Knochen und Pflanzenreste des frühen Mittelalters von Lauchheim, Ostalbkreis

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Archäologische Ausgrabungen in BJden-Württemberg 1990 Konrad Theiss Verlag

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Archäologische Ausgrabungen in BJden-Württemberg 1990

Konrad Theiss Verlag

Redaktion: Gabriete Süsskind

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg ... I hrsg. vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg ... - Stuttgart : Theiss

Erscheint jährt. 1981, 1982, 1983, 1984, 1985, 1986, 1987, 1988, 1989 (1990)

Umschlagbild: Wiesloch. Fundamente eines gallo-römischen Umgangstempels

Herstellung: Siegtried Fischer, Stuttgart

© Konrad Theiss Verlag GmbH & Co., Stuttgart 1991 ISBN 3-8062-0872-7 ISSN 0724-8954 Alle Rechte vorbehalten Satz und Druck: Grafische Betriebe Süddeutscher Zeitungsdienst, Aalen Printed in Germany

Karte der Städte und Gemeinden, aus denen in diesem Band berichtet wird

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Inhalt

Vorwort 5

Verzeichnis der Autoren 13

Die Untersuchungen des Jahres 1990 im Geißenklösterle bei Blaubeuren, Alb-Donan-Kreis (J. Hahn) 17

Höhlenkunst aus dem Hohlen Fels bei Schelklingen, AJb-Donau-Kreis (J. Hahn) 19

Eine mesolithische Freilandstation in Ett­lingen, Kreis Karlsruhe (E. Schallmayer) 22

Sondierungen an einem steinzeitliehen Fundplatz in Moosburg am Federsee, Kreis Biberach (C.-J. Kind) 24

Neue mesolithische Fundstellen in Rot­tenburg a. N., Kreis Tübingen (J. Hahn, C.~Ki~ ~

Eine Siedlung der ältesten Bandkeramik im Baugebiet »Lindele-Ost« in Rotten-burg a. N., Kreis Tübingen (H. Reim) 29

Untersuchungen in einem neolithischen Siedlungsareal bei Ammerbuch-Reusten, Kreis Tübingen (H. Reim) 31

Die neolithischen Ufersiedlungen von Homstaad-Hömle am Bodensee, Kreis Konstanz (B. Dieckmann) 34

Neue Untersuchungen in dem Michels­herger Erdwerk auf dem Hetzenberg von Neckarsulm-Obereisesheim, Kreis Heil-bronn (J. Biel) 39

AJieshausen-Grundwiesen - eine Sied­lung der jungsteinzeitlichen Gruppe Goldberg 111 im nördlichen Federseeried, Kreis Biberach (H. Schlichtherle) 42

Seekirch-Achwiesen, eine endneolithi­sche Siedlung Im Federseeried, Ge­meinde Seekirch, Kreis Biberach (A. Bo-nenberger) 48

Grabfunde der Glockenbecherkultur von Stetten a. d. D., Stadt Mühlheim a. d. D., Kreis Tuttlingen (R. Dehn) 53

Sondagen in den mittelbronzezeitlichen Siedlungen von Hilzingen, Rielasingen­Worblingen und Hilzingen-Duchtlingen, Kreis Konstanz (B. Dieckmann) 56

Notbergung eines hügelgräberbronze­zeitlichen Grabfundes bei Weingarten, Kreis Karlsruhe (E. Schallmayer) 62

Neue spätbronzezeitliche Paddelfunde aus dem Federseemoor bei Oggelshau­sen, Kreis Biberach (K. Letzner, U. Maier) 63

Mondidol und Lackprofil aus einer Sied­lung der U menfelderzeit in Heidelberg-Bergheim (E. Kemmet, H.-P. Kuhnen) 67

Bronze- und hallstattzeitliche Grabhügel bei Lauchringen, Kreis Waidshut (G. Wesselkamp) 71

Abschließende Untersuchungen im hall­stattzeitliehen Grabhügelfriedhof beim Burrenhof, Gemeinde Grabenstetten, Kreis Reutlingen (F. Klein, J. Rehmet) 74

