eine Kapelle, die wohl
nur für die Burgbesatzung bzw. den Fürsten vorgesehen war.
1291 übertrug sie Wizlav II. dem Kloster Bergen, übrigens
wurde die Urkunde in Stralsund ausgestellt, Bergen spielte
als Residenz keine Rolle mehr. Seitdem wurde diese Kapelle
als Pfarrkirche genutzt, 1306 wird von einer parrochia Ruy-
gard gesprochen. Vor 1380 wurde sie niedergerissen und der
Taufstein in die Klosterkirche verbracht. Dieser Vorgang ist
eine Reaktion auf die zunehmende Bevölkerung und korre-
spondiert sehr schön mit den Privilegierungen für die ver-
schiedenen Handwerkszünfte im gleichen Zeitraum. Damit
änderte sich offenbar auch die Orientierung der Bergener
Bevölkerung, weg von der Gegend um den Rugard hin zum
Kloster. „Der Ort, wo jetzo das Städtlein sich befindet, ist
vormahlen ein Hein-Holtz gewesen“, berichtet Wackenroder
in seinem Werk „Altes und Neues Rügen“. Für die Richtigkeit
dieser Aussage spricht einiges. Es wäre damit Alfred Haas,
nach Grümbke der zweite Gelehrte, der sich intensiv mit der
Geschichte des Klosters und der Stadt Bergen auseinander-
gesetzt hatte, entschieden zu widersprechen, der die 1232
Abriss der Geschichte des Klosters 7
4 - Der Konvent stand unter der Leitung einer Priorin. Beide führten ein eigenes
Siegel. Während sich jede Priorin bei Amtsantritt ein neues Siegel anfertigen
ließ, blieb das Siegel des Konventes lange Zeit dasselbe. Die Umrisszeichnung
zeigt die typische spitzovale Form geistlicher Siegel.4
Geschichte
Ein grot sulverne Marienbilde,
Eine grote Busche van Sulvere vorguldet als ein Viaticum,
Ein sulverne Agnus die vorguldet,
Eine kleine sulverne Hant myt Reliquien,
9 Kelke mit Patenen vorguldet,
Einen sulvernen Lewen averguldet,
Ein holten Crutze aversulvert,
Eine kleine Mustrantze tho Marien Bilde,
Ein sulverne Kleinot, dar dat hilge Blot ingevatet,
Ein sulverne kleine Busche, dar dat Sacramente inne was,
Ein rode ingesprengede vorguldene Kasel,
Eine grove ingesprengede vorguldene Kasel,
Eine blawe damasken Kasel myt 17 vorguldenen Spangen,
Eine rode zammet Kurkappe myt guldenen Lysten,
Eine Kurkappe van vorguldenen Doke,
Eine blawe zammet Kurkappe myt einer Parlenlysten,
Eine Kasel myt 17 vorguldenen Spangen,
Ein sulverne Wirokvat,
10 Schilling an Gelde.
Ein gantz Kum ful Breve aver dat Kloster und ere
Gerechticheit,
Vyff Alven von Lynenwande, de wat gut weren, und der
andern hadden se noch ein gantz Deyl, aver nicht van
Werden.
Item dyt alle hebben de Juncfrowen inventarien laten avers
gewegert wechthonemen,
by ehn sulvest in Vorwaringe beholden.
erwähnte taberna Montis, „den Krug auf den Bergen“ an der
Stelle lokalisieren wollte, wo sich der heutige Ratskeller be-
findet. 1250 bestätigte nämlich Papst Innozenz IV. in seiner
Schutzurkunde für das Kloster an erster Stelle den Besitz des
Ortes, an dem sich das Kloster befindet. Im Zeitraum davor
und danach verfügten die rügenschen Fürsten jedoch frei
über die Einkünfte aus dieser taberna, was schlechterdings
unmöglich gewesen wäre, wenn diese Einrichtung wirklich
in unmittelbarer Nähe des Klosters gestanden hätte. 1309
verkaufte Fürst Wizlav III. seinem Knappen Tetze diesen Krug
mit einer Hufe Land in der Heide, womit ein Hinweis auf den
ursprünglichen Standort gegeben ist.
Die einzelnen Zünfte hielten ihre Versammlungen in der
Kirche ab. Das ist kein ungewöhnliches Verfahren, Kirchen
und die Kirchhöfe wurden allgemein als Versammlungsort
genutzt, dort wurden Geschäfte angebahnt und abgeschlos-
sen. Die Kirche wird seit der Doppelnutzung als Kloster- und
Pfarrkirche eine räumliche Schranke besessen haben, um die
beiden Sphären zu trennen. 1667 wurde ein eisernes Gitter
entfernt, welches den Chorraum inklusive Querhaus, die
sogenannte Jungfrauenkirche, vom Langhaus und dem
Turm, der Gemeindekirche, separierte. 1445 wütete ein
Brand, der „dat kloster tho Bergen vnd alle ehre der kercken
clenodia“ vernichtete. Aus dieser lapidaren Mitteilung aus
einer Stralsunder Chronik lässt sich nicht ablesen, welche
Teile der Klosteranlage in welchem Maße betroffen waren.
