Entwicklungsmethodik nach Pahl und Beitz und Design Thinking-Vergleich und Einordnung
Worte und Taten2014
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Worte und Taten. Politische Motive bei Platon und Thukydides
Von Chiara Colli Staude ∗
Wer eine gewisse Unmittelbarkeit des Verständnisses von Platons Philoso-‐phie zumindest beabsichtigt, sollte versuchen, sie vor dem geistigen Hinter-‐grund seiner Zeitgenossen und Vorläufer, einschließlich der »Historiker« und der Tragiker, hervorzuheben. Diese Herangehensweise verhilft dazu, tiefer in das Verständnis der Bedeutung und auch der Aktualität dieser Phi-‐losophie vorzudringen. deshalb ist hier, da der ethisch-‐politische Aspekt, ein vergleich mit Thukydides angebracht, Dies bedeutet, neben Platons En-‐gagement für die Erziehung der Jugend, neben seinen Theorien und Uto-‐pien,1 hauptsächlich seine konkrete Haltung gegenüber der Praxis zu be-‐leuchten, wovon der Siebente Brief (die einzige Schrift in der Platon im ei-‐genen Namen spricht) ein spätes und sehnsüchtiges Zeugnis ablegt. Platon gleicht einer zweiköpfigen Herme: Für jedes, das er aufdeckt, ver-‐
birgt er etwas anderes. Als Philosoph sucht er, wie Parmenides, etwas Wah-‐res, Festes; aber Widersprüche schrecken ihn nicht. Eines seiner Gesichter wendet sich den antiken Weisen und ihrer Weltanschauung zu, das andere überträgt durch das eigene philosophische und literarische Werk seine Ge-‐danken in Richtung des »Neuen«. Sein Erscheinen bezeichnet einen neural-‐gischen Übergang. Hinter ihm steht das große Ereignis des von Athen verlo-‐renen Krieges, der Untergang eines »Mythos«. Er spricht nie direkt davon,2 aber das ist sein politisches Schlüsselerlebnis – und das gilt umso mehr für
∗ Diese Studie ist erschienen in: Gregor Fitzi (Hrsg): Platon im Diskurs. Beiträge des Istituto Italiano per gli Studi Filosofici. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2006, S. 111-‐146. In der vorliegenden Transkription wurden die Original-‐Seitenzahlen beibehalten. 1 Es ist bekannt, dass K. R. Popper, vor allem in seinem Werk The Open Society and its Ennemies (1945), neben seiner Kritik an faschistischen und marxistischen Überzeugungen, sich haupt-‐sächlich mit Platons »autoritären Herrschaftsgedanken« im Staat und mit seiner anwachsenden Abneigung gegen den Individualismus« auseinandersetzt. Popper meint, in einem Staat wie dem von Platon hätte es Sokrates noch schwerer gehabt. Das Ganze gibt viel zu denken, man darf aber nicht vergessen, dass vieles in Platons Politeía ein Gedankenexperiment und eine dramati-‐sche Zuspitzung der Argumente ist. Schon Aristoteles im 2. Buch der Politik ist vielen Aspekten ist vielen Aspekten der Politeía Platons gegenüber kritisch, z. B. was die Relation Familie-‐Staat-‐ Einzelner anbelangt. 2 Andeutungen an den Krieg finden sich in Platons Staat, 2, 365d-‐366a (diese Stelle scheint die Lektüre von Thukydides 8, 54 und 8, 66 vorauszusetzen), sowie in 373d-‐e und weiter im Timaios, 19a-‐20e, und in den Gesetzen, 626b-‐627c.
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den keine dreißig Jahre älteren Thukydides, der aktiv am Krieg teilnahm und ihn zum Gegenstand seiner Untersuchungen machte. Platons ethisch-‐moralische Spekulation der sokratischen Dialoge und der
ersten Bücher des Staates ist auch eine Reaktion auf dieses Erlebnis. Es ist die menschliche Seele, lässt Platon den Sokrates sagen, die, da sie verdor-‐ben war, zusammen mit der korrupten Stadt zugrunde ging und mit ihr zu neuer Ordnung zu erziehen ist.3 Die tiefgreifenden Umwälzungen jenes pa-‐radigmatischen Krieges – »des größten jemals geschehenen« – wurden da-‐gegen von Thukydides auf objektive Art, man kann sagen mit beinahe wis-‐senschaftlicher Absicht, analysiert. Thukydides war ein den Ereignissen verpflichteter Historiker, der jedoch in gewissem Sinne auch eine philoso-‐phische Erkenntnis suchte: die Fixierung bleibender, wahrhaftiger werte in den Phänomenen. In den Jahrzehnten des Übergangs von 5. zum 4. jahrhundert festigt sich
eine Zäsur im Denken, ein Bruch zwischen den Generationen.4 Mit der wachsenden Zahl der »Sophisten« 5 und Logographen lässt sich auch die Kluft zwischen Denken und Handeln immer schwieriger überbrücken. Die Großartigkeit von Politikern, die unmittelbar aus dem Denken heraus han-‐delten, verschwindet beinahe. Es beginnt ein umfassendes theoretisches Überdenken der Vergangenheit und die Suche nach absoluten Maßstäben zu ihrer Beurteilung. Juristische Formeln werden fixiert, es wird über die Verfassungsform spekuliert. Einerseits beginnt eine moralistische Suche nach Sündenböcken, andererseits wird die Vergangenheit verklärt. Sokra-‐tes hatte sich noch als tapferer Krieger verhalten und war in seiner Art in mancherlei Hinsicht den alten Weisen (sophoí) ähnlich, auch wenn Aris-‐tophanes ihn als sophistés sieht. Er hat außerdem wahrscheinlich deshalb kein Wort geschrieben, weil er der Kultur der Mündlichkeit noch verbun-‐
3 Über die »üppige Stadt« vergleiche Platons Staat 2, 372d-‐373c. 4 Der thukydidäische Perikles in der Grabrede spricht noch am Anfang des Krieges von der Kon-‐tinuität dreier Generationen (Thuk. 2. 36) 5 Sophistés ist ein vielseitiger und verschwommener Begriff. Die meisten Sophisten kommen von außen nach Athen in der Zeit seiner Blüte. Es gibt zwei Generationen von Sophisten Der ersten gehörten Persönlichkeiten wie Protagoras und Gorgias an, die humanistische Fähigkeiten, eine starke dialektische und rhetorische Begabung und ein großes Talent zur Kommunikation besit-‐zen – wenn auch gegen Geld. Die zweite Generation, mit der Platon hauptsächlich zu tun hatte, zeigt eher schwache Seiten. Man kann die Sophisten nicht in einer einheitlichen Schule zusam-‐menfassen. Ziemlich einheitlich und negativ wurden sie dagegen von Platon wahrgenommen, der sie aus der Philosophie ausschließen wollte. (Andererseits wissen wir sehr viel von ihnen gerade durch Platon.) Vgl. auch B. H. F. Taureck, Die Sophisten. Junius Verlag, Hamburg 1995, S. 12.
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den war. Mit Platon dagegen kann man die »moderne«, mittelbare und viel-‐schichtige Kultur beginnen lassen, die auf dem geschriebenen Wort ge-‐gründet ist. Mit der genialen Erfindung seiner Dialoge beginnt die Philoso-‐phie – und sie beginnt als Literatur.6 Das Problem des menschlichen Handelns, der vita activa, das nach Han-‐
nah Arendt und Heidegger 7 noch tiefgehender untersucht werden sollte, ist bereits das zentrale, wenn auch wahrscheinlich unlösbare Problem des Thukydides. Mit dem Handeln und dem Verhalten des Menschen ist die Wertung von Gut und Böse, die Frage der Gerechtigkeit verbunden. Ist dies ein Problem der Menschen allein, oder auch der Götter? Nach Nietzsche gibt es gar keine moralischen Phänomene. 8 Mit anderen Worten: Das Problem der Moral hat keinen »metaphysischen« Ursprung. Damit scheint Heraklit übereinzustimmen, wenn er sagt: »Schön vor dem Gott sind alle Dinge, aber die Menschen haben einige gerecht geheißen, andere ungerecht«.9 Alles, was heute in philosophischem Kontext üblicherweise als ethisch-‐
politische Frage bezeichnet wird, ist jedenfalls keine plötzliche Erfindung von Sokrates oder Platon. Vielmehr bildet sich diese Frage aus und ver-‐zweigt sich bereits in den vorangehenden Jahrhunderten. Es wäre interes-‐sant zu untersuchen, worin sich die Ethik (oder Moral) der Philosophen von
6 Auch Isokrates, der seine Lógoi aus äußerlichen Gründen zu schreiben anfing, nennt die eher praktischen als theoretischen Bemühungen und politisch-‐panhellenischen Ideale seiner Schule »philosophía« (15, 160 ff., 270 ff.). Außerdem gab es neben Platon viele andere »Sokratiker«, wie z. B. Xenophon, Aischines und Anthistenes, die mit sokratischen Dialogen auf das Nicht-‐Schreiben des Sokrates reagierten. Über Philosophie vgl. G. Colli, Die Geburt der Philosophie, Frankfurt a. M. 1990. Darüber auch: die Mündlichkeit der sophía und die Schriftlichkeit der Phi-‐losophie vgl. G. Colli, Die Geburt der Philosophie, Frankfurt a. M. 1990. Darüber auch: E. Havelock, Preface to Platon, Cambridge 1963. 7 »Wir bedenken das Wesen des Handelns noch lange nicht entschieden genug«: Heidegger, Brief über den Humanismus, 1946. Motto des Buches Geschichtsprozesse und Handlungsnormen von R. Bubner, Frankfurt 1984. 8 Nietzsche, Werke, Kritische Gesamtausgabe (G. Colli, M. Montinari, Hrsg.), W. De Gruyter, Ber-‐lin. VI. 2, JGB, 108, S. 92, VII, 2, 25[522]: »Die Welt des Guten und Bösen ist nur scheinbar«, IV, 1, 3[49], MA I, 92. 9 Auch G. Colli, La sapienza greca III, Adelphi, Milano 1980: SG 14[A 119]. Ich gebe hier meine deutsche Übersetzung des Fragmentes an und ziehe diese Überlieferung des textes vor. (Aber vgl. auch H. Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, hrsg. von W. Kranz, 3 Bde., VIII. Aufl., Berlin 1956: DK 22 B 102: »Für Gott ist alles schön und gut und gerecht; die Menschen aber haben das eine als ungerecht, das andere als gerecht angenommen«.
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einer vorphilosophischen Ethik unterscheidet.10 Schon Hesiod, Solon, Aischylos 11 sprachen von Gerechtigkeit, und Theognides bot traditionelle gnómoi über das menschliche Verhalten. Die olympische »Religion«, die, wenn auch zusammen mit anderen Kom-‐
ponenten, in wesentlichen Zügen noch bis ins 5. Jahrhundert gültig blieb,12 war in gewissem Sinne der Ausdruck einer Harmonie zwischen der menschlichen Natur und der Gerechtigkeit, dem Gesetz.13 Solche Harmonie sollte aber nicht von Dauer sein,. Die Betonung des Individuums, die Ratio-‐nalität, die entweder nur zerstören, oder nur retten will, das zerfallen der Sakralen Werte, führt zu einem offenen Konflikt zwischen physis und nómos.14 Dieser Konflikt ist im Keim schon in der aufgeklärten Welt des Pe-‐rikles vorhanden, auch wenn Perikles die menschliche Natur nicht über die Gesetze und die Tradition erheben wollte. In jener Epoche kann man beina-‐he von einer Staatsreligion reden, aber die gesetze werden zu Fesseln für den, der, wie der Sophist Antiphon, die menschliche Natur als frei erklärt. Was aber ist unter der »menschlichen Natur« zu verstehen? Noch kurz zur Religiosität, oder besser Sakralität: Keiner der griechi-‐
schen Götter, nicht einmal Zeus oder Apoll, ist im Sinne der monotheisti-‐schen Religionen unfehlbar oder vollkommen gut (eine Tendenz in dieser Richtung besteht eher für den »Gott der Philosophen«, angefangen bei Xe-‐nophanes). Es gab keine religiösen Gebote, kein Dogma, keine Offenbarung, und das Verhältnis Gott-‐Mensch war relativ frei. der Mensch wird von dem Gott in Bezug auf die Erkenntnis herausgefordert, zum Beispiel mit dem Orakel oder mit dem Rätsel (ainígma). Solche Herausforderung setzt sich in Form des echten, nicht fingierten Diskurses, der Dialektik, zwischen den sophoí fort. Nach der Interpretation des italienischen Philosophen Giorgio Colli ist der lógos ursprünglich der Ausdruck einer komplementären Intui-‐tion. Nur wenn diese Komplementarität ausfällt, wird die Rationalität (mit Gorgias) nihilistisch, und dann, im Gegensatz dazu, nur optimistisch. Das
10 O. Gigon, Aristoteles, Die Nikomachäische Ethik. Einführung, S. 55 ff.. dtv, München 1991. 11 Die einzige von Aischylos erhaltene Trilogie, die Orestie, ist oft als Theodizee mit politischen Implikationen interpretiert worden. 12 Über religiöse Aspekte der zeit vgl. W. D. Furley, Andokides and the Herms. A Study of Crisis in Fifth-‐century Athenian Religion. Inst. of Class. Studies, School of Advanced Studies, London 1996, Kap. 5, S. 74 ff.. 13 Es würde zu weit führen, wollten wir das Thema hier vertiefen und die verschiedenen Bedeu-‐tungen verfolgen, welche das Wort nómoi (die Gesetze der pólis), oder nómos (das ungeschrie-‐bene Gesetz), oder Pindars nómos basiléus – der sich mit Zeus identifiziert – annehmen kann, bis es schließlich als rein moralisches Gesetz empfunden wird. 14 Die Frage des Verhältnisses zwischen physis und nómos wird schließlich von Aristoteles in seiner Nikomachischen Ethik aufgenommen und systematisiert.
