Idealbild und Lebenswirklichkeit. Literarische, epigrafische, archäologische Quellen und Befunde zu...

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T H E T I S Mannheimer Beiträge zur Klassischen Archäologie und Geschichte Griechenlands und Zyperns Herausgegeben von Reinhard Stupperich und Heinz A. Richter Band 21 Mannheim 2015

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T H E T I SMannheimer Beiträ ge

zurKlassischen Archäologie

und Geschich teGriechenlands und Zyperns

Herausgegeben vonReinhard Stupperich und Heinz A. Richter

Band 21Mannheim 2015

THETIS - Mannheimer Beiträge zur Klassischen Archäologie und Geschichte Griechenlands und Zyperns

Herausgegeben von Reinhard Stupperich und Heinz A. Richter Gedruckt mit Unterstützung des Vereins zur Förderung griechischer und zypriotischer Studien an der Universität Mannheim e. V.Der Druck wurde unterstützt durch die Eva und Franz Rutzen-Stiftung.

Redaktion: Archäologie / Antike / Kunstgeschichte - Reinhard Stupperich - Institut für Klassische Archäologie Heidelberg, Marstallhof 4, D - 69117 Heidelberg Geschichte / Zeitgeschichte - Heinz A. Richter - Historisches Institut der Universität, Schloß, D - 68131 Mannheim

Copyright der AutorenDruck: Druckpartner Rübelmann, 69494 Hemsbach

In Kommission bei:Harrassowitz Verlag - Wiesbaden, Internetadresse: www.harrassowitz-verlag.deVerlag Franz Philipp Rutzen, Am Zellerberg 21, D- 83 324 RuhpoldingInternetadresse: www.rutzen-verlag.de; E-Mail: [email protected]

Für Abkürzungen und Zitierweise im archäologischen Teil wird grundsätzlich auf die Regeln des Deutschen Archäologischen Instituts verwiesen, die jeweils im Archäologischen Anzeiger und in der Archäologischen Bibliographie veröffentlicht werden.Im historischen Teil orientiert sich die Zitierweise an Duden Taschenbuch 21.

Titelvignetten: Innenbild einer Schale des Peithinosmalers in Berlin, Antikenmuseum, nach: CVA Berlin 2, Taf. 61; Schloß Mannheim, Aufriß der Stadtseite vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, Mittelpartie, nach: H. Huth, Die Kunstdenkmäler des Stadtkreises Mannheim, I, Kunstdenkmäler in Baden-Württemberg (München, 1982), Falttafel I; Rückseite: Teller des Euthymides in Boston, Muse-um of Fine Arts, nach: J.C. Hoppin, Euthymides and his Fellows (Cambridge, Mass., 1917) Tafel 24.

ISSN 0945-8549 ISBN 978-3-447-10338-1

VorwortAntike

Ingrid KrauskopfEin Lehnstuhl für Dionysos und Palmen in Delphi

Corinna Hoff Voices from the Past – Herodotusʼ Account of Oral Traditions and its Consequences for Modern Historical Research: The Case of Kossika

Martha WeberZur Geschichte der Athena Velletri: Ikonographie und Stil

Erika SimonVergil und die Ara Pacis

Polly LohmannIdealbild und Lebenswirklichkeit. Literarische, epigrafische, archäologische Quellen und Befunde zu den Handlungsräumen der Frau im römischen Wohnhaus

Matthias HahnDas römische Kastellbad in Ravenglass. Eine typologische Einordnung und Rekonstruktion von Walls Castle

Johannes FouquetWasser für die Stadt. Einige Beobachtungen zur Topographie von Troizen

ByzAnz

Sylvia BarnardThe Cypriot St. George

neuzeit

Volker HeenesEin neuzeitlicher Kelchkrater in Erbach – zur Erbacher Hochzeitsvase

Jan BenosHellenen und Philhellenen während des Unabhängigkeitskampfes der Griechen

Erika SimonFriedrich Hebbel und die bildende Kunst

Reinhard StupperichKlassizistische Industrie-Fliesen I: Thomas Allens klassische Musiker im Orangenhain

Heinz A. RichterDie Konfiszierung der türkischen Dreadnoughts und die Operationen der deutschen Mittelmeer- division (Goeben & Breslau)

zeitgeschichte

Alexander Papageorgiou-VenetasPlaka, the old town of Athens. An historical note about conflicting preservation prioritiesand the search for a constructive compromise

Alexander Papageorgiou-VenetasEin Fall von Selbstentfremdung in Athen. Deutsche Übersetzung der Kurzgeschichte von Nikos Nikolaídis „Der Ungeschickte“ und kritische Besprechung des Textes

Inhalt5

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Martyn BrownAfter Crete – Consistency and Contradiction in the use of the New Zealand Military in Greek Matters

Falk Horst Die Unterscheidung von Moderne und Postmoderne bei Panajotis Kondylis

Pascal WeitmannDie Alexanderschlacht als Weltbild. Von Ptolemaios I. bis Simon Wachsmuth

Reinhard Stupperich Die Trauer der Koren um ihre entführte Schwester. Kinder nehmen künstlerisch Stellung zu den entführten Akropolisskulpturen

Hubert FaustmannPolitische, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen auf Zypern 2013-14

DokumentAtionen

Caroline FischerRoma im Südwesten der Peloponnes. Athigganoi – Aigyptoi

Heinz A. RichterClare Sheridans Bericht über die Vertreibung der Griechen aus Smyrna 1922. Ein vergessener Augenzeugenbericht

neuerscheinungen

summAries

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Idealbild und LebenswirklichkeitLiterarische, epigrafische, archäologische Quellen und Befunde zu den

Handlungsräumen der Frau im römischen Wohnhaus

Polly Lohmann

I EinleitungDie römische domus spiegelt in ihrer Architektur und Aus stattung den sozialen Status des Hausherrn wider, ist Ausdruck von Repräsentationsbedürfnis und fi nan­ziel len Möglichkeiten ihres Erbauers.1 Sie war gleich­zeitig Wohnort der familia – bestehend aus dominus und domina mit ihren Kindern, ggf. weiteren Ver wand ten sowie im Haushalt tätigen Freigelassenen, Skla vin nen und Sklaven mit ggf. wiederum eigenen Kindern – und Schauplatz sozialer Interaktion zwischen Bewohnern und Besuchern, z. B. während der mor gend lichen sa-lutatio oder des convivium.2 Entgegen unserem mo­dernen Verständnis von Privatheit, das von der im 18. Jahr hundert etablierten Form bürgerlichen Woh nens in

1 Leach 2004, 19. Milnor 2005, 103. Allgemeiner zu Archi­tektur als Ergebnis und Medium individueller und gesamt­gesellschaftlicher Bedürfnisse und Normen: Lang 2010, 236–238. Der Begriff der domus wird im Folgenden syn­onym zum Stadthaus gebraucht (vgl. Dickmann 1999, 21), das in den Abschnitten IV.2 und IV.3 anhand pompejani­scher Beispiele konkret untersucht wird, während sich die in den vorangehenden Abschnitten gesammelten Quellen nicht immer und explizit auf das städtische Wohnhaus beziehen.

2 Pomeroy 1985, 294. Berry 1997, 194. George 1997, 299. Bremen 2011, 246.

Eu ro pa geprägt ist, war das Nebeneinander von otium und negotium, die Verflechtung des Privaten und Öf­fent lichen Charakteristikum römischer Wohn ver hält­nis se.3 Die komplexe Struktur sozialer Interaktion wird im baulichen Befund der domus reflektiert, die eine Vielzahl von Räumen für verschiedene Anlässe bot. Dies gilt zunächst für große Häuser, während man in be eng teren Wohnverhältnissen davon ausgehen muss, dass wenige Möglichkeiten für eine räumliche Diffe­ren zie rung blieben.4 Die Zugänge zum Haus und in­nerhalb des Hauses konnten durch symbolische oder phy si sche Grenzen in Form von Schwellen, Türen, Vor­

3 Wallace­Hadrill 1994, 17–37. George 1997, 300. Dickmann 1999, 23. 39.

4 Vgl. George 1997, 301 Anm. 3. Zudem ist in kleinen Häu­sern wohl nicht von solchen Besuchermassen auszugehen, wie Gold beck sie für stadtrömische salutationes annimmt (Gold beck 2010, 90 f. 104; zu salutationes in pompejani­schen domus vgl. Dickmann, 1999, 51). Vgl. auch Vitruv zu den com mu nia loca (magnifica vestibula, tabulina, atria) als Emp fangs räume, die in den Häusern der Leute mit nur „durch­schnitt lichem Vermögen“ nicht notwendig seien, da diese Kli­en tel anderen Personen ihre Aufwartung mache, anstatt selbst Be such zu empfangen (Vitr. 6,5,1; Übers. C. Fensterbusch).