35 Jahre später, 1472, erlitt das Kloster einen zweiten Brand,
dem auch eine Nonne zum Opfer fiel. Zu Schaden kam der
Reventer, „dar wol 120 Spanbedde uppe stunden. Und alle er
Gut und Klenode und ene Juncvrowe dat vorbrende altoma-
le“. Nach den notwendigen Reparaturen wurde die Kirche neu
geweiht. Bei der Gelegenheit erweiterte sich das Patrozinium
Abriss der Geschichte des Klosters
6 - Am 4. Juli 1525 wurde durch Gotke v. der Osten und
Wilken v. Platen folgendes Verzeichnis der Kleinodien des
Klosters Bergen aufgestellt. Von den genannten Schät-
zen hat sich nicht viel erhalten. Von dem im Besitz der
Bergener Kirchengemeinde befindlichen romanischen
Kelch wird angenommen, daß es sich um ein Geschenk
Pritbors v. Vilmnitz handelt, der 1306 seine Tochter als
Nonne einkleiden ließ.
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5 - In der von Alfred Haas aufgezeichneten Sage über den Nonnensee ist un-
schwer das Vineta-Motiv wiederzuerkennen. Der Nonnensee wird erstma-
lig 1522 erwähnt, da aber noch nicht unter dem, heute geläufigen Namen,
sondern schlicht als „See, der dem Kloster gehört“. Salz bezog das Kloster
Bergen übrigens zuerst aus einer bei Marlow gelegen Saline, aus der sich
später der Ort Sülz entwickelte. 1289 verkauften die Nonnen ihren Salinen-
anteil an das Kloster Dargun, wobei sie sich aber eine jährliche Lieferung
von zwei Tonnen Salz sicherten.
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6
Geschichte
der Klosterkirche, neben die Jungfrau Maria trat der Hl. Lucius.
Er war der Patron der Roskilder Bischofskirche, und da Rügen
zur Diözese Roskilde gehörte, wird wohl aus diesem Grunde
dieser Heilige auch als Patron der Bergener Klosterkirche ange-
nommen worden sein. Die Gemeindekirche dagegen wurde der
Hl. Dreifaltigkeit geweiht. Hintergrund für diese Wahl könnte
die Dominanz der Verehrung der Hl. Dreifaltigkeit gewesen sein.
So unterhielt die 1380 gegründete Brüderschaft der Elendsbrü-
der einen der Hl. Dreifaltigkeit gewidmeten Altar. Diese Brüder-
schaft hatte es sich zur Aufgabe gemacht, für die „Elenden“,
also die Fremden und Armen zu sorgen. 1422 wurde außerdem
die Brüderschaft der Hl. Dreifaltigkeit ins Leben gerufen, die
einen weiteren Altar zu Ehren der Hl. Dreifaltigkeit stiftete.
Daneben existierte die Brüderschaft Aller Heiligen, die sich
1524 oder 1525 mit der zuerst im Jahr 1493 erwähnten
Priesterbrüderschaft vereinigte. Schließlich sind noch vier
Gilden zu nennen, die ihre Heimat ebenfalls in der Bergener
Kirche besaßen. Es handelt sich dabei um die St. Johannis-,
die Heilig-Geist-, St. Peter- und die Unserer lieben Frauen-
Gilde. Von den lediglich 300-400 Einwohnern Bergens wa-
ren gut ein Dutzend Priester, obwohl einer für die seelsorge-
rische Betreuung der Gemeinde von einem solchen Zuschnitt
ausgereicht hätte. Die Priester, die sich in der erwähnten
Priesterbrüderschaft zusammengeschlossen hatten, arbeite-
ten alle in der Bergener Kirche. Wobei der Ausdruck „Arbeit“
durchaus wörtlich zu nehmen ist und auf die Funktion des
Klosters verweist. Das Kloster in Bergen war wie die anderen
Nonnenklöster nicht in erster Linie eine Verwahranstalt für
Töchter aus adligem oder zumindest gutem Hause, zu der es
nach der Reformation degenerierte. Die wichtigste Aufgabe
der Nonnen wie auch der Mönche war es, die durch die
Sünden der Menschen aus dem Gleichgewicht zu geratende
Balance der Welt durch ihre Gebete zu stabilisieren. Insofern
können Klöster als eine Art Gebetsfabrik angesehen werden,
in denen Tag und Nacht „gute Werke“ geschaffen wurden.