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Verhältnis Gott-‐Mensch wurde dann von den Tragikern jedes Mal aufs Neue aufgestellt, indem man die Vielfalt der Mythen und Symbole in verschiede-‐ner Weise akzentuierte.15 Man könnte also in der vorplatonischen Zeit – was die Ethik betrifft – e-‐
her von einer unreflektierten Selbstverständlichkeit als von einer bewuss-‐ten Problematik oder einem rationalistisch begründeten System reden. Die-‐se Selbstverständlichkeit war mit dem Begriff der areté verbunden, solange die areté nicht nur moralische Tugend bedeutete, sondern eher natürliche Exzellenz, die sich in Taten äußert.16 Langsam wird aber die areté verinner-‐licht, bis sie die moralische Bedeutung, die Platon Sokrates in den Mund legt, annimmt. In Platons Dialogen lassen sich die Stufen einer hedonisti-‐schen, »sophistischen« Ethik und einer Ethik des Stärkeren, die an eine mächtigen Individualismus anknüpft, verfolgen, und, dem entgegengesetzt, die Reaktion des Sokrates, der nach einem Guten und gerechten strebt.17 Aber auch unter den Sophisten, von denen Platon einige so negativ beur-‐teilt, hatte ein ähnlicher Prozess begonnen. Der Ausdruck des tragischen Sinns des Daseins geht verloren. Das Gerechte identifiziert sich mit dem gu-‐ten, und auf dieser Basis wird das Verhältnis zwischen physis und nómos ein moralisches – die menschliche physis wird gut.18
15 Neben der traditionellen Religion gab es auch Initiationen, Mysterien, die ihre Wurzeln zum Teil in der orientalischen Welt hatten. Einige davon, wie die dionysischen oder die eleusinischen, stellten für die Menschen eine freie Möglichkeit dar, das Göttliche in sich selbst – in diesem leben oder nach dem Tode – zu erfahren. 16 O. Gigon, Aristoteles, Die Nikomachische Äthik, dtv, München 1991, Einführung, S. 61 ff.. 17 Nach O. Gigon, a. a. O., S. 65, würde Platon, z. B. im Gorgias, »nicht ohne Gewaltsamkeit die beiden sophistischen Formen der Ethik zusammenraffen, um sie zu bekämpfen… Aristoteles dagegen versucht, sie zu domestizieren.« Vgl. auch K. Popper, Contro Platone, Roma, 2001, S. 58-‐62: Popper meint, Platon würde im Gorgias, 482c-‐484a und in der Politeía, 358e ff., die These der «protektionistischen« Ethik sehr forcieren. (Solche »Ethik« betrachtet den Nutzen eines Kom-‐promisses, um sich nicht gegenseitig Unrecht zu tun. das Ganze gehört zu der Problematik der Spannung zwischen physis und nómos. Vgl. Arist. Pol. III, 1280 b.) 18 Vgl. C. Colli Staude, Alcibiade e Atene nel 411. Tesi di laurea, Università degli Studi di Firenze, Faciltà di Lettere Antiche (Relatore: Prof. P. Treves). Typoskript, Firenze 1971, S. 131 ff. In Prodikos und vor allem in Hippias und Antiphon kann man solche Gedanken über den Wert des natürlichen Rechts finden. Es wäre plausibel, eine Parallele zwischen der politischen Problema-‐tik der Zeit, Ende des 5. – Anfang des 4. Jh. v. Chr., mit der zersetzenden Wirkung des Krieges, und der ähnlichen Problematik der Soziologie und Anthropologie der ersten Hälfte des 20. Jh. (Spannung zwischen Natur und Konvention, von Max Weber bis Eric Vögelin und Leo Strauss) zu ziehen. Vgl. dazu M. Sattler, Naturrecht und Geschichte – Hans Kelsen, Leo Strauss und Eric Vöge-‐lin. In: W. Leidhold (Hrsg.), Politik und Politeia. Festgabe für J. Gebhardt. Würzburg 2000.
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Es ist also nicht angebracht, die Sophisten nur negativ zu bewerten: Sie zeigen einerseits zunächst große dialektische Fähigkeiten, andererseits stellen sie bereits solche ethisch-‐politischen Fragen, und Thukydides und Platon haben beide an dieser Bewegung teil, auch wenn sie zu eigenen Antworten kommen. Thukydides hat, noch stärker als Platon, alle Nuancen des Streits zwischen physis und nómos, zwischen Gerecht und Nützlich, zwi-‐schen Schwach und Stark direkt miterlebt. Seine Art der Darstellung will aber objektiv bleiben: Wie weit entsprechen die Taten den Worten? Er schildert und inszeniert in seinen Reden , ohne daraus ein System zu bauen (wie es später geschehen wird), diese Entwicklung, die schließlich in die Niederlage des Stärkeren – Athens – mündet. So begründet Thukydides durch die Erfassung und Deutung des Geschehens aus seinen inneren Be-‐dingungen und aus den Charakteren der Handlung heraus die pragmatische Geschichtsschreibung und liefert gleichzeitig die Grundzüge einer Anthro-‐pologie. Platon kannte höchst wahrscheinlich das Werk des Thukydides, auch wenn er dies nicht offen erklärt, und Thukydides zu kennen ist auch für das Verständnis Platons wesentlich.
1 Nach dieser Prämisse sollen nun zwei berühmte thukydideische Stellen eingeführt werden, die die oben vorgestellte Problematik verdeutlichen: der rhetorische Epitaphios des Perikles für die Gefallenen des ersten Kriegsjahres (431), der eigentlich ein Bild des demokratischen Lebens Athens und seines Regierenden bietet, und das fiktive Gespräch über das Schicksal der Stadt Melos im Jahre 416, das in den »entsetzlichen« Melier-‐Dialog (so nennt ihn Nietzsche)19 mündet. Dieser Dialog enthält eine selt-‐same Dialektik, weil das Ergebnis von Anfang an fest steht: entweder Skla-‐verei oder Ausrottung der Melier! Und trotzdem haftet den beiden sehr ver-‐schiedenen Argumentationen – die eine der Macht, die andere der Gerech-‐tigkeit, der Moral – eine tragische Spannung an. Es handelt sich um zwei
19 F. Nietzsche. Werke, W. de Gruyter, Berlin, IV/1, 6[32], und IV/2, MA I, 92: »in dem furchtbaren Gespräche«.
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strittige Stellen – beide sind spät datierbar, wahrscheinlich später als 404 v. Chr., und beide sind auf sehr verschiedene Weise interpretiert worden. Au-‐ßerdem fügt sich bei dem Historiker Thukydides jedes Detail in ein umfas-‐senderes Gewebe ein, das letztlich eine Vollständigkeit anstrebt, die aber erst durch die Kenntnis des gesamten (wenn auch nicht abgeschlossenen) Werkes deutlich wird. Grundsätzlich besteht die Frage, ob Thukydides eine komplementäre Rol-‐
le zu Platon spielen kann. Für Nietzsche ist Thukydides als Gegenmittel zum Platonismus und zu einer zu starken Idealisierung Platons geeignet.20 Durch Thukydides erfahren wir konkrete Details über die Figuren aus der zeit des peloponnesischen Krieges (wie z. B. Perikles und Alkibiades), die auch Pla-‐ton sehr beschäftigen. Platon lässt Trasymachos im ersten Buch des Staates und Kallikles im Gorgias Argumente vortragen, die wir schon im Melier-‐Dialog am Werk sehen. Die sophoí und die ersten Sophisten (und später auch noch die ersten
Philosophen) waren vielseitig. Solche Vielseitigkeit bezieht sich anschei-‐nend auf etwas ursprünglich Einheitliches: Privatleben, politisches Han-‐deln, Interesse für die physischen Phänomene und geistiges Wirken waren bei ihnen nicht so klar getrennt wie in späterer Zeit. Beispiel dafür sind So-‐lon, Gesetzgeber und Reisender zugleich, Parmenides,21 auch als physikós bezeichnet, Empedokles, der die Macht, die ihm die Agrigenter anbieten, ablehnt, oder auch der schon »aufgeklärte« Anaxagoras (der Ratgeber des Perikles) und Protagoras. Dennoch leben Thukydides 22 und Platon am En-‐de dieser Zeit, und ihre Gedankenwelt hat vieles gemeinsam. Beide leben in der aufregenden Welt der Sophistik: Selten ging es in der Geschichte so sehr um den Menschen wie in diesen Jahrzehnten. Nach Protagoras ist der Mensch das Maß aller Dinge – Protagoras schrieb auch eine Verfassung für die Stadt Thourioi in Süditalien und beschäftigte sich mit dem problem des Regierenden. Der Begriff sophistés hat am Anfang nur die Bedeutung von „kenntnis-‐
reich, erfahren“. Für Herodot 23 bedeutet sophistés das gleiche wie sophós in
20 Vgl. F. Nietzsche, Werke, VI, 3: Götzendämmerung, 2, S. 150: »Meine Erholung, meine Vorliebe, meine Kur vor allem Platonismus war zu jeder Zeit Thukydides. Thukydides und vielleicht der Principe Machiavells sind mir selber am meisten verwandt durch den unbedingten Willen, sich nichts vorzumachen und die Vernunft in der Realität zu sehen, nicht in der „Vernunft“, noch we-‐niger in der „Moral“…« 21 Auch Parmenides ist anscheinend gesetzgeberisch tätig gewesen. (Diog. Laert. 23) 22 Thukydides wurde um 460 oder 45 v. Chr. geboren und starb nach 404 v. Chr.. 23 Apud Aelius Aristides, II, 407, Dindorf.
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den verschiedenen Sphären, von der Physik bis zur Politik und zur logi-‐schen Ausdrucksfähigkeit, er nennt sowohl Solon als auch Pythagoras so-‐phistés. Erst in den Wolken des Aristophanes (423), und später in den pla-‐tonischen Dialogen und bei Xenophon und Aristoteles,24 kommen andere. eher negative Merkmale ans Licht.25 Im Jahre 427, während der Große Gor-‐gias aus Leontinoi, Dialektiker und Rhetoriker zugleich, der auch, wie Zenon, ein Schüler des Parmenides war, Athen besucht, findet in der Volks-‐versammlung die Debatte über das Schicksal der Mytilener statt; und in den Worten, die Thukydides dem Kleon bei seiner Rede vor der Volksversamm-‐lung in den Mund legt, werden die Sophisten auch als ästhetisierende Sit-‐tenverderber erwähnt. Die Bürger werden apostrophiert als »Zuschauer von Reden und Zuhörer von Fakten« und als »Bewunderer von Wander-‐rednern (sophistôn theataîs eoikótes)«.26 Viele der Sophisten benutzen eine raffinierte Rhetorik, die überzeugen
will. Sie schreiben auch fiktive Reden. Sie sind von der Politik beeinflusst und umgekehrt beeinflussen sie, mit ihren Reden, die Politik. Eines der größten Probleme des Thukydides ist die Frage, ob die Fakten (prágmata) den Reden (lógoi) entsprechen, oder nicht. Thukydides kritisiert den Miss-‐brauch der Verführung und Überzeugungskraft, andererseits verwendet er rhetorische Stilmittel in seinem Werk. Diesen Zwiespalt stellt er in dem ágon, in dem Kleon und Diodotos sich um die Bestrafung Mytilenes streiten, dar. Manche Sophisten meistern auch die ursprüngliche Dialektik, die auf die Eleaten zurückgeht und ganz anders ist als die spätere dialektische Be-‐lehrung Platons.27 Diese Art des Denkens kann sehr aufrichtig, skeptisch und kritisch sein und absoluten Werten, Ideologien und falscher Heuchelei
24 Xenoph. Cyn. 13.8; Aristoteles, Soph. el. 165 a21. Vgl. G. Colli, Gorgia e Parmenide, posthum erschienen, Milano 2003, S. 32. 25 Nach M. J. Finley, Das politische Leben in der antiken Welt, München 1986, S. 158, ist haupt-‐sächlich Platon für die historische Unwahrheit, die den Sophisten noch heute als Makel anhaftet, verantwortlich. 26 Thuk. 3, 38.4-‐7; vgl. auch den Prolog der Acharner des Aristophanes. 27 Vgl. G. Colli, Zenone di Elea, posthum erschienen, Milano 1998, S. 2-‐23, S. 27 ff. (über antike und moderne Dialektik, z. B. über Dialektik bei Aristoteles, Fsn. 11, S. 154), und Gorgia e Parmenide, a. a. O., S. 21-‐50. Bei Platon betreffen z. B. die folgenden Stellen die sophistische, dia-‐lektische Rhetorik über die synagogé und die diaíresis: Gorgias, 517a; Phaidros 277b5-‐c6, und Phaidros 265b3-‐5. J. Jung in ihrem Manuskript Thukydides und die Rhetorik seiner zeit im Melier-‐Dialog, Heidelberg 2003, S. 15, nennt die verschiedenen tópoi, die man in der Rhetorik an Ale-‐xander (IV. Jh. v. Chr.) und in Aristoteles, vor allem in seiner Rhetorik, wiederfindet.