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Eine Siedlung der Hallstatt- und Früh­latenezeit im Industriegebiet »Siebenlin­den« in Rottenburg a. N., Kreis Tübin-gen (H. Reim) 79

Ein Brandgräberfeld der mittleren Hall­stattzeit bei Trochtelfingen, Stadt Bop-fingen, Ostalbkreis (R. Krause) 84

Fortsetzung der Siedlungsgrabung in Eberdingen-Hochdorf, Kreis Ludwigs-burg (J. Biel) 89

Frühlatenezeitliche und frühgeschicht­liche Siedlungsreste in Schrniden, Stadt Fellbach, Rems-Murr-Kreis (W. Joa-chim, R. Krause) 94

Geomagnetische Prospektion an einem ungewöhnlichen Holzbau römischer Zeit in Hüfingen, Schwarzwald-Baar-Kreis (G. Fingerlin, H. G . Jansen) 97

Archäologische Untersuchungen im Li­meskastell Mainhardt, Kreis Schwäbisch Hall (D. Planck) 101

Zum Abschluß der Ausgrabungen am rö­mischen Gutshof in Nürtingen-Ober-ensingen, Kreis Esslingen (S. Kolbus) 104

Ausgrabungen am >>Fronhofbuck<< in Riegel a. K. , Kreis Emmendingen (C. Dreier) 106

Reste einer römischen Kalkbrennerei in Leimen, Rhein-Neckar-Kreis (L. H. Hil-&~~0 110

Ausgrabungen in Ladenburg (C. S. Som-

Ausgrabungen im römischen und mittel­alterlichen Rottweil1990 (C. S. Sommer) 118

Untersuchungen im Gewann >>Wein­äcker<< in Wiesloch, Rhein-Neckar-Kreis (R.-H. Behrends) 124

Archäologische Forschungen im rorru­schen Rottenburg a. N. (Sumelocenna) , Kreis Tübingen (H. Reim, K. Batsch) 130

Grabungen im Randbereich der römi­schen Zivilsiedlung bei Burladingen, Zol-lemalbkreis (H. Reim) 137

Neue Aufschlüsse zur römischen Topo­graphie von Öhringen, Hohenlohekreis (R. Krause) 139

Fortsetzung der Ausgrabungen auf dem Kappethofplatz von Pforzheim (E. Schallmayer) 141

Notgrabung an der Villa rustica »Sau­kopftunnel << bei Weinheim, Rhein-Nek-kar-Kreis (E. Schallmayer) 145

Eine römische Siedlung bei Murr, Kreis Ludwigsburg (D. Planck) 147

Magnetische Prospektion im römischen Gutshof »Burg<< bei Altenburg, Stadt Reuttingen (J. Faßbinder, F. Klein) 150

Fernstraße und Vorratsbauten in Sont­heim/Brenz, >>Braike<<, Kreis Heiden-heim (H. U. Nuber) 154

Ausgrabungen im römischen Gräberfeld Sontheirn/Brenz, Kreis Heidenheim (A. Schaub) 159

mer) 112 Pflanzenreste aus römischer Zeit von

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Sontheim/Brenz, Kreis Heidenheim (M. Rösch) 162

Eine römische Straßenstation im Egertal bei Trochtelfingen, Stadt Bopfingen, Ostalbkreis (R. Krause) 165

Magnetische Prospektion eines ronu­schen Kastells auf den »Weiherwiesen« bei Essingen, Ostalbkreis (J. Faßbinder) 172

Zwei Jahre archäometallurgische For-schungen auf der Ostalb (M. Kempa) 175

Untersuchungen zum Bergbau auf dem Zähringer Burgberg, Gemeinde Gundel­fingen, Kreis Breisgau-Hochschwarzwald 179

Neue Grabungen im Reihengräberfeld von Sasbach a. K., Kreis Emmendingen (G. Fingerlin) 183

Frühmittelalterliche Bestattungen bei ei­nem neolithischen Großsteingrab nahe Wiechs, Stadt Schopfheim, Kreis Lörrach (G: Fingerlin) 187

Zur Wiederaufnahme der Ausgrabung im frühmittelalterlichen Reihengräberfeld von Schwenningen, Stadt Villingen­Schwenningen, Schwarzwald-Baar-Kreis (G. Oehmichen) 190

