Volker Schier und Corine Schleif: Die Heilige und die unheilige Lanze. Von Richard Wagner bis zum...

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Abb. 1: Biilmenbildmtwurf :11 Ric/mrd Wagners Parsifal fiir die Wiener Erstauffiilmmg, 3. Akt, letzte Suue, Detail. Alfred Roller, Wien, 1914. Mischteclmik nuf Papier. Wien, Osterreichisches Theatermuse11111. (©: Osterreichisches Theatermuse11111, Wien) 110

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Abb. 1: Biilmenbildmtwurf :11 Ric/mrd Wagners Parsifal fiir die Wiener Erstauffiilmmg, 3. Akt, letzte Suue, Detail. Alfred Roller, Wien, 1914. Mischteclmik nuf Papier. Wien, Osterreichisches Theatermuse11111. (©: Osterreichisches Theatermuse11111, Wien)

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Volker Schier und Corine Schleif

DIE HEILIGE UND DIE UNHEILIGE LANZE

VoN RrcHARD WAGNER ms zuM WoRLD WIDE WEB

Heute nehmen viele Besucher der Weltlichen Schatz­kammer in Wien die unscheinbare eiserne Lanzen­spitze mit ihrer goldenen Hülle inmitten der anderen prunkvollen Objekte, die sie umgeben, kaum wahr. Wenn doch, so erschließen ihnen die im Raum ange­brachten Informationstafeln, die optionale Audio­Führung und der informative gedruckte Führer durch die Schatzkammer die historische Bedeutung des Objekts: Die Besucher erhalten Erklärungen über die Entstehung der komplexen physischen Form, über die sichtbaren und die verdeckten Teile, über den Bedeutungswandel und Bedeutungszuwachs, den die Lanze im Mittelalter erfuhr. Kaum jemand würde vermuten, daß diese Lanzenspitze ein aufre­gendes Doppelleben führt: In der Schatzkammer er­hält das ungewöhnliche, aus vielerlei Teilen zusam­mengesetzte Gebilde seine Bedeutung allein durch seine Vergangenheit; der materielle Wert der Aus­gangsstoffeoder der künstlerische Wert ihrer Umfor­mung allein würde die Aufnahme der Lanze in die Sammlung kaum rechtfertigen. In der Welt des Cy­berspace und der Computeranimation, in papierge­bundener Fiktion, allerdings auch in Büchern und Fernsehproduktionen mit dokumentarischem An­spruch resultiert ihre Bedeutung hingegen aus ihren permanenten inneren Werten, deren Ausdrucksfor­men sich der unmittelbaren menschlichen Wahrneh­mung entziehen, deren Auswirkungen jedoch umso deutlicher faßbar sind. Im Mittelalter wurden die in fast allen Fällen gezielt herbeigeführten Veränderun­gen der Bedeutung der Heiligen Lanze kaum in Frage gestellt, sie wurden im Gegenteil retrospektiv als schon immer gültige Interpretationen in den beste­henden Bedeutungspool integriert bzw. diesem im Hinblick auf die neuen Bedeutungen angepaßt. Heu­te wird das Bild der Heiligen Lanze hingegen von parallelen Bedeutungsschemata bestimmt, die teil­weise nur noch wenige Schnittstellen zueinander ha­ben, abgesehen vom ikonischen Wert des Objektes selbse.

Der Speer in Richard Wagners Parsifal Die ersten Ansätze, die letztendlich zum Divergieren der Rezeption führen sollten, finden sich in der zwei­ten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Richard Wagner gründete das Libretto seines Parsifal nicht auf das physische Artefakt in Wien, sondern auf eine literari­sche Erzählung: Chretien de Troyes' Gralsroman Ro­man de Perceval und Wolfram von Eschenbachs deut­sche Bearbeitung des Stoffes als Parzival waren über

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das Mittelalter hinaus der Ausgangspunkt für thema­tische Anknüpfungen und Neuschöpfungen. Wag­ners Umsetzung des Stoffes in seinem "Bühnenwei­hespiel" überlagert seitdem die Rezeption. Den Ent­wurf seines Prosatextes schloß er im Jahr 1877 ab, bis zur Uraufführung in Bayreuth sollten noch weitere fünf Jahre vergehen. Im Zentrum steht Parsifal, des­sen schicksalhafte Aufgabe es ist, den Heiligen Speer zurückzuholen. Der Hüter des Grals, Amfortas, hatte ihn verloren, als er ausgezogen war, um mit der Hilfe des Speers das Böse, personifiziert in der Person des Zauberers Klingsor, zu besiegen. Allein durch sein aus dem Mitleid für den verwundeten Amfortas ent­standenes Wissen ("durch Mitleid wissend") ist Par­sifal in der Lage, die Aufgabe zu erfüllen.

Der Aufbau des Parsifal ist äußerst einfach gehal­ten: Eine symmetrische Dreiteilung bestimmt das Werk, wobei der erste und dritte Akt schematisch verwandt sind, der zweite Akt hingegen kontrastiert. Der Ablauf der Handlung ist völlig linear, der kom­plexe Hintergrund erschließt sich dem Zuschauer nicht aus der Interaktion der handelnden Personen, sondern muß durch erzählende Passagen - zumeist vorgetragen vom Ritter Gurnemanz- häufig erst ent­schlüsselt werden. Die Hauptfigur Parsifal ist ein völ­lig untypischer Held, denn er verhält sich zumeist passiv. Die Umstände der Handlung, denen er ausge­setzt ist, zwingen ihn zum Reagieren, nicht jedoch zum Agieren. Zu Beginn scheint er noch ein Antiheld zu sein, der den Vorgängen völlig ausgeliefert ist und der keinen Einfluß auf sie ausüben kann. Im Verlauf der Handlung zeigt sich jedoch ein anderes Bild, das des "wissenden Toren": Im entscheidenden Moment sind Parsifals Handlungen bzw. seine Nichthandlun­gen das Ergebnis bewußter Entscheidungen. Es ist seine mutige Passivität, die über das Schicksal der Protagonisten entscheidet.

Dem Parsifal blieben die offenen politischen Ver­einnahmungen erspart, die Wagners Musikdramen mit "deutscher" und germanischer Thematik - die Meistersinger und der Ring des Nibelungen - in späte­rer Zeit erfuhren. Auf der anderen Seite gibt es kaum ein anderes Werk Wagners, dessen Kernpassagen derart unterschiedlich und kontrovers interpretiert wurden. Wagner befaßte sich während der Arbeiten an Parsifal intensiv mit Arthur Schopenhauers Ideen von der Welt als Vorstellung und der Metaphysik des Willens, eine kritische und produktive Auseinander­setzung, ohne deren Kenntnis eine Interpretation von Wagners Oper kaum möglich scheint. Wagner ver-

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Die Heilige Lanze in Wien: Insignie- Reliquie- "Schicksalsspeer," hrsg. Franz Kirchweger, Mailand und Wien 2005
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knüpft die Ablehnung eines personifizierten Gottes mit der Notwendigkeit der Erlösung, bei erster Be­trachtung ein offener Widerspruch, besonders im Hinblick auf die unter christlichen Paradigmen deut­bare Handlung. Ulrike Kienzle weist in ihrer fundier­ten Untersuchung des Schopenhauerschen Einflusses auf den Parsifal darauf hin, daß in Wagners Sichtwei­se die Erlösung kein Gnadenakt ist, sondern eine Lö­sung aus der Befangenheit im Dienste des Willens, ei­ne fundamentale Umwertung des traditionellen west­lichen Theismus, ein "Christentum ohne Gott"2• Die Ablehnung Gottes ist jedoch keine Ablehnung von Religion an sich. Wagner setzt Religion in seinem Werk vielmehr als medial abrufbare und im Hinblick auf sein persönliches philosophisches Credo um wert­bare Konstante ein. Es ist dies eine Umsetzung von scheinbar Vertrautem, quasi das Gegenbild einer Ver­fremdung: eine Entfremdung. Sie soll und kann die Monopolisierung von Religion, wie sie Wagner in den Kirchen manifestiert sah, durchbrechen: Die Kunst wird im Gesamtkunstwerk zur Religion. Auf­grund des Anspruchs dieses radikal anderen Kunst­begriffs konnte keine traditionelle Opernbühne der Ort der Aufführung sein: Wagners Vorgabe war des­halb, daß Parsifal allein im Festspielhaus in Bayreuth aufgeführt werden sollte, eine Forderung, die nicht durchsetzbar war.

Gral und Lanze sind die Handlungsträger der Oper. Wagner stellte selbst fest, daß sich beide Objek­te als Reliquien notwendigerweise ergänzen3• Durch ihren Kontakt mit Christus versinnbildlichen sie das Opfer. Auf der anderen Seite ist besonders der Gral der Ausdruck einer Utopie, eines Anspruchs auf Welt­entrücktheit und Willenlosigkeit, der in der repetiti­ven und erstarrten Realität der reinen Gralsritter völ­lig gescheitert ist. Er ist zu einem statischen Objekt ge­worden, in dessen historischen Bezügen sich die ver­änderten Gegebenheiten der Gegenwart nicht mehr widerspiegeln können. Der Gral spendet bei seiner Enthüllung- in der Umkehrung der Transsubstantia­tion von Wein in Blut bei der Wandlung in der Kirche - Nahrung für die Gralsritter. Darüber hinaus ist er ein Quell der Krafterneuerung und gewährt durch seinen bloßen Anblick, der allerdings regelmäßig er­folgen muß, ewiges Leben (Abb. 1). Zur Erlösung des durch den Lanzenstich zum ewigen Leiden ver­dammten Amfortas vermag er jedoch nichts beizutra­gen.

Der Heilige Speer erweitert und mutiert seine Be­deutung als historische Reliquie und wird zu einem neuen, mächtigen Symbol, das dem Gral an Symbol­kraft überlegen ist: Der Speer steht für Gerechtigkeit und schafft somit die wichtigste Voraussetzung für die Erlösung. Er ist das verkannte Objekt, von dem die Protagonisten zu wissen glauben, welche Wir­kung und Macht es entfalten kann. Die Kontrahenten Amfortas und Klingsor täuschen sich jedoch beide im

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Speer: Er richtet sich nämlich gegen jede Gewalt; die Absicht dessen, der ihn führt, spielt dabei keine Rol­le. Amfortas scheitert deshalb genauso bei seinem Versuch, das Böse mit Gewalt zu besiegen, wie auch Klingsor feststellen muß, daß der Speer im Umkehr­schluß nicht das Böse unterstützt. Allein Parsifal ist fähig, die Zusammenhänge zu erkennen, und er er­ringt den Sieg dadurch, daß er bewußt passiv bleibt und durch sein Nichthandeln auf alle Gewalt ver­zichtet. Als Klingsor den Speer gegen ihn schleudert und dieser über Parsifal in der Luft verharrt, macht er keine Anstalten, die Waffe gegen den Angreifer zu gebrauchen: Dies beraubt Klingsor seiner Macht. Der Speer vermag jedoch noch mehr: Er wendet sich nicht nur gegen den Kämpfer, der ihn einsetzen will, son­dern ist gleichzeitig auch das einzige Heilmittel ge­gen die Verwundungen, die mit ihm hervorgerufen wurden: Die "heilende" Waffe- Ausdruck des Wi­derspruchs an sich- schafft durch den richtigen Ein­satz Gerechtigkeit.

Es ist symptomatisch für Wagners Umsetzung von Schopenhauer, daß er abstrakte philosophische Sachverhalte dem Publikum durch konkrete Projek­tionen zu verdeutlichen sucht. Schopenhauer kommt in Die Welt als Wille und Vorstellung zu dem Ergebnis: "Der Quälerund der Gequälte sind Eines. Jener irrt, indem er sich der Quaal, dieser, indem er sich der Schuld nicht theilhaftig glaubt."4 Die Lanze ist das Objekt, auf das Wagner diese unauflösliche Qual­Schuld-Beziehung fixiert, durch das er aber gleichzei­tig ein Durchbrechen des Teufelskreises, eine (Er-)Lö­sung ermöglicht.

Daß Wagner bei der stofflichen Umsetzung zunächst Probleme mit der Ausgestaltung der durch die Vorlage vorgegebenen Objekte Lanze und Speer hatte, zeigt der beinahe schon resigniert klingende Eintrag in seinem Tagebuch: "Was soll ich mit der blutigen Lanze machen?" Wie konnte sich eine Reli­quie, die mit dem Gral verbunden war, gegen den Gralskönig wenden5? Wagner dachte unterschiedli­che Möglichkeiten an, entschied sich dann jedoch für die bekannte Lösung, daß Gral und Lanze gleichzei­tig der Ritterschaft übergeben werden und daß Am­fortas mit der Lanze in den Kampf zieht, um Kling­sors Macht zu brechen. "Während er [Amfortas] der Verführung erlag, Schild und Speer ihm entsunken waren, ist ihm die heilige Waffe entwendet worden, und durch sie selbst ward er nun verwundet, als er zur Flucht sich wandte. [ ... ] Die Heilung und Erlö­sung des Amfortas ist folgerichtig nur möglich, wenn die Lanze aus unheiligen Händen befreit und wieder dem Gral beigestellt wird."6

War für Wagner eine schlüssige Lösung für die Inkorporierung von Gral und Lanze gefunden, so be­urteilten mehrere Rezensenten die Rolle des Speers als den größten strukturellen Schwachpunkt des Werks. Für die Exegeten bestand im Hinblick auf die

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Funktion der Lanze Erklärungs- und Diskussionsbe­darf. So schrieb der Kritiker Paulus Cassel im Jahr 1881, noch vor der Uraufführung, daß doch nur Parsi­fal, "durch Mitleid wissend" geworden, die Macht er­halten hätte, Amfortas zu heilen7. Cassel kritisierte, daß Parsifals Heilung durch die Einbindung des Mo­tivs des Speers nun entwertet werde. Heinrich von Wolzogen antwortete auf diese Kritik, daß die Lanze das Mitleiden symbolisiere und daß sie nur in der Hand des "verheissenen Helfers" die "nothwendige Heilsthat" zu vollbringen vermöge8. Ähnlich sah dies Arthur Seidl, für den der "Speer des Longinus" seine Bedeutung mit dem jeweiligen Besitzer veränderte9 .

Eine chauvinistische Interpretation liefert Otto Men­sendieck, der in Klingsor das Abbild der Fehler des Amfortas sieht: Nur weil sich Parsifal nicht wie Am­fortas von Kundry verführen läßt, kann ihm der Speer nichts anhaben 10•

Da die simpleren Erklärungsversuche einer kriti­schen Reflexion nicht standhielten, ist eine Hinwen­dung zu noch komplexeren Modellen zu beobachten. Ab Ende der zwanziger Jahre finden sich die ersten unzweideutigen Äußerungen von völkischem Ge­dankengut: So geht Robert Bosshart im Jahr 1930 von einer grundlegenden Transformation des Heiligen Speers aus11 • Er sei zunächst als Wotans- oder Geset­zesspeer das "Sinnbild des uralten, ewig irrenden, ungeläuterten, im Vergänglichen wurzelnden Wil­len", durch den der Speer naturgemäß zerstörend wirke. Durch das Opfer und Blut Christi wird der Speer zum Wahrzeichen menschlicher Freiheit. Die wohl fundamentalste Kritik an der Dramaturgie der Lanze kam jedoch vom bekannten Kritiker Eduard Hanslick, der im Jahr 1884 schrieb, daß Wagner das Speermotiv allein deshalb nutzte, "um ein Mirakel mehr und einen glänzenden Aktschluss zu gewin­nen". Hansliek fährt mit beißender Schärfe fort: "Nach unserer Empfindung sticht Wagner mit die­sem Wunderspeer seinem eigenen Drama ins Herz." 12

Hatte die Rezeption des Parsifal längerfristig für eine deutliche Zunahme des Interesses am fiktiven Objekt des Grals gesorgt, so läßt sich dies nur bedingt für die reale Heilige Lanze in der Weltlichen Schatz­kammer feststellen13• Die Lanze ist bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts, für jedermann sichtbar, in­korporiert in eine Aura des Musealen. Sie ist ein Ob­jekt, das in ihrer Geschichte ständig größeren und kleineren Bedeutungsveränderungen unterworfen war; in der Schatzkammer war sie zu einem Gegen­stand geworden, der die Aufmerksamkeit der Besu­cher mit vielen anderen Objekten teilen mußte. Insge­samt tangierte Wagners Werk die reale Lanze kaum.

Die Heilige Lanze und die Reichsreliquien im Dritten Reich In weit größerem Umfang sollte das Interesse von ei­ner anderen Seite die zukünftige Wahrnehmung der

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Heiligen Lanze verändern: Die Insignien und Reli­quien des Heiligen Römischen Reiches gerieten nach dem Ersten Weltkrieg wieder verstärkt in den Blick­winkel verschiedener Bewegungen deutschnationa­ler Prägung. Hierbei wurde die Heilige Lanze fast ausschließlich als Teil der Sammlung gesehen und nicht als isoliertes Objekt, weshalb im folgenden Ab­schnitt die Vorgänge um die Reichsinsignien und -kleinodien verstärkt in die Darstellung der Ge­schichte der Lanze einbezogen werden müssen.

Zunehmend wurde der seit dem frühen 19. Jahr­hundert etablierte status qua des Reichsschatzes als rein historische Sammlung ohne politische Signifi­kanz in Frage gestellt. Versuche, die Insignien und Reliquien des Heiligen Römischen Reiches perma­nent oder zeitweise nach Aachen oder Nürnberg zu holen, hatte es immer wieder gegeben. Sie waren stets von seiten des Museums und der Österreichi­schen Regierung erfolgreich zurückgewiesen wor­den14. Selbst ernstzunehmende und durchaus be­drohliche Forderungen nach einer Übergabe einzel­ner Objekte, die von den Regierungen Ungarns und Italiens gestellt wurden und die durch die Einbezie­hung in die Friedensverhandlungen besonderen Nachdruck erhielten, konnten abgewehrt werden. Die Stadt Nürnberg hatte einen Anspruch auf die Ob­jekte nie aufgegeben, und in den Jahren nach dem Er­sten Weltkrieg nahm der Stadtrat das Thema wieder­holt auf.

Forderungen nach einer Überführung der Insigni­en und Reliquien nach Nürnberg erhielten einen großen Auftrieb, als nach der Machtergreifung im Jahr 1933 das NSDAP-Mitglied Willy Liebelohne de­mokratische Legitimation als Oberbürgermeister von Nürnberg eingesetzt wurde. Für Liebel wurde die Wiedererlangung der Objekte ein zentrales Anliegen, dessen Realisierung er als Chefsache vorantrieb. Be­reits zum Reichsparteitag des Jahres 1933 ließ er auf dem Hauptmarkt eine Rekonstruktion des Heilturns­stuhls errichten und den Heiltumsschrein im Rathaus ausstellen15• Auch wies er in seiner Eröffnungsrede auf die Rolle Nürnbergs als Bewahrerin der Reichs­kleinodien hin. Im darauffolgenden Jahr, Nürnberg hatte inzwischen den Ehrentitel "Stadt der Reichspar­tei tage" erhalten, erreichte Liebe!, daß die Stadt Aachen Kopien von sieben Objekten des Reichsschat­zes für eine Ausstellung im Rahmen des Parteitags auslieh (Abb. 2). Deutlich äußerte sichLiebelauf dem Reichsparteitag des Jahres 1935. Während seiner tra­ditionellen Begrüßungsansprache überreichte er Adolf Hitler eine Kopie des Reichsschwertes als "Symbol der Einheit, Größe, Macht und Stärke der deutschen Nation" und machte einen rechtlichen An­spruch Nürnbergs auf die Reichskleinodien geltend. Angeblich versprach Hitler bereits bei dieser Gele­genheit gegenüber Liebe!, daß die Reichskleinodien nach einer Wiedervereinigung mit der Ostmark nach

Abb. 2: Ausstellung von Kopien der Reichsinsignien und -reliquien im Nürnberger Rathaus zum Reichsparteitag im Jahr 1934. Photo. Nürnberg, Stadtarchiv, F 27 V. (©: ebenda.)

Nürnberg verbracht würden, so jedenfalls die Dar­stellung von Liebel gegenüber dem Nürnberger Stadtrat.

Liebel jedenfalls scheint von dieser Zusage über­zeugt gewesen zu sein, und so begab er sich nur we­nige Tage nach der Besetzung Österreichs am 13. März 1938 nach Berlin, um die Modalitäten für die Überführung zu klären und die Weisung des Führers zur Durchführung entgegenzunehmen. Aus einem Brief Liebels an den Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, vom 13. Juni geht hervor, daß mehrere Gespräche mit Hitler, Goebbels und mit dem Reichsstatthalter in Österreich, Arthur Seyss-Inquart, stattfanden. Am 18. März wurde vereinbart, daß die Reichskleinodien bis zum Reichsparteitag im Septem­ber nach Nürnberg gebracht und im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden sollten. Mit der Durchführung der geheimen Aktion wurde vom Chef der Reichskanzlei, Lammers, wunschgemäß Willy Liebel betraut: "Im Auftrage des Führers und Reichs­kanzlers bevollmächtige ich den Oberbürgermeister der Stadt der Reichsparteitage Nürnberg, Herrn Lie­bel [ ... ], die in Wien befindlichen Reichsinsignien und

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Reichskleinodien, die seinerzeit aus Nürnberg weg­geführt wurden, nach Nürnberg zurückzubringen. Es handelt sich dabei um Gegenstände, die sich in Raum 5 und 6 der weltlichen Schatzkammer der Wie­ner Hofburg befinden [ ... ]."1" Liebel schritt sogleich mit großem Elan zur Tat, wie seine umfangreiche Korrespondenz belegt. Die logistische Planung über­trug er dem Stadtrat Brugmann. Eine Besprechung von Brugmann mit Fritz Dworschak, dem kommissa­rischen Leiter des Kunsthistorischen Museums, fand am 1. August in Wien statt. Man einigte sich darauf, daß die Verbringung am 29. August erfolgen sollte und daß sämtliche anfallenden Kosten von der Stadt Nürnberg zu tragen seien.

Zur Überführung reiste eine Nürnberger Delega­tion unter der Führung Liebels nach Wien. Der Präsi­dent der Deutschen Reichsbahn, Julius Dorpmüller, stellte einen Sonderzug mit Salon-, Schlaf- und einem "modernen Packwagen mit guter Federung" zur Ver­fügung und lud sich selbst dazu ein, den Transport zu begleiten. Der in Nürnberg ansässige SS-Oberab­schnitt Main übernahm die Bewachung des Trans­ports durch sechs SS-Männer und einen Führer. Der

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Reichskle inodien bis zum Reichsparteitag im Septem­ber nach Nürnberg gebracht und im Germanischen

a tionalmuseum verwahrt werden sollten. Mit der Durchführung der geheimen Aktion wurde vom Chef der Reichskanzlei, La mmers, wunschgemäß Will y Liebe! betraut: " Im Auftrage des Führers und Reichs­kanzlers bevollmächtige ich den Oberbürgermeister der Stadt der Reichsparteitage Nürnberg, Herrn Lie­be![ ... ], die in Wien befindlichen Reichsinsignien und

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Reichsklei nodien, die sei nerzeit aus Nürnberg weg­gefü hrt wurden, nach Nürnberg zurückzubringen.

handelt sich dabei um Gegenstände, die sich in Raum 5 und 6 der weltlichen Schatzkammer der Wie­ner Hofburg befinden [ ... )." 1

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ürnberg zu tragen seien. Zur Überführung reiste eine Nürnberger Delega­

tion unter der Führung Liebeis nach Wien. Der Präsi­dent der Deutschen Reichsbahn, julius Dorpmüller, teilte einen Sonderzug mit Salon-, Schlaf- und einem

" modernen Packwagen mit guter Federung" zur Ver­fügung und lud sich selbst dazu ein, den Transport zu begleiten. Der in Nürnberg ansässige SS-Oberab-chnitt Main übernahm die Bewachung des Trans­

ports durch sechs SS-Männer und einen Führer. Der

Korrespondenz zwischen Nürnberg und Wien läßt sich entnehmen, daß eine Versicherung der Objekte in Anbetracht der besonderen Umstände der Über­führung nicht für möglich gehalten wurde; vermut­lich spielte dabei auch der kaum kalkulierbare mate­rielle Wert der Objekte eine Rolle. Der Zustand jedes der insgesamt 29 Objekte wurde in einem Protokoll beschrieben. Zu Nummer VI, der Heiligen Lanze, wurde vermerkt: "Es fehlen: Einige Nieten (an der Seite fast alle). Das Goldblech ist teilweise beschä­digt." Verpackt wurden die Objekte in siebzehn spe­ziell angefertigte Transportkisten aus Holz, für die der Stadt Nürnberg 1022 Reichsmark (RM) in Rech­nung gestellt wurden17• Insgesamt beliefen sich die verauslagten Kosten, deren Begleichung das Kunsthi­storische Museum von der Stadt Nürnberg forderte, auf 2272,56 RM, ein durchaus kleiner Betrag im Hin­blick auf die weiteren Ausgaben für die Ausstellung der Reichskleinodien in Nürnberg18• Liebel selbst be­zifferte die durch die Überführung entstandenen Ko­sten für die Stadt Nürnberg in einem Schreiben an die Reichskanzlei auf 4500 RM, wobei in dieser Summe die Ausgaben für den Sonderzug nicht enthalten sind, da diese von der Reichsbahn getragen wurden19 •

Ein vom Nürnberger Hochbaureferat zusammen­gestelltes Photoalbum, das den maßgeblich Beteilig­ten zur Erinnerung übersandt wurde, dokumentiert die wichtigsten Stationen der Aktion20 : Der Transport von der Schatzkammer zum Wiener Westbahnhof er­folgte in einem großen Möbelwagen der Spedition Eisler, der an der Laderampe von Gleis sechs, Bahn­steig vier, unmittelbar neben dem Packwagen abge­stellt wurde (Abb. 3). Zu sehen ist, wie die Transport­kisten, deren Form teilweise den Inhalt verrät, von Hand in den Zug verladen werden. Die SS-Männer der Wachmannschaft stehen vor der offenen W ag­gontüre und scheinen durch ihre Präsenz den Vor­gang eher zu behindern als zu erleichtern. Auf einem anderen Photo betrachten Willy Liebel und der ver­antwortliche SS-Obergruppenführer Schmauser das Geschehen (Abb. 4). Der von der Reichsbahndirektion Nürnberg erstellte Fahrplan nennt als geplante Ab­fahrtszeit in Wien 22.08 Uhr und als Ankunftszeit in Nürnberg 7.58 Uhr am nächsten Morgen. Der Pack­wagen sollte an der Eilgutrampe neben dem Nürn­berger Hauptbahnhof zur Entladung bereitgestellt werden21 • Die Transportkisten wurden vom Bahnhof unmittelbar in die Katharinenkirche gebracht, wo sie geöffnet und die Objekte erneut auf Schäden inspi­ziert wurden.

