Abb. 1: Biilmenbildmtwurf :11 Ric/mrd Wagners Parsifal fiir die Wiener Erstauffiilmmg, 3. Akt, letzte Suue, Detail. Alfred Roller, Wien, 1914. Mischteclmik nuf Papier. Wien, Osterreichisches Theatermuse11111. (©: Osterreichisches Theatermuse11111, Wien)
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Volker Schier und Corine Schleif
DIE HEILIGE UND DIE UNHEILIGE LANZE
VoN RrcHARD WAGNER ms zuM WoRLD WIDE WEB
Heute nehmen viele Besucher der Weltlichen Schatzkammer in Wien die unscheinbare eiserne Lanzenspitze mit ihrer goldenen Hülle inmitten der anderen prunkvollen Objekte, die sie umgeben, kaum wahr. Wenn doch, so erschließen ihnen die im Raum angebrachten Informationstafeln, die optionale AudioFührung und der informative gedruckte Führer durch die Schatzkammer die historische Bedeutung des Objekts: Die Besucher erhalten Erklärungen über die Entstehung der komplexen physischen Form, über die sichtbaren und die verdeckten Teile, über den Bedeutungswandel und Bedeutungszuwachs, den die Lanze im Mittelalter erfuhr. Kaum jemand würde vermuten, daß diese Lanzenspitze ein aufregendes Doppelleben führt: In der Schatzkammer erhält das ungewöhnliche, aus vielerlei Teilen zusammengesetzte Gebilde seine Bedeutung allein durch seine Vergangenheit; der materielle Wert der Ausgangsstoffeoder der künstlerische Wert ihrer Umformung allein würde die Aufnahme der Lanze in die Sammlung kaum rechtfertigen. In der Welt des Cyberspace und der Computeranimation, in papiergebundener Fiktion, allerdings auch in Büchern und Fernsehproduktionen mit dokumentarischem Anspruch resultiert ihre Bedeutung hingegen aus ihren permanenten inneren Werten, deren Ausdrucksformen sich der unmittelbaren menschlichen Wahrnehmung entziehen, deren Auswirkungen jedoch umso deutlicher faßbar sind. Im Mittelalter wurden die in fast allen Fällen gezielt herbeigeführten Veränderungen der Bedeutung der Heiligen Lanze kaum in Frage gestellt, sie wurden im Gegenteil retrospektiv als schon immer gültige Interpretationen in den bestehenden Bedeutungspool integriert bzw. diesem im Hinblick auf die neuen Bedeutungen angepaßt. Heute wird das Bild der Heiligen Lanze hingegen von parallelen Bedeutungsschemata bestimmt, die teilweise nur noch wenige Schnittstellen zueinander haben, abgesehen vom ikonischen Wert des Objektes selbse.
Der Speer in Richard Wagners Parsifal Die ersten Ansätze, die letztendlich zum Divergieren der Rezeption führen sollten, finden sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Richard Wagner gründete das Libretto seines Parsifal nicht auf das physische Artefakt in Wien, sondern auf eine literarische Erzählung: Chretien de Troyes' Gralsroman Roman de Perceval und Wolfram von Eschenbachs deutsche Bearbeitung des Stoffes als Parzival waren über
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das Mittelalter hinaus der Ausgangspunkt für thematische Anknüpfungen und Neuschöpfungen. Wagners Umsetzung des Stoffes in seinem "Bühnenweihespiel" überlagert seitdem die Rezeption. Den Entwurf seines Prosatextes schloß er im Jahr 1877 ab, bis zur Uraufführung in Bayreuth sollten noch weitere fünf Jahre vergehen. Im Zentrum steht Parsifal, dessen schicksalhafte Aufgabe es ist, den Heiligen Speer zurückzuholen. Der Hüter des Grals, Amfortas, hatte ihn verloren, als er ausgezogen war, um mit der Hilfe des Speers das Böse, personifiziert in der Person des Zauberers Klingsor, zu besiegen. Allein durch sein aus dem Mitleid für den verwundeten Amfortas entstandenes Wissen ("durch Mitleid wissend") ist Parsifal in der Lage, die Aufgabe zu erfüllen.
Der Aufbau des Parsifal ist äußerst einfach gehalten: Eine symmetrische Dreiteilung bestimmt das Werk, wobei der erste und dritte Akt schematisch verwandt sind, der zweite Akt hingegen kontrastiert. Der Ablauf der Handlung ist völlig linear, der komplexe Hintergrund erschließt sich dem Zuschauer nicht aus der Interaktion der handelnden Personen, sondern muß durch erzählende Passagen - zumeist vorgetragen vom Ritter Gurnemanz- häufig erst entschlüsselt werden. Die Hauptfigur Parsifal ist ein völlig untypischer Held, denn er verhält sich zumeist passiv. Die Umstände der Handlung, denen er ausgesetzt ist, zwingen ihn zum Reagieren, nicht jedoch zum Agieren. Zu Beginn scheint er noch ein Antiheld zu sein, der den Vorgängen völlig ausgeliefert ist und der keinen Einfluß auf sie ausüben kann. Im Verlauf der Handlung zeigt sich jedoch ein anderes Bild, das des "wissenden Toren": Im entscheidenden Moment sind Parsifals Handlungen bzw. seine Nichthandlungen das Ergebnis bewußter Entscheidungen. Es ist seine mutige Passivität, die über das Schicksal der Protagonisten entscheidet.
Dem Parsifal blieben die offenen politischen Vereinnahmungen erspart, die Wagners Musikdramen mit "deutscher" und germanischer Thematik - die Meistersinger und der Ring des Nibelungen - in späterer Zeit erfuhren. Auf der anderen Seite gibt es kaum ein anderes Werk Wagners, dessen Kernpassagen derart unterschiedlich und kontrovers interpretiert wurden. Wagner befaßte sich während der Arbeiten an Parsifal intensiv mit Arthur Schopenhauers Ideen von der Welt als Vorstellung und der Metaphysik des Willens, eine kritische und produktive Auseinandersetzung, ohne deren Kenntnis eine Interpretation von Wagners Oper kaum möglich scheint. Wagner ver-
knüpft die Ablehnung eines personifizierten Gottes mit der Notwendigkeit der Erlösung, bei erster Betrachtung ein offener Widerspruch, besonders im Hinblick auf die unter christlichen Paradigmen deutbare Handlung. Ulrike Kienzle weist in ihrer fundierten Untersuchung des Schopenhauerschen Einflusses auf den Parsifal darauf hin, daß in Wagners Sichtweise die Erlösung kein Gnadenakt ist, sondern eine Lösung aus der Befangenheit im Dienste des Willens, eine fundamentale Umwertung des traditionellen westlichen Theismus, ein "Christentum ohne Gott"2• Die Ablehnung Gottes ist jedoch keine Ablehnung von Religion an sich. Wagner setzt Religion in seinem Werk vielmehr als medial abrufbare und im Hinblick auf sein persönliches philosophisches Credo um wertbare Konstante ein. Es ist dies eine Umsetzung von scheinbar Vertrautem, quasi das Gegenbild einer Verfremdung: eine Entfremdung. Sie soll und kann die Monopolisierung von Religion, wie sie Wagner in den Kirchen manifestiert sah, durchbrechen: Die Kunst wird im Gesamtkunstwerk zur Religion. Aufgrund des Anspruchs dieses radikal anderen Kunstbegriffs konnte keine traditionelle Opernbühne der Ort der Aufführung sein: Wagners Vorgabe war deshalb, daß Parsifal allein im Festspielhaus in Bayreuth aufgeführt werden sollte, eine Forderung, die nicht durchsetzbar war.
Gral und Lanze sind die Handlungsträger der Oper. Wagner stellte selbst fest, daß sich beide Objekte als Reliquien notwendigerweise ergänzen3• Durch ihren Kontakt mit Christus versinnbildlichen sie das Opfer. Auf der anderen Seite ist besonders der Gral der Ausdruck einer Utopie, eines Anspruchs auf Weltentrücktheit und Willenlosigkeit, der in der repetitiven und erstarrten Realität der reinen Gralsritter völlig gescheitert ist. Er ist zu einem statischen Objekt geworden, in dessen historischen Bezügen sich die veränderten Gegebenheiten der Gegenwart nicht mehr widerspiegeln können. Der Gral spendet bei seiner Enthüllung- in der Umkehrung der Transsubstantiation von Wein in Blut bei der Wandlung in der Kirche - Nahrung für die Gralsritter. Darüber hinaus ist er ein Quell der Krafterneuerung und gewährt durch seinen bloßen Anblick, der allerdings regelmäßig erfolgen muß, ewiges Leben (Abb. 1). Zur Erlösung des durch den Lanzenstich zum ewigen Leiden verdammten Amfortas vermag er jedoch nichts beizutragen.
Der Heilige Speer erweitert und mutiert seine Bedeutung als historische Reliquie und wird zu einem neuen, mächtigen Symbol, das dem Gral an Symbolkraft überlegen ist: Der Speer steht für Gerechtigkeit und schafft somit die wichtigste Voraussetzung für die Erlösung. Er ist das verkannte Objekt, von dem die Protagonisten zu wissen glauben, welche Wirkung und Macht es entfalten kann. Die Kontrahenten Amfortas und Klingsor täuschen sich jedoch beide im
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Speer: Er richtet sich nämlich gegen jede Gewalt; die Absicht dessen, der ihn führt, spielt dabei keine Rolle. Amfortas scheitert deshalb genauso bei seinem Versuch, das Böse mit Gewalt zu besiegen, wie auch Klingsor feststellen muß, daß der Speer im Umkehrschluß nicht das Böse unterstützt. Allein Parsifal ist fähig, die Zusammenhänge zu erkennen, und er erringt den Sieg dadurch, daß er bewußt passiv bleibt und durch sein Nichthandeln auf alle Gewalt verzichtet. Als Klingsor den Speer gegen ihn schleudert und dieser über Parsifal in der Luft verharrt, macht er keine Anstalten, die Waffe gegen den Angreifer zu gebrauchen: Dies beraubt Klingsor seiner Macht. Der Speer vermag jedoch noch mehr: Er wendet sich nicht nur gegen den Kämpfer, der ihn einsetzen will, sondern ist gleichzeitig auch das einzige Heilmittel gegen die Verwundungen, die mit ihm hervorgerufen wurden: Die "heilende" Waffe- Ausdruck des Widerspruchs an sich- schafft durch den richtigen Einsatz Gerechtigkeit.
Es ist symptomatisch für Wagners Umsetzung von Schopenhauer, daß er abstrakte philosophische Sachverhalte dem Publikum durch konkrete Projektionen zu verdeutlichen sucht. Schopenhauer kommt in Die Welt als Wille und Vorstellung zu dem Ergebnis: "Der Quälerund der Gequälte sind Eines. Jener irrt, indem er sich der Quaal, dieser, indem er sich der Schuld nicht theilhaftig glaubt."4 Die Lanze ist das Objekt, auf das Wagner diese unauflösliche QualSchuld-Beziehung fixiert, durch das er aber gleichzeitig ein Durchbrechen des Teufelskreises, eine (Er-)Lösung ermöglicht.
Daß Wagner bei der stofflichen Umsetzung zunächst Probleme mit der Ausgestaltung der durch die Vorlage vorgegebenen Objekte Lanze und Speer hatte, zeigt der beinahe schon resigniert klingende Eintrag in seinem Tagebuch: "Was soll ich mit der blutigen Lanze machen?" Wie konnte sich eine Reliquie, die mit dem Gral verbunden war, gegen den Gralskönig wenden5? Wagner dachte unterschiedliche Möglichkeiten an, entschied sich dann jedoch für die bekannte Lösung, daß Gral und Lanze gleichzeitig der Ritterschaft übergeben werden und daß Amfortas mit der Lanze in den Kampf zieht, um Klingsors Macht zu brechen. "Während er [Amfortas] der Verführung erlag, Schild und Speer ihm entsunken waren, ist ihm die heilige Waffe entwendet worden, und durch sie selbst ward er nun verwundet, als er zur Flucht sich wandte. [ ... ] Die Heilung und Erlösung des Amfortas ist folgerichtig nur möglich, wenn die Lanze aus unheiligen Händen befreit und wieder dem Gral beigestellt wird."6
War für Wagner eine schlüssige Lösung für die Inkorporierung von Gral und Lanze gefunden, so beurteilten mehrere Rezensenten die Rolle des Speers als den größten strukturellen Schwachpunkt des Werks. Für die Exegeten bestand im Hinblick auf die
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Funktion der Lanze Erklärungs- und Diskussionsbedarf. So schrieb der Kritiker Paulus Cassel im Jahr 1881, noch vor der Uraufführung, daß doch nur Parsifal, "durch Mitleid wissend" geworden, die Macht erhalten hätte, Amfortas zu heilen7. Cassel kritisierte, daß Parsifals Heilung durch die Einbindung des Motivs des Speers nun entwertet werde. Heinrich von Wolzogen antwortete auf diese Kritik, daß die Lanze das Mitleiden symbolisiere und daß sie nur in der Hand des "verheissenen Helfers" die "nothwendige Heilsthat" zu vollbringen vermöge8. Ähnlich sah dies Arthur Seidl, für den der "Speer des Longinus" seine Bedeutung mit dem jeweiligen Besitzer veränderte9 .
Eine chauvinistische Interpretation liefert Otto Mensendieck, der in Klingsor das Abbild der Fehler des Amfortas sieht: Nur weil sich Parsifal nicht wie Amfortas von Kundry verführen läßt, kann ihm der Speer nichts anhaben 10•
Da die simpleren Erklärungsversuche einer kritischen Reflexion nicht standhielten, ist eine Hinwendung zu noch komplexeren Modellen zu beobachten. Ab Ende der zwanziger Jahre finden sich die ersten unzweideutigen Äußerungen von völkischem Gedankengut: So geht Robert Bosshart im Jahr 1930 von einer grundlegenden Transformation des Heiligen Speers aus11 • Er sei zunächst als Wotans- oder Gesetzesspeer das "Sinnbild des uralten, ewig irrenden, ungeläuterten, im Vergänglichen wurzelnden Willen", durch den der Speer naturgemäß zerstörend wirke. Durch das Opfer und Blut Christi wird der Speer zum Wahrzeichen menschlicher Freiheit. Die wohl fundamentalste Kritik an der Dramaturgie der Lanze kam jedoch vom bekannten Kritiker Eduard Hanslick, der im Jahr 1884 schrieb, daß Wagner das Speermotiv allein deshalb nutzte, "um ein Mirakel mehr und einen glänzenden Aktschluss zu gewinnen". Hansliek fährt mit beißender Schärfe fort: "Nach unserer Empfindung sticht Wagner mit diesem Wunderspeer seinem eigenen Drama ins Herz." 12
Hatte die Rezeption des Parsifal längerfristig für eine deutliche Zunahme des Interesses am fiktiven Objekt des Grals gesorgt, so läßt sich dies nur bedingt für die reale Heilige Lanze in der Weltlichen Schatzkammer feststellen13• Die Lanze ist bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts, für jedermann sichtbar, inkorporiert in eine Aura des Musealen. Sie ist ein Objekt, das in ihrer Geschichte ständig größeren und kleineren Bedeutungsveränderungen unterworfen war; in der Schatzkammer war sie zu einem Gegenstand geworden, der die Aufmerksamkeit der Besucher mit vielen anderen Objekten teilen mußte. Insgesamt tangierte Wagners Werk die reale Lanze kaum.
Die Heilige Lanze und die Reichsreliquien im Dritten Reich In weit größerem Umfang sollte das Interesse von einer anderen Seite die zukünftige Wahrnehmung der
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Heiligen Lanze verändern: Die Insignien und Reliquien des Heiligen Römischen Reiches gerieten nach dem Ersten Weltkrieg wieder verstärkt in den Blickwinkel verschiedener Bewegungen deutschnationaler Prägung. Hierbei wurde die Heilige Lanze fast ausschließlich als Teil der Sammlung gesehen und nicht als isoliertes Objekt, weshalb im folgenden Abschnitt die Vorgänge um die Reichsinsignien und -kleinodien verstärkt in die Darstellung der Geschichte der Lanze einbezogen werden müssen.
Zunehmend wurde der seit dem frühen 19. Jahrhundert etablierte status qua des Reichsschatzes als rein historische Sammlung ohne politische Signifikanz in Frage gestellt. Versuche, die Insignien und Reliquien des Heiligen Römischen Reiches permanent oder zeitweise nach Aachen oder Nürnberg zu holen, hatte es immer wieder gegeben. Sie waren stets von seiten des Museums und der Österreichischen Regierung erfolgreich zurückgewiesen worden14. Selbst ernstzunehmende und durchaus bedrohliche Forderungen nach einer Übergabe einzelner Objekte, die von den Regierungen Ungarns und Italiens gestellt wurden und die durch die Einbeziehung in die Friedensverhandlungen besonderen Nachdruck erhielten, konnten abgewehrt werden. Die Stadt Nürnberg hatte einen Anspruch auf die Objekte nie aufgegeben, und in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg nahm der Stadtrat das Thema wiederholt auf.
Forderungen nach einer Überführung der Insignien und Reliquien nach Nürnberg erhielten einen großen Auftrieb, als nach der Machtergreifung im Jahr 1933 das NSDAP-Mitglied Willy Liebelohne demokratische Legitimation als Oberbürgermeister von Nürnberg eingesetzt wurde. Für Liebel wurde die Wiedererlangung der Objekte ein zentrales Anliegen, dessen Realisierung er als Chefsache vorantrieb. Bereits zum Reichsparteitag des Jahres 1933 ließ er auf dem Hauptmarkt eine Rekonstruktion des Heilturnsstuhls errichten und den Heiltumsschrein im Rathaus ausstellen15• Auch wies er in seiner Eröffnungsrede auf die Rolle Nürnbergs als Bewahrerin der Reichskleinodien hin. Im darauffolgenden Jahr, Nürnberg hatte inzwischen den Ehrentitel "Stadt der Reichspartei tage" erhalten, erreichte Liebe!, daß die Stadt Aachen Kopien von sieben Objekten des Reichsschatzes für eine Ausstellung im Rahmen des Parteitags auslieh (Abb. 2). Deutlich äußerte sichLiebelauf dem Reichsparteitag des Jahres 1935. Während seiner traditionellen Begrüßungsansprache überreichte er Adolf Hitler eine Kopie des Reichsschwertes als "Symbol der Einheit, Größe, Macht und Stärke der deutschen Nation" und machte einen rechtlichen Anspruch Nürnbergs auf die Reichskleinodien geltend. Angeblich versprach Hitler bereits bei dieser Gelegenheit gegenüber Liebe!, daß die Reichskleinodien nach einer Wiedervereinigung mit der Ostmark nach
Abb. 2: Ausstellung von Kopien der Reichsinsignien und -reliquien im Nürnberger Rathaus zum Reichsparteitag im Jahr 1934. Photo. Nürnberg, Stadtarchiv, F 27 V. (©: ebenda.)
Nürnberg verbracht würden, so jedenfalls die Darstellung von Liebel gegenüber dem Nürnberger Stadtrat.
Liebel jedenfalls scheint von dieser Zusage überzeugt gewesen zu sein, und so begab er sich nur wenige Tage nach der Besetzung Österreichs am 13. März 1938 nach Berlin, um die Modalitäten für die Überführung zu klären und die Weisung des Führers zur Durchführung entgegenzunehmen. Aus einem Brief Liebels an den Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, vom 13. Juni geht hervor, daß mehrere Gespräche mit Hitler, Goebbels und mit dem Reichsstatthalter in Österreich, Arthur Seyss-Inquart, stattfanden. Am 18. März wurde vereinbart, daß die Reichskleinodien bis zum Reichsparteitag im September nach Nürnberg gebracht und im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden sollten. Mit der Durchführung der geheimen Aktion wurde vom Chef der Reichskanzlei, Lammers, wunschgemäß Willy Liebel betraut: "Im Auftrage des Führers und Reichskanzlers bevollmächtige ich den Oberbürgermeister der Stadt der Reichsparteitage Nürnberg, Herrn Liebel [ ... ], die in Wien befindlichen Reichsinsignien und
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Reichskleinodien, die seinerzeit aus Nürnberg weggeführt wurden, nach Nürnberg zurückzubringen. Es handelt sich dabei um Gegenstände, die sich in Raum 5 und 6 der weltlichen Schatzkammer der Wiener Hofburg befinden [ ... ]."1" Liebel schritt sogleich mit großem Elan zur Tat, wie seine umfangreiche Korrespondenz belegt. Die logistische Planung übertrug er dem Stadtrat Brugmann. Eine Besprechung von Brugmann mit Fritz Dworschak, dem kommissarischen Leiter des Kunsthistorischen Museums, fand am 1. August in Wien statt. Man einigte sich darauf, daß die Verbringung am 29. August erfolgen sollte und daß sämtliche anfallenden Kosten von der Stadt Nürnberg zu tragen seien.
Zur Überführung reiste eine Nürnberger Delegation unter der Führung Liebels nach Wien. Der Präsident der Deutschen Reichsbahn, Julius Dorpmüller, stellte einen Sonderzug mit Salon-, Schlaf- und einem "modernen Packwagen mit guter Federung" zur Verfügung und lud sich selbst dazu ein, den Transport zu begleiten. Der in Nürnberg ansässige SS-Oberabschnitt Main übernahm die Bewachung des Transports durch sechs SS-Männer und einen Führer. Der
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Reichskle inodien bis zum Reichsparteitag im September nach Nürnberg gebracht und im Germanischen
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Reichsklei nodien, die sei nerzeit aus Nürnberg weggefü hrt wurden, nach Nürnberg zurückzubringen.
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tion unter der Führung Liebeis nach Wien. Der Präsident der Deutschen Reichsbahn, julius Dorpmüller, teilte einen Sonderzug mit Salon-, Schlaf- und einem
" modernen Packwagen mit guter Federung" zur Verfügung und lud sich selbst dazu ein, den Transport zu begleiten. Der in Nürnberg ansässige SS-Oberab-chnitt Main übernahm die Bewachung des Trans
ports durch sechs SS-Männer und einen Führer. Der
Korrespondenz zwischen Nürnberg und Wien läßt sich entnehmen, daß eine Versicherung der Objekte in Anbetracht der besonderen Umstände der Überführung nicht für möglich gehalten wurde; vermutlich spielte dabei auch der kaum kalkulierbare materielle Wert der Objekte eine Rolle. Der Zustand jedes der insgesamt 29 Objekte wurde in einem Protokoll beschrieben. Zu Nummer VI, der Heiligen Lanze, wurde vermerkt: "Es fehlen: Einige Nieten (an der Seite fast alle). Das Goldblech ist teilweise beschädigt." Verpackt wurden die Objekte in siebzehn speziell angefertigte Transportkisten aus Holz, für die der Stadt Nürnberg 1022 Reichsmark (RM) in Rechnung gestellt wurden17• Insgesamt beliefen sich die verauslagten Kosten, deren Begleichung das Kunsthistorische Museum von der Stadt Nürnberg forderte, auf 2272,56 RM, ein durchaus kleiner Betrag im Hinblick auf die weiteren Ausgaben für die Ausstellung der Reichskleinodien in Nürnberg18• Liebel selbst bezifferte die durch die Überführung entstandenen Kosten für die Stadt Nürnberg in einem Schreiben an die Reichskanzlei auf 4500 RM, wobei in dieser Summe die Ausgaben für den Sonderzug nicht enthalten sind, da diese von der Reichsbahn getragen wurden19 •
Ein vom Nürnberger Hochbaureferat zusammengestelltes Photoalbum, das den maßgeblich Beteiligten zur Erinnerung übersandt wurde, dokumentiert die wichtigsten Stationen der Aktion20 : Der Transport von der Schatzkammer zum Wiener Westbahnhof erfolgte in einem großen Möbelwagen der Spedition Eisler, der an der Laderampe von Gleis sechs, Bahnsteig vier, unmittelbar neben dem Packwagen abgestellt wurde (Abb. 3). Zu sehen ist, wie die Transportkisten, deren Form teilweise den Inhalt verrät, von Hand in den Zug verladen werden. Die SS-Männer der Wachmannschaft stehen vor der offenen W aggontüre und scheinen durch ihre Präsenz den Vorgang eher zu behindern als zu erleichtern. Auf einem anderen Photo betrachten Willy Liebel und der verantwortliche SS-Obergruppenführer Schmauser das Geschehen (Abb. 4). Der von der Reichsbahndirektion Nürnberg erstellte Fahrplan nennt als geplante Abfahrtszeit in Wien 22.08 Uhr und als Ankunftszeit in Nürnberg 7.58 Uhr am nächsten Morgen. Der Packwagen sollte an der Eilgutrampe neben dem Nürnberger Hauptbahnhof zur Entladung bereitgestellt werden21 • Die Transportkisten wurden vom Bahnhof unmittelbar in die Katharinenkirche gebracht, wo sie geöffnet und die Objekte erneut auf Schäden inspiziert wurden.
Hitler hatte die zunächst vorgesehene Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum abgelehnt. Nach der Fertigstellung der im Bau befindlichen Kongreßhalle sollten die Insignien und Reliquien dort ausgestellt werden und im Umfeld des allgemeinen Größenwahns und der gelenkten Massenpsychose neue Bezüge erhalten. Man hatte sich entschlossen,
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Abb. 3: Verladung der Reichsinsignien und -reliquien am Wiener Westbahnhof Photo im "Erinnerungsalbum" von 1938, das von der Stadt Nürnberg zusammengestellt wurde. Wien, Kunsthistorisches Museum, Archiv. (©: KHM.)
