Pflanzenreste aus Gruben der keltischen Siedlung am Ohrenberg bei Benzenzimmern, Gde. Kirchheim am...

15
TOBINGER GEOGRAPHISCHE STUDIEN I H. 130 I 2004 I s. 287- 30 I I TüBINGEN RODIGER KRAUSE & KARL-HEINZ PFEFFER (HRSG.) STUDIEN ZUM ÖKOSYSTEM EINERKELTISCH-ROMISCHEN SIEDLUNGSKAMMER AM NORDLINGER RIES Pflanzenreste aus Gruben der keltischen Siedlung am Ohrenberg bei Benzenzimmern, Gde. Kirchheim am Ries, Ostalbkreis 1 von Manfred Rösch, Hemmenhofen mit 9 Abbildungen und 2 Tabellen Aus der Fllllung eines eisenzeitlichen Grubenhauses (Vgl. Abb.5 im Beitrag Krause 2 - dieser Band) vom Fundplatz Ohrenberg, Gemeinde Kirchheim-Benzenzimmern (Ostalb- kreis) erhielten wir am 14. 7. 1989 zwei Bodenproben zur Untersuchung auf Ptlanzenreste. Die Grube datiert nach freundlicher Auskunft des Ausgräbers in die Stufe Latene B/C, also in die Zeit der ausgehenden FrUhlatene- zur Mittellatenezeit (KRAUSE 1990: 112ft). Die beiden Proben hatten ein Gewicht von 856 bzw. 783 gundein Verdrängungsvolumen von 510 bzw. 480 ml. Da sie aus dem seihen Befund stammten und sich in ihrer Zusammenset- zung nicht voneinander unterschieden, wurden sie in der Auswertung zu einer Probe zu- sammengefaßt. In jüngster Zeit wurden·weitere sechs Proben von diesem Fundplatz al,ls der Grabungskampagne 1994 (MENZEL, BAUER 1994: 94f) untersucht. Alle Proben bestanden aus humosem durch Holzkohle dunkel geflirbtem Lehm mit hohem Gehalt an Sand und Feinkies (Abb. 1). Daneben konnten geringe Mengen an Molluskenschalen und Knochensplittern re- gistriert werden. Das Material wurde nass gesiebt und zwar Probe I mit einem fllnfteili.gen Siebsatz, Maschenweiten zwischen 0,25 und 4 mm lagen. Bei den Proben 2 bis 7 wurde ein Sieb mit 0,5 mm als feinster Maschenweite verwendet. 1 1m Februar 2000 Oberarbeitete Fassung eines Manuskripts vom Juli 1991

Transcript of Pflanzenreste aus Gruben der keltischen Siedlung am Ohrenberg bei Benzenzimmern, Gde. Kirchheim am...

TOBINGER GEOGRAPHISCHE STUDIEN I H. 130 I 2004 I s. 287- 30 I I TüBINGEN

RODIGER KRAUSE & KARL-HEINZ PFEFFER (HRSG.)

STUDIEN ZUM ÖKOSYSTEM EINERKELTISCH-ROMISCHEN SIEDLUNGSKAMMER AM NORDLINGER RIES

Pflanzenreste aus Gruben der keltischen Siedlung

am Ohrenberg bei Benzenzimmern, Gde. Kirchheim am Ries, Ostalbkreis 1

von

Manfred Rösch, Hemmenhofen

mit 9 Abbildungen und 2 Tabellen

Aus der Fllllung eines eisenzeitlichen Grubenhauses (Vgl. Abb.5 im Beitrag Krause 2 -

dieser Band) vom Fundplatz Ohrenberg, Gemeinde Kirchheim-Benzenzimmern (Ostalb­

kreis) erhielten wir am 14. 7. 1989 zwei Bodenproben zur Untersuchung auf Ptlanzenreste.

Die Grube datiert nach freundlicher Auskunft des Ausgräbers in die Stufe Latene B/C, also

in die Zeit der ausgehenden FrUhlatene- zur Mittellatenezeit (KRAUSE 1990: 112ft). Die

beiden Proben hatten ein Gewicht von 856 bzw. 783 gundein Verdrängungsvolumen von

510 bzw. 480 ml. Da sie aus dem seihen Befund stammten und sich in ihrer Zusammenset­

zung nicht voneinander unterschieden, wurden sie in der Auswertung zu einer Probe zu­

sammengefaßt. In jüngster Zeit wurden· weitere sechs Proben von diesem Fundplatz al,ls der

Grabungskampagne 1994 (MENZEL, BAUER 1994: 94f) untersucht.