Hitler hatte die zunächst vorgesehene Ausstel­lung im Germanischen Nationalmuseum abgelehnt. Nach der Fertigstellung der im Bau befindlichen Kon­greßhalle sollten die Insignien und Reliquien dort ausgestellt werden und im Umfeld des allgemeinen Größenwahns und der gelenkten Massenpsychose neue Bezüge erhalten. Man hatte sich entschlossen,

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Abb. 3: Verladung der Reichsinsignien und -reliquien am Wiener Westbahnhof Photo im "Erinnerungsalbum" von 1938, das von der Stadt Nürnberg zusammengestellt wurde. Wien, Kunsthistorisches Museum, Archiv. (©: KHM.)

Abb. 4: Willy Liebe/ und SS-Obergrupperiführer Schmausersehen bei der Verladung am Wien er Westbahnhof zu. Photo im "Erinnerungsalbum" von 1938, das von der Stadt Nürnberg zusammengestellt wurde. Wien, Kunsthistorisches Museum, Archiv. (©: KHM.)

Korrespondenz zwischen Nürnberg und Wien läßt sich entnehmen, daß eine Versicherung der Objekte in Anbetracht der besonderen Umstände der Über­führung nicht für möglich gehalten wurde; vermut­lich spielte dabei auch der kaum kalkulierbare mate­rielle Wert der Objekte eine Rolle. Der Zustand jedes der insgesamt 29 Objekte wurde in einem Protokoll beschrieben. Zu Nummer VI, der Heiligen Lanze, wurde vermerkt: "Es fehlen : Einige Nieten (an der Seite fast alle). Das Goldblech ist teilweise beschä­digt." Verpackt wurden die Objekte in siebzehn spe­ziell angefertigte Transportkisten aus Holz, für die der Stadt Nürnberg 1022 Reichsmark (RM) in Rech­nung gestellt wurden17 Insgesamt beliefen sich die verauslagten Kosten, deren Begleichung das Kunsthi­storische Museum von der Stadt Nürnberg forderte, auf 2272,56 RM, ein durchaus kleiner Betrag im Hin­blick auf die weiteren Ausgaben für die Ausstellung der Reichskleinodien in Nürnberg 18

• Liebe! selbst be­zifferte die durch die Überführung entstandenen Ko­sten für die Stadt Nürnberg in einem Schreiben an die Reichskanzlei auf 4500 RM, wobei in dieser Summe die Ausgaben für den Sonderzug nicht enthalten sind, da diese von der Reichsbahn getragen wurden 19

Ein vom Nürnberger Hochbaureferat zusammen­gestelltes Photoalbum, das den maßgeblich Beteilig­ten zur Erinnerung übersandt wurde, dokumentiert die wichtigsten Stationen der Aktiod0

: Der Transport von der Schatzkammer zum Wiener Westbahnhof er­folgte in einem großen Möbelwagen der Spedition Eisler, der an der Laderampe von Gleis sechs, Bahn­steig vier, unmittelbar neben dem Packwagen abge­stellt wurde (Abb. 3). Zu sehen ist, wie die Transport­kisten, deren Form teilweise den Inhalt verrät, von Hand in den Zug verladen werden. Die SS-Männer der Wachmannschaft stehen vor der offenen Wag­gontüre und scheinen durch ihre Präsen z den Vor­gang eher zu behindern als zu erleichtern. Auf einem anderen Photo betrachten Willy Liebe! und der ver­antwortliche SS-Obergruppenführer Schmauser das Geschehen (Abb. 4). Der von der Reichsbahndirektion Nürnberg erstellte Fahrplan nennt als geplante Ab­fahrtszeit in Wien 22.08 Uhr und als Ankunftszeit in Nürnberg 7.58 Uhr am nächsten Morgen. Der Pack­wagen sollte an der Eilgutrampe neben dem Nürn­berger Hauptbahnhof zur Entladung bereitgestellt werded 1

• Die Transportkisten wurden vom Bahnhof unmittelbar in die Katharinenkirche gebracht, wo sie geöffnet und die Objekte erneut auf Schäden inspi­ziert wurden.

Hitler hatte die zunächst vorgesehene Ausstel­lung im Germanischen Nationalmuseum abgelehnt. Nach der Fertigstellung der im Bau befindlichen Kon­greßhalle sollten die Insignien und Reliquien dort ausgestellt werden und im Umfeld des allgemeinen Größenwahns und der gelenkten Massenpsychose neue Bezüge erhalten. Man hatte sich entschlossen,

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Abb. 3: Verladung der Reichsinsignien und -reliquien am Wiener Westbahnhof Photo im " Erinneru ngsalbum " von 1938, das von der Stadt N iirnberg zusammengestellt wurde. Wien, Kunsthistorisches Museum, Archiv. (©: KHM. )

Abb. 4: Willy Liebe/ und SS-Obergruppenf iih rer Schmauser sehen bei der Verladu ng am Wiener Westbalmlwfz u. Photo im " Erinnerungsalbum" von 1938, das von der Stadt Niirnberg zusmnmengestel!t wurde. Wien, Kunsthistoriscl1es Mu seun1, Archiv. !©: KHM.)

Abb. 5: Die deu tschen Reichsinsignien tmd Reichskleinodien in der Katharinenkirclte in Niimberg. Photo im ,.Erimterungsalbum" vo11 1938, das von der Stadt Nii m berg zusammengestellt w urde. Wien, Kunsthistorisches Mu seum, Archiv. (© : KHM.)

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bis dahin die Kirche des ehemaligen Katharinenklo­sters für die Ausstellung umzugestalten und einen­zumindest nach den damaligen Vorstellungen- un­musealen, weihevollen Eindruck zu schaffen (Abb. 5): Ob die Säulenhalle der Gralsburg aus dem Parsifal hier Pate stand, läßt sich nicht mehr klären. Die Akten geben hierzu keine Auskunft. Auffällig ist jedoch die Lichtmotivik, die ohne Zweifel in das Ausstellungs­konzept inkorporiert wurde. Im Parsifal ist es der Gral, der den Raum erhellt. Seine Macht wird durch das Licht, das von ihm ausgeht, symbolisiert. Die Fen­ster der Katharinenkirche wurden völlig abgedun­kelt, hell beleuchtet waren nur die speziell konstruier­ten Vitrinen, Schreine genannt, die im Chor und ent­lang der Mitte des Kirchenschiffs aufgestellt waren. Für die Besucher sollte der Eindruck entstehen, daß das Licht von den Objekten selbst ausging. Ständig war eine Ehrenwache der SS präsent, möglicherweise auch eine Reminiszenz an den Orden der Gralsritter. Die Heilige Lanze wurde zusammen mit dem Reichs­kreuz, dem Span vom Kreuze Christi und dem kai­serlichen Zeremonienschwert- nicht zu verwechseln mit dem Reichsschwert- im Schrein Nummer sieben ausgestellt, der sich links vor der Chorschwelle be­fand. Im genannten Erinnerungsalbum finden sich zur Ankunft der Insignien und Reliquien fünf Photos, die Heilige Lanze ist jedoch nirgends zu sehen. Wich­tiger für den Kompilator des Albums waren offen­sichtlich die Reichskrone und der Krönungsmantel, die mehrfach abgebildet sind: Die Krone wurde in ihrem mittelalterlichen Lederbehälter transportiert, der geöffnet auf einem Tisch steht (Abb. 6). Um den Tisch drängen sich die Beteiligten, darunter Fritz Dworschak, das Parteiabzeichen deutlich sichtbar am Revers. Das Kronenkreuz und der Bügel waren zum Transport abgenommen worden und werden nun nach einer Begutachtung durch die Konservatoren und Goldschmiede aus Wien und Nürnberg wieder auf der Krone montiert.

Die feierliche Übergabe der Insignien und Reliqui­en an die Stadt Nürnberg fand am 6. September 1938 in der Katharinenkirche statt. Die Durchführung des Festaktes wurde nicht von der Stadt Nürnberg ausge­richtet, sondern es wurde mit ihr die inzwischen er­probte Organisationsleitung der Reichsparteitage be­auftragt. Martin Barmann, NSDAP-Stabsleiter und Stellvertreter Hitlers, wollte propagandistisch nichts dem Zufall bzw. der Eigenmächtigkeit der Festredner Liebel und Seyss-Inquart überlassen, und so gab er in einem Schreiben vom 21. August an Liebel die ver­bindliche Marschrichtung vor: "P[artei]g[enosse] Reichsstatthalter Seyss-Inquart mÜßte also betonen, daß er die Reichskleinodien nach der Rückkehr der Ostmarkt zum Reich dem Führer übergeben habe und daß er daraufhin vom Führer beauftragt worden sei, die Reichskleinodien, wie in früheren Jahrhun­derten, der Stadt Nürnberg zur Aufbewahrung zu

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übergeben. "22 Möglicherweise wollte man vermeiden, daß Liebel seine Rolle bei der Rückholung der Reichs­kleinodien zu stark betonen könnte. In der Tat scheint dieser seine Aktivitäten gerne hervorgehoben zu ha­ben, so während der Stadtratssitzung vom 22. Juli 1938, bei der er trotz der allseitig vereinbarten Ge­heimhaltung ausführlich von seinen großen Erfolgen berichtete und den Dank der Stadträte entgegen­nahm. Beide Redner hielten sich selbstverständlich an die Vorgaben: Seyss-Inquart betonte den Symbolcha­rakter der Reichskrone für das "geeinte" Groß­deutschland, die Heilige Lanze oder andere Reliquien erwähnte er mit keinem Wort: "Heute erfülle ich den Auftrag des Führers, diese dem Deutschen Volk heili­gen Insignien deutscher Reichswürde in die Herz­stadt des Reiches zurückzubringen. Die Reichsklein­odien sollen wie in den früheren Jahrhunderten nun wieder in Nürnberg aufbewahrt und behütet sein. Vor nahezu 140 Jahren verließ die Kaiserkrone ein Deutschland, das kein Reich mehr war; fern von Kleindeutschland lag sie als Symbol des verlorenen Reiches in Wien. Heute ist sie wieder zurückgekehrt mit ihrer unvergänglichen Würde an ihre alte Stätte im größeren Reich.[ ... ] Und darum grüßen wir in der Stunde der Heimholung der Kaiserkrone den Einiger und Vollender des Reiches."23

Es war keine Überraschung, daß Liebel in seiner Rede eine dezidiert Nürnberger Sichtweise zu den Objekten gab: Der Stadt Nürnberg waren die Reichs­kleinodien zur ewigen Verwahrung übergeben wor­den, und die Stadt übernähme, nach der treuhänderi­schen Verwahrung in Wien, diese Aufgabe und Ver­antwortung für das geeinte deutsche Volk erneut: "Unser heißer Dank und unser ehrfurchtsvoller Gruß gilt in dieser Feierstunde an historischer Stätte und im Angesicht der 1000-jährigen deutschen Kaiserkrone, dieses Sinnbildes eines größeren Deutschland, dem Mann, dem wir allein die Schaffung des Großdeut­schen Reiches verdanken. Dem Führer- Sieg Heil!" Auch Liebel erwähnte die Heilige Lanze nicht.

Die untergeordnete Bedeutung der Heiligen Lan­ze in der politischen Propaganda und der öffentlichen Wahrnehmung wird auch in der Berichterstattung der deutschen Presse über das Ereignis deutlich. Her­vorgehoben werden allein die Insignien des Reiches. Ebenso verhält es sich mit Beiträgen in der gelenkten Parteipresse-mit einer Ausnahme: In der September­Ausgabe des "Ewigen Deutschland", einer "Monats­schrift für den deutschen Volksgenossen", veröffent­lichte der Religionswissenschaftler Otto Huth, Leiter des Instituts für indogermanische Glaubensgeschich­te in Straßburg, das der SS-Organisation "Ahnener­be" unterstand, einen zweiseitigen Artikel über "Das Heilige Germanische Reich Deutscher Nation"24 • Die Insignien des Heiligen Römischen Reiches standen fürHuthin einer germanischen Tradition- an einer Stelle spricht er sogar von germanischer Herkunft -

und bildeten demzufolge Anknüpfungspunkte für die "größere germanisch-deutsche" Geschichte, die nicht erst mit Karl dem Großen begann, sondern weit vor das Mittelalter zurückreiche: "Trotz aller Wand­lungen im einzelnen sind die Insignien des Deutschen Reiches ein Erbgut aus germanischer Zeit." Zentrales Symbol für die Ausübung von Herrschaftsgewalt im germanischen Altertum ist für Huth ein heiliger Speer oder eine heilige Lanze. Ein "Wodanspeer" le­gitimiere bei den meisten germanischen Stämmen ei­nen rechtmäßigen Herrscher. Die in Nürnberg ausge­stellten Reichskleinodien, darunter die Heilige Lanze, stünden in dieser Tradition. Erst durch ihren Besitz wurde ein König der rechtmäßige Herrscher. Interes­santerweise führte Huth seinen Ansatz nicht bis zur letzten Konsequenz weiter. Er vermied tunliehst die fast zwangsläufige Interpretation, daß sich für den Führer des Dritten Reiches eine Herrschaftslegitima­tion aus dem Besitz der tradierten Herrschaftssymbo­le herleiten könnte. Dies hätte den pseudolegalisti­schen Anspruch der NSDAP zu sehr in Frage stellen können, nach dem Hitlers Machtübernahme auf einer nach geltendem Recht erfolgten Übergabe der Macht im Sinn der Weimarer Verfassung basierte.

Die Reichs- und Parteiführung war sich dieses Le­gitimationsproblems offensichtlich sehr bewußt, an­sonsten ließe sich die offiziell sanktionierte Lesart der Insignien und Reliquien des Heiligen Römischen Rei­ches kaum erklären. Diese läßt sich dem offiziellen Führer durch die Reichskleinodien-Ausstellung ent­nehmen, der von Eberhard Lutze, Konservator am Germanischen Nationalmuseum, im Auftrag der Stadt Nürnberg verfaßt worden war25 • Lutze war frühzeitig als Sachverständiger an den Vorbereitun­gen für die Überführung beteiligt gewesen und hatte den Transport begleitet. Bereits in der Einleitung stellt Lutze klar, daß er die Insignien als höchsten In­begriff der Reichsherrlichkeit sieht. In deutlichem Ge­gensatz zu Huth seien sie demnach keine Symbole und Abzeichen der Herrschaft als solche, sondern le­diglich Schmuckstücke eines nicht klar definierten, primär historisch faßbaren Reichsbegriffs. Bemer­kenswert ist in diesem Kontext die Abfolge der Ob­jekte: Man würde zunächst die Krone erwarten, in der Ausstellung stand jedoch das Schwert an erster Stelle, gefolgt von Krone und Szepter. Der ikonische Wert einer archaischen Waffe ließ sich leichter umdeuten und umwerten als derjenige der durchaus sinnbela­denen, aber auch -belasteten Reichskrone. Das Dritte Reich durfte generell, besonders jedoch durch die ge­wählten Symbole und Ikonen, nicht den Eindruck er­wecken, eine irgendwie geartete Fortführung des Heiligen Römischen Reiches darzustellen. War die Reichskrone als Symbol im wahrsten Sinn "untrag­bar" für den Führer, so traf dies umso mehr für die Heilige Lanze zu als ein in der öffentlichen W ahrneh­mung primär christlich geprägtes Objekt. Daß sich ih-

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re historisch gefestigte Bedeutung auf ihre Funktion als Christusreliquie bezog bzw. die bisherigen politi­schen Nutzungen sich explizit auf ihre Funktion als Reliquie beriefen, konnte durch keine Neukontextua­lisierung verheimlicht oder gar in Frage gestellt wer­den. Lutze bemerkt knapp und durchaus zutreffend, allerdings ohne weitere Vertiefung der Thematik: "Kein Stück des Schatzes war einem derartigen Be­deutungswandel unterworfen wie die heilige Lanze." Für Lutze war es offensichtlich zu heikel, ohne Vor­gaben oder zumindest Einverständnis eine neue Be­deutung zu definieren; nicht angebracht schien ei­genverantwortliches Handeln im Hinblick auf die Karriereaussichten, die sich nicht zuletzt aus der Be­teiligung an der "Rückholung" ergaben. Vermutlich schien ihm die einfachste Lösung, diesen Punkt of­fenzulassen, zumalesauch keine Notwendigkeit gab, die Lanze aus der Vielzahl der in der Ausstellung versammelten Reliquien weiter hervorzuheben. Auf die Ebene eines musealen Objekts reduziert- Lutze spricht an einer anderen Stelle von "geschichtlichen Schaustücken" - war die Lanze für einen Konserva­tor handhabbar und politisch ungefährlich.

Daß es bei der Ausstellung der Reichskleinodien durchaus auch um finanzielle Aspekte ging, zieht sich wie ein roter Faden durch die Akten: Vom Kunsthistorischen Museum in Wien wurde zunächst die Forderung nach einer finanziellen Kompensation für die Verluste an Eintrittsgeldern gestellt, die sich durch die für die Besucher gesunkene Attraktivität der Schatzkammer ergaben. Allerdings befand sich das Museum in einer schwachen Verhandlungsposi­tion, da die Entscheidung über die Rückgabe bereits gefällt worden war. Dementsprechend fand die For­derung kein Entgegenkommen von seiten Nürn­bergs. Untermauert wurde das Wiener Begehren durch eine Aufstellung der Besucherzahlen und Ein­nahmen der Schatzkammer in den Monaten von April bis August 1938: Gezählt wurden 33.597 Besu­cher und eingenommen 11.517 RM2". Einigen konnten sich die beiden Parteien jedoch über die Abgabe der am Kunsthistorischen Museum vorhandenen Photo­negative und Bildpostkarten der Reichskleinodien nebst der entsprechenden Bildrechte zur freien Ver­fügung- und zur profitablen Vermarktung- durch die Stadt Nürnberg gegen eine Abschlagszahlung von insgesamt 5.000 RM.

Im Juni 1938 bereitete Liebe] die Finanzplanung für die Ausstellung der Kleinodien in den kommen­den Jahren vor. Das Ziel war offensichtlich: Die ent­stehenden Kosten sollten zum großen Teil auf die Reichskanzlei abgewälzt werded7. Eine interne Auf­stellung zeigt, daß im Zeitraum von September 1938 bis April 1939 insgesamt 17.000 RM eingenommen wurden, die Hochrechnung für das Jahr 1939 nennt als erwartete Einnahmen die stolze, im Hinblick auf die bisher erzielten Einnahmen möglicherweise über-

1\bb. 6: Begutachtung der Kaiserkrone nach ihrer Ankunft in der Katharinenkirche. Photo im "Erinnenmgsalbum" von 1938, das I)Oil der Staift• Nürnberg zusammengestellt wurde. Wien, Kunsthistorisches Museum, Archiv. (©: KHM.)

höhte Summe von 70.000 RM. Zu diesen Zahlen muß noch das einträgliche Geschäft mit Führern, Postkar­ten etc. gerechnet werden, über dessen Umfang Berlin offensichtlich im unklaren gelassen werden sollte. Nürnberg konnte sich darauf berufen, daß die vielen Leute, die alljährlich zum Reichsparteitag anreisten, potentielle Besucher für die Ausstellung waren. Den Einnahmen standen jedoch beträchtliche Ausgaben gegenüber, die mittelfristig die Ausstellung der Ob­jekte wohl kaum zu einer profitablen Einnahmequel­le gemacht hätten: Zu diesem Zeitpunkt waren be­reits für bauliche Maßnahmen 84.500 RM, für die von Baurat Timme entworfenen Vitrinen 43.000 RM und für Personal 6.000 RM ausgegeben worden. Die ver­anschlagten Kosten für das Jahr 1939, besonders aber die Kosten zur Aufrechterhaltung des Betriebs, waren noch weit höher: Unter anderem wurden für den "sachlichen Verwaltungsaufwand" (insbesondere Be­leuchtung, Heizung, Reinigung etc.) 40.000 RM, für Strom, Gas, Wasser etc. 20.000 RM, für den Einbau von kugelsicherem Glas in die Vitrinen und für eine

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Klimaanlage 63.000 RM, für zwei bombensichere Schutzräume 112.000 RM gerechnet.

Diese zunächst für den internen Gebrauch aufge­stellte Einnahmen-Ausgabenrechnung hatte einen konkreten Hintergrund. Liebel hatte erneut die Initia­tive ergriffen, allerdings wurde er diesmal von der Tragweite seiner Aktivitäten im Nachhinein über­rascht: Hitler besuchte am 2. September 1938 die Aus­stellung der Reichskleinodien, und Liebel sprach ihn bereits bei dieser Gelegenheit darauf an, daß die Ei­gentumsverhältnisse der Kleinodien nun endgültig geklärt werden müßten (Abb. 7). Hitler stand dem nicht ablehnend gegenüber und verwies Liebel zwecks Erarbeitung eines entsprechenden Reichsge­setzes auf den Chef der Reichskanzlei, Lammers, als Ansprechpartner28• Im Auftrag Liebeis fertigte nun der Nürnberger Stadtrat und Jurist Karl Fischer ein Gutachten zu den Eigentumsverhältnissen an. Er kam zu dem Schluß, daß Österreich nie ein Eigentum an den Kleinodien erworben hätte, sondern nur Be­wahrer gewesen wäre. Durch den Anschluß Öster-

Abb. 6: Begutachtung der Kaiserkrone nach ihrer Ankunft in der Kntharinenkircl1e. Photo im "Erinnerungsnlbum" von 1938, das von der Staffl' Niimberg Zl/sarnmengestellt wurde. Wien, Kunsthistorisches Mu seum, Archiv. (©: KHM.)

höhte Summe von 70.000 RM. Zu diesen Zahlen muß noch das einträgliche Geschäft mit Führern, Postkar­ten etc. gerechnet werden, über dessen Umfang Berlin offensichtlich im unklaren gelassen werden sollte. Nürnberg konnte sich darauf berufen, daß die vielen Leute, die alljährlich zum Reichsparteitag anreisten, potentielle Besucher für die Ausstellung waren. Den Einnahmen standen jedoch beträchtliche Ausgaben gegenüber, die mittelfristig die Ausstellung der Ob­jekte wohl kaum zu einer profitablen Einnahmequel­le gemacht hätten: Zu diesem Zeitpunkt waren be­reits für bauliche Maßnahmen 84.500 RM, für die von Baurat Timme entworfenen Vitrinen 43.000 RM und für Personal 6.000 RM ausgegeben worden. Die ver­anschlagten Kosten für das Jahr 1939, besonders aber die Kosten zur Aufrechterhaltung des Betriebs, waren noch weit höher: Unter anderem wurden für den "sachlichen Verwaltungsaufwand" (insbesondere Be­leuchtung, Heizung, Reinigung etc.) 40.000 RM, für Strom, Gas, Wasser etc. 20.000 RM, für den Einbau von kugelsicherem Glas in die Vitrinen und für eine

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Klimaanlage 63.000 RM, für zwei bombensichere Schutzräume 112.000 RM gerechnet.

Diese zunächst für den internen Gebrauch aufge­stellte Einnahmen-Ausgabenrechnung hatte einen konkreten Hintergrund. Liebel hatte erneut die Initia­tive ergriffen, allerdings wurde er diesmal von der Tragweite seiner Aktivitäten im Nachhinein über­rascht: Hitler besuchte am 2. September 1938 die Aus­stellung der Reichskleinodien, und Liebel sprach ihn bereits bei dieser Gelegenheit darauf an, daß die Ei­gentumsverhältnisse der Kleinodien nun endgültig geklärt werden müßten (Abb. 7). Hitler stand dem nicht ablehnend gegenüber und verwies Liebel zwecks Erarbeitung eines entsprechenden Reichsge­setzes auf den Chef der Reichskanzlei, Lammers, als Ansprechpartner28

. Im Auftrag Liebels fertigte nun der Nürnberger Stadtrat und Jurist Karl Fischer ein Gutachten zu den Eigentumsverhältnissen an. Er kam zu dem Schluß, daß Österreich nie ein Eigentum an den Kleinodien erworben hätte, sondern nur Be­wahrer gewesen wäre. Durch den Anschluß Öster-

Abb. 7: Hit/er besucht am 2. September 1938 die Reichskleinodienausstellung, hinter ihm Oberbürgermeister Willy Liebe/. Photo. Nürnberg, Staatsarchiv, Nachlaß Bühler. (©: ebenda.)

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reichswäre dieser Status dem Deutschen Reich zuge­fallen, das nun lediglich die Aneignung erklären müsse, um das Eigentum an den Objekten zu erwer­ben. Hitler stimmte zu und ließ sich von Liebel bei ei­nem weiteren Besuch am 3. Februar 1939 auch davon überzeugen, daß zusätzlich zu den Kleinodien alle Archivalien, die einen Bezug zu den Objekten hatten, in Reichsbesitz übergehen und in Nürnberg verwahrt werden sollten.