Abb. 4: Willy Liebe/ und SS-Obergrupperiführer Schmausersehen bei der Verladung am Wien er Westbahnhof zu. Photo im "Erinnerungsalbum" von 1938, das von der Stadt Nürnberg zusammengestellt wurde. Wien, Kunsthistorisches Museum, Archiv. (©: KHM.)
Korrespondenz zwischen Nürnberg und Wien läßt sich entnehmen, daß eine Versicherung der Objekte in Anbetracht der besonderen Umstände der Überführung nicht für möglich gehalten wurde; vermutlich spielte dabei auch der kaum kalkulierbare materielle Wert der Objekte eine Rolle. Der Zustand jedes der insgesamt 29 Objekte wurde in einem Protokoll beschrieben. Zu Nummer VI, der Heiligen Lanze, wurde vermerkt: "Es fehlen : Einige Nieten (an der Seite fast alle). Das Goldblech ist teilweise beschädigt." Verpackt wurden die Objekte in siebzehn speziell angefertigte Transportkisten aus Holz, für die der Stadt Nürnberg 1022 Reichsmark (RM) in Rechnung gestellt wurden17 Insgesamt beliefen sich die verauslagten Kosten, deren Begleichung das Kunsthistorische Museum von der Stadt Nürnberg forderte, auf 2272,56 RM, ein durchaus kleiner Betrag im Hinblick auf die weiteren Ausgaben für die Ausstellung der Reichskleinodien in Nürnberg 18
• Liebe! selbst bezifferte die durch die Überführung entstandenen Kosten für die Stadt Nürnberg in einem Schreiben an die Reichskanzlei auf 4500 RM, wobei in dieser Summe die Ausgaben für den Sonderzug nicht enthalten sind, da diese von der Reichsbahn getragen wurden 19
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Ein vom Nürnberger Hochbaureferat zusammengestelltes Photoalbum, das den maßgeblich Beteiligten zur Erinnerung übersandt wurde, dokumentiert die wichtigsten Stationen der Aktiod0
: Der Transport von der Schatzkammer zum Wiener Westbahnhof erfolgte in einem großen Möbelwagen der Spedition Eisler, der an der Laderampe von Gleis sechs, Bahnsteig vier, unmittelbar neben dem Packwagen abgestellt wurde (Abb. 3). Zu sehen ist, wie die Transportkisten, deren Form teilweise den Inhalt verrät, von Hand in den Zug verladen werden. Die SS-Männer der Wachmannschaft stehen vor der offenen Waggontüre und scheinen durch ihre Präsen z den Vorgang eher zu behindern als zu erleichtern. Auf einem anderen Photo betrachten Willy Liebe! und der verantwortliche SS-Obergruppenführer Schmauser das Geschehen (Abb. 4). Der von der Reichsbahndirektion Nürnberg erstellte Fahrplan nennt als geplante Abfahrtszeit in Wien 22.08 Uhr und als Ankunftszeit in Nürnberg 7.58 Uhr am nächsten Morgen. Der Packwagen sollte an der Eilgutrampe neben dem Nürnberger Hauptbahnhof zur Entladung bereitgestellt werded 1
• Die Transportkisten wurden vom Bahnhof unmittelbar in die Katharinenkirche gebracht, wo sie geöffnet und die Objekte erneut auf Schäden inspiziert wurden.
Hitler hatte die zunächst vorgesehene Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum abgelehnt. Nach der Fertigstellung der im Bau befindlichen Kongreßhalle sollten die Insignien und Reliquien dort ausgestellt werden und im Umfeld des allgemeinen Größenwahns und der gelenkten Massenpsychose neue Bezüge erhalten. Man hatte sich entschlossen,
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Abb. 3: Verladung der Reichsinsignien und -reliquien am Wiener Westbahnhof Photo im " Erinneru ngsalbum " von 1938, das von der Stadt N iirnberg zusammengestellt wurde. Wien, Kunsthistorisches Museum, Archiv. (©: KHM. )
Abb. 4: Willy Liebe/ und SS-Obergruppenf iih rer Schmauser sehen bei der Verladu ng am Wiener Westbalmlwfz u. Photo im " Erinnerungsalbum" von 1938, das von der Stadt Niirnberg zusmnmengestel!t wurde. Wien, Kunsthistoriscl1es Mu seun1, Archiv. !©: KHM.)
Abb. 5: Die deu tschen Reichsinsignien tmd Reichskleinodien in der Katharinenkirclte in Niimberg. Photo im ,.Erimterungsalbum" vo11 1938, das von der Stadt Nii m berg zusammengestellt w urde. Wien, Kunsthistorisches Mu seum, Archiv. (© : KHM.)
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bis dahin die Kirche des ehemaligen Katharinenklosters für die Ausstellung umzugestalten und einenzumindest nach den damaligen Vorstellungen- unmusealen, weihevollen Eindruck zu schaffen (Abb. 5): Ob die Säulenhalle der Gralsburg aus dem Parsifal hier Pate stand, läßt sich nicht mehr klären. Die Akten geben hierzu keine Auskunft. Auffällig ist jedoch die Lichtmotivik, die ohne Zweifel in das Ausstellungskonzept inkorporiert wurde. Im Parsifal ist es der Gral, der den Raum erhellt. Seine Macht wird durch das Licht, das von ihm ausgeht, symbolisiert. Die Fenster der Katharinenkirche wurden völlig abgedunkelt, hell beleuchtet waren nur die speziell konstruierten Vitrinen, Schreine genannt, die im Chor und entlang der Mitte des Kirchenschiffs aufgestellt waren. Für die Besucher sollte der Eindruck entstehen, daß das Licht von den Objekten selbst ausging. Ständig war eine Ehrenwache der SS präsent, möglicherweise auch eine Reminiszenz an den Orden der Gralsritter. Die Heilige Lanze wurde zusammen mit dem Reichskreuz, dem Span vom Kreuze Christi und dem kaiserlichen Zeremonienschwert- nicht zu verwechseln mit dem Reichsschwert- im Schrein Nummer sieben ausgestellt, der sich links vor der Chorschwelle befand. Im genannten Erinnerungsalbum finden sich zur Ankunft der Insignien und Reliquien fünf Photos, die Heilige Lanze ist jedoch nirgends zu sehen. Wichtiger für den Kompilator des Albums waren offensichtlich die Reichskrone und der Krönungsmantel, die mehrfach abgebildet sind: Die Krone wurde in ihrem mittelalterlichen Lederbehälter transportiert, der geöffnet auf einem Tisch steht (Abb. 6). Um den Tisch drängen sich die Beteiligten, darunter Fritz Dworschak, das Parteiabzeichen deutlich sichtbar am Revers. Das Kronenkreuz und der Bügel waren zum Transport abgenommen worden und werden nun nach einer Begutachtung durch die Konservatoren und Goldschmiede aus Wien und Nürnberg wieder auf der Krone montiert.
Die feierliche Übergabe der Insignien und Reliquien an die Stadt Nürnberg fand am 6. September 1938 in der Katharinenkirche statt. Die Durchführung des Festaktes wurde nicht von der Stadt Nürnberg ausgerichtet, sondern es wurde mit ihr die inzwischen erprobte Organisationsleitung der Reichsparteitage beauftragt. Martin Barmann, NSDAP-Stabsleiter und Stellvertreter Hitlers, wollte propagandistisch nichts dem Zufall bzw. der Eigenmächtigkeit der Festredner Liebel und Seyss-Inquart überlassen, und so gab er in einem Schreiben vom 21. August an Liebel die verbindliche Marschrichtung vor: "P[artei]g[enosse] Reichsstatthalter Seyss-Inquart mÜßte also betonen, daß er die Reichskleinodien nach der Rückkehr der Ostmarkt zum Reich dem Führer übergeben habe und daß er daraufhin vom Führer beauftragt worden sei, die Reichskleinodien, wie in früheren Jahrhunderten, der Stadt Nürnberg zur Aufbewahrung zu
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übergeben. "22 Möglicherweise wollte man vermeiden, daß Liebel seine Rolle bei der Rückholung der Reichskleinodien zu stark betonen könnte. In der Tat scheint dieser seine Aktivitäten gerne hervorgehoben zu haben, so während der Stadtratssitzung vom 22. Juli 1938, bei der er trotz der allseitig vereinbarten Geheimhaltung ausführlich von seinen großen Erfolgen berichtete und den Dank der Stadträte entgegennahm. Beide Redner hielten sich selbstverständlich an die Vorgaben: Seyss-Inquart betonte den Symbolcharakter der Reichskrone für das "geeinte" Großdeutschland, die Heilige Lanze oder andere Reliquien erwähnte er mit keinem Wort: "Heute erfülle ich den Auftrag des Führers, diese dem Deutschen Volk heiligen Insignien deutscher Reichswürde in die Herzstadt des Reiches zurückzubringen. Die Reichskleinodien sollen wie in den früheren Jahrhunderten nun wieder in Nürnberg aufbewahrt und behütet sein. Vor nahezu 140 Jahren verließ die Kaiserkrone ein Deutschland, das kein Reich mehr war; fern von Kleindeutschland lag sie als Symbol des verlorenen Reiches in Wien. Heute ist sie wieder zurückgekehrt mit ihrer unvergänglichen Würde an ihre alte Stätte im größeren Reich.[ ... ] Und darum grüßen wir in der Stunde der Heimholung der Kaiserkrone den Einiger und Vollender des Reiches."23
Es war keine Überraschung, daß Liebel in seiner Rede eine dezidiert Nürnberger Sichtweise zu den Objekten gab: Der Stadt Nürnberg waren die Reichskleinodien zur ewigen Verwahrung übergeben worden, und die Stadt übernähme, nach der treuhänderischen Verwahrung in Wien, diese Aufgabe und Verantwortung für das geeinte deutsche Volk erneut: "Unser heißer Dank und unser ehrfurchtsvoller Gruß gilt in dieser Feierstunde an historischer Stätte und im Angesicht der 1000-jährigen deutschen Kaiserkrone, dieses Sinnbildes eines größeren Deutschland, dem Mann, dem wir allein die Schaffung des Großdeutschen Reiches verdanken. Dem Führer- Sieg Heil!" Auch Liebel erwähnte die Heilige Lanze nicht.
Die untergeordnete Bedeutung der Heiligen Lanze in der politischen Propaganda und der öffentlichen Wahrnehmung wird auch in der Berichterstattung der deutschen Presse über das Ereignis deutlich. Hervorgehoben werden allein die Insignien des Reiches. Ebenso verhält es sich mit Beiträgen in der gelenkten Parteipresse-mit einer Ausnahme: In der SeptemberAusgabe des "Ewigen Deutschland", einer "Monatsschrift für den deutschen Volksgenossen", veröffentlichte der Religionswissenschaftler Otto Huth, Leiter des Instituts für indogermanische Glaubensgeschichte in Straßburg, das der SS-Organisation "Ahnenerbe" unterstand, einen zweiseitigen Artikel über "Das Heilige Germanische Reich Deutscher Nation"24 • Die Insignien des Heiligen Römischen Reiches standen fürHuthin einer germanischen Tradition- an einer Stelle spricht er sogar von germanischer Herkunft -
und bildeten demzufolge Anknüpfungspunkte für die "größere germanisch-deutsche" Geschichte, die nicht erst mit Karl dem Großen begann, sondern weit vor das Mittelalter zurückreiche: "Trotz aller Wandlungen im einzelnen sind die Insignien des Deutschen Reiches ein Erbgut aus germanischer Zeit." Zentrales Symbol für die Ausübung von Herrschaftsgewalt im germanischen Altertum ist für Huth ein heiliger Speer oder eine heilige Lanze. Ein "Wodanspeer" legitimiere bei den meisten germanischen Stämmen einen rechtmäßigen Herrscher. Die in Nürnberg ausgestellten Reichskleinodien, darunter die Heilige Lanze, stünden in dieser Tradition. Erst durch ihren Besitz wurde ein König der rechtmäßige Herrscher. Interessanterweise führte Huth seinen Ansatz nicht bis zur letzten Konsequenz weiter. Er vermied tunliehst die fast zwangsläufige Interpretation, daß sich für den Führer des Dritten Reiches eine Herrschaftslegitimation aus dem Besitz der tradierten Herrschaftssymbole herleiten könnte. Dies hätte den pseudolegalistischen Anspruch der NSDAP zu sehr in Frage stellen können, nach dem Hitlers Machtübernahme auf einer nach geltendem Recht erfolgten Übergabe der Macht im Sinn der Weimarer Verfassung basierte.
Die Reichs- und Parteiführung war sich dieses Legitimationsproblems offensichtlich sehr bewußt, ansonsten ließe sich die offiziell sanktionierte Lesart der Insignien und Reliquien des Heiligen Römischen Reiches kaum erklären. Diese läßt sich dem offiziellen Führer durch die Reichskleinodien-Ausstellung entnehmen, der von Eberhard Lutze, Konservator am Germanischen Nationalmuseum, im Auftrag der Stadt Nürnberg verfaßt worden war25 • Lutze war frühzeitig als Sachverständiger an den Vorbereitungen für die Überführung beteiligt gewesen und hatte den Transport begleitet. Bereits in der Einleitung stellt Lutze klar, daß er die Insignien als höchsten Inbegriff der Reichsherrlichkeit sieht. In deutlichem Gegensatz zu Huth seien sie demnach keine Symbole und Abzeichen der Herrschaft als solche, sondern lediglich Schmuckstücke eines nicht klar definierten, primär historisch faßbaren Reichsbegriffs. Bemerkenswert ist in diesem Kontext die Abfolge der Objekte: Man würde zunächst die Krone erwarten, in der Ausstellung stand jedoch das Schwert an erster Stelle, gefolgt von Krone und Szepter. Der ikonische Wert einer archaischen Waffe ließ sich leichter umdeuten und umwerten als derjenige der durchaus sinnbeladenen, aber auch -belasteten Reichskrone. Das Dritte Reich durfte generell, besonders jedoch durch die gewählten Symbole und Ikonen, nicht den Eindruck erwecken, eine irgendwie geartete Fortführung des Heiligen Römischen Reiches darzustellen. War die Reichskrone als Symbol im wahrsten Sinn "untragbar" für den Führer, so traf dies umso mehr für die Heilige Lanze zu als ein in der öffentlichen W ahrnehmung primär christlich geprägtes Objekt. Daß sich ih-
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re historisch gefestigte Bedeutung auf ihre Funktion als Christusreliquie bezog bzw. die bisherigen politischen Nutzungen sich explizit auf ihre Funktion als Reliquie beriefen, konnte durch keine Neukontextualisierung verheimlicht oder gar in Frage gestellt werden. Lutze bemerkt knapp und durchaus zutreffend, allerdings ohne weitere Vertiefung der Thematik: "Kein Stück des Schatzes war einem derartigen Bedeutungswandel unterworfen wie die heilige Lanze." Für Lutze war es offensichtlich zu heikel, ohne Vorgaben oder zumindest Einverständnis eine neue Bedeutung zu definieren; nicht angebracht schien eigenverantwortliches Handeln im Hinblick auf die Karriereaussichten, die sich nicht zuletzt aus der Beteiligung an der "Rückholung" ergaben. Vermutlich schien ihm die einfachste Lösung, diesen Punkt offenzulassen, zumalesauch keine Notwendigkeit gab, die Lanze aus der Vielzahl der in der Ausstellung versammelten Reliquien weiter hervorzuheben. Auf die Ebene eines musealen Objekts reduziert- Lutze spricht an einer anderen Stelle von "geschichtlichen Schaustücken" - war die Lanze für einen Konservator handhabbar und politisch ungefährlich.
Daß es bei der Ausstellung der Reichskleinodien durchaus auch um finanzielle Aspekte ging, zieht sich wie ein roter Faden durch die Akten: Vom Kunsthistorischen Museum in Wien wurde zunächst die Forderung nach einer finanziellen Kompensation für die Verluste an Eintrittsgeldern gestellt, die sich durch die für die Besucher gesunkene Attraktivität der Schatzkammer ergaben. Allerdings befand sich das Museum in einer schwachen Verhandlungsposition, da die Entscheidung über die Rückgabe bereits gefällt worden war. Dementsprechend fand die Forderung kein Entgegenkommen von seiten Nürnbergs. Untermauert wurde das Wiener Begehren durch eine Aufstellung der Besucherzahlen und Einnahmen der Schatzkammer in den Monaten von April bis August 1938: Gezählt wurden 33.597 Besucher und eingenommen 11.517 RM2". Einigen konnten sich die beiden Parteien jedoch über die Abgabe der am Kunsthistorischen Museum vorhandenen Photonegative und Bildpostkarten der Reichskleinodien nebst der entsprechenden Bildrechte zur freien Verfügung- und zur profitablen Vermarktung- durch die Stadt Nürnberg gegen eine Abschlagszahlung von insgesamt 5.000 RM.
Im Juni 1938 bereitete Liebe] die Finanzplanung für die Ausstellung der Kleinodien in den kommenden Jahren vor. Das Ziel war offensichtlich: Die entstehenden Kosten sollten zum großen Teil auf die Reichskanzlei abgewälzt werded7. Eine interne Aufstellung zeigt, daß im Zeitraum von September 1938 bis April 1939 insgesamt 17.000 RM eingenommen wurden, die Hochrechnung für das Jahr 1939 nennt als erwartete Einnahmen die stolze, im Hinblick auf die bisher erzielten Einnahmen möglicherweise über-
1\bb. 6: Begutachtung der Kaiserkrone nach ihrer Ankunft in der Katharinenkirche. Photo im "Erinnenmgsalbum" von 1938, das I)Oil der Staift• Nürnberg zusammengestellt wurde. Wien, Kunsthistorisches Museum, Archiv. (©: KHM.)
höhte Summe von 70.000 RM. Zu diesen Zahlen muß noch das einträgliche Geschäft mit Führern, Postkarten etc. gerechnet werden, über dessen Umfang Berlin offensichtlich im unklaren gelassen werden sollte. Nürnberg konnte sich darauf berufen, daß die vielen Leute, die alljährlich zum Reichsparteitag anreisten, potentielle Besucher für die Ausstellung waren. Den Einnahmen standen jedoch beträchtliche Ausgaben gegenüber, die mittelfristig die Ausstellung der Objekte wohl kaum zu einer profitablen Einnahmequelle gemacht hätten: Zu diesem Zeitpunkt waren bereits für bauliche Maßnahmen 84.500 RM, für die von Baurat Timme entworfenen Vitrinen 43.000 RM und für Personal 6.000 RM ausgegeben worden. Die veranschlagten Kosten für das Jahr 1939, besonders aber die Kosten zur Aufrechterhaltung des Betriebs, waren noch weit höher: Unter anderem wurden für den "sachlichen Verwaltungsaufwand" (insbesondere Beleuchtung, Heizung, Reinigung etc.) 40.000 RM, für Strom, Gas, Wasser etc. 20.000 RM, für den Einbau von kugelsicherem Glas in die Vitrinen und für eine
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Klimaanlage 63.000 RM, für zwei bombensichere Schutzräume 112.000 RM gerechnet.
Diese zunächst für den internen Gebrauch aufgestellte Einnahmen-Ausgabenrechnung hatte einen konkreten Hintergrund. Liebel hatte erneut die Initiative ergriffen, allerdings wurde er diesmal von der Tragweite seiner Aktivitäten im Nachhinein überrascht: Hitler besuchte am 2. September 1938 die Ausstellung der Reichskleinodien, und Liebel sprach ihn bereits bei dieser Gelegenheit darauf an, daß die Eigentumsverhältnisse der Kleinodien nun endgültig geklärt werden müßten (Abb. 7). Hitler stand dem nicht ablehnend gegenüber und verwies Liebel zwecks Erarbeitung eines entsprechenden Reichsgesetzes auf den Chef der Reichskanzlei, Lammers, als Ansprechpartner28• Im Auftrag Liebeis fertigte nun der Nürnberger Stadtrat und Jurist Karl Fischer ein Gutachten zu den Eigentumsverhältnissen an. Er kam zu dem Schluß, daß Österreich nie ein Eigentum an den Kleinodien erworben hätte, sondern nur Bewahrer gewesen wäre. Durch den Anschluß Öster-
Abb. 6: Begutachtung der Kaiserkrone nach ihrer Ankunft in der Kntharinenkircl1e. Photo im "Erinnerungsnlbum" von 1938, das von der Staffl' Niimberg Zl/sarnmengestellt wurde. Wien, Kunsthistorisches Mu seum, Archiv. (©: KHM.)
höhte Summe von 70.000 RM. Zu diesen Zahlen muß noch das einträgliche Geschäft mit Führern, Postkarten etc. gerechnet werden, über dessen Umfang Berlin offensichtlich im unklaren gelassen werden sollte. Nürnberg konnte sich darauf berufen, daß die vielen Leute, die alljährlich zum Reichsparteitag anreisten, potentielle Besucher für die Ausstellung waren. Den Einnahmen standen jedoch beträchtliche Ausgaben gegenüber, die mittelfristig die Ausstellung der Objekte wohl kaum zu einer profitablen Einnahmequelle gemacht hätten: Zu diesem Zeitpunkt waren bereits für bauliche Maßnahmen 84.500 RM, für die von Baurat Timme entworfenen Vitrinen 43.000 RM und für Personal 6.000 RM ausgegeben worden. Die veranschlagten Kosten für das Jahr 1939, besonders aber die Kosten zur Aufrechterhaltung des Betriebs, waren noch weit höher: Unter anderem wurden für den "sachlichen Verwaltungsaufwand" (insbesondere Beleuchtung, Heizung, Reinigung etc.) 40.000 RM, für Strom, Gas, Wasser etc. 20.000 RM, für den Einbau von kugelsicherem Glas in die Vitrinen und für eine
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Klimaanlage 63.000 RM, für zwei bombensichere Schutzräume 112.000 RM gerechnet.
Diese zunächst für den internen Gebrauch aufgestellte Einnahmen-Ausgabenrechnung hatte einen konkreten Hintergrund. Liebel hatte erneut die Initiative ergriffen, allerdings wurde er diesmal von der Tragweite seiner Aktivitäten im Nachhinein überrascht: Hitler besuchte am 2. September 1938 die Ausstellung der Reichskleinodien, und Liebel sprach ihn bereits bei dieser Gelegenheit darauf an, daß die Eigentumsverhältnisse der Kleinodien nun endgültig geklärt werden müßten (Abb. 7). Hitler stand dem nicht ablehnend gegenüber und verwies Liebel zwecks Erarbeitung eines entsprechenden Reichsgesetzes auf den Chef der Reichskanzlei, Lammers, als Ansprechpartner28
. Im Auftrag Liebels fertigte nun der Nürnberger Stadtrat und Jurist Karl Fischer ein Gutachten zu den Eigentumsverhältnissen an. Er kam zu dem Schluß, daß Österreich nie ein Eigentum an den Kleinodien erworben hätte, sondern nur Bewahrer gewesen wäre. Durch den Anschluß Öster-
Abb. 7: Hit/er besucht am 2. September 1938 die Reichskleinodienausstellung, hinter ihm Oberbürgermeister Willy Liebe/. Photo. Nürnberg, Staatsarchiv, Nachlaß Bühler. (©: ebenda.)
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reichswäre dieser Status dem Deutschen Reich zugefallen, das nun lediglich die Aneignung erklären müsse, um das Eigentum an den Objekten zu erwerben. Hitler stimmte zu und ließ sich von Liebel bei einem weiteren Besuch am 3. Februar 1939 auch davon überzeugen, daß zusätzlich zu den Kleinodien alle Archivalien, die einen Bezug zu den Objekten hatten, in Reichsbesitz übergehen und in Nürnberg verwahrt werden sollten.
Liebel ließ von Stadtrat Fischer sogleich einen Entwurf für einen Gesetzestext erarbeiten, den er nach Berlin sandte. In den folgenden Monaten wurde in Berlin und Nürnberg bei der Ausarbeitung der Initiative eine ansehnliche Menge amtlichen Schriftguts produzierf9• So findet sich in den Akten die Diskussion, ob im Gesetzestext das Fremdwort "Archivalien" nicht durch ein gleichwertiges deutsches Wort ersetzt werden könne. Als sprachlich adäquate Alternative wurde vom Leiter des Stadtarchivs Nürnberg, Gerhard Pfeiffer, "behördlich erwachsenes Schriftgut" vorgeschlagen. Im Kontext der sich hinziehenden Verhandlungen müssen auch die genannten Berechnungen Nürnbergs gesehen werden. Liebel hatte durch seine Initiative für eine Verstaatlichung der Kleinodien erreichen wollen, daß diese von ihrem neuen Besitzer, dem Deutschen Reich, der Stadt Nürnberg erneut zur ewigen Verwahrung übergeben würden. Daß sich durch die Fixierung der bis dahin nicht eindeutig geklärten Besitzverhältnisse Probleme für die Stadt Nürnberg ergeben könnten, hatte Liebel bei seinem Alleingang allerdings nicht bedacht. Von seiten des Stadljuristen Meyer wurde er darauf hingewiesen, daß der von ihm favorisierte Gesetzesentwurf der Stadt signifikante finanzielle Belastungen bescheren könnte. In Nürnberg wurde aufgrund dieser Warnung versucht, die finanzielle Lastenverteilung zwischen Stadt und Reich durch die Erarbeitung einer Durchführungsverordnung zum bevorstehenden Gesetz im Sinne von Nürnberg zu regeln. Liebel wurde allerdings abgeraten, die Verordnung in Berlin einzubringen, da zu diesem späten Zeitpunkt in den Verhandlungen mit dem Widerstand in der Reichsregierung zu rechnen war. So war offensichtlich noch nicht geklärt, wer für die Kosten der Ausstellung aufkommen sollte und wem die Einnahmen zufielen. Es war kaum möglich, dem Reich als Eigentümer die Einnahmen vorzuenthalten. Vermieden werden mußte jedoch, daß Nürnberg auf den substantiellen Kosten sitzenblieb.