Alle Proben bestanden aus humosem durch Holzkohle dunkel geflirbtem Lehm mit

hohem Gehalt an Sand und Feinkies (Abb. 1).

Daneben konnten geringe Mengen an Molluskenschalen und Knochensplittern re­

gistriert werden. Das Material wurde nass gesiebt und zwar Probe I mit einem fllnfteili.gen

Siebsatz, dess~n Maschenweiten zwischen 0,25 und 4 mm lagen. Bei den Proben 2 bis 7

wurde ein Sieb mit 0,5 mm als feinster Maschenweite verwendet.

11m Februar 2000 Oberarbeitete Fassung eines Manuskripts vom Juli 1991

288 TOBINGER GEOGRAPHISCHE STUDIEN -BAND 130 BEITRAG ROSCH

• <0,25

II 0,25

[] 0,5

• 1

II 2

• 4

74 102 107 121 122 125 108 Befund-Nr.

Abb. I: Gewichtsanteile der Korngrößenklassen

Durch Wiegen der Siebrückstände ist es möglich, die Körnung des Materials anzugeben2•

Die Körnungscharakteristik entspricht etwa einem sandig - kiesigen Lehmboden. Dabei

sind die Befunde 74 und 102 etwas grobkörniger und 122 am feinkörnigsten.

Die beim Schlämmen in Größenklassen sortierten Pflanzenreste wurden aus den

Siebfraktionen ausgelesen und bestimmt. Das Ergebnis geht aus Tab. 1 (alphabetische Ar­

tenliste) hervor.

Alle Proben enthielten ausschließlich verkohlte Pflanzenreste3•

2Für Korngrößen > 0,25 mm. Auf diesen Parametern beruht Abb. 1.

3Bei der Auswertung blieben rezente unverkohlte Diasporen sowie Holzkohlen unberück­sichtigt. Bei den unverkohlten Diasporen handelte es sich um gängige Acker- Wildkräuter, die als Bestandteil der rezenten bis subrezenten Diasporenbank des Bodens angesehen wer­den müssen. Sie können bei der weiteren Betrachtung vernachlässigt werden. Eisenzeitli­ches Alter ist lediglich filr die verkohlten Pflanzenreste anzunehmen.

PFLANZENRESTE AUS GRUBEN DER LATENEZEIT VON BENZENZIMMERN 289 .. Tabelle 1: Alphabetische Artenliste