InhaltI EinleitungII Die „domiseda“: Zur Konstruktion weiblicher

Häus lichkeit in den TextquellenIII Häus liche Tätigkeiten und Attribute römischer

Frau en in literarischen, epigrafischen und ar chä o­lo gi schen QuellenIII.1 Zwischen Schönheit und Wahn: Körperpflege

und ­schmuck in Text und BildIII.1.a Antike und moderne Diskurse um den

mundus mu liebris, cultus und ornatusIII.1.b SchmuckIII.1.c Kosmetik

III.2 Textilarbeit als weibliche „Ur­Tugend“IV Die Frau im Haus: Forschungsansätze zur Ver­

or tung der Tätigkeiten weiblicher Haus halts mit­gliederIV.1 Literarische Hinweise zur spezi fi schen Nut­

zung einzelner Räume innerhalb des HausesIV.2 Architektursoziologische Unter su chun gen

zur Bestimmung von Frauen ge mä chernIV.3 Funde als Indikatoren für weibliche Hand­

lungs räume: Artefact distribution analysis in PompejiIV.3.a Grundlegende AnnahmenIV.3.b Praktisches Beispiel

V Fazit: Handlungsräume der Frau im römischen Wohn haus – Ergebnisse, Probleme und Aus blicke

VI Bibliografie

VorwortDer vorliegende Aufsatz geht aus meiner Magisterarbeit hervor, die von Jens­Arne Dickmann und Caterina Ma­der na betreut und im Sommersemester 2011 an der Phi lo sophischen Fakultät der Ruprecht­Karls­Uni ver­sität Heidelberg angenommen wurde. Die Arbeit suchte nach einer Methodik, Handlungsräume einzelner Per so­nen (gruppen) im Haus sichtbar zu machen, und ging der Fra ge nach, inwieweit sich die sog. artefact distribution analy sis in Bezug auf weibliche Haus halts an gehörige sinn voll anwenden lässt. Der Aufsatz stellt eine verän­derte Fassung der Magisterarbeit mit einem breiteren methodischen Horizont dar und beinhaltet gleichzeitig das Re ferenzmaterial für eine Abhandlung, die in dem Kon gressband des Symposiums „The Fe male Sides of Mar riage. Female Goods and Women’s Eco no mic Role in the Domestic Sphere in Greek, Ro man and Byzantine times“ erscheinen wird, das im No vem ber 2013 im Insti tutum Romanum Finlandiae stattfand.

Reinhard Stupperich danke ich sehr herzlich für die Möglichkeit, meine Magisterarbeit in dieser Form hier publizieren zu können. Caterina Maderna stand mir bei der Vorbereitung dieses Artikels mit klugen Rat schlä­gen und dem ihr eigenen frechen Scharfsinn und Witz zur Seite. Für ihr Engagement und ihre aufmunternde Hilfs bereitschaft bin ich ihr sehr dankbar. Außerdem bin ich Felix Henke, Hans­Martin Lohmann, Markus Löx, Emrys Schlatter, Martin Stahl, Stephan Witetschek und Tim Wittenberg für Korrekturen und konstruktive Kritik zu großem Dank verpflichtet.

Für Hans-Martin Lohmann † – Vater, Freund, Vorbild

Polly lohmann64

hän gen oder durch Sklaven, wie z. B. dem bei Petron ge nannten ostiarius, reguliert werden.5 Die durch die un ter schiedliche Lage, Zugänglichkeit und Ausstattung evo zierte Hierarchie von Räumen konnte auch den Sta­tus ihrer Besucher artikulieren.6 Gleichzeitig spielten Licht­ und Wetterverhältnisse bei der Auswahl eines Rau mes für eine bestimmte Tätigkeit eine Rolle, sodass die selben Räume und Areale im Haus je nach Tages­ und Jahreszeit unterschiedlich genutzt wurden.7 Diese Mul ti funk tionalität lässt sich auch anhand literarischer Quellen nachweisen, die für terminologisch gleiche Räume eine Vielzahl von Funktionen belegen.8

Die Interaktion des Hausherrn mit seinen Klienten und Gästen wird in zahlreichen Arbeiten aus dem Um­feld der römischen Wohnforschung thematisiert, wel­che die salutatio und das convivium als Kom mu ni ka­tionsformen und rituelle Bekräftigungen bestehender Sozialstrukturen im Atrium und Tablinum bzw. im Tri kli nium des römischen Wohnhauses verorten.9 Das Mit ein ander der Hausbewohner selbst ist dagegen ein The ma, das stets als Desiderat genannt, jedoch nur un­zu länglich behandelt wurde; die Lokalisierung der Tä­tig kei ten einzelner Personen im Haus blieb überwie­gend auf Untersuchungen zum Tagesablauf des domi-nus beschränkt.10 Ausgehend von der Tatsache, dass für den Hausherrn spezifische Handlungsabläufe und deren Verortung in bestimmten Räumen des Hauses zumin­dest literarisch nachweisbar sind, geht der vorliegende

5 Petron Sat. 28. Als alternativer Begriff wird der ianitor, z. B. bei Ovid, genannt (Ov. Am. 1,6,27). George 1997, 305 f. Zur Bedeutung von Türen innerhalb des Hauses vgl. Dickmann 1999, 229–240. Zur Funktion und den Schließsystemen der Türen in den Wohnhäusern von Pompeji und Herculaneum: vgl. T. Lauritsen, Ante Ostium. Contextualising Boundaries in the Houses of Pompeii and Herculaneum (Dissertation Uni versity of Edinburgh 2013). Als symbolische Grenzen fun gierten z. B. abschreckende Mosaiken in Eingangsberei­chen, wie die Kettenhunde der Casa del Poeta Tragico (VI 8,3–5) und der Casa di Paquius Proculus (I 7,1.20). Vgl. dazu Petron Sat. 30. In Ovids amores werden immer wieder das Innen und Außen, die Schwelle des Hauses als unüber­windbare Grenze thematisiert; die Gedichte beklagen den „gnadenlosen Riegel“ (inmitia claustra: Ov. am. 1,6,17) und die „taube“ oder „unerbittliche Tür“ (surdae / rigidae fores: ibid. 1,6,44. 3,8,24), die dem Verehrer den Zugang ins Haus seiner Angebeteten verwehren. Vgl. auch personifizierte „grausame Türpfosten samt der unerschütterlichen Schwelle und […] mitversklavte Türflügel“ (ibid. 1,6,73 f.; Übers. M. v. Albrecht).

6 Dickmann 1999, 275.7 Ibid., 26. Berry 1997, 194. George 1997, 301 Anm. 2. Zu

Sommer­ und Wintertriklinien siehe z. B. Leach 2004, 46.8 Vgl. Dickmann 1999, 26. Leach 2004, 20.9 Exemplarisch seien hier nur Wallace­Hadrill 1994, George

1997, Dickmann 1999, Leach 2004 genannt. Umfassend zum Procedere der salutatio: Goldbeck 2010, dav. 37–58 zur Forschungsgeschichte.

10 George 1997, 299. M. George bezeichnet deshalb die Un­tersuchung der domus unter Einbeziehung nicht nur des Hausherrn und seiner Gäste, sondern sämtlicher Bewohner mittels Text­ und archäologischer Quellen als „a formidable task“ (ibid., 319). Vgl. auch M. Trümper, Gender and Space, ‘Public’ and ‘Private’, in: James – Dillon 2012, 288–303, dav. 295 f.: „[…] Roman houses have barely been investi­gated for gender relations. [...] Thus, the question remains open as to which evidence might be conclusive for recon­structing gender relations in Roman houses and how this question should be explored“.

Aufsatz der Frage nach, ob und wie die Aufenthaltsorte und Tätigkeiten der Frauen des Hauses, v. a. der do-mina, sichtbar gemacht werden können.11 A. Wallace­Hadrill formuliert diesbezüglich: „Of course, individual rooms in houses would have been used in appropriate circumstances by women, and there must have been gen der distinctions to observe”.12

Wir kennen aus literarischen und epigrafischen Quel len Frauen des römischen Kaiserhauses ebenso wie einzelne pompejanische Persönlichkeiten, die als Stif te rin nen, Geschäftsfrauen und patronae aktiv und/oder in das politische Geschehen involviert waren;13 den noch können diese Tätigkeiten weder zu den tra di­tio nellen Aufgaben römischer Ehefrauen, Töchter und Müt ter gezählt werden noch geben sie Aufschluss über das All tags leben der Masse römischer, d. h. auch pom­pe ja ni scher, matronae, die wir nicht namentlich ken­nen.14 J. Franklin attestierte noch 2007, dass den Frau en Pom pejis bisher nicht die Aufmerksamkeit geschenkt wurde, die sie verdienen.15 Im Folgenden werden des­halb nicht nur verschiedene Quellen zum Rol len bild rö mi scher Frauen im Allgemeinen zusam men ge stellt, sondern auch deren Lebensalltag am Bei spiel pom pe­ja ni scher Wohnverhältnisse untersucht. Gleich zeitig wirft der Text implizit die Frage auf, wie nahe die Al ter tums wissenschaften der antiken Le bens rea li tät wirk lich kommen können. Da der vorliegende Ar ti kel un ter schied li che Quellen, Funde und Be funde zu sam­men bringt, die über reale und fiktive Frau en per sön lich­kei ten un ter schied lichen Alters und Status’ in for mie ren, und aufgrund noch zu konkretisie ren der me tho di scher Schwie rig keiten, welche in der So zial struk tur der do-mus und der damit einhergehenden Über schnei dung

11 Im Folgenden wird, wenn von Wohnverhältnissen die Rede ist, pauschal von der domina oder materfamilias als der Hausherrin und Ehefrau des Hausbesitzers/dominus bzw. paterfamilias gesprochen. In Bezug auf die Quellen, welche entweder generelle Idealbilder, historisch­mythische oder reale Persönlichkeiten meist verheirateter Frauen beschrei­ben, wird auch der Terminus matrona/Matrone verwendet. Zu den juristischen Voraussetzungen der Bezeichnungen matrona und materfamilias vgl. Gardner 1995, 10–20. Hö­benreich – Rizzelli 2003, 28–35. R. P. Saller, Symbols of Gender and Status in Hierarchies in the Roman Household, in: S. R. Joshel – S. Murnaghan, Women and Slaves in Greco­Roman Culture. Differential Equations (London u. a. 1998) 85–91.