Liebel ließ von Stadtrat Fischer sogleich einen Entwurf für einen Gesetzestext erarbeiten, den er nach Berlin sandte. In den folgenden Monaten wurde in Berlin und Nürnberg bei der Ausarbeitung der In­itiative eine ansehnliche Menge amtlichen Schriftguts produzierf9• So findet sich in den Akten die Diskussi­on, ob im Gesetzestext das Fremdwort "Archivalien" nicht durch ein gleichwertiges deutsches Wort ersetzt werden könne. Als sprachlich adäquate Alternative wurde vom Leiter des Stadtarchivs Nürnberg, Ger­hard Pfeiffer, "behördlich erwachsenes Schriftgut" vorgeschlagen. Im Kontext der sich hinziehenden Verhandlungen müssen auch die genannten Berech­nungen Nürnbergs gesehen werden. Liebel hatte durch seine Initiative für eine Verstaatlichung der Kleinodien erreichen wollen, daß diese von ihrem neuen Besitzer, dem Deutschen Reich, der Stadt Nürnberg erneut zur ewigen Verwahrung übergeben würden. Daß sich durch die Fixierung der bis dahin nicht eindeutig geklärten Besitzverhältnisse Proble­me für die Stadt Nürnberg ergeben könnten, hatte Liebel bei seinem Alleingang allerdings nicht be­dacht. Von seiten des Stadljuristen Meyer wurde er darauf hingewiesen, daß der von ihm favorisierte Ge­setzesentwurf der Stadt signifikante finanzielle Bela­stungen bescheren könnte. In Nürnberg wurde auf­grund dieser Warnung versucht, die finanzielle La­stenverteilung zwischen Stadt und Reich durch die Erarbeitung einer Durchführungsverordnung zum bevorstehenden Gesetz im Sinne von Nürnberg zu regeln. Liebel wurde allerdings abgeraten, die Ver­ordnung in Berlin einzubringen, da zu diesem späten Zeitpunkt in den Verhandlungen mit dem Wider­stand in der Reichsregierung zu rechnen war. So war offensichtlich noch nicht geklärt, wer für die Kosten der Ausstellung aufkommen sollte und wem die Ein­nahmen zufielen. Es war kaum möglich, dem Reich als Eigentümer die Einnahmen vorzuenthalten. Ver­mieden werden mußte jedoch, daß Nürnberg auf den substantiellen Kosten sitzenblieb.

Trotz oder gerade wegen der Auswüchse real exi­stierender Bürokratie begann die Zeit für das Gesetz knapp zu werden. Niemandem, nicht zuletzt Liebel, konnte verborgen bleiben, daß sich die internationale Situation dramatisch verschlechterte und daß die Zie­le der deutschen Außenpolitik offenbar mit nicht-di­plomatischen Mitteln durchgesetzt werden sollten. Liebel wurde wiederholt in Berlin vorstellig, um eine

Abb. 7: Hit/er besuc/1t nm 2. Septen1ber 1938 die Reichsk/einodiennusste/lung, hinter ilnn Oberbiirgermeister Willy Liebe/. Photo. N iirnberg, Staatsnrchiv, Nachlaß Biihler. (© : ebenda.)

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reichswäre dieser Status dem Deutschen Reich zuge­fallen , d as nun lediglich die Aneignung erklären müsse, um das Eigentum an den Objekten zu erwer­ben . Hitler stimmte zu und ließ sich von Liebe! bei ei­nem weiteren Besuch am 3. Februar 1939 auch davon überzeugen, daß zusä tzlich zu den Kleinodien alle Archiva lien, die einen Bezug zu den Objekten hatten, in Reichsbesitz übergehen und in N ürnberg verwahrt werden sollten .

Liebel ließ von Stadtrat Fischer sogleich einen Entw urf für einen Gese tzestext erarbeiten, den er nach Berlin sandte. In den folgenden Monaten w urde in Berlin und N ürnberg bei der Ausarbeittmg der In­itia tive eine ansehnliche Menge amtlichen Schriftguts produziert29

. So findet sich in den Akten die Diskussi­on, ob im Gesetzestext das Frem dwort "Archiva lien" nicht durch ein gleichwertiges deutsches Wort ersetzt werden könne. Als sprachlich adäquate Alternative w urde vom Leiter des Stadtarchivs Nürnberg, Ger­h ard Pfeiffer, "beh ördlich erwachsenes Schriftgut" vorgeschl agen . Im Kontex t der sich hinziehenden Verhandlungen müssen auch d ie genannten Berech­nungen Nürnbergs gesehen werden . Liebel h a tte durch seine Initia tive für eine Verstaa tlichung der Kleinodien erreichen wollen, daß diese von ihrem n eu en Besi tzer, d em Deutsch en Reich , d er Stadt Nürnberg erneut zur ewigen Verwahrw1g übergeben w ürden. Daß sich durch die Fixierung der bis dahin nicht eindeutig geklärten Besitzverhältnisse Proble­me für die Stadt Nürnberg ergeben könnten, hatte Liebel bei seinem Alleingang a llerdings nicht be­dacht. Von seiten des Stad~uristen Meyer wurde er darauf hingewiesen, daß der von ihm fa vorisierte Ge­setzesen twurf der Stadt signifikante finanzielle Bela­s tungen bescheren könnte. In N ürnberg wurde auf­grwld dieser Warnung versucht, die finanzielle La­sten verteilung zwischen Stadt und Reich durch die Erarbeitung einer Durchführungsverordnung zum bevorstehenden Gesetz im Sinne von Nürnberg zu regeln. Liebel w urde allerdings abgera ten, die Ver­ordnung in Berlin einzubringen, d a zu diesem sp äten Zeitpunkt in den Verhandlungen mit dem Wider­stand in der Reichsregierung zu rechnen war. So war offensichtlich noch nicht geklärt, wer für d ie Kosten der Aussteilung aufkommen sollte und wem die Ein­nahmen zufielen. Es war ka um möglich, dem Reich als Eigentümer die Einnahmen vorzuenthalten . Ver­mieden werden m ußte jedoch, daß N ürnberg auf den substantiellen Kosten sitzenblieb.

Trotz oder gerade wegen der Auswüchse real exi­stierender Bürokra tie begann die Zeit für das Gesetz knapp zu werden . Niem andem , nicht zuletzt Liebe!, konnte verborgen bleiben, daß sich die internationale Situation dramatisch verschlechterte und daß die Zie­le der deutschen Außenpolitik offenbar mit nicht-di­plom atischen Mitteln durchgesetzt werden sollten. Liebel w urde wiederholt in Berlin vorstellig, um eine

Beschleunigung der Gesetzgebungsinitiative zu errei­chen. Am 8. Juli teilte ihm Lammers mit, daß Hitler seine Zustimmung zur Vorlage des Gesetzes erteilt hätte. Der Gesetzesentwurf wurde am 26. August durch Innenminister Wilhelm Frick zur Beschlußfas­sung durch die Reichsregierung eingebracht, aller­dings kam es nicht mehr zu einer Verabschiedung, denn nur wenige Tage später, am 1. September 1939, begann mit dem Überfall Deutschlands auf Polen der Zweite Weltkrieg.

Mit Kriegsbeginn wurden die weiteren Planungen für die Ausstellung der Kleinodien und der Heiligen Lanze obsolet. Die Ausstellung wurde sofort ge­schlossen, die Objekte wurden in Kisten verpackt und vorläufig in Räumen des angrenzenden ehemaligen Katharinenklosters zwischengelagert, bevor sie in den Tresor des enteigneten jüdischen Bankhauses Anton Kohn in der Königstraße 26 überführt wurden. Eine Aktennotiz berichtet, daß am 23. Februar 1940 insgesamt zwanzig Kisten- die Heilige Lanze befand sich in Kiste Nummer acht- in die "Bergungsräume" Obere Schmiedgasse 52 verlegt wurden30• Hinter die­sen Bergungsräumen, heute als Historischer Kunst­bunker (Abb. 8) bekannt, verbarg sich ein ehemaliger Bierkeller, der sich im Besitz der Stadt Nürnberg be­fand und somit ohne großes Aufsehen einer neuen Nutzung zugeführt werden konnte31 • Er erstreckte sich in Teilen unter den Sandsteinfelsen der Nürnber­ger Kaiserburg und war somit gegen Bomben gut ge­schützt. Der Zugang führte ebenerdig durch einen Hauseingang, was die Einlagerung von sperrigen Ob­jekten erleichterte. Um als Depot für Kunstgegenstän­de nutzbar zu sein, mußte der Keller zunächst durch bauliche Maßnahmen entfeuchtet werden. Vertretba­re Feuchtigkeitswerte für eine längerfristige Lage­rung wurden durch den Einbau einer einfachen, aber funktionellen Klimaanlage erreicht: Zunächst wurde der Raumluft durch Kältemaschinen Feuchtigkeit entzogen, die kalte Luft wurde dann mittels einer Kohlenheizung wieder angewärmt. Zusätzlich wur­den die Metallteile der Kleinodien regelmäßig durch Mitarbeiter der Städtischen Kunstsammlungen auf Rostansatz überprüft und bei Bedarf eingefettet. Die Aufsicht über das Kunstdepot hatte das städtische Hochbauamt, die Bewachung wurde von der örtli­chen Polizei übernommen. Die Reichskleinodien be­fanden sich in Zelle Nummer 3 der Anlage, die durch eine massive Tresortüre (Abb. 9) zusätzlich gesichert war.

Als im Frühjahr 1945 die US-Truppen immer näher an Nürnberg heranrückten, wurden Überle­gungen bezüglich der Zukunft der Reichskleinodien notwendig. Bereits im Spätherbst 1944 waren für die als zentral erachteten Objekte - Reichskrone, Reichs­schwert, Reichsszepter und Reichsapfel - individuel­le Kupferbehälter für eine mögliche Evakuierung an­gefertigt worden32• Am 29. März 1945 wurden die

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Abb. 8: Eingang zum Historischen Kunstbunker in Nümberg. (Photo: Volker Schier.)

Abb. 9: Tresortüre im Historischen Kunstbunker in Nürnberg. (Photo: Volker Schier.)

Beschleunigtmg der Gesetzgebungsinitiative zu errei­chen . Am 8. Juli teilte ihm Lammers mit, daß Hitler seine Zustimmtmg zur Vorlage des Gesetzes erteilt hä tte. Der Gesetzesentw urf w urde am 26. August durch Innenminister Wilhelm Frick zur Beschlußfas­stmg durch die Reichsregierung eingebracht, aller­dings kam es nicht mehr zu einer Verabschiedw1g, denn nur wenige Tage später, am 1. September 1939, begann mit dem Überfall Deutschlands auf Polen der Zweite Weltkrieg.

Mit Kriegsbeginn w urden d ie weiteren Planungen für die Ausstellung der Kleinodien tmd der Heiligen Lan ze obsolet. Die Auss tellung w urde sofort ge­schlossen, die Objekte w urden in Kisten verpackt und vorläufig in Räumen des angrenzenden ehemaligen Katharinenklosters zwischengela ge rt, bevor sie in den Tresor des enteigneten jüdischen Bankhauses Anton Kohn in der Königstra ße 26 überführt wurden . Eine Aktennotiz berichtet, daß am 23. Februar 1940 insgesamt zwanzig Kisten- die Heilige Lanze befand sich in Kiste Nummer acht - in die "Bergungsräume" Obere Schmiedgasse 52 verlegt w urden30

. Hinter die­sen Bergungsräumen, heute als His torischer Kunst­bw1ker (Abb. 8) bekannt, verbarg sich ein ehemaliger Bierkeller, der sich im Besitz der Stadt N ürnberg be­fand und somit ohne großes Aufsehen einer neuen N utzung zugeführt werden konnte31

• Er erstreckte sich in Teilen unter den Sandsteinfelsen der Nürnber­ger Kaiserburg und war somit gegen Bomben gut ge­schütz t. Der Zugang führte ebenerdig durch einen H auseingang, was die Einlagerung von sperrigen Ob­jekten erleichterte. Um als Depot für Kunstgegenstän­de nutzbar zu sein, mußte der Keller zunächst durch bauliche Maßnahmen entfeuchtet werden . Vertretba­re Feuchtigkeitswerte für eine längerfris tige Lage­rung wurden durch den Einbau einer einfachen, aber funktionellen Klimaanlage erreicht: Zunächst wurde der Raumluft durch Kältem aschinen Feuchtigkeit entzogen, die kalte Luft wurde dann mittels einer Kohlenheizung wieder angewärmt. Zusä tzlich wur­den die Metallteile der Kleinodien regelmäßig durch Mitarbeiter der Städtischen Kunstsammlungen auf Rostan sa tz überprüft und bei Bedarf eingefettet. Die Aufsicht über das Kunstdepot hatte das städtische Hochbauamt, die Bewachung w urde von der örtli­chen Polizei übernommen. Die Reichskleinodien be­fanden sich in Zelle Nummer 3 der Anlage, die durch eine massive Tresortüre (Abb. 9) zusä tzlich gesichert war.

Als im Frühjahr 1945 die US-Truppen immer näher an Nürnberg heranrückten , wurden Überle­gungen bezüglich der Zukunft der Reichskleinodien notwendig. Bereits im Spätherbst 1944 w aren für die als zentral erachteten Objekte - Reichskrone, Reichs­schwert, Reichsszepter tmd Reichsapfel- individuel­le Kupferbehälter für eine mögliche Evakuierung an­gefertig t worden32

• Am 29. März 1945 wurden die

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Abb. 8: Eingm1g zum Historiseilen Kunstbunker in N iimberg . (Photo: Volker Schier.)

Abb. 9: Tresortiire im Hislorisellen Kunstbunker in N iirnberg. (Photo: Volker Schier.)

fünf Objekte in Glaswolle verpackt und in den Behäl­tern verlötet, am 31. März wurden sie heimlich in ei­ner Nische über einer Tür im verzweigten Felsenkel­ler unter dem Paniersplatz, der in Teilen zu einem Luftschutzbunker umgebaut worden war und auch als Kunstdepot Verwendung fand, vermauert. Invol­viert in diese Aktion waren nur vier Personen: Ober­bürgermeister Willy Liebel, Oberbaurat Julius Lincke, Stadtbaurat Heinz Schmeissner und Luftschutzdezer­nent Konrad Fries, alles städtische Beamte.

Um die im Kunstbunker verbliebenen Kunstob­jekte, darunter die Heilige Lanze, vor Kampfhand­lungen zu schützen, wurde unmittelbar vor dem Ein­marsch der US-Truppen der Eingang in der Oberen Schmiedgasse durch eine Sprengung unpassierbar gemacht. Der Zutritt war jedoch nach wie vor durch einen Nebeneingang möglich. Das durch Luftangriffe großteilszerstörte Nürnberg wurde am 20. April1945 ohne größeren Widerstand eingenommen. Willy Lie­bel beging Selbstmord. Nach Hinweisen aus der Stadtverwaltung an die Besatzungstruppen erhielt der Kunstbunker nach einigen Tagen eine Wache. Ei­ne erste Inspektion von Zelle 3 fand allerdings erst Monate später, am 3. Juni 1945, durch Captain John C. Thompson, Fine Arts and Archives Officer, statt, nachdem dieser gerüchteweise vom möglichen Feh­len von Teilen der Insignien erfahren hatte. Der Aus­gangspunkt der folgenreichen Gerüchte war offen­sichtlich Eberhard Lutze, inzwischen zum Direktor der Städtischen Sammlungen avanciert, der gegen­über dem Konservator am Germanischen National­museum, Ernst Günter Troche, vertraulich darauf hinwies, daß Objekte aus dem Bestand der Reichsinsi­gnien auf Befehl Heinrich Himmlers aus dem Kunst­bunker entfernt worden seien33 • Troche, der nur we­nig später zum kommissarischen Direktor des Mu­seums berufen wurde, diente Captain Thompson zu dieser Zeit als Übersetzer und gab sein Wissen pflichtbewußt weiter34. Im Rahmen der Inspektion eröffnete Fries Thompson, daß die Objekte tatsächlich nicht mehr vorhanden seien, da man sie vor der Ein­nahme Nürnbergs abtransportiert hätte, eine Version, auf die sich die beteiligten Beamten vorher geeinigt hatten.

Über die Vorgänge finden sich in den Archiven Berichte von Schmeissner, Fries und Lincke sowie dem amerikanischen Kunstschutzoffizier Lieutenant Walter W. Horn, dem es schließlich gelang, die Insi­gnien wiederzufinden. Die Berichte erzählen jedoch nicht die gleiche Geschichte, sondern jeder Bericht gibt eine andere Fassung der Ereignisse wieder. Im Hinblick auf die Heilige Lanze sind einige Details der Schilderungen trotzdem von Bedeutung: Jahrzehnte später vermischten sich in der populären Rezeption das "Schicksal" der Heiligen Lanze und dasjenige der versteckten Reichsinsignien. Einige an sich unwesent­liche Details der Berichte entwickelten in diesem Pro-

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zeß eine fast unglaubliche Eigendynamik und wer­den uns im Lauf dieses Beitrags immer wieder begeg­nen.

Am 25. Juli 1945 kam Lieutenant Horn mit dem Auftrag nach Nürnberg, die verschwundenen Insi­gnien zu finden35 . Der aus Deutschland emigrierte Horn war im Zivilberuf Kunsthistoriker und dem­nach prädestiniert für diese Aufgabe. Die Untersu­chungen und Vernehmungen zogen sich längere Zeit hin und wurden dadurch kompliziert, daß unter den Kriegsgefangenen allerlei wilde Gerüchte über das Schicksal der Objekte kursierten, die Horn offensicht­lich ernst nahm. Am 2. August fand die erste syste­matische Inventarisierung der Reichskleinodien im Kunstbunker statt: Die Heilige Lanze wird ordnungs­gemäß aufgelistet. Erst Anfang September gestand Fries, daß er den Aufenthaltsort der fehlenden Stücke kannte: Horn hatte ihn mit seinem Verdacht konfron­tiert, daß die Objekte in die Hände einer 55-Unter­grundorganisation gelangt seien und somit zu den Symbolen einer Widerstandsbewegung werden könnten, eine Interpretation, die Fries offensichtlich zum Handeln zwang, um nicht noch tiefer in die Vor­gänge verstrickt zu werden. Am 7. August wurden die Insignien schließlich geborgen.

Der nun wieder zusammengeführte Gesamtbe­stand wurde weiterhin im gesicherten Kunstbunker aufbewahrt. Die amerikanische Militärregierung wollte nun zügig das weitere Vorgehen im Fall der Insignien und Reliquien klären lassen. Zwei Optio­nen standen im Raum: Verbleib in Nürnberg oder Rückgabe an Wien. Klemens Gsell weist in seiner rechtshistorischen Untersuchung zum Reichsschatz darauf hin, daß dies für die Stadt Nürnberg offen­sichtlich kein relevantes Thema war, denn es finde sich hierzu kein behördlicher Schriftverkehr3".

Dennoch wurden im Auftrag der Militärregie­rung zwei Gutachten angefertigt: Wilhelm Schwem­mer untersuchte in einer historisch orientierten Stel­lungnahme die Beziehung der Reichskleinodien zu Nürnberg. Dem Erlanger Ordinarius für Kirchen­recht und Deutsche und Bayerische Rechtsgeschich­te, Hans Liermann, fiel die Aufgabe zu, eine juristi­sche Stellungnahme zu den Eigentumsverhältnissen anzufertigen37 • Seine Argumentation ist besonders im Hinblick auf die Heilige Lanze von Interesse. Für die Reliquien seien die Verordnungen des Corpus Iuris Canonici von Bedeutung. Ein Handel mit "res sacrae" sei nicht möglich, ebensowenig eine Verfügung über sie. Liermanns Stellungnahme greift in Teilen Rechts­gutachten auf, die im Rahmen eines Streits der Reichsstadt Nürnberg mit König Friedrich III. in Pa­dua angefertigt wurden3H: Friedrich hatte im Jahr 1443 die Reichskleinodien von der Reichsstadt Nürn­berg zurückgefordert. Die vom Rat der Stadt Nürn­berg beauftragten Paduaner Juristen vertraten unter anderem die Ansicht, daß nach den Bestimmungen

des Kirchenrechts für "res sacrae" eine "possessio" nicht möglich sei. Für Liermann waren die Reichs­kleinodien zu Beginn des 15. Jahrhunderts zu einem Sondervermögen geworden und zu einer eigenen ju­ristischen Person in Form einer Stiftung mutiert, de­ren Organisation durch die "berufene Staatsgewalt" neu geordnet werden müsse. Bei der Neugliederung hätte die "Staatsgewalt" völlig freie Hand, wobei Zweckmäßigkeit und historische Bindung für eine Verwaltung durch die Stadt Nürnberg sprächen.

Entgegen dieser Empfehlung wird am 3. Januar 1946 der Gesamtbestand an Insignien und Reliquien im Kunstbunker auf Befehl der amerikanischen Mi­litärregierung an die US-Armee übergeben; am 4. Ja­nuar werden die Stücke verpackt, auf Lastkraftwagen verladen und unter dem Schutz von Militärpolizei zum Flughafen Fürth gebracht39• Von dort werden sie mit einem amerikanischen Militärflugzeug zum Flug­hafen Tulln bei Wien geflogen und in die Österreichi­sche Nationalbank überführt, wo sie auf Vollständig­keit und Zustand geprüft (Abb. 10) und im Tresor un­tergebracht werden. Die formale Übergabe an den Österreichischen Bundeskanzler Leopold Figl durch General Mark Clark findet am 10. Januar statt. Die meisten der Objekte verbleiben zunächst bis Mai 1949 im sicheren Tresor der Nationalbank, dann, bis Sep­tember 1953, im Tresor der Österreichischen Post­sparkasse und für kurze Zeit im Hauptgebäude des Kunsthistorischen Museums. Die Wiedereröffnung der Schatzkammer findet am 1. Juli 1954 statt, womit auch die Heilige Lanze nach fünfzehn Jahren wieder der Öffentlichkeit zugänglich wird.

Die Heilige Lanze auf Papier In der wenig später beginnenden literarischen Umset­zung der geschilderten Ereignisse wurde das nach Wien zurückgekehrte reale Objekt erstmalig mit einer fiktionalen Adaption seiner jüngsten Geschichte kombiniert. Romane und als Sachbücher proklamier­te Werke bewirkten in der Folge ein Auseinanderdrif­ten des historischen und des populären Lanzenbildes.

Der erste neuzeitliche Lanzenroman erschien im Jahr 1955 unter dem Titel The Spear40 • Der Autor Louis de Wohl, ein in den dreißiger Jahren nach England emigrierter Deutscher, beschreibt Stationen aus dem Leben des jungen römischen Offiziers Cassius Longi­nus, eines Meisters in der Handhabung der Le­gionärslanze. Longinus wird in Rom in Intrigen ge­gen seinen Vater, einen pensionierten Armeegeneral, involviert. Er wird zum Sklaven und Gladiator und flieht schließlich nach Judäa, um Centurio in der Le­gion des Pilatus zu werden. Dort wird er zum Spiel­ball der schwelenden Auseinandersetzungen zwi­schen der Priesterkaste, der jüdischen Untergrundbe­wegung und den römischen Besatzern. Ab diesem Punkt knüpft der Autor an die Schilderung des Jo­hannes-Evangeliums (19,34) an. Am Ende der von

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Abb. 10: Übergabe der Reichsinsignien und -reliquien in Wien am 4. Januar 1946. Photo. Nürnberg, Stadtarchiv, Repro 76 I IIJ. (©: ebenda.)

Abb. 11: Sunday Dispatch vom 6. November 1960, Artikel "The Spear of Destiny" von Max Caulfield. (Photo: Staatsarchiv Nürnberg.)

des Kirchenrechts für "res sacrae" eine "possessio" nicht möglich sei. Für Liermann waren die Reichs­kleinodien zu Beginn des 15. Jahrhunderts zu einem Sondervermögen geworden und zu einer eigenen ju­ristischen Person in Form einer Stiftung mutiert, de­ren Organisation durch die "berufene Staatsgewalt" neu geordnet werden müsse. Bei der Neugliederung hätte die "Staatsgewalt" völlig freie Hand, wobei Zweckmäßigkeit und historische Bindung für eine Verwaltung durch die Stadt Nürnberg sprächen.

Entgegen dieser Empfehlung wird am 3. Januar 1946 der Gesamtbestand an Insignien und Reliquien im Kunstbunker auf Befehl der amerikanischen Mi­litärregierung an die US-Armee übergeben; am 4. Ja­nuar werden die Stücke verpackt, auf Lastkraftwagen verladen und unter dem Schutz von Militärpolizei zum Flughafen Fürth gebracht-19

. Von dort werden sie mit einem amerikanischen Militärflugzeug zum Flug­hafen Tulln bei Wien geflogen und in die Österreichi­sche Nationalbank überführt, wo sie auf Vollständig­keit und Zustand geprüft (Abb. 10) und im Tresor un­tergebracht werden. Die formale Übergabe an den Österreichischen Bundeskanzler Leopold Figl durch General Mark Clark findet am 10. Januar statt. Die meisten der Objekte verbleiben zunächst bis Mai 1949 im sicheren Tresor der Nationalbank, dann, bis Sep­tember 1953, im Tresor der Österreichischen Post­sparkasse und für kurze Zeit im Hauptgebäude des Kunsthistorischen Museums. Die Wiedereröffnung der Schatzkammer findet am 1. Juli 1954 statt, womit auch die Heilige Lanze nach fünfzehn Jahren wieder der Öffentlichkeit zugänglich wird.

Die Heilige Lanze auf Papier In der wenig später beginnenden literarischen Umset­zung der geschilderten Ereignisse wurde das nach Wien zurückgekehrte reale Objekt erstmalig mit einer fiktionalen Adaption seiner jüngsten Geschichte kombiniert. Romane und als Sachbücher proklamier­te Werke bewirkten in der Folge ein Auseinanderdrif­ten des historischen und des populären Lanzenbildes.

