Zur Geschichte des Klosters, in: Der Klosterhof und die Kirche St. Marien in Bergen auf Rügen,...

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Geschichte O S T S E E Herrschaft Mecklenburg Markgrafschaft Brandenburg Herzogtum Pommern Fürstentum Rügen Grafschaft Gützkow Abriss der Geschichte des Klosters - von Dr. Sven Wichert Nach der Eroberung der Tempelburg Arkona und der Kapitu- lation des rügenschen Adels vor dem dänisch-pommerschen Heer im Jahr 1168 wurde die einheimische slavische Bevöl- kerung systematisch christianisiert. Dabei zeichnete sich auch der regierende Rügenfürst Jaromar aus, in dem die Zeitgenossen einen zweiten Paulus erblickten, der „das rohe und in tierischer Wildheit wütende Volk teils durch emsiges Predigen, teils aber auch durch Drohungen von der angebo- renen Rohheit zu der ein neues Leben bringenden Religion bekehrte.“, wie der Bosauer Priester Helmold in seiner Sla- venchronik schrieb. Ein Vierteljahrhundert nach dem Fall des heidnischen Hauptheiligtums bewidmete der so hochgelob- te Jaromar im Jahr 1193 ein neues, ein christliches Heilig- tum, das Kloster in Bergen. Die darüber ausgestellte Urkunde ist nicht mehr erhalten, Kenntnis über den Inhalt bringt eine Abschrift in der Bergener Klostermatrikel aus dem 14. Jahr- hundert. Dies war nicht nur die erste Urkunde für das Klos- ter, sondern stellt auch die erste schriftliche Äußerung eines Rügenslaven dar. Es liegt in der Natur der Sache, dass Jaro- mar den Text nicht selbst geschrieben hat und weite Teile den üblichen Strukturen und Formulierungen einer mittelal- terlichen Urkunde folgen. Gleichwohl blieb traditionell in der Einleitungspassage genügend Raum für eine ganz indi- viduelle Note. In Referenz gegenüber J. J. Grümbke, der sich als erster gründlich mit der Klostergeschichte befasste, hier die entsprechenden Textstellen nach seiner Übersetzung von 1833: „Durch des allmächtigen Gottes Barmherzigkeit sind Wir dem Götzendienst, dem Unsere Voreltern unglücklicher Weise anhingen, entrissen, zum wahren katholischen Glau- ben gebracht und zu den Segnungen seiner Gnade gelangt; mit so vielen Gaben beschenkt wollen Wir Uns nicht un- dankbar zeigen, sondern, in Gemäßheit der von ihm Uns zu Theil gewordenen Gütern seinen Wolthaten nach Unsern Kräften bestmöglich zu entsprechen suchen.“ Jaromar hält Rückschau auf das in diesem Zusammenhang entscheidende Ereignis der eigenen Christianisierung und bewertet es posi- tiv. Er sieht sich dabei in einer durchgehend passiven Rolle, er „wurde entrissen“ und er „wurde gebracht“, und zwar „durch Gottes Barmherzigkeit“, die sich, und das wird hier nicht angesprochen, der Pommern und Dänen als Werkzeuge bedient hat. Jaromar kontrastiert sein Glück mit dem Un- glück seiner Eltern, ohne aber über ein allgemeines Bedau- ern hinauszugehen. Es fällt auf, dass seine genealogische Rückschau nur seine direkten Vorfahren einschließt und dass er an dieser Stelle die Gelegenheit verstreichen lässt, Gottes Barmherzigkeit auch für seine unglücklichen Eltern zu erflehen. Das korrespondiert jedoch mit der von Jaromar gelieferten Begründung für seine Aktivitäten, die er aus dem Status eines mit Geschenken überhäuften Empfängers ab- leitet, wie die sich unmittelbar anschließende Textpassage zeigt: „Weil wir dem zufolge die Achtung seines heiligen Namens weiter zu verbreiten und zu dessen Verehrung recht viele herbeizurufen trachten, so haben Wir auf Unserm eige- nen Grundstück eine Kirche von Ziegelsteinen erbauet und solche durch die Hände des ehrwürdigen und gottseeligen Bischofs Peter der ruhmvollen Jungfrau Maria geweihet.“ An diesem Punkt vermeidet es Jaromar noch, auch nur andeu- tungsweise die Hoffnung auszusprechen, mit seinen guten Taten die von ihm oder von anderen begangenen Sünden zu heilen und so für sein Seelenheil zu sorgen. An späterer Stelle wird er es tun, aber hier findet sich kein Wort des Bedauerns, der Reue, der Zerknirschung. Hier agiert ein glücklicher Fürst machtvoll und machtbewusst, der auf ei- genem Grund eine Kirche baut und weiht und sich dazu des Bischofs als Werkzeug bedient: Wir haben die Kirche gebaut, wir haben die Kirche geweiht. „Damit nun dieselbe nicht ohne würdige Verehrung zum Preise dieser hochgelobten Jungfrau bleiben möge, so haben Wir beschlossen, von der Kirche eben dieser Jungfrau zu Roskilde Nonnen aufzuneh- Abriss der Geschichte des Klosters 1 - Rügen war ein Fürstentum, das sich nicht nur auf die Insel beschränkte. Um 1200 waren die Grenzen noch nicht überall gesichert, die Karte zeigt den Zustand im 14. Jahrhundert. 4 1

Transcript of Zur Geschichte des Klosters, in: Der Klosterhof und die Kirche St. Marien in Bergen auf Rügen,...

Geschichte

O S T S E E

HerrschaftMecklenburg

MarkgrafschaftBrandenburg

HerzogtumPommern

FürstentumRügen

GrafschaftGützkow

Abriss der Geschichte des Klosters -

von Dr. Sven Wichert

Nach der Eroberung der Tempelburg Arkona und der Kapitu-

lation des rügenschen Adels vor dem dänisch-pommerschen

Heer im Jahr 1168 wurde die einheimische slavische Bevöl-

kerung systematisch christianisiert. Dabei zeichnete sich

auch der regierende Rügenfürst Jaromar aus, in dem die

Zeitgenossen einen zweiten Paulus erblickten, der „das rohe

und in tierischer Wildheit wütende Volk teils durch emsiges

Predigen, teils aber auch durch Drohungen von der angebo-

renen Rohheit zu der ein neues Leben bringenden Religion

bekehrte.“, wie der Bosauer Priester Helmold in seiner Sla-

venchronik schrieb. Ein Vierteljahrhundert nach dem Fall des

heidnischen Hauptheiligtums bewidmete der so hochgelob-

te Jaromar im Jahr 1193 ein neues, ein christliches Heilig-

tum, das Kloster in Bergen. Die darüber ausgestellte Urkunde

ist nicht mehr erhalten, Kenntnis über den Inhalt bringt eine

Abschrift in der Bergener Klostermatrikel aus dem 14. Jahr-

hundert. Dies war nicht nur die erste Urkunde für das Klos-

ter, sondern stellt auch die erste schriftliche Äußerung eines

Rügenslaven dar. Es liegt in der Natur der Sache, dass Jaro-

mar den Text nicht selbst geschrieben hat und weite Teile

den üblichen Strukturen und Formulierungen einer mittelal-

terlichen Urkunde folgen. Gleichwohl blieb traditionell in

der Einleitungspassage genügend Raum für eine ganz indi-

viduelle Note. In Referenz gegenüber J. J. Grümbke, der sich

als erster gründlich mit der Klostergeschichte befasste, hier

die entsprechenden Textstellen nach seiner Übersetzung von

1833: „Durch des allmächtigen Gottes Barmherzigkeit sind

Wir dem Götzendienst, dem Unsere Voreltern unglücklicher

Weise anhingen, entrissen, zum wahren katholischen Glau-

ben gebracht und zu den Segnungen seiner Gnade gelangt;