12 Wallace­Hadrill 1994, 9. Vgl. auch ders. 1996, 104: „[…] It is above all the domestic sphere where we may hope to find the authoritative traces of women’s activities“.

13 Vgl. z. B. E. D’Ambra, Women on the Bay of Naples, in: James – Dillon 2012, 400–413. Fantham u. a. 1994, 330–344. Savunen 1997, 48–80. Bernstein 2007, 528–534.

14 Vgl. Milnor 2011, 610. Zur vermeintlichen Emanzipation der römischen Frau als Schlussfolgerung aus Einzelbeispie­len in der Forschung vgl. Th. Späth, ‚Frauenmacht‘ in der frühen römischen Kaiserzeit?, in: Dettenhöfer 1996, 159–205, bes. 190: „Nicht die Frauen der senatorischen Ober­schicht, von den römischen Frauen im allgemeinen ganz zu schweigen, wurden mit […] Privilegien ausgezeichnet, son­dern die Frauen des Kaiserhauses.“

15 J. Franklin, Epigraphy and Society, in: Dobbins – Foss 2007, 518–525, dav. 523. Vgl. auch L. Garcia y Garcia, La Don­na a Pompei. Aspetti della Vita Quotidiana, in: A. Morello (Hg.), La Donna Romana. Immagini e Vita Quotidiana, Atti del Convegno, Atina, 7 Marzo 2009 (Cassino 2009) 17–31, dav. 20 Anm. 2.

IdealbIld und lebenswIrklIchkeIt 65

ver schie de ner Personengruppen im archäolo gi schen Be fund begründet liegen, ist im Titel bewusst „die“ rö­mi sche Frau als Überbegriff genannt, obwohl das Au­gen merk auf der Herrin des Hauses liegen soll. Eben­so nennt der Titel „das“ römische Wohnhaus, da die Quellen z. T. häus li che Tätigkeiten im Allgemeinen um­fas sen, z. T. aber auch ganz unterschiedliche, speziel le Wohn ver hält nisse schildern; bei allen untersuchten ar­chä o lo gi schen Kontexten handelt es sich um pompe ja­ni sche domus, die beispielhaft für methodische und in­halt liche Über le gun gen herangezogen werden – in dem Be wusst sein, dass Pompeji zwar den reichsten Be fund rö mi scher Wohn kul tur bietet, sich Ergebnisse jedoch nicht ohne Wei te res auf andere Wohnformen über tragen las sen. Der Ter mi nus des Handlungsraums wurde dem des (phy si schen) Raums vorgezogen, weil spe zi fi sche Hand lungen innerhalb des Hauses, nicht jedoch alle Funk tio nen bzw. Nut zungs mög lich keiten ein zel ner Räu me unter sucht werden.16 Mit dem Begriff des Hand­lungs raums ist der Ak tions radius einer Person oder Per so nen grup pe gemeint, der sich über mehrere Räu­me eines Hauses oder nur Teile von Räumen erstrecken bzw. in ner halb des Ta ges ab laufs eine nur tem po räre Nut zung von Räumen bedeuten kann. Ein Hand lungs­raum kann somit nicht mit gebauten Räumen in ner halb des Hau ses gleichgesetzt werden.

Der vorliegende Artikel ist – seinem Titel „Idealbild und Lebenswirklichkeit“ entsprechend – zweigeteilt: Die Abschnitte II und III behandeln literarische, epi gra­fische und archäologische Quellen zu den häus li chen Tä tig kei ten und Besitzgegenständen römischer Frauen, die sowohl gattungsimmanenten Dar stel lungs kon ven­tio nen als auch gesellschaftlichen Normen entsprechen und somit als Ideal­ oder zumindest Klischee bilder be­zeichnet werden können. In Abschnitt IV werden meh­rere Forschungsansätze zur genaueren Lo ka li sie rung der Tätigkeiten und Besitztümer weiblicher Haus halts­mit glieder innerhalb des Hauses vorgestellt. Diese ver­schiedenen Methoden versuchen dem antiken Lebens­alltag auf der Grundlage unterschiedlichen Ma te rials näher zu kommen.

Der zweite Abschnitt beleuchtet die Positionierung der Frau innerhalb der Gemeinschaften familia und Staat sowie ihre konstruierte Verbindung mit der häus­li chen Sphäre, die Grundvoraussetzung für die be han­delte Fragestellung ist. Im dritten Abschnitt sind ty pi­sche Attribute und die römische Frau betreffende Topoi zusammengestellt; diese Sammlung enthält Quellen zur Schönheits­ und Körperpflege sowie dem Spin nen und Weben als spezifisch weibliche und häus li che Tä­tig kei ten. Dabei werden auch die polarisierenden anti­ken Dis kurse um diese Tätigkeiten sowie ak tu elle For­schungs debatten thematisiert, welche die Ter mi no lo gie des mun dus mu lie bris betreffen. Der vorliegende Artikel stellt dem Idealbild den Begriff des Kli schee bildes zur Seite, weil die antiken Diskurse gewisse Tä tig keiten negativ bewerten und man diese somit nicht als Ideale,

16 Zur Architektur als physischer Raum, d. h. gebaute Umwelt, die soziale Handlungen archiviert, vgl. Lang 2010, 236. Zu Bourdieus Verständnis des physischen Raums als Projektion des sozialen Raums vgl. M. Schroer, Räume, Orte, Grenzen. Auf dem Weg zu einer Soziologie des Raums (Frankfurt a. M. 2006) 82–89.

wohl aber als Klischees im Sinne typisch weib li cher Ver hal tens weisen bezeichnen kann. Als Quel len werden im Folgenden nicht nur literari sche Tex te, In schrif ten und bildliche Darstellungen ver stan den, sondern auch Funde aus nachweislichen Frau en grä bern, die ebenfalls Kon ven tio nen ge schlech ter spe zi fi scher Re prä sen ta ti­ons formen widerspiegeln. Der Groß teil der Beispiele stammt aus dem frühkaiser zeit li chen Rom und Italien; darüber hinaus enthält die Zu sam men stel lung aber auch Bei spiele von Gräbern und Re liefs aus den Pro vin zen. E. D’Ambra hat in ihrer Ar beit zu römischen Mäd chen ge wis se Konventionen in der Dar stel lung von Alter und Ge schlecht konstatiert, die weder regional noch zeitlich beschränkt seien.17 Und auch L. Shum ka schreibt: „Re­pre sentations of the mundus mu lie bris were not limited to a particular place and time, but formed part of the rich artistic repertoire of sculp tors in Italy as well as in other areas of the Roman Em pire from the early imperial peri­od through the late third century at least”.18 Die Zu sam­men stellung von Quel len erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern will das in den verschiedenen Me dien überlieferte Rol len bild untersuchen, um es dem Ver gleich mit ar chäo logischen Funden und Befunden zum römischen All tags leben zu unterziehen. In Abschnitt IV.1 soll eine Samm lung von Textquellen deutlich ma­chen, inwieweit spezielle „Frauengemächer“ oder von weib li chen Haus halts mit gliedern genutzte Räu me inner­halb des rö mi schen Wohnhauses termi no lo gisch greifbar sind. Der anschließende Abschnitt IV.2 stellt Beispiele verschiedener Arbeiten zusammen, die aufgrund von Un ter suchungen der Architektur und (Wand­)De ko ra­tion Frau en trakte und ­gemächer in verschiedenen pom­pe ja ni schen Wohnhäusern postulieren. In Ab schnitt IV.3 wird schließlich die artefact dis tri bu tion ana ly sis als Me tho de zur Visualisierung der Hand lungs räu me weib­licher Haushaltsmitglieder diskutiert. Dafür dienen die in Abschnitt III beleuchteten Tätigkeiten bzw. die zu­ge hö ri gen Objekte als Grund lage zur Be stim mung der Nutz ge gen stände und Be sitz tü mer von Frauen im Haus. Der Aufsatz kom bi niert also Hinweise lite ra rischer, epi gra fischer und ar chä ologischer Quellen auf die im Haus ausgeführten Tä tig keiten römischer Frauen mit ar chi tek tur­ und fundbasierten Studien pom pe ja nischer Wohn häu ser, um so Aus sagen über den Ak tions radius weib licher Haus halts mit glie der treffen zu können.