Der erste neuzeitliche Lanzenroman erschien im Jahr 1955 unter dem Titel The Spear'0

. Der Autor Louis de Wohl, ein in den dreißiger Jahren nach England emigrierter Deutscher, beschreibt Stationen aus dem Leben des jungen römischen Offiziers Cassius Longi­nus, eines Meisters in der Handhabung der Le­gionärslanze. Longinus wird in Rom in Intrigen ge­gen seinen Vater, einen pensionierten Armeegenerat involviert. Er wird zum Sklaven und Gladiator und flieht schließlich nach Judäa, um Centurio in der Le­gion des Pilatus zu werden. Dort wird er zum Spiel­ball der schwelenden Auseinandersetzungen zwi­schen der Priesterkaste, der jüdischen Untergrundbe­wegung und den römischen Besatzern. Ab diesem Punkt knüpft der Autor an die Schilderung des Jo­hannes-Evangeliums (19,34) an. Am Ende der von

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Abb. 10: Übergabe der Reichsinsignien und -reliquien in Wien am 4. Januar 1946. Photo. Niirnberg, Stadtarchiv, Repro 76 I lJI. (©: ebenda.)

Abb. 11: Sunday Dispatch vom 6. November 1960, Artikel "The Spear of Destiny" von Max Caulfield. (Photo: Staatsarchiv Niirnberg.)

ihm überwachten Kreuzigung läßt sich Longinus von einem Soldaten dessen Waffe geben: "Ein zwei Meter langer Speer entsprechend den Vorgaben, das Blatt war fast fünf Zentimeter breit, der Schaft etwas dicker als eineinhalb Zentimeter."41 Durch den Lanzenstich stellt Longinus den Tod Jesu fest. Die einfache, ge­normte Waffe ist für Longinus Mittel zum Zweck für seine Tat, eine darüber hinausgehende Bedeutung weist ihr der Autor nicht zu. De Wohl wendet sich mit seinem Buch im Stil von Ben Hur und Quo Vadis primär an ein religiös geprägtes Publikum - in den fünfziger Jahren durchaus mit Erfolg, wie die Emp­fehlung der Catholic Literary Foundation zeigt. Eine längerfristige Wirkung hatte der Roman jedoch nicht.

Am 6. November 1960 titelte das Londoner Boule­vardblatt Sunday Dispatch: Der Speer des Schicksals. Wie HitZer durch den Speer lebte, der durch Christus ge­stoßen wurde42 (Abb. 11). Der Autor Max Caulfield be­schreibt, wie Hitler durch den Besitz der Heiligen Lanze, eines alten Talismans für Unbesiegbarkeit, ei­nen Zugang zur Kraft satanischer Mächte erlangen wollte. Hitler habe Oberst Conrad Buch, seinen Bera­ter für Okkultismus, vor dem Überfall auf Österreich als Geschäftsmann verkleidet nach Wien gesandt. Buch sollte sicherstellen, daß der Speer nicht vor der Ankunft der deutschen Truppen aus der Hofburg entfernt würde. Caulfield beschreibt detailreich, wie Buch mit einer Truppe SS-Männer in die Räume der Wiener Hofburg stürmt, um die Heilige Lanze für Hitler in Besitz zu nehmen: "Auf einem samtenen Kissen lag ein alter, verwelkter [!] Speer. Die Sturm­soldaten mit ihren Stiernacken blickten ihn ohne Be­geisterung an. Aber Buch hob ehrfürchtig den Speer von seinem Platz auf und murmelte hörbar: Die Hei­lig [sie!] Lanze. Der Heilige Speer. Der Speer des Schicksals ... "

Noch am gleichen Abend fand in der Hofburg ein Empfang für Hitler statt, und Buch übergab ihm fei­erlich die Heilige Lanze. Wie zuvor alle Habsburger Kaiser wurde auch Hitler von der Heiligen Lanze auf der Schulter berührt. Hitler brachte die Heilige Lanze im Triumph zurück nach Deutschland und behielt sie für viele Monate in seiner unmittelbaren Nähe. Alle seine Erfolge im "Blitzkrieg" führte er auf die Stärke der Lanze zurück, allerdings beunruhigte ihn zuneh­mend die "dunkle Aura" der Lanze, und so verbann­te er sie schließlich zu den "Nazi-Kriegsschätzen in Nürnberg", wohin sie mit einem Panzerzug gebracht wurde. In krisenhaften Momenten dachte Hitler je­doch stets an die Lanze, und drei Wochen vor dem Ende seines Reiches beauftragte er persönlich den Bürgermeister von Nürnberg, den Speer heimlich zu vergraben. Im Moment seiner erneuten Machtüber­nahme sollte der Speer wieder "ans Licht" gebracht werden. Der Speer wurde in einer tiefen Grube unter der Burg eingegraben, der Bürgermeister beging beim Einmarsch der US-Truppen Selbstmord, und

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das Geheimnis wäre mit ihm begraben worden, wäre da nicht einer seiner Offiziere gewesen, der große Zweifel bekam: Als religiöser Mensch wollte er nicht, daß dem Christentum eine seiner wichtigsten Reli­quien abhanden kam, und so verriet er schließlich dem amerikanischen Kommandeur das Versteck. Der Speer wurde von einer Gruppe "Gis" geborgen. Caulfield beschreibt, wie ein kriegsmüder Offizier die Lanze in die Hand nimmt und in diesem Moment "unbewußt" einen Energieschub "verspürt". Im glei­chen Moment gab Hitler in der Reichskanzlei in Ber­lin seine Fluchtpläne auf, und "nur wenige Stunden nachdem der Speer der Unbesiegbarkeit aus seinem Besitz gekommen war, betätigte er den Abzug, der sein Leben beendete".

Caulfield nennt als seine Quelle für diese "wahre, aber noch niemals zuvor erzählte Geschichte" die Witwe des "bekannten Österreichischen Historikers und Referenten Dr. Walter Johannes Stein". Diese hätte ihm Zugang zu dem Archiv ihres verstorbenen Mannes gewährt. Stein hatte demzufolge herausge­funden, daß Hitler schon in seiner Wiener Zeit unter den Einfluß der von Guido von Liszt gegründeten okkulten "Blut-Loge" gekommen sei. Diese Loge hat­te ihrerseits Verbindungen zu einer Bruderschaft ti­betanischer Mönche unterhalten. Später verehrte die "Blut-Loge" den Führer in geheimen Ritualen, bei de­nen auch Blutproben Hitlers verwendet wurden. Fast alle wichtigen Nazi-Größen wären Mitglieder der Lo­ge gewesen- Caulfield nennt Streicher, Himmler, Ro­senberg und Göring. Gemeinsam sollen sie ein Ziel gehabt haben: die Beherrschung der Macht der Heili­gen Lanze.

Obwohl Beiträge in Boulevardblättern zumeist keine längerfristigen Resonanzen auslösen, sondern nach erfolgreicher Vermarktung der entsprechenden Auflage ihren eigentlichen Zweck erfüllt haben, zog der Artikel von Caulfield doch einen Beitrag in der Kölner Rundschau vom 23. September 1961 nach sich. Heinrich Heinen übernimmt zunächst die Teile von Caulfields Beitrag, die sich auf die Inbesitznah­me der Heiligen Lanze durch Hitler beziehen. Er gibt dabei den Artikel im Sunday Dispatch bzw. die Wit­we von Johannes Stein als Quellen an. Im weiteren diskutiert Heinen jedoch die zahlreichen Wider­sprüche zu den historischen Quellen, distanziert sich von Caulfields Schilderung und kommt zu dem Schluß, "daß er [Caulfields Bericht] beinahe geeignet ist, eine neue Legende an die ,Heilige Lanze' zu hef­ten", allerdings müßte sie dahingehend pointiert werden, "daß einem Hitler die ,Heilige Lanze' schließlich keinen Segen bringen kann".

Max Caulfield hatte, ohne es zu wissen, eine La­wine ausgelöst. Irevor Ravenscroft erkannte offen­sichtlich das Potential von Caulfields Geschichte als Basis für eine neue Legende und vermochte vermut­lich als erster Kapital daraus zu schlagen. Im Jahr

1973 erschien The Spear of Destiny in Großbritannien und den Vereinigten Staaten, ein Buch, das die Re­zeption der Heiligen Lanze seitdem wesentlich beein­flußt hat (Abb. 12)43• Nicht nur der Titel von Ravens­crofts Buch ist ein Plagiat von Caulfields Artikel, son­dern auch im Aufbau und bei zentralen Passagen sind Ähnlichkeiten alles andere als zufällig. Wie Caulfield beruft sich Ravenscroft auf Johannes Stein als seinen Kronzeugen, von dem er - im Gegensatz zu Caulfield - die Geschichte persönlich erfahren ha­ben will.

Ravenscrofts pseudowissenschaftliches Buch be­steht aus einer einfachen Rahmenhandlung: In den ersten beiden Kapiteln beschreibt er Hitlers angebli­che Hinwendung zum Okkultismus und zur Macht des Bösen während seiner Wiener Jahre. Am Ende des Buchs, ab Kapitel 23, greift er mit dem Überfall auf Österreich den Faden wieder auf und gelangt zum eigentlichen Kern der Geschichte: Hitler hoffte­und bekam - durch den Besitz der Heiligen Lanze Zugang zu dunklen Mächten. Dazwischen finden sich mehrere Exkurse, etwa zu den insgesamt 45 Herrschern, die ihre Macht auf die Heilige Lanze zurückführten, über Ravenscrofts eigenwillige Sicht zur Heiligen Lanze in Wolfram von Eschenbachs Par­zival und in Wagners Parsifal, über gefährliche okkul­te und satanische Gemeinschaften, deren Ziel der Zu­gang zur Macht durch die Heilige Lanze war- all dies unterbrochen durch kurze Rekurse zur Biogra­phie Hitlers. Ravenscrofts Erklärungen für die Veran­lagung seiner Protagonisten zur Hinwendung zum Bösen zielen teilweise im wahrsten Sinn des Wortes unter die Gürtellinie: Mangelnde Manneskraft wird in bezug gesetzt zu fehlender Macht. Die Lanze wird zum Phallus. Ein weiteres wichtiges Thema für Ra­venscroft ist die Reinkarnation seiner Hauptpersonen im Kampf zwischen Gut und Böse, wie er ihn im Zweiten Weltkrieg angelegt sieht. Ein Online-Rezen­sent bringt dies folgendermaßen auf den Punkt: "Der Zweite Weltkrieg war in Wirklichkeit ein Konflikt zwischen berühmten Persönlichkeiten des neunten Jahrhunderts, die exakt nach tausend Jahren wieder­geboren wurden."44

Ravenscroft baut an den zentralen Stellen des Buchs Coulfields Zeitungsartikel systematisch aus und zieht hierzu weiteres Material heran, das er mit größter Ausführlichkeit in seinen Text integriert. So nahm Ravenscroft Einblick in die entsprechenden Akten der amerikanischen Militärregierung, die in den National Archives in Washington verwahrt wer­den. Er zitiert ausgiebig aus Dokumenten und ist sehr freigiebig mit Namen und Daten, um bei den Lesern den Eindruck von Authentizität und Belegbarkeit zu erwecken, allerdings läßt die Akkuratesse dieser Zi­tate häufig zu wünschen übrig. So wird aus Walter Horn derjenige, der die Heilige Lanze für die Verei­nigten Staaten in Besitz nimmt, nachdem er durch

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Abb. 12: Buchumschlag zu Trevor Ravenscroft, The Spear of Destiny, 1973. (Photo: Volker Schier.)

1973 erschien The Spear of Destiny in Großbritannien und den Vereinigten Staaten, ein Buch, das die Re­zeption der Heiligen Lanze seitdem wesentlich beein­flußt hat (Abb. 12)43

• Nicht nur der Titel von Ravens­crofts Buch ist ein Plagiat von Caulfields Artikel, son­dern auch im Aufbau und bei zentralen Passagen sind Ähnlichkeiten alles andere als zufällig. Wie Caulfield beruft sich Ravenscroft auf Johannes Stein als seinen Kronzeugen, von dem er - im Gegensatz zu Caulfield- die Geschichte persönlich erfahren ha­ben will.

Ravenscrofts pseudowissenschaftliches Buch be­steht aus einer einfachen Rahmenl1andlung: In den ersten beiden Kapiteln beschreibt er Hitlers angebli­che Hinwendung zum Okkultismus und zur Macht des Bösen während sein er Wiener Jahre. Am Ende des Buchs, ab Kapitel 23, greift er mit dem Überfall auf Österreich den Faden wieder auf und gelangt zum eigentlichen Kern der Geschichte: Hitler hoffte­und bekam - durch den Besitz der Heiligen Lanze Zugang zu dunklen Mächten. Dazwischen finden sich m ehrere Exkurse, e twa zu d en insgesamt 45 Herrschern, die ihre Macht auf die Heilige Lanze zurückführten, über Ravenscrofts eigenwillige Sicht zur Heiligen Lanze in Wolfram von Eschenbachs Pnr­zival und in Wagners Pnrsifal, über gefährliche okkul­te und satanische Gemeinschaften, deren Ziel der Zu­gang zur Macht durch die Heilige Lanze war - all dies unterbrochen durch kurze Rekurse zur Biogra­phie Hitlers. Ravenscrofts Erklärungen für die Veran­lagung seiner Protagonisten zur Hinwendung zum Bösen zielen teilweise im wahrsten Sinn des Wortes unter die Gürtellinie: Mangelnde Manneskraft wird in bezuggesetzt zu fehlender Macht. Die Lanze wird zum Phallus. Ein weiteres wichtiges Thema für Ra­venscroft ist die Reinkarnation seiner Hauptpersonen im Kampf zwischen Gut und Böse, wie er ihn im Zweiten Weltkrieg angelegt sieht. Ein Online-Rezen­sent bringt dies folgendermaßen auf den Punkt: "Der Zweite Weltkrieg war in Wirklichkeit ein Konflikt zwischen berühmten Persönlichkeiten des neunten Jahrhunderts, die exakt nach tausend Jahren wieder­geboren wurden."44

Ravenscroft baut an den zentralen Stellen des Buchs Coulfields Zeitungsartikel sys tematisch aus und zieht hierzu weiteres Material heran, das er mit größter Ausführlichkeit in seinen Text integriert. So nahm Ravenscroft Einblick in die entsprechenden Akten der amerikanischen Militärregierung, die in den National Archives in Washington verwahrt wer­den. Er zitiert ausgiebig aus Dokumenten und ist sehr freigiebig mit Namen und Daten, um bei den Lesern den Eindruck von Authentizität und Belegbarkeit zu erwecken, allerdings läßt die Akkuratesse dieser Zi­tate häufig zu wünschen übrig. So wird aus Walter Horn derjenige, der die Heilige Lanze für die Verei­nigten Staaten in Besitz nimmt, nachdem er durch

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Abb. 12: Bucllllmscillng zu Trevor Rnvenscroft, Tile Spenr of Destiny, 1973. (Piwto: Volker Schier.)

Nachforschungen und Vernehmungen Zugang zu den Schlüsseln und den Code für die Panzertüren des Bunkers erhalten hatte. Ravenscroft gibt Horns Dienstnummer an, schreibt dann allerdings, daß Horn nach dem Krieg "lecturer" am Institut für So­ziologie der Universität Berkeley wurde. Tatsächlich wurde Horn Professor für Kunstgeschichte und Ex­perte für frühmittelalterliche Kunst. Die Ausführun­gen Ravenscrofts enthalten zahlreiche Zitier- und Schreibfehler: So wird etwa aus dem Obersalzberg "Ober Salzburg", aus Konrad Fries konsequent "Kon­rad Freis"45 •

Inspirationen erhielt Ravenscroft von einigen Vor­lagen, auf deren Verwendung er jedoch nicht hin­weist. Unter ihnen war etwa ein Artikel von Frank Waters, der am 13. August 1945 in der süddeutschen Ausgabe der Zeitung der amerikanischen Streitkräfte Stars and Stripes erschien und der die Wiederauftin­dung der aus dem Kunstbunker entfernten Insignien schildert. Waters berichtet: "Was wie ein schmutziges Garagentor aussieht, öffnet sich auf eine Betonrampe, die in das Innere des Berges hinabführt, auf dem die Burg steht. Doppelte Stahltüren eingebettet in Beton und mit elektrischen Sicherungen versehen bewa­chen die alten Tunnel der Burg, die modernisiert wur­den, verschalt, elektrisch beleuchtet und klimatisiert. In diesen Gängen befanden sich Kunstschätze im Wert von mehren Millionen Dollar, die meist aus Sammlungen in Nürnberg stammen."

In Ravenscrofts Buch erhält das Motiv der Garage eine etwas andere Ausformung und der Kunstbunker generell weit größere Dimensionen. Das dargestellte Ambiente erinnert stark an die Kulisse eines James Bond-Films: "Der Tunnel wurde geräumt, verbreitert und auf 30 Meter in den Felsen erweitert; an seinem Ende wurde ein klimatisierter Bunker errichtet. Mas­sive Stahltüren eingebettet in Beton bewachten den Eingang zu dem Tresor, in dem die Schätze gelagert werden sollten. [ ... ] Der Lastkraftwagen wurde durch die unschuldig aussehenden Garagentore des gegie­belten Hauses gefahren, das den Eingang des Tunnels unkenntlich machte. Die falsche Rückwand der Gara­ge wurde geräuschlos zur Seite geschoben, und das Fahrzeug bewegte sich den geheimen Gang hinunter zu den riesigen eisernen Toren des Tresors 300 Meter unter der Burg aus dem elften Jahrhundert."46

In diese Kulisse flicht Ravenscroft an zentralen Stellen von ihm erfundene Begebenheiten ein: "Die Lichter wurden eingeschaltet; der Tresor hatte einen eigenen, von der Klimaanlage unabhängigen Genera­tor. Leutnant Horn war als erster im Tresor. Der ganze Raum war vollgestopft mit Nazi-Beute von un­zähligen Europäischen Nationen. Ruhend auf dem minutiös geschnitzten drei Meter hohen Altar, der aus der historischen Marienkirche in Krakau gestoh­len wurde, stand ein uralter Lederbehälter. In dem Behälter, immer noch auf seinem verblaßten roten

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Samtkissen ruhend, war der Speer des Longinus."47

Der zerlegte und in Kisten verpackte Krakauer Al­tar des Veit Stoß war tatsächlich im Kunstbunker ein­gelagert, allerdings in einer anderen Zelle. Sonst führen die Inventarlisten jedoch kein weiteres ge­raubtes Kulturgut an.

Zu einem Problem für Ravenscrofts Darstellung wurde das Faktum, daß das angeblich bedeutendste Objekt der Sammlung, die Heilige Lanze, im Bunker verblieb, während Teile der Insignien ausgelagert wurden. Ravenscrofts Erklärungsversuch scheint dürftig und insgesamt wenig überzeugend: Es wäre selbstverständlich geplant gewesen, auch die Heilige Lanze zu evakuieren, allerdings sei sie in dem Aus­führungsbefehl aus Berlin als Mauritiuslanze be­zeichnet worden, ein Name, der in Nürnberg für Ver­wirrung gesorgt und zu einer Verwechslung mit dem Reichsschwert- dem Mauritiusschwert- geführt hät­te. Nur deshalb sei sie im Kunstbunker verblieben. Gerade an dieser neuralgischen Stelle fehlt jeglicher Quellenbeleg.

Ein durchaus origineller Einfall von Ravenscroft besteht darin, daß er sich auf eine ganz besondere Fähigkeit von Johannes Stein als Informationsquelle für sein Buch beruft: Durch den Einsatz von Drogen soll dieser in der Lage gewesen sein, seine W ahrneh­mung derart zu erweitern, daß er Zugang zu bis da­hin unbekannten Informationen über die Heilige Lanze erlangen konnte. Auf diesen "Erkenntnissen" basiert etwa die Aussage, daß König Heinrich I. die Lanze nach England sandte, wo sie König Aethelstan mit in die Schlacht von Malmesbury gegen die Dänen nahm48 • Auf Steins Bewußtseinserweiterung scheint auch die Schilderung Hitlers- aus der Perspektive ei­nes Ich-Erzählers- von einer frühen Begegnung mit der Heiligen Lanze in der Schatzkammer in Wien zurückzugehen- eine Zusammenkunft, die laut Ra­venscroft Hitlers Schicksal bestimmen sollte, denn Ravenscroft bleibt gerade an dieser wichtigen Stelle einen Quellenbeleg schuldig: "Ein Fenster in die Zu­kunft wurde für mich geöffnet, durch das ich wie in einem Blitz eine zukünftige Begebenheit wahrnahm, durch die ich unwidersprüchlich erkannte, daß das Blut in meinen Adern eines Tages der Träger der See­le meines Volkes werden würde."49

Das Buch blieb den lebenden historischen Prota­gonisten nicht verborgen. So sahen sich auch die an der Auslagerungsaktion der Reichsinsignien beteilig­ten Nürnberger nun mit der fiktionalen Darstellung ihrer Handlungen konfrontiert: Julius Lincke wurde offensichtlich als erster auf das Buch aufmerksam und kontaktierte Schmeissner und Fries. Konrad Fries nahm im Jahr 1982 in einem achtseitigen Brief an Schmeissner ausführlich zu Ravenscrofts Schilde­rung der Vorgänge im Kunstbunker Stellung und wies viele der dort aufgestellten Behauptungen zurück50• Eine Diskussion der detaillierten Kritik von

Fries würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Im Hinblick auf die Heilige Lanze bemerkte er: "Bis zu dem Augenblick, in dem ich jetzt Kenntnis von dem Buch Der Speer des Schicksals erhalten habe, habe ich nicht gewußt, daß sich in diesem Bunker auch der Speer des Longinus befand. Weder ich noch die ande­ren mit dem Kunst-Luftschutz befaßten Beamten der Stadt Nürnberg haben je etwas davon erfahren, daß sich Adolf Hitler besonders für diesen Speer interes­siert hätte. Als die Reichskleinodien kurz vor Kriegs­ende, um sie vor den besonderen Gefahren dieses Kriegsendes zu schützen, besonders verwahrt wur­den, hat niemand daran gedacht, in diesen besonde­ren Schutz auch den Speer des Longinus einzubezie­hen."

Ungeachtet der zahlreichen historischen Verfäl­schungen sahen auch andere Autoren den großen Marktwert des Materials und inkorporierten die Kern­elemente in ihre eigenen Fiktionen. Fünf Jahre nach dem Erscheinen von Ravenscrofts Spear of Destiny veröffentliche James Herbert den Roman The Spear51 •

Herbert war durch Bücher wie The Fog bekannt ge­worden, sogenannte "chiller fiction" mit Horror-Ele­menten und expliziter Beschreibung von Gewalt. In The Spear wird der Körper von Heinrich Himmler durch die Kraft der Heiligen Lanze wiederbelebt und am Leben erhalten. Eine Gruppe alter Nazis verbün­det sich mit einflußreichen britischen Neonazis, um einen terroristischen Anschlag zu planen, der jedoch von einem mutigen Privatdetektiv vereitelt werden kann. Bezüge zu Ravenscrofts Interpretation der Hei­ligen Lanze werden schnell deutlich. Auch Herbert bezieht sich auf "Zeugen", wie Wolfram von Eschen­bach, Richard Wagner, HeinrichHimmlerund Adolf Hitler, die alle die Macht der Lanze verspürt hätten. So berichtet einer der Alt-Nazis: "Hitler fand die Speerspitze im Wiener Hofburg Museum, als er we­nig mehr war als ein Stadtstreicher und eine umfang­reiche Untersuchung zu ihrer Geschichte unternahm. Schon zu dieser Zeit war sein Kopf gefüllt mit dem vergangenen Ruhm des deutschen Volkes- und dem Ruhm, der noch kommen würde. Er hatte auch Visio­nen von anderen Schlachten, die in anderen Dimen­sionen geführt würden, von mystischen Kriegen zwi­schen den Mächten Gottes und den Mächten des Teu­fels."52

Im Jahr 1979 wurde James Herbert von einem eng­lischen Gericht aufgrund einer Plagiatanklage von Irevor Ravenscroft verurteilt53 • Der Fall ist im Hin­blick auf Max Coulfields Artikel The Spear of Destiny sehr pikant: Der Richter sah es als erwiesen an, daß Herbert Irevor Ravenscrofts Buch The Spear of Destiny plagiiert hätte, um- wie es der Richter in der Urteils­begründung zusammenfaßte - seinem fiktionalen Werk durch den geistigen Diebstahl den Anschein von Authentizität zu geben. Herberts Romane, etwa The Fog, wurden teilweise zu Vorlagen für erfolgrei-

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ehe Kinofilme, und es darf durchaus gemutmaßt wer­den, daß der finanziell sehr einträgliche Verkauf von Filmrechten der eigentliche Grund für die Klage war: Ravenscroft, dessen Buch in den siebziger Jahren offenbar kein großer Erfolg beschieden war, versuchte für längere Zeit vergeblich, die Filmrechte an The Spear of Destiny zu verkaufen.

Herbert hätte mit seiner Romanvorlage zu einer ernsten Konkurrenz für Ravenscroft werden können. Deutlich wird, daß sich bereits Ende der siebziger Jahre ein Markt für die Themen Drittes Reich und Ok­kultismus entwickelt hatte, in dem Geld zu verdienen war. Auch der Richter ging von einem erheblichen wirtschaftlichen Potential aus: "Man darf die kom­merzielle Attraktivität des Mülls nicht unterschätzen, den ich versucht habe zu beschreiben."54 Allerdings verwundert es nach wie vor, daß- selbst in Unkennt­nis von Ravenscrofts eigenem Plagiat von Coulfields Zeitungsartikel - ein englisches Gericht dem Werk von Ravenscroft durch ein rechtskräftiges Urteil do­kumentarischen und wissenschaftlichen Wert be­scheinigen konnte, eine qualitative Beurteilung, die dem Gericht durch die Plagiatanklage in keiner Wei­se aufgetragen war.