Vorgeschichtliche und merowingerzeit­liche Funde von Langenau, Alb-Donau-Kreis (F. Klein) 195

Funde der Merowingerzeit »Beim alten Kirchhof« in Eltingen, Stadt Leonberg, Kreis Böblingen (1. Stork) 198

Neues zum alamannisch-fränkischen Gräberfeld bei Pleidelsheim, Kreis Lud­wigsburg (1. Stork) 203

Neue alamannische Gräber aus Schmi­den , Stadt Fellbach, Rems-Murr-Kreis (M. Knaut) 207

Weitere Untersuchungen in der frühmit­telalterlichen Siedlung >>Mittelhofen« bei Lauchheim, Ostalbkreis (1. Stork) 209

Knochen und Pflanzenreste des frühen Mittelalters von Lauchheim, Ostalbkreis (M. Kokabi , M. Rösch) 215

Grabung in der germanischen Siedlung von Lauda-Königshofen, Main-Tauber-Kreis (K. Frank) 220

Merowingerzeitliche Siedlungsspuren in den Fronenbrunnenwiesen, Stadt Tau­berbischofsheim, Main-Tauber-Kreis (U. Gross) 223

Ergänzende Untersuchungen im Gra­bungsgebiet >>Neuwiesenäcker«, Stadt Renningen , Kreis Böblingen (U. Gross) 226

Eine abgegangene Siedlung bei Mann-beirn-Wallstadt (D. Lutz) 228

Archäologische Untersuchungen im Ge­biet der Wüstung Vöhingen, Gemeinde Schwieberdingen, Kreis Ludwigsburg (S. Amold, U. Gross) 233

Ein Erdstall in Rot am See, Kreis Schwä-bisch Hall (S. Amold) 235

Zur Fortsetzung der archäologischen Ausgrabungen auf der Marktstätte in Konstanz (M. Dumitrache) 236

Zum Fortgang der Grabungen Wessenbergstraße/Katzgasse in stanz (J . Oexle)

in der Kon-

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Ausgrabungen auf dem »Harrnonie«-Ge­lände in der Freiburger Altstadt (M. Un-termann) 243

Untersuchungen von drei Hinterhofbe­reichen in Ettlingen, Kreis Karlsruhe (H. Rosmanitz) 246

Hochmittelalterliche Siedlungsbefunde am Kelternplatz in Tübingen (J. Kirch-hoff, E. Sommer) 249

Botanische Untersuchungen an hochmit­telalterlichen Siedlungsgruben vom Kel-ternplatz in Tübingen (M. Rösch} 252

Rettungsgrabungen in der Ulmer Schwörhausgasse (J. Oexle) 256

Neue Ergebnisse der Grabungen auf dem Ulmer Münsterplatz (J. Oexle) 259

Die Ausgrabung >>Rosengasse« m Ulm (T. Westphalen) 268

Sondagen im mittelalterlichen Stadtge­biet von Bönnigheim, Kreis Ludwigsburg (S. Arnold} 273

Funde aus dem älteren Stadtgraben von Bönnigheim, Kreis Ludwigsburg (U. Gross, K. Sartorius) 275

Ausgrabungen im >>Alten Rathaus«, ehe­mals Gasthaus Krone-Post, in Aalen (H. Becker-Erdem) 276

Zum Stand der Untersuchungen im Aureliuskloster Hirsau, Stadt Calw (M. Putze, 0. Teschauer) 278

Archäologische Untersuchungen im ehe­maligen Zisterzienserkloster Bebenhau-sen, Stadt Tübingen (B. Scholkmann) 283

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Ergebnisse der bauarchäologischen Un­tersuchungen zur Frühgeschichte der Pfarrkirche St. Vitus in Schelklingen, Alb-Donau-Kreis (E. Schmidt) 288

Ausgrabungen im ehemaligen Schloß Dallau, Gemeinde Elztal, Neckar-Oden-wald-Kreis (C. Wieczorek} 292

Eine spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Badestube im ehemaligen Spital von Crailsheim, Kreis Schwäbisch Hall (S. Arnold} 295

Ein mittelalterliches Bergbaurevier am Birkenberg bei St. Ulrich, Gemeinde Bollschweil, Kreis Breisgau-Hoch­schwarzwald (A. Brem, H. Wagner, U. Zimmermann) 297 .