II Die „domiseda“: Zur Konstruktion weiblicher Häus lich keit in den TextquellenIm zwölften Buch seines Werkes über die Land wirt­schaft erklärt der römische Autor Columella die Auf­ga ben teilung von Mann und Frau als physisch bedingt, da der Mann von Natur aus mutiger, körperlich robuster und somit für die – ob friedlichen oder kriegerischen –

17 Dennoch sind nicht alle Darstellungen der Verstorbenen auf Grabreliefs und Mumienporträts, die D’Ambra untersucht hat, eindeutig als Jungen oder Mädchen zu identifizieren, da die ikonografischen Details nicht nur auf gesellschaftliche Konventionen zurückgehen, sondern auch von den Vorgaben seitens der elterlichen Auftraggeber sowie Technik und Stil der Werkstätten beeinflusst waren (D’Ambra 2009, 16 f.).

18 Shumka 2008, 186 f. Shumka benutzt den mundus muliebris an dieser Stelle als weit gefassten Begriff aller in der Bild­kunst dargestellten weiblichen Attribute (zur Terminologie s. u. Abschn. III.1.a).

Polly lohmann66

Aufgaben „draußen“ (exercitatio forensis et extranea), die Frau dagegen für die Tätigkeiten „drinnen“ (dome-stica negotia) zuständig sei.19 Columella schreibt wei­ter: „Bei den Römern war die häusliche Arbeit, solange sich unsere Väter erinnern konnten, die Sphäre der ver­heirateten Frau“.20 Das Haus wird als weibliche Sphäre der Außenwelt als männliche Sphäre gegenüber gestellt. Nichts des to trotz lag die faktische Verfügungsgewalt über den Haushalt und seine Angehörigen beim pater-familias.21

Auch Musonius Rufus, der prinzipiell Männer und Frau en als gleichwertige Ehepartner betrachtet, sieht eine klare, naturbedingte Arbeitsteilung: „[…] Since in the human race man’s constitution is stronger and wom­an’s weaker, tasks should be assigned which are suit ed to the nature of each […]. Thus spinning and indoor work would be more fitting for woman than for man, while gymnastics and outdoor work would be more suit able for men“.22 Offenbar unterschied der Stoiker zwi schen Heirat und konkretem häuslichen Leben; wäh rend die Ehe zweier gleichberechtigter Partner dem Er halt eines gesunden Gemeinwesens diene, funk tio nier te der Haus­halt nach Vorstellung des Musonius Ru fus in der Praxis nur über eine Aufgabenverteilung, die mithin dann doch den traditionellen Rollenmustern ent sprach.23

Ebenso werden die Arbeiten im Haus bei Lukrez als Frauensache beschrieben; zwar sei die Textilarbeit dort – weil sie Geschick und Können erforderte – ur­sprünglich von Männern ausgeführt worden, doch habe sich alsbald die Ansicht durchgesetzt, dass das männliche Geschlecht für die harte Arbeit draußen auf dem Feld gemacht sei, die den Frauen körperlich nicht zugemutet werden könne.24 Diese Schilderung ist sym­ptomatisch für das literarische Konstrukt weiblicher infirmitas als Gegenpol zur männlichen firmitas, das sich nicht nur auf die physische Schwäche der Frauen beschränkte, sondern ihnen auch mangelnden Intellekt, fehlende emotionale Stabilität und Entschlusskraft un­terstellte.25

19 Colum. 12 praef. 4–5: „[…] So ist mit Fug und Recht das Weib geschaffen, im Hause ordnend zu walten, der Mann aber, sich auf dem Markt und in der Fremde zu tummeln. Ihm also hat es die Gottheit bestimmt, Hitze und Frost zu ertragen, Wege und Mühsal auf sich zu nehmen in Frieden und Krieg, in Landwirtschaft und Heeresdienst; dem Weibe hingegen hat sie zu all diesem die Fähigkeit versagt und ihm stattdessen die Sorge für die häuslichen Geschäfte zugewie­sen“ (Übers. K. Ahrens). Wyke 1994, 140. Vgl. dazu auch Wallace­Hadrill 1996, 107. Zu Xenophons „Oeconomicus“ als Vorbild für Columellas Text vgl. Milnor 2005, 261. Um­fassend zum griechischen Idealbild weiblicher Aufgaben und Handlungsräume: C. Schnurr­Redford, Frauen im klas­sischen Athen. Sozialer Raum und reale Bewegungsfreiheit, Antike in der Moderne (Berlin 1996) 73–79.

20 Colum. 12 praef. 7 (Übers. Eichenauer 1988, 33).21 Wallace­Hadrill 1996, 104. 107. Vgl. auch Milnor 2011,

610 f. über die Verbindung der römischen Frau mit der „do-mestic sphere.“

22 Mus. Ruf. 4,27 (Übers. C. E. Lutz, Musonius Rufus. ‚The Roman Socrates‘ (New Haven 1947)).

23 So Milnor 2005, 250. 252.24 S. dazu u. Abschn. III.2.25 Vgl. dazu Pomeroy 1985, 229. Dixon 2001, 82–88. Hö­

benreich – Rizzelli 2003, 40. Vgl. z. B. Cic. Mur. 27. Liv. 34,7,15.

Die in den aufgeführten Textbeispielen mit der kör­perlichen und mentalen Konstitution begründete Rol­len ver teilung schloss die Frau ideologisch von den Ar beiten außerhalb des Hauses und rechtlich von der Teil nahme an denjenigen Formen öffentlichen Lebens aus, welche den Männern als Bühne für militärische und zivile Ämter dienten.26 Der Begriff des labor fe­mi neus oder labor matronalis bezeichnete deshalb stets nur die häuslichen Aufgaben.27 Während Männer sich durch Ämter und militärische Siege auszeichnen und mit Abzeichen, politischen Geschenken oder Kriegs­beute schmücken konnten, blieb den Frauen nur ihr äußeres Erscheinungsbild zur Selbstdarstellung, wie Livius schreibt.28 Da Ehefrauen keine Ämter innehaben durften, blieben Äußerlichkeiten ihre einzig möglichen „Ehrenzeichen“ (insignia);29 angemessenes Verhalten und äußeres Erscheinungsbild, dessen Pflege bei Livius unter dem Begriff des mundus muliebris zusammenge­fasst wird, galten als Ausdruck moralischer Integrität und spiegelten den gesellschaftlichen Status einer Frau wider.30 Gleichzeitig waren das Schmücken und die Verschönerung des weiblichen Körpers Gegenstand des Diskurses um traditionelle Werte und der Kritik an der Zurschaustellung von Luxus. Kleidung, Schmuck und Aufmachung einer Frau kommunizierten deren gesell­schaftlichen Status und sexuelle Verfügbarkeit – der Grat zwischen pudicitia und impudicitia war schmal und konnte sich kontextbedingt durchaus verschieben.31

Das sexuelle Maßhalten der materfamilias, welches sich in ihrem Auftreten und Äußeren widerspiegeln

26 Vgl. Wallace­Hadrill 1996, 104. Savunen 1997, 18–20. Die wiederholte Betonung des Verbotes von Frauen in Magis­traturen und Ämtern ist wohl, wie Höbenreich – Rizzelli vermuten, als Reaktion auf Aus nahmen zu verstehen, die es v. a. in Provinzen im hel le nis tischen Osten des Reichs gab (Höbenreich – Rizzelli 2003, 66).

27 Eichenauer 1988, 33. 21 Anm. 9.28 Liv. 34,7,8–9: „Weder Staats­ noch Priesterämter noch mili­

tärische Auszeichnungen und Belohnungen oder Beute kön­nen ihnen zuteil werden. Hübsches Aussehen, Schmuck und Kleidung, das sind die Kennzeichen unserer Frauen, darüber freuen sie sich und sind stolz, das haben unsere Vorfahren ‚die Welt der Frauen‘ genannt” (Übers. H. J. Hillen). Der Satz entstammt einer von Livius fingierten Rede, in der Lu­cius Valerius gegen die lex Oppia Position bezieht, weil sie den Frauen all ihre (Ausdrucks­)Möglichkeiten nähme (s. dazu u. Abschn. III.1.a).

29 Vgl. Taylor 2008, 36. J. Fabricius spricht in Anlehnung an den männlichen von einem weiblichen cursus honorum, der aus der Heirat und der Erzeugung von Nachwuchs bestehe (J. Fabricius, Grenzziehungen. Zu Strategien somatischer Geschlechterdiskurse in der griechischen und römischen Kultur, in: Hartmann u. a. 2007, 65–86, dav. 76 f.).

30 Raat 2013, 8. Wyke 1994, 141. Zwar waren auch Kleidung, Schmuck, Haar­ und Barttracht römischer Männer Sym­bolträger, doch wurden Männer nicht ausschließlich auf diese Äußerlichkeiten reduziert (Wyke 1994, 135; dazu u. Abschn. III.1.c). Nicht nur in der Antike nahm man die äu­ßere Erscheinung als Spiegel innerer Werte eines Menschen wahr; zum „Körper als Medium gesellschaftlicher Ordnung“ in modernen Gesellschaften vgl. J. Reuter, Geschlecht und Körper. Studien zur Materialität und Inszenierung gesell­schaftlicher Wirklichkeit (Bielefeld 2011) 78 f. Jede Form von Rassismus beruht im Grunde genommen auf der Bewer­tung von (körperlichen) Äußerlichkeiten als Indizien für be­stimmte (negativ konnotierte) Charaktereigenschaften, mit der Konsequenz, dass Andersartigkeit zum Feindbild wird.