mit so vielen Gaben beschenkt wollen Wir Uns nicht un-

dankbar zeigen, sondern, in Gemäßheit der von ihm Uns zu

Theil gewordenen Gütern seinen Wolthaten nach Unsern

Kräften bestmöglich zu entsprechen suchen.“ Jaromar hält

Rückschau auf das in diesem Zusammenhang entscheidende

Ereignis der eigenen Christianisierung und bewertet es posi-

tiv. Er sieht sich dabei in einer durchgehend passiven Rolle,

er „wurde entrissen“ und er „wurde gebracht“, und zwar

„durch Gottes Barmherzigkeit“, die sich, und das wird hier

nicht angesprochen, der Pommern und Dänen als Werkzeuge

bedient hat. Jaromar kontrastiert sein Glück mit dem Un-

glück seiner Eltern, ohne aber über ein allgemeines Bedau-

ern hinauszugehen. Es fällt auf, dass seine genealogische

Rückschau nur seine direkten Vorfahren einschließt und

dass er an dieser Stelle die Gelegenheit verstreichen lässt,

Gottes Barmherzigkeit auch für seine unglücklichen Eltern

zu erflehen. Das korrespondiert jedoch mit der von Jaromar

gelieferten Begründung für seine Aktivitäten, die er aus dem

Status eines mit Geschenken überhäuften Empfängers ab-

leitet, wie die sich unmittelbar anschließende Textpassage

zeigt: „Weil wir dem zufolge die Achtung seines heiligen

Namens weiter zu verbreiten und zu dessen Verehrung recht

viele herbeizurufen trachten, so haben Wir auf Unserm eige-

nen Grundstück eine Kirche von Ziegelsteinen erbauet und

solche durch die Hände des ehrwürdigen und gottseeligen

Bischofs Peter der ruhmvollen Jungfrau Maria geweihet.“ An

diesem Punkt vermeidet es Jaromar noch, auch nur andeu-

tungsweise die Hoffnung auszusprechen, mit seinen guten

Taten die von ihm oder von anderen begangenen Sünden zu

heilen und so für sein Seelenheil zu sorgen. An späterer

Stelle wird er es tun, aber hier findet sich kein Wort des

Bedauerns, der Reue, der Zerknirschung. Hier agiert ein

glücklicher Fürst machtvoll und machtbewusst, der auf ei-

genem Grund eine Kirche baut und weiht und sich dazu des

Bischofs als Werkzeug bedient: Wir haben die Kirche gebaut,

wir haben die Kirche geweiht. „Damit nun dieselbe nicht

ohne würdige Verehrung zum Preise dieser hochgelobten

Jungfrau bleiben möge, so haben Wir beschlossen, von der

Kirche eben dieser Jungfrau zu Roskilde Nonnen aufzuneh-

Abriss der Geschichte des Klosters

1 - Rügen war ein Fürstentum, das sich nicht nur auf die Insel beschränkte. Um 1200

waren die Grenzen noch nicht überall gesichert, die Karte zeigt den Zustand im

14. Jahrhundert.

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Geschichte

Hiddensee 1530Eldena 1530Bergen Zuwachs 1530Bergen Zuwachs 1250Bergen 1193

KlosterBergen

men, welche deren rühmlich fruchtbare Jungfrauschaft all-

da immerfort lobpreisen sollen.“ Diese Meldung berührt die

liebgewonnene Frage, wann die aus Dänemark nach Bergen

kommenden Benediktinerinnen Zisterzienserinnen gewor-

den waren. Unter Berufung auf eine Schutzurkunde von

Papst Innozenz IV. aus dem Jahr 1250 wurde der Zeitraum

„um 1250“ in die Diskussion eingeführt. In der Tat nimmt der

Papst in dieser Urkunde auf die Befolgung der Zisterzienser-

regeln durch die Bergener Nonnen Bezug, „die sie schon vor

dem Generalkonzil angenommen haben“. Unter diesem Kon-

zil kann man das von 1245 in Lyon oder, mit größerer Wahr-

scheinlichkeit, jenes von 1215, dem 4. Laterankonzil, verste-

hen. Die letzte Äußerung von Gewicht in dieser Frage

verweist darauf, dass sich die Benediktinerinnen des Mari-

enklosters in Roskilde schon seit ungefähr 1176 nach den

Geboten der Zisterzienser gerichtet hatten, von einem spä-

teren Übertritt der Bergener Nonnen also gar nicht gespro-

chen werden kann. Für diese Meinung spricht auch das Pa-

tronat der Jungfrau Maria, der Schutzheiligen des

Zisterzienserordens. Damit wäre das Problem eigentlich ge-

löst, es ist allerdings ein wenig vertrackter. Einmal ist zur

Kenntnis zu nehmen, dass auch die Zisterzienser sich nach

der Regel des Hl. Benedikt richteten, ein Übertritt damit gar

nicht erfolgen kann. Dies hat übrigens Papst Innozenz IV.

berücksichtigt, als er den Nonnen in seiner Schutzurkunde

attestierte, dass sie gemäß „der Regel des Hl. Benedikt und

den Institutionen der Zisterzienserbrüder“ leben würden.

Zum anderen war es den Frauen freigestellt, nach welchen

Vorschriften sie ihr Leben organisierten, solange es die An-

erkennung des zuständigen Bischofs fand. Die Befolgung

eines zisterziensischen Lebenswandels führt aber noch lan-

ge nicht zu einer Aufnahme in diesen Orden. Es ist daher die

Frage, seit wann die Bergener Nonnen im zisterziensischen

Sinne lebten, von der Frage zu unterscheiden, seit wann das

Kloster Bergen zum Zisterzienserorden gehörte. Die Zisterzi-

enser haben sich beharrlich gegen die Aufnahme von Non-

nenklöstern in ihren Orden gewehrt und selbst den diesbe-

züglichen päpstlichen Aufforderungen, Mahnungen und

Weisungen hinhaltenden Widerstand geleistet. Schließlich

fügten sie sich dem päpstlichen Willen unter der Bedingung,

dass sie zu einem Ausschluss renitenter Nonnenklöster be-

rechtigt seien. Seit wann gehörte Bergen nun dem Zisterzi-

enserorden an? Eine vorschnelle Beantwortung dieser Frage

verbietet sich angesichts der verwickelten Lage, die durch

das warnende Beispiel des Klosters Trebnitz noch kompli-

zierter erscheint: Das schlesische Nonnenkloster Trebnitz

gehört zu den insgesamt vier (!) im Zeitraum von 1213 bis

1220 nachweisbaren Inkorporationen, so die korrekte Be-

zeichnung für den rechtlichen Vorgang der Aufnahme in ei-

nen Orden. 1203 spricht der Bischof davon, dass das 1202

gegründete Kloster für den Zisterzienserorden gedacht war,

1205 unterstellt es Papst Innozenz III. den Zisterziensern

von Leubus, 1216 bestätigt derselbe Papst, dass die klöster-

liche Ordnung gemäß „der Regel des Hl. Benedikt und den

Institutionen der Zisterzienserbrüder“ sei – es ist dies die

identische Formulierung, die für die Bergener Nonnen durch

Innozenz IV. 1250 gebraucht wurde. Tatsächlich wurde

Trebnitz aber erst 1218 in den Orden inkorporiert! Das be-

deutet für Bergen, dass selbst mit der päpstlichen Schutzur-

kunde von 1250 und ihrer so scheinbar eindeutigen Formu-

lierung in dieser Frage nichts gewonnen ist. Ein schriftlicher

Beleg für die Inkorporierung Bergens in den Orden ist nicht

vorhanden. Auch die Selbst- oder Fremdbenennungen als

Mitglied des Zisterzienserordens, wie sie in späteren Urkun-

den regelmäßig auftauchen, sagen über den wirklichen

rechtlichen Status nichts aus. Und dass die Vorsteherin des

Bergener Konventes wie bei den Benediktinern regelmäßig

Abriss der Geschichte des Klosters

2 - Der Besitz des Klosters Bergen war nicht geschlossen, sondern lag über die Insel

Rügen verteilt. Daneben verfügten auch die anderen Zisterzienserklöster Eldena

und Hiddensee über umfangreiche Besitzungen auf Rügen. Seit dem 13. Jahrhun-

dert verfügte das bei Greifswald gelegene Kloster Eldena über den südöstlichen

Teil der Insel, der deshalb Mönchgut genannt wurde.