Einmal pauschal für die gesamte Christenheit, aber auch
individuell für Einzelpersonen oder genau definierte Grup-
pen, die zu diesem Zweck dem Kloster Einkünfte in den
verschiedensten Formen verschafften. In Mönchsklöstern, in
denen eine ausreichende Zahl der Mönche die Priesterweihe
erhalten hatten, verrichteten diese die gestifteten Messen
vor den eigens dafür aufgestellten Altären. Da Frauen keine
Priesterweihe erhielten bzw. bis heute nicht erhalten, muss-
7 + 8 -
Johannes Bugenhagen war der Reformator des pommer-
schen Herzogtums. 1485 in Wollin geboren, wurde er von
der Äbtissin des dortigen Zisterzienserinnenklosters, Maria
Prinzessin von Stettin, einer Schwester Herzog Bogislavs X.,
gefördert. 1502 ist Bugenhagen als Student der Greifswal-
der Universität nachweisbar, zwei Jahre später als Rektor
der Lateinschule in Treptow a. R. Im Auftrag der pommer-
schen Herzöge verfaßte er 1517/18 die erste zusammen-
hängende Geschichte des Landes. Der 1509 zum Priester
geweihte Bugenhagen wurde vom Abt des nahe Treptow
gelegenen Prämonstratenserklosters Belbuck als Lektor mit
der Bibelauslegung in der dortigen Ordensschule betraut.
1521 reiste er nach Wittenberg zum inzwischen berühm-
ten Martin Luther, dessen Seelsorger er als Stadtpfarrer
wurde. Von Wittenberg aus förderte er die Einführung
der Reformation in Hamburg, Braunschweig und Lübeck
durch die Erarbeitung der städtischen Kirchenordnung.
1536 führte König Christian III. auf der Grundlage von
Bugenhagens Kirchenordnung die Reformation in seinem
Königreich Dänemark durch. 1535 legte Bugenhagen eine
Kirchenordnung für das Herzogtum Pommern vor. Am 20. 4.
1558 verstarb der mit dem Titel Doctor Pomeranus geehrte
Johannes Bugenhagen in Wittenberg.
Der Holzschnitt mit dem Brustbild Bugenhagens entstand
in der Cranach-Werkstatt in der Mitte des 16. Jahrhun-
derts. Die Kirchenordnung für Pommern, dessen Deckblatt
hier gezeigt wird, wurde 1535 in Wittenberg gedruckt.
Abriss der Geschichte des Klosters 9
7 - Portrait Bugenhagen
8 - Titelblatt Kirchenordnung7 8
Geschichte
9+10 -
Die Geschichte von dem Nonnenloch hat neben vielen
anderen Sagen und Legenden Rügens der Heimatforscher
Alfred Haas einem breiten Publikum zur Kenntis gebracht,
nachdem es schon eimal durch Johann Jakob Grümbke
in seiner Schilderung Rügens vorgestellt worden war, die
Grümbke unter dem Pseudonym Idigena herausbrachte.
Grümbke scheint an den Wahrheitsgehalt dieser Geschich-
te geglaubt zu haben. Einmal verwies er darauf, dass das
Mönchgut dem Kloster Eldena gehörte, welches die Auf-
sicht über die Nonnen in Bergen führten, zum anderen
traute er als aufgeklärter Evangele den Katholiken ein
solches Verfahren durchaus zu. Davon kann aber auf kei-
nen Fall die Rede sein, jedenfalls nicht für die katholische
Zeit. Der Landtag von Wollin 1569 legte die Ordnung der
reformierten Frauenklöster fest: Unter den verschiedenen
Regeln findet sich auch der folgende Punkt: „Eine durch
Liederlichkeiten zu Fall gekommene Klosterjungfrau sollte
mit dem Schwerdt hingerichtet und eine Hälfte ihres Ver-
mögens zu des Klosters Bauten verwendet, die andre aber
den Armen gegeben werden.“
In der Ordnung von 1733 wird über solche Damen, die sich
„unanständlich oder unehrlich verhalten“ verfügt, daß sie
„in dem Kloster nicht geduldet, sondern daraus gestossen“
werden. Die Constitutionen für die Adlichen Jungfrau-
en-Klöster etc. liegt vor in der Sammlung gemeiner und
besonderer Pommerscher und Rügischer Landesurkunden,
Gesetze, Privilegien, Verträge, Constitutionen und Ordnun-
gen, die J. C. Dähnert in vier Bänden zwischen 1765 und
1802 herausgab.
ten für die religiösen Handlungen eigens Priester angestellt
werden. Die Auswahl eines geeigneten Kandidaten lag in
den meisten Fällen in den Händen der Nonnen. Alle Priester
wurden im Kloster beköstigt. Zu den Stiftern gehörten
selbstverständlich die regierenden Fürsten, nach dem Aus-
sterben der einheimischen Fürstenfamilie 1325 waren das
die pommerschen Herzöge. Vom einheimischen Adel ragt
das Haus Putbus durch besonders reichliche Zuwendungen
hervor. Allein für die Putbusser waren drei Vikarien reser-
viert. An einem Altar sollten, um ein Beispiel für die Praxis
beizubringen, an vier Tagen in der Woche je eine Messe für
deren Seelenheil gelesen werden. 1359 schenkte der Propst
Nikolaus Vent, im Kloster für die Wirtschaft und die Organi-
sierung der täglichen Abläufe zuständig, weshalb er direkt
neben dem Kloster in einem eigenen Propsteigebäude resi-
dierte, dem Kloster 25 Mark Rente aus fünf Hakenhufen in
Murkevitz für eine Vikarie, die in der Kapelle im Turme unter
den Glocken zu Ehren der Hll. Thomas, Philippus und Jako-
bus, Agnes, Barbara und Dorothea errichtet werden sollte.