Kircbheim_Benzenzimmern, Ohrenberg

Ostalbkreis

Siedlung, Ha D/LT 8/C

Pflanzenreste

Lfd. Nr. I

Labor_Nr. I 2 3 4 5 7 6

Flache 8 2030 2031 2031 2229 2032 2030

Befund 74 107 121 122 102 125 108

Fund Nr. 160

Planum 3 4 I 2 5 6 I -2

Datierung FLT FLT FLT FLT FLT LT LT/rom

Gewicht (g) 1639 9172 9744 9142 11502 11760 9312 52959

Volumen (ml) 990 5300 5500 7800 9900 9500 7400 38990

Taxon Organ Anzahl

0. G. verkohlt:

2 I Aphanes arvensis Nüßchen 2 I 3

I I Avena Karyopse I I

3 Carex hirta Innen

I I frucht

10 Carex leporina Innen I I frucht

2 I Bromus cf. secali-Karyopse I I I 3

nus

I 2 Camelina Same I I

I 1 Cerealia indet. Karyopse 7 2 6 4 4 2 5 30

20 Chenopodium Same 3 1 1 5

2 Chenopodium al-Same I 2 2 5 bum

5 Chenopodium glau-

Same 21 I I 23 cum

2 2 Chenopodium hy-Same I I

bridum

2 I Chenopodium poly-Same 4 4

spermum

2 Eragrostis minor Karyopse I I

II Galium aparine Same I 2 3

9 Galium cf. mollogo Same I I

290 ""'<.' TüBINGER GEOGRAPHISCHE STUDIEN -BAND 130 BEITRAG RöSCH /

• 2 Galium spurium Same I I I 3 6

I I Hordeum vulgare Karyopse 6 19 I 8 3 4 41

I 3 Lens culinaris Same 2 I I 4

I 2 Linum usitatissi- Same I 1 mum

2 Malva cf. neclecta Same 2 2

9 Medicago lupulina Same I I

20 Panicum/Setaria Karyopse I I

I 2 Papaver somnife- Same 3 3

8 Plantago media Same 1 I

20 Poa Karyopse 1 1

3 Poa annua Karyopse 1 1

9 Poa trivialis Typ Karyopse I I

2 Polygonum convol- Frucht 3 1 I 5 vulus

2 Polygonum persi- Frucht 1 1 caria

I 5 Prunus spinosa Frucht 1 1 stein

20 Ranunculus sect. Frucht I I Ranunculus

16 3 Sium erectum Teilfrucht 1 1

8 Trifolium campestre Same I I

I I Triticum aesti- Karyopse 1 I vum/durum

I I Triticum dicoccum Ährchen 1 1 2

I I Triticum monococ- Ährchen 1 2 3 cum gabel

I I Triticum monococ- Karyopse I I

I I Triticum spelta Karyopse 2 2

I I Triticum spelta Ährchen

I 2 3 lgabel

20 Vicia Same 1 1 2

Summe 23 12 69 7 19 13 27 170

Konzentration 23.2 2.3 12.5 0.9 1.9 1.4 3 .6 3.7

Typenzahl 10 10 15 4 8 10 15 40

PFLANZENRESTE AUS GRUBEN DER LATENEZEIT VON BENZENZIMMERN 291 •

Insgesamt wurden I70 Reste von Kulturpflanzen und Wildpflanzen gefunden4 (RÖSCH

I995: 43ft), was einer mittleren Konzentration von 3, 7 Resten je Liter Sediment entspricht.

Das bewegt sich im Rahmen dessen, was bei offenen Fundkomplexen und Siedlungsgra­

bungen ohne Feuchtbodenerhaltung zu erwarten ist. Alle Proben bis auf Befund I08 kön­

nen nach Auskunft des Ausgräbers ins Frühlatene gestellt werden5. Lediglich bei Befund

I08 liegt eine Vermischung mit römischem Material vor, der sich auch im Pflanzenspekt­

rum niederschlägt6• Aufgrund der geringen Fundzahlen werden die Frühlatene-Befunde un­

ter Ausschluss von Befund I08 nachfolgend zusammenfassend ausgewertet (vgl. Tab. 2).

Tabelle 2: Verkohlte Pflanzenreste vom Ohrenberg, Kirchheim-Benzenzimmern. Ökolo­gisch geordnet.

Kirchheim-Benzenzimmern, Ohrenberg

Ostalbkreis

Siedlung, Ha D/L T 8/C

Pflanzenreste

Labor Nr. I 2 3 4 5 7 6 Fläche 8 2030 2031 2031 2229 2032 2030 Befund 74 107 121 122 102 125 108 Fund Nr. 160 Planum 3 4 I 2 5 6 I 2 Datierung FLT FLT FLT FLT FLT LT FLT LT /röm

Gewicht (g) 1639 9172 9744 9142 1150 ll760 52959 9312

yolumen (ml) 990 5300 5500 -

7800 9900 9500 138990 7400

4Die aus einem Proben-Gesamtvolumen von ca. I I resultierende Konzentration von 23 Resten je Liter in der reichsten Probe I (Befund 74) ist filr offene Fundkomplexe mit aus­schließlich verkohlter Materialerhaltung überdurchschnittlich hoch. Die dennoch vor allem in statistischer Hinsicht unbefriedigende Fundzahl resultiert allein vom zu geringen Pro­benumfang, der ansonsten standardmäßig bei I 0 Litern liegt.

5Für diese Information danke ich Herrn PD Dr. R. KRAUSE.

6So wurden nur in dieser Probe Dinkel-Körner und einige Grünland-Arten gefunden.