In den achtziger Jahren schließlich wird das Motiv der Heiligen Lanze, die mit unfaßbaren übernatürli­chen Kräften ausgestattet ist, in die sich entwickeln­den globalen Konspirationstheorien eingebunden und in diesem subkultureilen Bereich ständig weiter ausgebaut. Im Jahr 1988 veröffentlichten die beiden Autoren Howard Buechner und Wilhelm Bernhart das Buch Adolf HitZerand the Secrets of the Holy Lance55•

Buechner, zugleich der Verleger des Buches, be­schreibt sich in der angefügten Kurzbiographie als amerikanischer Militärarzt, der im Jahr 1945 an der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau beteiligt war. Bernhart hingegen sei das Pseudonym eines an­geblichen deutschen V-Boot-Offiziers, der im Zwei­ten Weltkrieg Dienst tat. Das Buch beginnt dort, wo Ravenscrofts Geschichte endet: Am Ende des Zwei­ten Weltkriegs wird die Lanze in letzter Minute aus dem eingeschlossenen Berlin gerettet. Bernhart be­hauptet von sich, einer der Offiziere von U 530 gewe­sen zu sein, einem von zwei speziell ausgerüsteten U-Booten, mit denen die Heilige Lanze und andere Objekte nach Neuschwabenland gebracht wurden, dem von den Nationalsozialisten beanspruchten Teil der Antarktis, wo sie in einer Eishöhle versteckt wur­den. Die Diskrepanz zu der in der Weltlichen Schatz­kammer verwahrten Heiligen Lanze erklären sie da­mit, daß das Wiener Objekt eine Kopie sei, die von ei­nem japanischen Waffenschmied auf Anweisung Himmlers angefertigt worden wäre. Buechner und Bernhart sprechen in ihrem Vorwort vielen Personen, teils mit Doktor- oder Professor-Titeln, für die Mithil­fe beim Zustandekommen des Buchs ihren Dank aus. Auch hier ist es primär der Wunsch nach einer Auto-

risierung der sehr fragwürdigen Geschichte, der hin­ter den Verweisen auf "Experten" versteckt ist. Aller­dings gelingt es den Autoren nicht immer, dem Leser tatsächlich verifizierbare Informationen zukommen zu lassen. So danken sie etwa sehr vage einer "Mrs. Helen Huppertz, Am Bahnhof, West Ger­many", für die Hilfe bei der Bildrecherche.

Ebenfalls 1988 erschien Leo Rutmans Roman Spear of Destiny, der den Showdown zwischen Nazi-Agen­ten und dem jüdisch-amerikanischen Piloten Sam Sie­gel, einst ein gefeierter Football-Star, in das Spanien der Revolution und nach New York verlegt"'. Zwei Kommilitonen aus Siegels Studentenzeit an der Co­lumbia University hatten die "Heliga Lance" aus der Hofburg geraubt und werden daraufhin von den Na­zis gejagt und getötet. Der Speer bleibt zunächst ver­schwunden, taucht dann jedoch in New York wieder auf. Am Ende gelingt es den Nazi-Agenten jedoch, den Speer wieder in ihren Besitz zu bringen, Sam Sie­gel überlebt. Besonders hat es Rutman das Motiv des impotenten Klingsor angetan, das Ravenscroft fälsch­licherweise aus Wolframs Parzifal herleitet. Der Füh­rer der Geheimgesellschaft der Assasiniden, die in den Besitz des Speers kommen will, ist wie Klingsor "weich zwischen den Beinen", ein direktes Zitat aus Ravenscrofts Buch57.

Nur ein Jahr später folgte die Fortsetzung der Lan­zensaga von Buechner und Bernhart, Hitler's Ashes­Seeds of a New Reich, die den Orden der Ritter der Hei­ligen Lanze in das Zentrum stellt. Ritter dieses gehei­men Ordens hätten im Jahr 1979 die Heilige Lanze aus der antarktischen Eishöhle gerettet und würden sie nun an einem geheimen Ort in Deutschland ver­wahren, um sie für das Gute einzusetzen. Abgebildet werden einige "Devotionalien", die zusammen mit der Heiligen Lanze aus dem ewigen Eis geholt wor­den waren, darunter die Asche von Adolf Hitler und Eva Braun. Die angeblichen Überreste werden zu ei­nem kleinen Teil in einem "Reliquiar" verwahrt, einer groben Holzkiste mit Glasscheibe auf der Oberseite und aufgeklebten Briefmarken der Reichspost. Der Großteil der Asche befindet sich in einer Urne in Po­kalform. Dieses ebenfalls im Buch abgebildete Objekt findet ein frappantes Pendant in der Urne aus der sa­tirischen Filmkomödie Schtonk aus dem Jahr 1991. Der von Uwe Ochsenknecht gespielte Fälscher Fritz Knobel versucht, eine Urne mit der Asche von Hitler und Braun, tatsächlich Asche aus seinem Ofen, an den Journalisten Wilhelm Willü~, gespielt von Götz George, zu verkaufen.

Auch ein anderer Autor, Trevor Ravenscroft, dachte an eine Fortsetzung seines Werks, möglicher­weise inspiriert von der steigenden Bekanntheit der Heiligen Lanze und motiviert von dem verspätet ein­setzenden Erfolg seines ersten Buches. Ravenscroft veröffentlichte gemeinsam mit Tim Wallace-Murphy das Buch The Mark of the Beast: The Continuing Story of

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the Spear of Destiny, im wesentlichen eine wenig logi­sche Fortführung von Elementen aus The Spear of Destiny58• In welchem Umfang Trevor Ravenscroft an der Formulierung des Textes beteiligt war, geht aus dem Buch nicht hervor. Hauptthema dieses Aufgus­ses ist nach wie vor die Macht des Speeres, die nicht nur in der Vergangenheit eine Gefahr war, sondern auch in der Zukunft eine Bedrohung sein wird. "Der Zweck dieses zweiten Bandes ist es, Ihnen- dem Le­ser - zu ermöglichen, die Kräfte des Speers zu nut­zen, um neue und tiefere Einsichten in das sich ent­faltende Muster ihres eigenen Lebens zu erhalten." Die Antwort, wie die Kräfte von jedem einzelnen ge­nutzt werden können, bleiben die Autoren letztend­lich aber schuldig. Wenige Sätze später berichten sie vom apokalyptischen Charakter ihrer Aufgabe: ,,In­dem wir diese Fähigkeiten nutzen, die mit dem Speer des Schicksals verbunden sind, werden wir den be­merkenswerten mythologischen Symbolismus in der Offenbarung des Johannes sowohl in umgangs­sprachlichen, wie auch in rationalen und wissen­schaftlichen Worten interpretieren. Und auf diese Weise werden wir den Ursprung der kommenden globalen Katastrophe am Beginn einer Epoche be­schreiben, die im Erscheinen des großen Diktators und des Antichristen kulminieren wird."59

Repetitiv, wenn auch im Vergleich zu The Spear of Destiny in ihrer Zahl stark reduziert, sind die Belege für die vorgebrachten Thesen. Wie bereits zuvor hal­ten sie auch diesmal einer kritischen Überprüfung nicht stand: So habe nach der Behauptung der Auto­ren das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal festge­stellt, daß Hitler in jener Nacht den Entschluß zur Vernichtung der europäischen Juden gefaßt hätte, in der er sich der Heiligen Lanze bemächtigen konnte. Nationalistisch geprägt ist nicht nur die Darstellung der Hegemonie Hitlers, sondern auch das Bild, das der Leser vom Gedankengut der beiden Autoren er­hält: Sie zeichnen das fragwürdige Bild von geeinten "Volksseelen", die sich jeweils in Großbritannien und Deutschland entwickelt hätten und denen sich die Herrschenden verschrieben hätten. Im Hinblick auf die wertende Kategorisierung von angeblich identifi­zierbaren nationalen Charakteren scheinen die ideo­logischen Aussagen von Ravenscroft und Wallace­Murphy der völkischen Ideologie der Nationalsozia­listen nicht ganz unähnlich. Die britische Volksseele wäre demnach von Alfred dem Großen, einem König der Angelsachsen im 9. Jahrhundert, geformt worden und hätte bis zum Tod von Winston Churchill Be­stand gehabt. Ihre letzte Aufgabe sei der Sieg über Nazi-Deutschland gewesen.

Seit Beginn der neunziger Jahre ist eine deutliche Zunahme der "Print"-Publikationen zur Heiligen Lanze zu beobachten, die zu einer Festigung der po­pulären Lanzen-Legende geführt haben. Im Jahr 1992 erschien Legend of the Holy Lance, A Novel von Bill

Still60 • Dieser Roman erhebt einen besonderen An­spruch auf historische Authentizität, den der Autor folgendermaßen pointiert: "Die Heilige Lanze des Longinus ist echt. Die historische Basis, auf der dieses fiktionale Werk ruht, ist so akkurat, wie es eine Ge­schichte, die auf einer alten Legende basiert, nur sein kann." Wichtige "Fakten" entnimmt Still den zuvor besprochenen Publikationen, allen voran den Büchern von Buechner und Bernhart, ohne daß er di­rekt aus ihnen zitiert: So berichtet Still, daß die Heili­ge Lanze aus der Antarktis gerettet wurde, daß aber nur der in Spandau einsitzende Rudolf Hess den jet­zigen Aufenthaltsort kenne. Die Rahmenhandlung ist auch in diesem Fall sehr stereotyp in der Darstellung eines für den unkritischen Zeitgenossen nicht erkenn­baren Bedrohungsszenarios: Die ganze Welt wird durch zwei rivalisierende Geheimgesellschaften kon­trolliert, die schwarzen Ritter, die sich offen zur dun­klen Macht bekennen, und die weißen Ritter, die zwar den Anspruch erheben, das Gute zu vertreten, insgeheim jedoch auch nach der Weltherrschaft stre­ben. Beide Geheimgesellschaften hätten bereits großflächig die Regierung der Vereinigten Staaten unterwandert. Der amerikanische Ableger der Schwarzen Ritter ist die "Skull and Bones Society", deren Hauptquartier sich an der Yale Universität be­findet. Der Reporter Jim Windsor untersucht die Ak­tivitäten der Gesellschaft im Auftrag der Washington Post, da ein amerikanischer Vizepräsident mit Yale­Abschluß einer der potentiellen Präsidentschaftskan­didaten ist. Für den Leser wird schnell deutlich, daß George Bush Senior gemeint ist, den Still hinter der Figur des Harriman Schiff versteckt. Beide Gesell­schaften werden von deutschen Nationalisten kon­trolliert, die nach der Wiedervereinigung Deutsch­lands streben. Auch in diesem Roman ist die Lanze das Instrument, durch deren Kräfte Sieg und Macht errungen werden sollen. Der Zugang zu diesen Kräf­ten der Lanze ist jedoch durch eine Besonderheit ein­geschränkt: Nur ein echter Merowinger kann die Lan­ze berühren. Für Still entstammen die Merowinger der illegitimen Verbindung von Jesus Christus mit Maria Magdalena, die Christus seine Göttlichkeit ko­stete und zu seiner Degradierung auf den Status eines Propheten führte. Während Hitler sich an der Heili­gen Lanze die Hände verbrannte, konnte sie Heinrich Himmler - ein Merowinger -berühren. Still führt die Geschichte der Heiligen Lanze bis weit vor die Zei­tenwende zurück. Es sei im Jahr 3062 vor Christus ge­wesen, als der Schmied Tubal-Kain die Lanze aus dem Metall eines Meteoriten geschmiedet hätte, zu je­ner Zeit die einzige Quelle für hochwertige Eisenle­gierungen. Still bringt somit zum Ausdruck, daß die Geschichte der Heiligen Lanze sowohl in bezug auf ihre Vergangenheit als auch auf ihre Zukunft endlos ist. Die mechanische Umformung des Materials des Meteoriten in die Heilige Lanze veränderte nämlich

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nur die Form, nicht aber die immanenten Eigenschaf­ten. Die Lanze wird somit zu einem extraterrestri­schen Objekt.

Kein Roman, aber auf die okkulte Literatur um die Heilige Lanze fixiert ist das Buch HitZerand the Oc­cult aus dem Jahr 199561 • Der australische Journalist Ken Anderson bemüht sich, Trevor Ravenscrofts Thesen über die dunkle Macht der Heiligen Lanze zu widerlegen. Die notwendige und zumeist auch er­folgreiche Auseinandersetzung mit den "Fakten" zwingt Anderson jedoch dazu, Ravenscrofts Buch über Gebühr ernst zu nehmen. Er wendet sich mit sei­ner Kritik direkt an Ravenscrofts Leser und bekennt sich somit zu dem Sensationalismus, dem The Spear of Destiny seinen Erfolg verdankt.

Der einzige deutschsprachige Lanzenroman, der in Szenekreisen zu einem Erfolg wurde, ist Die schwarze Sonne von Tashi Lhunpo. Der Autor verbirgt sich hinter dem anglophonen Pseudonym Russell McCloud, seine Sprache weist nach Österreich62• Die dritte Auflage des Buchs erschien im Jahr 1997; Hin­weise auf reale Personen lassen den Schluß zu, daß die Erstauflage Mitte der neunziger Jahre publiziert wurde. Die Geschichte des Romans beginnt im Jahr 1938 in Wien, als Hitler die Heilige Lanze an sich nimmt und die Urkräfte des Objekts zu spüren be­kommt, die bei der Kontaktaufnahme auf ihn überge­hen. Der nächste Akt spielt bereits am Ende des Krie­ges in Nürnberg: Captain Walter Thomson dringt in den Kunstbunker ein und sichert die Lanze für die Alliierten. In dem Moment, in dem Thomson die Lan­ze findet, erschießt sich Hitler in Berlin. Ausgehend von dieser bekannten und konventionellen Expositi­on entwickelt der Autor die eigentliche Geschichte: Der Österreichische Journalist Hans Weigert unter­sucht im frühen 21. Jahrhundert einen Anschlag auf den Präsidenten der Europäischen Zentralbank Er wird durch seine Recherchen in ein Kompl0tt hinein­gezogen, das sich als Kampf zweier Geheimgesell­schaften entpuppt, der Agarthi und der Schamballah, beides Nachkommen und Wiedergeburten von "Menschen von Thule" - Bewohner des verscholle­nen Atlantis mit geheimem Wissen und Macht, die seit der Zerstörung ihrer Heimat unter den "gewöhn­lichen" Menschen leben. Ein Streit im Hinblick auf den Zweck ihres Daseins war unter ihnen entbrannt, und so hatten sich die zwei Gruppen gebildet, die einander mit äußerster Vehemenz bekämpfen. Die Schamballah sind die treibende Kraft hinter den Frei­maurern und kontrollieren nicht nur die UNO mit ihren Organisationen, sondern auch den internatio­nalen Geldmarkt. Die Agarthi entpuppen sich bei näherer Betrachtung als arische Superrasse. Sie hat­ten durch die Thule-Gesellschaft schon früh die NS­Bewegung unterwandert und teilweise kontrolliert; am Ende des Krieges zerstreuten sich die Agarthi in alle Welt auf der Suche nach dem Wiedererstehen ei-

ner "neuen Zeit" und in der Hoffnung darauf. Wei­gert erkennt diese Zusammenhänge nach und nach bei seinen Recherchen auf der Wewelsburg bei Fader­born. In Tibet findet er schließlich heraus, daß dieser letzte Schritt unmittelbar bevorsteht. Das notwendige Symbol, um die "neue Zeit" entstehen zu lassen, ist die Heilige Lanze, die von den Agarthi aus der Wie­ner Schatzkammer geraubt und auf die Wewelsburg gebracht wird, wo das entscheidende Ritual stattfin­den soll. In letzter Sekunde kann Weigert dies verhin­dern; er nimmt die Lanze an sich und versenkt sie in einem Bergsee in Österreich, um zukünftigen Scha­den zu vermeiden, denn der Kampf zwischen Scharn­ballah und Agharti wird weitergehen.

Der Roman sieht zunächst wie eine weitere Aus­formung des bekannten Metatexts der Ver­schwörungstheoretiker aus, in dem auf die immer gleichen Elemente zurückgegriffen wird, aufbereitet für eine Gruppe Eingeweihter, die sich bereits vor der Lektüre des Buches einer neuen Weltsicht verschrie­ben haben und nicht erst von der Konspiration über­zeugt werden müssen. Der Verlag weist im Klappen­text dezidiert auf die Notwendigkeit der Deutung hin, die das Buch von einer Fiktion unterscheidet. Die Ana­lyse zeigt die Fragwürdigkeit, wenn nicht gar Gefähr­lichkeit des enkodierten Gedankenguts: Anklänge an Rassenideologie und der Verdacht der politisch-finan­ziellen Weltkonspiration einer Gruppe zeigen deutli­che Parallelen zu nazistischer Ideologie. Das Buch wird von einem zunächst harmlos erscheinenden Eso­terik-Verlag in Thüringen verlegt und vertrieben, dem allerdings Bindungen an die Neonazi-Szene nachge­sagt werden und der deshalb unter der Beobachtung des deutschen Verfassungsschutzes steht63•

Seit Mitte der neunziger Jahre erhalten einige der Lanzen-Romane einen auffällig religiös gefärbten Grundton, obwohl die Rahmenhandlungen nach wie vor auf Abwandlungen der bekannten Themenkom­plexe von Okkultismus und Streben nach Weltherr­schaft beruhen: In Clint Kellys The Aryan aus dem Jahr 1995 versucht eine neonazistische Terrorgruppe, sich der zentralen Reliquien der katholischen Kirche zu bemächtigen, um durch die geballte Macht der Ob­jekte die Kontrolle über die Regierungen der Welt zu erringen. Das letzte und auch wichtigste Objekt, das den Terroristen in die Hände fällt, ist die Heilige Lan­ze. So schwach wie Kellys Handlung sind auch seine wiederholten Zitate aus der einschlägigen Lanzenlite­ratur. So ist es bei Kelly nicht Walther Horn, der die Lanze für die Alliierten in Besitz nimmt, sondern fälschlich William Horn. Letztendlich wird der Plan der Terroristen dadurch vereitelt, daß die Behörden glaubhaft vorgeben, sie hätten nur eine "kraftlose" Kopie der Lanze erbeutet.

In durchaus weltlicher James Bond-Manier ist die Handlung von Richard Greenwaids Roman Spear of Golgatha aus dem Jahr 1996 gesponnen64• Greenwald

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zieht alle Register der Abenteuerliteratur: Es gibt wil­de Verfolgungsjagden auf Harley Davidson-Motorrä­dern, Sex, biomagnetische Felder, alternde Nazis und glühende Kreuze. Im Zentrum steht ein Komplott ehemaliger Nazis, die sich durch ihre unauffälligen Berufe in der bundesdeutschen Gesellschaft ver­stecken konnten, jedoch nie das Ziel einer erneuten Machübernahme aufgegeben haben. Zentrales Ob­jekt der Verschwörung ist wieder die Heilige Lanze, die aus einem in der Karibik gesunkenen deutschen U-Boot geborgen worden war.

Ausgeprägt missionarische Züge weist der Ro­man The Spear ofTyranny: A Prophetie Novel von Grant R. Jeffrey und Angela Hunt aus dem Jahr 2000 auf (Abb. 13)65 • Es ist durchaus symptomatisch, daß das Buch bei einem Verlag im Konzern von Thomas Nelson erschien, einem der größten Bibelverlage Nordameri­kas. Nach einem dritten Weltkrieg nutzt Adrian Ra­mulus den allgemeinen Wunsch nach Frieden aus, um sich selbst zu einem Weltführer küren zu lassen, der nach dem Grauen des Kriegs eine friedvolle Zu­kunft verspricht. Hinter der fürsorglichen Maske ver­bergen sich jedoch böse, satanische Absichten: Durch die Inbesitznahme der Heiligen Lanze, die sich Ra­mulus als eine seiner ersten Amtshandlungen aus der Weltlichen Schatzkammer in Wien bringen läßt, und den Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem will er ein Reich des Bösen schaffen, in dem er der neue Ho­hepriester ist. Nur eine Gruppe von Juden widersetzt sich diesen Plänen. Sie weigern sich, sich die obliga­ten Mikrochips implantieren zu lassen, durch die Ra­mulus die totale Kontrolle über die Menschheit be­kommt. Der militante Widerstand formiert sich im Untergrund, und Schritt für Schritt erkennen die Ju­den die Wahrheit der biblischen Schriften und Pro­phezeiungen.

Ebenfalls religiös geprägt und mit missionari­schen Elementen versehen ist der Roman Songs of Zi­on von Larry L. Colbert aus dem Jahr 200166 • Colbert fand eine bessere literarische Lösung für den von an­deren Romanciers übergangenen Umstand, daß Hit­ler im Verlauf des Zweiten Weltkriegs zunehmend militärisch in Bedrängnis geriet, obwohl er ja im Be­sitz der Heiligen Lanze war. Einige Elemente der Rahmenhandlung erinnern an Leo Rutmans Roman: Es gelingt einer jüdischen Untergrundgruppe im Jahr 1942, die Heilige Lanze aus dem streng bewachten Nürnberger Kunstbunker zu entwenden und durch eine Kopie zu ersetzen. Ziel der Aktion ist es, Hitler zu destabilisieren. Nur Himmler bemerkt den Dieb­stahl, will den Verlust aber vor Hitler geheimhalten. Eingeweihte 55-0ffiziere erhalten von Himmler den Auftrag, die Lanze unter allen Umständen zurückzu­holen, was ihnen schließlich in einer Jagd von Berlin nach Neapel und schließlich Nordafrika gelingt. In­mitten von Chaos und Gefahr interessiert sich die am Komplott beteiligte Jüdin Lexi zunehmend für die

Texte der Bibel. Colbert entnimmt sein Hintergrund­wissen über die Lanze und den Kunstbunker zum größten Teil Ravenscrofts Buch. Längere Passagen werden fast wörtlich übernommen, und so begegnen dem Leser auch im jüngsten Lanzenroman bereits be­kannte Motive wie das Garagentor in der Oberen Schmiedgasse, die in Beton eingebetteten Bunker­türen, Kohns Bank und das rote Samtkissen.

Die Heilige Lanze im Comic Auch in einem anderen traditionellen Print-Medium konnte sich die Heilige Lanze fest etablieren: Dar­stellungen der Heiligen Lanze tauchen als wieder­kehrendes Element in einigen Comic-Serien immer wieder auf. Belegt sind sie mit Bedeutungsschemata, die überwiegend denen der Romanliteratur entspre­chen.

In The Last Days of the Justice Society of America, er­schienen im Jahr 1986, gelingt es Hitler mit Hilfe der Heiligen Lanze tatsächlich, die Welt zu zerstören -der Einfluß der einschlägigen Lanzenliteratur ist auch hier unverkennbar. Die Justice Society of America, ei­ne Gruppe bekannter Comic-Helden, will die Tat Hit­lers ungeschehen machen. Die einzige Möglichkeit zur Umkehrung der Ereignisse besteht darin, daß sich die Comic-Figuren in eine parallele Welt begeben, die von germanischen Göttern beherrscht wird. Dort wird der Kampf zwischen Gut und Böse ausgefoch­ten.

Im Jahr 1995 erschien Indiana Jones and the Spear of Destiny, eine Serie von vier Heften, in denen die Pro­tagonisten der drei lndiana Jones-Filme nach bekann­tem Strickmuster erneut gegen das okkulte Böse an­treten67. Wie schon in den Filmen Jäger des verlorenen Schatzes und Indiana Jones und der letzte Kreuzzug be­kommt dieses Böse ein Gesicht bzw. eine Uniform mit allgemeinem historischen Wiedererkennungswert Die schwarze Uniform der SS, der Trenchcoat der Na­zi-Agenten und ihre Luger-Pistolenbezeichnen den Gegner. Ohne Rücksicht auf Kosten und Verluste be­finden sich die Agenten erneut auf der Suche nach ei­nem Objekt mit gewaltigen und unkontrollierbaren Kräften, das in den Dienst ihrer Bewegung gestellt werden soll. Der Gegner wird sich gegen diese Kräfte nicht schützen können, sollte es tatsächlich gelingen, diese einer "unfriedlichen" Nutzung zuzuführen. Waren diese Super-Objekte in den Indiana Jones-Fil­men die Bundeslade und der Gral, so ist es im Comic die Heilige Lanze, die durch das Duo von Vater und Sohn Jones- mit den bekannten Gesichtszügen von Harrison Ford und Sean Connery - vor dem Zugriff der Nazi-Schergen gerettet werden muß (Abb. 14). Die Autoren des Comic finden eine neue Variante, um die offensichtliche Diskrepanz zwischen dem unschein­baren und offenkundig wirkungslosen Objekt in der Wiener Schatzkammer und einer unheilvollen Super­waffe zu überbrücken: Erst durch die Einheit von

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Abb. 13: Buchumschlag zu The Spear of Tyranny von Grant R. feffrey und Angela Hunt, 1973. (Piwto: Volker Schier.)

Texte der Bibel. Colbert entnimmt sein Hintergrund­wissen über die Lanze und den Kunstbunker zum größten Teil Ravenscrofts Buch. Längere Passagen werden fast wörtlich übernommen, und so begegnen dem Leser auch im jüngsten Lanzenroman bereits be­kannte Motive wie das Garagentor in der Oberen Schmiedgasse, die in Beton eingebetteten Bunker­türen, Kohns Bank und das rote Samtkissen.

Die Heilige Lanze im Comic Auch in einem anderen traditionellen Print-Medium konnte sich die Heilige Lanze fest etablieren: Dar­stellungen der Heiligen Lanze tauchen als wieder­kehrendes Element in einigen Comic-Serien immer wieder auf. Belegt sind sie mit Bedeutungsschemata, die überwiegend denen der Romanliteratur entspre­chen.

In The Last Days of the Justice Society of America, er­schienen im Jahr 1986, gelingt es Hitler mit Hilfe der Heiligen Lanze tatsächlich, die Welt zu zerstören -der Einfluß der einschlägigen Lanzenliteratur ist auch hier unverkennbar. Die Justice Society of America, ei­ne Gruppe bekannter Comic-Helden, will die Tat Hit­lers ungeschehen machen. Die einzige Möglichkeit zur Umkehrung der Ereignisse besteht d arin, daß sich die Comic-Figuren in eine parallele Welt begeben, die von germanischen Göttern beh errscht wird. Dort wird der Kampf zwischen Gut und Böse ausgefoch­ten.