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Geschichte

eine Priorin war, während die Ziserzienserinnenklöster übli-

cherweise von Äbtissinnen geleitet wurden, lässt die Waag-

schale nicht eben zu Gunsten einer Inkorporation im Zister-

zienserorden sinken. Ein wirklich überzeugendes Indiz für

die Ordensangehörigkeit der Bergener Nonnen kann die Zu-

ständigkeit für die Aufsicht über das Kloster sein. Der Zister-

zienserorden hatte sich vor allem deswegen gegen eine

Aufnahme von Frauenkonventen gewehrt, weil die Mönche

sonst zwangsläufig für die innere Zucht und Ordnung sowie

für die geistliche Betreuung Sorge zu tragen hätten. Dazu

hätten die Zisterzienserklöster aber Mönche, Männer, in die

Nonnenklöster zu den Frauen delegieren müssen. Es spricht

nicht eben für einen gefestigten Status als asketischer

Mönch, wenn das die Hauptsorge war, aber es spricht für

einen lebensnahen Realismus. Nun ist bekannt, dass das

Zisterzienserkloster Eldena die Aufsicht über das Kloster

Bergen führte. Der erste belastbare Beleg stammt allerdings

erst aus dem Jahr 1306, als der Eldenaer Abt Heinrich seine

Zustimmung gab, dass der Ritter Pritbur von Vilmenitz sei-

ner als Nonne des Klosters Bergen eingekleideten Tochter

Sophie den lebenslänglichen Genuss von 10 Mark aus 4

Hakenhufen in Cyzeradicz schenkte. Für die Zeit davor las-

sen sich keine Beweise erbringen, was durchaus damit zu

tun haben dürfte, dass ein Großteil der Originalurkunden bis

auf einen Restbestand von lediglich 30 Stück vernichtet ist.

In der Bewidmungsurkunde aus dem Jahr 1193 ist von einer

Beteiligung Eldenaer Mönche jedenfalls keine Rede. Das

kann gut damit begründet werden, dass die Eldenaer um

diese Zeit herum ihr ursprüngliches Kloster Dargun wegen

der unendlichen Kriegszüge aufgegeben und sich an die Ufer

des Greifswalder Boddens geflüchtet hatten. Somit bleibt als

Bilanz festzuhalten: Die Nonnen aus Roskilde werden auch

in ihrer neuen Heimat Bergen nach den Gewohnheiten der

Zisterzienser gelebt haben, die Inkorporation in den Orden

allerdings fand zu einem späteren, unbekannten Zeitpunkt

vor 1306 statt.

„Zu ihrem notwendigen Gebrauch haben Wir dieselben“,

fährt der Text in der Urkunde von 1193 fort, „mit fünf

Landwirtschaftswesen und Gütern und zwar in der Hinsicht

bewidmet, dass sie ehrerbietig gegen Gott und die heilige

Mutter unsers Herrn und Erlösers sich bezeigen und deren

Gnade Uns fleißig erbittend es dahin bringen, dass der

Herr, durch ihre Gebete versöhnt, Uns sowohl Vergebung

der Sünden, als auch die Herrlichkeit des ewigen Lebens

zu Theil werden lasse.“ Hier nun findet sich die schon oben

angekündigte Passage über die von Jaromar erhoffte Sün-

denvergebung und die Erlangung des Seelenheils. Das ist

das entscheidende, ganz private Motiv für all die Aktivitäten

des Rügenfürsten. Bemerkenswert ist aber, dass er dieses

nicht durch seine eigene gute Tat zu erlangen hoffte, son-

dern sein eigenes Wirken lediglich als eine Voraussetzung

ansah. Entscheidend ist der fromme Lebenswandel und das

Gebet der Nonnen. Grümbke hat die Anzahl der Landwirt-

schaftsbetriebe mit „fünf“ angegeben, während Fabricius

kurz nach ihm und Conrad im überarbeiteten ersten Band

des Pommerschen Urkundenbuches von 1970 plures, „viele“

Abriss der Geschichte des Klosters

3 - Die Umzeichnung der Grabplatte zeigt die Äbtissin Elisabeth. Sie ist zuerst 1460

nachweisbar und regierte das Kloster Bergen bis zu ihrem Tode am 7. April 1473.

Aufgrund ihrer Herkunft aus dem pommerschen Herzoghaus führte sie den Titel

einer Äbtissin und war mit dem Bischofsstab versehen. Vor ihr genoss nur noch

die pommersche Prinzessin Anna, 1388 erwähnt, dasselbe Vorrecht. Ansonsten

wurde das Kloster durch eine Priorin geführt, der ein Senat, die sogenannten

Olderfruwen, zur Seite stand. Die Grabplatte Elisabeths hatte seinen ursprüngli-

chen Platz vor dem Altar und wurde 1896 in der Westhalle aufgestellt.

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Geschichte

gelesen haben. Viele Güter waren es aber nicht, die Jaromar

den Nonnen geschenkt hatte, auf der Insel Rügen waren

es gerade mal fünf: Gargolizi, Charua, Segozsti, Szabroda

und ein unbenanntes Gut auf Wittow, jeweils mit Äckern,

Wiesen, Ländereien und den Bauern. Dazu kamen die Dör-

fer Mylziz, das spätere Nonnendorf nahe Wolgast, und ein

benachbartes Dorf ohne Namen, ebenfalls inklusive der dort

ansässigen Bauern. Gewichtiger waren die anderen Einkünf-

te, der Scheffel Getreide und der eine Pfennig von jedem

Pflug aus den Landschaften Rügen, Wusterhusen, Buckow

auf Usedom, Meseritz an der Peene, Gützkow, Ziethen,

Triebsees, Barth und Loitz. Von Rügen wurden zusätzlich

eine Wagenladung Holz, ein halbes Fuder Heu, zwei Bündel

Hafer und fünf Eier eingefordert. Personen, die nicht in der

Landwirtschaft tätig waren, entrichteten zwei Pfennige.

Mit den aufgelisteten Landschaften sind die Gebiete auf

dem Festland umschrieben, auf die Jaromar neben der Insel

Rügen Ansprüche erhob. Nicht alle ließen sich auf Dauer

gegen die pommerschen Rivalen halten, und so gingen

auch die Einkünfte des Klosters mit den sich wandelnden

Grenzen zurück. Einen Ausgleich erhielten die Nonnen durch

Erwerbungen auf der Insel. Der Zuwachs lässt sich an der

päpstlichen Schutzurkunde von 1250 ablesen. Dann stockte

die Erweiterung des Landbesitzes für den Zeitraum von rund

100 Jahren, ehe ab der Mitte des 14. Jahrhunderts und in-

tensiver noch im darauf folgenden Saeculum die Erwerbun-

gen ganzer Dörfer auffällig zunehmen.

Von ausschlaggebender Bedeutung war die Entwicklung in

direkter Nachbarschaft zu den Klostermauern. Der mächtige

Burgwall des Rugard, die zeitweilige Residenz der Rügen-

fürsten, und das Kloster bildeten die Klammer, zwischen

der sich eine Ansiedlung entwickelte, die 1314 das erste

Mal unter der schlichten Bezeichnung villa Montis, „Dorf

auf den Bergen“, genannt wird. Das Dorf mutierte zu ei-

nem Flecken, in dem neben den reinen Ackerleuten auch

Handwerker ihrer Arbeit nachgingen, die alle dem Kloster

zu Zins und Dienst verpflichtet waren. Mit zunehmender

Bevölkerungszahl war es für das Kloster bequemer, Teile

der Verwaltung auszulagern, ohne jedoch auf die Herrschaft

zu verzichten. Dieser Trend wurde mit dem Privileg für die

Schuhmacher von 1355 eingeleitet und 1384 mit dem Pri-

vileg für die Kürschner und Pelzer fortgesetzt. Die örtliche

Gewandschneiderinnung hatte sich 1408 etabliert, 1468

die Leinweber. Dabei lässt der Wortlaut der vom Kloster

ausgereichten Privilegien aufhorchen: Die Handwerker

sollten nämlich Knechte einstellen können, „alse in anderen

stede in recht is.“ Bergen war noch weit entfernt davon, den

Status der „anderen stede“ zu erreichen, aber in dieser For-

mulierung zeigt sich die Bedeutung Bergens als Zentralort

für die Insel. In diese Zeit fällt anscheinend die Nutzung der

Klosterkirche durch die örtliche Gemeinde. Auf der fürstli-

chen Residenz, dem Rugard, existierte eine Kapelle, die wohl

nur für die Burgbesatzung bzw. den Fürsten vorgesehen war.