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gegenüber befreiend – und davon hat Thukydides viel aufgenommen. So-‐phisten wie Antiphon sind menschlich und psychologisch sehr subtil. Er versucht mit seiner téchne alypía die Schmerzen der Seele zu heilen.28 Die Sophisten haben den Göttern gegenüber im allgemeinen eine agnostische Position. Einige von ihnen, nicht alle, zeigen einen ethischen Relativismus; die Relation zwischen physis und nómos ist ihr permanentes Problem; die physis ist an sich doppeldeutig, und es hängt davon ab, wie man sie defi-‐niert. Sie vertreten auch kühne Thesen über die physis des Menschen. Thukydides hat einiges mit ihnen gemeinsam, vor allem in den Themen und im Stil seiner Reden, und auch Platon, wie gesagt, lässt Kallikles und Trasymachos29 – die er trotz allem ernst nimmt – diese Thesen vorführen. Aber das verhältnis beider zu den Sophisten ist von ganz individueller
Art. Dasselbe gilt für ihre teilnahme an dem moralisierenden Prozess, den die zäsur des Kriegsendes im politischen denken der Besiegten auslöste.
2 Platon ist der erste Philosoph im eigentlichen Sinne,30 während Thukydides und Herodot die ersten eigentlichen Historiker sind, d. h. nicht nur Logo-‐graphen (und das, auch wenn Thukydides nicht das Wort Historie benutzt, sondern xyngraphé – Aufzeichnung). Beide, Thukydides und Platon, über-‐geben ihr Werk bewusst der Schrift, für ein Publikum, nicht von Zuhörern, sondern von Lesern, und das trotz der berühmten Klage Platons gegen die Schrift.31 Beide stellen sich uns als Literaten vor und in diesem Sinne kann
28 W. D. Furley, »Antiphon der Athener: ein Sophist als Psychotherapeut«. Rheinisches Museum für Klassische Philologie, 135, 1992, S. 198-‐216. 29 Kallikles ist eine der Hauptfigurenm im Gorgias, vgl. 481c ff.. In 482e-‐484 wird die Relation zwischen physis und nómos debattiert. Trasymachos spielt eine wichtige Rolle im ersten Buch des Staates. Platon bezeichnet seine techné als sehr raffiniert, aber er kritisiert sie (Phaidros 269d). Trasymachos ist mit Sicherheit eine historische Figur (Aristoteles, Soph. el. 183 b34). 30 Im ersten teil der Politeía (Buch VI) zeigt sich Platon der angeblichen ethisch-‐philosophischen Spekulation des Sokrates näher, während er im zweiten Teil eher kontemplative Eigenschaften, des Philosophemn, der als Liebender der sophía definiert wird, aufweist. 31 Platon, Phaídros 274e-‐276b; Siebter Brief, 344c-‐d. In seinen schriftlich fixierten exoterischen Dialogen stellt platon die verschiedenen Weltanschauungen seiner weisen Vorläufer der Öffent-‐lichkeit vor, während er, anders als Aristoteles, dem gesprochenen Wort die esoterischen ge-‐spräche unter Freunden anvertraut. Vgl. G. W. Most, »Pltons exoterische Mythen«, S. 15, in: M. Janka und C. Schäfer (Hrsg.), Platon als Mythologe. Darmstadt 2002.
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sich jeder von uns zu ihnen – durch ihre Schriften – noch einen eigenen Be-‐zug verschaffen. Dennoch ist das, was sie am meisten verbindet gerade das politische Element.32 Beide liebten, zumindest in ihrer Jugend, das menschliche Tun in der em-‐
pirischen Welt, in der gegebenen Realität. Auch Sokrates hatte prinzipiell nichts gegen das politische Handeln der jungen Leute.33 Erst später, nach seinem Tode, beginnt von Seiten der Sokratiker die Bemühung um seine totale Entpolitisierung; und seine Freundschaft mit Kritias und Alkibiades, die teilweise dämonisiert wurden, spielte dabei sicherlich eine Rolle. Am Anfang des Siebten Briefes 34 erzählt Platon in seinen alten Jahren von sich, als er noch jung und voll unmittelbaren Selbstvertrauens war, und das drückt er so aus: »Als ich noch jung war, ging es mir, wie es wirklich vielen zu gehen pflegt: Ich glaubte, ich würde mich, sobald ich volljährig geworden sei, sofort auf die Politik werfen«. Auch als der aristokratische Kritias, Pla-‐tons Onkel, am Ende des Krieges mit den Dreißig Tyrannen an die Macht kam, war Platon immer noch voller Hoffnung: »Darum verfolgte ich ihr Tun mit gespannter Aufmerksamkeit«. (Platon, 7. Brief, 324d) Und auch nach der Einführung der neuen Demokratie kann man in dem
Dialog Protagoras eine gewisse Selbstsicherheit der Praxis gegenüber er-‐kennen. Erst die Verurteilung des Sokrates zum Tode (300 v. Chr.) gab ihm mehr zu denken: »Als ich die politischen Menschen und die Gesetze erkann-‐te, kam es mir um so schwieriger vor, ein Staatswesen richtig zu führen. Denn ohne Freunde und zuverlässige Mitarbeiter schien mir dies unmöglich zu sein«. So kam er zu dem Schluss, dass nur die Gerechtigkeit und die Phi-‐losophie dabei helfen können: daher sollen entweder die Philosophen zu politischen regierenden werden, oder die regierenden zu Philosophen! (Pla-‐ton, 7. Brief, 326a-‐b) Dann folgen alle seine reisen, Sizilien – wo noch weise
32 Für J. P. Vermant, Die Entstehung des griechischen Denkens, Frankfurt a. M. 1982, vor allem S. 132-‐135, ist das politische Handeln schon sehr früh die hauptsächliche Arena des griechischen Denkens. 33 In Platons Gorgias, 521d, bezeichnet sich Sokrates als den einzig möglichen »Politiker« unter den Athenern. 34 Zur Authentizität und Bedeutung des 7. Briefes vgl. G. Colli, »Lo sviluppo del pensiero politico di Platone«, in: Nuova Rivista Storica XXIII, 1939, p. 169-‐192; K. v. Fritz, Platon in Sizilien, Berlin 1968, S. 35-‐62; H.-‐G. Gadamer, »Platos Denken in Utopien«, in: Wege zu Plato, Stuttgart 2001, S. 106 ff., auch in: Gesammelte Werke, Bd. 7, Mohr (Siebeck), Tübingen 1991, S. 278 f..
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Menschen, meist in der pythagoräischen Tradition, einige wenige Städte regieren –, seine erzieherischen Bemühungen um die mächtigen Tyrannen in Syrakus, die Suche nach dem aufgeklärten Monarchen, die Gründung der Akademie in Athen: Enttäuschungen und immer wieder der Mut von Neuem anzufangen, bis er schließlich in den Nómoi nicht mehr an die »Ideen«, son-‐dern wieder an die Tradition der alten Götter, Gesetze und Bräuche und an den Gott mit dem goldenen faden anknüpft.35 Einen analogen Prozess weist Thukydides als typisch für die Menschen
nach: Er stellt fest, dass den Menschen eben das immer am wichtigsten er-‐scheint, was sie im Augenblick erleben (in diesem Fall: der Krieg), um da-‐nach wieder die Vergangenheit zu bewundern. (I, 21.2)
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Die ersten Worte im Werk des Thukydides drücken jedenfalls noch ein starkes jugendliches Selbstbewusstsein aus: »Thukydides aus Athen hat den Krieg zwischen den Peloponnesiern und den Athenern beschrieben, wie sie ihn gegeneinander geführt haben. Er hat damit gleich bei seinem Ausbruch angefangen in der Erwartung, er werde größer sein und denk-‐würdiger als alle vorangegangenen«. (Thuk. 1, 1) Geboren in eine konservative Familie, der auch Kimon angehört, aber
Bewunderer des Perikles, handelt Thukydides früh, wird Stratege, und ver-‐folgt dann, seit 424 im Exil, die Handlung aus der Ferne.36 Er will das politi-‐sche Handeln in der Geschichte erkennen und die menschliche Natur ver-‐stehen, Platon dagegen die menschliche Seele, und, trotz seiner philosophi-‐schen Distanz, mit der Erziehung zur Gerechtigkeit, zum Guten – mit der paideía – auf das Politische wirken. der Historiker bleibt in der Immanenz der dóxa und sucht dort die Wahrheit: Die Realität ist nicht etwas, das schon a priori gegeben ist – man soll sie erschließen, ergründen, und auch das kann – auch bei dem Historiker – fast »metaphysische« Züge aufdecken.
35 Vgl. Nómoi, 644d-‐645c: Der Mensch wird hier metaphorisch wie eine Drahtpuppe in der Hand des Gottes gesehen. Er wird von verschiedenen Fäden hin und her gerissen. Aber der göttliche, goldene Faden ist der einzige, dem der Mensch nachgeben soll. 36 Es wird von den meisten Kritikern angenommen, dass Thukydides erst nach Ende des Krieges (404 v. Chr.) nach Athen zurückgekehrt sei. L. Canfora liefert in vielen seiner Schriften starke Argumente für eine frühere Rückkehr des Thukydides (411 v. Chr.). Er stützt sich dabei auf ein Zeugnis des Aristoteles. Vgl. L. Canfora, Il mistero di Tucidide. Milano 1992, S. 38.
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Schließlich verbindet die beiden auch der künstlerische Ausdruck. Beide polemisieren gegen die Dichter,37 aber sie wirken selbst als Künstler: Pla-‐ton, wenn er seine Gedanken inszeniert, wenn er neue allegorische Mythen erfindet oder Weltanschauungen anderer Denker (sophoí) präsentiert, Thukydides, wenn er den krieg, die kínesis (Aufruhr) mit Mitteln der Tragö-‐die plastisch in Szene setzt. Edgar Wind meint,38 dass Platons Schriften, ge-‐rade wegen ihrer Kunst, allen versuchen, sie als System zu interpretieren, widerstanden haben. Teil dieser künstlerischen, dichterischen Natur ist auch das gewicht, das Platon in seinen noch jugendlichen Dialogen, vor al-‐lem im Symposion und im Phaídros, dem erotischen Element und der göttli-‐chen Inspiration beimisst.39 Eros schlägt eine Brücke über die Kluft zwi-‐schen real und Ideal. Aber weder Platon, noch Thukydides haben einen unmittelbaren, »politi-‐
schen« Erfolg. Das Werk des Thukydides wird zwar von Xenophon und Kra-‐tippos fortgesetzt, er wird aber eher für seinen Stil geschätzt, und auch die lateinischen Historiker schätzen ihn später hauptsächlich dafür. Aus Pla-‐tons Akademie gingen eher Wissenschaftler als echte Politiker hervor. es ist wahr, auch das vielschichtige Denken selbst kann eine »Realität« entwi-‐ckeln, und die Akademie hat ein langes Leben gehabt, aber die Unmittelbar-‐keit des Handelns wird immer mehr zur Illusion: Im Mittelalter wird die Philosophie oft als eine nachdenkliche, alleinstehende Frau dargestellt. Ma-‐chiavelli ist der erste, der die gedankenlinie des Thukydides in ihrer Sub-‐stanz wieder aufnimmt. Auf einer ähnlichen Linie stehen Hobbes, Clause-‐witz und Ranke.