Trotz oder gerade wegen der Auswüchse real existierender Bürokratie begann die Zeit für das Gesetz knapp zu werden. Niemandem, nicht zuletzt Liebel, konnte verborgen bleiben, daß sich die internationale Situation dramatisch verschlechterte und daß die Ziele der deutschen Außenpolitik offenbar mit nicht-diplomatischen Mitteln durchgesetzt werden sollten. Liebel wurde wiederholt in Berlin vorstellig, um eine
Abb. 7: Hit/er besuc/1t nm 2. Septen1ber 1938 die Reichsk/einodiennusste/lung, hinter ilnn Oberbiirgermeister Willy Liebe/. Photo. N iirnberg, Staatsnrchiv, Nachlaß Biihler. (© : ebenda.)
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reichswäre dieser Status dem Deutschen Reich zugefallen , d as nun lediglich die Aneignung erklären müsse, um das Eigentum an den Objekten zu erwerben . Hitler stimmte zu und ließ sich von Liebe! bei einem weiteren Besuch am 3. Februar 1939 auch davon überzeugen, daß zusä tzlich zu den Kleinodien alle Archiva lien, die einen Bezug zu den Objekten hatten, in Reichsbesitz übergehen und in N ürnberg verwahrt werden sollten .
Liebel ließ von Stadtrat Fischer sogleich einen Entw urf für einen Gese tzestext erarbeiten, den er nach Berlin sandte. In den folgenden Monaten w urde in Berlin und N ürnberg bei der Ausarbeittmg der Initia tive eine ansehnliche Menge amtlichen Schriftguts produziert29
. So findet sich in den Akten die Diskussion, ob im Gesetzestext das Frem dwort "Archiva lien" nicht durch ein gleichwertiges deutsches Wort ersetzt werden könne. Als sprachlich adäquate Alternative w urde vom Leiter des Stadtarchivs Nürnberg, Gerh ard Pfeiffer, "beh ördlich erwachsenes Schriftgut" vorgeschl agen . Im Kontex t der sich hinziehenden Verhandlungen müssen auch d ie genannten Berechnungen Nürnbergs gesehen werden . Liebel h a tte durch seine Initia tive für eine Verstaa tlichung der Kleinodien erreichen wollen, daß diese von ihrem n eu en Besi tzer, d em Deutsch en Reich , d er Stadt Nürnberg erneut zur ewigen Verwahrw1g übergeben w ürden. Daß sich durch die Fixierung der bis dahin nicht eindeutig geklärten Besitzverhältnisse Probleme für die Stadt Nürnberg ergeben könnten, hatte Liebel bei seinem Alleingang a llerdings nicht bedacht. Von seiten des Stad~uristen Meyer wurde er darauf hingewiesen, daß der von ihm fa vorisierte Gesetzesen twurf der Stadt signifikante finanzielle Belas tungen bescheren könnte. In N ürnberg wurde aufgrwld dieser Warnung versucht, die finanzielle Lasten verteilung zwischen Stadt und Reich durch die Erarbeitung einer Durchführungsverordnung zum bevorstehenden Gesetz im Sinne von Nürnberg zu regeln. Liebel w urde allerdings abgera ten, die Verordnung in Berlin einzubringen, d a zu diesem sp äten Zeitpunkt in den Verhandlungen mit dem Widerstand in der Reichsregierung zu rechnen war. So war offensichtlich noch nicht geklärt, wer für d ie Kosten der Aussteilung aufkommen sollte und wem die Einnahmen zufielen. Es war ka um möglich, dem Reich als Eigentümer die Einnahmen vorzuenthalten . Vermieden werden m ußte jedoch, daß N ürnberg auf den substantiellen Kosten sitzenblieb.
Trotz oder gerade wegen der Auswüchse real existierender Bürokra tie begann die Zeit für das Gesetz knapp zu werden . Niem andem , nicht zuletzt Liebe!, konnte verborgen bleiben, daß sich die internationale Situation dramatisch verschlechterte und daß die Ziele der deutschen Außenpolitik offenbar mit nicht-diplom atischen Mitteln durchgesetzt werden sollten. Liebel w urde wiederholt in Berlin vorstellig, um eine
Beschleunigung der Gesetzgebungsinitiative zu erreichen. Am 8. Juli teilte ihm Lammers mit, daß Hitler seine Zustimmung zur Vorlage des Gesetzes erteilt hätte. Der Gesetzesentwurf wurde am 26. August durch Innenminister Wilhelm Frick zur Beschlußfassung durch die Reichsregierung eingebracht, allerdings kam es nicht mehr zu einer Verabschiedung, denn nur wenige Tage später, am 1. September 1939, begann mit dem Überfall Deutschlands auf Polen der Zweite Weltkrieg.
Mit Kriegsbeginn wurden die weiteren Planungen für die Ausstellung der Kleinodien und der Heiligen Lanze obsolet. Die Ausstellung wurde sofort geschlossen, die Objekte wurden in Kisten verpackt und vorläufig in Räumen des angrenzenden ehemaligen Katharinenklosters zwischengelagert, bevor sie in den Tresor des enteigneten jüdischen Bankhauses Anton Kohn in der Königstraße 26 überführt wurden. Eine Aktennotiz berichtet, daß am 23. Februar 1940 insgesamt zwanzig Kisten- die Heilige Lanze befand sich in Kiste Nummer acht- in die "Bergungsräume" Obere Schmiedgasse 52 verlegt wurden30• Hinter diesen Bergungsräumen, heute als Historischer Kunstbunker (Abb. 8) bekannt, verbarg sich ein ehemaliger Bierkeller, der sich im Besitz der Stadt Nürnberg befand und somit ohne großes Aufsehen einer neuen Nutzung zugeführt werden konnte31 • Er erstreckte sich in Teilen unter den Sandsteinfelsen der Nürnberger Kaiserburg und war somit gegen Bomben gut geschützt. Der Zugang führte ebenerdig durch einen Hauseingang, was die Einlagerung von sperrigen Objekten erleichterte. Um als Depot für Kunstgegenstände nutzbar zu sein, mußte der Keller zunächst durch bauliche Maßnahmen entfeuchtet werden. Vertretbare Feuchtigkeitswerte für eine längerfristige Lagerung wurden durch den Einbau einer einfachen, aber funktionellen Klimaanlage erreicht: Zunächst wurde der Raumluft durch Kältemaschinen Feuchtigkeit entzogen, die kalte Luft wurde dann mittels einer Kohlenheizung wieder angewärmt. Zusätzlich wurden die Metallteile der Kleinodien regelmäßig durch Mitarbeiter der Städtischen Kunstsammlungen auf Rostansatz überprüft und bei Bedarf eingefettet. Die Aufsicht über das Kunstdepot hatte das städtische Hochbauamt, die Bewachung wurde von der örtlichen Polizei übernommen. Die Reichskleinodien befanden sich in Zelle Nummer 3 der Anlage, die durch eine massive Tresortüre (Abb. 9) zusätzlich gesichert war.
Als im Frühjahr 1945 die US-Truppen immer näher an Nürnberg heranrückten, wurden Überlegungen bezüglich der Zukunft der Reichskleinodien notwendig. Bereits im Spätherbst 1944 waren für die als zentral erachteten Objekte - Reichskrone, Reichsschwert, Reichsszepter und Reichsapfel - individuelle Kupferbehälter für eine mögliche Evakuierung angefertigt worden32• Am 29. März 1945 wurden die
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Abb. 8: Eingang zum Historischen Kunstbunker in Nümberg. (Photo: Volker Schier.)
Abb. 9: Tresortüre im Historischen Kunstbunker in Nürnberg. (Photo: Volker Schier.)
Beschleunigtmg der Gesetzgebungsinitiative zu erreichen . Am 8. Juli teilte ihm Lammers mit, daß Hitler seine Zustimmtmg zur Vorlage des Gesetzes erteilt hä tte. Der Gesetzesentw urf w urde am 26. August durch Innenminister Wilhelm Frick zur Beschlußfasstmg durch die Reichsregierung eingebracht, allerdings kam es nicht mehr zu einer Verabschiedw1g, denn nur wenige Tage später, am 1. September 1939, begann mit dem Überfall Deutschlands auf Polen der Zweite Weltkrieg.
Mit Kriegsbeginn w urden d ie weiteren Planungen für die Ausstellung der Kleinodien tmd der Heiligen Lan ze obsolet. Die Auss tellung w urde sofort geschlossen, die Objekte w urden in Kisten verpackt und vorläufig in Räumen des angrenzenden ehemaligen Katharinenklosters zwischengela ge rt, bevor sie in den Tresor des enteigneten jüdischen Bankhauses Anton Kohn in der Königstra ße 26 überführt wurden . Eine Aktennotiz berichtet, daß am 23. Februar 1940 insgesamt zwanzig Kisten- die Heilige Lanze befand sich in Kiste Nummer acht - in die "Bergungsräume" Obere Schmiedgasse 52 verlegt w urden30
. Hinter diesen Bergungsräumen, heute als His torischer Kunstbw1ker (Abb. 8) bekannt, verbarg sich ein ehemaliger Bierkeller, der sich im Besitz der Stadt N ürnberg befand und somit ohne großes Aufsehen einer neuen N utzung zugeführt werden konnte31
• Er erstreckte sich in Teilen unter den Sandsteinfelsen der Nürnberger Kaiserburg und war somit gegen Bomben gut geschütz t. Der Zugang führte ebenerdig durch einen H auseingang, was die Einlagerung von sperrigen Objekten erleichterte. Um als Depot für Kunstgegenstände nutzbar zu sein, mußte der Keller zunächst durch bauliche Maßnahmen entfeuchtet werden . Vertretbare Feuchtigkeitswerte für eine längerfris tige Lagerung wurden durch den Einbau einer einfachen, aber funktionellen Klimaanlage erreicht: Zunächst wurde der Raumluft durch Kältem aschinen Feuchtigkeit entzogen, die kalte Luft wurde dann mittels einer Kohlenheizung wieder angewärmt. Zusä tzlich wurden die Metallteile der Kleinodien regelmäßig durch Mitarbeiter der Städtischen Kunstsammlungen auf Rostan sa tz überprüft und bei Bedarf eingefettet. Die Aufsicht über das Kunstdepot hatte das städtische Hochbauamt, die Bewachung w urde von der örtlichen Polizei übernommen. Die Reichskleinodien befanden sich in Zelle Nummer 3 der Anlage, die durch eine massive Tresortüre (Abb. 9) zusä tzlich gesichert war.
Als im Frühjahr 1945 die US-Truppen immer näher an Nürnberg heranrückten , wurden Überlegungen bezüglich der Zukunft der Reichskleinodien notwendig. Bereits im Spätherbst 1944 w aren für die als zentral erachteten Objekte - Reichskrone, Reichsschwert, Reichsszepter tmd Reichsapfel- individuelle Kupferbehälter für eine mögliche Evakuierung angefertig t worden32
• Am 29. März 1945 wurden die
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Abb. 8: Eingm1g zum Historiseilen Kunstbunker in N iimberg . (Photo: Volker Schier.)
Abb. 9: Tresortiire im Hislorisellen Kunstbunker in N iirnberg. (Photo: Volker Schier.)
fünf Objekte in Glaswolle verpackt und in den Behältern verlötet, am 31. März wurden sie heimlich in einer Nische über einer Tür im verzweigten Felsenkeller unter dem Paniersplatz, der in Teilen zu einem Luftschutzbunker umgebaut worden war und auch als Kunstdepot Verwendung fand, vermauert. Involviert in diese Aktion waren nur vier Personen: Oberbürgermeister Willy Liebel, Oberbaurat Julius Lincke, Stadtbaurat Heinz Schmeissner und Luftschutzdezernent Konrad Fries, alles städtische Beamte.
Um die im Kunstbunker verbliebenen Kunstobjekte, darunter die Heilige Lanze, vor Kampfhandlungen zu schützen, wurde unmittelbar vor dem Einmarsch der US-Truppen der Eingang in der Oberen Schmiedgasse durch eine Sprengung unpassierbar gemacht. Der Zutritt war jedoch nach wie vor durch einen Nebeneingang möglich. Das durch Luftangriffe großteilszerstörte Nürnberg wurde am 20. April1945 ohne größeren Widerstand eingenommen. Willy Liebel beging Selbstmord. Nach Hinweisen aus der Stadtverwaltung an die Besatzungstruppen erhielt der Kunstbunker nach einigen Tagen eine Wache. Eine erste Inspektion von Zelle 3 fand allerdings erst Monate später, am 3. Juni 1945, durch Captain John C. Thompson, Fine Arts and Archives Officer, statt, nachdem dieser gerüchteweise vom möglichen Fehlen von Teilen der Insignien erfahren hatte. Der Ausgangspunkt der folgenreichen Gerüchte war offensichtlich Eberhard Lutze, inzwischen zum Direktor der Städtischen Sammlungen avanciert, der gegenüber dem Konservator am Germanischen Nationalmuseum, Ernst Günter Troche, vertraulich darauf hinwies, daß Objekte aus dem Bestand der Reichsinsignien auf Befehl Heinrich Himmlers aus dem Kunstbunker entfernt worden seien33 • Troche, der nur wenig später zum kommissarischen Direktor des Museums berufen wurde, diente Captain Thompson zu dieser Zeit als Übersetzer und gab sein Wissen pflichtbewußt weiter34. Im Rahmen der Inspektion eröffnete Fries Thompson, daß die Objekte tatsächlich nicht mehr vorhanden seien, da man sie vor der Einnahme Nürnbergs abtransportiert hätte, eine Version, auf die sich die beteiligten Beamten vorher geeinigt hatten.
Über die Vorgänge finden sich in den Archiven Berichte von Schmeissner, Fries und Lincke sowie dem amerikanischen Kunstschutzoffizier Lieutenant Walter W. Horn, dem es schließlich gelang, die Insignien wiederzufinden. Die Berichte erzählen jedoch nicht die gleiche Geschichte, sondern jeder Bericht gibt eine andere Fassung der Ereignisse wieder. Im Hinblick auf die Heilige Lanze sind einige Details der Schilderungen trotzdem von Bedeutung: Jahrzehnte später vermischten sich in der populären Rezeption das "Schicksal" der Heiligen Lanze und dasjenige der versteckten Reichsinsignien. Einige an sich unwesentliche Details der Berichte entwickelten in diesem Pro-
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zeß eine fast unglaubliche Eigendynamik und werden uns im Lauf dieses Beitrags immer wieder begegnen.
Am 25. Juli 1945 kam Lieutenant Horn mit dem Auftrag nach Nürnberg, die verschwundenen Insignien zu finden35 . Der aus Deutschland emigrierte Horn war im Zivilberuf Kunsthistoriker und demnach prädestiniert für diese Aufgabe. Die Untersuchungen und Vernehmungen zogen sich längere Zeit hin und wurden dadurch kompliziert, daß unter den Kriegsgefangenen allerlei wilde Gerüchte über das Schicksal der Objekte kursierten, die Horn offensichtlich ernst nahm. Am 2. August fand die erste systematische Inventarisierung der Reichskleinodien im Kunstbunker statt: Die Heilige Lanze wird ordnungsgemäß aufgelistet. Erst Anfang September gestand Fries, daß er den Aufenthaltsort der fehlenden Stücke kannte: Horn hatte ihn mit seinem Verdacht konfrontiert, daß die Objekte in die Hände einer 55-Untergrundorganisation gelangt seien und somit zu den Symbolen einer Widerstandsbewegung werden könnten, eine Interpretation, die Fries offensichtlich zum Handeln zwang, um nicht noch tiefer in die Vorgänge verstrickt zu werden. Am 7. August wurden die Insignien schließlich geborgen.
Der nun wieder zusammengeführte Gesamtbestand wurde weiterhin im gesicherten Kunstbunker aufbewahrt. Die amerikanische Militärregierung wollte nun zügig das weitere Vorgehen im Fall der Insignien und Reliquien klären lassen. Zwei Optionen standen im Raum: Verbleib in Nürnberg oder Rückgabe an Wien. Klemens Gsell weist in seiner rechtshistorischen Untersuchung zum Reichsschatz darauf hin, daß dies für die Stadt Nürnberg offensichtlich kein relevantes Thema war, denn es finde sich hierzu kein behördlicher Schriftverkehr3".
Dennoch wurden im Auftrag der Militärregierung zwei Gutachten angefertigt: Wilhelm Schwemmer untersuchte in einer historisch orientierten Stellungnahme die Beziehung der Reichskleinodien zu Nürnberg. Dem Erlanger Ordinarius für Kirchenrecht und Deutsche und Bayerische Rechtsgeschichte, Hans Liermann, fiel die Aufgabe zu, eine juristische Stellungnahme zu den Eigentumsverhältnissen anzufertigen37 • Seine Argumentation ist besonders im Hinblick auf die Heilige Lanze von Interesse. Für die Reliquien seien die Verordnungen des Corpus Iuris Canonici von Bedeutung. Ein Handel mit "res sacrae" sei nicht möglich, ebensowenig eine Verfügung über sie. Liermanns Stellungnahme greift in Teilen Rechtsgutachten auf, die im Rahmen eines Streits der Reichsstadt Nürnberg mit König Friedrich III. in Padua angefertigt wurden3H: Friedrich hatte im Jahr 1443 die Reichskleinodien von der Reichsstadt Nürnberg zurückgefordert. Die vom Rat der Stadt Nürnberg beauftragten Paduaner Juristen vertraten unter anderem die Ansicht, daß nach den Bestimmungen
des Kirchenrechts für "res sacrae" eine "possessio" nicht möglich sei. Für Liermann waren die Reichskleinodien zu Beginn des 15. Jahrhunderts zu einem Sondervermögen geworden und zu einer eigenen juristischen Person in Form einer Stiftung mutiert, deren Organisation durch die "berufene Staatsgewalt" neu geordnet werden müsse. Bei der Neugliederung hätte die "Staatsgewalt" völlig freie Hand, wobei Zweckmäßigkeit und historische Bindung für eine Verwaltung durch die Stadt Nürnberg sprächen.
Entgegen dieser Empfehlung wird am 3. Januar 1946 der Gesamtbestand an Insignien und Reliquien im Kunstbunker auf Befehl der amerikanischen Militärregierung an die US-Armee übergeben; am 4. Januar werden die Stücke verpackt, auf Lastkraftwagen verladen und unter dem Schutz von Militärpolizei zum Flughafen Fürth gebracht39• Von dort werden sie mit einem amerikanischen Militärflugzeug zum Flughafen Tulln bei Wien geflogen und in die Österreichische Nationalbank überführt, wo sie auf Vollständigkeit und Zustand geprüft (Abb. 10) und im Tresor untergebracht werden. Die formale Übergabe an den Österreichischen Bundeskanzler Leopold Figl durch General Mark Clark findet am 10. Januar statt. Die meisten der Objekte verbleiben zunächst bis Mai 1949 im sicheren Tresor der Nationalbank, dann, bis September 1953, im Tresor der Österreichischen Postsparkasse und für kurze Zeit im Hauptgebäude des Kunsthistorischen Museums. Die Wiedereröffnung der Schatzkammer findet am 1. Juli 1954 statt, womit auch die Heilige Lanze nach fünfzehn Jahren wieder der Öffentlichkeit zugänglich wird.
Die Heilige Lanze auf Papier In der wenig später beginnenden literarischen Umsetzung der geschilderten Ereignisse wurde das nach Wien zurückgekehrte reale Objekt erstmalig mit einer fiktionalen Adaption seiner jüngsten Geschichte kombiniert. Romane und als Sachbücher proklamierte Werke bewirkten in der Folge ein Auseinanderdriften des historischen und des populären Lanzenbildes.
Der erste neuzeitliche Lanzenroman erschien im Jahr 1955 unter dem Titel The Spear40 • Der Autor Louis de Wohl, ein in den dreißiger Jahren nach England emigrierter Deutscher, beschreibt Stationen aus dem Leben des jungen römischen Offiziers Cassius Longinus, eines Meisters in der Handhabung der Legionärslanze. Longinus wird in Rom in Intrigen gegen seinen Vater, einen pensionierten Armeegeneral, involviert. Er wird zum Sklaven und Gladiator und flieht schließlich nach Judäa, um Centurio in der Legion des Pilatus zu werden. Dort wird er zum Spielball der schwelenden Auseinandersetzungen zwischen der Priesterkaste, der jüdischen Untergrundbewegung und den römischen Besatzern. Ab diesem Punkt knüpft der Autor an die Schilderung des Johannes-Evangeliums (19,34) an. Am Ende der von
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THE i~U!'d.bl!:' r.''..Jth ct>ow e! Dt>v,l
SPEAR OF DESTINY How Hitler lived by the weapon
rust into Christ
by
Max
Caulfield
Abb. 10: Übergabe der Reichsinsignien und -reliquien in Wien am 4. Januar 1946. Photo. Nürnberg, Stadtarchiv, Repro 76 I IIJ. (©: ebenda.)
Abb. 11: Sunday Dispatch vom 6. November 1960, Artikel "The Spear of Destiny" von Max Caulfield. (Photo: Staatsarchiv Nürnberg.)
des Kirchenrechts für "res sacrae" eine "possessio" nicht möglich sei. Für Liermann waren die Reichskleinodien zu Beginn des 15. Jahrhunderts zu einem Sondervermögen geworden und zu einer eigenen juristischen Person in Form einer Stiftung mutiert, deren Organisation durch die "berufene Staatsgewalt" neu geordnet werden müsse. Bei der Neugliederung hätte die "Staatsgewalt" völlig freie Hand, wobei Zweckmäßigkeit und historische Bindung für eine Verwaltung durch die Stadt Nürnberg sprächen.
Entgegen dieser Empfehlung wird am 3. Januar 1946 der Gesamtbestand an Insignien und Reliquien im Kunstbunker auf Befehl der amerikanischen Militärregierung an die US-Armee übergeben; am 4. Januar werden die Stücke verpackt, auf Lastkraftwagen verladen und unter dem Schutz von Militärpolizei zum Flughafen Fürth gebracht-19
. Von dort werden sie mit einem amerikanischen Militärflugzeug zum Flughafen Tulln bei Wien geflogen und in die Österreichische Nationalbank überführt, wo sie auf Vollständigkeit und Zustand geprüft (Abb. 10) und im Tresor untergebracht werden. Die formale Übergabe an den Österreichischen Bundeskanzler Leopold Figl durch General Mark Clark findet am 10. Januar statt. Die meisten der Objekte verbleiben zunächst bis Mai 1949 im sicheren Tresor der Nationalbank, dann, bis September 1953, im Tresor der Österreichischen Postsparkasse und für kurze Zeit im Hauptgebäude des Kunsthistorischen Museums. Die Wiedereröffnung der Schatzkammer findet am 1. Juli 1954 statt, womit auch die Heilige Lanze nach fünfzehn Jahren wieder der Öffentlichkeit zugänglich wird.
Die Heilige Lanze auf Papier In der wenig später beginnenden literarischen Umsetzung der geschilderten Ereignisse wurde das nach Wien zurückgekehrte reale Objekt erstmalig mit einer fiktionalen Adaption seiner jüngsten Geschichte kombiniert. Romane und als Sachbücher proklamierte Werke bewirkten in der Folge ein Auseinanderdriften des historischen und des populären Lanzenbildes.
Der erste neuzeitliche Lanzenroman erschien im Jahr 1955 unter dem Titel The Spear'0
. Der Autor Louis de Wohl, ein in den dreißiger Jahren nach England emigrierter Deutscher, beschreibt Stationen aus dem Leben des jungen römischen Offiziers Cassius Longinus, eines Meisters in der Handhabung der Legionärslanze. Longinus wird in Rom in Intrigen gegen seinen Vater, einen pensionierten Armeegenerat involviert. Er wird zum Sklaven und Gladiator und flieht schließlich nach Judäa, um Centurio in der Legion des Pilatus zu werden. Dort wird er zum Spielball der schwelenden Auseinandersetzungen zwischen der Priesterkaste, der jüdischen Untergrundbewegung und den römischen Besatzern. Ab diesem Punkt knüpft der Autor an die Schilderung des Johannes-Evangeliums (19,34) an. Am Ende der von
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Abb. 10: Übergabe der Reichsinsignien und -reliquien in Wien am 4. Januar 1946. Photo. Niirnberg, Stadtarchiv, Repro 76 I lJI. (©: ebenda.)