1291 übertrug sie Wizlav II. dem Kloster Bergen, übrigens

wurde die Urkunde in Stralsund ausgestellt, Bergen spielte

als Residenz keine Rolle mehr. Seitdem wurde diese Kapelle

als Pfarrkirche genutzt, 1306 wird von einer parrochia Ruy-

gard gesprochen. Vor 1380 wurde sie niedergerissen und der

Taufstein in die Klosterkirche verbracht. Dieser Vorgang ist

eine Reaktion auf die zunehmende Bevölkerung und korre-

spondiert sehr schön mit den Privilegierungen für die ver-

schiedenen Handwerkszünfte im gleichen Zeitraum. Damit

änderte sich offenbar auch die Orientierung der Bergener

Bevölkerung, weg von der Gegend um den Rugard hin zum

Kloster. „Der Ort, wo jetzo das Städtlein sich befindet, ist

vormahlen ein Hein-Holtz gewesen“, berichtet Wackenroder

in seinem Werk „Altes und Neues Rügen“. Für die Richtigkeit

dieser Aussage spricht einiges. Es wäre damit Alfred Haas,

nach Grümbke der zweite Gelehrte, der sich intensiv mit der

Geschichte des Klosters und der Stadt Bergen auseinander-

gesetzt hatte, entschieden zu widersprechen, der die 1232

Abriss der Geschichte des Klosters 7

4 - Der Konvent stand unter der Leitung einer Priorin. Beide führten ein eigenes

Siegel. Während sich jede Priorin bei Amtsantritt ein neues Siegel anfertigen

ließ, blieb das Siegel des Konventes lange Zeit dasselbe. Die Umrisszeichnung

zeigt die typische spitzovale Form geistlicher Siegel.4

Geschichte

Ein grot sulverne Marienbilde,

Eine grote Busche van Sulvere vorguldet als ein Viaticum,

Ein sulverne Agnus die vorguldet,

Eine kleine sulverne Hant myt Reliquien,

9 Kelke mit Patenen vorguldet,

Einen sulvernen Lewen averguldet,

Ein holten Crutze aversulvert,

Eine kleine Mustrantze tho Marien Bilde,

Ein sulverne Kleinot, dar dat hilge Blot ingevatet,

Ein sulverne kleine Busche, dar dat Sacramente inne was,

Ein rode ingesprengede vorguldene Kasel,

Eine grove ingesprengede vorguldene Kasel,

Eine blawe damasken Kasel myt 17 vorguldenen Spangen,

Eine rode zammet Kurkappe myt guldenen Lysten,

Eine Kurkappe van vorguldenen Doke,

Eine blawe zammet Kurkappe myt einer Parlenlysten,

Eine Kasel myt 17 vorguldenen Spangen,

Ein sulverne Wirokvat,

10 Schilling an Gelde.

Ein gantz Kum ful Breve aver dat Kloster und ere

Gerechticheit,

Vyff Alven von Lynenwande, de wat gut weren, und der

andern hadden se noch ein gantz Deyl, aver nicht van

Werden.

Item dyt alle hebben de Juncfrowen inventarien laten avers

gewegert wechthonemen,

by ehn sulvest in Vorwaringe beholden.

erwähnte taberna Montis, „den Krug auf den Bergen“ an der

Stelle lokalisieren wollte, wo sich der heutige Ratskeller be-

findet. 1250 bestätigte nämlich Papst Innozenz IV. in seiner

Schutzurkunde für das Kloster an erster Stelle den Besitz des

Ortes, an dem sich das Kloster befindet. Im Zeitraum davor

und danach verfügten die rügenschen Fürsten jedoch frei

über die Einkünfte aus dieser taberna, was schlechterdings

unmöglich gewesen wäre, wenn diese Einrichtung wirklich

in unmittelbarer Nähe des Klosters gestanden hätte. 1309

verkaufte Fürst Wizlav III. seinem Knappen Tetze diesen Krug

mit einer Hufe Land in der Heide, womit ein Hinweis auf den

ursprünglichen Standort gegeben ist.

Die einzelnen Zünfte hielten ihre Versammlungen in der

Kirche ab. Das ist kein ungewöhnliches Verfahren, Kirchen

und die Kirchhöfe wurden allgemein als Versammlungsort

genutzt, dort wurden Geschäfte angebahnt und abgeschlos-

sen. Die Kirche wird seit der Doppelnutzung als Kloster- und

Pfarrkirche eine räumliche Schranke besessen haben, um die

beiden Sphären zu trennen. 1667 wurde ein eisernes Gitter

entfernt, welches den Chorraum inklusive Querhaus, die

sogenannte Jungfrauenkirche, vom Langhaus und dem

Turm, der Gemeindekirche, separierte. 1445 wütete ein

Brand, der „dat kloster tho Bergen vnd alle ehre der kercken

clenodia“ vernichtete. Aus dieser lapidaren Mitteilung aus

einer Stralsunder Chronik lässt sich nicht ablesen, welche

Teile der Klosteranlage in welchem Maße betroffen waren.

35 Jahre später, 1472, erlitt das Kloster einen zweiten Brand,

dem auch eine Nonne zum Opfer fiel. Zu Schaden kam der

Reventer, „dar wol 120 Spanbedde uppe stunden. Und alle er

Gut und Klenode und ene Juncvrowe dat vorbrende altoma-

le“. Nach den notwendigen Reparaturen wurde die Kirche neu

geweiht. Bei der Gelegenheit erweiterte sich das Patrozinium

Abriss der Geschichte des Klosters

6 - Am 4. Juli 1525 wurde durch Gotke v. der Osten und

Wilken v. Platen folgendes Verzeichnis der Kleinodien des

Klosters Bergen aufgestellt. Von den genannten Schät-

zen hat sich nicht viel erhalten. Von dem im Besitz der

Bergener Kirchengemeinde befindlichen romanischen

Kelch wird angenommen, daß es sich um ein Geschenk

Pritbors v. Vilmnitz handelt, der 1306 seine Tochter als

Nonne einkleiden ließ.

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5 - In der von Alfred Haas aufgezeichneten Sage über den Nonnensee ist un-

schwer das Vineta-Motiv wiederzuerkennen. Der Nonnensee wird erstma-

lig 1522 erwähnt, da aber noch nicht unter dem, heute geläufigen Namen,

sondern schlicht als „See, der dem Kloster gehört“. Salz bezog das Kloster

Bergen übrigens zuerst aus einer bei Marlow gelegen Saline, aus der sich

später der Ort Sülz entwickelte. 1289 verkauften die Nonnen ihren Salinen-

anteil an das Kloster Dargun, wobei sie sich aber eine jährliche Lieferung

von zwei Tonnen Salz sicherten.

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Geschichte

der Klosterkirche, neben die Jungfrau Maria trat der Hl. Lucius.

Er war der Patron der Roskilder Bischofskirche, und da Rügen

zur Diözese Roskilde gehörte, wird wohl aus diesem Grunde

dieser Heilige auch als Patron der Bergener Klosterkirche ange-

nommen worden sein. Die Gemeindekirche dagegen wurde der

Hl. Dreifaltigkeit geweiht. Hintergrund für diese Wahl könnte

die Dominanz der Verehrung der Hl. Dreifaltigkeit gewesen sein.