Auch aus nichtadligen Schichten wurden Vikarien gestiftet,
so zum Beispiel 1438 von den Tuchscherern und Schneidern
eine zu Ehren der Hll. Philippus und Jakobus, der unschuldi-
gen Kindlein, des Antonius, Laurentius und der Anna, auf der
jährlich zwei Memorien für die verstorbenen Innungsbrüder
und -schwestern begangen werden sollten. Diese war wie die
zuvor genannte Vikarie des Propstes im Turm untergebracht.
Neben dem täglichen Gottesdienst, den täglichen Gebeten
der Nonnen, wurden jeden Tag Frühmessen und Seelenmes-
sen für die Verstorbenen abgehalten. Zu den vielen kirchli-
chen Feiertagen wurden umfangreiche Messen vollzogen,
besonders großartig und feierlich am wichtigsten Kirchen-
fest Ostern. Und auch das Jahrestreffen des Großen Kalands,
einer adligen Versammlung, die einmal nicht zu Unrecht als
eine Art Ritterparlament bezeichnet wurde, gab Anlass zu
großer Prachtentfaltung. Mit anderen Worten, in der Kirche
herrschte vor den zahlreichen Altären ein von vielen Kerzen
erleuchtetes emsiges Treiben der in prächtige Gewänder ge-
hüllten Priester, das in einem scharfen Kontrast zu der kühlen
Stille steht, die den heutigen Besucher frösteln lässt. Und
diese rastlose Tätigkeit setzte sich im Kloster und auf dem
benachbarten Gelände ungebrochen fort. Für die Nonnen, die
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Priester und das Gesinde musste das Essen bereitet werden,
Abgaben wurden angeliefert, darunter Holz und Getreide,
Wasser wurde angefahren, da keine Brunnen zur Verfügung
standen, Besucher reisten an, daneben fand auch noch der
Schulbetrieb statt und es wurde Gericht gehalten. Es dürfte
schwierig gewesen sein, in diesem wuseligen Treiben und
hektischen Lärmen das Mindestmaß an klösterlicher Ruhe zu
bewahren. Diese wird wohl vollends dahin gewesen sein, als
Thorkel Sum den Stralsunder Bürgermeister Wulf Wulflam
1409 auf dem Bergener Kirchhof erschoss. Damit rächte er
den Tod seines Vaters, der 1405 beim Übersetzen von Stral-
sund nach Altefähr auf Anstiften des Wulflams, wie das all-
gemeine Gerücht ging, ermordet worden war. Die klösterliche
Gerichtsbarkeit, seit 1296 sowohl die niedere über „Haut und
Haar“ als auch die hohe über „Hand und Hals“, erstreckte
sich über sämtliche Dörfer im Besitz der Nonnen und wurde
vom Klostervogt ausgeübt. Er musste sich unter anderem mit
dem Totschlag beschäftigen, den die beiden Geistlichen Ni-
kolaus Konow und Heinrich Rysselyn auf dem Klostergut in
Dranske verübt hatten. Die 1479 festgelegte Schlichtung
sah neben einer Sühnezahlung von 50 Mark an den Vater
des Getöteten für die beiden Täter drei Wallfahrten vor, nach
Wilsnack, nach Rackow und zur Ewaldkapelle bei Barth.
Zusätzlich mussten sie die Hand des Erschlagenen mit 30
Personen beiderlei Geschlechts und zwei Messen zu Grabe
bringen. Über Mangel an Arbeit wird sich der Klostervogt
sicher nicht zu beklagen gehabt haben, galten die Rüganer
doch als hitzige Burschen, die „in den Krügen oder Wirts-
häusern leichtlich aneinander gerieten“. Über die Bergener
dagegen hielt der Propst zusammen mit der Priorin Gericht.
Zu tun hatten auch sie reichlich, und das sicher nicht nur
wegen der besonders hohen Wirtshausdichte in Bergen. Zu
schlichten hatten sie nicht nur harmlose Streitfälle der Klos-
teruntertanen, sondern sie mussten auch Angriffen Dritter
begegnen, wie dem Ruckelt Rotermund, der Ende des 15.
Jahrhunderts „etlichen in den Bergen in ihren Häusern ihre
Türen aufgebrochen und sie auf ihren Bödenen verwundet
und fortgejagt und auch andere totgeschlagen“ hatte. Einen
guten Juristen brauchte das Kloster auch, als es 1515 mit
Stralsund über den Heringfang vor Wittow in Streit geriet
und diesen über mehrere Instanzen hinweg bis vor das
Reichskammergericht trug.