Abb. 11: Sunday Dispatch vom 6. November 1960, Artikel "The Spear of Destiny" von Max Caulfield. (Photo: Staatsarchiv Niirnberg.)
ihm überwachten Kreuzigung läßt sich Longinus von einem Soldaten dessen Waffe geben: "Ein zwei Meter langer Speer entsprechend den Vorgaben, das Blatt war fast fünf Zentimeter breit, der Schaft etwas dicker als eineinhalb Zentimeter."41 Durch den Lanzenstich stellt Longinus den Tod Jesu fest. Die einfache, genormte Waffe ist für Longinus Mittel zum Zweck für seine Tat, eine darüber hinausgehende Bedeutung weist ihr der Autor nicht zu. De Wohl wendet sich mit seinem Buch im Stil von Ben Hur und Quo Vadis primär an ein religiös geprägtes Publikum - in den fünfziger Jahren durchaus mit Erfolg, wie die Empfehlung der Catholic Literary Foundation zeigt. Eine längerfristige Wirkung hatte der Roman jedoch nicht.
Am 6. November 1960 titelte das Londoner Boulevardblatt Sunday Dispatch: Der Speer des Schicksals. Wie HitZer durch den Speer lebte, der durch Christus gestoßen wurde42 (Abb. 11). Der Autor Max Caulfield beschreibt, wie Hitler durch den Besitz der Heiligen Lanze, eines alten Talismans für Unbesiegbarkeit, einen Zugang zur Kraft satanischer Mächte erlangen wollte. Hitler habe Oberst Conrad Buch, seinen Berater für Okkultismus, vor dem Überfall auf Österreich als Geschäftsmann verkleidet nach Wien gesandt. Buch sollte sicherstellen, daß der Speer nicht vor der Ankunft der deutschen Truppen aus der Hofburg entfernt würde. Caulfield beschreibt detailreich, wie Buch mit einer Truppe SS-Männer in die Räume der Wiener Hofburg stürmt, um die Heilige Lanze für Hitler in Besitz zu nehmen: "Auf einem samtenen Kissen lag ein alter, verwelkter [!] Speer. Die Sturmsoldaten mit ihren Stiernacken blickten ihn ohne Begeisterung an. Aber Buch hob ehrfürchtig den Speer von seinem Platz auf und murmelte hörbar: Die Heilig [sie!] Lanze. Der Heilige Speer. Der Speer des Schicksals ... "
Noch am gleichen Abend fand in der Hofburg ein Empfang für Hitler statt, und Buch übergab ihm feierlich die Heilige Lanze. Wie zuvor alle Habsburger Kaiser wurde auch Hitler von der Heiligen Lanze auf der Schulter berührt. Hitler brachte die Heilige Lanze im Triumph zurück nach Deutschland und behielt sie für viele Monate in seiner unmittelbaren Nähe. Alle seine Erfolge im "Blitzkrieg" führte er auf die Stärke der Lanze zurück, allerdings beunruhigte ihn zunehmend die "dunkle Aura" der Lanze, und so verbannte er sie schließlich zu den "Nazi-Kriegsschätzen in Nürnberg", wohin sie mit einem Panzerzug gebracht wurde. In krisenhaften Momenten dachte Hitler jedoch stets an die Lanze, und drei Wochen vor dem Ende seines Reiches beauftragte er persönlich den Bürgermeister von Nürnberg, den Speer heimlich zu vergraben. Im Moment seiner erneuten Machtübernahme sollte der Speer wieder "ans Licht" gebracht werden. Der Speer wurde in einer tiefen Grube unter der Burg eingegraben, der Bürgermeister beging beim Einmarsch der US-Truppen Selbstmord, und
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das Geheimnis wäre mit ihm begraben worden, wäre da nicht einer seiner Offiziere gewesen, der große Zweifel bekam: Als religiöser Mensch wollte er nicht, daß dem Christentum eine seiner wichtigsten Reliquien abhanden kam, und so verriet er schließlich dem amerikanischen Kommandeur das Versteck. Der Speer wurde von einer Gruppe "Gis" geborgen. Caulfield beschreibt, wie ein kriegsmüder Offizier die Lanze in die Hand nimmt und in diesem Moment "unbewußt" einen Energieschub "verspürt". Im gleichen Moment gab Hitler in der Reichskanzlei in Berlin seine Fluchtpläne auf, und "nur wenige Stunden nachdem der Speer der Unbesiegbarkeit aus seinem Besitz gekommen war, betätigte er den Abzug, der sein Leben beendete".
Caulfield nennt als seine Quelle für diese "wahre, aber noch niemals zuvor erzählte Geschichte" die Witwe des "bekannten Österreichischen Historikers und Referenten Dr. Walter Johannes Stein". Diese hätte ihm Zugang zu dem Archiv ihres verstorbenen Mannes gewährt. Stein hatte demzufolge herausgefunden, daß Hitler schon in seiner Wiener Zeit unter den Einfluß der von Guido von Liszt gegründeten okkulten "Blut-Loge" gekommen sei. Diese Loge hatte ihrerseits Verbindungen zu einer Bruderschaft tibetanischer Mönche unterhalten. Später verehrte die "Blut-Loge" den Führer in geheimen Ritualen, bei denen auch Blutproben Hitlers verwendet wurden. Fast alle wichtigen Nazi-Größen wären Mitglieder der Loge gewesen- Caulfield nennt Streicher, Himmler, Rosenberg und Göring. Gemeinsam sollen sie ein Ziel gehabt haben: die Beherrschung der Macht der Heiligen Lanze.
Obwohl Beiträge in Boulevardblättern zumeist keine längerfristigen Resonanzen auslösen, sondern nach erfolgreicher Vermarktung der entsprechenden Auflage ihren eigentlichen Zweck erfüllt haben, zog der Artikel von Caulfield doch einen Beitrag in der Kölner Rundschau vom 23. September 1961 nach sich. Heinrich Heinen übernimmt zunächst die Teile von Caulfields Beitrag, die sich auf die Inbesitznahme der Heiligen Lanze durch Hitler beziehen. Er gibt dabei den Artikel im Sunday Dispatch bzw. die Witwe von Johannes Stein als Quellen an. Im weiteren diskutiert Heinen jedoch die zahlreichen Widersprüche zu den historischen Quellen, distanziert sich von Caulfields Schilderung und kommt zu dem Schluß, "daß er [Caulfields Bericht] beinahe geeignet ist, eine neue Legende an die ,Heilige Lanze' zu heften", allerdings müßte sie dahingehend pointiert werden, "daß einem Hitler die ,Heilige Lanze' schließlich keinen Segen bringen kann".
Max Caulfield hatte, ohne es zu wissen, eine Lawine ausgelöst. Irevor Ravenscroft erkannte offensichtlich das Potential von Caulfields Geschichte als Basis für eine neue Legende und vermochte vermutlich als erster Kapital daraus zu schlagen. Im Jahr
1973 erschien The Spear of Destiny in Großbritannien und den Vereinigten Staaten, ein Buch, das die Rezeption der Heiligen Lanze seitdem wesentlich beeinflußt hat (Abb. 12)43• Nicht nur der Titel von Ravenscrofts Buch ist ein Plagiat von Caulfields Artikel, sondern auch im Aufbau und bei zentralen Passagen sind Ähnlichkeiten alles andere als zufällig. Wie Caulfield beruft sich Ravenscroft auf Johannes Stein als seinen Kronzeugen, von dem er - im Gegensatz zu Caulfield - die Geschichte persönlich erfahren haben will.
Ravenscrofts pseudowissenschaftliches Buch besteht aus einer einfachen Rahmenhandlung: In den ersten beiden Kapiteln beschreibt er Hitlers angebliche Hinwendung zum Okkultismus und zur Macht des Bösen während seiner Wiener Jahre. Am Ende des Buchs, ab Kapitel 23, greift er mit dem Überfall auf Österreich den Faden wieder auf und gelangt zum eigentlichen Kern der Geschichte: Hitler hoffteund bekam - durch den Besitz der Heiligen Lanze Zugang zu dunklen Mächten. Dazwischen finden sich mehrere Exkurse, etwa zu den insgesamt 45 Herrschern, die ihre Macht auf die Heilige Lanze zurückführten, über Ravenscrofts eigenwillige Sicht zur Heiligen Lanze in Wolfram von Eschenbachs Parzival und in Wagners Parsifal, über gefährliche okkulte und satanische Gemeinschaften, deren Ziel der Zugang zur Macht durch die Heilige Lanze war- all dies unterbrochen durch kurze Rekurse zur Biographie Hitlers. Ravenscrofts Erklärungen für die Veranlagung seiner Protagonisten zur Hinwendung zum Bösen zielen teilweise im wahrsten Sinn des Wortes unter die Gürtellinie: Mangelnde Manneskraft wird in bezug gesetzt zu fehlender Macht. Die Lanze wird zum Phallus. Ein weiteres wichtiges Thema für Ravenscroft ist die Reinkarnation seiner Hauptpersonen im Kampf zwischen Gut und Böse, wie er ihn im Zweiten Weltkrieg angelegt sieht. Ein Online-Rezensent bringt dies folgendermaßen auf den Punkt: "Der Zweite Weltkrieg war in Wirklichkeit ein Konflikt zwischen berühmten Persönlichkeiten des neunten Jahrhunderts, die exakt nach tausend Jahren wiedergeboren wurden."44
Ravenscroft baut an den zentralen Stellen des Buchs Coulfields Zeitungsartikel systematisch aus und zieht hierzu weiteres Material heran, das er mit größter Ausführlichkeit in seinen Text integriert. So nahm Ravenscroft Einblick in die entsprechenden Akten der amerikanischen Militärregierung, die in den National Archives in Washington verwahrt werden. Er zitiert ausgiebig aus Dokumenten und ist sehr freigiebig mit Namen und Daten, um bei den Lesern den Eindruck von Authentizität und Belegbarkeit zu erwecken, allerdings läßt die Akkuratesse dieser Zitate häufig zu wünschen übrig. So wird aus Walter Horn derjenige, der die Heilige Lanze für die Vereinigten Staaten in Besitz nimmt, nachdem er durch
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Abb. 12: Buchumschlag zu Trevor Ravenscroft, The Spear of Destiny, 1973. (Photo: Volker Schier.)
1973 erschien The Spear of Destiny in Großbritannien und den Vereinigten Staaten, ein Buch, das die Rezeption der Heiligen Lanze seitdem wesentlich beeinflußt hat (Abb. 12)43
• Nicht nur der Titel von Ravenscrofts Buch ist ein Plagiat von Caulfields Artikel, sondern auch im Aufbau und bei zentralen Passagen sind Ähnlichkeiten alles andere als zufällig. Wie Caulfield beruft sich Ravenscroft auf Johannes Stein als seinen Kronzeugen, von dem er - im Gegensatz zu Caulfield- die Geschichte persönlich erfahren haben will.
Ravenscrofts pseudowissenschaftliches Buch besteht aus einer einfachen Rahmenl1andlung: In den ersten beiden Kapiteln beschreibt er Hitlers angebliche Hinwendung zum Okkultismus und zur Macht des Bösen während sein er Wiener Jahre. Am Ende des Buchs, ab Kapitel 23, greift er mit dem Überfall auf Österreich den Faden wieder auf und gelangt zum eigentlichen Kern der Geschichte: Hitler hoffteund bekam - durch den Besitz der Heiligen Lanze Zugang zu dunklen Mächten. Dazwischen finden sich m ehrere Exkurse, e twa zu d en insgesamt 45 Herrschern, die ihre Macht auf die Heilige Lanze zurückführten, über Ravenscrofts eigenwillige Sicht zur Heiligen Lanze in Wolfram von Eschenbachs Pnrzival und in Wagners Pnrsifal, über gefährliche okkulte und satanische Gemeinschaften, deren Ziel der Zugang zur Macht durch die Heilige Lanze war - all dies unterbrochen durch kurze Rekurse zur Biographie Hitlers. Ravenscrofts Erklärungen für die Veranlagung seiner Protagonisten zur Hinwendung zum Bösen zielen teilweise im wahrsten Sinn des Wortes unter die Gürtellinie: Mangelnde Manneskraft wird in bezuggesetzt zu fehlender Macht. Die Lanze wird zum Phallus. Ein weiteres wichtiges Thema für Ravenscroft ist die Reinkarnation seiner Hauptpersonen im Kampf zwischen Gut und Böse, wie er ihn im Zweiten Weltkrieg angelegt sieht. Ein Online-Rezensent bringt dies folgendermaßen auf den Punkt: "Der Zweite Weltkrieg war in Wirklichkeit ein Konflikt zwischen berühmten Persönlichkeiten des neunten Jahrhunderts, die exakt nach tausend Jahren wiedergeboren wurden."44
Ravenscroft baut an den zentralen Stellen des Buchs Coulfields Zeitungsartikel sys tematisch aus und zieht hierzu weiteres Material heran, das er mit größter Ausführlichkeit in seinen Text integriert. So nahm Ravenscroft Einblick in die entsprechenden Akten der amerikanischen Militärregierung, die in den National Archives in Washington verwahrt werden. Er zitiert ausgiebig aus Dokumenten und ist sehr freigiebig mit Namen und Daten, um bei den Lesern den Eindruck von Authentizität und Belegbarkeit zu erwecken, allerdings läßt die Akkuratesse dieser Zitate häufig zu wünschen übrig. So wird aus Walter Horn derjenige, der die Heilige Lanze für die Vereinigten Staaten in Besitz nimmt, nachdem er durch
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Abb. 12: Bucllllmscillng zu Trevor Rnvenscroft, Tile Spenr of Destiny, 1973. (Piwto: Volker Schier.)
Nachforschungen und Vernehmungen Zugang zu den Schlüsseln und den Code für die Panzertüren des Bunkers erhalten hatte. Ravenscroft gibt Horns Dienstnummer an, schreibt dann allerdings, daß Horn nach dem Krieg "lecturer" am Institut für Soziologie der Universität Berkeley wurde. Tatsächlich wurde Horn Professor für Kunstgeschichte und Experte für frühmittelalterliche Kunst. Die Ausführungen Ravenscrofts enthalten zahlreiche Zitier- und Schreibfehler: So wird etwa aus dem Obersalzberg "Ober Salzburg", aus Konrad Fries konsequent "Konrad Freis"45 •
Inspirationen erhielt Ravenscroft von einigen Vorlagen, auf deren Verwendung er jedoch nicht hinweist. Unter ihnen war etwa ein Artikel von Frank Waters, der am 13. August 1945 in der süddeutschen Ausgabe der Zeitung der amerikanischen Streitkräfte Stars and Stripes erschien und der die Wiederauftindung der aus dem Kunstbunker entfernten Insignien schildert. Waters berichtet: "Was wie ein schmutziges Garagentor aussieht, öffnet sich auf eine Betonrampe, die in das Innere des Berges hinabführt, auf dem die Burg steht. Doppelte Stahltüren eingebettet in Beton und mit elektrischen Sicherungen versehen bewachen die alten Tunnel der Burg, die modernisiert wurden, verschalt, elektrisch beleuchtet und klimatisiert. In diesen Gängen befanden sich Kunstschätze im Wert von mehren Millionen Dollar, die meist aus Sammlungen in Nürnberg stammen."
In Ravenscrofts Buch erhält das Motiv der Garage eine etwas andere Ausformung und der Kunstbunker generell weit größere Dimensionen. Das dargestellte Ambiente erinnert stark an die Kulisse eines James Bond-Films: "Der Tunnel wurde geräumt, verbreitert und auf 30 Meter in den Felsen erweitert; an seinem Ende wurde ein klimatisierter Bunker errichtet. Massive Stahltüren eingebettet in Beton bewachten den Eingang zu dem Tresor, in dem die Schätze gelagert werden sollten. [ ... ] Der Lastkraftwagen wurde durch die unschuldig aussehenden Garagentore des gegiebelten Hauses gefahren, das den Eingang des Tunnels unkenntlich machte. Die falsche Rückwand der Garage wurde geräuschlos zur Seite geschoben, und das Fahrzeug bewegte sich den geheimen Gang hinunter zu den riesigen eisernen Toren des Tresors 300 Meter unter der Burg aus dem elften Jahrhundert."46
In diese Kulisse flicht Ravenscroft an zentralen Stellen von ihm erfundene Begebenheiten ein: "Die Lichter wurden eingeschaltet; der Tresor hatte einen eigenen, von der Klimaanlage unabhängigen Generator. Leutnant Horn war als erster im Tresor. Der ganze Raum war vollgestopft mit Nazi-Beute von unzähligen Europäischen Nationen. Ruhend auf dem minutiös geschnitzten drei Meter hohen Altar, der aus der historischen Marienkirche in Krakau gestohlen wurde, stand ein uralter Lederbehälter. In dem Behälter, immer noch auf seinem verblaßten roten
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Samtkissen ruhend, war der Speer des Longinus."47
Der zerlegte und in Kisten verpackte Krakauer Altar des Veit Stoß war tatsächlich im Kunstbunker eingelagert, allerdings in einer anderen Zelle. Sonst führen die Inventarlisten jedoch kein weiteres geraubtes Kulturgut an.
Zu einem Problem für Ravenscrofts Darstellung wurde das Faktum, daß das angeblich bedeutendste Objekt der Sammlung, die Heilige Lanze, im Bunker verblieb, während Teile der Insignien ausgelagert wurden. Ravenscrofts Erklärungsversuch scheint dürftig und insgesamt wenig überzeugend: Es wäre selbstverständlich geplant gewesen, auch die Heilige Lanze zu evakuieren, allerdings sei sie in dem Ausführungsbefehl aus Berlin als Mauritiuslanze bezeichnet worden, ein Name, der in Nürnberg für Verwirrung gesorgt und zu einer Verwechslung mit dem Reichsschwert- dem Mauritiusschwert- geführt hätte. Nur deshalb sei sie im Kunstbunker verblieben. Gerade an dieser neuralgischen Stelle fehlt jeglicher Quellenbeleg.
Ein durchaus origineller Einfall von Ravenscroft besteht darin, daß er sich auf eine ganz besondere Fähigkeit von Johannes Stein als Informationsquelle für sein Buch beruft: Durch den Einsatz von Drogen soll dieser in der Lage gewesen sein, seine W ahrnehmung derart zu erweitern, daß er Zugang zu bis dahin unbekannten Informationen über die Heilige Lanze erlangen konnte. Auf diesen "Erkenntnissen" basiert etwa die Aussage, daß König Heinrich I. die Lanze nach England sandte, wo sie König Aethelstan mit in die Schlacht von Malmesbury gegen die Dänen nahm48 • Auf Steins Bewußtseinserweiterung scheint auch die Schilderung Hitlers- aus der Perspektive eines Ich-Erzählers- von einer frühen Begegnung mit der Heiligen Lanze in der Schatzkammer in Wien zurückzugehen- eine Zusammenkunft, die laut Ravenscroft Hitlers Schicksal bestimmen sollte, denn Ravenscroft bleibt gerade an dieser wichtigen Stelle einen Quellenbeleg schuldig: "Ein Fenster in die Zukunft wurde für mich geöffnet, durch das ich wie in einem Blitz eine zukünftige Begebenheit wahrnahm, durch die ich unwidersprüchlich erkannte, daß das Blut in meinen Adern eines Tages der Träger der Seele meines Volkes werden würde."49
Das Buch blieb den lebenden historischen Protagonisten nicht verborgen. So sahen sich auch die an der Auslagerungsaktion der Reichsinsignien beteiligten Nürnberger nun mit der fiktionalen Darstellung ihrer Handlungen konfrontiert: Julius Lincke wurde offensichtlich als erster auf das Buch aufmerksam und kontaktierte Schmeissner und Fries. Konrad Fries nahm im Jahr 1982 in einem achtseitigen Brief an Schmeissner ausführlich zu Ravenscrofts Schilderung der Vorgänge im Kunstbunker Stellung und wies viele der dort aufgestellten Behauptungen zurück50• Eine Diskussion der detaillierten Kritik von
Fries würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Im Hinblick auf die Heilige Lanze bemerkte er: "Bis zu dem Augenblick, in dem ich jetzt Kenntnis von dem Buch Der Speer des Schicksals erhalten habe, habe ich nicht gewußt, daß sich in diesem Bunker auch der Speer des Longinus befand. Weder ich noch die anderen mit dem Kunst-Luftschutz befaßten Beamten der Stadt Nürnberg haben je etwas davon erfahren, daß sich Adolf Hitler besonders für diesen Speer interessiert hätte. Als die Reichskleinodien kurz vor Kriegsende, um sie vor den besonderen Gefahren dieses Kriegsendes zu schützen, besonders verwahrt wurden, hat niemand daran gedacht, in diesen besonderen Schutz auch den Speer des Longinus einzubeziehen."
Ungeachtet der zahlreichen historischen Verfälschungen sahen auch andere Autoren den großen Marktwert des Materials und inkorporierten die Kernelemente in ihre eigenen Fiktionen. Fünf Jahre nach dem Erscheinen von Ravenscrofts Spear of Destiny veröffentliche James Herbert den Roman The Spear51 •
Herbert war durch Bücher wie The Fog bekannt geworden, sogenannte "chiller fiction" mit Horror-Elementen und expliziter Beschreibung von Gewalt. In The Spear wird der Körper von Heinrich Himmler durch die Kraft der Heiligen Lanze wiederbelebt und am Leben erhalten. Eine Gruppe alter Nazis verbündet sich mit einflußreichen britischen Neonazis, um einen terroristischen Anschlag zu planen, der jedoch von einem mutigen Privatdetektiv vereitelt werden kann. Bezüge zu Ravenscrofts Interpretation der Heiligen Lanze werden schnell deutlich. Auch Herbert bezieht sich auf "Zeugen", wie Wolfram von Eschenbach, Richard Wagner, HeinrichHimmlerund Adolf Hitler, die alle die Macht der Lanze verspürt hätten. So berichtet einer der Alt-Nazis: "Hitler fand die Speerspitze im Wiener Hofburg Museum, als er wenig mehr war als ein Stadtstreicher und eine umfangreiche Untersuchung zu ihrer Geschichte unternahm. Schon zu dieser Zeit war sein Kopf gefüllt mit dem vergangenen Ruhm des deutschen Volkes- und dem Ruhm, der noch kommen würde. Er hatte auch Visionen von anderen Schlachten, die in anderen Dimensionen geführt würden, von mystischen Kriegen zwischen den Mächten Gottes und den Mächten des Teufels."52
Im Jahr 1979 wurde James Herbert von einem englischen Gericht aufgrund einer Plagiatanklage von Irevor Ravenscroft verurteilt53 • Der Fall ist im Hinblick auf Max Coulfields Artikel The Spear of Destiny sehr pikant: Der Richter sah es als erwiesen an, daß Herbert Irevor Ravenscrofts Buch The Spear of Destiny plagiiert hätte, um- wie es der Richter in der Urteilsbegründung zusammenfaßte - seinem fiktionalen Werk durch den geistigen Diebstahl den Anschein von Authentizität zu geben. Herberts Romane, etwa The Fog, wurden teilweise zu Vorlagen für erfolgrei-
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ehe Kinofilme, und es darf durchaus gemutmaßt werden, daß der finanziell sehr einträgliche Verkauf von Filmrechten der eigentliche Grund für die Klage war: Ravenscroft, dessen Buch in den siebziger Jahren offenbar kein großer Erfolg beschieden war, versuchte für längere Zeit vergeblich, die Filmrechte an The Spear of Destiny zu verkaufen.
Herbert hätte mit seiner Romanvorlage zu einer ernsten Konkurrenz für Ravenscroft werden können. Deutlich wird, daß sich bereits Ende der siebziger Jahre ein Markt für die Themen Drittes Reich und Okkultismus entwickelt hatte, in dem Geld zu verdienen war. Auch der Richter ging von einem erheblichen wirtschaftlichen Potential aus: "Man darf die kommerzielle Attraktivität des Mülls nicht unterschätzen, den ich versucht habe zu beschreiben."54 Allerdings verwundert es nach wie vor, daß- selbst in Unkenntnis von Ravenscrofts eigenem Plagiat von Coulfields Zeitungsartikel - ein englisches Gericht dem Werk von Ravenscroft durch ein rechtskräftiges Urteil dokumentarischen und wissenschaftlichen Wert bescheinigen konnte, eine qualitative Beurteilung, die dem Gericht durch die Plagiatanklage in keiner Weise aufgetragen war.
In den achtziger Jahren schließlich wird das Motiv der Heiligen Lanze, die mit unfaßbaren übernatürlichen Kräften ausgestattet ist, in die sich entwickelnden globalen Konspirationstheorien eingebunden und in diesem subkultureilen Bereich ständig weiter ausgebaut. Im Jahr 1988 veröffentlichten die beiden Autoren Howard Buechner und Wilhelm Bernhart das Buch Adolf HitZerand the Secrets of the Holy Lance55•
Buechner, zugleich der Verleger des Buches, beschreibt sich in der angefügten Kurzbiographie als amerikanischer Militärarzt, der im Jahr 1945 an der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau beteiligt war. Bernhart hingegen sei das Pseudonym eines angeblichen deutschen V-Boot-Offiziers, der im Zweiten Weltkrieg Dienst tat. Das Buch beginnt dort, wo Ravenscrofts Geschichte endet: Am Ende des Zweiten Weltkriegs wird die Lanze in letzter Minute aus dem eingeschlossenen Berlin gerettet. Bernhart behauptet von sich, einer der Offiziere von U 530 gewesen zu sein, einem von zwei speziell ausgerüsteten U-Booten, mit denen die Heilige Lanze und andere Objekte nach Neuschwabenland gebracht wurden, dem von den Nationalsozialisten beanspruchten Teil der Antarktis, wo sie in einer Eishöhle versteckt wurden. Die Diskrepanz zu der in der Weltlichen Schatzkammer verwahrten Heiligen Lanze erklären sie damit, daß das Wiener Objekt eine Kopie sei, die von einem japanischen Waffenschmied auf Anweisung Himmlers angefertigt worden wäre. Buechner und Bernhart sprechen in ihrem Vorwort vielen Personen, teils mit Doktor- oder Professor-Titeln, für die Mithilfe beim Zustandekommen des Buchs ihren Dank aus. Auch hier ist es primär der Wunsch nach einer Auto-
risierung der sehr fragwürdigen Geschichte, der hinter den Verweisen auf "Experten" versteckt ist. Allerdings gelingt es den Autoren nicht immer, dem Leser tatsächlich verifizierbare Informationen zukommen zu lassen. So danken sie etwa sehr vage einer "Mrs. Helen Huppertz, Am Bahnhof, West Germany", für die Hilfe bei der Bildrecherche.