292 . TüBINGER GEOGRAPHISCHE STUDIEN - BAND 130 BEITRAG ROSCH~ ~~

Taxon Organ Anzahl

ö. G. verkohlt:

Getreide/

Kllmer

I I Hordeum vulgare Karyopse 6 19 I 8 3 37 4 Mehrzeilige Spelzgerste

I I Cerealia indet. Karyopse 7 2 6 4 4 2 25 5 Getreide

I I Triticum spelta Karyopse 2 Dinkel

I I Avena Karyopse I I Hafer

I I Triticum aesti-Karyopse I I

Nacktwei-vum/durum zen

I I Triticum mono-coccum

Karyopse I I Einkorn

Drusch

I I Triticum mono-

Ährchengabel I 2 3 Einkorn coccum

I I Triticum spelta Ährchengabel I 1 2 Dinkel

I I Triticum dicoccum Ährchengabel I I 2 Emmer

Öl- und Faserpßanzen

I 2 Papaver somnife-rum

Same 3 3 Schlafmohn

I 2 Camelina Same I I Leindotter

I 2 Linum usitatis-Same I I

Gebauter simum Lein

HOlsenfrUchte

I 3 Lens culinaris Same 2 I 3 I Linse

Sammetobst

I 5 Prunus spinosa Fruchtstein I Schlehe

Uogenulzte Wildpßanzenl Ackerunkrluter

bodenvag

2 Galium spurium Same I I I 3 3 Saat-Labkraut

2 Chenopodium Same I 2 3 2

Weißer album Gansefuß

2 Polygon um con-

Frucht 3 I 4 I Winden-

volvulus Knöterich

2 Malva cf. neclecta Same 2 2 wohl Weg_ Malve

2 Eragrostis minor Karyopse I I Kleines Liebesgras

Polygonum persi-Pfirsi-

2 Frucht I chblättr. caria Knöterich

slurehold

PFLANZENRESTE AUS GRUBEN DER LATENEZEIT VON BENZENZIMMERN 293 •

2 I Chenopodium

Same 4 4 Vielsamiger

tpolyspermum Gänsefuß

2 I Aphanes arvensis Nüßchen 2 I 3 Acker Frau-enmantel

2 I Bromus cf. secali-

Karyopse I I I 3 wohl Rog-

nus gen Trespe

basenhold

2 2 Chenopodium

Same I 1 Hybrid

hybridum Gänsefuß

Trittfluren

3 Carex hirta Innenfrucht I 1 Raube Seg-ige

3 Poa annua Karyopse I 1 Einjähriges Rispengras

Schlammuferfluren

5 Chenopodium

Same 21 I 22 I Blaugrüner

iglaucum Gänsefuß

Rasen/ Heiden

8 Plantago media Same I Mittlerer Wegerich

8 Trifolium

Same I Feldklee campestre

Galium cf. mol-wohl Wie-

9 lugo

Same I sen-Labkraut

9 Medicago lupulina Same I 1 Hopfenklee

9 Poa trivialis Typ Karyopse I 1 Rispengras

10 Carex leporina Innenfrucht I 1 Hasen-Segge

ruderal

Klet-II Galium aparine Same I 2 3 ten_Labkrau

t

Bachröhricht

16 3 Sium erectum Teilfrucht I 1 Aufrechter Merk

Sonstige

20 Chenopodium Same 3 I 4 I Gänsefuß

20 Vicia Same I I 2 Wicke

20 Panicum/Setaria Karyopse 1 1 Hirse

20 Poa Karyopse 1 1 Rispengras

20 Ranunculus sect.

Frucht 1 1 Hahnenfuß Ranunculus

Su mme 23 12 69 7 19 13 143 27

Konzentration 23.2 2.3 12.5 0.9 1.9 1,4 3.7 3.6

Type_ozahl 10 10 15 4 8 10 34 15

294 ~y

}'DBINGER GEOGRAPHISCHE STilDIEN-BAND 130 BEITRAG ROSCJI

Unter den Kulturpflanzen, die mit 79 Resten, verteilt auf mindestens zehn Arten, mehr als

die Hälfte der Funde ausmachen (Abb. 2)', waren die Getreide, und hier wiederum die Kör­

ner am häufigsten (Abb. 3, 4).