So unterhielt die 1380 gegründete Brüderschaft der Elendsbrü-

der einen der Hl. Dreifaltigkeit gewidmeten Altar. Diese Brüder-

schaft hatte es sich zur Aufgabe gemacht, für die „Elenden“,

also die Fremden und Armen zu sorgen. 1422 wurde außerdem

die Brüderschaft der Hl. Dreifaltigkeit ins Leben gerufen, die

einen weiteren Altar zu Ehren der Hl. Dreifaltigkeit stiftete.

Daneben existierte die Brüderschaft Aller Heiligen, die sich

1524 oder 1525 mit der zuerst im Jahr 1493 erwähnten

Priesterbrüderschaft vereinigte. Schließlich sind noch vier

Gilden zu nennen, die ihre Heimat ebenfalls in der Bergener

Kirche besaßen. Es handelt sich dabei um die St. Johannis-,

die Heilig-Geist-, St. Peter- und die Unserer lieben Frauen-

Gilde. Von den lediglich 300-400 Einwohnern Bergens wa-

ren gut ein Dutzend Priester, obwohl einer für die seelsorge-

rische Betreuung der Gemeinde von einem solchen Zuschnitt

ausgereicht hätte. Die Priester, die sich in der erwähnten

Priesterbrüderschaft zusammengeschlossen hatten, arbeite-

ten alle in der Bergener Kirche. Wobei der Ausdruck „Arbeit“

durchaus wörtlich zu nehmen ist und auf die Funktion des

Klosters verweist. Das Kloster in Bergen war wie die anderen

Nonnenklöster nicht in erster Linie eine Verwahranstalt für

Töchter aus adligem oder zumindest gutem Hause, zu der es

nach der Reformation degenerierte. Die wichtigste Aufgabe

der Nonnen wie auch der Mönche war es, die durch die

Sünden der Menschen aus dem Gleichgewicht zu geratende

Balance der Welt durch ihre Gebete zu stabilisieren. Insofern

können Klöster als eine Art Gebetsfabrik angesehen werden,

in denen Tag und Nacht „gute Werke“ geschaffen wurden.

Einmal pauschal für die gesamte Christenheit, aber auch

individuell für Einzelpersonen oder genau definierte Grup-

pen, die zu diesem Zweck dem Kloster Einkünfte in den

verschiedensten Formen verschafften. In Mönchsklöstern, in

denen eine ausreichende Zahl der Mönche die Priesterweihe

erhalten hatten, verrichteten diese die gestifteten Messen

vor den eigens dafür aufgestellten Altären. Da Frauen keine

Priesterweihe erhielten bzw. bis heute nicht erhalten, muss-

7 + 8 -

Johannes Bugenhagen war der Reformator des pommer-

schen Herzogtums. 1485 in Wollin geboren, wurde er von

der Äbtissin des dortigen Zisterzienserinnenklosters, Maria

Prinzessin von Stettin, einer Schwester Herzog Bogislavs X.,

gefördert. 1502 ist Bugenhagen als Student der Greifswal-

der Universität nachweisbar, zwei Jahre später als Rektor

der Lateinschule in Treptow a. R. Im Auftrag der pommer-

schen Herzöge verfaßte er 1517/18 die erste zusammen-

hängende Geschichte des Landes. Der 1509 zum Priester

geweihte Bugenhagen wurde vom Abt des nahe Treptow

gelegenen Prämonstratenserklosters Belbuck als Lektor mit

der Bibelauslegung in der dortigen Ordensschule betraut.

1521 reiste er nach Wittenberg zum inzwischen berühm-

ten Martin Luther, dessen Seelsorger er als Stadtpfarrer

wurde. Von Wittenberg aus förderte er die Einführung

der Reformation in Hamburg, Braunschweig und Lübeck

durch die Erarbeitung der städtischen Kirchenordnung.

1536 führte König Christian III. auf der Grundlage von

Bugenhagens Kirchenordnung die Reformation in seinem

Königreich Dänemark durch. 1535 legte Bugenhagen eine

Kirchenordnung für das Herzogtum Pommern vor. Am 20. 4.

1558 verstarb der mit dem Titel Doctor Pomeranus geehrte

Johannes Bugenhagen in Wittenberg.

Der Holzschnitt mit dem Brustbild Bugenhagens entstand

in der Cranach-Werkstatt in der Mitte des 16. Jahrhun-

derts. Die Kirchenordnung für Pommern, dessen Deckblatt

hier gezeigt wird, wurde 1535 in Wittenberg gedruckt.

Abriss der Geschichte des Klosters 9

7 - Portrait Bugenhagen

8 - Titelblatt Kirchenordnung7 8

Geschichte

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Die Geschichte von dem Nonnenloch hat neben vielen

anderen Sagen und Legenden Rügens der Heimatforscher

Alfred Haas einem breiten Publikum zur Kenntis gebracht,

nachdem es schon eimal durch Johann Jakob Grümbke

in seiner Schilderung Rügens vorgestellt worden war, die

Grümbke unter dem Pseudonym Idigena herausbrachte.

Grümbke scheint an den Wahrheitsgehalt dieser Geschich-

te geglaubt zu haben. Einmal verwies er darauf, dass das

Mönchgut dem Kloster Eldena gehörte, welches die Auf-

sicht über die Nonnen in Bergen führten, zum anderen

traute er als aufgeklärter Evangele den Katholiken ein

solches Verfahren durchaus zu. Davon kann aber auf kei-

nen Fall die Rede sein, jedenfalls nicht für die katholische

Zeit. Der Landtag von Wollin 1569 legte die Ordnung der

reformierten Frauenklöster fest: Unter den verschiedenen

Regeln findet sich auch der folgende Punkt: „Eine durch

Liederlichkeiten zu Fall gekommene Klosterjungfrau sollte

mit dem Schwerdt hingerichtet und eine Hälfte ihres Ver-

mögens zu des Klosters Bauten verwendet, die andre aber

den Armen gegeben werden.“

In der Ordnung von 1733 wird über solche Damen, die sich

„unanständlich oder unehrlich verhalten“ verfügt, daß sie

„in dem Kloster nicht geduldet, sondern daraus gestossen“

werden. Die Constitutionen für die Adlichen Jungfrau-

en-Klöster etc. liegt vor in der Sammlung gemeiner und

besonderer Pommerscher und Rügischer Landesurkunden,

Gesetze, Privilegien, Verträge, Constitutionen und Ordnun-

gen, die J. C. Dähnert in vier Bänden zwischen 1765 und

1802 herausgab.

ten für die religiösen Handlungen eigens Priester angestellt

werden. Die Auswahl eines geeigneten Kandidaten lag in

den meisten Fällen in den Händen der Nonnen. Alle Priester

wurden im Kloster beköstigt. Zu den Stiftern gehörten

selbstverständlich die regierenden Fürsten, nach dem Aus-

sterben der einheimischen Fürstenfamilie 1325 waren das

die pommerschen Herzöge. Vom einheimischen Adel ragt

das Haus Putbus durch besonders reichliche Zuwendungen

hervor. Allein für die Putbusser waren drei Vikarien reser-

viert. An einem Altar sollten, um ein Beispiel für die Praxis

beizubringen, an vier Tagen in der Woche je eine Messe für

deren Seelenheil gelesen werden. 1359 schenkte der Propst

Nikolaus Vent, im Kloster für die Wirtschaft und die Organi-

sierung der täglichen Abläufe zuständig, weshalb er direkt

neben dem Kloster in einem eigenen Propsteigebäude resi-

dierte, dem Kloster 25 Mark Rente aus fünf Hakenhufen in

Murkevitz für eine Vikarie, die in der Kapelle im Turme unter

den Glocken zu Ehren der Hll. Thomas, Philippus und Jako-

bus, Agnes, Barbara und Dorothea errichtet werden sollte.