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Wenn wir mehr ins Detail gehen, finden wir auch gemeinsame Themen, wie z. B. das Naturgesetz des Stärkeren. (In den Thesen des Kallikles ist wahr-‐scheinlich eine gedankliche Gemeinschaft mit Alkibiades zu sehen, während die Argumente der Athener auf melos anonym bleiben.) Die Natur des Stär-‐keren behauptet sich, als ob sie ein Gesetz wäre. Physis bekommt im Laufe
37 Thuk I, 21.1; Platon, Staat, Buch 2, 376e-‐383c und, mit entfremdenden Tönen, Buch 10, 602c-‐608b. 38 E. Wind, L’eloquenza dei simboli (The Eloquence of Symbols: Studies of Humanist Art), it. Übers. von E. Colli, Milano 1992, p. 9-‐37. 39 Im Phaídros, 265b-‐c, redet Sokrates von vier Formen der göttlichen manía: die apollinisch-‐prophetische, die dionysisch-‐mysterische, die poetische (die Musen) und die erotische (Eros und Aphrodite).
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des Peloponnesischen Krieges eine einseitige Bedeutung: sie wird zu blo-‐ßem Egoismus, Durchsetzung von Gewalt, und das vor allem wegen der Zwänge, die sich aus der Außenpolitik ergeben. In der perikleischen Grab-‐rede scheint noch Hochachtung vor den Gesetzen zu herrschen, vor allem was das Leben der Stadt anbelangt. »Gut« und »Böse« sind dann in den Menschen nicht so weit auseinander: Man denke an die berühmte Chorpar-‐tie des Sophokles: »Nichts ist so ungeheuer wie der Mensch. In dem Erfin-‐derischen der Kunst eine nie erhoffte Gewalt besitzend, schreitet er bald zum Bösen, bald zum Guten.« 40 Das andere gemeinsame Thema ist der Staatsmann, der regierende in ei-‐
nem Staat. Im 8.Buch der Politeía und vor allem im Politikós beschäftigt sich Platon damit: Er spricht von der Herde und vom Hirten, vom Arzt u.s.w.. Das Urteil Platons über Perikles ist nicht immer gleich, und manchmal, wie im Gorgias, sehr negativ, während Thukydides in Perikles einen echten re-‐gierenden sieht, der mitten in den Wellen des Geschehens und in der masse fest (asphalés) bleibt und sein demokratisches Athen darstellt. Wenn Thukydides explizit im eigenen Namen darüber spricht, sagt er: »Dem Na-‐men nach gab es in Athen eine Demokratie, aber tatsächlich lag die Macht in den Händen des ersten Bürgers (prótos anér)«. (Thuk. 2, 65.9-‐10) Und ein weiteres Detail: Es gibt noch Platons Menéxenos, der eine frap-‐
pierende Nähe zur perikleischen Grabrede des Thukydides zeigt.41 In die-‐sem Dialog – die Gradation der sokratischen Ironie ist hier besonders schwer abzuschätzen – lässt Platon den Sokrates eine Grabrede sprechen, die von Aspasia suggeriert wurde. Diese Rede spielt direkt auf Thukydides’ Epitaphios und das demokratische Athen an, gibt davon auch eine eigene, eher aristokratische Interpretation, und setzt sich mit der Problematik des Urteils über die Politik des Perikles auseinander, die im Laufe der Jahrzehn-‐te, vor allem nach dem Krieg immer wieder, mehr oder weniger versteckt
40 Sophokles, Antigone, 332. Vgl. die Grabrede des Perikles, Thuk. 2, 41,4: »… Nein, zu jedem Meer und Land haben wir uns durch unseren Wagemut Zutritt verschafft, überall haben wir mit unseren Siedlungen unvergängliche Denkmäler unseres Wirkens im Bösen wie im Guten hinter-‐lassen (mnemeîa kakôn te kaí agathôn oídia)«. So liest auch F. Nietzsche: »im Guten und Schlim-‐men«. Vgl. Nietzsche, Werke VI, 2, Zur Genealogie der Moral, 1. Abh., 11, S. 289. Es gibt aber auch andere Lesarten dieser Stelle, vgl. L. Canfora, Il dialogo dei Melii e degli Ateniesi, Venezia 1991, S. 11 ff.. 41 Platon, Menéxenos (238c-‐d). Platon gilt bekanntlich, viel mehr als Thukydides, als ein Gegner der Demokratie und ihrer historischen Erscheinungen. Vgl. I. Labriola, »Tucidide e Platone sulla democrazia ateniese«. Quaderni di Storia VI. Bari 1990, und K. Popper a. a. O..
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hochkam.42 In dem platonischen Dialog wird der peloponnesische Krieg sehr oberflächlich und nicht als eine Einheit betrachtet, und die vergangene herrschaftspolitik Athens wird a posteriori gerechtfertigt. Außerdem wird explizit auch ein anderer Epitaphienschreiber erwähnt, der Schüler des An-‐tiphon, das heißt: Thukydides! Also kannte Platon Thukydides’ Werk, auch wenn er es nie explizit zugibt (wie übrigens auch Aristoteles, zum Beispiel in der berühmten Stelle der Poetik, 1451a36-‐b32, in der von Dichtung und Geschichte die Rede ist). Es ist immer die Art der antiken Autoren, mitei-‐nander zu wetteifern, ohne es direkt zu sagen – so Platon mit Thukydides, und genau so auch Thukydides mit Herodot.
5 Es wird überliefert, dass Thukydides während der beliebten öffentlichen Lesung des Herodot in Tränen ausgebrochen sei.43 – Von Anfang an setzt sich Thukydides von Herodot und seiner Methode ab und erklärt, dass er die mythische, fabulierende Darstellungsweise – tó mythodés – niemals verwenden wird (Thuk. 1, 22.4), während Herodot noch an die mythischen Strukturen des Epos gebunden ist. Herodot glaubt an die traditionellen Göt-‐ter, ist sehr interessiert an fremden Religionen, zeigt eine archaische, pes-‐simistische Weltauffassung, nimmt Apollon und das delphische Orakel sehr ernst, ohne aber dabei rationalistische Argumente zu vernachlässigen: Auch er benutzt die Reden – die sicher nicht so komplex wie die des Thukydides sind – als Stilmittel, sucht nach Gründen und verwendet Analogieschlüsse. Thukydides bleibt agnostisch, was die Götter betrifft, er spricht auch von Orakeln, aber eher im Hinblick auf ihre möglichen Konsequenzen für das politische Geschehen. Das delphische Orakel nimmt jedoch auch er im Grunde ernst. Und auch seine Art, die Vergangenheit zu untersuchenum ei-‐ne Prognose für die Zukunft zu gewinnen, hat irgendwie etwas Orakelhaf-‐tes. Herodot steht der mündlichen Tradition noch nahe. Zu Lebzeiten hatte
er, wie andere Logographen auch, eine unmittelbare, breite Hörerschaft, und wahrscheinlich sind seine Schriften erst nach seinem Tode veröffent-‐licht und überliefert worden. Thukydides dagegen hat auf ein so breites
42 Das historische Resumé über die Außenpolitik der zweiten Hälfte des 5. Jh. scheint mehr von der neoimperialistischen Propaganda des Isokrates als von Thukydides’ Werk beeinflusst zu sein. 43 Marcellinus, Leben des Thukydides, 54.
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Publikum anscheinend ziemlich bald verzichtet. Mit Stolz meint er, sein Werk sei kein Wettkampf für den Augenblick (agónisma ès tò parachréma: 1, 22.4), und sein Besitz (ktéma), den er schließlich den Lesern anvertraut, sei für die Ewigkeit. In Herodots Stil spürt man die ionische Erzählkunst, während Thukydi-‐
des sich einerseits der sophistischen Rhetorik bedient, meistens für die Re-‐den, andererseits einer schwierigen, dichten und manchmal wie gebroche-‐nen Prosa. Oft kommt er auf einen Satz zurück, als wollte er ihn zerlegen. All das aus der Unmöglichkeit heraus, die ganze Vielfalt der Wirklichkeit auszudrücken und darzustellen. Thukydides hat länger als fünfundzwanzig Jahre an seinem unvollendet gebliebenen Werk gearbeitet. daher auch seine Vielschichtigkeit. Das geistige Hinterland der beiden ist sehr verschieden. Herodot knüpft
an den ionischen Geist, und erst während seines Exils trifft er auf die Welt Athens in ihrer Blüte. Im Jahr 444 ist er Bürger der panhellenischen Kolonie Thouroi und kennt den perikleischen Kreis. Er gibt uns ein Bild der orienta-‐lischen Welt und zeigt, wie viel die Hellenen dieser Welt schuldig sind. Er ist ein Reisender (von Ägypten bis zum Skytenland), ein Ethnologe. In seinen Historien ist der Perserkrieg nur die Spitze eines Eisbergs mit weit ausge-‐dehnter Basis. Insofern ist es eher Herodot, der die europäische Historio-‐graphie begründet.
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Thukydides dagegen ist an die athenische Welt gebunden. Sein Feld ist eng: Es beschränkt sich auf das politische Geschehen (kínesis), das der Pelopon-‐nesische Krieg verursacht hat. Er glaubt hier den Schlüssel zum Verständnis all der Phänomene zu finden, die sich beim Umgang der menschlichen Na-‐tur (tó anthrópinon) mit der Macht (dynamis) einstellen. Und das schon am Anfang seines Werkes, in der »Archäologie«, in der Thukydides die Indizien (tekméria) der Vergangenheit untersucht: Nicht Helena, sondern die große Macht des Agamemnon war der Grund des Trojanischen Krieges! 44 Er sieht alles aus der Nähe, geht in die Tiefe mit einer Intensität, die
manchmal an Heraklit erinnert, sucht die versteckten Kräfte, die unsichtba-‐ren psychologischen Gründe, die in den Leidenschaften, in den Urtrieben
44 Thuk. 1, 8.3-‐4. Und noch wichtiger, auch für einen Vergleich mit Melos, ist die Stelle der »Ar-‐chäologie« (Thuk. 1, 8.4): »Um des Vorteils willen ertrugen die Schwächeren die politische Ab-‐hängigkeit von den Stärkeren…«.
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ihren Ursprung haben – das sind die orgaí, wie Furcht (phóbos), Egoismus (pleonexía), Ehrgeiz (philotimía), Hoffnung (elpís), und Verlangen (éros), und zugleich die rationalen Prinzipien, die das menschliche Verhalten re-‐geln: Mehr als dreihundert mal benutzt er das Wort gnóme (ratio). Er ist oft als Realist, als Wissenschaftler gesehen worden. Aber was für einer? Man darf ihn nicht zu positivistisch interpretieren: Er weiß selbst, dass es un-‐möglich ist, das geschehen zu erfassen, »wie es wirklich gewesen ist«.45 Ma-‐chiavelli hat ihn aus lateinischen Übersetzungen gekannt. Hobbes, der die naturwissenschaftlichen Gesetze auf das menschliche Handeln anwenden wollte, hat ihn übersetzt und sehr geschätzt. Seltsamerweise ist diese spä-‐tere politisch-‐anthropologische Linie oft als »modern« bezeichnet worden, wahrscheinlich im Gegensatz zu der »klassischen« von Platon und Aristote-‐les. Aber Thukydides war schon früher »modern«. Thukydides, es ist wahr, deckt schon eine gewisse Notwendigkeit in den
historischen Prozessen auf, aber er wird nie apodiktisch. Seine Methode steht der dialektischen, empirischen Methode einiger Sophisten, und auch einiger Denker wie Anaxagoras und Demokrit (der so genannten physikoí) und der medizinischen Schule des Hippokrates näher. Er betrachtet und analysiert Athens kínesis wie eine Krankheit.46 In der Episode der Pest (2, 50) ist es, als ob die Pest ein Symbol darstellen würde: Thukydides benutzt das Wort »eídos«, und gleich danach »idéa« (2, 51). Die Tatsache, dass auch Platon, auf seiner Suche nach der »Idee«, solche Begriffe benutzt, zeigt, wie komplex im 5. Jahrhundert das Methodenproblem war.47 Jedenfalls steht das Denken des Thukydides seinem Wesen nach den
physikoí (die auch zu den sophoí zu zählen sind) am nächsten. Von Anaxagoras, der anscheinend Kontakte mit anderen physikoí, z.B. mir De-‐mokrit,
45 Berühmter Satz von L. von Ranke. 46 Allerdings entlud sich für die medizinische Schule, anders als für Thukydides, der Impuls zur Erkenntnis in die Therapie. Lukrez, der an der epikureischen Philosophie anknüpft, beendet sein Werk De rerum natura (Ende des 6. Buches) mit einem erschreckenden und grandiosen Bild der Pest, das klarer Weise auf Thukydides zurückgeht. 47 In diesem Punkt zeigt E. Voegelin interessante Parallelen zu Platon auf: »Wenn die Methode von Thukydides – die auch eng mit der sophistischen Psychologie verwandt war – zur Suche nach dem eídos oder der idéa führen konnte, muss Platons Suche nach der Idee der empirischen Methode der Sophisten mehr verdankt haben, als gemeinhin zugegeben wird.« Aus: E. Voegelin, Die Welt der Polis, Kap. 7: »Macht und Gecshichte«. Übers. G. v. Sievers-‐Sattler, München 2005, S. 209-‐256.