160 -

140----

120 - --

100 ---

60

O+ Abundanz Artenzahl

,. Kulturpflanzen Wildpflanzen

Abb. 2: Stück- und Artenzahlen von Kultur- und Wildpflanzen

Hier ist Mehrzeitige Spelzgerste (Hordeum vulgare) mit mehr als 50% klar dominierend

(Abb. 5)7• Von Hafer (Avena), Nacktweizen (Triticum aestivum/durum) und Einkorn (Triti­

cum monococcum) wurde jeweils nur ein Korn gefunden, weshalb die wirtschaftliche Be­

deutung dieser Arten offen bleiben muss8•

7Berechnung unter Einschluss der nicht näher bestimmbaren Körner. Bei deren Ausschluss stiege der Anteil der Gerste auf über 90%.

8Sie war jedenfalls viel geringer als die der Gerste. Beim Hafer ist zudem ungewiss, ob eine Kulturpflanze oder ein Unkraut vorliegt.

PFLANZENRESTE AUS GRUBEN DER LATENEZEIT VON BENZENZIMMERN 295 •

60 +----

40-+----

20

0 +--~ Abundanz Artanzahl i. Getreide 01-/Fasarpllanzan ,. Unsa

Abb. 3: StUck- und Artenzahlen von Kulturpflanzengruppen

80 ,--------------,-------------~

60

• Drusch 40 • Körner

20

0 Abundanz Artenzahl

Abb. 4: StUck- und Artenzahlen von Körnern und Druschresten bei den Getreidefunden

296 TüBINGER GEOGRAPHISCHE STUDIEN -BAND 130 BEITRAG ROSCH

Getreide (38,46~.) - · ·

- Met e. ge Spelzgerste (56,92%)

Abb. 5: Mengenanteile der Getreidearten bei den Körnern

Dinkel (16,67%)

Einkorn (50,00%)

Emmer (33,33%) -

Abb. 6: Mengenanteile der Getreidearten beim Drusch

PFLANZENRESTE AUS GRUBEN DER LATENEZEIT VON BENZENZIMMERN 297 .. Bei den Druschresten waren die Spelzweizen Einkorn (Triticum monococcum), Emmer

(Triticum dicoccum) und Dinkel (Triticum spelta) durch drei, zwei und eine Ährchengabel

vertreten (Abb. 6).

Als weitere Kulturpflanzen konnten neben der Linse (Lens cu/inaris) die Öl- und

Faserpflanzen Schlafmohn, Gebauter Lein und Leindotter gefunden werden (Abb. 7).

Gebauter Lein (20,00%)--

Leindotter (20,00%)--· Schlafmohn (60,00%)

Abb. 7: Mengenanteile bei den Öl- und Faserpflanzen

Die Wildpflanzen wurden in üblicher Weise in ökologische Gruppen eingeteilt

(Abb. 8l (RÖSCH 1996: 65ft). Sowohl bei der Artenzahl als auch bei der Abundanz

(Stückzahl) bilden Ackerunkräuter die größte Gruppe.

Die ähnlich häufige Gruppe der Schlammufer-Fluren besteht nur aus dem Blaugrü­

nen Gänsefuß (Chenopodium glaucum), der allein in Befund 121 mit 21 Samen vertreten ist

und wohl dem Bewuchs nasser Stellen im Siedlungsgelände entstammt. Sowohl die Rasen­

gruppe mit Hopfenklee (Medicago lupu/ina), Rispengras (Poa trivialis Typ) und Hasenseg­

ge (Carex /eporina) als auch das Kletten-Labkraut (Ga/ium aparine), das nach heutigem

Verbreitungsschwerpunkt als Ruderalpflanze eingestuft wird, dürften mit den Ackerunkräu

9Die Einteilung stimmt mit der von STIKA (Beitrag in diesem Band) verwendeten überein.

298 TüBINGER GEOGRAPHISCHE STUDIEN • BAND 130 BEITRAG RöSCH •

II Sonstige

• Bachröhricht

• ruderal

Rasen/Brache

• Schlammuferfluren

• Trittfluren

• Ackerunkräuter

Abb. 8: Stück- und Artenzahlen von ökologischen Gruppen bei den Wildpflanzen

tern zusammen im Getreide gewachsen sein und können als Hinweis auf wenig intensive

Bodenbearbeitung, sowie Brachephasen und Beweidung gelten. Rauhe Segge (Carex hirta)

und Einjähriges Rispengras (Poa annua) wachsen vor allem in Trittfluren, die sowohl im