Auch aus nichtadligen Schichten wurden Vikarien gestiftet,

so zum Beispiel 1438 von den Tuchscherern und Schneidern

eine zu Ehren der Hll. Philippus und Jakobus, der unschuldi-

gen Kindlein, des Antonius, Laurentius und der Anna, auf der

jährlich zwei Memorien für die verstorbenen Innungsbrüder

und -schwestern begangen werden sollten. Diese war wie die

zuvor genannte Vikarie des Propstes im Turm untergebracht.

Neben dem täglichen Gottesdienst, den täglichen Gebeten

der Nonnen, wurden jeden Tag Frühmessen und Seelenmes-

sen für die Verstorbenen abgehalten. Zu den vielen kirchli-

chen Feiertagen wurden umfangreiche Messen vollzogen,

besonders großartig und feierlich am wichtigsten Kirchen-

fest Ostern. Und auch das Jahrestreffen des Großen Kalands,

einer adligen Versammlung, die einmal nicht zu Unrecht als

eine Art Ritterparlament bezeichnet wurde, gab Anlass zu

großer Prachtentfaltung. Mit anderen Worten, in der Kirche

herrschte vor den zahlreichen Altären ein von vielen Kerzen

erleuchtetes emsiges Treiben der in prächtige Gewänder ge-

hüllten Priester, das in einem scharfen Kontrast zu der kühlen

Stille steht, die den heutigen Besucher frösteln lässt. Und

diese rastlose Tätigkeit setzte sich im Kloster und auf dem

benachbarten Gelände ungebrochen fort. Für die Nonnen, die

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Geschichte

Priester und das Gesinde musste das Essen bereitet werden,

Abgaben wurden angeliefert, darunter Holz und Getreide,

Wasser wurde angefahren, da keine Brunnen zur Verfügung

standen, Besucher reisten an, daneben fand auch noch der

Schulbetrieb statt und es wurde Gericht gehalten. Es dürfte

schwierig gewesen sein, in diesem wuseligen Treiben und

hektischen Lärmen das Mindestmaß an klösterlicher Ruhe zu

bewahren. Diese wird wohl vollends dahin gewesen sein, als

Thorkel Sum den Stralsunder Bürgermeister Wulf Wulflam

1409 auf dem Bergener Kirchhof erschoss. Damit rächte er

den Tod seines Vaters, der 1405 beim Übersetzen von Stral-

sund nach Altefähr auf Anstiften des Wulflams, wie das all-

gemeine Gerücht ging, ermordet worden war. Die klösterliche

Gerichtsbarkeit, seit 1296 sowohl die niedere über „Haut und

Haar“ als auch die hohe über „Hand und Hals“, erstreckte

sich über sämtliche Dörfer im Besitz der Nonnen und wurde

vom Klostervogt ausgeübt. Er musste sich unter anderem mit

dem Totschlag beschäftigen, den die beiden Geistlichen Ni-

kolaus Konow und Heinrich Rysselyn auf dem Klostergut in

Dranske verübt hatten. Die 1479 festgelegte Schlichtung

sah neben einer Sühnezahlung von 50 Mark an den Vater

des Getöteten für die beiden Täter drei Wallfahrten vor, nach

Wilsnack, nach Rackow und zur Ewaldkapelle bei Barth.

Zusätzlich mussten sie die Hand des Erschlagenen mit 30

Personen beiderlei Geschlechts und zwei Messen zu Grabe

bringen. Über Mangel an Arbeit wird sich der Klostervogt

sicher nicht zu beklagen gehabt haben, galten die Rüganer

doch als hitzige Burschen, die „in den Krügen oder Wirts-

häusern leichtlich aneinander gerieten“. Über die Bergener

dagegen hielt der Propst zusammen mit der Priorin Gericht.

Zu tun hatten auch sie reichlich, und das sicher nicht nur

wegen der besonders hohen Wirtshausdichte in Bergen. Zu

schlichten hatten sie nicht nur harmlose Streitfälle der Klos-

teruntertanen, sondern sie mussten auch Angriffen Dritter

begegnen, wie dem Ruckelt Rotermund, der Ende des 15.

Jahrhunderts „etlichen in den Bergen in ihren Häusern ihre

Türen aufgebrochen und sie auf ihren Bödenen verwundet

und fortgejagt und auch andere totgeschlagen“ hatte. Einen

guten Juristen brauchte das Kloster auch, als es 1515 mit

Stralsund über den Heringfang vor Wittow in Streit geriet

und diesen über mehrere Instanzen hinweg bis vor das

Reichskammergericht trug.

„Anno 1523 deß mandages in der stille weken do wurdenn de

karcken braken, vnd quam van einer maget vth, de wolde erer

fruwenn hilgenspindeken uth der kercken halen; do villen se

alle tho vnd brekent alle dal, spinde, hilgen, altare, cappellen,

kloster:“ Das „Kirchenbrechen“ in Stralsund, von dem der

evangelische Prediger Johann Berckmann in seiner Chronik

berichtet, läutete die Reformation in der hiesigen Region ein.

Und die Rüganer machten es dem Stralsunder Vorbild nach:

„Man sieht noch heutiges Tages in Rügen, wie den Bildern

der Heiligen an vielen Orten gewaltthätige Hände angelegt

worden, indem das hölzerne Crucifix, so vormals mitten in der

Kirche gestanden, abgebrochen und weggeschafft worden.“,

schrieb Wackenroder zum Ende des 18. Jahrhunderts. Es

war zum Zeitpunkt der Ereignisse in Stralsund ja noch nicht

abzusehen, in welche Richtung sich das weitere Geschehen

entwickeln würde. Aber offenbar hatten die Nonnen eine

düstere Ahnung und ließen sich im Februar 1525 alle ihre

Besitzungen und Ansprüche von den pommerschen Herzögen

Georg I. und Barnim IX. noch einmal bestätigen. Vier Monate

später erschienen Gotke v. d. Osten sowie Wilken v. Platen und

inventarisierten im herzöglichen Auftrag die Klosterschätze

von Hiddensee und Bergen. Während sie einen Großteil der

Hiddenseer Kostbarkeiten in Verwahrung nahmen, weigerten

sich die Bergener Nonnen, auch nur ein Stück herauszugeben.

Der reformatorische Geist breitete sich allmählich im Lande

aus und war 1534 Hauptpunkt des Landtages zu Treptow an

der Rega, der im Streit auseinanderging. Man hatte sich zwar

lediglich auf die Durchführung von Visitationen und der Aus-

arbeitung einer neuen Kirchenordnung einigen können, aber

die Entwicklung war unumkehrbar.

11 - Christina von Gottes Gnaden der Schweden, Goten und Wenden Königin etc. lautet die abgekürzte Titulatur unter diesem

Portrait jener interessanten schwedischen Regentin. Die Tochter Gustav II. Adolfs wurde 1626 geboren und folgte ihrem Va-

ter 1632 im Amt. Die kluge Frau genoß eine umfassende Ausbildung und stand im Briefwechsel mit Descartes, den sie 1649

an ihren Hof zog. An sie wandten sich die Bergener Nonnen hilfesuchend und wurden bitter enttäuscht. Statt den Damen

aufzuhelfen, zog Christina die klösterlichen Einkünfte an sich. Zum Trost erhielten sie die gedruckte Bibel, die im Museum

Bergen gezeigt wird. Christina dankte 1654 ab, konvertierte zum katholischen Glauben und hielt am 23. (!) Dezember 1655

offiziell Einzug in Rom. Für diesen Anlass hat der Bildhauer Bernini die Fassade des Tors Porta del Popolo neu gestaltet, be-

grüßten die „Königin ohne Reich“ Papst und Kardinalskollegium. 1689 starb Christina und erhielt in der Krypta St. Peter ihr

Grab in direkter Nachbarschaft der Päpste.

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12 - Expektanzbrief + 13 - §§ 28ff.

Der Verweis auf den Paragraphen 29 der Klosterordnung in diesem Expektanzbrief bezieht sich auf die Klostersatzung vom

Jahre 1884, aus dem die entsprechende Passage genommen ist.