Ebenfalls 1988 erschien Leo Rutmans Roman Spear of Destiny, der den Showdown zwischen Nazi-Agenten und dem jüdisch-amerikanischen Piloten Sam Siegel, einst ein gefeierter Football-Star, in das Spanien der Revolution und nach New York verlegt"'. Zwei Kommilitonen aus Siegels Studentenzeit an der Columbia University hatten die "Heliga Lance" aus der Hofburg geraubt und werden daraufhin von den Nazis gejagt und getötet. Der Speer bleibt zunächst verschwunden, taucht dann jedoch in New York wieder auf. Am Ende gelingt es den Nazi-Agenten jedoch, den Speer wieder in ihren Besitz zu bringen, Sam Siegel überlebt. Besonders hat es Rutman das Motiv des impotenten Klingsor angetan, das Ravenscroft fälschlicherweise aus Wolframs Parzifal herleitet. Der Führer der Geheimgesellschaft der Assasiniden, die in den Besitz des Speers kommen will, ist wie Klingsor "weich zwischen den Beinen", ein direktes Zitat aus Ravenscrofts Buch57.
Nur ein Jahr später folgte die Fortsetzung der Lanzensaga von Buechner und Bernhart, Hitler's AshesSeeds of a New Reich, die den Orden der Ritter der Heiligen Lanze in das Zentrum stellt. Ritter dieses geheimen Ordens hätten im Jahr 1979 die Heilige Lanze aus der antarktischen Eishöhle gerettet und würden sie nun an einem geheimen Ort in Deutschland verwahren, um sie für das Gute einzusetzen. Abgebildet werden einige "Devotionalien", die zusammen mit der Heiligen Lanze aus dem ewigen Eis geholt worden waren, darunter die Asche von Adolf Hitler und Eva Braun. Die angeblichen Überreste werden zu einem kleinen Teil in einem "Reliquiar" verwahrt, einer groben Holzkiste mit Glasscheibe auf der Oberseite und aufgeklebten Briefmarken der Reichspost. Der Großteil der Asche befindet sich in einer Urne in Pokalform. Dieses ebenfalls im Buch abgebildete Objekt findet ein frappantes Pendant in der Urne aus der satirischen Filmkomödie Schtonk aus dem Jahr 1991. Der von Uwe Ochsenknecht gespielte Fälscher Fritz Knobel versucht, eine Urne mit der Asche von Hitler und Braun, tatsächlich Asche aus seinem Ofen, an den Journalisten Wilhelm Willü~, gespielt von Götz George, zu verkaufen.
Auch ein anderer Autor, Trevor Ravenscroft, dachte an eine Fortsetzung seines Werks, möglicherweise inspiriert von der steigenden Bekanntheit der Heiligen Lanze und motiviert von dem verspätet einsetzenden Erfolg seines ersten Buches. Ravenscroft veröffentlichte gemeinsam mit Tim Wallace-Murphy das Buch The Mark of the Beast: The Continuing Story of
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the Spear of Destiny, im wesentlichen eine wenig logische Fortführung von Elementen aus The Spear of Destiny58• In welchem Umfang Trevor Ravenscroft an der Formulierung des Textes beteiligt war, geht aus dem Buch nicht hervor. Hauptthema dieses Aufgusses ist nach wie vor die Macht des Speeres, die nicht nur in der Vergangenheit eine Gefahr war, sondern auch in der Zukunft eine Bedrohung sein wird. "Der Zweck dieses zweiten Bandes ist es, Ihnen- dem Leser - zu ermöglichen, die Kräfte des Speers zu nutzen, um neue und tiefere Einsichten in das sich entfaltende Muster ihres eigenen Lebens zu erhalten." Die Antwort, wie die Kräfte von jedem einzelnen genutzt werden können, bleiben die Autoren letztendlich aber schuldig. Wenige Sätze später berichten sie vom apokalyptischen Charakter ihrer Aufgabe: ,,Indem wir diese Fähigkeiten nutzen, die mit dem Speer des Schicksals verbunden sind, werden wir den bemerkenswerten mythologischen Symbolismus in der Offenbarung des Johannes sowohl in umgangssprachlichen, wie auch in rationalen und wissenschaftlichen Worten interpretieren. Und auf diese Weise werden wir den Ursprung der kommenden globalen Katastrophe am Beginn einer Epoche beschreiben, die im Erscheinen des großen Diktators und des Antichristen kulminieren wird."59
Repetitiv, wenn auch im Vergleich zu The Spear of Destiny in ihrer Zahl stark reduziert, sind die Belege für die vorgebrachten Thesen. Wie bereits zuvor halten sie auch diesmal einer kritischen Überprüfung nicht stand: So habe nach der Behauptung der Autoren das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal festgestellt, daß Hitler in jener Nacht den Entschluß zur Vernichtung der europäischen Juden gefaßt hätte, in der er sich der Heiligen Lanze bemächtigen konnte. Nationalistisch geprägt ist nicht nur die Darstellung der Hegemonie Hitlers, sondern auch das Bild, das der Leser vom Gedankengut der beiden Autoren erhält: Sie zeichnen das fragwürdige Bild von geeinten "Volksseelen", die sich jeweils in Großbritannien und Deutschland entwickelt hätten und denen sich die Herrschenden verschrieben hätten. Im Hinblick auf die wertende Kategorisierung von angeblich identifizierbaren nationalen Charakteren scheinen die ideologischen Aussagen von Ravenscroft und WallaceMurphy der völkischen Ideologie der Nationalsozialisten nicht ganz unähnlich. Die britische Volksseele wäre demnach von Alfred dem Großen, einem König der Angelsachsen im 9. Jahrhundert, geformt worden und hätte bis zum Tod von Winston Churchill Bestand gehabt. Ihre letzte Aufgabe sei der Sieg über Nazi-Deutschland gewesen.
Seit Beginn der neunziger Jahre ist eine deutliche Zunahme der "Print"-Publikationen zur Heiligen Lanze zu beobachten, die zu einer Festigung der populären Lanzen-Legende geführt haben. Im Jahr 1992 erschien Legend of the Holy Lance, A Novel von Bill
Still60 • Dieser Roman erhebt einen besonderen Anspruch auf historische Authentizität, den der Autor folgendermaßen pointiert: "Die Heilige Lanze des Longinus ist echt. Die historische Basis, auf der dieses fiktionale Werk ruht, ist so akkurat, wie es eine Geschichte, die auf einer alten Legende basiert, nur sein kann." Wichtige "Fakten" entnimmt Still den zuvor besprochenen Publikationen, allen voran den Büchern von Buechner und Bernhart, ohne daß er direkt aus ihnen zitiert: So berichtet Still, daß die Heilige Lanze aus der Antarktis gerettet wurde, daß aber nur der in Spandau einsitzende Rudolf Hess den jetzigen Aufenthaltsort kenne. Die Rahmenhandlung ist auch in diesem Fall sehr stereotyp in der Darstellung eines für den unkritischen Zeitgenossen nicht erkennbaren Bedrohungsszenarios: Die ganze Welt wird durch zwei rivalisierende Geheimgesellschaften kontrolliert, die schwarzen Ritter, die sich offen zur dunklen Macht bekennen, und die weißen Ritter, die zwar den Anspruch erheben, das Gute zu vertreten, insgeheim jedoch auch nach der Weltherrschaft streben. Beide Geheimgesellschaften hätten bereits großflächig die Regierung der Vereinigten Staaten unterwandert. Der amerikanische Ableger der Schwarzen Ritter ist die "Skull and Bones Society", deren Hauptquartier sich an der Yale Universität befindet. Der Reporter Jim Windsor untersucht die Aktivitäten der Gesellschaft im Auftrag der Washington Post, da ein amerikanischer Vizepräsident mit YaleAbschluß einer der potentiellen Präsidentschaftskandidaten ist. Für den Leser wird schnell deutlich, daß George Bush Senior gemeint ist, den Still hinter der Figur des Harriman Schiff versteckt. Beide Gesellschaften werden von deutschen Nationalisten kontrolliert, die nach der Wiedervereinigung Deutschlands streben. Auch in diesem Roman ist die Lanze das Instrument, durch deren Kräfte Sieg und Macht errungen werden sollen. Der Zugang zu diesen Kräften der Lanze ist jedoch durch eine Besonderheit eingeschränkt: Nur ein echter Merowinger kann die Lanze berühren. Für Still entstammen die Merowinger der illegitimen Verbindung von Jesus Christus mit Maria Magdalena, die Christus seine Göttlichkeit kostete und zu seiner Degradierung auf den Status eines Propheten führte. Während Hitler sich an der Heiligen Lanze die Hände verbrannte, konnte sie Heinrich Himmler - ein Merowinger -berühren. Still führt die Geschichte der Heiligen Lanze bis weit vor die Zeitenwende zurück. Es sei im Jahr 3062 vor Christus gewesen, als der Schmied Tubal-Kain die Lanze aus dem Metall eines Meteoriten geschmiedet hätte, zu jener Zeit die einzige Quelle für hochwertige Eisenlegierungen. Still bringt somit zum Ausdruck, daß die Geschichte der Heiligen Lanze sowohl in bezug auf ihre Vergangenheit als auch auf ihre Zukunft endlos ist. Die mechanische Umformung des Materials des Meteoriten in die Heilige Lanze veränderte nämlich
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nur die Form, nicht aber die immanenten Eigenschaften. Die Lanze wird somit zu einem extraterrestrischen Objekt.
Kein Roman, aber auf die okkulte Literatur um die Heilige Lanze fixiert ist das Buch HitZerand the Occult aus dem Jahr 199561 • Der australische Journalist Ken Anderson bemüht sich, Trevor Ravenscrofts Thesen über die dunkle Macht der Heiligen Lanze zu widerlegen. Die notwendige und zumeist auch erfolgreiche Auseinandersetzung mit den "Fakten" zwingt Anderson jedoch dazu, Ravenscrofts Buch über Gebühr ernst zu nehmen. Er wendet sich mit seiner Kritik direkt an Ravenscrofts Leser und bekennt sich somit zu dem Sensationalismus, dem The Spear of Destiny seinen Erfolg verdankt.
Der einzige deutschsprachige Lanzenroman, der in Szenekreisen zu einem Erfolg wurde, ist Die schwarze Sonne von Tashi Lhunpo. Der Autor verbirgt sich hinter dem anglophonen Pseudonym Russell McCloud, seine Sprache weist nach Österreich62• Die dritte Auflage des Buchs erschien im Jahr 1997; Hinweise auf reale Personen lassen den Schluß zu, daß die Erstauflage Mitte der neunziger Jahre publiziert wurde. Die Geschichte des Romans beginnt im Jahr 1938 in Wien, als Hitler die Heilige Lanze an sich nimmt und die Urkräfte des Objekts zu spüren bekommt, die bei der Kontaktaufnahme auf ihn übergehen. Der nächste Akt spielt bereits am Ende des Krieges in Nürnberg: Captain Walter Thomson dringt in den Kunstbunker ein und sichert die Lanze für die Alliierten. In dem Moment, in dem Thomson die Lanze findet, erschießt sich Hitler in Berlin. Ausgehend von dieser bekannten und konventionellen Exposition entwickelt der Autor die eigentliche Geschichte: Der Österreichische Journalist Hans Weigert untersucht im frühen 21. Jahrhundert einen Anschlag auf den Präsidenten der Europäischen Zentralbank Er wird durch seine Recherchen in ein Kompl0tt hineingezogen, das sich als Kampf zweier Geheimgesellschaften entpuppt, der Agarthi und der Schamballah, beides Nachkommen und Wiedergeburten von "Menschen von Thule" - Bewohner des verschollenen Atlantis mit geheimem Wissen und Macht, die seit der Zerstörung ihrer Heimat unter den "gewöhnlichen" Menschen leben. Ein Streit im Hinblick auf den Zweck ihres Daseins war unter ihnen entbrannt, und so hatten sich die zwei Gruppen gebildet, die einander mit äußerster Vehemenz bekämpfen. Die Schamballah sind die treibende Kraft hinter den Freimaurern und kontrollieren nicht nur die UNO mit ihren Organisationen, sondern auch den internationalen Geldmarkt. Die Agarthi entpuppen sich bei näherer Betrachtung als arische Superrasse. Sie hatten durch die Thule-Gesellschaft schon früh die NSBewegung unterwandert und teilweise kontrolliert; am Ende des Krieges zerstreuten sich die Agarthi in alle Welt auf der Suche nach dem Wiedererstehen ei-
ner "neuen Zeit" und in der Hoffnung darauf. Weigert erkennt diese Zusammenhänge nach und nach bei seinen Recherchen auf der Wewelsburg bei Faderborn. In Tibet findet er schließlich heraus, daß dieser letzte Schritt unmittelbar bevorsteht. Das notwendige Symbol, um die "neue Zeit" entstehen zu lassen, ist die Heilige Lanze, die von den Agarthi aus der Wiener Schatzkammer geraubt und auf die Wewelsburg gebracht wird, wo das entscheidende Ritual stattfinden soll. In letzter Sekunde kann Weigert dies verhindern; er nimmt die Lanze an sich und versenkt sie in einem Bergsee in Österreich, um zukünftigen Schaden zu vermeiden, denn der Kampf zwischen Scharnballah und Agharti wird weitergehen.
Der Roman sieht zunächst wie eine weitere Ausformung des bekannten Metatexts der Verschwörungstheoretiker aus, in dem auf die immer gleichen Elemente zurückgegriffen wird, aufbereitet für eine Gruppe Eingeweihter, die sich bereits vor der Lektüre des Buches einer neuen Weltsicht verschrieben haben und nicht erst von der Konspiration überzeugt werden müssen. Der Verlag weist im Klappentext dezidiert auf die Notwendigkeit der Deutung hin, die das Buch von einer Fiktion unterscheidet. Die Analyse zeigt die Fragwürdigkeit, wenn nicht gar Gefährlichkeit des enkodierten Gedankenguts: Anklänge an Rassenideologie und der Verdacht der politisch-finanziellen Weltkonspiration einer Gruppe zeigen deutliche Parallelen zu nazistischer Ideologie. Das Buch wird von einem zunächst harmlos erscheinenden Esoterik-Verlag in Thüringen verlegt und vertrieben, dem allerdings Bindungen an die Neonazi-Szene nachgesagt werden und der deshalb unter der Beobachtung des deutschen Verfassungsschutzes steht63•
Seit Mitte der neunziger Jahre erhalten einige der Lanzen-Romane einen auffällig religiös gefärbten Grundton, obwohl die Rahmenhandlungen nach wie vor auf Abwandlungen der bekannten Themenkomplexe von Okkultismus und Streben nach Weltherrschaft beruhen: In Clint Kellys The Aryan aus dem Jahr 1995 versucht eine neonazistische Terrorgruppe, sich der zentralen Reliquien der katholischen Kirche zu bemächtigen, um durch die geballte Macht der Objekte die Kontrolle über die Regierungen der Welt zu erringen. Das letzte und auch wichtigste Objekt, das den Terroristen in die Hände fällt, ist die Heilige Lanze. So schwach wie Kellys Handlung sind auch seine wiederholten Zitate aus der einschlägigen Lanzenliteratur. So ist es bei Kelly nicht Walther Horn, der die Lanze für die Alliierten in Besitz nimmt, sondern fälschlich William Horn. Letztendlich wird der Plan der Terroristen dadurch vereitelt, daß die Behörden glaubhaft vorgeben, sie hätten nur eine "kraftlose" Kopie der Lanze erbeutet.
In durchaus weltlicher James Bond-Manier ist die Handlung von Richard Greenwaids Roman Spear of Golgatha aus dem Jahr 1996 gesponnen64• Greenwald
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zieht alle Register der Abenteuerliteratur: Es gibt wilde Verfolgungsjagden auf Harley Davidson-Motorrädern, Sex, biomagnetische Felder, alternde Nazis und glühende Kreuze. Im Zentrum steht ein Komplott ehemaliger Nazis, die sich durch ihre unauffälligen Berufe in der bundesdeutschen Gesellschaft verstecken konnten, jedoch nie das Ziel einer erneuten Machübernahme aufgegeben haben. Zentrales Objekt der Verschwörung ist wieder die Heilige Lanze, die aus einem in der Karibik gesunkenen deutschen U-Boot geborgen worden war.
Ausgeprägt missionarische Züge weist der Roman The Spear ofTyranny: A Prophetie Novel von Grant R. Jeffrey und Angela Hunt aus dem Jahr 2000 auf (Abb. 13)65 • Es ist durchaus symptomatisch, daß das Buch bei einem Verlag im Konzern von Thomas Nelson erschien, einem der größten Bibelverlage Nordamerikas. Nach einem dritten Weltkrieg nutzt Adrian Ramulus den allgemeinen Wunsch nach Frieden aus, um sich selbst zu einem Weltführer küren zu lassen, der nach dem Grauen des Kriegs eine friedvolle Zukunft verspricht. Hinter der fürsorglichen Maske verbergen sich jedoch böse, satanische Absichten: Durch die Inbesitznahme der Heiligen Lanze, die sich Ramulus als eine seiner ersten Amtshandlungen aus der Weltlichen Schatzkammer in Wien bringen läßt, und den Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem will er ein Reich des Bösen schaffen, in dem er der neue Hohepriester ist. Nur eine Gruppe von Juden widersetzt sich diesen Plänen. Sie weigern sich, sich die obligaten Mikrochips implantieren zu lassen, durch die Ramulus die totale Kontrolle über die Menschheit bekommt. Der militante Widerstand formiert sich im Untergrund, und Schritt für Schritt erkennen die Juden die Wahrheit der biblischen Schriften und Prophezeiungen.
Ebenfalls religiös geprägt und mit missionarischen Elementen versehen ist der Roman Songs of Zion von Larry L. Colbert aus dem Jahr 200166 • Colbert fand eine bessere literarische Lösung für den von anderen Romanciers übergangenen Umstand, daß Hitler im Verlauf des Zweiten Weltkriegs zunehmend militärisch in Bedrängnis geriet, obwohl er ja im Besitz der Heiligen Lanze war. Einige Elemente der Rahmenhandlung erinnern an Leo Rutmans Roman: Es gelingt einer jüdischen Untergrundgruppe im Jahr 1942, die Heilige Lanze aus dem streng bewachten Nürnberger Kunstbunker zu entwenden und durch eine Kopie zu ersetzen. Ziel der Aktion ist es, Hitler zu destabilisieren. Nur Himmler bemerkt den Diebstahl, will den Verlust aber vor Hitler geheimhalten. Eingeweihte 55-0ffiziere erhalten von Himmler den Auftrag, die Lanze unter allen Umständen zurückzuholen, was ihnen schließlich in einer Jagd von Berlin nach Neapel und schließlich Nordafrika gelingt. Inmitten von Chaos und Gefahr interessiert sich die am Komplott beteiligte Jüdin Lexi zunehmend für die
Texte der Bibel. Colbert entnimmt sein Hintergrundwissen über die Lanze und den Kunstbunker zum größten Teil Ravenscrofts Buch. Längere Passagen werden fast wörtlich übernommen, und so begegnen dem Leser auch im jüngsten Lanzenroman bereits bekannte Motive wie das Garagentor in der Oberen Schmiedgasse, die in Beton eingebetteten Bunkertüren, Kohns Bank und das rote Samtkissen.
Die Heilige Lanze im Comic Auch in einem anderen traditionellen Print-Medium konnte sich die Heilige Lanze fest etablieren: Darstellungen der Heiligen Lanze tauchen als wiederkehrendes Element in einigen Comic-Serien immer wieder auf. Belegt sind sie mit Bedeutungsschemata, die überwiegend denen der Romanliteratur entsprechen.
In The Last Days of the Justice Society of America, erschienen im Jahr 1986, gelingt es Hitler mit Hilfe der Heiligen Lanze tatsächlich, die Welt zu zerstören -der Einfluß der einschlägigen Lanzenliteratur ist auch hier unverkennbar. Die Justice Society of America, eine Gruppe bekannter Comic-Helden, will die Tat Hitlers ungeschehen machen. Die einzige Möglichkeit zur Umkehrung der Ereignisse besteht darin, daß sich die Comic-Figuren in eine parallele Welt begeben, die von germanischen Göttern beherrscht wird. Dort wird der Kampf zwischen Gut und Böse ausgefochten.
Im Jahr 1995 erschien Indiana Jones and the Spear of Destiny, eine Serie von vier Heften, in denen die Protagonisten der drei lndiana Jones-Filme nach bekanntem Strickmuster erneut gegen das okkulte Böse antreten67. Wie schon in den Filmen Jäger des verlorenen Schatzes und Indiana Jones und der letzte Kreuzzug bekommt dieses Böse ein Gesicht bzw. eine Uniform mit allgemeinem historischen Wiedererkennungswert Die schwarze Uniform der SS, der Trenchcoat der Nazi-Agenten und ihre Luger-Pistolenbezeichnen den Gegner. Ohne Rücksicht auf Kosten und Verluste befinden sich die Agenten erneut auf der Suche nach einem Objekt mit gewaltigen und unkontrollierbaren Kräften, das in den Dienst ihrer Bewegung gestellt werden soll. Der Gegner wird sich gegen diese Kräfte nicht schützen können, sollte es tatsächlich gelingen, diese einer "unfriedlichen" Nutzung zuzuführen. Waren diese Super-Objekte in den Indiana Jones-Filmen die Bundeslade und der Gral, so ist es im Comic die Heilige Lanze, die durch das Duo von Vater und Sohn Jones- mit den bekannten Gesichtszügen von Harrison Ford und Sean Connery - vor dem Zugriff der Nazi-Schergen gerettet werden muß (Abb. 14). Die Autoren des Comic finden eine neue Variante, um die offensichtliche Diskrepanz zwischen dem unscheinbaren und offenkundig wirkungslosen Objekt in der Wiener Schatzkammer und einer unheilvollen Superwaffe zu überbrücken: Erst durch die Einheit von
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Abb. 13: Buchumschlag zu The Spear of Tyranny von Grant R. feffrey und Angela Hunt, 1973. (Piwto: Volker Schier.)
Texte der Bibel. Colbert entnimmt sein Hintergrundwissen über die Lanze und den Kunstbunker zum größten Teil Ravenscrofts Buch. Längere Passagen werden fast wörtlich übernommen, und so begegnen dem Leser auch im jüngsten Lanzenroman bereits bekannte Motive wie das Garagentor in der Oberen Schmiedgasse, die in Beton eingebetteten Bunkertüren, Kohns Bank und das rote Samtkissen.
Die Heilige Lanze im Comic Auch in einem anderen traditionellen Print-Medium konnte sich die Heilige Lanze fest etablieren: Darstellungen der Heiligen Lanze tauchen als wiederkehrendes Element in einigen Comic-Serien immer wieder auf. Belegt sind sie mit Bedeutungsschemata, die überwiegend denen der Romanliteratur entsprechen.
In The Last Days of the Justice Society of America, erschienen im Jahr 1986, gelingt es Hitler mit Hilfe der Heiligen Lanze tatsächlich, die Welt zu zerstören -der Einfluß der einschlägigen Lanzenliteratur ist auch hier unverkennbar. Die Justice Society of America, eine Gruppe bekannter Comic-Helden, will die Tat Hitlers ungeschehen machen. Die einzige Möglichkeit zur Umkehrung der Ereignisse besteht d arin, daß sich die Comic-Figuren in eine parallele Welt begeben, die von germanischen Göttern beh errscht wird. Dort wird der Kampf zwischen Gut und Böse ausgefochten.