Neue Ergebnisse der Flugprospektion (0. Braasch} 303

Archäologische Auswertung von Luft­bildbefunden aus Müllheim, Kreis Breis-gau-Hochschwarzwald (J. Klug) 316

Fundmünzen aus Württemberg (U. Klein) 320

Ausgrabungen in Konstanz - Münzfunde 1989-1990 (H. Brem) 330

Mittelalterliche Lederfunde aus Kon-stanz (C. Schnack) 337

Das osteologische Fundarchiv der Ar­chäologischen Denkmalpflege in Rotten­burg a. N. (K. Frank, M. Kokabi, J. Wahl) 340

Ortsregister 345

und soziale Gründe dürften hier entscheidend gewesen sein. Der kleine Bestattungsplatz bricht nach maximal zwei Generationen ab. Zu einem uns noch unbekannten Zeitpunkt wurde er z. T . durch ein 16,50 x 7 m großes Wohnhaus in Pfostenbauweise überdeckt. Dieses war spätestens im 10. Jh ., als an dieser Stelle eine Grubenhütte gestanden hatte, längst abgebrochen. Die Erkenntnisse, die in »Mittelhofen« noch für die frühe Landesgeschichte exemplarisch zu gewinnen sind, konnten hier nur angedeutet

werden. Im Verein mit naturwissenschaft­lichen Untersuchungen (vgl. unten), zu denen etwa auch Analysen von Eisenverhüttungs­schlacken gehören, wird sich Licht in schrift­lich nicht überlieferte Geschichte zu Füßen der Kapfenburg bringen lassen. Ingo Stork

Literaturhin weise I. Stork, Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 1989, 212 ff. -Ders., Frühes Mittelalter um die Kapfenburg. in: Die Kapfenburg, Vom Adelssitz zu·m Deutschor­densschloß. Katalog zur Ausstellung im Deutschor­densschloß Kapfenburg (1990) 95 ff. (mit weiterfüh­render Literatur).

Knochen und Pflanzenreste des frühen Mittelalters von Lauchheim, Ostalbkreis

Seit Beginn der Ausgrabungen werden in der frühmittelalterlichen Siedlung im Gewann »Mittelhofen<<, Stadt Lauchheim, die Kno­chenreste systematisch verprobt und großvolu­mige Stichproben aus Grubenhäusern, Pfo­stenlöchern und ähnlichen Befunden ge­schlämmt, um daraus Pflanzenreste zu isolie­ren. Nachdem in beiden naturwissenschaft­lichen Disziplinen inzwischen Bearbeitungen von römischen und hoch- bis spätmittelalter­lichen Fundkomplexen vorliegen oder im Ent­stehen sind, stellte bislang das frühe Mittelal­ter eine Lücke dar, wodurch es schwierig war, die Entwicklungsgeschichte unserer Landwirt­schaft und Kulturlandschaft bruchlos bis zur Zeitenwende zurückzuverfolgen. Die Haupt­ursache liegt darin, daß bislang aus dem frühen Mittelalter fast ausschließlich Gräberfelder, jedoch kaum Siedlungen bekannt waren. In­zwischen wurden einige Siedlungen entdeckt. Eine dieser Siedlungen ist Mittelhofen in Lauchheim, wo außerdem das zugehörige

Gräberfeld ausgegraben wird. Da die Untersu­chungen noch einige Jahre fortgesetzt werden, können hier nur vorläufige Ergebnisse mit­geteilt werden, die auf der vergleichenden osteologischen und botanischen Untersuchung weniger Grubenhäuser beruhen. Da die Kon­zentrationen sowohl an Knochen als auch be­sonders an Pflanzenresten hier ähnlich gering sind wie in prähistorischen Mineralbodensied­lungen, ist die Zahl der bisher untersuchten Funde noch klein, und die hieraus ableitbaren Aussagen zur Bedeutung einzelner Tier- und Pflanzenarten für die Wirtschaft und Ernäh­rung können noch nicht für die gesamte Sied­lung verallgemeinert werden. Knochen. Die untersuchten Knochenreste stammen aus vier Grubenhäusern (Abb. 140). Die Hauptmenge, über 80 Prozent, der insge­samt 409 bestimmten Funde lieferte das Gru­benhaus 4. Aus Haus 2 wurden 70 bestimm­bare Tierknochen geborgen. Die beiden ande­ren Grubenhäuser (Nr. 5 und 8) erbrachten ge-

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100~

, ...