„Anno 1523 deß mandages in der stille weken do wurdenn de
karcken braken, vnd quam van einer maget vth, de wolde erer
fruwenn hilgenspindeken uth der kercken halen; do villen se
alle tho vnd brekent alle dal, spinde, hilgen, altare, cappellen,
kloster:“ Das „Kirchenbrechen“ in Stralsund, von dem der
evangelische Prediger Johann Berckmann in seiner Chronik
berichtet, läutete die Reformation in der hiesigen Region ein.
Und die Rüganer machten es dem Stralsunder Vorbild nach:
„Man sieht noch heutiges Tages in Rügen, wie den Bildern
der Heiligen an vielen Orten gewaltthätige Hände angelegt
worden, indem das hölzerne Crucifix, so vormals mitten in der
Kirche gestanden, abgebrochen und weggeschafft worden.“,
schrieb Wackenroder zum Ende des 18. Jahrhunderts. Es
war zum Zeitpunkt der Ereignisse in Stralsund ja noch nicht
abzusehen, in welche Richtung sich das weitere Geschehen
entwickeln würde. Aber offenbar hatten die Nonnen eine
düstere Ahnung und ließen sich im Februar 1525 alle ihre
Besitzungen und Ansprüche von den pommerschen Herzögen
Georg I. und Barnim IX. noch einmal bestätigen. Vier Monate
später erschienen Gotke v. d. Osten sowie Wilken v. Platen und
inventarisierten im herzöglichen Auftrag die Klosterschätze
von Hiddensee und Bergen. Während sie einen Großteil der
Hiddenseer Kostbarkeiten in Verwahrung nahmen, weigerten
sich die Bergener Nonnen, auch nur ein Stück herauszugeben.
Der reformatorische Geist breitete sich allmählich im Lande
aus und war 1534 Hauptpunkt des Landtages zu Treptow an
der Rega, der im Streit auseinanderging. Man hatte sich zwar
lediglich auf die Durchführung von Visitationen und der Aus-
arbeitung einer neuen Kirchenordnung einigen können, aber
die Entwicklung war unumkehrbar.
11 - Christina von Gottes Gnaden der Schweden, Goten und Wenden Königin etc. lautet die abgekürzte Titulatur unter diesem
Portrait jener interessanten schwedischen Regentin. Die Tochter Gustav II. Adolfs wurde 1626 geboren und folgte ihrem Va-
ter 1632 im Amt. Die kluge Frau genoß eine umfassende Ausbildung und stand im Briefwechsel mit Descartes, den sie 1649
an ihren Hof zog. An sie wandten sich die Bergener Nonnen hilfesuchend und wurden bitter enttäuscht. Statt den Damen
aufzuhelfen, zog Christina die klösterlichen Einkünfte an sich. Zum Trost erhielten sie die gedruckte Bibel, die im Museum
Bergen gezeigt wird. Christina dankte 1654 ab, konvertierte zum katholischen Glauben und hielt am 23. (!) Dezember 1655
offiziell Einzug in Rom. Für diesen Anlass hat der Bildhauer Bernini die Fassade des Tors Porta del Popolo neu gestaltet, be-
grüßten die „Königin ohne Reich“ Papst und Kardinalskollegium. 1689 starb Christina und erhielt in der Krypta St. Peter ihr
Grab in direkter Nachbarschaft der Päpste.
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12 - Expektanzbrief + 13 - §§ 28ff.
Der Verweis auf den Paragraphen 29 der Klosterordnung in diesem Expektanzbrief bezieht sich auf die Klostersatzung vom
Jahre 1884, aus dem die entsprechende Passage genommen ist.
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14 - Charlotte Juliane v. Usedom wurde am 18. Oktober 1792 geboren. 1827, mit 35 Jahren,
wurde sie als Konventualin in das Kloster eingeführt. 73jährig übernahm die die Regent-
schaft des Klosters, das sie bis zu ihrem Tode am 21. November 1889 als Priorin führte. Zu-
sammen mit dem Klosterfräulein Bertha v. Smiterlöw richtete sie 1886 eine „Kleinkinder-
schule, vornehmlich für Kinder der ärmeren Klassen“, das nach ihr benannte „Julienstift“
ein.