31 Berg 2002, 72. Vgl. Abschn. III.1.a.

IdealbIld und lebenswIrklIchkeIt 67

sollte, vermittelte in einem umfassenden Sinn Status und Integrität der ganzen familia; im Grundsatz ver­gleichbar, waren die Vestalinnen für den Zusammenhalt des gesamten Gemeinwesens verantwortlich, und die Verletzung ihrer Keuschheit konnte nach Auffassung der Römer Grund für militärische Niederlagen oder anderes Unheil sein.32 Im Kleinen wie im Großen fiel den Frauen ideologisch das Wachen über das Herdfeuer zu, und auf beiden Ebenen wurde ihre sexuelle Reinheit symbolisch mit dem Wohlergehen der Gemeinschaft gleichgesetzt.33 Umgekehrt war der Vorwurf sexueller Exzesse in der römischen Rhetorik ein probates Mittel der Invektive gegen diejenigen Frauen, die aus der ih­nen zugeschriebenen gesellschaftlichen Rolle ausbra­chen.34 Besonders in der augusteischen Bildsprache fungierten weibliche Gottheiten oder Personifikationen als Sinnbilder eines gesunden Gemeinwesens; so sym­bolisieren die Attribute der Tellus auf dem Fries der Ara Pacis Fruchtbarkeit und Frieden, während Roma in ihrer Rüstung bereit ist, ihren keuschen Körper ge­nauso wie den römischen Staat zu verteidigen. Die Unberührtheit der Göttin versinnbildlichte die mora­lische Integrität der Gemeinschaft und signalisierte die militärische Unantastbarkeit Roms.35

Im Falle der Lucretia, die als mythisch­histo ri sches Pa ra de beispiel der tugendhaften Römerin gelten kann, wird der Selbstmord als einzige Möglichkeit zur Auf­recht er hal tung des Familienwohls nach einer Ver ge wal­tigung geschildert: Als treue Ehefrau, die selbst nachts im Haus mit der Wollarbeit beschäftigt war, hatte sie das sexuelle Verlangen des Sextus Tarquinius er weckt, der sie daraufhin vergewaltigte. Um die Ehre der Familie zu retten, beging Lucretia Selbstmord, nicht ohne je­doch ihrem Ehemann Collatinus von dem Tat her gang

32 Dixon 2001, 47 f. Th. A. J. McGinn, Prostitution, Sexual­ity and the Law in Ancient Rome (New York u. a. 1998) 10. Vgl. auch Kunst 2007, 253. So führte die der Unzucht angeklagte Vestalin Cornelia laut Plinius die militärischen Siege Domitians als Gegenargumente an, die Beleg ihrer regeltreuen Lebensführung seien (Plin. epist. 4,11,7; vgl. dazu H. Cancik­Lindemaier, Die vestalischen Jungfrauen, in: Späth – Wagner­Hasel 2006, 111–122, dav. 115 f.).

33 Vgl. Pomeroy 1985, 328. 330–332. Dixon 2001, 47. Milnor schreibt in ihrem Vergleich der beiden römischen Autoren Mu so nius Rufus und Columella: „The maintainance of a good household becomes for both authors the ultimate ex­pres sion of a healthy society“ (Milnor 2005, 241). Zu den Re geln, denen die Vestalinnen unterworfen waren, s. u. Ab­schn. III.1.a.

34 Vgl. dazu Stein­Hölkeskamp 2003, 177; Milnor 2005, 33. Die weibliche Sexualität spielt deshalb in Grabinschriften oder literarischen Darstellungen vorbildhafter Frauenper­sönlichkeiten nie explizit eine Rolle, wohl aber artikuliert v. a. die römische Liebeselegie männliche Erwartungshal­tungen in Bezug auf körperliche Vorzüge und sexuelle Ver­fügbarkeit von Frauen (ibid., 40–42).

35 Lynn Sebesta 1998, 106 f. Lynn Sebesta thematisiert außer­dem Varros etymologische Verbindung des tutulus – traditi­onelle Haartracht der materfamilias und Symbol weiblicher Fruchtbarkeit – mit der Zitadelle, dem höchsten und somit geschütztesten Ort einer Stadt (Varro ling. 7,44). Die ety­mologische Verknüpfung beider Begriffe versteht Lynn Se­besta als weiteren Hinweis auf den weiblichen Körper als Sinnbild eines gesunden Gemeinwesens: Der tutulus habe als Schutz des weiblichen Haares fungiert, das wiederum als Metonym für die weibliche Sexualität zu verstehen sei (s. dazu u. Abschn. III.1.c), so wie die Zitadelle dem Schutz der Stadt diente (Lynn Sebesta 1998, 113).

berichtet zu haben.36 Lucretia ging als „dux Ro ma nae pu dicitiae“ in die Geschichtsschreibung ein – und of­fensichtlich sollte diese Vorbildfunktion nicht nur für Frauen gelten.37 Interessanterweise wird einerseits Lu­cre ti as weibliche Tugendhaftigkeit durch den To pos der Wollarbeit hervorgehoben, andererseits ihr Selbst mord von Valerius Maximus als Zeichen einer männ li chen Tat­ und Entschlusskraft (virilis animus) gedeutet.38 Der Charakter Lucretias verbindet somit die kons tru ier­ten Ideale des männlichen und weiblichen Ge schlechts, wobei sich die jeweils geschlechts spe zi fi schen Ei gen­schaften allerdings bezeichnenderweise in zwei un ter­schied lichen szenischen Handlungen mani fes tie rten. In anderen Fällen literarischer Überlieferung bot die Über­schrei tung traditioneller Geschlechter gren zen hingegen An lass zu oder Motiv einer Diffamierung.39 Mut und Ent schei dungswillen der Lucretia wurden als positive Adap tion männlicher Charaktereigenschaften gesehen, wäh rend die Einmischung anderer Frauen in männliche Auf gabenbereiche als Affront verstanden und dem ent­spre chend verurteilt wurde.40 Die Figur Lu cre tias ist in­so fern nicht nur in Bezug auf die Auf recht er hal tung des Fa mi lienwohls, sondern auch hinsichtlich po ten ti el ler ge schlech tsspezifischer Grenz über schrei tun gen höchst in ter essant.

Cornelius Nepos führt in seiner Praefatio einen Ka­ta log von Dingen auf, die bei den Griechen gängig, bei den Römern dagegen verpönt seien; unter anderem be­trachtet er die Rolle der römischen in Abgrenzung zur grie chischen Frau, der die Partizipation an Gastmählern verboten und deren Präsenz auf bestimmte Bereiche des Hauses eingeschränkt sei. Die römische Frau dagegen könne am convivium teilnehmen und sich am „primus locus aedium“ präsentieren.41 Die uneingeschränkte Be­

36 Livius und Ovid schildern die Drohung des Sextus Tarqui­nius, er werde Lucretia töten und ihren Körper neben den eines nackten toten Sklaven legen, falls sie sich wehre; die­ser inszenierte Ehebruch hätte für sie den Verlust ihrer Ehre bedeutet, weshalb sie stattdessen die Vergewaltigung über sich ergehen lässt, um zumindest den wahren Tathergang berichten und somit ihre Unschuld beweisen zu können (Liv. 1,58,4. Ov. fast. 2,807–809). Zur antiken Bewertung der Schuldfrage bei Vergewaltigungen vgl. Höbenreich – Rizzelli 2003, 289–298. Zu den exempla der Lucretia und Verginia vgl. Dixon 2001, 46–48.

37 Val. Max. 6,1,1. Vgl. dazu Milnor 2011, 616 f.38 Val. Max. 6,1,1: „Lucretia, model of Roman chastity, whose

manly spirit by Fortune’s malignant error was allotted a woman’s body” (Übers. D. R. Shackleton Bailey). Schon bei Ovid werden Lucretias positiv­männliche Eigenschaf­ten (animi matrona virilis) erwähnt (Ov. fast. 2,847). Vgl. auch die positive Darstellung der Amaesia Sentia bei Vale­rius Maximus: Weil sie sich selbst erfolgreich vor Gericht verteidigt hatte, sprach man ihr eine männliche Sinnart bei weiblichem Aussehen zu (sub specie feminae virilis animus; Val. Max. 8,3,1).

39 Zu „imperial women as transgressors“ vgl. Fischler 1994, 121–127. Frauen, die sich in politische Machenschaften ein­mischten, wurden nicht nur selbst diffamiert, sondern auch als Ursache der effeminatio ihres männlichen Umfeldes dar­gestellt (Dixon 2001, 151 f. Milnor 2011, 614–617).