....

.... ...

Lauchheim-Mittelholen Knochen

Haus4 HaUlei Hau.a Summe

Abb. 140 Lauchheim. Knochenstatistik für vier Grubenhäuser der frühmit­telalterlichen Siedlung Mittelhofen (Bezugsbasis Stückzahlen). Anteile wich­tiger Nutztiere am Haus­tierknochenmaterial

- Rind - Sebaj/2tege Scbw•tn dh·ene Hau11tere

Abb. 141 Lauchheim. Besondere Knochen­funde aus Haus 4. Links: Rechte Tibia eines nicht ganz ausgewachsenen Bibers, proximale Epiphyse nicht verwachsen. Maßstab 1:1. Rechts: Braunbär, V. Metacarpus der linken Tatze, nur Proximalteil erhalten. Maßstab 1:2. Unten: Hausgans, Fragment einer Ulna, der Knochen ist zu einer Pfeife bearbeitet. Maßstab 1:1

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ringe Fundzahlen ohne große Aussagekraft. 99,5 Prozent der gesamten Knochen sind Haustierreste. Die Wildtierknochen stammen, abgesehen von einem Schulterblatt-Fragment eines Wildschweins aus Haus 2, alle aus Haus 4. Hier sind Skelettelemente von Rot­hirsch, Wildschwein, Braunbär sowie vom Bi­ber nachgewiesen (Abb. 141). Berücksichtigt man die artspezifisch unter­schiedliche Größe der Haustiere, so scheint das Rind das wichtigste Wirtschaftstier gewe­sen zu sein, obwohl Rinderknochen »nur« knapp 27 Prozent aller bestimmten Knochen ausmachen, wohingegen Schweineknochen einen Anteil von immerhin 42 Prozent am ge­samten Fundgut haben (Abb. 140). Knochen­reste von kleinen Hauswiederkäuern kommen mit über 20 Prozent verhältnismäßig häufig vor. Somit ergibt die Analyse der Knochen von Hauptwirtschaftstieren folgendes Bild (Abb. 140): Im alamannischen Lauchheim war das Rind zwar der wichtigste Fleischlieferant, am häufigsten aber schlachtete man Haus­schweine. Unter den Schaf-/Ziegenknochen sind nur Reste des Schafs mit Sicherheit nach-

gewiesen. Dagegen liegt für die Ziege bislang kein sicherer Artnachweis vor. Das könnte u. a. daran liegen, daß die Ziege als Laub- und nahezu »Allesfresser« für den landwirtschaft­lichen Anbau von Kulturpflanzen ebenso wie für den Gartenbau ein geradezu schädliches Tier war. Zum anderen wurden aus den Gru­benhäusern auch mehrfach Webgewichte und Spinnwirtel geborgen. Das könnte als Hinweis darauf gelten, daß man hauptsächlich Schafe auch wegen der Wollgewinnung gehalten hatte. Einziger Beleg für das Pferd ist ein Oberkiefer-Molar. Der Zahn kommt aus Gru­benhaus 4. Wie überall seit der Römerzeit wurde auch Hausgeflügel gehalten. Der Anteil der Hüh­nerknochen fällt mit über fünf Prozent relativ hoch aus. Diese Zahlen, die uns als Wirt­schaftsindikatoren dienen, basieren im we­sentlichen auf dem Fundgut der Grubenhäu­ser 2 und vor allem 4. Ob die Funde aus diesen beiden Häusern, insbesondere aus Haus 4, einen repräsentativen Querschnitt für die ala­mannische Siedlung von Lauchheim verkör­pern, muß durch Untersuchung weiterer fund­reicher Häuser überprüft werden. Innerhalb des bisher bearbeiteten Materials nimmt das Haus 4 jedenfalls eine Sonderstellung ein, nicht nur wegen seines Knochenreichtums, sondern auch bezüglich des vielfältigen Arten­spektrums. Ein besonders bemerkenswerter Fund ist hier noch das Ulnafragment einer Hausgans. Dieser Knochen ist insgesamt 66,5 mm lang und an einem Ende glatt abge­schnitten. Am anderen Ende ist er abgebro­chen. Nahe der Bruchstelle ist ein Anblasloch zu erkennen (s. Abb. 141 unten). Das Loch dürfte einen Durchmesser von ca. 6 mm ge­habt haben. Wie es scheint, liegt mit diesem Knochen das Fragment einer Pfeife vor. Pflanzenreste. Es wurden die Pflanzenreste aus acht Grubenhäusern ausgewertet. Da nur verkohlte oder mineralisierte Funde vorlie-