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Im folgenden Jahr legte Johannes Bugenhagen die gewünsch-
te Kirchenordnung vor, von der heute übrigens nur noch ein
einziges gedrucktes Exemplar erhalten ist. Und bevor im sel-
ben Jahr das Bergener Kloster visitiert wurde, trafen schon
zwei evangelische Geistliche in Bergen ein. 1535 wurde wie-
der eine Bestandsliste aufgestellt und der Großteil der Schätze
dem Kloster genommen. War das das Ende? Der Roskilder Bi-
schof konnte trotz aller Bemühungen nichts mehr für sie tun,
das Mönchskloster Hiddensee wurde 1536 aufgehoben. Die
Nonnen durchlebten eine höchst unsichere Zeit und machten
ihrem Ärger auch dadurch Luft, dass sie den evangelischen
Pfarrer Johannes Hähn regelmäßig mit Steinwürfen von der
Kanzel vertrieben, so dass der Gottesdienst der Gemeinde
zeitweilig auf dem Kirchhof abgehalten werden musste. 1539
kam es zu einer wirklichen Neuordnung der Finanzen der im
Kloster beheimateten geistlichen Institute. Die Einkünfte der
Brüderschaften und Vikarien sowie die Benefizien wurden
verzeichnet. Die Einkünfte wurden zwei Kassen zugeordnet,
dem Armen und dem Reichen Kasten, und die künftige Ver-
wendung der Gelder so geordnet, dass aus den Mitteln des
Reichen Kastens die Gehälter der Geistlichen und des Schul-
meisters bezahlt werden, während der Arme Kasten für die
Sozialfürsorge bestimmt war. Die Unsicherheit für die Nonnen
blieb bestehen, auch als sich die beiden Herzöge Philipp I. (als
Nachfolger Georgs I.) und Barnim IX. 1541 darauf einigten,
dass sie „gewilliget waren, 5 bisherige Nonnenklöster ihrer
Lande, nemlich zu Bergen auf Rügen, Stolpe, Marienfließ,
Verchen und Colberg zu erhalten.“ Der Augsburger Religions-
frieden von 1555 berechtigte nämlich die Landesherren, die
Klostergüter einzuziehen, was auch der Landtag von 1556
anerkennen musste. Als sich Herzog Philipp I. in eben diesem
Jahr für 15 Tage in Bergen aufhielt, wird der rügensche Adel
sicher zugunsten des Bergener Nonnenklosters, in dessen un-
mittelbarer Nachbarschaft er im Propsteigebäude logierte,
interveniert haben. Halbwegs mit Erfolg, denn 1560 wurden
für die fünf ausersehenen Nonnenklöster Vorschriften erlas-
sen, die sich von den bisher geltenden Regeln nicht wesentlich
unterschieden. Es brauchte noch eine quälend lange Zeit, ehe
endlich feststand, dass Bergen zusammen mit Marienfließ und
Kolberg als Damenstift erhalten blieb, während Verchen und
Stolpe trotz aller vorherigen Beteuerungen aufgehoben
wurden.Da war es noch das sprichwörtlich kleinere Übel, dass
1573 der klösterliche Besitz eingezogen und in das Domanial-
Rentamt Bergen verwandelt wurde. Damit war dem Kloster
die wirtschaftliche Basis entzogen, war es seitdem von der
Gnade der jeweiligen Landesherren abhängig, die bei allen
individuellen Besonderheiten eines einte: die permanente
Geldnot. Herzog Philipp Julius hielt sich bei den Ausgaben
nicht zurück, 1611 wurde sein Schloss in Bergen vollendet und
mit einer kompletten Hofhaltung versehen, um die zahlrei-
chen Aufenthalte des Herzogs vor Ort so angenehm wie mög-
lich zu gestalten. Die Verleihung des Stadtrechtes an Bergen
im Jahr 1613 markiert ein Zwischenhoch, das mit dem großen
Stadtbrand von 1621 abrupt endete. Von nun an folgte für vier
Jahre Unglück auf Unglück: 1626-30 die Pest und fast zeit-
gleich die Besetzung durch kaiserliche Truppen. Mit den Ver-
wüstungen und Plünderungen während des Dreißigjährigen
Krieges taumelte das Kloster aus der eben glücklich überstan-
denen Krise in die nächste. Ihrer wertvollen Schätze beraubt
und von auskömmlichen Einkünften abgeschnitten, wandten
sich die Nonnen 1641 hilfesuchend an die schwedische Besat-
zungsmacht. In einer Bittschrift an die schwedische Königin
Christine verwiesen sie auf ihre ehemaligen Einkünfte und
weckten dadurch erst neue Begehrlichkeiten. Als die Königin
1654 dem Thron entsagte, verfügte sie über die Klosterein-
künfte als persönliche Leibrente. Davon ungerührt verlangte
der in Stralsund residierende schwedische Kommandant im
Jahr 1664 von den Nonnen die Türkensteuer, wovon sie nur
durch die Intervention seitens des Freiherrn v. Putbus befreit
wurden. Der allgemeine Niedergang spiegelte sich mit einer
geradezu symbolischen Würde in den repräsentativen Bauten
wieder: Die Kirche wies massive Schäden auf, das Klosterge-
15 - Ida v. Kahlden wurde am 27. August 1816 geboren. 1873 wurde sie 57jährig Konventualin, fünf Jahre
später in das Kloster eingeführt. Nach dem Tode der Priorin Charlotte Juliane v. Usedom 1889 folgte sie
ihr im Amt. Sieben Tage vor ihrem 87. Geburtstag verstarb sie im Jahr 1903.