40 Vgl. dazu Kunst 2007, 251–253.41 Nep. Praef. 6–7. Vgl. dazu Milnor 2005, 99–101. Zum Ver­

bot der Teilnahme griechischer Frauen an Gastmählern vgl. z. B. Cic. Verr. 2,1,66; vgl. dazu Stein­Hölkeskamp 2005, 175. Zwar nahmen auch Frauen am griechischen Sympo si on teil, doch handelte es sich dabei nicht um Familienmit glie der

Polly lohmann68

we gungs freiheit der Römerin im Gegensatz zu den selbst innerhalb des Hauses separierten griechischen Frauen wird hier zur Metapher kultureller Unterschiede.42 Auch Vitruv thematisiert die räumliche Differenzierung der Geschlechter im griechischen Haus: Frauen seien in ner­halb des Hauses in ihrem Bewegungsradius auf se pa­rate Frauengemächer beschränkt.43 Die römische Frau, deren erlaubte Omnipräsenz im Haus Vitruv of fen bar als so selbstverständlich voraussetzt, dass sie einer The­ma ti sierung gar nicht bedarf, wird somit implizit zum Ge gen beispiel. Beide Texte kontrastieren die grie chi­sche und römische Gesellschaft am Beispiel der Wohn­ver hältnisse, wobei „die Rolle der Frauen einen mar­kanten Unterschied im kulturellen Code von Griechen und Römern ausmachte“.44 Für Milnor drückt Vitruvs Kon tras tierung griechischer und römischer Wohn ver­hält nisse, unter Einbeziehung der weiblichen Haus­halts mitglieder als „features of architecture“, v. a. den Triumph der Römer über die Griechen aus; gleichzeitig dringe der Blick des (römischen) Autors, indem er alle Räu me beschreibe, als Machtdemonstration selbst in die intimsten Areale des griechischen Hauses ein.45

Während Columellas Text die römische Frau in Re ­la tion zum römischen Mann setzt, vergleichen die Pas ­sa gen von Cornelius Nepos und Vitruv römische mit grie chischen Frauen. Obwohl alle drei Quellen das weibliche Geschlecht ideologisch der häuslichen Sphä­re zuordnen, war die römische Frau, schenkt man Ne­pos und Vitruv Glauben, innerhalb des Hauses in einer Form präsent, die der griechischen Frau nicht erlaubt war.46 Nevett hat die Frage nach der Existenz und Prak­ti ka bi lität geschlechterdifferenzierender Räume im grie­chischen Haus gestellt. Auf Grundlage mehrerer Text­quellen und archäologischer Befunde formuliert sie die These, dass griechische Frauen von außenstehenden, d. h. nicht zur Familie gehörigen Männern fern ge hal ten, aber innerhalb des Hauses nicht so strikt von haus halts­zugehörigen Männern separiert wurden, wie es die in den

des Gastgebers, sondern um Hetären oder Musikantinnen, die einen niedrigeren sozialen Status innehatten (Wallace­Hadrill 1996, 109). Zu literarischen Quellen der Teilnahme römischer Frauen am convivium vgl. ibid., 110; so gibt Ovid Ratschläge für ein angemessenes Verhalten beim convivium (Ov. ars. 3,749–765).

42 Stein­Hölkeskamp 2005, 176. So auch Wallace­Hadrill 1996, 104.

43 Vitr. 6,7,2: „Nach innen werden hier große Säle gebaut, in denen die Hausfrauen mit den Wollspinnerinnen sitzen. Rechts und links der Prostas sind die Schlafräume gebaut, von denen der eine Thalamus, der andere Amphithalamus genannt wird. An den Säulenhallen aber werden ringsum Alltagsspeisezimmer, Schlafzimmer und Gesinderäume an­gelegt. Dieser Teil des Hauses wird Gynaeconitis (Frauen­wohnung) genannt“ (Übers. C. Fensterbusch). S. dazu auch u. Abschn. IV.1.

44 Stein­Hölkeskamp 2005, 176. Vgl. dazu auch Wallace­ Ha­drill 1994, 8 f. und u. Abschn. IV.1.

45 Milnor 2005, 138. 46 C. Kunst hebt den „Konflikt zwischen Zurückgezogenheit

und Präsenz“ der römischen Frau hervor (Kunst 2000, 185 Text 56). Wie Milnor und Stein­Hölkeskamp geht auch Wallace­Hadrill bei dem Vergleich von Nepos von einem „ethnic stereotyping“ aus; dennoch hält er die Schilderung der Omnipräsenz römischer dominae innerhalb des Hauses und ihrer Teilnahme an gesellschaftlichen Ereignissen für realitätsnah (Wallace­Hadrill 1996, 104. 106).

Texten genannten Frauengemächer (gy nae conitis) ver­muten lassen.47 Römischen Frauen dagegen, so E. Stein­Hölkeskamp, boten das Sehen und Ge se hen­Werden, der Austausch mit Gästen während des con vivium die Möglichkeit, am öffentlichen Leben teil zuhaben und an Informationen z. B. über politische Er eig nisse zu gelan­gen.48 In der Gegenüberstellung mit den Grie chin nen er­scheinen römische Frauen emanzipiert, was jedoch nicht für den Vergleich mit römischen Männern gilt.49

Den zitierten Quellen kann insofern nur eine ein­geschränkte Gültigkeit beigemessen werden, als sie nicht nur gewissen Gattungskonventionen unterliegen, sondern auch Produkte männlicher Autoren einer rö­mischen Oberschicht sind, deren Lebensrealität kaum für einen Großteil der Bevölkerung gelten konnte und deren Rollenbilder für die Frauen der arbeitenden Klasse nicht zu erfüllen gewesen wären.50 Es handelt sich in den uns zur Verfügung stehenden Texten um Ideal­bilder der römischen matrona – konstruiert von gut si­tuierten, freien, römischen Männern.51 Die ideo lo gische Charakterisierung der häuslichen Sphäre als (ein zi ger) weiblicher Zuständigkeitsbereich konnte sich kaum mit einem Lebensalltag v. a. von allein ste hen den Frauen oder von Paaren decken, die den Fa mi lien un ter halt ge­mein sam erwirtschaften mussten, sei es im Ei gen be trieb oder als Angestellte ausgelagerter Pro duk tions stätten. Da die in Abschnitt IV.2.b untersuchten Atri um häu ser aber laut P. M. Allison den römischen „upper­middle to

47 Nevett 1994, 110. Milnor 2005, 132. Schon Maiuri schrieb 1954, dass separate Frauengemächer im griechischen Haus sich eher literarisch als im archäologischen Befund belegen ließen und einige Forscher die Idee der gynaeconitis im Obergeschoss bereits aufgegeben hätten (Maiuri 1954, 450). Für eine ausführlichere Diskussion der Textquellen, Frau­engemachszenen der Vasenmalerei und archäologischen Be­funde griechischer Wohnhäuser vgl. Schnurr­Redford a. o. (Anm. 19) 89–98. Vgl. auch Trümper a. o. (Anm. 10) 302 f. mit einigen bibliografischen Hinweisen zur Geschlechterdif­ferenzierung in der griechischen Wohnforschung.

48 Stein­Hölkeskamp 2005, 177. Vgl. z. B. die Ratschläge Ovids an freie, verheiratete Frauen, die das Gastmahl als Plattform nutzen, um Männer kennenzulernen (Ov. am. 1,4). Horaz dagegen kritisiert eben jene Zeitgenossinnen, die sich „beim Weingelage des Gatten“ mit dessen Wissen jüngere Liebhaber suchten (Hor. odes 3,6, 25–32; Übers. B. Kytz­ler). Zur Kritik an Weinkonsum und Sittenverfall vgl. knapp Stein­Hölkeskamp 2005, 176.

49 Pomeroy 1985, 290. 50 Vgl. Günther 2006, 351. Vgl. auch Pomeroy über griechische

Frauen unterer Gesellschaftsschichten und allgemein wäh­rend und nach dem Peloponnesischen Krieg, der die Zah­len ver hält nisse der Geschlechter verschob und dadurch zur „Auf weichung der traditionellen Verhaltensmuster“ führ te (Po me roy 1985, 120. 179). Für einen kurzen Überblick über rö mi sche Frauenberufe vgl. Milnor 2011, 615 f. Zu Frau en aus so zial niedrigeren Schichten in handwerklichen Beru fen vgl. Po me roy 1985, 307–318; umfassend zur Frau en­ Ar beit Treg­giari 1976; dies., Lower Class Women in the Ro man Econo­my, Florilegium 1, 1979, 65–83; Günther 1987; N. Kampen, Image and Status. Roman Working Women in Os tia (Berlin 1981). Ärztinnen und Hebammen, aber auch Ree de rei­Ar­bei te rin nen sind inschriftlich in Ostia belegt; Berufs grup pen wie Kellnerinnen, Schau spie le rin nen und Prostituierte waren sozial weniger gut angesehen (Hö ben reich – Rizzelli 2003, 167–177). Zum Tex til arbeits sektor s. u. Abschn. III.2.