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14 - Charlotte Juliane v. Usedom wurde am 18. Oktober 1792 geboren. 1827, mit 35 Jahren,

wurde sie als Konventualin in das Kloster eingeführt. 73jährig übernahm die die Regent-

schaft des Klosters, das sie bis zu ihrem Tode am 21. November 1889 als Priorin führte. Zu-

sammen mit dem Klosterfräulein Bertha v. Smiterlöw richtete sie 1886 eine „Kleinkinder-

schule, vornehmlich für Kinder der ärmeren Klassen“, das nach ihr benannte „Julienstift“

ein.

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Im folgenden Jahr legte Johannes Bugenhagen die gewünsch-

te Kirchenordnung vor, von der heute übrigens nur noch ein

einziges gedrucktes Exemplar erhalten ist. Und bevor im sel-

ben Jahr das Bergener Kloster visitiert wurde, trafen schon

zwei evangelische Geistliche in Bergen ein. 1535 wurde wie-

der eine Bestandsliste aufgestellt und der Großteil der Schätze

dem Kloster genommen. War das das Ende? Der Roskilder Bi-

schof konnte trotz aller Bemühungen nichts mehr für sie tun,

das Mönchskloster Hiddensee wurde 1536 aufgehoben. Die

Nonnen durchlebten eine höchst unsichere Zeit und machten

ihrem Ärger auch dadurch Luft, dass sie den evangelischen

Pfarrer Johannes Hähn regelmäßig mit Steinwürfen von der

Kanzel vertrieben, so dass der Gottesdienst der Gemeinde

zeitweilig auf dem Kirchhof abgehalten werden musste. 1539

kam es zu einer wirklichen Neuordnung der Finanzen der im

Kloster beheimateten geistlichen Institute. Die Einkünfte der

Brüderschaften und Vikarien sowie die Benefizien wurden

verzeichnet. Die Einkünfte wurden zwei Kassen zugeordnet,

dem Armen und dem Reichen Kasten, und die künftige Ver-

wendung der Gelder so geordnet, dass aus den Mitteln des

Reichen Kastens die Gehälter der Geistlichen und des Schul-

meisters bezahlt werden, während der Arme Kasten für die

Sozialfürsorge bestimmt war. Die Unsicherheit für die Nonnen

blieb bestehen, auch als sich die beiden Herzöge Philipp I. (als

Nachfolger Georgs I.) und Barnim IX. 1541 darauf einigten,

dass sie „gewilliget waren, 5 bisherige Nonnenklöster ihrer

Lande, nemlich zu Bergen auf Rügen, Stolpe, Marienfließ,

Verchen und Colberg zu erhalten.“ Der Augsburger Religions-

frieden von 1555 berechtigte nämlich die Landesherren, die

Klostergüter einzuziehen, was auch der Landtag von 1556

anerkennen musste. Als sich Herzog Philipp I. in eben diesem

Jahr für 15 Tage in Bergen aufhielt, wird der rügensche Adel

sicher zugunsten des Bergener Nonnenklosters, in dessen un-

mittelbarer Nachbarschaft er im Propsteigebäude logierte,

interveniert haben. Halbwegs mit Erfolg, denn 1560 wurden

für die fünf ausersehenen Nonnenklöster Vorschriften erlas-

sen, die sich von den bisher geltenden Regeln nicht wesentlich

unterschieden. Es brauchte noch eine quälend lange Zeit, ehe

endlich feststand, dass Bergen zusammen mit Marienfließ und

Kolberg als Damenstift erhalten blieb, während Verchen und

Stolpe trotz aller vorherigen Beteuerungen aufgehoben

wurden.Da war es noch das sprichwörtlich kleinere Übel, dass

1573 der klösterliche Besitz eingezogen und in das Domanial-

Rentamt Bergen verwandelt wurde. Damit war dem Kloster

die wirtschaftliche Basis entzogen, war es seitdem von der

Gnade der jeweiligen Landesherren abhängig, die bei allen

individuellen Besonderheiten eines einte: die permanente

Geldnot. Herzog Philipp Julius hielt sich bei den Ausgaben

nicht zurück, 1611 wurde sein Schloss in Bergen vollendet und

mit einer kompletten Hofhaltung versehen, um die zahlrei-

chen Aufenthalte des Herzogs vor Ort so angenehm wie mög-

lich zu gestalten. Die Verleihung des Stadtrechtes an Bergen

im Jahr 1613 markiert ein Zwischenhoch, das mit dem großen

Stadtbrand von 1621 abrupt endete. Von nun an folgte für vier

Jahre Unglück auf Unglück: 1626-30 die Pest und fast zeit-

gleich die Besetzung durch kaiserliche Truppen. Mit den Ver-

wüstungen und Plünderungen während des Dreißigjährigen

Krieges taumelte das Kloster aus der eben glücklich überstan-

denen Krise in die nächste. Ihrer wertvollen Schätze beraubt

und von auskömmlichen Einkünften abgeschnitten, wandten

sich die Nonnen 1641 hilfesuchend an die schwedische Besat-

zungsmacht. In einer Bittschrift an die schwedische Königin

Christine verwiesen sie auf ihre ehemaligen Einkünfte und

weckten dadurch erst neue Begehrlichkeiten. Als die Königin

1654 dem Thron entsagte, verfügte sie über die Klosterein-

künfte als persönliche Leibrente. Davon ungerührt verlangte

der in Stralsund residierende schwedische Kommandant im

Jahr 1664 von den Nonnen die Türkensteuer, wovon sie nur

durch die Intervention seitens des Freiherrn v. Putbus befreit

wurden. Der allgemeine Niedergang spiegelte sich mit einer

geradezu symbolischen Würde in den repräsentativen Bauten

wieder: Die Kirche wies massive Schäden auf, das Klosterge-

15 - Ida v. Kahlden wurde am 27. August 1816 geboren. 1873 wurde sie 57jährig Konventualin, fünf Jahre

später in das Kloster eingeführt. Nach dem Tode der Priorin Charlotte Juliane v. Usedom 1889 folgte sie

ihr im Amt. Sieben Tage vor ihrem 87. Geburtstag verstarb sie im Jahr 1903.

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Geschichte

Abriss der Geschichte des Klosters 15

bäude verfiel, ebenso das seit dem Tod Herzog Philipp Julius’

verwaiste Schloss. Um die Präpositur auszubauen, sollten

„Mauer- und Dachsteine von den alten Kloster- und Schloss-

gebäuden genommen werden“, wurde 1666 empfohlen. Zu

dieser Zeit lebten mehrere der Stiftsdamen in Bergen zu Mie-

te, während für die anderen die Familien kleine Häuser auf

dem Klostergelände errichtet hatten. Nach mehrjährigen Ver-

handlungen auf ritterschaftlichen Konventen Rügens wurde

1732 der Neubau der Stiftsgebäude beschlossen. Ein Jahr

später war das mittlere Gebäude fertig, 1736 der erste Flü-

gel. Der noch fehlende Flügel, der die Anlage komplettiert

hätte, wurde aus Geldmangel nicht in Angriff genommen.

Die Kuratoren des Damenstiftes versuchten durch äußerste

Sparsamkeit die dafür nötigen Finanzen zu erwirtschaften,

wobei auch notwendige Reparaturen immer wieder hinaus-

geschoben wurden. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erreich-

ten die ersten Ausläufer der Napoleonischen Kriege die Insel,

1807 wurde ein Flügel des Klosters geräumt und zum Hospi-

tal umfunktioniert, gefangene „Italiener unterhielten durch

ihren Gesang, den sie besonders abends auf dem Kirchhofe

ertönen ließen.“, wie der Zeitgenosse dieser Geschehnisse, C.

F. Droysen in seiner Bergener Chronik berichtete. Es war dies

die romantische Seite eines noch ferngeglaubten Krieges.