Im Jahr 1995 erschien Indiana Jones and the Spear of Destiny, eine Serie von vier Heften, in denen die Pro­tagonisten der drei Indiana Jones-Filme nach bekann­tem Strickmuster erneut gegen das okkulte Böse an­treten67. Wie schon in den Filmen Jiiger des verlorenen Schatzes und Indiana Jones und der letzte Kreuzzug be­kommt dieses Böse ein Gesicht bzw. eine Uniform mit allgemeinem historischen Wiedererkennungswert Die schwarze Uniform der SS, der Trenchcoat der Na­zi-Agenten und ihre Luger-Pistolen bezeichnen den Gegner. Ohne Rücksicht auf Kosten und Verluste be­finden sich die Agenten erneut auf der Suche nach ei­nem Objekt mit gewaltigen und unkontrollierbaren Kräften, das in den Dienst ihrer Bewegung gestellt werden soll. Der Gegner wird sich gegen diese Kräfte nicht schützen können, sollte es tatsächlich gelingen, diese einer "unfriedlichen" Nutzung zuzuführen. Waren diese Super-Objekte in den Indiana Jones-Fil­men die Bundeslade und der Gral, so ist es im Comic die Heilige Lanze, die durch das Duo von Vater und Sohn J ones - mit den bekannten Gesichtszügen von Harrison Ford und Sean Connery - vor dem Zugriff der Nazi-Schergen gerettet werden muß (Abb. 14). Die Autoren des Comic finden eine neue Variante, um die offensichtliche Diskrepanz zwischen dem unschein­baren und offenkundig wirkungslosen Objekt in der Wiener Schatzkammer und einer unheilvollen Super­waffe zu überbrücken: Erst durch die Einheit von

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Abb. 13: Budrumschlag zu The Spear ofTyranny von Grant R. feffrey und Angeln Hunt, 1973. !Photo: Volker Schier.)

Abb. 14: Buchumschlag zu "Indiana Jones and the Spear ofDesliny" von Elaine Lee, Will Simpson und Dan Spiegle, Bd. 4, 1995. (Photo: Volker Schier.)

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Lanzenspitze und ursprünglichem Schaft erhält die Lanze ihre ungeahnte Kraft. Beide Teile für sich sind harmlos. Hitler, der bereits die Lanzenspitze unter seiner Kontrolle hat, läßt im Jahr 1945 in England, Ir­land und Wales- den Schauplätzen der Geschichte­nach dem Schaft suchen. Am Ende des vierten Hefts wird die gewaltige Dimension der unsichtbaren Be­drohung, der die Menschheit durch das mutige Ein­greifen von Indiana Jones entgangen ist, mit einer verständlichen Analogie verdeutlicht: Die Heilige Lanze wird vor einer Wolke gezeigt, die unschwer als Atompilz auszumachen ist (Abb. 15). Über der Wolke steht der Satz: "Es wird gesagt, daß derjenige, der den Speer besitzt und sein Geheimnis löst, das Schicksal der Welt in seiner Hand hat ... zum Guten oder Bösen." Abgerufen wird somit die allgemeine Angst vor einer anderen, durch die menschlichen Sinne ebenfalls nur in ihrer entfesselten Wirkung faß­baren Kraft: der des Atoms.

DieProtagonistindes Comic Darkness: The Spear of Destiny aus dem Jahr 2000 ist Magdalena, die Agentin des Vatikan für ganz besondere Aufgaben68 • Der Co­mic fesselt primär durch seine bunten und detailrei­chen Bilder, die Handlung an sich ist durch die häufi­gen "Bild"-Fetzen und Rückprojektionen nicht im­mer leicht zu verfolgen. Jeder Leser ist gefordert, die nichtlineare Erzählstruktur der Geschichte für sich dadurch zu klären, daß er wichtige, nicht-verbalisier­te Details aus dem visuellen Bereich durch das Studi­um der Bilder ergänzt. Es gibt nicht nur eine Magda­lena: Eine kontinuierliche Abfolge von Magdalenen reicht zurück bis zur biblischen Figur der Maria Mag­dalena. Jede Magdalena wird durch einen Ritus, der an eine Kombination aus christlicher Taufe und Eu­charistie erinnert, für ihr Amt geweiht und erhält hierdurch Zugang zu der geheimen Kraft, die es ihr ermöglicht, im Kampf gegen das Böse zu bestehen. Eine Magdalena hatte Hitler am Ende des Zweiten Weltkriegs die Heilige Lanze abgenommen und hier­durch seine Macht gebrochen (Abb. 16), eine andere Magdalena erhält nun die Lanze als ihre Waffe aus­gehändigt (Abb. 17). Ihr Auftrag ist es, den New Yor­ker Gangsterboß Jackie Estacado zu töten, die menschliche Maske des personifizierten Bösen. Aller­dings war diese Magdalena vor ihrem Einsatz nicht dem Initiierungsritus unterzogen worden, sie war so­mit verwundbar und ihrem Gegner nicht gewachsen. Aufgrund dieser Schwäche kann das Opfer den An­schlag abwenden, und der Gegner vermag- schlim­mer noch - Magdalena die Lanze zu entreißen. Im Kampf nimmt Estacado eine andere Gestalt an: Mag­dalena muß nun gegen ein Rieseninsekt mit Facetten­augen und vielen Köpfen und Hälsen kämpfen, ein Bild, das an Laokoons Kampf gegen die Schlangen er­innert. Da Magdalena die nötige Kraftzufuhr durch ihre Initiierung erst verspätet während des Kampfes erhält, ist sie nicht mehr in der Lage, diese Kraftzu-

Abb. 14: Bucllllmscl!lng w "!ndinrw jones nnd tl!e Spear of Destiny" von Elnine Lee, Will Simpson und Dn11 Spiegle, Bd. 4, 1995. (Plwto: Volker Scl!ier.)

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Lanzenspitze und ursprünglichem Schaft erhält die Lanze ihre ungeahnte Kraft. Beide Teile für sich sind harmlos. Hitler, der bereits die Lanzenspitze unter seiner Kontrolle hat, läßt im Jahr 1945 in England, Ir­land und Wales- den Schauplätzen der Geschichte­nach dem Schaft suchen. Am Ende des vierten Hefts wird die gewaltige Dimension der unsichtbaren Be­drohung, der die Menschheit durch das mutige Ein­greifen von Indiana Jones entgangen ist, mit einer verständlichen Analogie verdeutlicht: Die Heilige Lanze wird vor einer Wolke gezeigt, die unschwer als Atompilz auszumachen ist (Abb. 15). Über der Wolke steht der Satz: "Es wird gesagt, daß derjenige, der den Speer besitz t und sein Geheimnis lös t, das Schicksal der Welt in seiner Hand hat ... zum Guten oder Bösen." Abgerufen wird somit die allgemeine Angst vor einer anderen, durch die menschlichen Sinne ebenfalls nur in ihrer entfesselten Wirkung faß­baren Kraft: der des Atoms.

DieProtagonistindes Comic Darkness: The Spear of Des tiny aus dem Jahr 2000 ist Magdalena, die Agentin des Vatikan für ganz besondere Aufgabed8

. Der Co­mic fesselt primär durch seine bunten und detailrei­chen Bilder, die Handlung an sich ist durch die häufi­gen "Bild"-Fetzen und Rückprojektionen nicht im­mer leicht zu verfolgen. Jeder Leser ist gefordert, die nichtlineare Erzählstruktur der Geschichte für sich dadurch zu klären, daß er wichtige, nicht-verbalisier­te Details aus dem visuellen Bereich durch das Studi­um der Bilder ergänzt. Es gibt nicht nur eine Magda­lena: Eine kontinuierliche Abfolge von Magdalenen reicht zurück bis zur biblischen Figur der Maria Mag­dalena. Jede Magdalena wird durch einen Ritus, der an eine Kombination aus christlicher Taufe und Eu­charistie erinnert, für ihr Amt geweiht und erhält hierdurch Zugang zu der geheimen Kraft, die es ihr ermöglicht, im Kampf gegen das Böse zu bestehen. Eine Magdalena hatte Hitler am Ende des Zweiten Weltkriegs die Heilige Lanze abgenommen und hier­durch seine Macht gebrochen (A bb. 16), eine andere Magdalena erhält nun die Lanze als ihre Waffe aus­gehändigt (Abb. 17). Ihr Auftrag ist es, den New Yor­ker Gangsterboß Jackie Estacado z u töten , die menschliche Maske des personifizierten Bösen. Aller­dings war diese Magdalena vor ihrem Einsatz nicht dem Initiierungsritus unterzogen worden, sie war so­mit verwundbar und ihrem Gegner nicht gewachsen. Aufgrund dieser Schwäche kann das Opfer den An­schlag abwenden, und der Gegner vermag - schlim­mer noch - Magdalena die Lanze zu entreißen. Im Kampf nimmt Estacado eine andere Gestalt an: Mag­dalena muß nun gegen ein Rieseninsekt mit Facetten­augen und vielen Köpfen und Hälsen kämpfen, ein Bild, das an Laokoons Kampf gegen die Schlangen er­innert. Da Magdalena die nötige Kraftzufuhr durch ihre Initiierung erst verspätet während des Kampfes erhält, ist sie nicht mehr in der Lage, diese Kraftzu-

fuhr effizient einzusetzen. Im letzten Bild sehen wir sie an einem Kreuz hängen, nur bekleidet mit einem String, den Kopf nach vorne geneigt, die Füße mit Dolchen an das Holz des Kreuzes geheftet.

Am Beginn der Geschichte ist Magdalena mit dem Habit einer Nonne bekleidet, in den Kampf zieht sie jedoch in Stiefeln, engen Leggins, Top und einem wei­ten Umhang. Ihre Proportionen und ihre Haut sind denen einer Barbie-Puppe ähnlicher als denen einer realen Person. Die einzigen Elemente ihres Kampfan­zugs, die auf ihren monastischen Hintergrund schließen lassen, sind mehrere Metallkreuze, eine Pieta und die Darstellung einer weiblichen Heiligen, die an allen Kleidungs- und Ausrüstungsstücken an­gebracht sind. Das Bild des Vamps, beladen mit reli­giösen Symbolen, erinnert an die skandalträchtigen Bühnenauftritte und Videoclips der Pop-Ikone Ma­donna aus den neunziger Jahren.

Wie Kombattanten auf ihrer Uniform nationale Embleme zur Kennzeichnung ihres Status tragen, so trägt Magdalena das Kreuz. Ihre Theologie basiert nicht auf Vergebung, sondern propagiert die Ausrot­tung des personifizierten Bösen, ein Konzept, von dem sich die katholische Kirche seit längerem ge­trennt hat. Die mächtigste Waffe in diesem Kampf ist die Heilige Lanze, deren Deutung jedoch nichts ge­mein hat mit der mittelalterlichen Interpretation der Lanze als Leidenswerkzeug, das zum Heilsgeschehen beitrug. Im Comic dient die Heilige Lanze nur dazu, Gewalt in ihrer einfachsten und archetypischen Form zu verkörpern: Sie ist spitz und scharf, und die für sie vorgesehene Aufgabe besteht darin, den Körper eines Feindes zu durchbohren.

Die Heilige Lanze im Internet Das populäre Bild der Heiligen Lanze am Ende des 20. Jahrhunderts und im frühen 21. Jahrhundert wird am intensivsten durch das internationale Datennetz des World Wide Web geprägt. Im Vergleich zu Publi­kationen auf Papier ermöglicht das Internet eine weit­gehende Aufhebung der Trennung zwischen den me­dialen Formen: Texte, Bilder und Musik werden auf demselben Weg übermittelt und durch dasselbe In­strument, den Computer, wiedergegeben. Auch hebt das Internet den früher fundamentalen Unterschied zwischen Produzenten und Rezipienten auf. Das Zu­sammenführen und Weiterentwickeln auf der Basis von präexistenten Strukturen ist charakteristisch für eine neue Art der Gestaltung von Narrativen, denen die Unterscheidung zwischen Fiktion und Nonfiktion grundsätzlich fremd ist. Leistungsfähige Suchmaschi­nen ermöglichen in Sekundenbruchteilen die Suche nach Themen und Stichworten über Länder-, Konti­nent- und Sprachgrenzen hinweg. Wie kein Medium zuvor ermöglicht das Internet den Austausch zwi­schen Individuen und Gruppen mit einer Affinität zu ähnlichem Gedankengut. Dies können politische

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Abb. 15: Lar1ze vor einem Atompilz, Tllustration in "Indiana jones and the Spear of Destiny" von Elaine Lee, Will Simpson und Dan Spiegle, Bd. 4, 1995. (Photo: Volker Schier.)

fuhr effizient einzusetzen. Im letzten Bild sehen w ir sie an einem Kreuz hängen, nur bekleidet mit einem String, den Kopf nach vorne geneig t, die Füße mit Dolchen an das H olz des Kreuzes geheftet.

Am Beginn der Geschichte ist Magdalena mit dem Habit einer Nonne bekleidet, in den Kampf zieht sie jedoch in Stiefeln, engen Leggins, Top und einem wei­ten Umhang. Ihre Proportionen und ihre Haut sind denen einer Barbie-Puppe ähnlicher als denen einer rea len Person . Die einzigen Elemente ihres Kampfan­zu gs, die auf ihren monas ti sch en Hintergrund schließen lassen, sind mehrere Metallkreuze, eine Pieta und die Darstellung einer weiblichen Heiligen, die an allen Kleidungs- und Ausrüstungsstücken an­gebracht sind. Das Bild des Vamps, beladen mit reli­giösen Symbolen, erinnert an die skandalträchtigen Bühnenauftritte und Videoclips der Pop-Ikone Ma­donna aus den neunziger Jahren.

Wie Kombattanten auf ihrer Uniform nationale Embleme zur Kennzeichnung ihres Status tragen, so trägt Magdalena das Kreuz. Ihre Theologie basiert nicht auf Vergebung, sondern p ropagiert die Ausrot­tung des personifizierten Bösen, ein Konzept, von dem sich die katholische Kirche seit längerem ge­tretmt hat. Die mächtigste Waffe in diesem Kampf ist d ie H eilige Lanze, deren Deutung jedoch nichts ge­mein hat mit der mittelalterlichen Interpretation der Lanze als Leidenswerkzeug, das zum Heilsgeschehen beitrug. Im Comic dient die Heilige Lanze nur dazu, Gewalt in ihrer einfachsten und archetypischen Form zu verkörpern: Sie ist spitz und scharf, und die für sie vorgesehene Aufgabe besteht darin, den Körper eines Feindes zu durchbohren .

Die Heilige Lanze im In ternet Das populäre Bild der Heiligen Lanze am Ende des 20. Jahrhunderts und im frühen 21. Jahrhundert wird am intensivsten durch das internationale Datennetz des World Wide Web gepräg t. Im Vergleich zu Publi­kationen auf Papier ermöglicht d as Internet eine weit­gehende Aufhebung der Trennung zwischen den me­dialen Formen: Texte, Bilder und Musik werden auf demselben Weg übermittelt und durch d asselbe In­s trument, den Computer, wiedergegeben . Auch hebt das Internet den früher fundamentalen Unterschied zwischen Produzenten und Rezipienten auf. Das Zu­sammenführen und Weiteren twickeln auf der Basis von präexistenten Strukturen ist charakteristisch für eine neue Art der Gesta ltung von Narrativen, denen die Unterscheidung zwischen Fiktion und Nonfiktion grundsätzlich fremd ist. Leistw1gsfähige Suchmaschi­nen ermöglichen in Sekundenbruchteilen die Suche nach Themen und Stichworten über Länder-, Konti­nent- und Sprachgrenzen hinweg. Wie kein Medium zuvor ermöglicht das Internet den Austausch zwi­schen Individuen und Gruppen mit einer Affinität zu ähnlichem Gedankengut. Dies können politische

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Abb. 15: Lanze vor einem Atompilz, /1/ustrntiou i11 "lndinnn fones and the Spenr of Destiny " von Elaine Lee, Will Simpso11 und Dan Spiegle, Bd. 4, 1995. (Photo: Volker Schier. )

Abb. 16: Magdalena nimmt Hit/er den Speer des Schicksals ab, Illustration in "The Oarkness- Spear of Destiny" von foe ßenitez, Peter Steigerwald, foe Weems und Tyson Wengler, Nr. 16, 2000. (Photo: Volker Schier.)

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Abb. 17: Umschlag zu Magdalena mit dem Speer des Schicksals, "The Darkness- Spear of Destiny" von ]oe Bmitez, Peter Steigerwald, joe Weems und Tyson Wengler, Nr. 16,2000. (Photo: Volker Schier.)

Gruppierungen mit einer gemeinsamen ideologi­schen Basis, jedoch auch opponierende Gruppen sein, deren Gegensätze auf divergierenden Interpretatio­nen von Texten und Objekten beruhen.

Das Internet ist anarchisch: Etablierte Ordnungs­mechanismen und Strukturen existieren nicht. Das Suchen von Informationen ist aus diesem Grund schwierig, denn die Suchmaschinen arbeiten auf der Basis von strukturlos definierten Wortverbindungen, die Inhalte und Aussagen der durchsuchten Texte bleiben ihnen völlig verborgen. Der Wegfall von Zu­gangsbeschränkungen bei der individuellen und kol­lektiven Informationsverbreitung, die im Fall der Druck- und elektronischen Massenmedien weiter Be­stand haben und auf absehbare Zeit haben werden, hat unterschiedliche Konsequenzen für die Informati­onsqualität im Datennetz: Eine Reduktion oder for­cierte Verbreitung von Information auf der Basis von Marketingerwägungen bleibt primär auf kommerzi­elle Angebote begrenzt, schränkt die sonstige Pro­duktion und Weitergabe von Informationen jedoch nicht ein, sondern beeinflußt und überlagert sie höch­stens im Hinblick auf eine prominentere Positionie­rung innerhalb der Suchmaschinen. Selektionsmecha­nismen, wie sie im Fall von wissenschaftlichen Publi­kationen durch Herausgeber und Verleger benützt werden, existieren nicht; eine notwendige Anpassung an etablierte Sichtweisen, um den Zugang zu Publi­kationsmöglichkeiten zu erhalten, entfällt somit. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, daß die Suchanfrage nach den Termini "Holy'' und "Lance" bei der populären Suchmaschine Google insgesamt 75.000 Treffer ergibt. Es wird schnell deutlich, daß sich bei weitem nicht alle Links auf die Heilige Lanze beziehen. So führt beispielsweise einer der Links zu einer Seite mit dem Lied Holy, Holy, Holy des Kompo­nisten Steven Curtis Lance.

Die Dauerhaftigkeit des gedruckten Wortes ist nicht auf das neue Medium übertragbar: Auch wenn sich inzwischen gezeigt hat, daß Bits und Bytes noch viel geduldiger sind als sprichwörtlich das Papier, so sind elektronische Informationen doch vergänglich wie noch nie. Durch einen einzigen Mausklick wer­den Daten publiziert, durch weitere Mausklicks wer­den sie verändert oder wieder aus dem Datennetz entfernt. Häufig bleiben nur ihre digitalen Echos für eine kurze Zeit bestehen, nämlich so lange, bis die in das digitale Nichts führenden "Links" der Suchma­schinen turnusmäßig revidiert werden. Auch ändert sich die Strukturierung der Suchergebnisse ständig, ohne daß für die Nutzer die Ordnungsprinzipien der Suchmaschine nachvollziehbar wären.

An erster Stelle der Trefferliste steht im Moment eine Seite des Kunsthistorischen Museums in Wien69

Zu lesen sind die Beschreibung des Objekts und eine Zusammenfassung seiner Geschichte, die auch im Führer der Schatzkammer abgedruckt ist. Die Heilige

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Lanze ist allerdings auch eines der Exponate im Mu­seum of Unnatural Mystery, eine Seite, die ebenfalls am oberen Ende der Trefferliste zu finden isf0

• Der "Ku­rator" Lee Krystek beschreibt seine Sammlung selbst­bewußt als ein "etwas bizarres Cyberspace Naturwis­senschaftsmuseum für jedes Alter". Neben der Heili­gen Lanze finden die Besucher dort auch einen "Saal der UFO-Rätsel", eine "verlorene Welt-Ausstellung" und eine "Dinosaurier-Safari". Die gewählte Meta­pher des Museums wird konsequent bis zum virtuel­len "Museumsshop" fortgeführf1

• Als Besucher er­hält man durchaus den Eindruck, daß der Einstieg in den E-Commerce die primäre Motivation für die Gründung des virtuellen Museums war.

Im Januar 2002 führte eine Seite, die sich als New Catholic Encyclopedia ausgibt, die Trefferliste an72

• Eine nähere Betrachtung zeigt jedoch, daß die Enzyklopä­die gar nicht so neu ist, wie man vom Titel erwarten würde. Digitalisiert wurden nicht etwa die Artikel der aktuellen Ausgabe, sondern die Edition des Jah­res 1910, deren Copyright inzwischen erloschen ist. Die zahlreichen kommerziellen Links machen auch deutlich, daß die Artikel ein reiner Blickfang sind, durch den Besucher auf die Website gelockt werden sollen. Es handelt sich um eine Werbeplattform für Anbieter von Waren und Dienstleistungen, die den großen Markt der nordamerikanischen Katholiken wirtschaftlich erschließen will. So finden sich bei­spielsweise Links zu Reisebüros mit einer Spezialisie­rung auf Wallfahrten, zu Anbietern von Büchern und Geschenken für Katholiken und zu "Ave Maria Single Catholics", einer katholischen Ehevermittlung.

Lange Zeit erschien bei einer Suchanfrage im In­ternet The Lance, the Swastika, and the Merovingians von William Kalogonis an erster Stelle73

• Die Abbildung der Anfangsseite, auf der das Hakenkreuz, das Fleur­de-lis des französischen Königshauses und die Heili­ge Lanze überlagert werden, gibt bereits einen Hin­weis auf den weiteren Inhalt. Der Autor will seine Veröffentlichung dahingehend verstanden wissen, daß er durch sie "Verbindungen zwischen Nazismus und Okkultismus sowie mögliche Verbindungen zwischen Okkultismus und anderen modernen poli­tischen Organisationen öffentlich machen" will. Ka­logonis zählt die Herrscher und Potentaten auf, die vom Besitz der Heiligen Lanze profitieren konnten. Auch warnt er eindringlich vor der Macht der Lanze: "Karl der Große starb innerhalb von nur wenigen Mi­nuten, als er sie bei der Überquerung eines Flusses fallen ließ. [ ... ] Durch den Fall der Sowjetunion und die Öffnung der sowjetischen Archive, unterstützt durch die Aussage eines ehemaligen sowjetischen Soldaten, der selbst an der Einnahme von Hitlers Bunker in Berlin beteiligt war, können wir endlich be­stätigen, daß ungefähr um 15.30, nur 80 Minuten nachdem die Vereinigten Staaten die Lanze in ihren Besitz nahmen, Hitler durch einen Schuß in den Kopf

Selbstmord beging." Andere Teile der Schilderung basieren ebenfalls auf dem bekannten Muster einer Aneinanderreihung scheinbarer Fakten. So begegnen uns auch hier die Dienstnummer von Walter Horn und weitere "Belege"/ die sich an den Metatext ange­gliedert haben.

Eine Gruppe/ zu deren primärem Kommunikati­onsmedium das Internet geworden ist1 sind die An­hänger von yrelfältigen Konspirations-Theorien. Die International Society for a Complete Earth beschreibt sich selbst auf ihrer Website als wissenschaftlich aus­gerichtete Gesellschaft/ die durch einen gewissen Ka­pitän 11Ritter von X" gegründet wurde74

• Der Gründer will allerdings anonym bleiben/ ein nach den Statuten des Vereinsrechts ungewöhnlicher Fall. Nicht nur das Fehlen eines persönlich verantwortlichen Vor­standes verweist darauf/ daß diese Gesellschaft einer Luftblase gleicht. Angeblich war 11Ritter von X" Offi­zier auf dem U-Boot auf dem die Heilige Lanze am Ende des Zweiten Weltkriegs in die Antarktis ge­bracht wurde. Daß diese Geschichte bekannt klingt/ ist natürlich kein Zufall: Der geheimnisvolle 11Ritter von X" wird als einer der Autoren der Bücher Adolf HitZer and the Secrets of the Holy Lance und Hitler's Ashes identifiziert. Das Symbol der Gesellschaft ist das Hakenkreuz/ das verharmlosend als nordisches Symbol bezeichnet wird. Falls diese Informationen ihre abschreckende Wirkung verfehlt haben1 wird der Besucher mit dem eigentlichen Ziel der Gesell­schaft vertraut gemacht: Durch die angeblich vorhan­denen Polöffnungen soll eine Expedition in das Inne­re der Erde vordringen und den Kontakt zu den Ar­riani herstellen/ einer //großen, blonden/ blauäugigen Superrassel die das Innere der Welt beherrscht". Die Arianni sprechen eine Sprache ähnlich dem Deut­schen/ leben in Städten aus Kristall und benutzen "flugelrods" 1 fliegende Untertassen, mit "denen sie den Himmel der oberirdischen Welt patrouillieren und ein Auge auf uns haben".

Die 11Citizens against a New World Order" haben das Bedürfnis/ die Besucher ihrer Website darüber zu informieren/ daß die Nazis nicht nur große Basen in der Antarktis errichtet haben/ sondern auch die Erfin­der von Antigraviditätstechnologie sind75

• Am Ende des Krieges wurde diese Technik in der Antarktis in Sicherheit gebracht und weiterentwickelt. Als Beleg wird ein Geheimbericht zitiert1 die //Omega Files", ei­ne auffällige Parallele zum Titel der populären ameri­kanischen Fernsehserie "X-Files", die im deutsch­sprachigen Fernsehen als //Akte-X" ausgestrahlt wird76

• Die Heilige Lanze ist das zentrale Objekt einer globalen Verschwörung: Mit Hilfe ihrer UFOs und durch die Unterstützung Außerirdischer von ande­ren Planeten sind die antarktischen Nazis gerade im Begriff, eine neue Weltordnung zu errichten. Die Ver­einten Nationen wären demnach bereits unter ihrer Kontrolle. Besonders hervorgehoben wird der ehe-

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malige Generalsekretär Kurt W aldheim, der selbst im Besitz der Heiligen Lanze gewesen sein soll.