51 Wyke 1994, 134. Nevett 1994, 99. Allison 1997, 323. Dixon 2001, 44. Vgl. auch Eichenauer 1988, 33.

IdealbIld und lebenswIrklIchkeIt 69

upper classes“ gehörten,52 deren Reihen auch die Au­to ren der Textbeispiele zuzurechnen sind, müssen die in den literarischen Quellen re flek tie rten Ideale zu min­dest für die dominae der untersuchten domus durchaus Be deu tung gehabt haben. Und auch wenn Frauen der Ober schicht im kommerziellen, politischen und so zia­len Leben außerhalb des Hauses eine Rolle spielten, Ein kaufs gän ge, Thermen­ und Theaterbesuche tätigten, wurde doch der familiä re, d. h. häusliche Kon text als ihr Ein fluss gebiet betrachtet.53 Dass dieses propagierte Ideal bild nur bedingt zeit ge mäß war, zeigt Columellas – wenn auch topische, gen re über grei fende – Kritik an der „Üp pig keit und Träg heit“ (luxu et inertia) seiner Zeit­ge nos sin nen, die seine oben angeführte Auf ga ben ver­tei lung relativiert.54 Als Ersatz führt der Autor jedoch die Funktion der vilica, der Guts ver wal te rin ein, welche die Aufgaben der Haus her rin (officiae matronae) über­nehmen, d. h. die Arbeit im Haus überwachen und somit – entgegen den neuen Lebensformen verwöhnter ma-tronae – dennoch die ge schlech ter spezifische Ar beits­ver teilung aufrechterhalten solle.55

Während die literarischen Texte also durchaus Ab­wei chungen vom Idealbild aufzeigen und kritisieren, artikulieren Grabinschriften, die i. d. R. von Ehe män­nern oder Kindern der Verstorbenen verfasst wurden, stets das römische Idealbild der matrona domiseda56, die ihren häuslichen Pflichten als sittsame und treue Ehe frau sowie aufopferungsvolle Mutter nachkam.57 In der sog. laudatio Turiae, einer außerordentlich langen Grab inschrift, werden die Eigenschaften und Verdienste der Verstorbenen aufgelistet; Turia wird als univira, als keusch, gehorsam, gefällig und wollarbeitend beschrie­ben.58 Sie habe ihren Mann außerdem aus ihren eigenen Mitteln finanziell unterstützt.59 Weitere Beispiele von Grab inschriften (s. u. III.2) benennen unterschiedlich viele Tugenden, die jedoch stets aus dem Katalog von Schön heit, Treue, Keuschheit, Häuslichkeit gewählt sind, zu denen auch die Wollarbeit gezählt wurde. In dem Trostbrief an seine Mutter Helvia lobt Seneca die­se dafür, dass sie ihre Mutterrolle so ernst genommen und sich, weil sie eine traditionelle Erziehung „in anti-qua et severa […] domo” genossen habe, nicht von der Obsession ihrer Zeitgenossinnen für Äu ßer lichkeiten habe mitreißen lassen.60 Seneca erklärt hier die Mut­

52 Allison 2004a, 29.53 Bernstein 2007, 526. 528. Für Textbeispiele außerhäuslicher

Tätigkeiten der Matrone vgl. Marquardt 1964, 60. Generell zu den Tätigkeiten der matrona vgl. ibid., 58.

54 Wyke 1994, 140. Colum. 12 Praef. 9 (Übers. K. Ahrens). Zur Luxuskritik s. u. Abschn. III.1.a.

55 Colum. 12 Praef. 10. S. dazu auch u. Abschn. III.2.56 Z. B.CIL VI 11602. 15346; vgl. dazu u. Abschn. III.2..57 Lynn Sebesta 1998, 114. Bernstein 2007, 527. 58 CIL VI 01527. 037053. Zum Ideal der univira, die ihr Leben

lang mit nur einem Mann verheiratet blieb, auch wenn dieser vor ihr aus dem Leben schied, s. z. B. Pomeroy 1985, 246 f.

59 Dafür habe sie ihrem Mann ihre Schmuckstücke über ge ben (Gün ther 2006, 366 f.); zu Schmuck als Wertanlage s. u. Ab­schn. III.1.b.

60 Dixon 2001, 57. Sen. dial., Ad Helv. 16,3–5: „Nicht hat dich das größte Übel unseres Zeitalters, Schamlosigkeit, unter die Mehrheit [der Frauen] versetzt; nicht haben Edelsteine dich, nicht Perlen beeinflusst; […] nicht hat Dir, die in einem alten und strengen Haus erzogen, die auch rechtschaffenen Cha­

ter schaft zur obersten Priorität einer Frau; Helvia habe sich nie ihres schwangeren Bauches geschämt oder die­sen zu verstecken versucht. Ihre Natürlichkeit und Ent­haltung von Schminke und Schmuck werden – entgegen den bei Livius genannten in sig nia61 – als Aus weis von pudicitia und als weibliche Zierden herausgestellt.62 Im Umkehrschluss wird die Ver schö ne rung des Körpers in diesem Textbeispiel als impudicitia und Ver wei gerung der Mutterrolle zugunsten sexueller Las ter dargestellt.63 Cornelia, die Mutter der Gracchen, fun gierte in der römischen Literatur stets als Inbegriff der sorgenden Mutter; sie schenkte zwölf Kindern das Leben und führte diese in einer Anekdote bei Valerius Ma xi mus als ihren Schmuck vor, nachdem ihr eine andere Matrone ihre Schmuckstücke gezeigt hatte.64 Cor nelia musste den Tod ihres Mannes und neun ihrer Kinder ertragen, lehnte jedoch eine weitere Heirat ab, blieb univira und widme­te sich ausschließlich der Er zie hung ihrer zwei Söhne Ti be rius und Gaius und ihrer Tochter Sempronia.65 Va­le rius Maximus nennt deswegen Kinder den größten Schmuck (maxima ornamenta) einer Frau.66

Ungeachtet sozialer Realitäten und der Mög lich kei­ten, auch als Frau bis zu einem gewissen Grad am öf­

rakteren gefährliche Nachahmung schlechterer [Menschen] die Seele verkrüppelt; […] nicht hast du dein Antlitz mit verführerischer Schminke beschmutzt […]“ (Übers. M. Ro­senbach).

61 S. o. (in diesem Abschnitt).62 Sen. dial., Ad Helv. 16,5: „Einziger Schmuck, herrlichste

und keinem Alter unterworfene Schönheit, größte Zierde schien dir deine keusche Zurückhaltung” (Übers. M. Rosen­bach). Vgl. Dixon 2001, 56: „The great mothers of Roman his tory were upheld as guardians of traditional culture and values“. Über die Mutterschaft als politische Einflussnahme und potentielle Bedrohung: J. P. Hallett, Fathers and Daugh­ters in Roman Society. Women and the Elite Family (Prince­ton 1984) 11. Vgl. auch Milnor 2011, 613 über die politische Ein fluss nahme von Müttern durch die Verheiratung ihrer Töch ter.

63 „The woman who remains unadorned is permitted, in this moralising male discourse, to transcend the boundaries of her gender. If she cannot become an honorary man, she is at least raised above the massed rank of women“ (Wyke 1994, 137). Vgl. auch Lynn Sebesta 1998, 105. Zu prominenten, jedoch negativen Gegenbildern der traditionellen Frauenrol­le vgl. z. B. Milnor 2011, 613; Dixon 2001, 151 f.; Fischler 1994, 118–127 über „the wicked woman“. Zur weiblichen Sexua lität in der römischen Literatur, die überwiegend als Grenz über schreitung auftaucht, vgl. Dixon 2001, 32–44: Während in der Geschichtsschreibung negativ charakteri­sierten Frauen auch sexuelle Laster zugeschrieben würden, arbeite die Satire vornehmlich mit Grotesken, wenn z. B. das sexuelle Verlangen alter Frauen thematisiert wird (s. dazu auch u. Abschn. III.1.a über Kosmetika als Maske, die der optischen Täuschung diene).

64 Val. Max. 4,4 praef.: „Cornelia, mother of the Gracchi, had a Campanian matron as a guest in her house, who showed her jewellery, the finest existence at that period. Cornelia kept her in talk until her children came home from school, and then said: ‘These are my jewels’“ (Übers. D. R. Shack­leton Bailey). Zur Vorbildfunktion, aber dennoch ambiva­lenten Bewertung Cornelias vgl. L. Burckhardt – J. v. Un­gern­ Sternberg, Cornelia, Mutter der Gracchen, in: M. H. Det ten hofer (Hg.), Reine Männersache? Frauen in Männer­do mä nen der antiken Welt (München 1996), 97–132. Für Text be lege weiterer römischer Matronen mit Vorbildcharak­ter vgl. Marquardt 1964, 63 Anm. 6.

65 Pomeroy 1985, 228. Fantham u. a. 1994, 264.66 Val. Max. 4, 4 praef.

Polly lohmann70

fent lichen Leben mitzuwirken, zeichnen die Quellen ein kon sis tentes Bild gesellschaftlicher Konvention, welche die matrona in der häuslichen Sphäre verortet, mit der prak tischen Organisation des Haushalts betraut und sie zum Sinnbild einer funktionierenden familia erhebt. Das folgende Kapitel stellt die bildlichen Attribute und lite­rarischen bzw. epigrafischen Topoi zusammen, welche die häuslichen Tätigkeiten römischer Frauen betreffen.