Siedlungsbereich, als auch in oder am Rand von Äckern zu suchen sind. Außer nicht näher

klassifizierbaren Wildpflanzen wurde weiterhin eine Teilfrucht des Breitblättrigen Merk

(Sium erectum) gefunden, einer Art des Bachröhrichts, die am nahegelegenen Bach östlich

des Fundplatzes gewachsen sein könnte10•

Unter den Ackerunkräutern überwiegen die bodenvagen Arten (Abb. 9). Neben den

früher weit verbreiteten Arten Saat-Labkraut (Galium spurium), Weißer Gänsefuß (Cheno­

podium a/bum), Windenknöterich (Polygonum convolvulus), Weg-Malve ((Ma/va nec/ecta)

und Pfirsichblättriger Knöterich (Po/ygonum persicaria) ist hier das Kleine Liebesgras (E­

ragrostis minor) zu erwähnen, von dem erst wenige Nachweise aus Eisenzeit und Früh-

'oreilfrüchte des Aufrechten Merk wurden in größerer Menge auch in den Torfen am Fuß des Ohrenbergs gefunden, vgl. H. STIKA, in diesem Band.

PFLANZENRESTE AUS GRUBEN DER LATENEZEIT VON BENZENZIMMERN 299 •

20

• 15 basenhold

• &llurehold

10 • bodenvag

5

Artenzahl

Abb. 9: Stück- und Artenzahlen von edaphischen Gruppen bei den Ackerunkräutern

Mittelalter im Land vorliegen. Vielsamiger Gänsefuß (Chenopodium po/yspermum), Acker­

Frauenmantel (Aphanes arvensis) und Roggentrespe (Bromus cf. seca/inus) finden sich e­

her auf sauren Böden, bevorzugt auf oberflächlich entkalktem Lehm. Alle drei wurden in

Südwestdeutschland in eisenzeitlichem Kontext schon gefunden, der Vielsamige Gänsefuß und die Roggentrespe jedoch mit höherer Stetigkeit als der Acker-Frauenmantel (RÖSCH

1998, 120). Als basenhold unter den Ackerunkräutern kann nur der Hybrid-Gänsefuß be­

zeichnet werden. Bei zwei Karyopsen von Hirse (Panicum/Setaria) und von Wildgras (Po­

aceae) war keine genauere Artbestimmung mehr möglich. Auch hier könnte es sich um

Vertreter der Acker-Begleitflora handeln. Bei der Hirse ist jedoch eine Kulturhirse nicht

auszuschließen. Das gesamte Ackerunkrautspektrum deutet nicht auf besonders kalk- und

basenreiche Böden hin, sondern auf zumindest oberflächlich entkalkte, etwas versauerte

Lehmböden.

Die Menge des untersuchten Materials und die Zahl der gefundenen Reste ist in kei­

ner Weise geeignet, allgemeine wirtschaftsarchäologische Schlüsse abzuleite~. Immerhin kann man feststellen, dass das gefundene Nahrungspflanzenspektrum sich gut in das bisher

von der vorrömischen Eisenzeit bekannte Bild einfilgt (KÖRBER-GROHNE 1981: Abb.

24): In dieser Periode tritt Gerste unter den Getreiden mit der höchsten Stetigkeit auf, ge-

300 TüBINGER GEOGRAPHISCHE STUDIEN -BAND 130 BEITRAG ROSCH,

folgt von Dinkel und den anderen beiden Spelzweizen und von Nacktweizen. Roggen, Hir­

sen und Hafer sind dagegen seltener zu finden. Unter den Hülsenfrüchten hat die Linse die

höchste Stetigkeit, gefolgt von Erbse und Ackerbohne.

Hier schließt sich die Frage an, wo in der Umgebung des Fundplatzes die geologi­

schen Voraussetzungen für azidophytische Lehmacker-Fluren gegeben wären. Um den

Fundplatz am Ohrenberg stehen Riessee-Ablagerungen, Bunte Brekzie und kleinflächig

kristallines Grundgebirge an, weiter westlich außerhalb des Kraters Brauner und Schwarzer

Jura, unmittelbar südlich und östlich im Krater Löß und Verwitterungslehm

(REICHERTER, 1994). Bei entsprechender oberflächlicher Entkalkung des Verwitterungs­

lehms ist dieser für die Entwicklung azidophytischer Lehmackerfluren in der Eisenzeit der

wahrscheinlichste Standort.