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Geschichte
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bäude verfiel, ebenso das seit dem Tod Herzog Philipp Julius’
verwaiste Schloss. Um die Präpositur auszubauen, sollten
„Mauer- und Dachsteine von den alten Kloster- und Schloss-
gebäuden genommen werden“, wurde 1666 empfohlen. Zu
dieser Zeit lebten mehrere der Stiftsdamen in Bergen zu Mie-
te, während für die anderen die Familien kleine Häuser auf
dem Klostergelände errichtet hatten. Nach mehrjährigen Ver-
handlungen auf ritterschaftlichen Konventen Rügens wurde
1732 der Neubau der Stiftsgebäude beschlossen. Ein Jahr
später war das mittlere Gebäude fertig, 1736 der erste Flü-
gel. Der noch fehlende Flügel, der die Anlage komplettiert
hätte, wurde aus Geldmangel nicht in Angriff genommen.
Die Kuratoren des Damenstiftes versuchten durch äußerste
Sparsamkeit die dafür nötigen Finanzen zu erwirtschaften,
wobei auch notwendige Reparaturen immer wieder hinaus-
geschoben wurden. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erreich-
ten die ersten Ausläufer der Napoleonischen Kriege die Insel,
1807 wurde ein Flügel des Klosters geräumt und zum Hospi-
tal umfunktioniert, gefangene „Italiener unterhielten durch
ihren Gesang, den sie besonders abends auf dem Kirchhofe
ertönen ließen.“, wie der Zeitgenosse dieser Geschehnisse, C.
F. Droysen in seiner Bergener Chronik berichtete. Es war dies
die romantische Seite eines noch ferngeglaubten Krieges.
Die Schweden kapitulierten wenig später und zogen sich
von der Insel zurück. Droysen: „So schlug denn am 15. Sep-
tember, mittags 1 Uhr die Stunde, in der wir die ersten
Feinde in Bergen einziehen sahen. Es waren 250 bayrische
Reiterei mit grünen Uniformen und blanken Helmen.“ Rügen
sah in rasch wechselnder Folge Truppen aus fast allen Teilen
Europas, die alle auf Kosten der Bevölkerung verpflegt und
untergebracht werden mussten. Und das „Adlige Kloster“
diente neben dem Schulhaus und dem Breitsprecherschen
Haus an der oberen Dammstraße als Lazarett. Nach Kriegs-
ende erholte sich das Land allmählich, an Neubauten war in
dieser Situation nicht zu denken. 1859 schauten die Verant-
wortlichen der Realität ins Auge und legten den geplanten
Bau des dritten Flügels endgültig zu den Akten. Sie be-
schlossen, „dass man jährlich je nach den vorhandenen
Mitteln eine oder zwei Wohnungen in Angriff nahm“, um so
die inzwischen über 100 Jahre alten Gebäude wieder in ei-
nen akzeptablen Zustand zu versetzen. Es waren kleine Ver-
änderungen, die das Leben im Damenstift Schritt für Schritt
erleichterten und die im Memorabilienbuch des Klosters
verzeichnet worden sind. Seit 1869 erleuchten drei Petro-
leumlaternen an den dunklen Winterabenden den Kloster-
hof, dreißig Jahre später wurde der Klosterplatz „elektrisch
erleuchtet“. 1873 wurden dort die oft befahrenen Partien
gepflastert, „da bei großer und anhaltender Nässe eine Pas-
sage für Damen nur durch Legung von Brettern und Steinen
zu ermöglichen ist.“ 1876 entstand auf Initiative der Priorin
Juliane von Usedom ein Springbrunnen, für den sie 1.200
Mark aus eigenen Mitteln hergab. Juliane von Usedom hatte
1886 mit Unterstützung des Klosterfräuleins Bertha von
Smiterlöw eine „Kleinkinderschule, vornehmlich für Kinder
der ärmeren Klassen zu unentgeldlicher Benutzung“ einge-
richtet, das „Julienstift“. Es war eine geruhsame, zufriedene
Zeit. Für das Jahr 1907 wurde notiert: „Anfang Jan. ließ die
Kälte nach, dafür kam Schnee mit Regen, in der Nacht über
war Frost, so dass die Glätte geradezu lebensgefährlich ist.
Julie Platen ist recht krank. Im Kloster fast gar kein Leben u.
Verkehr. Einem sehr kalten nassen Sommer folgte ein herrli-
cher Herbst. Trotzdem trugen einige Stämme der neu ange-
pflanzten Obstanlage sehr nett. Der Ostern neu gekommene
Pförtner Carls ist besser auf dem Posten als sein Vorgänger.