gen, überwiegen erwartungsgemäß die Kultur­pflanzen über die Wildpflanzen, deren Anteil jedoch recht hoch, über 60 Prozent, ist. Bei den Kulturpflanzen dominiert in allen Häu­sern das Getreide. Daneben wurden Kultur­lein, Linse und Erbse nachgewiesen (Abb. 142.a). Den Hülsenfrüchten kann man ange­sichts der Tatsache, daß sie im pflanzlichen Fundgut stets unterrepräsentiert sind, eine große wirtschaftliche Bedeutung zubilligen. Aus welchen Arten sich das Getreide von Lauchheim zusammensetzt, ist Abb. 142.b zu entnehmen: Am häufigsten ist der Hafer, ge­folgt von Dinkel und von Nacktweizen. Rela­tiv selten sind Gerste, Roggen und Einkorn/ Emmer, die in dieser Graphik zusammenge­faßt sind. Auch was die Stetigkeit des Auftre­tens betrifft, liegt Hafer an erster Stelle, ge­folgt von Nacktweizen und Dinkel. Dieser Ste­tigkeitsangabe liegt die Auswertung von 56 Proben zugrunde. Vergleicht man dieses Kul­turpflanzenspektrum mit anderen frühmittel­alterlichen Fundplätzen im Land, so kann man einige Gemeinsamkeiten, aber auch Unter­schiede feststellen: Gemeinsam ist allen vier untersuchten Siedlungen, daß Erbse und Linse auftreten und die Getreidepalette sehr arten­reich ist. Haferdominanz wurde dagegen nur noch in Rennirrgen gefunden, das zeitlich ziemlich spät einzustufen ist. In Mengen am Tuniberg und Mühlheim-Stetten a. d. D. do­miniert dagegen der Nacktweizen. Welche Ge­treide zusätzlich wichtig waren und welche nur in Spuren auftraten, läßt sich ebenfalls nicht verallgemeinern. Lediglich Einkorn wurde bislang nirgends in größeren Mengen gefun­den. Wie die osteologische Untersuchung in Lauchheim zeigt, spielte dort das Pferd als Wirtschaftstier allenfalls eine Nebenrolle. Der Haferanbau dürfte deshalb nicht mit Pferde­haltung in Zusammenhang stehen, sondern diente der menschlichen Ernährung. Die Wildpflanzen wurden in üblicher Weise

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l:ullurpllanzen

Ba1111 Baal2 Baas~ Raaa4 Baaa6 Baaa6 Baat7 Haual la:mae

Getreide

HausJ Haua2 Haus) Haus4 Haus& Hatn6 Haaa7 Hause Summe

- Ha:ler

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Abb. 142 Lauchheim. Pflanzenreste aus acht Grubenhäusern der früh­mittelalterlichen Siedlung Mittelhafen (Bezugsbasis Stückzahlen). a Mengen­anteile von Getreide, Kulturlein und Legumino­sen am gesamten Kultur­pflanzen-Fundgut; b Men­genanteile der bestimmba­ren Getreidereste, c Men­genanteile ökologischer Gruppen am Wildpflanzen­Fundgut