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und auch mit Zenon hatte, 48 stammt der Satz: »Sicht des Nicht-‐offenbaren: das Erscheinende« 49 – und Demokrit bemerkt: »Es gibt überhaupt keine Wahrheit, oder sie ist uns verborgen.« 50 Dieses Pathos des Verborgenen war auch Thukydides eigen. In diesem Sinne meint er, die alethéstate próphasis, die wahrste und am wenigsten offensichtliche Ursache des Krie-‐ges, sei die Furcht Spartas vor der Machtergreifung Athens gewesen. (1, 23.6) 51 Thukydides folgt den Ereignissen, den Kriegsjahren, eins nach dem ande-‐
ren, wie ein Chronist. Hegel sieht sowohl Herodot als auch Thukydides als Vertreter der »Ursprünglichen Geschichtsschreibung«. Vielleicht denkt er an die aristotelische Stelle über Geschichte und Poesie, in welcher der Ge-‐schichtsschreiber das Wirkliche mitteilt, der Dichter dagegen das Mögliche. Aber für die Reden des Thukydides ist die Sache deutlich komplexer.52
7 Gleich zu Anfang erklärt Herodot seine Absicht, während Thukydides sie an vielen Stellen verstreut. So beginnt Herodot: »Dies ist die Darlegung der Nachforschung (historíes apódeixis) des Herodot von Halikarnassos, die dem Zweck dienen soll, dass die Geschehnisse unter den Menschen (genómena ex antrópon) nicht mit der vergehenden Zeit in Vergessenheit geraten, große und bewundernswerte Leistungen, mögen sie von Hellenen oder Nicht-‐Hellenen (bárbaroi) vollbracht sein, nicht ohne Ruhm bleiben; und vor allem soll gezeigt werden, aus welchem Grunde (aitíen) sie mitei-‐nander Krieg führten« (Hdt. 1, 1). Der Krieg des Herodot ist der Krieg der Menschheit, nur zum Schluss wird er der Perserkrieg. Herodot glaubt an das Göttliche in der Geschichte. So drückt er sich über den lauf der Ge-‐schichte aus – die rota fortunae: »Alles Menschliche vollzieht sich im Kreis-‐lauf. Es
48 H. Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, Hamburg 1957: Anaxagoras’ Lehre. S. 85 und fr. 3, S. 86. Auch: Demokrit, Physik, Schriften, fr. 5, S. 100. 49 H. Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, hrsg. von W. Kranz, 3 Bde., VIII Aufl., Berlin 1956: DK, 59, B 21a. 50 Aristoteles, Metaph. 1009 b. 51 Próphasis ist ein Wort mit mehreren Bedeutungen – es heißt Grund, Vorwand, und auch Weis-‐sagung. 52 Aristoteles, Poetik, 1451 b. Thukydides gelingt vielmehr eine Art Synthese, da er das ganze Werk hindurch die besondere individuelle Situation auf das Allgemein-‐Typische hin transzen-‐diert und somit eine »neue Art der dichterischen, aber unerdichteten Geschichtsschreibung schafft«. Vgl. J. Jung, a. a. O., S. 5.
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wandert herum und duldet nicht, dass immer die Selben glücklich leben (eutucheín)« (1, 207.2). Und als eine Art Beweis der »pessimistischen le-‐bensphilosophie« lässt herodot Solon dem Kroisos erklären: »Wo ich doch weiß, dass das ganze göttliche Walten neidisch und unbeständig ist, fragst du mich nach menschlichen Dingen...?« (1, 32.1). Thukydides will dagegen, in der menschlichen Sphäre bleibend, gerade das menschliche bestimmen. Auch ihre Methoden, das material zu sammeln sind verschieden: Herodot
unterscheidet nicht zwischen den wirklichen Dingen und der Rede von denselben. Er nimmt sich vor, das ihm Berichtete zu berichten (légein ta legómena), auch wenn er nicht alles, was er erzählt, unbedingt glaubt.53 Ge-‐legentlich stellt er mehrere Versionen eines Ereignisses vor. Sowohl Hero-‐dot als auch Thukydides greifen eher auf mündliche als auf schriftliche Quellen zurück. Thukydides zeigt eine große Akribie im Sammeln des Mate-‐rials: Er sagt, er will nur behandeln, was er selbst gesehen hat (autopsía), oder worüber er Augenzeugenberichte einholen und eingehend prüfen konnte. Dabei ist ihm bewusst, dass eine vollständige Objektivität niemals zu erreichen ist. Aber seine Methode bleibt gültig. Außerdem trifft er eine Auswahl des Materials nach seinem eigenen Urteil. Er ist der wahre Be-‐gründer der kritischen Geschichtsschreibung. Die Taten, die Tatsachen, meint er, sind wahrhaftiger als die Reden. Die
Reden geben nur das Wahrscheinliche wieder: das, was hätte gesagt wer-‐den sollen, tà déonta (1, 22.1), auch wenn in möglichst engem Anschluss an den Gesamtsinn des in Wirklichkeit Gesagten (tà alethôs lechthénton). Das bedeutet auch, dass er in den Reden seine eigene Sicht zum Ausdruck brin-‐gen kann. Selten gibt er expressis verbis eigene Urteile ab. Thukydides will nicht unbedingt große Taten vor dem Zahn der Zeit retten, oder die Men-‐schen ändern. Er ist fest davon überzeugt, dass die zeit, die er erlebt, von großer Bedeutung sei, weil hier zwei mehr oder weniger gleiche Mächte miteinander ringen. An einer berühmten Stelle (1, 22.4) meint er, dass ge-‐rade weil die menschliche Natur konstant bleibt, es für ähnliche zukünftige Situationen von Nutzen sein kann, sie in ihren Modalitäten zu untersuchen. So ist die Vergangenheit – wenn sie richtig erforscht wird, und wenn man aus ihr das Typische herauszuholen fähig ist – mit der Zukunft verknüpft. (Und das hat nichts mit zyklischer Wiederholung zu tun, wie zum Beispiel
53 Herodot, 8, 152.3
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für Polybius.) »Ein Besitz für immer (ktéma eis aeí) soll mein Werk sein, nicht eine Glanzleistung für einmaliges Hören (agónisma)«. Konkret ausgedrückt: Die Athener, die am Ende der Perserkriege – zu-‐
sammen mit den Spartanern – die Befreier von Hellas waren, werden mit dem Anwachsen ihrer Macht immer selbstsüchtiger, bis die tyrannischen Züge ihrer Hegemonie (arché) sich voll entfalten und sie selbst sich für die stärksten halten, die Verbündeten aber sich gegen sie wenden, und das starke Athen, nach der sizilischen Expedition den Krieg verliert. Nach Thukydides scheint es, als hätte Perikles diese Entwicklung aufhalten kön-‐nen, und aus seinem Werk kann man alle Etappen dieser Entwicklung re-‐konstruieren.
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Unter diesem Gesichtspunkt – der Macht Athens und ihren Entwicklung gemäß einem notwendigen Prozess – nimmt Thukydides den gesamten Krieg als eine Einheit wahr. Das sagt er uns im zweiten Prolog (5, 26) und demonstrier damit seine große Originalität. Aber darin erschöpft er sich nicht. Er verfolgt und analysiert die politische Handlung und sucht nach ih-‐ren Regeln; jedoch zu diesem Gesang bilden wie einen Gegengesang die pa-‐thémata, die Leiden des Krieges, die – so sagt er – auch groß sind. Thukydi-‐des zeigt oft, wenn auch nicht allzu explizit, sehr menschliche Züge, und nicht nur den Athenern gegenüber. Er billigt die Gewalt nicht, vielmehr be-‐richtet er gleich zu Beginn diese Worte des spartanischen Herolds: »Mit dem heutigen Tag bricht großes Unheil über die Hellenen herein!« (2, 12.3). Bei Thukydides besteht eine ständige Spannung zwischen dem Willen,
das Spiel der Kräfte klar zu erkennen, ein rationales Licht ins Dunkel zu bringen, und der Absicht, das Leiden der Menschen zu bezeugen, nicht in-‐dem er es kommentiert, sondern indem er es darstellt.54 Den Höhepunkt davon bildet die Schilderung der Pest, der Bürgerkriege, der sizilianischen Expedition. Damit erweist er sich in sehr viel höherem Maße als Künstler, als es zu Beginn seine Absicht war.55 Seine Art der Darstellung ist tragisch. Es hatte auch historische Tragödien gegeben. In der berühmtesten von ihnen, den Persern des Aischylos (472 v. Chr.) wird der Sieg der Athener vom Standpunkt der besiegten Feinde aus betrachtet. Anders als die Tragi-‐ker,
54 Heute begegnet man einem ähnlichen Pathos in den Schilderungen der großen Romane, z. B. von Manzoni, Tolstoi oder Camus. 55 Vgl. Thuk. 1, 21.1 und 1, 22.4.
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scheint Thukydides die menschliche Sphäre nicht zu überschreiten. Er bleibt seinem ursprünglich aufklärerischen Vorhaben treu, aber er zeigt uns auch alle Schatten. Wie die Chöre der Tragödie, so auch seine Reden: Meist kommen sie paarweise, sie stellen die beiden Hörner eines Problems dar, in ihrem Stil bedienen sie sich der Rhetorik, der Antithesen, aber ihr Aufbau ist dichterisch. Nur Perikles hat in seinen Reden keinen Gegenspieler. Wich-‐tig ist auch seine Art, sein Werk zu weben: wie äußerliche, entscheidende Ereignisse in Beziehung gesetzt werden zu den inneren Etappen der Ent-‐wicklung seiner Gedanken (z. B. in der Bewertung einzelner Faktoren oder Gestalten wie Perikles oder Alkibiades). Oft stehen wir unter dem Einfluss dieser Art, das Geschehen zu erfor-‐
schen, die für einen Historiker als zu subjektiv kritisiert worden ist. Es ist wahr, manchmal scheint Thukydides die Realität gemäß der erkannten Ty-‐pen zu stilisieren und eine zu eindeutige Richtung einzuschlagen. Aber dann, an anderen Stellen seines Werkes, stellt er uns andere Elemente be-‐reit, aus denen jeder sich einobjektiveres Bild machen kann. Man darf bei ihm nicht nur bestimmte Aspekte suchen, vielmehr muss man stets die Spannung und Komplexität seines Werkes im Auge behalten. Das Beste ist schließlich, seine Texte zu lesen und zu analysieren.
9 Auch die Rede des Perikles für die Gefallenen und der Melier-‐Dialog 56 sind kunstvoll in den Kontext eingefügt. Dem glänzenden Bild Athens im Epita-‐phion folgt der Absturz in die Finsternis der Pest, der vollen Gesundheit die Krankheit: Während der pest werden die Toten nicht einmal mehr begra-‐ben. Und nachdem die Athener an den Meliern das Gesetz des Stärkeren unerbittlich vollzogen haben, folgt unmittelbar die Expedition nach Sizilien, an deren Ende die Umkehrung der Rolle Athens steht. Im zweiten teil der Totenrede häufen sich die dem Anlass gemäßen rhe-‐
torischen tópoi (Heldentum, das auch den Tod überwindet, Tröstung der Hinterbliebenen),57 während der erste Teil uns eine Probe der rhetorischen Kunst , nicht nur des Thukydides, sondern auch des Perikles
56 Perikles’ Rede findet im Jahr 431 statt, der Melier-‐Dialog im Jahr 416. Thukydides hat aber beide Stellen viel später geschrieben. 57 Vgl. die rhetorische Schrift des Gorgias für die Gefallenen (fragm. DK 82 B6).