Im Jahr 1995 erschien Indiana Jones and the Spear of Destiny, eine Serie von vier Heften, in denen die Protagonisten der drei Indiana Jones-Filme nach bekanntem Strickmuster erneut gegen das okkulte Böse antreten67. Wie schon in den Filmen Jiiger des verlorenen Schatzes und Indiana Jones und der letzte Kreuzzug bekommt dieses Böse ein Gesicht bzw. eine Uniform mit allgemeinem historischen Wiedererkennungswert Die schwarze Uniform der SS, der Trenchcoat der Nazi-Agenten und ihre Luger-Pistolen bezeichnen den Gegner. Ohne Rücksicht auf Kosten und Verluste befinden sich die Agenten erneut auf der Suche nach einem Objekt mit gewaltigen und unkontrollierbaren Kräften, das in den Dienst ihrer Bewegung gestellt werden soll. Der Gegner wird sich gegen diese Kräfte nicht schützen können, sollte es tatsächlich gelingen, diese einer "unfriedlichen" Nutzung zuzuführen. Waren diese Super-Objekte in den Indiana Jones-Filmen die Bundeslade und der Gral, so ist es im Comic die Heilige Lanze, die durch das Duo von Vater und Sohn J ones - mit den bekannten Gesichtszügen von Harrison Ford und Sean Connery - vor dem Zugriff der Nazi-Schergen gerettet werden muß (Abb. 14). Die Autoren des Comic finden eine neue Variante, um die offensichtliche Diskrepanz zwischen dem unscheinbaren und offenkundig wirkungslosen Objekt in der Wiener Schatzkammer und einer unheilvollen Superwaffe zu überbrücken: Erst durch die Einheit von
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Abb. 13: Budrumschlag zu The Spear ofTyranny von Grant R. feffrey und Angeln Hunt, 1973. !Photo: Volker Schier.)
Abb. 14: Buchumschlag zu "Indiana Jones and the Spear ofDesliny" von Elaine Lee, Will Simpson und Dan Spiegle, Bd. 4, 1995. (Photo: Volker Schier.)
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Lanzenspitze und ursprünglichem Schaft erhält die Lanze ihre ungeahnte Kraft. Beide Teile für sich sind harmlos. Hitler, der bereits die Lanzenspitze unter seiner Kontrolle hat, läßt im Jahr 1945 in England, Irland und Wales- den Schauplätzen der Geschichtenach dem Schaft suchen. Am Ende des vierten Hefts wird die gewaltige Dimension der unsichtbaren Bedrohung, der die Menschheit durch das mutige Eingreifen von Indiana Jones entgangen ist, mit einer verständlichen Analogie verdeutlicht: Die Heilige Lanze wird vor einer Wolke gezeigt, die unschwer als Atompilz auszumachen ist (Abb. 15). Über der Wolke steht der Satz: "Es wird gesagt, daß derjenige, der den Speer besitzt und sein Geheimnis löst, das Schicksal der Welt in seiner Hand hat ... zum Guten oder Bösen." Abgerufen wird somit die allgemeine Angst vor einer anderen, durch die menschlichen Sinne ebenfalls nur in ihrer entfesselten Wirkung faßbaren Kraft: der des Atoms.
DieProtagonistindes Comic Darkness: The Spear of Destiny aus dem Jahr 2000 ist Magdalena, die Agentin des Vatikan für ganz besondere Aufgaben68 • Der Comic fesselt primär durch seine bunten und detailreichen Bilder, die Handlung an sich ist durch die häufigen "Bild"-Fetzen und Rückprojektionen nicht immer leicht zu verfolgen. Jeder Leser ist gefordert, die nichtlineare Erzählstruktur der Geschichte für sich dadurch zu klären, daß er wichtige, nicht-verbalisierte Details aus dem visuellen Bereich durch das Studium der Bilder ergänzt. Es gibt nicht nur eine Magdalena: Eine kontinuierliche Abfolge von Magdalenen reicht zurück bis zur biblischen Figur der Maria Magdalena. Jede Magdalena wird durch einen Ritus, der an eine Kombination aus christlicher Taufe und Eucharistie erinnert, für ihr Amt geweiht und erhält hierdurch Zugang zu der geheimen Kraft, die es ihr ermöglicht, im Kampf gegen das Böse zu bestehen. Eine Magdalena hatte Hitler am Ende des Zweiten Weltkriegs die Heilige Lanze abgenommen und hierdurch seine Macht gebrochen (Abb. 16), eine andere Magdalena erhält nun die Lanze als ihre Waffe ausgehändigt (Abb. 17). Ihr Auftrag ist es, den New Yorker Gangsterboß Jackie Estacado zu töten, die menschliche Maske des personifizierten Bösen. Allerdings war diese Magdalena vor ihrem Einsatz nicht dem Initiierungsritus unterzogen worden, sie war somit verwundbar und ihrem Gegner nicht gewachsen. Aufgrund dieser Schwäche kann das Opfer den Anschlag abwenden, und der Gegner vermag- schlimmer noch - Magdalena die Lanze zu entreißen. Im Kampf nimmt Estacado eine andere Gestalt an: Magdalena muß nun gegen ein Rieseninsekt mit Facettenaugen und vielen Köpfen und Hälsen kämpfen, ein Bild, das an Laokoons Kampf gegen die Schlangen erinnert. Da Magdalena die nötige Kraftzufuhr durch ihre Initiierung erst verspätet während des Kampfes erhält, ist sie nicht mehr in der Lage, diese Kraftzu-
Abb. 14: Bucllllmscl!lng w "!ndinrw jones nnd tl!e Spear of Destiny" von Elnine Lee, Will Simpson und Dn11 Spiegle, Bd. 4, 1995. (Plwto: Volker Scl!ier.)
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Lanzenspitze und ursprünglichem Schaft erhält die Lanze ihre ungeahnte Kraft. Beide Teile für sich sind harmlos. Hitler, der bereits die Lanzenspitze unter seiner Kontrolle hat, läßt im Jahr 1945 in England, Irland und Wales- den Schauplätzen der Geschichtenach dem Schaft suchen. Am Ende des vierten Hefts wird die gewaltige Dimension der unsichtbaren Bedrohung, der die Menschheit durch das mutige Eingreifen von Indiana Jones entgangen ist, mit einer verständlichen Analogie verdeutlicht: Die Heilige Lanze wird vor einer Wolke gezeigt, die unschwer als Atompilz auszumachen ist (Abb. 15). Über der Wolke steht der Satz: "Es wird gesagt, daß derjenige, der den Speer besitz t und sein Geheimnis lös t, das Schicksal der Welt in seiner Hand hat ... zum Guten oder Bösen." Abgerufen wird somit die allgemeine Angst vor einer anderen, durch die menschlichen Sinne ebenfalls nur in ihrer entfesselten Wirkung faßbaren Kraft: der des Atoms.
DieProtagonistindes Comic Darkness: The Spear of Des tiny aus dem Jahr 2000 ist Magdalena, die Agentin des Vatikan für ganz besondere Aufgabed8
. Der Comic fesselt primär durch seine bunten und detailreichen Bilder, die Handlung an sich ist durch die häufigen "Bild"-Fetzen und Rückprojektionen nicht immer leicht zu verfolgen. Jeder Leser ist gefordert, die nichtlineare Erzählstruktur der Geschichte für sich dadurch zu klären, daß er wichtige, nicht-verbalisierte Details aus dem visuellen Bereich durch das Studium der Bilder ergänzt. Es gibt nicht nur eine Magdalena: Eine kontinuierliche Abfolge von Magdalenen reicht zurück bis zur biblischen Figur der Maria Magdalena. Jede Magdalena wird durch einen Ritus, der an eine Kombination aus christlicher Taufe und Eucharistie erinnert, für ihr Amt geweiht und erhält hierdurch Zugang zu der geheimen Kraft, die es ihr ermöglicht, im Kampf gegen das Böse zu bestehen. Eine Magdalena hatte Hitler am Ende des Zweiten Weltkriegs die Heilige Lanze abgenommen und hierdurch seine Macht gebrochen (A bb. 16), eine andere Magdalena erhält nun die Lanze als ihre Waffe ausgehändigt (Abb. 17). Ihr Auftrag ist es, den New Yorker Gangsterboß Jackie Estacado z u töten , die menschliche Maske des personifizierten Bösen. Allerdings war diese Magdalena vor ihrem Einsatz nicht dem Initiierungsritus unterzogen worden, sie war somit verwundbar und ihrem Gegner nicht gewachsen. Aufgrund dieser Schwäche kann das Opfer den Anschlag abwenden, und der Gegner vermag - schlimmer noch - Magdalena die Lanze zu entreißen. Im Kampf nimmt Estacado eine andere Gestalt an: Magdalena muß nun gegen ein Rieseninsekt mit Facettenaugen und vielen Köpfen und Hälsen kämpfen, ein Bild, das an Laokoons Kampf gegen die Schlangen erinnert. Da Magdalena die nötige Kraftzufuhr durch ihre Initiierung erst verspätet während des Kampfes erhält, ist sie nicht mehr in der Lage, diese Kraftzu-
fuhr effizient einzusetzen. Im letzten Bild sehen wir sie an einem Kreuz hängen, nur bekleidet mit einem String, den Kopf nach vorne geneigt, die Füße mit Dolchen an das Holz des Kreuzes geheftet.
Am Beginn der Geschichte ist Magdalena mit dem Habit einer Nonne bekleidet, in den Kampf zieht sie jedoch in Stiefeln, engen Leggins, Top und einem weiten Umhang. Ihre Proportionen und ihre Haut sind denen einer Barbie-Puppe ähnlicher als denen einer realen Person. Die einzigen Elemente ihres Kampfanzugs, die auf ihren monastischen Hintergrund schließen lassen, sind mehrere Metallkreuze, eine Pieta und die Darstellung einer weiblichen Heiligen, die an allen Kleidungs- und Ausrüstungsstücken angebracht sind. Das Bild des Vamps, beladen mit religiösen Symbolen, erinnert an die skandalträchtigen Bühnenauftritte und Videoclips der Pop-Ikone Madonna aus den neunziger Jahren.
Wie Kombattanten auf ihrer Uniform nationale Embleme zur Kennzeichnung ihres Status tragen, so trägt Magdalena das Kreuz. Ihre Theologie basiert nicht auf Vergebung, sondern propagiert die Ausrottung des personifizierten Bösen, ein Konzept, von dem sich die katholische Kirche seit längerem getrennt hat. Die mächtigste Waffe in diesem Kampf ist die Heilige Lanze, deren Deutung jedoch nichts gemein hat mit der mittelalterlichen Interpretation der Lanze als Leidenswerkzeug, das zum Heilsgeschehen beitrug. Im Comic dient die Heilige Lanze nur dazu, Gewalt in ihrer einfachsten und archetypischen Form zu verkörpern: Sie ist spitz und scharf, und die für sie vorgesehene Aufgabe besteht darin, den Körper eines Feindes zu durchbohren.
Die Heilige Lanze im Internet Das populäre Bild der Heiligen Lanze am Ende des 20. Jahrhunderts und im frühen 21. Jahrhundert wird am intensivsten durch das internationale Datennetz des World Wide Web geprägt. Im Vergleich zu Publikationen auf Papier ermöglicht das Internet eine weitgehende Aufhebung der Trennung zwischen den medialen Formen: Texte, Bilder und Musik werden auf demselben Weg übermittelt und durch dasselbe Instrument, den Computer, wiedergegeben. Auch hebt das Internet den früher fundamentalen Unterschied zwischen Produzenten und Rezipienten auf. Das Zusammenführen und Weiterentwickeln auf der Basis von präexistenten Strukturen ist charakteristisch für eine neue Art der Gestaltung von Narrativen, denen die Unterscheidung zwischen Fiktion und Nonfiktion grundsätzlich fremd ist. Leistungsfähige Suchmaschinen ermöglichen in Sekundenbruchteilen die Suche nach Themen und Stichworten über Länder-, Kontinent- und Sprachgrenzen hinweg. Wie kein Medium zuvor ermöglicht das Internet den Austausch zwischen Individuen und Gruppen mit einer Affinität zu ähnlichem Gedankengut. Dies können politische
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Abb. 15: Lar1ze vor einem Atompilz, Tllustration in "Indiana jones and the Spear of Destiny" von Elaine Lee, Will Simpson und Dan Spiegle, Bd. 4, 1995. (Photo: Volker Schier.)
fuhr effizient einzusetzen. Im letzten Bild sehen w ir sie an einem Kreuz hängen, nur bekleidet mit einem String, den Kopf nach vorne geneig t, die Füße mit Dolchen an das H olz des Kreuzes geheftet.
Am Beginn der Geschichte ist Magdalena mit dem Habit einer Nonne bekleidet, in den Kampf zieht sie jedoch in Stiefeln, engen Leggins, Top und einem weiten Umhang. Ihre Proportionen und ihre Haut sind denen einer Barbie-Puppe ähnlicher als denen einer rea len Person . Die einzigen Elemente ihres Kampfanzu gs, die auf ihren monas ti sch en Hintergrund schließen lassen, sind mehrere Metallkreuze, eine Pieta und die Darstellung einer weiblichen Heiligen, die an allen Kleidungs- und Ausrüstungsstücken angebracht sind. Das Bild des Vamps, beladen mit religiösen Symbolen, erinnert an die skandalträchtigen Bühnenauftritte und Videoclips der Pop-Ikone Madonna aus den neunziger Jahren.
Wie Kombattanten auf ihrer Uniform nationale Embleme zur Kennzeichnung ihres Status tragen, so trägt Magdalena das Kreuz. Ihre Theologie basiert nicht auf Vergebung, sondern p ropagiert die Ausrottung des personifizierten Bösen, ein Konzept, von dem sich die katholische Kirche seit längerem getretmt hat. Die mächtigste Waffe in diesem Kampf ist d ie H eilige Lanze, deren Deutung jedoch nichts gemein hat mit der mittelalterlichen Interpretation der Lanze als Leidenswerkzeug, das zum Heilsgeschehen beitrug. Im Comic dient die Heilige Lanze nur dazu, Gewalt in ihrer einfachsten und archetypischen Form zu verkörpern: Sie ist spitz und scharf, und die für sie vorgesehene Aufgabe besteht darin, den Körper eines Feindes zu durchbohren .
Die Heilige Lanze im In ternet Das populäre Bild der Heiligen Lanze am Ende des 20. Jahrhunderts und im frühen 21. Jahrhundert wird am intensivsten durch das internationale Datennetz des World Wide Web gepräg t. Im Vergleich zu Publikationen auf Papier ermöglicht d as Internet eine weitgehende Aufhebung der Trennung zwischen den medialen Formen: Texte, Bilder und Musik werden auf demselben Weg übermittelt und durch d asselbe Ins trument, den Computer, wiedergegeben . Auch hebt das Internet den früher fundamentalen Unterschied zwischen Produzenten und Rezipienten auf. Das Zusammenführen und Weiteren twickeln auf der Basis von präexistenten Strukturen ist charakteristisch für eine neue Art der Gesta ltung von Narrativen, denen die Unterscheidung zwischen Fiktion und Nonfiktion grundsätzlich fremd ist. Leistw1gsfähige Suchmaschinen ermöglichen in Sekundenbruchteilen die Suche nach Themen und Stichworten über Länder-, Kontinent- und Sprachgrenzen hinweg. Wie kein Medium zuvor ermöglicht das Internet den Austausch zwischen Individuen und Gruppen mit einer Affinität zu ähnlichem Gedankengut. Dies können politische
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Abb. 15: Lanze vor einem Atompilz, /1/ustrntiou i11 "lndinnn fones and the Spenr of Destiny " von Elaine Lee, Will Simpso11 und Dan Spiegle, Bd. 4, 1995. (Photo: Volker Schier. )
Abb. 16: Magdalena nimmt Hit/er den Speer des Schicksals ab, Illustration in "The Oarkness- Spear of Destiny" von foe ßenitez, Peter Steigerwald, foe Weems und Tyson Wengler, Nr. 16, 2000. (Photo: Volker Schier.)
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Abb. 17: Umschlag zu Magdalena mit dem Speer des Schicksals, "The Darkness- Spear of Destiny" von ]oe Bmitez, Peter Steigerwald, joe Weems und Tyson Wengler, Nr. 16,2000. (Photo: Volker Schier.)
Gruppierungen mit einer gemeinsamen ideologischen Basis, jedoch auch opponierende Gruppen sein, deren Gegensätze auf divergierenden Interpretationen von Texten und Objekten beruhen.
Das Internet ist anarchisch: Etablierte Ordnungsmechanismen und Strukturen existieren nicht. Das Suchen von Informationen ist aus diesem Grund schwierig, denn die Suchmaschinen arbeiten auf der Basis von strukturlos definierten Wortverbindungen, die Inhalte und Aussagen der durchsuchten Texte bleiben ihnen völlig verborgen. Der Wegfall von Zugangsbeschränkungen bei der individuellen und kollektiven Informationsverbreitung, die im Fall der Druck- und elektronischen Massenmedien weiter Bestand haben und auf absehbare Zeit haben werden, hat unterschiedliche Konsequenzen für die Informationsqualität im Datennetz: Eine Reduktion oder forcierte Verbreitung von Information auf der Basis von Marketingerwägungen bleibt primär auf kommerzielle Angebote begrenzt, schränkt die sonstige Produktion und Weitergabe von Informationen jedoch nicht ein, sondern beeinflußt und überlagert sie höchstens im Hinblick auf eine prominentere Positionierung innerhalb der Suchmaschinen. Selektionsmechanismen, wie sie im Fall von wissenschaftlichen Publikationen durch Herausgeber und Verleger benützt werden, existieren nicht; eine notwendige Anpassung an etablierte Sichtweisen, um den Zugang zu Publikationsmöglichkeiten zu erhalten, entfällt somit. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, daß die Suchanfrage nach den Termini "Holy'' und "Lance" bei der populären Suchmaschine Google insgesamt 75.000 Treffer ergibt. Es wird schnell deutlich, daß sich bei weitem nicht alle Links auf die Heilige Lanze beziehen. So führt beispielsweise einer der Links zu einer Seite mit dem Lied Holy, Holy, Holy des Komponisten Steven Curtis Lance.
Die Dauerhaftigkeit des gedruckten Wortes ist nicht auf das neue Medium übertragbar: Auch wenn sich inzwischen gezeigt hat, daß Bits und Bytes noch viel geduldiger sind als sprichwörtlich das Papier, so sind elektronische Informationen doch vergänglich wie noch nie. Durch einen einzigen Mausklick werden Daten publiziert, durch weitere Mausklicks werden sie verändert oder wieder aus dem Datennetz entfernt. Häufig bleiben nur ihre digitalen Echos für eine kurze Zeit bestehen, nämlich so lange, bis die in das digitale Nichts führenden "Links" der Suchmaschinen turnusmäßig revidiert werden. Auch ändert sich die Strukturierung der Suchergebnisse ständig, ohne daß für die Nutzer die Ordnungsprinzipien der Suchmaschine nachvollziehbar wären.
An erster Stelle der Trefferliste steht im Moment eine Seite des Kunsthistorischen Museums in Wien69
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Zu lesen sind die Beschreibung des Objekts und eine Zusammenfassung seiner Geschichte, die auch im Führer der Schatzkammer abgedruckt ist. Die Heilige
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Lanze ist allerdings auch eines der Exponate im Museum of Unnatural Mystery, eine Seite, die ebenfalls am oberen Ende der Trefferliste zu finden isf0
• Der "Kurator" Lee Krystek beschreibt seine Sammlung selbstbewußt als ein "etwas bizarres Cyberspace Naturwissenschaftsmuseum für jedes Alter". Neben der Heiligen Lanze finden die Besucher dort auch einen "Saal der UFO-Rätsel", eine "verlorene Welt-Ausstellung" und eine "Dinosaurier-Safari". Die gewählte Metapher des Museums wird konsequent bis zum virtuellen "Museumsshop" fortgeführf1
• Als Besucher erhält man durchaus den Eindruck, daß der Einstieg in den E-Commerce die primäre Motivation für die Gründung des virtuellen Museums war.
Im Januar 2002 führte eine Seite, die sich als New Catholic Encyclopedia ausgibt, die Trefferliste an72
• Eine nähere Betrachtung zeigt jedoch, daß die Enzyklopädie gar nicht so neu ist, wie man vom Titel erwarten würde. Digitalisiert wurden nicht etwa die Artikel der aktuellen Ausgabe, sondern die Edition des Jahres 1910, deren Copyright inzwischen erloschen ist. Die zahlreichen kommerziellen Links machen auch deutlich, daß die Artikel ein reiner Blickfang sind, durch den Besucher auf die Website gelockt werden sollen. Es handelt sich um eine Werbeplattform für Anbieter von Waren und Dienstleistungen, die den großen Markt der nordamerikanischen Katholiken wirtschaftlich erschließen will. So finden sich beispielsweise Links zu Reisebüros mit einer Spezialisierung auf Wallfahrten, zu Anbietern von Büchern und Geschenken für Katholiken und zu "Ave Maria Single Catholics", einer katholischen Ehevermittlung.
Lange Zeit erschien bei einer Suchanfrage im Internet The Lance, the Swastika, and the Merovingians von William Kalogonis an erster Stelle73
• Die Abbildung der Anfangsseite, auf der das Hakenkreuz, das Fleurde-lis des französischen Königshauses und die Heilige Lanze überlagert werden, gibt bereits einen Hinweis auf den weiteren Inhalt. Der Autor will seine Veröffentlichung dahingehend verstanden wissen, daß er durch sie "Verbindungen zwischen Nazismus und Okkultismus sowie mögliche Verbindungen zwischen Okkultismus und anderen modernen politischen Organisationen öffentlich machen" will. Kalogonis zählt die Herrscher und Potentaten auf, die vom Besitz der Heiligen Lanze profitieren konnten. Auch warnt er eindringlich vor der Macht der Lanze: "Karl der Große starb innerhalb von nur wenigen Minuten, als er sie bei der Überquerung eines Flusses fallen ließ. [ ... ] Durch den Fall der Sowjetunion und die Öffnung der sowjetischen Archive, unterstützt durch die Aussage eines ehemaligen sowjetischen Soldaten, der selbst an der Einnahme von Hitlers Bunker in Berlin beteiligt war, können wir endlich bestätigen, daß ungefähr um 15.30, nur 80 Minuten nachdem die Vereinigten Staaten die Lanze in ihren Besitz nahmen, Hitler durch einen Schuß in den Kopf
Selbstmord beging." Andere Teile der Schilderung basieren ebenfalls auf dem bekannten Muster einer Aneinanderreihung scheinbarer Fakten. So begegnen uns auch hier die Dienstnummer von Walter Horn und weitere "Belege"/ die sich an den Metatext angegliedert haben.
Eine Gruppe/ zu deren primärem Kommunikationsmedium das Internet geworden ist1 sind die Anhänger von yrelfältigen Konspirations-Theorien. Die International Society for a Complete Earth beschreibt sich selbst auf ihrer Website als wissenschaftlich ausgerichtete Gesellschaft/ die durch einen gewissen Kapitän 11Ritter von X" gegründet wurde74
• Der Gründer will allerdings anonym bleiben/ ein nach den Statuten des Vereinsrechts ungewöhnlicher Fall. Nicht nur das Fehlen eines persönlich verantwortlichen Vorstandes verweist darauf/ daß diese Gesellschaft einer Luftblase gleicht. Angeblich war 11Ritter von X" Offizier auf dem U-Boot auf dem die Heilige Lanze am Ende des Zweiten Weltkriegs in die Antarktis gebracht wurde. Daß diese Geschichte bekannt klingt/ ist natürlich kein Zufall: Der geheimnisvolle 11Ritter von X" wird als einer der Autoren der Bücher Adolf HitZer and the Secrets of the Holy Lance und Hitler's Ashes identifiziert. Das Symbol der Gesellschaft ist das Hakenkreuz/ das verharmlosend als nordisches Symbol bezeichnet wird. Falls diese Informationen ihre abschreckende Wirkung verfehlt haben1 wird der Besucher mit dem eigentlichen Ziel der Gesellschaft vertraut gemacht: Durch die angeblich vorhandenen Polöffnungen soll eine Expedition in das Innere der Erde vordringen und den Kontakt zu den Arriani herstellen/ einer //großen, blonden/ blauäugigen Superrassel die das Innere der Welt beherrscht". Die Arianni sprechen eine Sprache ähnlich dem Deutschen/ leben in Städten aus Kristall und benutzen "flugelrods" 1 fliegende Untertassen, mit "denen sie den Himmel der oberirdischen Welt patrouillieren und ein Auge auf uns haben".
Die 11Citizens against a New World Order" haben das Bedürfnis/ die Besucher ihrer Website darüber zu informieren/ daß die Nazis nicht nur große Basen in der Antarktis errichtet haben/ sondern auch die Erfinder von Antigraviditätstechnologie sind75
• Am Ende des Krieges wurde diese Technik in der Antarktis in Sicherheit gebracht und weiterentwickelt. Als Beleg wird ein Geheimbericht zitiert1 die //Omega Files", eine auffällige Parallele zum Titel der populären amerikanischen Fernsehserie "X-Files", die im deutschsprachigen Fernsehen als //Akte-X" ausgestrahlt wird76
• Die Heilige Lanze ist das zentrale Objekt einer globalen Verschwörung: Mit Hilfe ihrer UFOs und durch die Unterstützung Außerirdischer von anderen Planeten sind die antarktischen Nazis gerade im Begriff, eine neue Weltordnung zu errichten. Die Vereinten Nationen wären demnach bereits unter ihrer Kontrolle. Besonders hervorgehoben wird der ehe-
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malige Generalsekretär Kurt W aldheim, der selbst im Besitz der Heiligen Lanze gewesen sein soll.