zu ökologischen Gruppen zusammengeiaßt (Abb. 142.c). Hier zeichnet sich ein Überge­wicht der Ackerunkräuter ab, bei denen wie­derum die Hackfrucht- und Sommergetreide­arten häufiger sind als die Arten des Winter­getreides. Neben den Ackerunkräutern treten Pflanzen von Trittgesellschaften auf, die hauptsächlich auf Wegen oder in übersetzten Weiden wachsen, aber auch teilweise auf Äckern, wo sie dann als Hinweis auf mechani­sche Störung und Bodenverdichtung gelten können. Weiterhin kommen Arten des Grün­landes vor, die bei Dreifelderwirtschaft, Feld­graswirtschaft oder einem ähnlichen Brachesy­stem auch auf den Feldern gewachsen sein könnten. Die Nässezeiger dagegen signalisie­ren wohl den Einfluß der nahen Jagst. Die Ru­deralpflanzen könnten in der Siedlung selbst gewachsen sein. Bei den Arten der Gebüsche handelt es sich vorwiegend um eßbares Wild­obst wie Hasel, Schlehe, Apfel, Birne, Him­beere, Brombeere und Erdbeere. Diesem ver­mutlich wild gesammelten Obst - bei Apfel und Birne lassen sich hier Wild- und Kulturfor­men morphologisch nicht voneinander abgren­zen - steht ein einziger Beleg der Hafer­pflaume, einer kultivierten Obstart, gegen­über, der außerhalb der hier ausgewerteten Grubenhäuser auftrat. Mit dieser Beobach­tung korrespondiert auch der Sammelpflan­zenanteil von etwa vier Prozent am gesamten Nahrungspflanzen-Aufkommen, was für eine Mineralbodensiedlung recht hoch ist und dar­auf hinweist, daß in dieser Siedlung für die Versorgung mit pflanzlicher Nahrung neben der landwirtschaftlichen Produktion die Sam­meltätigkeit eine recht große Rolle spielte. Außer den bereits erwähnten Nutzpflanzen seien noch einige weitere Pflanzen genannt, deren Vorkommentrotz der schlechten Erhal­tungsbedingungen zunächst einmal grundsätz­lich bemerkenswert ist. Besonders augenfällig sind in Lauchheim Arten des Wintergetreides,

die zugleich die bodenabhängigen Bedingun­gen (kalkreicher Malmschutt-Verwitterungs­lehm) widerspiegeln: Saat-Labkraut ( Galium spurium), Windenknöterich (Polygonum con­volvulus), Kuhkraut (Vaccaria hispanica), wohl Viersamige Wicke (Vicia cf. tetrasper­ma), Raubhaarige Wicke (Vicia hirsuta), Acker-Finkensame (Neslia paniculata), Klatschmohn ( Papaver rhoeas), wohl Roggen­trespe (Bromus cf. secalinus), Kornrade (Agrostemma githago), Sommer-Adonis­röschen (Adonis aestivalis), wohl Feld-Ritter­sporn (cf. Consolida regalis), wohl Zarte Wicke (Vicia cf. tenuissima). Einige dieser Ar­ten, die heute im Land selten und teilweise vom Aussterben bedroht sind, weil sie auf un­seren intensiv bearbeiteten Feldern keinen Le­bensraum mehr finden, konnten rezent in der Pioniervegetation auf dem Grabungsareal be­obachtet werden. Weitere bemerkenswerte Arten sind die Bor­sten-Moorbinse (Isolepis setacea), die als Pio­nier auf nassen Waldwegen oder an Graben­rändern wächst, sowie die Pechnelke (Lychnis viscaria), die bevorzugt auf Magerrasen und Magerweiden, Heiden und in Trockenwald­Säumen zu finden ist. Diese Pflanze war früher gerade im Vorland der Ostalb recht verbreitet, ist jedoch hier wie im ganzen Land stark zu­rückgegangen und gilt als vom Aussterben be­droht. Eine nach Häusern differenzierte Interpreta­tion des Materials wird dadurch einge­schränkt, daß nur bei den Häusern 3, 6 und 8 die Fundzahlen statistisch relevante Anteile liefern. Hier hat Haus 3 einen abweichend ho­hen Wildpflanzenanteil, der jedoch in seiner Zusammensetzung dem Durchschnitt ent­spricht. Dagegen weicht Haus 8 mit einem be­sonders hohen Anteil von Nässezeigern vom Durchschnitt ab. Sehr individuell sind die Ge­treidespektren (Abb. 142.b): Haus 3 erbrachte besonders viel Dinkel und Gerste, Haus 6 be-