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liefert.58 Seine Rhetorik ist beladen, aber nicht schwerfällig. Eine Aussage wird durch die folgende ausgeglichen, um nicht maßlos zu erscheinen. Zum Beispiel: »Wir lieben die Kunst und das Schöne(philokaloûmen) – aber mit Maßen. Wir lieben das Wissen, wir philosophieren (philosophoûmen) – aber ohne schlaffe Trägheit« (2, 40.1). Die Stelle beginnt mit einer plastischen Beschreibung der Bestattungsri-‐
ten im Kerameíkon. Es geht um Tod, aber alles erscheint im hellen Licht dargestellt und teilt einen Sinn für Haltung und ästhetische Harmonie mit. Alle Bürger sind anwesend, auch die Frauen und die Ausländer. Man ist wie mit einer Darstellung der bürgerlichen Tugend (areté), die eine solche »au-‐tarke« Stadt erreichen kann, konfrontiert.59 Perikles besteigt das Podest (bêma) und erinnert zuerst an die Kontinuität der drei Generationen – der Vorfahren, der Eltern, und ganz besonders der gegenwärtigen Generation – in ihren Verdiensten für die Erhaltung der Stadt und ihres Primats. Er lobt die athenische Verfassung (politeía), die Ehrfurcht der Bürger vor den ge-‐setzen, und ihre Gleichheit vor ihnen (isonomía), die an Solon und Kleiste-‐nes anknüpft, sowie ihre Beteiligung am öffentlichen Leben gemäß ihrer Leistung. Aber es sind vor allem die freie Art des städtischen Lebens, so-‐wohl in der öffentlichen als auch in der privaten Sphäre, die Athen zur Schule Hellas’ macht (2, 38 ff.), sowie die Liebe zum Wagemut 60 und gleich-‐zeitig das Gleichgewicht zwischen handeln und Denken, Taten und Worten, die es hervorzuheben gilt (2, 40.2). Interessant zu bemerken ist dabei, dass schon hier, noch vor Platon, das Wort philosopheín benutzt wird. Es lohnt sich, die Worte direkt anzuführen, die Thukydides dem perikles
in den Mund legt:
58 Abgesehen von den Reden bei Thukydides und von seiner Vita des Plutarch wissen wir über Perikles sehr wenig. In der Moderne beginnt mit Winkelmann, in Analogie zur Rezeption der athenischen Kunst und Architektur, der ästhetisierende »Mythos« des Perikles. Nach V. Will, Perikles, Hamburg 1955, ist die Ideologisierung des Perikles und seiner demokratischen Ära zum großen Teil eine spätere Konstruktion. Vgl. dazu Thukydides’ sehr wichtige Stelle (1, 10.1-‐3) über das unterschiedliche Bild von Athen und Sparta (das äußerliche der Größe und das innerli-‐che der Macht). 59 Herodot dagegen glaubt nicht, dass Autarkie eine absoluten Wert bedeuten kann, weder für ein Land, noch für einen einzelnen Menschen. Vgl. Herodot 1, 32.8-‐9: »So erfüllt auch der Mensch als einzelnes Wesen sich nicht selbst (autarkés esti)«. 60 Zum Charakter der Athener in der Grabrede (Leistungsfähigkeit, Mut, Lust zum Handeln im positiven Sinne) gibt es Parallelen, eher im Negativen, in der Rede der Korinther (Thuk. 1, 69-‐70).
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»Die politische Verfassung (politeía), die wir haben, richtet sich nicht nach den Gesetzen anderer, viel eher sind wir selbst für manchen ein Vorbild (parádeigma), als dass wir andere nachahmten. Mit Namen heißt sie, weil die Staatsverwaltung nicht auf wenige, sondern auf die Mehrheit ausgerichtet ist, Demokratie. Nach dem Gesetz haben in den Streitigkei-‐ten der privaten Bürger alle ihr gleiches Recht (isonomía); der Geltung nach aber hat im öffentlichen Wesen den Vorzug, wer sich irgendwie An-‐sehen erworben hat, nicht nach irgend einer Zugehörigkeit, sondern nach seinem Verdienst (aretê). Ebenso wenig wird jemand aus Armut, wenn er trotzdem für die Stadt etwas leisten könnte, durch seine unscheinbare Stellung daran gehindert. (2) Frei (eleutéros) leben wir als Bürger im Staat, und frei von gegenseitigem Misstrauen des Alltags…« (2, 37.1-‐2).
Auch Euripides lässt Theseus in den Bittflehenden ähnliche Worte sprechen, die mir dieser Stelle in Verbindung gebracht worden sind.61 Dasselbe gilt für die bereits erwähnte Stelle des Menéxenos Platons. In der Rede des Pe-‐rikles geht es eher um die tatsächliche Lebensart der Stadt Athen, als um die Verfassungsfrage im Sinne Platons und Aristoteles’.62 Thukydides ver-‐sucht in der historischen Figur des Perikles den idealen Regenten zu finden, den Platon außerhalb der historischen Sphäre sucht. Die Worte, die Thukydides den Perikles sprechen lässt sind schön. Aber
diese ganze Harmonie ist wie ein Traum, der sich in jedem Moment auflö-‐sen kann. Was steckt hinter so vielem Glanz, wenn nicht der Drang, ein starkes Entwicklungspotential zu verteidigen? Arché bedeutet nicht mehr nur die Ersten zu sein, sondern zu herrschen, um nicht beherrscht zu wer-‐den (und das schon am Anfang des Krieges, nach den ersten Schwierigkei-‐ten). Dieses Bild zeigt noch eine apollinische Form innerhalb der Stadt. Etwas
fehlt jedoch in all der Vollkommenheit: Wo bleiben die Götter? Schon in den Friesen des Parthenons waren die zum Zuschauen aus der Ferne verbannt. Hier befinden wir uns inmitten religiöser Riten zur Feier der Gefallenen. Sie
61 Euripides, Die Bittflehenden. Übers. von E. Buschor, Zürich 1979, v. 230-‐235: »Drei Klassen Bürger bilden einen Staat... Das Volk der Mitte – jedes Staates Glück –, das feste Ordnung gibt und treu beschützt...« 62 Die Diskussion dieser Frage hatte nach Herodot (Hist. 3, 82.24) bereits an den Höfen der io-‐nischen Inseln begonnen.
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dienen aber fast nur zum Vorwand für das zelebrieren des demokratischen Rechtsstaates. Seine Gesetze sind zu achten, auch die ungeschriebenen, und es gibt auch welche zum Schutz der Unterdrückten (2, 37.3). Alle Ehren werden einer Stadt gezollt, die heiß geliebt werden soll (2, 43.1). Es gibt aber andere Stellen bei Thukydides, die ein anderes Bild von
Athen geben, und auch andere Quellen, wie zum Beispiel die Athenaíon poli-‐teía des Pseudo Xenophon, die eine Gegenstimme aus der Perspektive der ausgebeuteten Verbündeten darstellen. Deshalb hat man, was die Rede des Perikles betrifft, von Ideologie und Propaganda gesprochen (z. B. Straßbur-‐ger und Flashar). Es kann sich aber auch um eine gewollte Idealisierung von Seiten des Perikles handeln (so denkt Gaiser 63): Perikles projiziauf ert die gegenwärtige Situation ein Idealbild, das für die Athener ein Vorbild (parádeigma, 2, 37.1) sein sollte. die Athener waren nicht so, die Harmonie zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft war nicht in dem Maße vorhanden – aber er wollte sie so haben. Tatsächlich ist es, als bleibe etwas verschleiert. (Nietzsche spricht von ei-‐
ner gespenstischen Atmosphäre.64) Was ist es, das so viel areté aufrecht er-‐hält, ein solches Ausmaß an Wohlstand und Würde im Leben der Stadt – wenn nicht die Macht der Herrschaft, die dynamis? Diese dynamis tritt be-‐reits in der Grabrede hervor. Ihr wahres Gesicht zeigt sie noch viel deutli-‐cher in der dritten rede des Perikles, als, mit Beginn der Pest, ein Zufall von außen (symphorá) noch zu den Schwierigkeiten des Krieges hinzu kommt: Dort ist die Situation auf einmal dramatisch, und Perikles erklärt, dass die Herrschaft, die arché, auf jeden Fall gehalten werden muss, auch wenn ihr Wesen tyrannisch ist.65
63 K. Gaise, Das Staatsmodell des Thukydides, Heidelberg 1975. Gaiser sieht Thukydides, als ob er Platon vorwegnehmen würde. Über Perokles aber, und auch über die Demokratie, äußert sich Platon oft negativ. 64 F. Nietzsche, Werke, Kritische Besamtausgabe, Berlin. Nachgelassene Fragmente. IV.1, 5[200]: »Die Rede des Perikles: ein großes optimistisches Trugbild. Die Abendröthe, bei der man den schlimmen tag vergisst – die Nacht kommt hinterdrein«. 65 Thuk. 2, 63.2. Schon in 1, 73-‐78 kündigt sich der Missbrauch der athenischen herrschaft an. In 3, 1.2 zeigt Kleon, dass die Demokratie unfähig ist über andere zu herrschen.
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In Melos, 15 Jahre später, während der Zeit des faulen Nikias-‐Friedens, be-‐finden wir uns im letzten Akt des Dramas der athenischen Macht. Es scheint, als gälten die Gesetze zum Schutze der Schwachen nicht mehr – zumindest nach außen hin. Ist das tatsächlich eine Notwendigkeit, die der arché innewohnt? Und müssen die Ethik, die Moral, das heißt die Argumen-‐te der Melier dieser Notwendigkeit unterliegen? 66 Diese fundamentale Fra-‐ge wird in den Tragödien thematisiert, und der Umstand, dass Thukydides die Ereignisse um Melos zum Anlass nimmt, dies alles wie im Rampenlicht darzustellen, bedeutet nicht, dass er es gutheißt. Und es hat keinen Sinn, sich zu fragen, auf welcher Seite er steht. Die Einwohner der kleinen Insel Melos, einer Kolonie Spartas, werden
von Thukydides formal als völlig unschuldig präsentiert.67 Die Melier woll-‐ten neutral bleiben, aber das konnten die Athener nicht zulassen, weil es ihnen von den Spartanern, am Vorabend der sizilischen Expedition (416 v. Chr.), als Schwäche ausgelegt worden wäre. Außerdem war die gesamte Si-‐tuation der Verbündeten nicht mehr so ruhig, seitdem der Spartaner Bra-‐sidas viele von ihnen mit der Parole »Freiheit« zum Aufstand animiert hat-‐te.68 Thukydides nennt einige weniger bekannte Strategen, die zur Führung der Verhandlungen nach Melos abgesandt werden. Die Persönlichkeit des Augenblicks ist aber Alkibiades mit seinem großen sizilischen Plan, den er trotz seiner Verwicklung in den Hermenfrevel und in die Profanation der eleusinischen Mysterien, unmittelbar nach der Melos-‐Episode in die tat um-‐setzt. In einem anfänglichen Wortgefecht zeigen sich die Athener verständnis-‐
voll in Bezug auf die Auswahl der Waffen für die Unterredung (lógos, 5.88): Es soll die Dialektik, eher als die Rhetorik der langen Reden, verwendet werden, und die Debatte soll vor dem Rat der melier, nicht aber vor der Volksversammlung stattfinden; außerdem dürfen die Ratsmitglieder
66 Auch wenn Thukydides kein Wort darüber sagt, könnte man sich als Hintergrund den sokrati-‐schen Satz vorstellen: »Besser ein Unrecht erleiden, als es jemandem zufügen.« (Platon, Gorgias, 486b). 67 Aus einer Insvhrift (K. v. Fritz, Die griechische Geschichtsschreibung. Berlin 1946, Bd. 1, S. 715 ff.) ergibt sich dagegen, dass Melos bereits von Athen unterjocht worden war und auch schon eine Zeitlang einen Tribut bezahlt, dann aber den Tribut ausgesetzt hatte. daraufhin hatten die Athener ihre Truppen nach Melos gesandt. 68 Thuk. 4, 78-‐84. Für ein anderes Beispiel dessen, was die Spartaner unter »Freiheit« (eleu-‐tería), diesmal den heloten gegenüber, verstehen, vgl. Thuk. 4, 80.3-‐4.
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(olígoi) die Reden der Athener Punkt für Punkt unterbrechen – als hätten die Athener die Furcht der melier begriffen, sie könnten mit ihrer Rhetorik das ganze Volk überzeugen, die Verfassung zu Gunsten Athens zu ändern.69 Allerdings sind die Freiheiten, die den Meliern von den Athenern angeboten werden, nur scheinbare. Denn, wie die Melier gleich zu Beginn feststellen (5, 86), sind die Athener gekommen, nicht um in diesem Rechtsstreit die Urteile der Melier zu vernehmen, sondern als die Stärkeren, um das eigene Urteil durchzusetzen. Die ersten beiden Wechselreden werden von Didaskalien eingeführt. Da-‐
nach setzt der eigentliche Dialog ein – die Gegner beginnen ihre Reden wie auf der Bühne, ohne jede Vermittlung einer erzählenden Stimme. Zweimal wird von den Athenern eine Art von Naturgesetz ausgerufen. Es gibt für die Athener keine andere Wahrheit außer dem, was sie in ihrem engen politi-‐schen Spiel als wahr anerkennen. Ihre eiserne und unverrückbare Position ist einfach dadurch zu erklären, dass man nur bei gleichem Machtpotential mit der Gerechtigkeit argumentieren kann – sonst gilt der triebhafte Zwang der Natur.70 Das erste Mal lautet das Gebot der Athener so: »Im Rahmen des von uns als wahr Erkannten sucht das Mögliche zu erreichen, da ihr ebenso gut wie wir wisst, dass Recht (díkaia) im menschlichen Verkehr (en tô anth-‐ropeío lógo) nur bei gleichem Kräfteverhältnis (apó tés íses anánkes) zur Geltung kommt, die Stärkeren (oí proúchontes) aber alles in ihrer Macht stehende durchsetzen und die Schwächeren (oí astheneîs) sich fügen« (5.89). Die zweite Aussage (5, 105.2) ist nicht bloß eine Wiederaufnahme der ersten, wie der Kommentator Dionysos von Halikarnassos unterstellt.71 Es tritt etwas Neues auf: Was für das Spiel der Kräfte auf der menschlichen Ebene gilt, wird als Möglichkeit geradezu auf die göttliche Ebene übertra-‐gen. Und dieses Gesetz wird als gegebenes und ewig gültiges proklamiert. Nicht viel anders argumentieren die Sophisten Trasymachos und Kallik-‐
les in den platonischen Dialogen Staat und Gorgias. Dort geht es aber um
69 Das war die übliche Politik Athens nach dem Aufstand Mytilenes. 70 Als Hesiod (Werke und Tage, 202-‐212) das Fehlen der Gerechtigkeit in den menschlichen An-‐gelegenheiten beklagte, hatte er schon die älteste überlieferte Fabel erfunden, die im Reich der Tiere ein Bild des Gesetzes des Stärkeren abgibt. 71 Dionysos von Halikarnassos, Über Thukydides, 5, 37-‐41. Vgl. L. Canfora, Il dialogo dei melii e degli Ateniesi, S. 71 ff..