Die okkulte Macht der Heilige Lanze wird auch in fundamentalistischen religiösen Kreisen thematisiert, etwa auf einer Seite der Cutting Edge Ministries, die unter dem Titel Study Antichrist through the Study of HitZer versuchen/ die unheiligen Kräfte der Lanze auf biblische Prophezeiung zurückzuführen. Tatsächlich werden dann weniger Belegstellen aus den Büchern des Alten und Neuen Testaments zur Unterstützung der fragwürdigen Thesen herangezogen; vielmehr werden als Quellen Passagen aus Ravenscrofts Spear of Destiny angegeben77

Wenn dieser Beitrag in gedruckter Form verfüg­bar ist1 wird sich das Gesamtbild im Internet bereits wieder verändert haben: Mit einiger Wahrscheinlich­keit werden einige der besprochenen Webseiten dann nicht mehr vorhanden sein bzw. nur in veränderter Form existieren. Die Suchmaschinen werden jedoch zahlreiche neue Inhalte finden, die- zumindest den bisherigen Erfahrungen der Autoren nach- der auf­gezeigten Bandbreite der Lanzenmotivik in den mei­sten Fällen entsprechen werden. Längerfristig kön­nen Sie, die Leser1 sich selbst im Internet ein Bild da­von machen/ in welche Richtung sich die Geschichten um die Heilige Lanze weiterentwickeln werden.

Die Heilige Lanze in Computer-Spielen Aufwendige und inzwischen erstaunlich realistische Computeranimationen vermögen leblose Objekte auf dem Computerbildschirm zum Leben zu erwecken und Fiktionen zu einerneuen Art der Wirklichkeit er­stehen zu lassen. Die Heilige Lanze wird zu einem zentralen Objekt in mindestens zwei bekannten Com­puterspielen: The Spear ofDestiny von ID Software aus dem Jahr 1992 ist eine Fortsetzung des skandalträch­tigen PC-Spiels Wolfenstein 1 das in den frühen neunzi­ger Jahren besonders in der deutschsprachigen Pres­se negative Aufmerksamkeit erregte. Die Aufgaben­stellung für den Spieler ist einfach: Er muß sich der Lanze bemächtigen und dabei am Leben bleiben. Die­sem Ziel entgegen stehen Hunderte bis an die Zähne bewaffnete Soldaten in feldgrauer Wehrmachtsuni­formt Männerinder schwarzen Uniform der SS und fast unbezwingbare Mutanten allerlei Couleur mit implantierten Maschinenwaffen. Diese Gegner müs­sen durch den "Ego-Kämpfer" in möglichst großer Zahl getötet werden, um zusätzliche Punkte zu erhal­ten. Dieneueste Generation/ Return to Castle Wolfen­stein, stellt eine technisch völlig neu überarbeitete Version dar und ist nun nicht mehr auf das Töten von deutschen Soldaten fixiert/ sondern erlaubt es dem Spieler zu wählen1 auf welcher Seite er in den Zwei­ten Weltkrieg ziehen will, eine Neuerung/ die nun auch in Nordamerika kritische Reaktionen nach sich zog. Die Wolfenstein-Spiele waren die ersten erfolgrei­chen //Ego-Kämpfer"-Spiele1 in denen der Nutzer

nicht nur die mechanische Steuerung des Protagoni­sten übernimmt, sondern auch die fiktive digitale Welt durch dessen Augen sieht und durch dessen Ohren hört. Eine für die damalige Zeit hochwertige graphische Umsetzung in Echtzeit, die heute ver­ständlicherweise antiquiert wirkt, ließ die Waljen­stein-Serie zu einem Verkaufserfolg werden, dessen technische Details und vor allem dessen Konzept von der Konkurrenz kopiert wurden.

Das Titelbild des Spiels zeigt B. J. Blazkowicz, den muskelbepackten amerikanischen Ranger, der sein Ziel fast erreicht hat (Abb. 18): Mit einem anachroni­stischen Kalaschnikow-Sturmgewehr, das er wie eine Keule handhabt, zertrümmert er das Glas der Vitrine, in der sich die Lanze befindet. Diese Szene spielt sich vor der Kulisse einer Burg ab, die an Neuschwanstein erinnert, laut Begleitheft jedoch die Nürnberger Burg darstellen soll, also den Ort, an dem die Lanze von den Nazis verwahrt wurde. Die Lanze ist in ihren äußeren Proportionen verstärkt und erinnert mit ihren ausladenden Flügeln an eine kleine Rakete. Sie besteht aus poliertem, glänzenden Metall, ist mit zahlreichen Edelsteinen besetzt und versucht durch diese Äußerlichkeiten den Eindruck zu erwecken, daß mehr hinter dieser Fassade verborgen ist.

Im Jahr 2000 brachte Eidos die fünfte Fortsetzung der erfolgreichen Tomb Raider-Serie, Chronicles, auf den Markt. Protagonistin ist die britische Archäolo­gin Lara Croft, eine Verbindung von Barbie-Puppe und Indiana Jones. Eine der Aufgaben für Lara, bzw. den Spieler, besteht darin, in eine russische Marine­basis einzudringen, um den Speer des Schicksals zu erbeuten. Die Vorgeschichte zeigt erneut zahlreiche Überschneidungen zum populären Lanzen-Metatext Im Zweiten Weltkrieg war ein deutsches U-Boot, das den Speer transportierte, gesunken. Ein russischer Mafiaboß und ein korrupter Admiral wollen den Speer aus dem Boot bergen, um sich seiner Kräfte zu bedienen, und Lara muß dies verhindern. Die kom­plexe und deshalb rechenintensive Echtzeitgraphik verzichtet auf alle unnötigen Details, der Speer wird deshalb auf sein ikonisches Wesen reduziert: Die überdimensionierte Speerspitze ist allein durch ihre dreieckige Form und die metallen glänzende Ober­fläche als solche erkennbar.

Die Heilige Lanze auf dem Fernsehschirm Es sollte bis in die neunziger Jahre dauern, bis auch das Fernsehen die Heilige Lanze als Thema entdeck­te78. Ausschlaggebend für das Interesse der Fern­sehmacher war offensichtlich das stark gestiegene Marktpotential von Esoterik und allem Übernatürli­chen, gepaart mit der seit dieser Zeit im subkulturei­len Bereich multimedial tradierten Geschichte der Heiligen Lanze.

Im Jahr 1995 strahlte das in New York beheimate­te Artsand Entertainment Network die Dokumenta-

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Abb. 18: Umschlag des BegZeithefts zum Computerspiel "Spear of Destiny"' von Ken Rieger, 1992. (Photo: Volker Schier.)

nicht nur die mechanische Steuerung des Protagoni­sten übernimmt, sondern auch die fiktive digitale Welt durch dessen Augen sieht und durch dessen Ohren hört. Eine für die damalige Zeit hochwertige graphische Umsetzung in Echtzeit, die heute ver­ständlicherweise antiquiert wirkt, ließ die Waljen­stein-Serie zu einem Verkaufserfolg werden, dessen technische Details und vor allem dessen Konzept von der Konkurrenz kopiert wurden.

Das Titelbild des Spiels zeigt B. J. Blazkowicz, den muskelbepackten amerikanischen Ranger, der sein Ziel fast erreicht hat (Abb. 18): Mit einem anachroni­stischen Kalaschnikow-Sturmgewehr, das er wie eine Keule handhabt, zertrümmert er das Glas der Vitrine, in der sich die Lanze befindet. Diese Szene spielt sich vor der Kulisse einer Burg ab, die an Neuschwanstein erinnert, laut Begleitheft jedoch die Nürnberger Burg darstellen soll, also den Ort, an dem die Lanze von den Nazis verwahrt wurde. Die Lanze ist in ihren äußeren Proportionen verstärkt und erinnert mit ihren ausladenden Flügeln an eine kleine Rakete. Sie besteht aus poliertem, glänzenden Metall, ist mit zahlreichen Edelsteinen besetzt und versucht durch diese Äußerlichkeiten den Eindruck zu erwecken, daß mehr hinter dieser Fassade verborgen ist.

Im Jahr 2000 brachte Eidos die fünfte Fortsetzung der erfolgreichen Tomb Raider-Serie, Chronicles, auf den Markt. Protagonistin ist die britische Archäolo­gin Lara Croft, eine Verbindung von Barbie-Puppe und Indiana Jones. Eine der Aufgaben für Lara, bzw. den Spieler, besteht darin, in eine russische Marine­basis einzudringen, um den Speer des Schicksals zu erbeuten. Die Vorgeschichte zeigt erneut zahlreiche Überschneidungen zum populären Lanzen-Metatext Im Zweiten Weltkrieg war ein deutsches U-Boot, das den Speer transportierte, gesunken. Ein russischer Mafiaboß und ein korrupter Admiral wollen den Speer aus dem Boot bergen, um sich seiner Kräfte zu bedienen, und Lara muß dies verhindern. Die kom­plexe und deshalb rechenintensive Echtzeitgraphik verzichtet auf alle unnötigen Details, der Speer wird deshalb auf sein ikonisches Wesen reduziert: Die überdimensionierte Speerspitze ist allein durch ihre dreieckige Form und die metallen glänzende Ober­fläche als solche erkennbar.

Die Heilige Lanze auf dem Fernsehschirm Es sollte bis in die neunziger Jahre dauern, bis auch das Fernsehen die Heilige Lanze als Thema entdeck­te78. Ausschlaggebend für das Interesse der Fern­sehmacher war offensichtlich das stark gestiegene Marktpotential von Esoterik und allem Übernatürli­chen, gepaart mit der seit dieser Zeit im subkulturei­len Bereich multimedial tradierten Geschichte der Heiligen Lanze.

Im Jahr 1995 strahlte das in New York beheimate­te Artsand Entertainment Network die Dokumenta-

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Abb. 18: Umschlag des Begfeithefts zwn. Computerspiel "Spear of Des/in!/' von Ken Rieger, 1992. (Photo: Volker Schier.)

tion The Quest for the Holy Lance aus, eine Produktion, die auch auf Videokassette vermarktet wurde. Die in­tendierte Zielgruppe erschließt sich durch die Sende­folge, für die die Sendung produziert wurde: Alte Rät­sel: Neue Forschungen über das Ungeklärte enthält weite­re Titel wie etwa Bigfoot, Die großen Pyramiden, Auf der Suche nach dem Monster von Loch Ness, Camelot und Die Suche nach dem Heiligen Gral. Dargestellt werden soll die Geschichte der Lanze von der Zeit Christi bis zur Gegenwart. Die Produzenten der Sendung sind in ihren qualitativen Ansprüchen keineswegs beschei­den, wie dies in dem kurzen Text auf der Verpackung der Videokassette zum Ausdruck gebracht wird: Sie umschreiben ihre Methodik und die erbrachten Re­sultate als "überzeugend" und "Ehrfurcht gebie­tend", sie versprechen das Aufdecken von "Fakten und Fabeln" und sind der Ansicht, daß die Ergebnis­se die Käufer "verwundern" werden. Auch soll die Dokumentation die Frage klären, ob die Lanze "echt" ist oder nicht, eine im Hinblick auf den an dieser Stel­le fehlenden Bezug dieser Aussage nicht unproble­matische Aufgabenstellung. Die Produktion selbst ist freilich in großen Teilen ernüchternd: Gleich zu Be­ginn wird berichtet, daß Hitler von der Heiligen Lan­ze fasziniert war. Am 14. März 1938 hätte er für mehr als eine Stunde die Heilige Lanze in Wien betrachtet. Nun glaubte er die Macht zu besitzen, die Welt zu er­obern. Im Anschluß an sein Zwiegespräch mit der Lanze ordnete er die Verhaftung der Wiener Juden an und ließ die Lanze aus der Schatzkammer nach Nürn­berg bringen. Nach dieser Einleitung folgt die Exposi­tion von drei Grundfragen, die durch die Dokumen­tation beantwortet werden sollen. An erster Stelle steht nun nicht mehr die implizierte Frage nach der "Echtheit" der Christus-Reliquie, sondern die Frage, warum Hitler die Lanze begehrte, gefolgt von derje­nigen nach der mystischen Kraft des Objekts. Zuletzt soll noch geklärt werden, warum in einem Zeitraum von zweitausend Jahren viele berühmte Herrscher, üble Diktatoren und noble Könige, ihr Leben dafür eingesetzt hätten, um mit der Heiligen Lanze in den Krieg ziehen zu können. Im Zentrum stehen die Aus­sagen mehrerer Experten - zumeist etablierter Histo­riker, aber auch ein namhafter Kunsthistoriker und ein fragwürdiger "Schatzjäger" kommen zu Wort-, um die herum die Geschichte filmisch entwickelt wird. Die selektierten und geschickt assemblierten In­terviewpassagen werden nahtlos in den Text des Er­zählers integriert und sollen dadurch die Bestätigung für die zumeist sehr plakativen Aussagen über die Heilige Lanze liefern. Die Fragen des Interviewers wurden freilich entfernt, und somit gibt es für den Be­trachter keine Möglichkeit nachzuvollziehen, auf welche konkreten Sachverhalte sich die Antworten der Experten beziehen bzw. ob diese Sachverhalte durch Schnitt und Nachbearbeitung möglicherweise in einen anderen Kontext verpflanzt wurden. Wissen,

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Eloquenz, Glaubwürdigkeit und kritische Reflexion der interviewten Personen divergieren in einem wei­ten Bereich, ihre Aussagen werden jedoch mit der gleichen Wertigkeit behandelt und nie hinterfragt, selbst wenn sich ihre Einschätzungen in vielen Fällen nicht auf den Wissenschaftsbereich erstrecken, in dem ihre Expertise anzusiedeln ist.

Die Kreuzigung Christi und in diesem Zusam­menhang auch die Verwendung der Lanze werden als Fakten akzeptiert: "Die Heilige Lanze ist echt", ist das Credo der Sendung. Breiter Raum wird den kon­kurrierenden Lanzen und deren Verbindungen zu­einander zugewiesen. Besonders in diesem Kontext vermag der Film durch seine Darstellungsmittel hi­storische Sachverhalte in einer größeren Komplexität und Dichte darzustellen als die meisten der zuvor be­sprochenen Bücher oder Webseiten. Parallel zu die­sen ist jedoch das Streben nach einer Summierung und Aneinanderreihung detaillierter "Fakten" er­kennbar, um den Zuschauern möglichst wenig Anlaß zu geben, sich Gedanken über Struktur, Methodolo­gie und zu den intendierten Aussagen der "Macher" der Produktion zu machen. Der pseudowissenschaft­liche Detailreichtum vieler Passagen soll den Ein­druck erzeugen, daß auch die übergreifenden Inhalte und die Produktion als Ganzes auf einem soliden Fundament ruhen. Die aufwendige visuelle Darstel­lung wird andererseits zur eigentlichen ästhetisierten Aussage, der Text gerät zur Nebensache. Selbst die Detailaussagen sind häufig extrem inakkurat und las­sen vermuten, daß nicht ordentlich recherchiert wur­de und daß fragwürdige Quellen zu Rate gezogen wurden. So soll der Dokumentation zufolge Karl der Große bei seinem Versuch, Jerusalem zu erobern, die Heilige Lanze bei sich getragen haben, ein Projekt, an das Karl - mit oder ohne Lanze - wohl nicht einmal dachte. Auch wird berichtet, daß die Lanze im Jahr 1250 von Kaiser Friedrich II. nach Nürnberg gebracht wurde und dort für 550 Jahre verblieb, eine Aussage, die nicht zutrifft.

Es besteht kein Zweifel, daß bei einigen Aussagen Ravenscrofts Buch Pate stand, etwa bei der Schilde­rung von Hitlers einstündiger Meditation vor der Lanze. Im Abspann bedanken sich die Filmemacher zudem bei Howard Buechner, eine Offenheit, die in Hinblick auf die Qualität und Zielrichtung seiner Pu­blikationen durchaus schockiert. Am Ende wendet sich der Film erneut Hitler zu. Die Erklärung, die für Hitlers Interesse an der Heiligen Lanze gegeben wird, erstaunt zusätzlich, ist sie doch durch nichts zu belegen: Hitler habe sich nicht allein für die Macht der Heiligen Lanze, sondern auch für den Umstand interessiert, daß mit dem Objekt der Jude Christus getötet wurde; die Lanze wurde somit für Hitler ein Symbol für ethnische Säuberung. Die Autoren des Films übersehen geflissentlich, daß nach dem Johan­nes-Evangelium durch den Lanzenstich geprüft wur-

de, ob der Tod bereits eingetreten war - und genau dies bestätigte die Prüfung.

Acht Jahre später, im Jahr 2003, strahlten der Dis­covery Channel und die British Broadcasting Corpo­ration jeweils eine eigene Version einer gemeinsam fi­nanzierten Dokumentation über die Heilige Lanze aus: The Spear of Jesus bzw. The Spear of Christ, produ­ziert von der Londoner Firma Atlantic Productions. Die Autoren dieses Beitrags waren als Berater an der Produktion beteiligt, was ihnen wichtige Blicke hinter die Kulissen ermöglichte und ihre Vermutungen im Hinblick auf die Gestaltung und Nachbearbeitung von Interviews durchaus bestätigte. Generell wurde jedoch deutlich, daß ein konstruktiver Einfluß von Beratern auf den Inhalt letztendlich nicht möglich ist. Die Berater fungieren als "akademisches Feigen­blatt", durch das häufig die Tatsache kaschiert wer­den soll, daß die wissenschaftliche Basis der Dreh­bücher mangelhaft ist.

Auf dem Markt der Fernsehdokumentationen hat es sich als fester Standard etabliert, bei esoterischen Themen wissenschaftliche Untersuchungen vorzu­täuschen. Bereits das Eingangsstatement von The Spear of Jesus/Christ zeigt die eigentliche Zielrichtung der Dokumentation: "Nach einer Legende wurde die­se alte Speerspitze bei der Kreuzigung in Christi Seite gestoßen, so daß sie in eine Waffe mit übernatürli­chen Kräften verwandelt wurde." Auffällig ist aller­dings auch hier der krampfhafte Versuch einer Datie­rung und der Bestimmung, ob die Lanze "echt" ist, ob sie also das Objekt ist, das bei der Kreuzigung ver­wendet wurde. Der zur Klärung dieser Sachverhalte herangezogene Metallurge kommt interessanterweise Punkt für Punkt zu den Ergebnissen, die jeder Besu­cher im Führer der Weltlichen Schatzkammer nachle­sen kann: Die Lanze selbst stammt aus dem 8. Jahr­hundert. Wichtige Zusätze wurden in späteren Jahr­hunderten appliziert. Eine Beziehung zur Kreuzi­gung kann nicht hergestellt werden. Geflissentlich wird verschwiegen, daß die Lanze in der Vergangen­heit schon wiederholt und mit weit aufwendigeren Mitteln untersucht worden ist und daß die detaillier­ten Ergebnisse dieser Untersuchungen der Produkti­onsfirma zugänglich waren. Falsch ist die aufgestellte Behauptung, daß die Lanze zum ersten Mal foren­sisch untersucht wurde. Das angeblich Sensationelle der Produktion scheint kaum steigerungsfähig: Er­kenntnisse und Beobachtungen, die seit vielen Jahr­zehnten bekannt sind und wiederholt veröffentlicht wurden, werden zu neuen Funden stilisiert. Aus dem Originalton im Hintergrund, der meist kaum wahr­nehmbar ist, wurden geschickt an einigen Stellen Ad­jektive wie "ungewöhnlich" ausgewählt und aku­stisch verstärkt, so daß sie dem Hörer im abgemisch­ten Ton deutlich auffallen müssen. Eine Aura des Ge­heimnisvollen soll kreiert werden, selbst wenn sich die dargestellten Geheimnisse als banal erweisen. So

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wird das Wiener Institut für Wissenschaften und Technologien in der Kunst, an dem die Untersuchun­gen durchgeführt wurden, zu einem "ungenannten Ort". An anderer Stelle sehen wir eine Kreuzigungs­szene vor einem roten AbendhimmeL Eine mit Hall unterlegte, düster klingende Stimme berichtet von der Prophezeiung, daß "derjenige, der den Speer in seinen Besitz bringt und seine Geheimnisse zu lüften vermag, das Schicksal der Welt in seinen Händen hält, zum Guten oder Bösen", eine Aussage, die un­schwer Ravenscrofts Schicksalsspeer zugeordnet werden kann. Der Textautor Shaun Trevisick ver­wischt bewußt die Trennung zwischen dem, was er als Legenden oder "alternative Geschichtsschrei­bung" bezeichnet, und traditionellen historischen Quellen. Auf diese Weise hat der Zuschauer keine Möglichkeit, die unterschiedlichen Ebenen zu sepa­rieren, und so entsteht ein problematisches Konglo­merat, das jeglichem Informationsanspruch zuwider­läuft.

Die Plakativität vieler Aussagen ist erstaunlich, häufig sind diese zudem nicht nachvollziehbar: So habe etwa die Heilige Lanze in der Hand von Kaiser Konstantin das Römische Reich verändert. Auch kann sich die Behauptung, daß diese Lanze im Jahr 774 in den Besitz Karls des Großen kam, auf keine eindeutige historische Quelle stützen. Eine derartige Behauptung enthält jedoch das Buch von Raven­scroft. Die Liste ließe sich um viele Beispiele erwei­tern, das angewendete "Strickmuster" bleibt jedoch immer das gleiche. Um sich gegenüber dem mögli­chen Vorwurf abzusichern, die Ergebnisse der histo­rischen Forschung ignoriert zu haben, wird - ver­klausuliert- der gesamte historische Inhalt des Films schlicht zur Legende erklärt. Andererseits werden an einer Stelle alternative Sichtweisen angeboten, um dennoch einen Anschein von wissenschaftlicher Un­voreingenommenheit zu wahren. Es geht um die Vorgänge im Kunstbunker: In der ersten Version se­hen wir einen jungen amerikanischen Leutnant, Wal­ter Horn, der mit gezogener Waffe einen gefangenen deutschen Soldaten in einen Keller führt. Der Soldat bringt ihn zur Heiligen Lanze, nachdem Horn ihn in einem Verhör dazu gezwungen hatte, das Versteck zu verraten. Die zweite Version zeigt zwei Soldaten in schwarzer 55-Uniform. Sie tragen vor dem Eintref­fen der amerikanischen Truppen eine Kiste mit der Heiligen Lanze aus dem Keller. Um den Diebstahl zu vertuschen, sollen sie die Lanze gegen eine Kopie ausgetauscht haben, und es wäre diese Kopie gewe­sen, die nach dem Ende des Krieges nach Wien ge­bracht wurde. Daß keine dieser Versionen mit den Schilderungen der tatsächlich Beteiligten überein­stimmt, muß nicht eigens betont werden. Allerdings finden sich die Berichte in dieser Form auch nicht in den untersuchten Romanen wieder, so daß die Doku­mentation ihrerseits den Anspruch erheben kann, die

Vorgänge weiter mystifiziert und die Geschichte wei­tergesponnen zu haben.

Ohne digitale Rekonstruktion von historischen Schauplätzen kommt kaum noch eine Fernsehdoku­mentation aus, so auch diese nicht. Bei erster Betrach­tung kann die Wirkung der digitalen Animationen durchaus verblüffen, jedoch ist auch hier nicht alles Gold, was glänzt. Rekonstruiert werden sollte der im Zweiten Weltkrieg völlig zerstörte Innenraum der Kirche des Heilig-Geist-Spitals mit dem Heiltums­schrein. Der Film zeigt jedoch einen fiktiven Kirchen­raum, der sich bei näherer Betrachtung als der große Innenhof des Spitals erweist: Über die existierenden Arkaden des Hofs wurden eine Reihe virtueller Fen­ster und ein Spitzgewölbe gesetzt, und zu guter Letzt wurde in den so entstandenen Raum ein Bild des Heiltumsschreins kopiert.

Am Karfreitag des Jahres 2004 strahlte das Zweite Deutsche Fernsehen die Dokumentation Die Heilige Lanze- Schicksalsspeer der Mächtigen aus, eine Produk­tion, an der die Autoren ebenfalls beratend beteiligt waren. Produktionen mit Bezügen zum Dritten Reich verkaufen sich auch im deutschsprachigen Fernsehen gut, wie die starke Ausweitung entsprechender Do­kumentationen und Fernsehfilme in den letzten Jah­ren gezeigt hat. Es drängt sich durchaus der Verdacht auf, daß durch die Hervorhebung dieses Kontextes Zuschauer angesprochen werden sollen, die anson­sten an der Thematik der Heiligen Lanze kein Interes­se finden würden.

Im Vergleich zur vorher besprochenen Dokumen­tation zeigen sich einige Parallelen im Grundansatz: Auch in diesem Fall wird der Legendencharakter der Lanzengeschichte betont, und es sollen die Grenzen zwischen Mythos und Wahrheit untersucht wer­den. Dann trennen sich allerdings die Wege für einige Zeit: Besondere Aufmerksamkeit erhalten König Heinrich 1., der die Lanze im Jahr 926 von Rudolf von Burgund erhielt, sowie Otto 1., der sie bei der Schlacht am Lechfeld mit sich geführt haben soll. Gezeigt wer­den auch die Lanzenkopie in Krakau und die Heilige Lanze der armenischen Kirche. Die Autoren kehren nach Prag, Nürnberg und Wien und somit wieder zu den bekannteren Stationen der Lanze zurück und hal­ten es am Ende des Programms für nötig, ihre Versi­on zur Geschichte der Heiligen Lanze im Dritten Reich darzubieten. Gerade der letzte Abschnitt er­weist sich erneut als problematisch, die Aussagen sind zum Teil unhaltbar: So handelte es sich bei der Verbringung der Heiligen Lanze nach Nürnberg nicht um eine von der SS veranlaßte Aktion. Auch waren es nicht SS-Männer, die in der Hofburg die Ob­jekte verpackten, wie dies eine Spielszene der Doku­mentation glauben machen will. Zumindest am Ende des Films versuchen die Autoren, den Hitler-Bezug zu relativieren. So sprechen sie sich dagegen aus, daß die Lanze für Hitler eine über eine Legitimation in

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Anknüpfung an das Römische Reich hinausgehende Bedeutung hatte. Jedoch läßt sich selbst diese Aussa­ge durch die Quellenlage - wie an anderer Stelle ge­zeigt- nicht bestätigen. Als völlig haltlos erweist sich zudem die aufgestellte These, daß die Sicherung der Kunstschätze vor dem Bau von Luftschutzbunkern für die Nürnberger Bevölkerung erfolgte.