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sonders viel Hafer und Haus 8 besonders viel Nacktweizen und Roggen. Die Anteile der Winterfruchtarten an den Ackerunkräutern sind hiermit nicht eindeutig korrelierbar, zu­mal im Prinzip alle hier nachgewiesenen Ge­treide als Winterfrucht angebaut worden sein können und dies bei Dinkel und Roggen sogar anzunehmen ist. Vergleichende Zusammenfassung. Ein direk­ter und hausbezogener Vergleich der botani­schen und osteologischen Ergebnisse ist nicht möglich, da die Häuser mit zahlreichen Kno­chen kaum Pflanzenreste enthielten und um­gekehrt. Dies ist immerhin als wichtige Beob­achtung allgemeiner Art festzuhalten, deutet es doch darauf hin, daß die Mechanismen, un­ter denen es zu einer Funderhaltung kam, für Knochen und Pflanzenreste unterschiedlicher Natur waren. Faßt man die Ergebnisse der Grubenhäuser in der vergleichenden Betrach-

tung zusammen, so kann man für das frühmit­telalterliche Mittelhofen eine überragende Be­deutung von Ackerbau und Viehhaltung für die Nahrungswirtschaft konstatieren, wobei jedoch die Rolle von Jagd und Sammelwirt­schaft nicht unterschätzt werden darfund in ih­rer wahren Bedeutung vielleicht erst bei weite­rem Fortgang der Untersuchungen erkannt werden kann.

Mostefa Kokabi und Manfred Rösch

Literaturhinweise M. Kokabi, Osteoarchäologische Bemerkungen über den derzeitigen Stand der Forschung in Süd­westdeutschland. In: D. Planck (Hrsg.), Archäolo­gie in Württemberg (1988) 465 ff. - A. von den Driesch u. M. Kokabi, Zu den frühmittelalterlichen Tierknochenfunden: In: H. Dannheimer: Aschheim im frühen Mittelalter. Tei11: Archäologische Funde und Befunde. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 32, (1988), 153 ff.- M. Rösch, Arch. Ausgr. 1987, 164 f.; 1988, 211 f.; 1989, 285 ff. -I. Stork, Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 1989, 212 ff.

Grabung in der germanischen Siedlung von Lauda-Königshofen, Main-Tauber-Kreis

Im Sommer 1990 führte das Landesdenkmal­amt Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Vor- und Frühge­schichte in Württemberg und Hohenzollern e. V. und der Stadt Lauda-Königshofen, Main-Tauber-Kreis, eine archäologische Lehrgrabung auf einem prähistorischen Sied­lungsplatz bei Lauda durch. Insgesamt nah­men etwa 30 interessierte Laien an der Ausgra­bung teil. Den Kursteilnehmern, für deren Einsatz und engagierte Mithilfe hier sehr ge­dankt werden muß, sollte ein Einblick in die praktische archäologische Ausgrabungsarbeit, Dokumentation und die Fundbergung verrnit-

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telt werden. Die Stadt Lauda-Königshofen hat die Ausgrabung in vielerlei Hinsicht tatkräftig unterstützt, ihr sei an dieser Stelle ebenfalls herzlich gedankt. Ziel der Untersuchung war es, einen Einblick in die Ausdehnung und den Erhaltungszustand einer kaiserzeitlichen, germanischen Sied­lungsstelle zu bekommen, die durch die inten­sive landwirtschaftliche Nutzung des Geländes in ihrer Substanz als stark gefährdet gilt. Hinzu kommt, daß eine erste kleine Sondagegra­bung, die im Frühjahr 1986 durchgeführt wor­den war, bemerkenswerte Ergebnisse zutage­gefördert, viele wichtige Fragen aber noch of-