Anna Kahlden kommt nicht von ihrem Zimmer. Verbesserun-
gen unterblieben ziemlich in diesem Jahr.“ Zwölf Jahre spä-
ter, 1919, klang der Eintrag so: „Der Sommer war sehr unbe-
ständiges Wetter, die Ernte sehr schwierig teils durch die
Leutenöte, dann viel Regen, aber trotzdem viel Futter. Im
Kloster nichts Besonderes vorgefallen. Im Herbst wurde
doch eine große Veränderung im Kloster indem die untere
Wohnung von Fräulein Julie von Barnekow von einem Ehe-
Geschichte
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paar belegt wurde, Zwangseinquartierung, Herr Krause der
von der Wohlfahrtsgesellschaft angestellt ist, angenehm
ruhige Leute. Ende Oktober wurde es schon winterlich kalt,
es hatte im Klostergarten viele Birnen gegeben. Im Novem-
ber war schon Eis u. Schnee, den 1ten zog Fräulein Mau in
die untere Wohnung von Fräulein von Kahlden(Anna). Bei
Fräulein Johanna von Richter war eine Kurländerin Baronin
Wolff viele Monate als Flüchtling.- Große Kohlennot, u. Holz
sehr teuer. Viele Damen froren sehr.“ Die Zwangseinquartie-
rungen dauerten übrigens bis 1922. Das Memorabilienbuch
sollte in erster Linie die Nachrichten sammeln, die unmittelbar
mit dem Damenstift im Zusammenhang standen. Aber immer
hartnäckiger pochten die äußeren Ereignisse gegen die Klos-
termauern. „Man kann immer nur danken so geborgen in
seinem Alter im Kloster leben zu können u. niemals einsam
dadurch ist.“ Der Satz von 1936 klingt wie ein seufzendes
Gebet, das 1942 einem Lagebericht Platz machte: „In Bergen
sind viele Neubauten entstanden, die militärischen Zwecken
dienen, sowie Wohnungen für die Angehörigen der Marine,
die hier ihren Standort hat. Wir sind umgeben von Bunkern,
Munitionslagern, Flugplätzen. Die feindlichen Bomber flie-
gen bei Tag und Nacht über uns, der Luftschutz ist immer
auf der Wacht und trifft seine Vorkehrungen, aber bis dahin
hat uns noch keine britische Bombe heimgesucht, und wir
können noch ruhig schlafen.“ 1945 war der Krieg zu Ende:
„Erschreckend schnell rücken die Russen vor und kommen
uns immer näher. Am 4ten Mai kamen sie nun sogar nach
Rügen. Immer hatten wir gehofft Rügen würden sie unge-
stört lassen. Voll Angst sahen wir sie kommen und überall
wurde die weiße Fahne gehißt; denn zum Glück hatten die
Behörden beschlossen, die Insel kampflos zu übergeben.
Unsere kleine militärische Besatzung konnte das Reich auch
nicht retten. Eines Tages sahen sie sich unser Kloster an und
am 14. Mai kam dann auch der Räumungsbefehl. Am15ten
Mai 10 Uhr mussten wir raus sein.“ Die russischen Truppen
versahen die Klostermauer mit Schießscharten, um sich in
der kleinen Festung gegen befürchtete Angriffe von Wer-
wolfgruppen verteidigen zu können. Die russische Besatzung
wechselte, die Räume verwahrlosten, das Mobiliar ver-
schwand. Über die Not des Augenblick hinaus viel ärgerli-
cher ist der Verlust des kompletten Klosterarchives, das, in
seine Bestandteile aufgelöst, über die Straßen wehte. „Wir
sind nun ein Jahr hier in der Superintendantur und es ist
keine Aussicht, dass wir bald wieder ins Kloster können.“
Gustav Frhr. v. der Lancken-Wakenitz machte zum 18. Janu-
ar 1958 den letzten Eintrag in das Memorabilienbuch: „Alle
ehemaligen Klosterdamen sind nun verstorben.“ Nach dem
Abzug der russischen Truppen wurde das Kloster von Kriegs-
flüchtlingen aus dem Osten in Beschlag genommen. Die
Bewohner wechselten, die grundsätzliche Nutzung aber als
Wohnanlage blieb erhalten. Schon 1947/48 gab es zwar eine
Übereinkunft zwischen der Kirche, der Stadt Bergen und der
Landesregierung, das ehemalige adlige Damenstift unter
dem etwas sperrigen Titel „Stiftung altes Kloster zu Bergen
auf Rügen“ als ein Altersheim zu nutzen. Diese Idee ist aber
nie zur Ausführung gekommen, im Gegenteil, die Bewohner
des Klosterhofes waren in der Regel jung und bildeten stets
ein buntes soziales Gemisch. Die Stadt hatte sich nie für die
Erreichung des Stiftungszweckes engagiert, und die Kirche
als alleiniger Träger wäre mit den wirtschaftlichen Belas-
tungen überfordert gewesen. Folgerichtig wurde die Stif-
tung gegen Ende der DDR, das in dieser Zeit noch nicht ab-
sehbar war, aufgelöst. Die beiden Stiftsgebäude gingen in
städtisches Eigentum über. Klaus Ewert, der ehemalige Su-
perindentent in Bergen, schloss seinen Abriss über die Ge-
schichte des Klosters mit den Worten: „Auch in erneuerter
Gestalt möge es ein Ort des Friedens sein.“