Neue botanische Untersuchungen im Oppidum Heidengraben bei Grabenstetten in

einer Umgebung mit ausschließlich basischem Weißjura-Gestein zeigen jedoch gleichfalls

ein starkes Übergewicht acidophytischer Unkräuter was durch Versaurung der alten Ober­

böden zu erklären ist, ein Modell, das ohne weiters auf das Ries Obertragbar scheint. Vergl.

M. RöSCH, Eisenzeitliche Pflanzenreste aus dem keltischen Oppidum Heidengraben bei

Grabenstetten KJ:eis Reutlingen. (Materialhefte zur Archäologie in Baden-WOrtlernberg im Druck).

Die verkohlten Diasporen der ökologischen Gruppen Trittfluren, Rasen, Heiden und

Roderalfluren dürften überwiegend ebenfalls Bestandteile der eisenzeitlichen Segetalvege­

tation gewesen sein. Sie weisen auf wenig intensive Bodenbearbeitung und periodische

Beweidung hin. Pflanzen der Trittfluren und der Schlammuferfluren, ebenso wie Rude­

ralpflanzen könnten jedoch auch auf ungenutztem, mehr oder weniger oft betretenem Of­

fenland im Siedlungsbereich gewachsen sein.

Angesichts des vergleichsweise schlechten Forschungsstandes der Archäobotanik

filr die vorrömische Eisenzeit hat man mit diesen Gruben aus Kirchheim-Benzenzimmern

immerhin einen weiteren Fundpunkt, der jedoch keineswegs von der Notwendigkeit ent­

hebt, künftig begleitend zu großen eisenzeitlichen Siedlungsgrabungen systematische ar­

chäobotanische Untersuchungen größeren Stils durchzuführen.

Literatur:

KöBER-GROHNE 1981: Pflanzliche Abdrücke in eisenzeitlicher Keramik - Spiegelbild der

damaligen Nutzpflanzen? Fundber. Bad.-Württ. 6, 1981, Abb. 24.- M. Rösch, The

history of crops and crop weeds in south-western Germany from the Neolithic pe­

riod to modern times, as shown by archaeobotanical evidence. Veget. Hist. Ar­

chaeobot. 7, 1998, 109flf.

~)I

FLANZENRESTE AUS GRUBEN DER LATENEZEIT VON BENZENZIMMERN 301 •

KRAUSE 1990: Ein keltischer Siedlungsplatz am Westrand des Rieses bei Kirchheim­

Benzenzimmern, Ostalbkreis. Archäol. Ausgr. Bad.-Württ. 1989 (Stuttgart 1990)

112ff.

MENZEL & BAUER 1995: Neue Untersuchungen am keltischen Siedlungsplatz "Ohrenberg"

bei Kirchheim-Benzenzimmern, Ostalbkreis. Archäol. Ausgr. Bad.-Württ. 1994

(Stuttgart 1995) 94f.

REICHERTER 1994: Geologische Daten und Informationen zur digitalen vorläufigen geolo­

gischen Karte von Baden-Württemberg 1:25000, Blatt 7128 Nördlingen. Freiburg

1994.

RöSCH 1994: Botanische Untersuchungen in der linearbandkeramischen Siedlung von Vai­

hingen-Ensingen, Kreis Ludwigsburg. Archäol. Ausgr. Bad.-Württ. 1994 (Stuttgart

1995) 43fT.

RöSCH 1996: New approaches to prehistoric Iand-use reconstruction in south-western Ger­

many. Veget. Hist. Archaeobot. 5, 1996, 65ff.- Dort weiterfUhrende Literatur!-

RöSCH I.Dr.: Botanische Untersuchungen im völkerwanderungszeitlichen Fundplatz Aalen­

Hofherrenweiler, Sauerbach (Ostalbkreis). In: Fundberichte Bad.-Württ. (I. Dr.).

Anschrift des Verfassers

Priv. Doz. Dr. Manfred Rösch

Landesdenkmalamt Baden-W ürttemberg

Archäobotanik

Fischersteig 9

78343 Graienhofen-Hemmenhofen