Die okkulte Macht der Heilige Lanze wird auch in fundamentalistischen religiösen Kreisen thematisiert, etwa auf einer Seite der Cutting Edge Ministries, die unter dem Titel Study Antichrist through the Study of HitZer versuchen/ die unheiligen Kräfte der Lanze auf biblische Prophezeiung zurückzuführen. Tatsächlich werden dann weniger Belegstellen aus den Büchern des Alten und Neuen Testaments zur Unterstützung der fragwürdigen Thesen herangezogen; vielmehr werden als Quellen Passagen aus Ravenscrofts Spear of Destiny angegeben77
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Wenn dieser Beitrag in gedruckter Form verfügbar ist1 wird sich das Gesamtbild im Internet bereits wieder verändert haben: Mit einiger Wahrscheinlichkeit werden einige der besprochenen Webseiten dann nicht mehr vorhanden sein bzw. nur in veränderter Form existieren. Die Suchmaschinen werden jedoch zahlreiche neue Inhalte finden, die- zumindest den bisherigen Erfahrungen der Autoren nach- der aufgezeigten Bandbreite der Lanzenmotivik in den meisten Fällen entsprechen werden. Längerfristig können Sie, die Leser1 sich selbst im Internet ein Bild davon machen/ in welche Richtung sich die Geschichten um die Heilige Lanze weiterentwickeln werden.
Die Heilige Lanze in Computer-Spielen Aufwendige und inzwischen erstaunlich realistische Computeranimationen vermögen leblose Objekte auf dem Computerbildschirm zum Leben zu erwecken und Fiktionen zu einerneuen Art der Wirklichkeit erstehen zu lassen. Die Heilige Lanze wird zu einem zentralen Objekt in mindestens zwei bekannten Computerspielen: The Spear ofDestiny von ID Software aus dem Jahr 1992 ist eine Fortsetzung des skandalträchtigen PC-Spiels Wolfenstein 1 das in den frühen neunziger Jahren besonders in der deutschsprachigen Presse negative Aufmerksamkeit erregte. Die Aufgabenstellung für den Spieler ist einfach: Er muß sich der Lanze bemächtigen und dabei am Leben bleiben. Diesem Ziel entgegen stehen Hunderte bis an die Zähne bewaffnete Soldaten in feldgrauer Wehrmachtsuniformt Männerinder schwarzen Uniform der SS und fast unbezwingbare Mutanten allerlei Couleur mit implantierten Maschinenwaffen. Diese Gegner müssen durch den "Ego-Kämpfer" in möglichst großer Zahl getötet werden, um zusätzliche Punkte zu erhalten. Dieneueste Generation/ Return to Castle Wolfenstein, stellt eine technisch völlig neu überarbeitete Version dar und ist nun nicht mehr auf das Töten von deutschen Soldaten fixiert/ sondern erlaubt es dem Spieler zu wählen1 auf welcher Seite er in den Zweiten Weltkrieg ziehen will, eine Neuerung/ die nun auch in Nordamerika kritische Reaktionen nach sich zog. Die Wolfenstein-Spiele waren die ersten erfolgreichen //Ego-Kämpfer"-Spiele1 in denen der Nutzer
nicht nur die mechanische Steuerung des Protagonisten übernimmt, sondern auch die fiktive digitale Welt durch dessen Augen sieht und durch dessen Ohren hört. Eine für die damalige Zeit hochwertige graphische Umsetzung in Echtzeit, die heute verständlicherweise antiquiert wirkt, ließ die Waljenstein-Serie zu einem Verkaufserfolg werden, dessen technische Details und vor allem dessen Konzept von der Konkurrenz kopiert wurden.
Das Titelbild des Spiels zeigt B. J. Blazkowicz, den muskelbepackten amerikanischen Ranger, der sein Ziel fast erreicht hat (Abb. 18): Mit einem anachronistischen Kalaschnikow-Sturmgewehr, das er wie eine Keule handhabt, zertrümmert er das Glas der Vitrine, in der sich die Lanze befindet. Diese Szene spielt sich vor der Kulisse einer Burg ab, die an Neuschwanstein erinnert, laut Begleitheft jedoch die Nürnberger Burg darstellen soll, also den Ort, an dem die Lanze von den Nazis verwahrt wurde. Die Lanze ist in ihren äußeren Proportionen verstärkt und erinnert mit ihren ausladenden Flügeln an eine kleine Rakete. Sie besteht aus poliertem, glänzenden Metall, ist mit zahlreichen Edelsteinen besetzt und versucht durch diese Äußerlichkeiten den Eindruck zu erwecken, daß mehr hinter dieser Fassade verborgen ist.
Im Jahr 2000 brachte Eidos die fünfte Fortsetzung der erfolgreichen Tomb Raider-Serie, Chronicles, auf den Markt. Protagonistin ist die britische Archäologin Lara Croft, eine Verbindung von Barbie-Puppe und Indiana Jones. Eine der Aufgaben für Lara, bzw. den Spieler, besteht darin, in eine russische Marinebasis einzudringen, um den Speer des Schicksals zu erbeuten. Die Vorgeschichte zeigt erneut zahlreiche Überschneidungen zum populären Lanzen-Metatext Im Zweiten Weltkrieg war ein deutsches U-Boot, das den Speer transportierte, gesunken. Ein russischer Mafiaboß und ein korrupter Admiral wollen den Speer aus dem Boot bergen, um sich seiner Kräfte zu bedienen, und Lara muß dies verhindern. Die komplexe und deshalb rechenintensive Echtzeitgraphik verzichtet auf alle unnötigen Details, der Speer wird deshalb auf sein ikonisches Wesen reduziert: Die überdimensionierte Speerspitze ist allein durch ihre dreieckige Form und die metallen glänzende Oberfläche als solche erkennbar.
Die Heilige Lanze auf dem Fernsehschirm Es sollte bis in die neunziger Jahre dauern, bis auch das Fernsehen die Heilige Lanze als Thema entdeckte78. Ausschlaggebend für das Interesse der Fernsehmacher war offensichtlich das stark gestiegene Marktpotential von Esoterik und allem Übernatürlichen, gepaart mit der seit dieser Zeit im subkultureilen Bereich multimedial tradierten Geschichte der Heiligen Lanze.
Im Jahr 1995 strahlte das in New York beheimatete Artsand Entertainment Network die Dokumenta-
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Abb. 18: Umschlag des BegZeithefts zum Computerspiel "Spear of Destiny"' von Ken Rieger, 1992. (Photo: Volker Schier.)
nicht nur die mechanische Steuerung des Protagonisten übernimmt, sondern auch die fiktive digitale Welt durch dessen Augen sieht und durch dessen Ohren hört. Eine für die damalige Zeit hochwertige graphische Umsetzung in Echtzeit, die heute verständlicherweise antiquiert wirkt, ließ die Waljenstein-Serie zu einem Verkaufserfolg werden, dessen technische Details und vor allem dessen Konzept von der Konkurrenz kopiert wurden.
Das Titelbild des Spiels zeigt B. J. Blazkowicz, den muskelbepackten amerikanischen Ranger, der sein Ziel fast erreicht hat (Abb. 18): Mit einem anachronistischen Kalaschnikow-Sturmgewehr, das er wie eine Keule handhabt, zertrümmert er das Glas der Vitrine, in der sich die Lanze befindet. Diese Szene spielt sich vor der Kulisse einer Burg ab, die an Neuschwanstein erinnert, laut Begleitheft jedoch die Nürnberger Burg darstellen soll, also den Ort, an dem die Lanze von den Nazis verwahrt wurde. Die Lanze ist in ihren äußeren Proportionen verstärkt und erinnert mit ihren ausladenden Flügeln an eine kleine Rakete. Sie besteht aus poliertem, glänzenden Metall, ist mit zahlreichen Edelsteinen besetzt und versucht durch diese Äußerlichkeiten den Eindruck zu erwecken, daß mehr hinter dieser Fassade verborgen ist.
Im Jahr 2000 brachte Eidos die fünfte Fortsetzung der erfolgreichen Tomb Raider-Serie, Chronicles, auf den Markt. Protagonistin ist die britische Archäologin Lara Croft, eine Verbindung von Barbie-Puppe und Indiana Jones. Eine der Aufgaben für Lara, bzw. den Spieler, besteht darin, in eine russische Marinebasis einzudringen, um den Speer des Schicksals zu erbeuten. Die Vorgeschichte zeigt erneut zahlreiche Überschneidungen zum populären Lanzen-Metatext Im Zweiten Weltkrieg war ein deutsches U-Boot, das den Speer transportierte, gesunken. Ein russischer Mafiaboß und ein korrupter Admiral wollen den Speer aus dem Boot bergen, um sich seiner Kräfte zu bedienen, und Lara muß dies verhindern. Die komplexe und deshalb rechenintensive Echtzeitgraphik verzichtet auf alle unnötigen Details, der Speer wird deshalb auf sein ikonisches Wesen reduziert: Die überdimensionierte Speerspitze ist allein durch ihre dreieckige Form und die metallen glänzende Oberfläche als solche erkennbar.
Die Heilige Lanze auf dem Fernsehschirm Es sollte bis in die neunziger Jahre dauern, bis auch das Fernsehen die Heilige Lanze als Thema entdeckte78. Ausschlaggebend für das Interesse der Fernsehmacher war offensichtlich das stark gestiegene Marktpotential von Esoterik und allem Übernatürlichen, gepaart mit der seit dieser Zeit im subkultureilen Bereich multimedial tradierten Geschichte der Heiligen Lanze.
Im Jahr 1995 strahlte das in New York beheimatete Artsand Entertainment Network die Dokumenta-
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Abb. 18: Umschlag des Begfeithefts zwn. Computerspiel "Spear of Des/in!/' von Ken Rieger, 1992. (Photo: Volker Schier.)
tion The Quest for the Holy Lance aus, eine Produktion, die auch auf Videokassette vermarktet wurde. Die intendierte Zielgruppe erschließt sich durch die Sendefolge, für die die Sendung produziert wurde: Alte Rätsel: Neue Forschungen über das Ungeklärte enthält weitere Titel wie etwa Bigfoot, Die großen Pyramiden, Auf der Suche nach dem Monster von Loch Ness, Camelot und Die Suche nach dem Heiligen Gral. Dargestellt werden soll die Geschichte der Lanze von der Zeit Christi bis zur Gegenwart. Die Produzenten der Sendung sind in ihren qualitativen Ansprüchen keineswegs bescheiden, wie dies in dem kurzen Text auf der Verpackung der Videokassette zum Ausdruck gebracht wird: Sie umschreiben ihre Methodik und die erbrachten Resultate als "überzeugend" und "Ehrfurcht gebietend", sie versprechen das Aufdecken von "Fakten und Fabeln" und sind der Ansicht, daß die Ergebnisse die Käufer "verwundern" werden. Auch soll die Dokumentation die Frage klären, ob die Lanze "echt" ist oder nicht, eine im Hinblick auf den an dieser Stelle fehlenden Bezug dieser Aussage nicht unproblematische Aufgabenstellung. Die Produktion selbst ist freilich in großen Teilen ernüchternd: Gleich zu Beginn wird berichtet, daß Hitler von der Heiligen Lanze fasziniert war. Am 14. März 1938 hätte er für mehr als eine Stunde die Heilige Lanze in Wien betrachtet. Nun glaubte er die Macht zu besitzen, die Welt zu erobern. Im Anschluß an sein Zwiegespräch mit der Lanze ordnete er die Verhaftung der Wiener Juden an und ließ die Lanze aus der Schatzkammer nach Nürnberg bringen. Nach dieser Einleitung folgt die Exposition von drei Grundfragen, die durch die Dokumentation beantwortet werden sollen. An erster Stelle steht nun nicht mehr die implizierte Frage nach der "Echtheit" der Christus-Reliquie, sondern die Frage, warum Hitler die Lanze begehrte, gefolgt von derjenigen nach der mystischen Kraft des Objekts. Zuletzt soll noch geklärt werden, warum in einem Zeitraum von zweitausend Jahren viele berühmte Herrscher, üble Diktatoren und noble Könige, ihr Leben dafür eingesetzt hätten, um mit der Heiligen Lanze in den Krieg ziehen zu können. Im Zentrum stehen die Aussagen mehrerer Experten - zumeist etablierter Historiker, aber auch ein namhafter Kunsthistoriker und ein fragwürdiger "Schatzjäger" kommen zu Wort-, um die herum die Geschichte filmisch entwickelt wird. Die selektierten und geschickt assemblierten Interviewpassagen werden nahtlos in den Text des Erzählers integriert und sollen dadurch die Bestätigung für die zumeist sehr plakativen Aussagen über die Heilige Lanze liefern. Die Fragen des Interviewers wurden freilich entfernt, und somit gibt es für den Betrachter keine Möglichkeit nachzuvollziehen, auf welche konkreten Sachverhalte sich die Antworten der Experten beziehen bzw. ob diese Sachverhalte durch Schnitt und Nachbearbeitung möglicherweise in einen anderen Kontext verpflanzt wurden. Wissen,
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Eloquenz, Glaubwürdigkeit und kritische Reflexion der interviewten Personen divergieren in einem weiten Bereich, ihre Aussagen werden jedoch mit der gleichen Wertigkeit behandelt und nie hinterfragt, selbst wenn sich ihre Einschätzungen in vielen Fällen nicht auf den Wissenschaftsbereich erstrecken, in dem ihre Expertise anzusiedeln ist.
Die Kreuzigung Christi und in diesem Zusammenhang auch die Verwendung der Lanze werden als Fakten akzeptiert: "Die Heilige Lanze ist echt", ist das Credo der Sendung. Breiter Raum wird den konkurrierenden Lanzen und deren Verbindungen zueinander zugewiesen. Besonders in diesem Kontext vermag der Film durch seine Darstellungsmittel historische Sachverhalte in einer größeren Komplexität und Dichte darzustellen als die meisten der zuvor besprochenen Bücher oder Webseiten. Parallel zu diesen ist jedoch das Streben nach einer Summierung und Aneinanderreihung detaillierter "Fakten" erkennbar, um den Zuschauern möglichst wenig Anlaß zu geben, sich Gedanken über Struktur, Methodologie und zu den intendierten Aussagen der "Macher" der Produktion zu machen. Der pseudowissenschaftliche Detailreichtum vieler Passagen soll den Eindruck erzeugen, daß auch die übergreifenden Inhalte und die Produktion als Ganzes auf einem soliden Fundament ruhen. Die aufwendige visuelle Darstellung wird andererseits zur eigentlichen ästhetisierten Aussage, der Text gerät zur Nebensache. Selbst die Detailaussagen sind häufig extrem inakkurat und lassen vermuten, daß nicht ordentlich recherchiert wurde und daß fragwürdige Quellen zu Rate gezogen wurden. So soll der Dokumentation zufolge Karl der Große bei seinem Versuch, Jerusalem zu erobern, die Heilige Lanze bei sich getragen haben, ein Projekt, an das Karl - mit oder ohne Lanze - wohl nicht einmal dachte. Auch wird berichtet, daß die Lanze im Jahr 1250 von Kaiser Friedrich II. nach Nürnberg gebracht wurde und dort für 550 Jahre verblieb, eine Aussage, die nicht zutrifft.
Es besteht kein Zweifel, daß bei einigen Aussagen Ravenscrofts Buch Pate stand, etwa bei der Schilderung von Hitlers einstündiger Meditation vor der Lanze. Im Abspann bedanken sich die Filmemacher zudem bei Howard Buechner, eine Offenheit, die in Hinblick auf die Qualität und Zielrichtung seiner Publikationen durchaus schockiert. Am Ende wendet sich der Film erneut Hitler zu. Die Erklärung, die für Hitlers Interesse an der Heiligen Lanze gegeben wird, erstaunt zusätzlich, ist sie doch durch nichts zu belegen: Hitler habe sich nicht allein für die Macht der Heiligen Lanze, sondern auch für den Umstand interessiert, daß mit dem Objekt der Jude Christus getötet wurde; die Lanze wurde somit für Hitler ein Symbol für ethnische Säuberung. Die Autoren des Films übersehen geflissentlich, daß nach dem Johannes-Evangelium durch den Lanzenstich geprüft wur-
de, ob der Tod bereits eingetreten war - und genau dies bestätigte die Prüfung.
Acht Jahre später, im Jahr 2003, strahlten der Discovery Channel und die British Broadcasting Corporation jeweils eine eigene Version einer gemeinsam finanzierten Dokumentation über die Heilige Lanze aus: The Spear of Jesus bzw. The Spear of Christ, produziert von der Londoner Firma Atlantic Productions. Die Autoren dieses Beitrags waren als Berater an der Produktion beteiligt, was ihnen wichtige Blicke hinter die Kulissen ermöglichte und ihre Vermutungen im Hinblick auf die Gestaltung und Nachbearbeitung von Interviews durchaus bestätigte. Generell wurde jedoch deutlich, daß ein konstruktiver Einfluß von Beratern auf den Inhalt letztendlich nicht möglich ist. Die Berater fungieren als "akademisches Feigenblatt", durch das häufig die Tatsache kaschiert werden soll, daß die wissenschaftliche Basis der Drehbücher mangelhaft ist.
Auf dem Markt der Fernsehdokumentationen hat es sich als fester Standard etabliert, bei esoterischen Themen wissenschaftliche Untersuchungen vorzutäuschen. Bereits das Eingangsstatement von The Spear of Jesus/Christ zeigt die eigentliche Zielrichtung der Dokumentation: "Nach einer Legende wurde diese alte Speerspitze bei der Kreuzigung in Christi Seite gestoßen, so daß sie in eine Waffe mit übernatürlichen Kräften verwandelt wurde." Auffällig ist allerdings auch hier der krampfhafte Versuch einer Datierung und der Bestimmung, ob die Lanze "echt" ist, ob sie also das Objekt ist, das bei der Kreuzigung verwendet wurde. Der zur Klärung dieser Sachverhalte herangezogene Metallurge kommt interessanterweise Punkt für Punkt zu den Ergebnissen, die jeder Besucher im Führer der Weltlichen Schatzkammer nachlesen kann: Die Lanze selbst stammt aus dem 8. Jahrhundert. Wichtige Zusätze wurden in späteren Jahrhunderten appliziert. Eine Beziehung zur Kreuzigung kann nicht hergestellt werden. Geflissentlich wird verschwiegen, daß die Lanze in der Vergangenheit schon wiederholt und mit weit aufwendigeren Mitteln untersucht worden ist und daß die detaillierten Ergebnisse dieser Untersuchungen der Produktionsfirma zugänglich waren. Falsch ist die aufgestellte Behauptung, daß die Lanze zum ersten Mal forensisch untersucht wurde. Das angeblich Sensationelle der Produktion scheint kaum steigerungsfähig: Erkenntnisse und Beobachtungen, die seit vielen Jahrzehnten bekannt sind und wiederholt veröffentlicht wurden, werden zu neuen Funden stilisiert. Aus dem Originalton im Hintergrund, der meist kaum wahrnehmbar ist, wurden geschickt an einigen Stellen Adjektive wie "ungewöhnlich" ausgewählt und akustisch verstärkt, so daß sie dem Hörer im abgemischten Ton deutlich auffallen müssen. Eine Aura des Geheimnisvollen soll kreiert werden, selbst wenn sich die dargestellten Geheimnisse als banal erweisen. So
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wird das Wiener Institut für Wissenschaften und Technologien in der Kunst, an dem die Untersuchungen durchgeführt wurden, zu einem "ungenannten Ort". An anderer Stelle sehen wir eine Kreuzigungsszene vor einem roten AbendhimmeL Eine mit Hall unterlegte, düster klingende Stimme berichtet von der Prophezeiung, daß "derjenige, der den Speer in seinen Besitz bringt und seine Geheimnisse zu lüften vermag, das Schicksal der Welt in seinen Händen hält, zum Guten oder Bösen", eine Aussage, die unschwer Ravenscrofts Schicksalsspeer zugeordnet werden kann. Der Textautor Shaun Trevisick verwischt bewußt die Trennung zwischen dem, was er als Legenden oder "alternative Geschichtsschreibung" bezeichnet, und traditionellen historischen Quellen. Auf diese Weise hat der Zuschauer keine Möglichkeit, die unterschiedlichen Ebenen zu separieren, und so entsteht ein problematisches Konglomerat, das jeglichem Informationsanspruch zuwiderläuft.
Die Plakativität vieler Aussagen ist erstaunlich, häufig sind diese zudem nicht nachvollziehbar: So habe etwa die Heilige Lanze in der Hand von Kaiser Konstantin das Römische Reich verändert. Auch kann sich die Behauptung, daß diese Lanze im Jahr 774 in den Besitz Karls des Großen kam, auf keine eindeutige historische Quelle stützen. Eine derartige Behauptung enthält jedoch das Buch von Ravenscroft. Die Liste ließe sich um viele Beispiele erweitern, das angewendete "Strickmuster" bleibt jedoch immer das gleiche. Um sich gegenüber dem möglichen Vorwurf abzusichern, die Ergebnisse der historischen Forschung ignoriert zu haben, wird - verklausuliert- der gesamte historische Inhalt des Films schlicht zur Legende erklärt. Andererseits werden an einer Stelle alternative Sichtweisen angeboten, um dennoch einen Anschein von wissenschaftlicher Unvoreingenommenheit zu wahren. Es geht um die Vorgänge im Kunstbunker: In der ersten Version sehen wir einen jungen amerikanischen Leutnant, Walter Horn, der mit gezogener Waffe einen gefangenen deutschen Soldaten in einen Keller führt. Der Soldat bringt ihn zur Heiligen Lanze, nachdem Horn ihn in einem Verhör dazu gezwungen hatte, das Versteck zu verraten. Die zweite Version zeigt zwei Soldaten in schwarzer 55-Uniform. Sie tragen vor dem Eintreffen der amerikanischen Truppen eine Kiste mit der Heiligen Lanze aus dem Keller. Um den Diebstahl zu vertuschen, sollen sie die Lanze gegen eine Kopie ausgetauscht haben, und es wäre diese Kopie gewesen, die nach dem Ende des Krieges nach Wien gebracht wurde. Daß keine dieser Versionen mit den Schilderungen der tatsächlich Beteiligten übereinstimmt, muß nicht eigens betont werden. Allerdings finden sich die Berichte in dieser Form auch nicht in den untersuchten Romanen wieder, so daß die Dokumentation ihrerseits den Anspruch erheben kann, die
Vorgänge weiter mystifiziert und die Geschichte weitergesponnen zu haben.
Ohne digitale Rekonstruktion von historischen Schauplätzen kommt kaum noch eine Fernsehdokumentation aus, so auch diese nicht. Bei erster Betrachtung kann die Wirkung der digitalen Animationen durchaus verblüffen, jedoch ist auch hier nicht alles Gold, was glänzt. Rekonstruiert werden sollte der im Zweiten Weltkrieg völlig zerstörte Innenraum der Kirche des Heilig-Geist-Spitals mit dem Heiltumsschrein. Der Film zeigt jedoch einen fiktiven Kirchenraum, der sich bei näherer Betrachtung als der große Innenhof des Spitals erweist: Über die existierenden Arkaden des Hofs wurden eine Reihe virtueller Fenster und ein Spitzgewölbe gesetzt, und zu guter Letzt wurde in den so entstandenen Raum ein Bild des Heiltumsschreins kopiert.
Am Karfreitag des Jahres 2004 strahlte das Zweite Deutsche Fernsehen die Dokumentation Die Heilige Lanze- Schicksalsspeer der Mächtigen aus, eine Produktion, an der die Autoren ebenfalls beratend beteiligt waren. Produktionen mit Bezügen zum Dritten Reich verkaufen sich auch im deutschsprachigen Fernsehen gut, wie die starke Ausweitung entsprechender Dokumentationen und Fernsehfilme in den letzten Jahren gezeigt hat. Es drängt sich durchaus der Verdacht auf, daß durch die Hervorhebung dieses Kontextes Zuschauer angesprochen werden sollen, die ansonsten an der Thematik der Heiligen Lanze kein Interesse finden würden.
Im Vergleich zur vorher besprochenen Dokumentation zeigen sich einige Parallelen im Grundansatz: Auch in diesem Fall wird der Legendencharakter der Lanzengeschichte betont, und es sollen die Grenzen zwischen Mythos und Wahrheit untersucht werden. Dann trennen sich allerdings die Wege für einige Zeit: Besondere Aufmerksamkeit erhalten König Heinrich 1., der die Lanze im Jahr 926 von Rudolf von Burgund erhielt, sowie Otto 1., der sie bei der Schlacht am Lechfeld mit sich geführt haben soll. Gezeigt werden auch die Lanzenkopie in Krakau und die Heilige Lanze der armenischen Kirche. Die Autoren kehren nach Prag, Nürnberg und Wien und somit wieder zu den bekannteren Stationen der Lanze zurück und halten es am Ende des Programms für nötig, ihre Version zur Geschichte der Heiligen Lanze im Dritten Reich darzubieten. Gerade der letzte Abschnitt erweist sich erneut als problematisch, die Aussagen sind zum Teil unhaltbar: So handelte es sich bei der Verbringung der Heiligen Lanze nach Nürnberg nicht um eine von der SS veranlaßte Aktion. Auch waren es nicht SS-Männer, die in der Hofburg die Objekte verpackten, wie dies eine Spielszene der Dokumentation glauben machen will. Zumindest am Ende des Films versuchen die Autoren, den Hitler-Bezug zu relativieren. So sprechen sie sich dagegen aus, daß die Lanze für Hitler eine über eine Legitimation in
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Anknüpfung an das Römische Reich hinausgehende Bedeutung hatte. Jedoch läßt sich selbst diese Aussage durch die Quellenlage - wie an anderer Stelle gezeigt- nicht bestätigen. Als völlig haltlos erweist sich zudem die aufgestellte These, daß die Sicherung der Kunstschätze vor dem Bau von Luftschutzbunkern für die Nürnberger Bevölkerung erfolgte.