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die Gerechtigkeit dieses Naturgesetzes – hier nicht.72 Von Anfang an erklä-‐ren die Athener, dass sie Argumente der Nützlichkeit, und nicht der Gerech-‐tigkeit verwenden wollen. Die Melier versuchen zunächst, sich der Schlussweise der Athener anzupassen: Für die Athener sei es nützlich (xympherón), Milde walten zu lassen und die Neutralität der melier zu ak-‐zeptieren. Im Fall Mytilenes hatten es die auf das xympherón bezogenen Thesen des Diodotos in seiner Antwort an Kleon vermocht, ein ähnliches Massaker zu vermeiden (3, 42-‐48) – jetzt gelingt das nicht mehr. Da die Athener dies nicht gelten lassen, können die Melier nicht umhin, ihnen die Argumente der allgemeinsten Gerechtigkeit (tò koinòn agathón) entgegen-‐zuschleudern (5,90). Die Rekurse auf die universal gültigen Prinzipien der Moral (eikóta kaì díkaia) drücken höchstwahrscheinlich eher einen Rest der ethischen Vergangenheit, als bereits eine »neue« moralische Orientierung in Richtung auf die sokratische oder platonische Moral aus.73 Auf jeden Fall bieten die Melier, auch nur auf der Ebene der Nützlichkeit, allgemeinere Ar-‐gumente an, beinahe eine Art Prophezeiung: Auch die Athener könnten ei-‐nes Tages auf die andere Seite gelangen, und dann würden sie die Konse-‐quenzen ihres amoralischen Beispiels (parádeigma) ertragen müssen. Die Berufung der Melier auf das Recht wird aber nicht durch eine entspre-‐chende Machtposition gestützt, deshalb lassen die Athener die vernünftigen Argumente der Gegner nicht gelten. Erst dann fangen die Melier an, um der Selbsthilfe willen irrationale Kräfte wie den Zufall, das Los, das Schicksal, das »Glück« (tyche), die Hoffnung (elpís), das Göttliche 74 und die utopische Hilfe von Seiten der Spartaner,75 die nur den Spott der Athener auslöst, ins Feld zu führen. Mehrmals fordern die Athener die Melier auf, sich an die au-‐genblickliche, offensichtliche Situation zu halten, und nicht an unsichtbare Kräfte. Die Athener apostrophieren die Melier als blind, weil sie das enge athenische Kraftfeld nicht wahrnehmen, während die Athener selbst sich blind zeigen für alles, was dieses Feld übersteigt. Außerdem sind sie absolut
72 Platon, Staat, 1. Buch, Gorgias, 482e-‐484. Wesentlich für das Spiel zwischen Gerecht und Gut ist die Mytilenische Debatte. (Thuk. 3, 42-‐48). 73 Platon, Protagoras, 352c (Wissen bedeutet richtiges Handeln). 74 Thuk. (5, 104): »Dennoch vertrauen wir, dass wir vom Schicksal um der Gottheit willen nicht verlassen werden.« 75 Thukydides (5, 105) lässt die Athener über die Spartaner sagen: »Sie sind es, die unseres Wis-‐sens am augenfälligsten das Angenehme für schön erklären und das Nützliche für gerecht.«
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überzeugt, wenn auch nicht ein für alle Mal, zumindest in der jetzigen Situa-‐tion die Stärkeren zu sein. Die tyche des Herodot, als göttliche Fügung, kommt bei Thukydides in der
Argumentation der Melier vor, um von den Athenern als inhaltsleeres Wort erwiesen zu werden. Was aber Thukydides selbst darüber denkt, ist nicht klar. So lässt er die Athener über tyche und Hoffnung reden: »Hoffnung (el-‐pís), ein Trostmittel in der Gefahr, wird den Starken, wenn er sich an sie klammert, vielleicht schädigen, aber nicht vernichten. Wer aber alles, was er besitzt, aufs Spiel setzt – denn ihrem Wesen nach ist die Hoffnung ver-‐schwenderisch (dápanos) –, der erkennt sie erst nach seinem Sturz... Trach-‐tet doch, dass es euch nicht so ergeht, da ihr schwach (astheneîs) seid und für euren Untergang ein einziger Ausschlag des Waagenbalkens genügt...« (5, 103). Von Anfang an erklären die Athener, dass es um die Rettung (sotería) der
Melier geht – und verstehen darunter deren Unterwerfung. Und am Ende schließen sie die unterschiedlichen Argumentationsketten, die Schlag auf Schlag, streckenweise in der knappsten form der Stychomytie, 76 aufeinan-‐der folgen, mit den selben Worten des Anfangs kreisförmig ab. Auch für die melier geht es um ihre Rettung (sotería) – sie aber verstehen darunter die Wahrung der eigenen Freiheit. So werden gleich die schillernde Bedeutung der Begriffe und die Relativität der Gesichtspunkte klar. Die Arten der Ar-‐gumentation (tópoi) werden von beiden Seiten erwähnt und jedes Mal mit entgegen gesetzten Bedeutungen benutzt: Rettung (sotería: 5, 87-‐88), Si-‐cherheit (asphaleía: 5, 97-‐98), Schande (aischyne: 5, 100-‐101), Geschick und Hoffnung (tyche, elpís: 5, 102-‐104). Aus der Schilderung der Ereignisse in Melos tritt keine einzelne Persön-‐
lichkeit hervor. Es ist allgemein von »den Meliern« und »den Athenern« die Rede, wie von Gegnern ohne Gesicht. Es steht keine starke Persönlichkeit mehr im Vordergrund – so wie damals Perikles als Garant der areté der Bürger Athens im Vordergrund stand. (Alkibiades bleibt im Schatten ob-‐wohl er möglicherweise eine Rolle spielte).77 Der Stil ist trocken, die
76 Sophokles verwendet die Stychomytie schon in der Antigone im Jahr 443-‐440. 77 Es gibt bei Andokides und Plutarch Anekdoten in diesem Sinne. Merkwürdig vor allem, wie Euripides nach diesem Ereignis seine Meinung über Alkibiades ändert. Er hatte noch kurz vor Melos ein Epinikion für die Siege des Alkibiades in Olympia komponiert. M. Vikers (»Alkibiades and Melos«, Historia 48.3 [1999], S. 279) sieht in der Art zu reden der Athener einen Hinweis auf die Anwesenheit des Alkibiades auf Melos.
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Argumente werden wie Bälle von einer Seite zur anderen geworfen und dasselbe Wort wird von der einen und der anderen partei in entgegengestz-‐tem Sinne verwendet. Die Dialektik scheint bloß noch aus diesem formalen Spiel zu bestehen – dabei war sie ursprünglich, in der zeit der großen So-‐phisten, oder der sophoí, eine Herausforderung unter Weisen, und auch Thukydides, wenn er in eigenem Namen spricht, verwendet sie, in der gan-‐zen dialektischen Konstruktion seines Werkes, ohne den Inhalt je zu ver-‐gessen. Der Krieg ist ein gewaltsamer Meister – sagt uns Thukydides anlässlich
des Bürgerkriegs in Korkyra im Jahr 427, als zum ersten Mal, wie er meint, der Sinn der Worte verdreht wird und die Worte den Tatsachen nicht mehr entsprechen.78 Die überheblichen Worte der Athener, wenn sogar von den Göttern auf beinahe blasphemische Weise die Rede ist (ist das Gottlosigkeit, asébeia?),79 und das Gewicht des Zufalls, der tyche, nicht mehr in Rechnung gestellt wird, entsprechen jedoch den Tatsachen. Aber das Ergebnis ist die unerbittliche Tötung aller erwachsenen melier. Das Gesetz des Stärkeren hat sich behauptet. Andererseits behalten die Argumente der Melier, die alte Ethik, die Göt-‐
ter, eine eigene Gültigkeit. Thukydides äußert sich nicht direkt dazu, auch nicht über die Götter. Vielleicht ist seine Position die des agnostischen Pro-‐tagoras, eher als die der Tragiker. Aber Euripides selbst nimmt teilweise eine agnostische Position ein, während in ihm gleichzeitig eine ständige Su-‐che nach dem Göttlichen fortbesteht.80 Die Melier pochen auf tyche und Hoffnung. Machiavelli kannte Thukydi-‐
des aus lateinischen Übersetzungen. Auch Machiavelli ist betroffen vom Be-‐griff der Fortuna (er kannte sie aus Polibius, Livius, Plutarch: das nebulöse, im Grunde metaphysische Etwas, das die rationalen Pläne der Menschen so stört), und erfindet ein ergreifendes Bild für sie: »Und ich vergleiche Fortu-‐na mit einem jener reißenden Flüsse, die, wenn sie im Zorn ausbrechen, das land überschwämmen, die Bäume umwerfen und die Häuser zerstören… alle sind vor ihnen auf der Flucht, alle beugen sich ihrer Gewalt, und nir-‐
78 Thuk. 3, 82.3. Allgemein zur Relation zwischen Worten und Tatsachen vgl. Platon, Politeía 8, 560d-‐e. 79 Die Athener behaupten, das Gesetz des Stärkeren gelte wahrscheinlich auch für die Götter. Die Überheblichkeit dieser Behauptung wird relativiert, wenn man bedenkt, dass sie, wenigstens für die homerischen Götter, stimmen kann. Vgl.W. D. Furley, Andokides and the Herms. A Study of Crisis in Fifth-‐century Athenian Religion, S. 77-‐79. 80 Vgl. Euripides, Helena, 1137-‐43: »Was ein Gott ist, ein Ungott, ein Halbgott, wer glaubt noch es je zu ergründen, und wenn er es auch ganz bis zum Ende erforscht?…«
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gends kann jemand widerstehen.« 81 Und so schließt er: »Ähnliches gilt für Fortuna, die ihre Macht entfaltet, wo keine geordnete Tugend (virtù) sich ihr widersetzt, und ihre Gewalt dorthin richtet, wo sie weiß, dass es weder Dämme noch Schutzbauten gibt, ihr zu widerstehen«. Auch die Stellung dieses Dialogs gerade in der Mitte des thukydideischen
Werkes, unmittelbar vor der Erzählung der sizilischen Expedition, gibt et-‐was zu denken. Kann man das Ganze auch als ein Rollenspiel betrachten? Gleich nach Melos, während der sizilischen Expedition, ereignet sich die metabolé, der Wechsel der Rollen: Athen erhält zum Schluss die Rolle des Schwächeren. Es ist wahr, Thukydides bleibt normalerweise innerhalb der menschlichen Sphäre, er redet kaum von Göttern, und trotzdem steht seine Art den Tragikern nahe, vor allem in ihrer Struktur; im zweiten Teil seines Werkes erwähnt er oft die tyche. Am Ende vieler seiner Tragödien lässt Eu-‐ripides den Chor in der Form eines festen Schlusses die Feststellung einer metabolé wiederholen. Sie lautet zum Beispiel: »Vielfältig sind die Formen des Göttlichen, des Dämonischen (tôn daimoníon). Viele unerwartete Dinge (aélpos) führen die Götter aus: Was man erwartet (tà doketénta) verwirk-‐licht sich nicht, für jenes dagegen, das unerwartet ist (tà adókenta), findet der Gott einen Weg. So hat sich dieses Drama (prágma) vollendet.« 82 Aber, wenn die tyche ein zu großes Gewicht bekommt, werden dann nicht alle zufälligen Faktoren die Möglichkeit verhindern, das menschliche Ge-‐schehen zu verstehen, zu rationalisieren, zu verdeutlichen – und damit die Grundlage selbst vereiteln, auf der Thukydides mit seiner Xungraphé auf-‐bauen wollte? Nein, die Bemühung muss in dieser rationalen, hellen Rich-‐tung weiter gehen, auch wenn das Dunkle nicht zu verschweigen ist. In die-‐sem Punkt sind sich Thukydides und Machiavelli ähnlich: Im »Fürsten«, 25. Kapitel, sagt Machiavelli von denen, die an die Macht der Fortuna glauben: »Sie können meinen, dass es keinen Sinn hat, sich um die Dinge zu bemü-‐hen, und sich von den Ereignissen treiben lassen.« 83, aber trotzdem er-‐kennt er an, dass Fortuna zur Hälfte das menschliche Geschehen bestimmt.