Sowohl in The Spear of Jesus/Christ als auch in Die Heilige Lanze werden die historischen Begebenheiten durch mehr oder minder aufwendig produzierte Spielszenen visualisiert. Auffällig sind nicht nur die mäßigen schauspielerischen Fähigkeiten der Darstel­ler, sondern auch die unnötigen und teilweise expli­ziten Darstellungen von Gewalt. In The Spear of Je­sus/Christ wird wiederholt in Großaufnahme eine Lanzenspitze gezeigt, von der dickflüssiges Filmblut herabtropft. Auch an Kampfszenen mangelt es nicht, die besonders bei der ZDF-Dokumentation teilweise austauschbar sind und auf makabre Art an die Re­konstruktionen der Batley Townswomens' Guild in der Kultserie Monty Python's Flying Circus erinnern. Egal, ob es sich um die Darstellung der Schlacht von Pearl Harbor oder um die erste Herztransplantation handelt, das "re-enactment" fällt jeweils gleich aus: Auf ein Zeichen der Autorin, Regisseurin und Produ­zentin Rita Fairbanks- gespielt von Eric Idle- rennen zwei Gruppen von älteren Frauen aufeinander los und schlagen einander mit Handtaschen und Regen­schirmen. Bei der Heiligen Lanze ist es stets die glei­che Gruppe von wild aussehenden Männern in Ket­tenhemden und mit Helmen, die bei fast jeder Spiel­szene erneut ihre Schwerter ziehen und mit rauhen Stimmen dem Feind "sacra lancea" entgegenbrüllen, bevor sie mit ihren Waffen aufeinander einschlagen.

Auch in der Fernsehfiktion hat das Motiv der Hei­ligen Lanze durch seinen inzwischen etablierten Wie­dererkennungswert einen festen Platz erobert. Der Fernsehfilm The Librarian: Quest for the Spear wurde vom US-Sender TNT am 5. Dezember 2004 zur besten Sendezeit ausgestrahlt79• Erkennbar wird eine belieb­te Strategie in der Medienwirtschaft nach der einer Kopie und Kompilation von erfolgreich eingeführ­tem Material eine größere Chance bei der Erlangung der Zuschauergunst eingeräumt wird als einer völli­gen Neu-Kreation, die sich erst etablieren muß. Die Rahmenhandlung ist einfach konzipiert und verbin­det mehrere Elemente des Lanzen-Metatexts: Der in­zwischen dreißigjährige Student Flynn Carsen, ge­spielt von Noah Wyle, wird von seinem Archäologie­professor aus der Universität bugsiert, nachdem er insgesamt 22 akademische Titel erlangt hat und sich erneut für das nächste Semester einschreiben will. Vorgeblich geschieht dies, um Carsen, der ein rea­litätsferner "Bücherwurm" und "Stubenhocker" ist, das wirkliche Leben näherzubringen. In dieser für ihn bedrohlichen Situation erhält Carsen unvermutet eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch für

die Position eines Bibliothekars bei der altehrwürdi­gen Metropolitan Public Library, und er wird unter einer großen Zahl von Mitbewerbern ausgewählt. Erst jetzt werden ihm die wirkliche Bedeutung und der eigentliche Zweck dieser ungewöhnlichen Biblio­thek eröffnet: Es geht nicht um das Sammeln und Be­reitstellen von Büchern; vielmehr werden in einem großen geheimen Gewölbe unter dem Gebäude die angeblich größten Schätze der Weltgeschichte ver­wahrt, durch den "Bibliothekar" betreut und ge­schützt sowie- in Umkehrung einer der Hauptaufga­ben eines Museums - vor der Öffentlichkeit verbor­gen gehalten. In dieser skurrilen Sammlung befinden sich etwa die Bundeslade, das Schwert Excalibur, das Original der Mona Lisa, die erste Atombombe, die Büchse der Pandora und - quasi als Steigerung der Zerstörungskraft der beiden zuvor genannten Objek­te- ein Stück des "Speers des Schicksals". Der Biblio­thekar erfährt, daß die dunkle Macht, die vom Speer ausgeht, eine große Gefährdung für die Welt dar­stellt. Aus diesem Grund wurde der Speer geteilt, und die drei entstandenen Teile wurden an entfernte Orte der Welt gebracht. Hitler habe die Macht des Speers deshalb nicht voll nutzen können, weil er nur einen Teil besessen hätte. Wenig später wird die Me­tropolitan Public Library überfallen, und das Speer­fragment wird von der Schlangenbruderschaft ge­raubt, die - wie könnte es anders sein - nach der Weltherrschaft strebt. Carsen wird beauftragt, den Speer zurückzuholen, und es beginnt ein Wettlauf um die verbliebenen Lanzenteile, die sich in Tempeln im Regenwald des Amazonas und im sagenhaften Königreich Shangri-La im Himalaya befinden. Erwar­tungsgemäß gelingt es dem Bibliothekar und seiner Beschützerin Nicole Noone, gespielt von Sonya Wal­ger, die Welt zu retten und den Speer des Schicksals­nun komplettiert - in die sichere Bibliothek zurück­zubringen.

Indiana Jones und Lara Croft standen unverkenn­bar Pate für die beiden Protagonisten, allerdings fin­det keine reine Kopie, Verschmelzung oder Potenzie­rung ihrer weithin parallelen Eigenschaften statt, son­dern es entsteht eine Extrapolation und Neuzusam­menstellung. Traditionelle Rollenmuster scheinen im Hinblick auf die geschlechtsspezifischen Eigenschaf­ten der Protagonisten zunächst verkehrt zu werden; im Hinblick auf die sozialen Einbindungen und Inter­aktionen der Personen werden sie jedoch wieder ze­mentiert und festgeschrieben: Der zurückhaltende, ungeschickte und bisweilen tolpatschig wirkende Bi­bliothekar löst durch seine umfangreichen Kenntnis­se aus allen Bereichen der Kunst- und Kulturwissen­schaften die wissenschaftlichen Probleme. Bei ihm stehen die Potenzen von Geist und Körper in diame­traler Opposition zueinander. Für die wichtigen kör­perlichen Handlungen, allen voran das Kämpfen, ist die selbstbewußte und trainierte Nicole Noone zu-

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ständig, die sich letztendlich der geistigen Überle­genheit Carsens unterordnen muß.

Die Drehbuchautoren greifen erwartungsgemäß auch bei der Lanzenmotivik auf "bewährte" Vorbil­der zurück, die fast wörtlich auf Ravenscrofts Dar­stellung zurückgeführt werden können. In einem auf einer Webseite des Senders zur Verfügung gestellten Videoclip nimmt der Hauptdarsteller Noah Wyle zu dem Objekt Stellung, um das herum die Fiktion ge­strickt wird80 : Es handele sich um den Speer, mit dem angeblich die Seite Christi geöffnet wurde. Nach ei­ner Legende kontrolliere der, der einen Teil des Speers besitze, das Schicksal der Welt. Diese primär mythologische Bedeutung, die auch Flynn Carsen mit identischen Worten innerhalb des Films expo­niert, kontrastiert Wyle mit angeblich anerkannten Wahrheiten: "Es ist wirklich wahr, daß es eine der er­sten Taten von Adolf Hitler war, als er in den Besitz der Macht kam,[ ... ] das Habsburg Museum zu plün­dern und das [Objekt] zu stehlen, das als Teil des Speers des Schicksals gesehen wurde. Auch ist wahr, daß an dem Tag, als die Alliierten in Berlin eindran­gen und den Speer des Schicksals in Besitz nahmen, Hitler angeblich Selbstmord beging." In der kurzen Interviewpassage, die von Filmszenen flankiert wird, übernimmt die dargestellte Person eine Rolle, in der sowohl die Filmperson des Flynn Carsen als auch der Schauspieler Noah Wyle aufgehen bzw. die jeweilige Persönlichkeit in den Bereich der anderen hinein er­weitert wird: So wird der Schauspieler zum Wissen­schaftler; seine Äußerungen erhalten hierdurch zu­sätzliches Gewicht. Auf der anderen Seite wird eine "reale" Komponente an der Person des Schauspielers Wyle festgemacht, durch die die Lanze ihrerseits Rea­lität und eine Legitimation als Objekt mit übernatür­lichen Kräften erhält.

Neben Trevor Ravenscroft scheint jedoch auch In­diana Jones, bzw. die besprochene Adaption im Co­mic-Bereich, einen unmittelbaren Einfluß auf das Drehbuch von David Titcher ausgeübt zu haben: Ähnlich zur Grundidee des Indiana Jones-Comic be­sitzt nur der komplette Speer seine volle, unheilvolle Kraft. Zerteilt ist der Speer in dieser Darstellung in seiner Wirkung stark reduziert.

Durch unsere Ausführungen hoffen wir gezeigt zu haben, wie sich das Doppelleben der Heiligen Lanze seit dem Ende des 19. Jahrhunderts entwickeln konnte. Dieser Beitrag kann nur ein Zwischenbericht sein, denn die Lanze wird dieses Doppelleben weiter­führen und in diesem Kontext neue Formen anneh­men. Verschiedene Gruppen haben die Geschichte der Heiligen Lanze umgeschrieben, um sie für ihre Interessen und Zwecke zu vereinnahmen. Sie haben in den meisten Fällen die Geschichten um neue Kapi­tel erweitert oder ihnen neue visuelle Kontexte gege­ben. Diese Zusätze haben die Intertextualität des Ob­jekts und somit seine Geschichte als Ganzes verän-

dert. Allerdings führte dies dazu, daß sich zwei Per­sönlichkeiten in einem Körper bildeten, daß also qua­si eine Aufspaltung in einen Dr. Jekyll und einen Mr. Hyde stattfand, um an Robert Louis Stevensans Roman mit einer entsprechenden Thematik anzu­schließen. Auch Stevensan weist den beiden Perso­nen ein eigenes charakteristisches Umfeld zu, das we­nige Überschneidungen aufweist und somit- zumin­dest zu Beginn des Romans- die Dualität aufrechter­halten kann. Die Situation der Heiligen Lanze ist dem nicht unähnlich: Die Bedeutung des Objekts resultiert für eine Rezipientengruppe daraus, daß damit die Seite Christi geöffnet wurde. Im Mittelalter wurde die Bedeutung der Lanze als Christusreliquie erweitert und herrschaftspolitisch umgedeutet. Dem Speer des Schicksals- der ganz anderen "Persönlichkeit", wel­che die Heilige Lanze quasi als Mr. Hyde annimmt -begegnet diese Gruppe jedoch nicht, da die Transmis­sions- und Rezeptionsmechanismen, in die beide "Persönlichkeiten" eingebunden sind, gruppenspezi­fisch sind. Für eine andere Rezipientengruppe ist der christliche Bezug sowie die mittelalterliche Geschich­te der Heiligen Lanze zu einer kleinen Episode inner­halb ihrer ausufernden Biographie geworden. Die

Heilige Lanze wurde durch einen neuen Metatext sy­stematisch und erfolgreich entchristianisiert: Als Ob­jekt besitzt die Heilige Lanze nun ihre eigenen, imma­nenten Kräfte, die jedoch- und auch dies ist eine in­teressante Parallele zu Mr. Hyde - als böse verstan­den werden. Für die Anhänger von Verschwörungs­theorien reiht sich der Speer des Schicksals als okkul­te Superwaffe in eine- in jüngster Zeit vielzitierte­Achse des Bösen ein, ein nicht definierbares Konglo­merat von angeblich realen und immanenten, jedoch bei näherer Betrachtung wenig greifbaren Gefahren für die Freiheit und Sicherheit jedes einzelnen. Ein Lied der Ersten Allgemeinen Verunsicherung bringt dies auf den Punkt: "Das Böse ist immer und überall." Das Spektrum der Furcht, aber auch ihre Faszination, ist weitgefächert und erschließt große Bereiche der öf­fentlichen Wahrnehmung: So ging das bis zum Ende der Sowjetunion propagandistisch aufrechterhaltene Bedrohungsszenario des Kalten Krieges beinahe bruchlos in die geschürte Furcht vor den unsichtba­ren Feinden in der "Post-9 /11"-Ära über. In der Vitri­ne der Weltlichen Schatzkammer nimmt diese Furcht für eine bestimmte Gruppe von Menschen reale Ge­stalt an.

1 Zu diesem Themenkomplex und für weitere Beispiele, die im Rahmen die­ses Beitrags nicht angesprochen wer­den können, siehe Volker Schier- Cori­ne Schleif, The Holy Lance as Subcultural Icon, in: David Sc(;tt- Keyan Tomaselli (Hgg.), Cultural Icons, Hojbjerg (im Druck). Der Beitrag beruht auf Materi­al, das die beiden Autoren für ihr Buch­projekt zur Geschichte der Heiligen Lanze gesammelt haben. 2 Ulrike Kienzle, Das Weltüberwindungs­werk. Wagners "Parsifal" (Thurnauer Schriften zum Musiktheater Bd. 12), Laaber 1992, 58. 3 Richard Wagner, Das braune Buch, hg. von Joachim Bergfeld, Zürich 1975, 75. Siehe auch Mary A. Cicora, Parsifal Re­ception in the Bayreuther Blätter (Ameri­can University Studies, Series I, Bd. 55), New York u. a. 1978. 4 Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Zürich 1977, 441. Siehe auch Kienzle 1992 (zit. Anm. 2), 206-207. 5 Peter Wapnewski, Der traurige Gott: Richard Wagner in seinen Helden, Mün­chen 1978, 222. 6 Wagner 1975 (zit. Anm. 3), 75-76. 7 Hans von Wolzogen, Zur Kritik des Parsifal, in: Bayreuther Blätter, 1881, 206-214. 'Wolzogen 1881 (zit. Anm. 7), 206-214. 9 Arthur Seidl, Richard Wagners Parsifal

und Seitopenhauers Nirwana, in: Bay­reuther Blätter, 1888, 289-284. 10 Otto Mensendieck, Die Gral-Parzival­sage und Richard Wagners Parsifal, in: Bayreuther Blätter, 1915, 168. 11 Robert Bosshart, Parsifal, das Werk des Sehers, in: Bayreuther Blätter, 1930, 93-94. 12 Eduard Hanslick, Die moderne Oper (Aus dem Opernleben der Gegenwart Bd. 3), Berlin 1884, 306. 13 Beispielsweise Otto Rahn, Kreuzzug gegen den Gral. Die Tragödie des Katharis­mus, Stuttgart 1933. 14 Ernst Kubin, Die Reichskleinodien. Ihr tausendjähriger Weg, Wien 1991, 161-218. 15 Wilhelm Schwemmer, Die Reichs­kleinodien in Nürnberg 1938-1945, in: Mitteilungen des Vereins für Geschich­te der Stadt Nürnberg 65, 1978, 398; Gerhard Rechter, Die Reichsinsignien in Nümberg 1938-1946, in: Ausstellungs­katalog Nürnberg - Kaiser und Reich, Nürnberg (Staatsarchiv) 1986, 99-104. 16 Österreichisches Staatsarchiv, Rst. I. 9475/38. Abschrift der Vollmacht von Hans Heinrich Lammers für Willy Lie­be! vom 18. Juni 1938. 17 Archiv des Kunsthistorischen Mu­seums, Akt: Reichskleinodien Nürn­berg, Kostenvoranschlag der Bautisch­lerei Franz Thiel in Wien vom 3. Au­gust 1938.

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18 Archiv des Kunsthistorischen Mu­seums, Akt: Reichskleinodien Nürnberg, Brief des Kommissarischen Direktors Fritz Dworschak an Oberbürgermeister Willy Liebe! vom 1. September 1938. 19 Stadtarchiv Nürnberg, C 7 I I GR, Nr. 10004, Beilage zu einem Schreiben von Willy Liebe! an Hans Heinrich Lammers vom 7. Juni 1939. 2° Für den Hinweis auf dieses Album, von dem weitere erhaltene Exemplare nicht nachgewiesen werden konnten, möchten wir uns bei Herrn Dr. Franz Kirchweger bedanken. Siehe hierzu auch Archiv des Kunsthistorischen Museums, Akt: Reichskleinodien Nürnberg, Begleitschreiben des Hoch­bauamtes Nürnberg an Fritz Dwor­schak vom 31. Mai 1939 zur Übersen­dung von elf Exemplaren des Erinne­rungsalbums an das Kunsthistorische Museum. 21 Stadtarchiv Nürnberg, V d 4 Nr. 257, Rückführung der Reichsinsignien und Reichskleinodien nach Nürnberg, Schreiben von Dr. Geyer, Präsident der Reichsbahndirektion Nürnberg, an Willy Liebe! vom Nürnberg 19. August 1938. 22 Stadtarchiv Nürnberg, V d 4 Nr. 257. 23 Stadtarchiv Nürnberg, V d 4 Nr. 257. Abschrift der Rede Seyss-Inquarts übermittelt an Liebe! durch die Organi­sationsleitung der Reichsparteitage am 4. August 1938.

24 Nach dem Krieg erhielt Otto Huth ei­ne Professur in Tübingen. Seine Publi­kationen über den vermeintlichen ger­manischen Ursprung von christlichen Festen werden häufig in neonazisti­scher Literatur bzw. auf den einschlägi­gen Seiten im Internet zitiert. 25 Eberhard Lutze, Die Deutschen Reichs­insignien und Reichskleinodien, hg. vom Oberbürgermeister der Stadt der Reichsparteitage, o. 0. o. J. 26 Österreichisches Staatsarchiv Wien, Rst III, Kt. 7.710 Mappe "Museen I Kunst". Bericht über die Reichsklein­odien mit Angaben über Besucherzah­len und Einnahmen. 27 Stadtarchiv Nürnberg, C 7 I I GR, Nr. 10004. 28 Stadtarchiv Nürnberg, V d 4 Nr. 257, Akten des Stadtrates Nürnbergs. Brief von Willy Liebe! an Hans Heinrich Lammers vom 3. November 1938. 29 Stadtarchiv Nürnberg, C 7 I I GR, Nr. 10004. 30 Stadtarchiv Nürnberg, C 7 I I GR, Nr. 10004, S. 39. 31 Konrad Fries - Julius Lincke, Der Kunst-Luftschutz in der Stadt Nürnberg während des zweiten Weltkriegs, in: Mit­teilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 1979, 301-303; Schwemmer 1978 (zit. Anm. 15), 406; Wilhelm Schwemmer, Die Bergung und Rückführung beweglicher Nürnberger Kunst- und Kulturgüter während des zweiten Weltkriegs, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürn­berg, 1979, 304. 12 Zum Themenkomplex siehe Stadtar­chiv Nürnberg, F5 QNG 412: Bericht Heinz Schmeissner vom 11. August 1945; Bericht Konrad Fries vom 29. Mai 1954. Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 499, Nr. 327 I 31, Nachlaß Bühler: Brief von Julius Lincke an Albert Bühler vom 16. August 1971. Siehe auch Schwem­mer 1978 (zit. Anm. 15), 406-410. " Siehe hierzu Kubin 1991 (zit. Anm. 14), 220-221. 34 Schwemmer 1978 (zit. Anm. 15), 408. 35 Siehe auch Klemens Gsell, Rechtsstrei­tigkeiten um den Reichsschatz. Das Rechts­problem aus rechtshistorischer und aktuel­ler Sicht, Dissertation Universität Erlan­gen- Nürnberg 1999, 146-147. 36 Gsell1999 (zit. Anm. 35), 148. " Stadtarchiv Nürnberg, C 7 I I GR, Nr. 10004,46-58. "Gsell1999 (zit. Anm. 35), 46-50. '" Kubin 1991 (zit. Anm. 14), 239-267.

40 Louis de Wohl, The Spear, New York 1955. 41 De Wohl1955 (zit. Anm. 40), 269. Die­se Übersetzung und die weiteren aus dem Englischen stammen von den bei­den Autoren. Zitate und Übersetzun­gen beziehen sich auf die jeweils ange­gebene Ausgabe. 42 The Spear of Destiny. How HitZer lived by the weapon thrust into Christ. 4·' Trevor Ravenscroft, The Spear of Destiny. The Occult Power Behind the Spear which Pierced the Side of Christ, York Beach 1973. 44 "World War Two was really a conflict between famous ninth-century figures reincarnated after exactly one thousand years." Vince Cabrera, Amazon.de auf ei­nen Blick: Spear of Destiny, 6. May 2000, 7. Oct. 2000 <http:/ /www.amazon.de/ exec/ obidos/ ASIN/ ... 70/ qid%D97095 3792/028-7017168-1026955>. 45 Ravenscroft 1973 (zit. Anm. 43), 17, 346,348. 46 Ebenda, 334. 47 Ebenda, 346-347. 48 Ebenda, 13. 49 Ebenda, 20. 50 Stadtarchiv Nürnberg, F5 QNG 412, Brief von Konrad Fries an Heinz Schmeissner vom 22. Juni 1982. 51 James Herbert, The Spear, Basingstoke - Oxford 1978. 52 Herbert 1978 (zit. Anm. 51), 150. 53 Siehe hierzu Ken Anderson, HitZer and the Occult, Amherst 1995, 89-90. 54 Zitiert nach Anderson 1995 (zit. Anm. 53), 89-90. 55 Howard A. Buechner - Wilhelm Bernhart, Adolf HitZer and the Secrets of the Holy Lance, 2. Auf!. Metairie 1989. 56 Leo Rutman, Spear of Destiny, New York 1988. 57 Rutman 1988 (zit. Anm. 56), 37. 58 Trevor Ravenscroft - Tim Wallace­Murphy, The Mark of the Beast. The Con­tinuing Story of the Spear of Destiny, Y ork Beach 1997. " Ravenscroft- Wallace-Murphy 1997 (zit. Anm. 58), 3. 60 Bill Still, Legend of the Holy Lance. A Novel, Lafayette 1992. 61 Anderson 1995 (zit. Anm. 53). 62 Russe! McCloud, Die schwarze Sonne von Tashi Lhunpo, 3. Auf!. Engerda 1997. 63 Siehe Andreas Speit, Das Nordische im Bücherregal, TAZ vom 16.6.2003; IDGR Lexikon Rechtsextremismus, 13. August 2004 <http:/ /lexikon.idgr.de/u/u_l/

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ulbrich-stefan/ ulbrich-stefan. ph p>. 64 Richard Greenwald, The Spear of Gol­gatha, Mareeba I Australien 1996. 65 Grant R. Jeffrey - Angela Hunt, The Spear ofTyranny, Nashville u. a. 2000. " Larry L. Colbert, Songs of Zion, Nor­man I Oklahoma 2001. 67 Elaine Lee - Will Simpson - Dan Spiegle, Indiana Jones and the Spear of Destiny, 4 Bde., Milwaukee I Oregon 1995. 68 Spear of Destiny (The Darkness, Bde. 15-18), Orange 2000. Abbildungen von Joe Benitez, Peter Steigerwald, Joe Weems und Tyson Wengler. 69 Kunsthistorisches Museum Viemza, 12. September 2004 <http:/ I www.khm.at/ system2E.html? I staticE/ page477.html>. 70 The Unrnuseurn- The Holy Lance, 1997, 12. September 2004 <http://www. unmuseum.org/ spear.htm>. 71 The Museum of Unnatural Mystery Homepage, 12. September 2004 <http:/ I www.unmuseum.org/unmain.htm>. 72 Catholic Encyclopedia: The Holy Lance, 1999, 10 Januar 2002 <http://www. newadvent.org/ cathen/08773a.htm>. 73 10. September 2000 <http:/ /user. fastinet.net/kalogonis I index/lance.htm>. 74 History of the ISCE, 24. März 2002 <http: I I www .hollow-earth.org I history.html>. 7·5 EagleNet: Citizens against the New World Order, 12. September 2004 <http:/ I eaglenet.enochgraphics.com/ >. 76 The Omega File, 12. September 2004 <http: I I www .eaglehost.com/ omega/ >. 77 Christian Updates - New World Order, 12. September 2004 <http://www. cuttingedge.org/news/n1008.html>. " Auf die Einbindung des Motivs der Heiligen Lanze in Fernsehserien wie Witchblade (Episode 15: "Destiny"; Time Warner I TNT 2002), Roar I Conor der Barbar (Episode 7: "The Spear of Destiny" und Episode 8: "The Eternal"; Fox 1997) oder Acapulco Heat (zweite Staffel, Episode 8: "Spear of Destiny"; USA 1993/94) kann nicht eingegangen werden, da Aufzeichnungen der ent­sprechenden Programme nicht be­schafft werden konnten. 79 Für den Hinweis auf die Sendung möchten wir uns bei Kristine Luber, für die Beschaffung einer Aufzeichnung möchten wir uns bei Donald Spangier bedanken. 80 19. Dezember 2004 <http:/ /itv. turner.com/TNT /View /View2/0,941 2,543783I5929I606s-,oo.html>.

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FRANZ KIRCHWEGER (HG.)

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DIE HEILIGE LANZE IN WIEN Insignie- Reliquie- "Schicksalsspeer"

Mit Beiträgen von Gunther G. Wolf, Christian Gastgeber, Pranz Kirchweger,

Volker Schier, Corine Schleif, Erik Szameit, Mathias Mehofer, Verena Leusch, Birgit Bühler,

Manfred Schreiner, VIadan Desnica, Dubravka Jembrih-Simbürger

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Gestaltung: Skira editore

Umschlag: Marcello Francone

Ausführung: Paola Oldani

Textgraphik MarcoAbate

Monica Maroni

Abbildung auf Seite 2: Die Heilige Lanze ohne Manschetten,

mit Silbermanschette und mit Goldmanschette (©: KHM)

ISBN 3-85497-090-0

Kurztitel: Franz Kirchweger (Hg.)

Die Heilige Lanze in Wien (Schriften des Kunsthistorischen Museums 9)

Wien2005

©Kunsthistorisches Museum Wien, 2005 © Skira, Milano, 2005

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