Sowohl in The Spear of Jesus/Christ als auch in Die Heilige Lanze werden die historischen Begebenheiten durch mehr oder minder aufwendig produzierte Spielszenen visualisiert. Auffällig sind nicht nur die mäßigen schauspielerischen Fähigkeiten der Darsteller, sondern auch die unnötigen und teilweise expliziten Darstellungen von Gewalt. In The Spear of Jesus/Christ wird wiederholt in Großaufnahme eine Lanzenspitze gezeigt, von der dickflüssiges Filmblut herabtropft. Auch an Kampfszenen mangelt es nicht, die besonders bei der ZDF-Dokumentation teilweise austauschbar sind und auf makabre Art an die Rekonstruktionen der Batley Townswomens' Guild in der Kultserie Monty Python's Flying Circus erinnern. Egal, ob es sich um die Darstellung der Schlacht von Pearl Harbor oder um die erste Herztransplantation handelt, das "re-enactment" fällt jeweils gleich aus: Auf ein Zeichen der Autorin, Regisseurin und Produzentin Rita Fairbanks- gespielt von Eric Idle- rennen zwei Gruppen von älteren Frauen aufeinander los und schlagen einander mit Handtaschen und Regenschirmen. Bei der Heiligen Lanze ist es stets die gleiche Gruppe von wild aussehenden Männern in Kettenhemden und mit Helmen, die bei fast jeder Spielszene erneut ihre Schwerter ziehen und mit rauhen Stimmen dem Feind "sacra lancea" entgegenbrüllen, bevor sie mit ihren Waffen aufeinander einschlagen.
Auch in der Fernsehfiktion hat das Motiv der Heiligen Lanze durch seinen inzwischen etablierten Wiedererkennungswert einen festen Platz erobert. Der Fernsehfilm The Librarian: Quest for the Spear wurde vom US-Sender TNT am 5. Dezember 2004 zur besten Sendezeit ausgestrahlt79• Erkennbar wird eine beliebte Strategie in der Medienwirtschaft nach der einer Kopie und Kompilation von erfolgreich eingeführtem Material eine größere Chance bei der Erlangung der Zuschauergunst eingeräumt wird als einer völligen Neu-Kreation, die sich erst etablieren muß. Die Rahmenhandlung ist einfach konzipiert und verbindet mehrere Elemente des Lanzen-Metatexts: Der inzwischen dreißigjährige Student Flynn Carsen, gespielt von Noah Wyle, wird von seinem Archäologieprofessor aus der Universität bugsiert, nachdem er insgesamt 22 akademische Titel erlangt hat und sich erneut für das nächste Semester einschreiben will. Vorgeblich geschieht dies, um Carsen, der ein realitätsferner "Bücherwurm" und "Stubenhocker" ist, das wirkliche Leben näherzubringen. In dieser für ihn bedrohlichen Situation erhält Carsen unvermutet eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch für
die Position eines Bibliothekars bei der altehrwürdigen Metropolitan Public Library, und er wird unter einer großen Zahl von Mitbewerbern ausgewählt. Erst jetzt werden ihm die wirkliche Bedeutung und der eigentliche Zweck dieser ungewöhnlichen Bibliothek eröffnet: Es geht nicht um das Sammeln und Bereitstellen von Büchern; vielmehr werden in einem großen geheimen Gewölbe unter dem Gebäude die angeblich größten Schätze der Weltgeschichte verwahrt, durch den "Bibliothekar" betreut und geschützt sowie- in Umkehrung einer der Hauptaufgaben eines Museums - vor der Öffentlichkeit verborgen gehalten. In dieser skurrilen Sammlung befinden sich etwa die Bundeslade, das Schwert Excalibur, das Original der Mona Lisa, die erste Atombombe, die Büchse der Pandora und - quasi als Steigerung der Zerstörungskraft der beiden zuvor genannten Objekte- ein Stück des "Speers des Schicksals". Der Bibliothekar erfährt, daß die dunkle Macht, die vom Speer ausgeht, eine große Gefährdung für die Welt darstellt. Aus diesem Grund wurde der Speer geteilt, und die drei entstandenen Teile wurden an entfernte Orte der Welt gebracht. Hitler habe die Macht des Speers deshalb nicht voll nutzen können, weil er nur einen Teil besessen hätte. Wenig später wird die Metropolitan Public Library überfallen, und das Speerfragment wird von der Schlangenbruderschaft geraubt, die - wie könnte es anders sein - nach der Weltherrschaft strebt. Carsen wird beauftragt, den Speer zurückzuholen, und es beginnt ein Wettlauf um die verbliebenen Lanzenteile, die sich in Tempeln im Regenwald des Amazonas und im sagenhaften Königreich Shangri-La im Himalaya befinden. Erwartungsgemäß gelingt es dem Bibliothekar und seiner Beschützerin Nicole Noone, gespielt von Sonya Walger, die Welt zu retten und den Speer des Schicksalsnun komplettiert - in die sichere Bibliothek zurückzubringen.
Indiana Jones und Lara Croft standen unverkennbar Pate für die beiden Protagonisten, allerdings findet keine reine Kopie, Verschmelzung oder Potenzierung ihrer weithin parallelen Eigenschaften statt, sondern es entsteht eine Extrapolation und Neuzusammenstellung. Traditionelle Rollenmuster scheinen im Hinblick auf die geschlechtsspezifischen Eigenschaften der Protagonisten zunächst verkehrt zu werden; im Hinblick auf die sozialen Einbindungen und Interaktionen der Personen werden sie jedoch wieder zementiert und festgeschrieben: Der zurückhaltende, ungeschickte und bisweilen tolpatschig wirkende Bibliothekar löst durch seine umfangreichen Kenntnisse aus allen Bereichen der Kunst- und Kulturwissenschaften die wissenschaftlichen Probleme. Bei ihm stehen die Potenzen von Geist und Körper in diametraler Opposition zueinander. Für die wichtigen körperlichen Handlungen, allen voran das Kämpfen, ist die selbstbewußte und trainierte Nicole Noone zu-
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ständig, die sich letztendlich der geistigen Überlegenheit Carsens unterordnen muß.
Die Drehbuchautoren greifen erwartungsgemäß auch bei der Lanzenmotivik auf "bewährte" Vorbilder zurück, die fast wörtlich auf Ravenscrofts Darstellung zurückgeführt werden können. In einem auf einer Webseite des Senders zur Verfügung gestellten Videoclip nimmt der Hauptdarsteller Noah Wyle zu dem Objekt Stellung, um das herum die Fiktion gestrickt wird80 : Es handele sich um den Speer, mit dem angeblich die Seite Christi geöffnet wurde. Nach einer Legende kontrolliere der, der einen Teil des Speers besitze, das Schicksal der Welt. Diese primär mythologische Bedeutung, die auch Flynn Carsen mit identischen Worten innerhalb des Films exponiert, kontrastiert Wyle mit angeblich anerkannten Wahrheiten: "Es ist wirklich wahr, daß es eine der ersten Taten von Adolf Hitler war, als er in den Besitz der Macht kam,[ ... ] das Habsburg Museum zu plündern und das [Objekt] zu stehlen, das als Teil des Speers des Schicksals gesehen wurde. Auch ist wahr, daß an dem Tag, als die Alliierten in Berlin eindrangen und den Speer des Schicksals in Besitz nahmen, Hitler angeblich Selbstmord beging." In der kurzen Interviewpassage, die von Filmszenen flankiert wird, übernimmt die dargestellte Person eine Rolle, in der sowohl die Filmperson des Flynn Carsen als auch der Schauspieler Noah Wyle aufgehen bzw. die jeweilige Persönlichkeit in den Bereich der anderen hinein erweitert wird: So wird der Schauspieler zum Wissenschaftler; seine Äußerungen erhalten hierdurch zusätzliches Gewicht. Auf der anderen Seite wird eine "reale" Komponente an der Person des Schauspielers Wyle festgemacht, durch die die Lanze ihrerseits Realität und eine Legitimation als Objekt mit übernatürlichen Kräften erhält.
Neben Trevor Ravenscroft scheint jedoch auch Indiana Jones, bzw. die besprochene Adaption im Comic-Bereich, einen unmittelbaren Einfluß auf das Drehbuch von David Titcher ausgeübt zu haben: Ähnlich zur Grundidee des Indiana Jones-Comic besitzt nur der komplette Speer seine volle, unheilvolle Kraft. Zerteilt ist der Speer in dieser Darstellung in seiner Wirkung stark reduziert.
Durch unsere Ausführungen hoffen wir gezeigt zu haben, wie sich das Doppelleben der Heiligen Lanze seit dem Ende des 19. Jahrhunderts entwickeln konnte. Dieser Beitrag kann nur ein Zwischenbericht sein, denn die Lanze wird dieses Doppelleben weiterführen und in diesem Kontext neue Formen annehmen. Verschiedene Gruppen haben die Geschichte der Heiligen Lanze umgeschrieben, um sie für ihre Interessen und Zwecke zu vereinnahmen. Sie haben in den meisten Fällen die Geschichten um neue Kapitel erweitert oder ihnen neue visuelle Kontexte gegeben. Diese Zusätze haben die Intertextualität des Objekts und somit seine Geschichte als Ganzes verän-
dert. Allerdings führte dies dazu, daß sich zwei Persönlichkeiten in einem Körper bildeten, daß also quasi eine Aufspaltung in einen Dr. Jekyll und einen Mr. Hyde stattfand, um an Robert Louis Stevensans Roman mit einer entsprechenden Thematik anzuschließen. Auch Stevensan weist den beiden Personen ein eigenes charakteristisches Umfeld zu, das wenige Überschneidungen aufweist und somit- zumindest zu Beginn des Romans- die Dualität aufrechterhalten kann. Die Situation der Heiligen Lanze ist dem nicht unähnlich: Die Bedeutung des Objekts resultiert für eine Rezipientengruppe daraus, daß damit die Seite Christi geöffnet wurde. Im Mittelalter wurde die Bedeutung der Lanze als Christusreliquie erweitert und herrschaftspolitisch umgedeutet. Dem Speer des Schicksals- der ganz anderen "Persönlichkeit", welche die Heilige Lanze quasi als Mr. Hyde annimmt -begegnet diese Gruppe jedoch nicht, da die Transmissions- und Rezeptionsmechanismen, in die beide "Persönlichkeiten" eingebunden sind, gruppenspezifisch sind. Für eine andere Rezipientengruppe ist der christliche Bezug sowie die mittelalterliche Geschichte der Heiligen Lanze zu einer kleinen Episode innerhalb ihrer ausufernden Biographie geworden. Die
Heilige Lanze wurde durch einen neuen Metatext systematisch und erfolgreich entchristianisiert: Als Objekt besitzt die Heilige Lanze nun ihre eigenen, immanenten Kräfte, die jedoch- und auch dies ist eine interessante Parallele zu Mr. Hyde - als böse verstanden werden. Für die Anhänger von Verschwörungstheorien reiht sich der Speer des Schicksals als okkulte Superwaffe in eine- in jüngster Zeit vielzitierteAchse des Bösen ein, ein nicht definierbares Konglomerat von angeblich realen und immanenten, jedoch bei näherer Betrachtung wenig greifbaren Gefahren für die Freiheit und Sicherheit jedes einzelnen. Ein Lied der Ersten Allgemeinen Verunsicherung bringt dies auf den Punkt: "Das Böse ist immer und überall." Das Spektrum der Furcht, aber auch ihre Faszination, ist weitgefächert und erschließt große Bereiche der öffentlichen Wahrnehmung: So ging das bis zum Ende der Sowjetunion propagandistisch aufrechterhaltene Bedrohungsszenario des Kalten Krieges beinahe bruchlos in die geschürte Furcht vor den unsichtbaren Feinden in der "Post-9 /11"-Ära über. In der Vitrine der Weltlichen Schatzkammer nimmt diese Furcht für eine bestimmte Gruppe von Menschen reale Gestalt an.
1 Zu diesem Themenkomplex und für weitere Beispiele, die im Rahmen dieses Beitrags nicht angesprochen werden können, siehe Volker Schier- Corine Schleif, The Holy Lance as Subcultural Icon, in: David Sc(;tt- Keyan Tomaselli (Hgg.), Cultural Icons, Hojbjerg (im Druck). Der Beitrag beruht auf Material, das die beiden Autoren für ihr Buchprojekt zur Geschichte der Heiligen Lanze gesammelt haben. 2 Ulrike Kienzle, Das Weltüberwindungswerk. Wagners "Parsifal" (Thurnauer Schriften zum Musiktheater Bd. 12), Laaber 1992, 58. 3 Richard Wagner, Das braune Buch, hg. von Joachim Bergfeld, Zürich 1975, 75. Siehe auch Mary A. Cicora, Parsifal Reception in the Bayreuther Blätter (American University Studies, Series I, Bd. 55), New York u. a. 1978. 4 Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Zürich 1977, 441. Siehe auch Kienzle 1992 (zit. Anm. 2), 206-207. 5 Peter Wapnewski, Der traurige Gott: Richard Wagner in seinen Helden, München 1978, 222. 6 Wagner 1975 (zit. Anm. 3), 75-76. 7 Hans von Wolzogen, Zur Kritik des Parsifal, in: Bayreuther Blätter, 1881, 206-214. 'Wolzogen 1881 (zit. Anm. 7), 206-214. 9 Arthur Seidl, Richard Wagners Parsifal
und Seitopenhauers Nirwana, in: Bayreuther Blätter, 1888, 289-284. 10 Otto Mensendieck, Die Gral-Parzivalsage und Richard Wagners Parsifal, in: Bayreuther Blätter, 1915, 168. 11 Robert Bosshart, Parsifal, das Werk des Sehers, in: Bayreuther Blätter, 1930, 93-94. 12 Eduard Hanslick, Die moderne Oper (Aus dem Opernleben der Gegenwart Bd. 3), Berlin 1884, 306. 13 Beispielsweise Otto Rahn, Kreuzzug gegen den Gral. Die Tragödie des Katharismus, Stuttgart 1933. 14 Ernst Kubin, Die Reichskleinodien. Ihr tausendjähriger Weg, Wien 1991, 161-218. 15 Wilhelm Schwemmer, Die Reichskleinodien in Nürnberg 1938-1945, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 65, 1978, 398; Gerhard Rechter, Die Reichsinsignien in Nümberg 1938-1946, in: Ausstellungskatalog Nürnberg - Kaiser und Reich, Nürnberg (Staatsarchiv) 1986, 99-104. 16 Österreichisches Staatsarchiv, Rst. I. 9475/38. Abschrift der Vollmacht von Hans Heinrich Lammers für Willy Liebe! vom 18. Juni 1938. 17 Archiv des Kunsthistorischen Museums, Akt: Reichskleinodien Nürnberg, Kostenvoranschlag der Bautischlerei Franz Thiel in Wien vom 3. August 1938.
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18 Archiv des Kunsthistorischen Museums, Akt: Reichskleinodien Nürnberg, Brief des Kommissarischen Direktors Fritz Dworschak an Oberbürgermeister Willy Liebe! vom 1. September 1938. 19 Stadtarchiv Nürnberg, C 7 I I GR, Nr. 10004, Beilage zu einem Schreiben von Willy Liebe! an Hans Heinrich Lammers vom 7. Juni 1939. 2° Für den Hinweis auf dieses Album, von dem weitere erhaltene Exemplare nicht nachgewiesen werden konnten, möchten wir uns bei Herrn Dr. Franz Kirchweger bedanken. Siehe hierzu auch Archiv des Kunsthistorischen Museums, Akt: Reichskleinodien Nürnberg, Begleitschreiben des Hochbauamtes Nürnberg an Fritz Dworschak vom 31. Mai 1939 zur Übersendung von elf Exemplaren des Erinnerungsalbums an das Kunsthistorische Museum. 21 Stadtarchiv Nürnberg, V d 4 Nr. 257, Rückführung der Reichsinsignien und Reichskleinodien nach Nürnberg, Schreiben von Dr. Geyer, Präsident der Reichsbahndirektion Nürnberg, an Willy Liebe! vom Nürnberg 19. August 1938. 22 Stadtarchiv Nürnberg, V d 4 Nr. 257. 23 Stadtarchiv Nürnberg, V d 4 Nr. 257. Abschrift der Rede Seyss-Inquarts übermittelt an Liebe! durch die Organisationsleitung der Reichsparteitage am 4. August 1938.
24 Nach dem Krieg erhielt Otto Huth eine Professur in Tübingen. Seine Publikationen über den vermeintlichen germanischen Ursprung von christlichen Festen werden häufig in neonazistischer Literatur bzw. auf den einschlägigen Seiten im Internet zitiert. 25 Eberhard Lutze, Die Deutschen Reichsinsignien und Reichskleinodien, hg. vom Oberbürgermeister der Stadt der Reichsparteitage, o. 0. o. J. 26 Österreichisches Staatsarchiv Wien, Rst III, Kt. 7.710 Mappe "Museen I Kunst". Bericht über die Reichskleinodien mit Angaben über Besucherzahlen und Einnahmen. 27 Stadtarchiv Nürnberg, C 7 I I GR, Nr. 10004. 28 Stadtarchiv Nürnberg, V d 4 Nr. 257, Akten des Stadtrates Nürnbergs. Brief von Willy Liebe! an Hans Heinrich Lammers vom 3. November 1938. 29 Stadtarchiv Nürnberg, C 7 I I GR, Nr. 10004. 30 Stadtarchiv Nürnberg, C 7 I I GR, Nr. 10004, S. 39. 31 Konrad Fries - Julius Lincke, Der Kunst-Luftschutz in der Stadt Nürnberg während des zweiten Weltkriegs, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 1979, 301-303; Schwemmer 1978 (zit. Anm. 15), 406; Wilhelm Schwemmer, Die Bergung und Rückführung beweglicher Nürnberger Kunst- und Kulturgüter während des zweiten Weltkriegs, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 1979, 304. 12 Zum Themenkomplex siehe Stadtarchiv Nürnberg, F5 QNG 412: Bericht Heinz Schmeissner vom 11. August 1945; Bericht Konrad Fries vom 29. Mai 1954. Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 499, Nr. 327 I 31, Nachlaß Bühler: Brief von Julius Lincke an Albert Bühler vom 16. August 1971. Siehe auch Schwemmer 1978 (zit. Anm. 15), 406-410. " Siehe hierzu Kubin 1991 (zit. Anm. 14), 220-221. 34 Schwemmer 1978 (zit. Anm. 15), 408. 35 Siehe auch Klemens Gsell, Rechtsstreitigkeiten um den Reichsschatz. Das Rechtsproblem aus rechtshistorischer und aktueller Sicht, Dissertation Universität Erlangen- Nürnberg 1999, 146-147. 36 Gsell1999 (zit. Anm. 35), 148. " Stadtarchiv Nürnberg, C 7 I I GR, Nr. 10004,46-58. "Gsell1999 (zit. Anm. 35), 46-50. '" Kubin 1991 (zit. Anm. 14), 239-267.
40 Louis de Wohl, The Spear, New York 1955. 41 De Wohl1955 (zit. Anm. 40), 269. Diese Übersetzung und die weiteren aus dem Englischen stammen von den beiden Autoren. Zitate und Übersetzungen beziehen sich auf die jeweils angegebene Ausgabe. 42 The Spear of Destiny. How HitZer lived by the weapon thrust into Christ. 4·' Trevor Ravenscroft, The Spear of Destiny. The Occult Power Behind the Spear which Pierced the Side of Christ, York Beach 1973. 44 "World War Two was really a conflict between famous ninth-century figures reincarnated after exactly one thousand years." Vince Cabrera, Amazon.de auf einen Blick: Spear of Destiny, 6. May 2000, 7. Oct. 2000 <http:/ /www.amazon.de/ exec/ obidos/ ASIN/ ... 70/ qid%D97095 3792/028-7017168-1026955>. 45 Ravenscroft 1973 (zit. Anm. 43), 17, 346,348. 46 Ebenda, 334. 47 Ebenda, 346-347. 48 Ebenda, 13. 49 Ebenda, 20. 50 Stadtarchiv Nürnberg, F5 QNG 412, Brief von Konrad Fries an Heinz Schmeissner vom 22. Juni 1982. 51 James Herbert, The Spear, Basingstoke - Oxford 1978. 52 Herbert 1978 (zit. Anm. 51), 150. 53 Siehe hierzu Ken Anderson, HitZer and the Occult, Amherst 1995, 89-90. 54 Zitiert nach Anderson 1995 (zit. Anm. 53), 89-90. 55 Howard A. Buechner - Wilhelm Bernhart, Adolf HitZer and the Secrets of the Holy Lance, 2. Auf!. Metairie 1989. 56 Leo Rutman, Spear of Destiny, New York 1988. 57 Rutman 1988 (zit. Anm. 56), 37. 58 Trevor Ravenscroft - Tim WallaceMurphy, The Mark of the Beast. The Continuing Story of the Spear of Destiny, Y ork Beach 1997. " Ravenscroft- Wallace-Murphy 1997 (zit. Anm. 58), 3. 60 Bill Still, Legend of the Holy Lance. A Novel, Lafayette 1992. 61 Anderson 1995 (zit. Anm. 53). 62 Russe! McCloud, Die schwarze Sonne von Tashi Lhunpo, 3. Auf!. Engerda 1997. 63 Siehe Andreas Speit, Das Nordische im Bücherregal, TAZ vom 16.6.2003; IDGR Lexikon Rechtsextremismus, 13. August 2004 <http:/ /lexikon.idgr.de/u/u_l/
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ulbrich-stefan/ ulbrich-stefan. ph p>. 64 Richard Greenwald, The Spear of Golgatha, Mareeba I Australien 1996. 65 Grant R. Jeffrey - Angela Hunt, The Spear ofTyranny, Nashville u. a. 2000. " Larry L. Colbert, Songs of Zion, Norman I Oklahoma 2001. 67 Elaine Lee - Will Simpson - Dan Spiegle, Indiana Jones and the Spear of Destiny, 4 Bde., Milwaukee I Oregon 1995. 68 Spear of Destiny (The Darkness, Bde. 15-18), Orange 2000. Abbildungen von Joe Benitez, Peter Steigerwald, Joe Weems und Tyson Wengler. 69 Kunsthistorisches Museum Viemza, 12. September 2004 <http:/ I www.khm.at/ system2E.html? I staticE/ page477.html>. 70 The Unrnuseurn- The Holy Lance, 1997, 12. September 2004 <http://www. unmuseum.org/ spear.htm>. 71 The Museum of Unnatural Mystery Homepage, 12. September 2004 <http:/ I www.unmuseum.org/unmain.htm>. 72 Catholic Encyclopedia: The Holy Lance, 1999, 10 Januar 2002 <http://www. newadvent.org/ cathen/08773a.htm>. 73 10. September 2000 <http:/ /user. fastinet.net/kalogonis I index/lance.htm>. 74 History of the ISCE, 24. März 2002 <http: I I www .hollow-earth.org I history.html>. 7·5 EagleNet: Citizens against the New World Order, 12. September 2004 <http:/ I eaglenet.enochgraphics.com/ >. 76 The Omega File, 12. September 2004 <http: I I www .eaglehost.com/ omega/ >. 77 Christian Updates - New World Order, 12. September 2004 <http://www. cuttingedge.org/news/n1008.html>. " Auf die Einbindung des Motivs der Heiligen Lanze in Fernsehserien wie Witchblade (Episode 15: "Destiny"; Time Warner I TNT 2002), Roar I Conor der Barbar (Episode 7: "The Spear of Destiny" und Episode 8: "The Eternal"; Fox 1997) oder Acapulco Heat (zweite Staffel, Episode 8: "Spear of Destiny"; USA 1993/94) kann nicht eingegangen werden, da Aufzeichnungen der entsprechenden Programme nicht beschafft werden konnten. 79 Für den Hinweis auf die Sendung möchten wir uns bei Kristine Luber, für die Beschaffung einer Aufzeichnung möchten wir uns bei Donald Spangier bedanken. 80 19. Dezember 2004 <http:/ /itv. turner.com/TNT /View /View2/0,941 2,543783I5929I606s-,oo.html>.
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FRANZ KIRCHWEGER (HG.)
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DIE HEILIGE LANZE IN WIEN Insignie- Reliquie- "Schicksalsspeer"
Mit Beiträgen von Gunther G. Wolf, Christian Gastgeber, Pranz Kirchweger,
Volker Schier, Corine Schleif, Erik Szameit, Mathias Mehofer, Verena Leusch, Birgit Bühler,
Manfred Schreiner, VIadan Desnica, Dubravka Jembrih-Simbürger
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Gestaltung: Skira editore
Umschlag: Marcello Francone
Ausführung: Paola Oldani
Textgraphik MarcoAbate
Monica Maroni
Abbildung auf Seite 2: Die Heilige Lanze ohne Manschetten,
mit Silbermanschette und mit Goldmanschette (©: KHM)
ISBN 3-85497-090-0
Kurztitel: Franz Kirchweger (Hg.)
Die Heilige Lanze in Wien (Schriften des Kunsthistorischen Museums 9)
Wien2005
©Kunsthistorisches Museum Wien, 2005 © Skira, Milano, 2005
Alle Rechte vorbehalten.
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