81 Niccolò Machiavelli, Il Principe. Mursia 1969, p. 112. Aristoteles, Phys. B. 4, 196b, spricht vom Zufall (tyche) als von etwas für die menschliche Vernunft Undurchdringlichem. 82 Euripides, Bacch. 1388-‐1392. Ähnlich z. B. das Abzugslied am Ende der Helena (1688 ff.). Inte-‐ressant, was derselbe Euripides in einem Fragment der Hypsípyle über die tyche sagt: »Oh, menschliche Gedanken, vergebliches Irren der Menschen, für die gleichzeitig sowohl die tyche als auch die Götter existieren!…«. 83 »Potrebbero indicare che non fussi da insudare nelle cose, ma lasciarsi governare dalla sorte.«
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Für Machiavelli ist die Rationalität im Vergleich zu Thukydides vielleicht eher »Mittel zum Zweck«, auch, wenn man natürlich unterscheiden muss zwischen Machiavelli und dem Machiavellismus. Bei Hobbes, der sich auf Thukydides beruft, findet sich eher eine mechanistische Notwendigkeit. Thukydides ist weder empört über die athenische Machtpolitik (wenn er
auch an anderer Stelle die Tötung der Schwachen bedauert), noch ergreift er ausschließlich für den Gerechtigkeitsbegriff der Melier Partei. Für ihn, wie übrigens auch für Machiavelli, haben die beiden Felder, der Politik und der Moral, des Nützlichen und des Gerechten, nur wenig gemeinsam. Aber es ist nicht gesagt, dass das Nützliche nur böse sein muss. Für beide ist die Gerechtigkeit eine Art Überschuss. »Lob verdient«, sagt Thukydides, »wer entsprechend der menschlichen Natur zwar über andere herrscht, dabei aber gerechter vorgeht, als er aufgrund seiner Machtstellung müsste« (1, 76.3}. Thukydides will kein explizites Urteil aussprechen; er will die beiden
Parteien mit der gleichen Intensität wieder aufleben lassen und sich selbst so weit wie möglich in sie hinein versetzen. genau darin besteht seine letzte Objektivität. Seine »dialektische« Art ist jener ähnlich, in der viele Tragiker die handelnden Personen und deren existenzielle Probleme vorstellen: Sie bleibt offen. Der Leser oder Zuschauer wird vor einem zu schnellen Urteil zurückgehalten, und durch diese Relativierung kann er dann zu umsichtige-‐ren und nicht absoluten Schlüssen kommen. Darüber hinaus ist das Werk des Thukydides unvollendet. Es sollte, wie
er selbst uns sagt, mit dem Ende des krieges abschließen. Wenn, wie es möglich ist, die ersten beiden Bücher der Helleniká des Xenophon auf Noti-‐zen des Thukydides beruhen, sollte am Ende der Xyngraphé ein Gegenstück zur Melier-‐Episode stehen: Bei Xenophon ist vom schlechten gewissen der Athener den Meliern gegenüber zu lesen, und von ihrer großen Angst um sich selbst: Die Prophezeiung der Melier hat sich verwirklicht.84 Beide, Thukydides und Machiavelli, wollen die Modalitäten der Macht
begreifen. Machiavelli bleibt »ein keuscher Liebhaber der Macht«,85 das
84 Xenophon, Helleniká, 1-‐2, 3.10. L. Canfora vertritt diese These in mehreren seiner Schriften, z. B. in Tucidide e l’oligarchia imperfetta, Roma 1988, S. 104-‐105. Die selbe These vertritt schon J. Burckhardt in seiner griechischen Culturgeschichte, B. III, S. 495, Basel 2002. 85 V. Marcu, Machiavelli, die Schule der Macht, München 1994. Machiavelli drückt sich zur Macht manchmal in schamanischen Tönen aus: »Macht ist die Speise, die mir allein gebührt, für die ich geboren wurde.« Vgl. V. Marcu, a. a. O., S. 67.
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zeigt ein Blick in sein strenges Arbeitszimmer in Sant’Andrea da Percussina noch heute deutlich. Und auch für Thukydides ist die Macht, vielleicht in noch höherem Maße, ein Objekt der Erkenntnis. Auch Nietzsche ist, trotz seiner schrillen, prophetischen Töne, kein Verherrlicher des »Willens zur Macht«: Für ihn hat die Moral keinen metaphysischen Ursprung. Die Star-‐ken und die Schwachen sind dagegen aneinander gebunden, und diese Bin-‐dung scheint einen beinahe metaphysischen Sinn zu verbergen.86 Könnte man solche Bindungen im Sinne der Opfer-‐Täter-‐Beziehung in der Opferung deuten? Für René Girard schafft die Opferung die Grundlage des Tragi-‐schen. Das Symbol dafür ist Dionysos. Man denkt an die archaischen Sym-‐bole, welche die Giebel des ältesten Tempels der Akropolis schmücken: Lö-‐wen, die Antilopen zerreißen – Archetypen des Machtanspruchs oder Er-‐mahnung zum Maßhalten? Wenn die politische Handlung ein Rollenspiel ist, dann ist es wichtig zu
erkennen, welche Rolle in dem richtigen Moment zu spielen ist. Die Athener der Melos-‐Episode sind die selben (die selbe Generation) wie die Athener des perikleischen Epitaphions, als Größe und Macht noch miteinander im Gleichgewicht stehen konnten.87 Man kann eine Parallele zu den befreien-‐den Athenern des Perserkrieges ziehen, die Herodot in seinem achten Buch beschreibt, als alle hellenen, Athener und Spartaner, noch vereint waren. Da waren es die Athener, damals die Befreier von Hellas, die den persern nicht nachgeben wollten – und sie benutzten Argumente, die den Argumenten der Melier ähnlich waren. jetzt sind dagegen die Spartaner die möglichen Befreier, dank der Politik des Brasidas und in der Hoffnung der Melier. Meiner Meinung nach hat das Ganze noch heute für uns eine Bedeutung,
z. B. in Bezug auf die Außenpolitik der Amerikaner, die im Licht des Völker-‐rechts als aggressiv erscheint. Immer mehr vertieft sich eine ideologische Kluft zwischen den US-‐Amerikanern und den Europäern, die, nachdem sie
86 Vgl. F. Nietzsche, Nachgelassene Fragmente, 1883, VII, 1, 12[48]: »Es handelt sich gar nicht um ein Recht des Stärkeren, sondern Stärkere und Schwächere sind alle darin gleich. Sie dehnen ihre Mach aus, so weit sie können.« Vgl. auch Collis Nachwort zur Genealogie der Moral, in F. Nietzsche, Opere, Adelphi, Milano, VI, 2, S. 374. 87 Zur Frage der Relation zwischen Größe und Macht vgl. J. Burckhardt, Weltgeschichtliche Be-‐trachtungen, Leipzig o. J., Kap. 5, S. 209-‐248, sowie G. Colli, La ragione errabonda, Milano 1982, S. 147.
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bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts selbst eine aggressive Politik betrie-‐ben hatten, nun die Führerschaft Amerikas und die Legitimität seiner Macht anzweifeln. Dabei waren die Amerikaner doch vor nicht langer Zeit noch unsere Befreier. In der zeit des Kalten Krieges, im Vietnam-‐Krieg, war Thukydides bei den Politikern eine beliebte Lektüre, um aggressive Politik zu rechtfertigen. Auch neuerdings erscheint Thukydides wieder im Feuille-‐ton.88 Aber nur wer die Komplexität seines Werkes durchdringt, kann, wie ich glaube, etwas Wertvolles (ktéma) von ihm aufnehmen, und das wäre auch heute sehr wichtig. Die Macht ist an sich neutral, es gibt keine von Anfang an böse Macht,
auch die Impulse sind nach Freud als solche weder gut noch böse. Sehr in-‐teressant ist, was Hannah Ahrend über die Macht behauptet, und wie sie zwischen Macht und Gewalt unterscheidet. Wenn man gewalttätig wird, meint sie, heißt das, dass man keine Macht mehr besitzt.89 Nach Todd, der die heutige Situation der Politik der USA untersucht, wären die Amerikaner, wegen der Gewalt, die sie gegenwärtig ausüben, nicht mehr so mächtig, wie sie glauben.90 Das könnte vielleicht auch für die Athener auf Melos gelten. In Situationen der Ungleichheit müssen die Großzügigkeit des Starken und der Vorteil des Schwachen übereinstimmen, damit eine Art Gerechtigkeit mög-‐lich wird. Das ist in Melos nicht geschehen.91
88 R. Kagan und andere, z. B. H. Prantl in der Süddeutschen Zeitung vom 5. 10. 2002. 89 H. Ahrendt, macht und Gewalt, München 2000, S. 55-‐57. 90 Vgl. E Todd: Weltmacht USA. Ein Nachruf. München 2003. Für R. Kagan dagegen sind die Ame-‐rikaner noch die Stärkeren. Aber statt, wie die Athener in Melos, das Gesetz der Stärkeren vor-‐zuschieben, sehen sie sich als »einzige Garantiemacht einer demokratischen Weltordnung«. Er sieht »eine philosophisch-‐metaphysische Kontroverse darüber, wo die Menschheit auf dem Kon-‐tinuum zwischen den Gesetzen des Dschungels und denen der Vernunft steht. Anders als die Europäer, glauben die Amerikaner nicht, dass wir vor der Verwirklichung des kantischen Traums vom ewigen Frieden stehen.« (R. Kagan, Macht und Ohnmacht. Berlin 2003, S. 107) 91 Alte Worte einer babylonischen Inschrift drücken das desillusionierende Misstrauen gegen die menschliche Natur so aus: »Das menschliche Geschlecht ist dumm und weiß nichts. Was für ein wissen hat jemand überhaupt? Er weiß weder, ob er eine gute, noch ob er eine schlechte Tat getan hat.« Aber, auch wenn es nicht so oft geschieht, kann man aus den Fehlern doch etwas lernen: Der indische Asoka (III. Jh. v. Chr.) , der Freund der Götter, empfindet nach einer grässli-‐chen Expedition gegen die Völker in Kalinga Reue: Nach den Gräueln des Krieges lässt er seine Verordnungen für den frieden an verschiedenen Orten in Stein meißeln. Vgl. G. Pugliese Carra-‐telli (Hrsg.), Gli editti di Asoka, Milano 2003, S. 66-‐68.
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Thukydides leugnet nicht die Wichtigkeit der traditionellen Gerechtig-‐keit; aber angesichts der harten Wirklichkeit bricht solche Gerechtigkeit in sich zusammen. Für Platon ist die Gerechtigkeit, die Moral, etwas Ideelles, das man durch Erziehung erreichen kann. Er kann sich über die Sphäre des Menschlichen erheben, und so einen höheren Standpunkt einnehmen, ähn-‐lich »wie der Fisch, der aus dem Wasser auftaucht und den wahren Himmel und das wahre Licht erkennt.« 92 Wäre also die grandiose plastische Reali-‐sierung des Thukydides, die auf Empirie gründet, für Platon nichts als dóxa (Meinung)? Das Modell, das Thukydides erreichen möchte, soll der Vielfalt der Realität gerecht werden. Er versucht, im Bewegten etwas Festes zu fin-‐den.93 Die Moral des Thukydides ist ungeschmückt: Er leugnet den Schmerz nicht. Er sucht ein wahrhaftes Verhältnis zum Wesen der Welt.94 Mit Thukydides kommt das Paradoxon der historiographischen Erkennt-‐
nis – das heißt, die unersättliche Begierde, gerade das erkennen zu wollen, was unerkennbar ist: das Unmittelbare des menschlichen Handelns – klar zum Ausdruck. In der Situation dieses Krieges offenbart sich das ganze Spektrum der menschlichen Kräfte, sowohl der Rationalität als auch der Triebe und Leidenschaften. Dieselbe Mühe, die Thukydides dafür aufbringt, diese Spannung auszudrücken, verlangt er auch von seinem Leser.
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92 Platon, Phaidon 109e. 93 Vgl. Heraklit: »metabállon anapaúetai (sich wandelnd ruht es)«. G. Colli, La Sapienza greca, III, Eraclito, 14 A 34. Adelphi, Milano 1980; vgl. H. Diels, 1957, Heraklit, 84a, S. 28. 94 Vgl. F. Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, 225, und überhaupt über das Leiden und über das Pathos der Wahrheit. Eine ähnliche philosophische Linie findet man bei Dichtern wie Lukrez oder Leopardi, oder bei Philosophen wie Schopenhauer.
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