Die Schweden kapitulierten wenig später und zogen sich

von der Insel zurück. Droysen: „So schlug denn am 15. Sep-

tember, mittags 1 Uhr die Stunde, in der wir die ersten

Feinde in Bergen einziehen sahen. Es waren 250 bayrische

Reiterei mit grünen Uniformen und blanken Helmen.“ Rügen

sah in rasch wechselnder Folge Truppen aus fast allen Teilen

Europas, die alle auf Kosten der Bevölkerung verpflegt und

untergebracht werden mussten. Und das „Adlige Kloster“

diente neben dem Schulhaus und dem Breitsprecherschen

Haus an der oberen Dammstraße als Lazarett. Nach Kriegs-

ende erholte sich das Land allmählich, an Neubauten war in

dieser Situation nicht zu denken. 1859 schauten die Verant-

wortlichen der Realität ins Auge und legten den geplanten

Bau des dritten Flügels endgültig zu den Akten. Sie be-

schlossen, „dass man jährlich je nach den vorhandenen

Mitteln eine oder zwei Wohnungen in Angriff nahm“, um so

die inzwischen über 100 Jahre alten Gebäude wieder in ei-

nen akzeptablen Zustand zu versetzen. Es waren kleine Ver-

änderungen, die das Leben im Damenstift Schritt für Schritt

erleichterten und die im Memorabilienbuch des Klosters

verzeichnet worden sind. Seit 1869 erleuchten drei Petro-

leumlaternen an den dunklen Winterabenden den Kloster-

hof, dreißig Jahre später wurde der Klosterplatz „elektrisch

erleuchtet“. 1873 wurden dort die oft befahrenen Partien

gepflastert, „da bei großer und anhaltender Nässe eine Pas-

sage für Damen nur durch Legung von Brettern und Steinen

zu ermöglichen ist.“ 1876 entstand auf Initiative der Priorin

Juliane von Usedom ein Springbrunnen, für den sie 1.200

Mark aus eigenen Mitteln hergab. Juliane von Usedom hatte

1886 mit Unterstützung des Klosterfräuleins Bertha von

Smiterlöw eine „Kleinkinderschule, vornehmlich für Kinder

der ärmeren Klassen zu unentgeldlicher Benutzung“ einge-

richtet, das „Julienstift“. Es war eine geruhsame, zufriedene

Zeit. Für das Jahr 1907 wurde notiert: „Anfang Jan. ließ die

Kälte nach, dafür kam Schnee mit Regen, in der Nacht über

war Frost, so dass die Glätte geradezu lebensgefährlich ist.

Julie Platen ist recht krank. Im Kloster fast gar kein Leben u.

Verkehr. Einem sehr kalten nassen Sommer folgte ein herrli-

cher Herbst. Trotzdem trugen einige Stämme der neu ange-

pflanzten Obstanlage sehr nett. Der Ostern neu gekommene

Pförtner Carls ist besser auf dem Posten als sein Vorgänger.

Anna Kahlden kommt nicht von ihrem Zimmer. Verbesserun-

gen unterblieben ziemlich in diesem Jahr.“ Zwölf Jahre spä-

ter, 1919, klang der Eintrag so: „Der Sommer war sehr unbe-

ständiges Wetter, die Ernte sehr schwierig teils durch die

Leutenöte, dann viel Regen, aber trotzdem viel Futter. Im

Kloster nichts Besonderes vorgefallen. Im Herbst wurde

doch eine große Veränderung im Kloster indem die untere

Wohnung von Fräulein Julie von Barnekow von einem Ehe-

Geschichte

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paar belegt wurde, Zwangseinquartierung, Herr Krause der

von der Wohlfahrtsgesellschaft angestellt ist, angenehm

ruhige Leute. Ende Oktober wurde es schon winterlich kalt,

es hatte im Klostergarten viele Birnen gegeben. Im Novem-

ber war schon Eis u. Schnee, den 1ten zog Fräulein Mau in

die untere Wohnung von Fräulein von Kahlden(Anna). Bei

Fräulein Johanna von Richter war eine Kurländerin Baronin

Wolff viele Monate als Flüchtling.- Große Kohlennot, u. Holz

sehr teuer. Viele Damen froren sehr.“ Die Zwangseinquartie-

rungen dauerten übrigens bis 1922. Das Memorabilienbuch

sollte in erster Linie die Nachrichten sammeln, die unmittelbar

mit dem Damenstift im Zusammenhang standen. Aber immer

hartnäckiger pochten die äußeren Ereignisse gegen die Klos-

termauern. „Man kann immer nur danken so geborgen in

seinem Alter im Kloster leben zu können u. niemals einsam

dadurch ist.“ Der Satz von 1936 klingt wie ein seufzendes

Gebet, das 1942 einem Lagebericht Platz machte: „In Bergen

sind viele Neubauten entstanden, die militärischen Zwecken

dienen, sowie Wohnungen für die Angehörigen der Marine,

die hier ihren Standort hat. Wir sind umgeben von Bunkern,

Munitionslagern, Flugplätzen. Die feindlichen Bomber flie-

gen bei Tag und Nacht über uns, der Luftschutz ist immer

auf der Wacht und trifft seine Vorkehrungen, aber bis dahin

hat uns noch keine britische Bombe heimgesucht, und wir

können noch ruhig schlafen.“ 1945 war der Krieg zu Ende:

„Erschreckend schnell rücken die Russen vor und kommen

uns immer näher. Am 4ten Mai kamen sie nun sogar nach

Rügen. Immer hatten wir gehofft Rügen würden sie unge-

stört lassen. Voll Angst sahen wir sie kommen und überall

wurde die weiße Fahne gehißt; denn zum Glück hatten die

Behörden beschlossen, die Insel kampflos zu übergeben.

Unsere kleine militärische Besatzung konnte das Reich auch

nicht retten. Eines Tages sahen sie sich unser Kloster an und

am 14. Mai kam dann auch der Räumungsbefehl. Am15ten

Mai 10 Uhr mussten wir raus sein.“ Die russischen Truppen

versahen die Klostermauer mit Schießscharten, um sich in

der kleinen Festung gegen befürchtete Angriffe von Wer-

wolfgruppen verteidigen zu können. Die russische Besatzung

wechselte, die Räume verwahrlosten, das Mobiliar ver-

schwand. Über die Not des Augenblick hinaus viel ärgerli-

cher ist der Verlust des kompletten Klosterarchives, das, in

seine Bestandteile aufgelöst, über die Straßen wehte. „Wir

sind nun ein Jahr hier in der Superintendantur und es ist

keine Aussicht, dass wir bald wieder ins Kloster können.“

Gustav Frhr. v. der Lancken-Wakenitz machte zum 18. Janu-

ar 1958 den letzten Eintrag in das Memorabilienbuch: „Alle

ehemaligen Klosterdamen sind nun verstorben.“ Nach dem

Abzug der russischen Truppen wurde das Kloster von Kriegs-

flüchtlingen aus dem Osten in Beschlag genommen. Die

Bewohner wechselten, die grundsätzliche Nutzung aber als

Wohnanlage blieb erhalten. Schon 1947/48 gab es zwar eine

Übereinkunft zwischen der Kirche, der Stadt Bergen und der

Landesregierung, das ehemalige adlige Damenstift unter

dem etwas sperrigen Titel „Stiftung altes Kloster zu Bergen

auf Rügen“ als ein Altersheim zu nutzen. Diese Idee ist aber

nie zur Ausführung gekommen, im Gegenteil, die Bewohner

des Klosterhofes waren in der Regel jung und bildeten stets

ein buntes soziales Gemisch. Die Stadt hatte sich nie für die

Erreichung des Stiftungszweckes engagiert, und die Kirche

als alleiniger Träger wäre mit den wirtschaftlichen Belas-

tungen überfordert gewesen. Folgerichtig wurde die Stif-

tung gegen Ende der DDR, das in dieser Zeit noch nicht ab-

sehbar war, aufgelöst. Die beiden Stiftsgebäude gingen in

städtisches Eigentum über. Klaus Ewert, der ehemalige Su-

perindentent in Bergen, schloss seinen Abriss über die Ge-

schichte des Klosters mit den Worten: „Auch in erneuerter

Gestalt möge es ein Ort des Friedens sein.“