III Häusliche Tätigkeiten und Attribute römischer Frauen in literarischen, epigrafischen und archäolo-gischen Quellen

III.1 Zwischen Schönheit und Wahn: Körperpflege und -schmuck in Text und Bild

III.1.a Antike und moderne Diskurse um den mundus muliebris, cultus und ornatusDie Verschönerung des Körpers wurde in der antiken Literatur mit Weiblichkeit und Erotik gleichgesetzt, und in der pompejanischen Wandmalerei wird besonders reicher Schmuck von Frauen in Liebes­, Verführungs­ und Hoch zeitsszenen präsentiert.67 Die literarischen Dar stel lungen der idealen Matrone dagegen blenden de­ren sexuellen Reize zugunsten von Tugenden der Häus­lich keit und Keuschheit aus; angemessene Klei dung und ein gepflegtes Äußeres gehörten zum standesge mä­ßen Auftritt einer Frau von Rang, denn der weibli che Kör per fungierte, wie bereits kurz dargestellt, als Spie­gel innerer Werte – Erscheinungsbild und Ver hal ten konn ten die pudicitia einer Frau reflektieren, aber auch sex uel le Verfügbarkeit ausstrahlen, die im Falle einer zu ex zessiv betriebenen Ausstellung körperlicher Rei ze und überladenen Schmucks moralisch verurteilt wur­de.68 Zwar diente in der Grabikonografie die Nackt heit der Venus als Vorbild für die Darstellungen rö mi scher ma tro nae, doch reihte sich die ikonografi sche An leh­nung an die Göttin die Schönheit – und Frucht bar keit – der Verstorbenen in die Aufzählung ihrer häus lichen Tu genden ein.69

Kleidung, Schmuck und Haartracht konnten nuan­ciert darüber Auskunft geben, ob es sich um ein Mädchen oder eine Frau im heiratsfähigen Alter, eine verheiratete oder ledige Frau, eine pudica oder impudica handelte.70 M. Wyke und R. Berg sprechen deshalb auch von einer „rhetoric“ bzw. „language of adornment“.71 Die litera­rischen Quellen weisen gleichzeitig ex negativo auf den aus männlicher Sicht fehlenden weiblichen Intellekt hin, indem sie Äußerlichkeiten als die einzige Zierde der Frauen darstellen, die Anerkennung verdiene.72 Im­pli ziert die römische Komödiendichtung, Frauen in ter­

67 Schenke 2003, 7. 69.68 S. o. Abschn. II.69 Vgl. Boymel Kampen 1996, 18. Ausführlicher dazu E.

D’Am bra, The Calculus of Venus, in: N. Boymel Kampen (Hg.), Sexuality in Ancient Art (New York 1996) 219–232. S. auch u. Abschn. III.2.

70 Micheli – Santucci 2001, 13. Vgl. auch Larsson Lovén 2002, 133.

71 Wyke 1994. Berg 2002.72 Vgl. Wyke 1994, 140.

es sierten sich nicht für das zivile Leben, weil sie von Schmuck und Schminke vereinnahmt seien, lässt Livius den Lucius Valerius argumentieren, dass Frauen nur die Be schäftigung mit diesen Äußerlichkeiten bliebe, weil sie vom öffentlichen Leben ausgeschlossen seien.73 Die Ge gen überstellung der beiden Positionen reflektiert die klassische Frage danach, was zuerst da war: Das Huhn oder das Ei. Vor allem aber suchen die Texte nach Recht fertigungen des konventionellen Rollenbildes.

Neben der paradoxen Funktion des mundus mu lie-bris, der sowohl Tugenden als auch Mängel der Frau auf zeigte, steht die hochgradige Polarisierung zwi­schen Schönheitsideal und Luxussucht.74 So wie Hel­via in der Erfüllung ihrer mütterlichen Pflichten, ohne über triebenen Schönheitswahn, als vorbildhafte Ma­tro ne dargestellt wird,75 finden sich zahlreiche kri ti­sche Stimmen zu übertriebenem Schmuck, überla de ner Klei dung und Kosmetik als Folge hellenistisch be ein­fluss ter Dekadenz in den literarischen Quellen.76 Neben dem Vorwurf der luxuria äußern die Texte auch War­nun gen an ihre männliche Leserschaft vor den (kos me­ti schen) Tricks der Frauen und ihren ver füh re rischen Ab sich ten; so dekonstruiert der elegische Er zäh ler der Ovi di schen Remedia Amoris die „ars“, mit Hilfe derer sie ihre Mängel (vitia) verdecken.77 Martials sa ti ri sche Epi gram me adressierten – aus der Sicht eines „hyper­bolically normative male“, so Wyke – die mittels Far­ben und Pudern herausgeputzten Frauen, deren kon­struierte Fassaden die Täuschung ahnungsloser Männer zum Ziel hätten.78 Und die Sklavin in Plautus’ Komödie Mos tel la ria rät: „Purpur soll das Alter decken, Gold ist für ein hässlich Weib. […] Denn die schön ist, ist ge­nug geschmückt“.79 Berg spricht deshalb auch von einer „rhetoric of unadornment“, welche auf die republika­nische Tugend der modestia rekurrierte.80 Das Tragen von Goldschmuck sei jedoch z. T. auch statusspezi­fisch bewertet worden: Während Gold am Körper ei­

73 Ibid., 136. Liv. a. o. (Anm. 28). 74 Vgl. D’Ambra 2009, 17.75 S. o. Abschn. II.76 Dixon 2001, 58. Vgl. Wyke 1994, 141: „Woman’s adorned

body becomes, in this moralising discourse, the visible emblem of a whole network of social vices: luxury, ex­travagance, corruption and Orientalism.“ Milnor sieht die Luxus­Kritik mehr als grundsätzliche Angst vor dem gesell­schaftlichen Niedergang denn als Reaktion auf die realen historischen Bedingungen (Milnor 2011, 619). Kontroversen um die (weibliche) Verschwendungssucht werden z. B. bei Juvenal reflektiert (Juv. Sat. 6,461–467). „In the rhetorical strategies of Roman comedy, women’s expenditure of time in the cosmetic arts help define the female gender as time­wasting, frivolous, unconcerned with true civic life, and as inherently sexual being, since female self­construction is read as part of a precise seductive strategy to appeal to men“ (Wyke 1994, 136). Vgl. auch die von Livius konstruierte Rede Catos zur Verteidigung der lex Oppia (Liv. 34,2–4; dazu Wyke, 139). Zu den „good old days“ und der immer­währenden Präsenz kritischer Stimmen gegen verschiedene zeitgenössische Kulturphänomene vgl. Dixon 2001, 56–59.

77 Ov. rem. 343–350.78 Wyke 1994, 147 mit Verweis auf Mart. 2,41,8–12. Vgl. auch

Properz über Mädchen, die „verlogen” ihr Haar färbten (Prop. 2,18c,28).

79 Plaut. Most. 289. 292 (Übers. P. Rau).80 Berg 2002, 31.

IdealbIld und lebenswIrklIchkeIt 71

ner Senatorengattin deren dignitas signalisiert habe, sei Gold schmuck bei einer Freigelassenen als Anmaßung und Prunksucht verurteilt worden.81

Die Kritik an ostentativem Luxus als Gegenbild re­pu bli kanischer Tugenden wurde mehrfach zur Staats­sache erhoben und äußerte sich in Luxusgesetzen: Die 215 v. Chr. verabschiedete lex Oppia verbot Frauen u. a., gefärbte Kleidung und mehr als eine halbe Unze Gold am Körper zu tragen. Das Gesetz kann als staat­lich verordnete Maßnahme zur Solidarität mit den rö­mi schen Männern verstanden werden, die sich im Krieg gegen die Punier befanden, und rief scharfe Proteste von Seiten der Frauen hervor, war jedoch zwanzig Jahre gültig.82 Ein weiteres Luxusgesetz, das sich glei­cher maßen gegen Frauen und Männer richtete, fällt in die Zeit von Catos Zensur (184 v. Chr.) und beinhal­tete Steuerabgaben auf Schmuck, Frauenkleidung und Trans port mittel.83 In der livianischen Gegenrede des Lu cius Valerius gegen die lex Oppia werden Schmuck, Klei dung und Körperpflege nicht nur als ausschließ­liche Interessen römischer Frauen beschrieben, sondern auch als ihr einzig möglicher Aktivitätshorizont, der von eben jenen Senatoren, die Publikum der Rede des Va le rius waren, eingeschränkt wurde.84

Ein Gegenbild zu der angeprangerten Fixierung auf den weiblichen Körper stellten die vestalischen Jung­frau en dar, die von der patriapotestas und Vormund schaft be freit waren, denen jedoch eine strikte Lebensführung vor geschrieben und jeglicher sexueller Kontakt unter­sagt war.85 Eine zu intensive Schönheitspflege und auf­fäl liger Schmuck konnten zur Anklage des crimen in-ces ti/ incestum führen, das im Falle der Verletzung der religiösen Sphäre (castum) zum Tragen kam. Livius berichtet von Anklagen gegen die Vestalinnen Postu­mia und Minucia 420 und 337 v. Chr.86 Hierbei han­delte es sich um eine der wenigen Möglichkeiten für Frauen, offizielle Ämter innezuhaben, während solche Ehren – oder Zierden, wie Livius schreibt – sonst nur Män nern zuteil wurden. Für die Vestalinnen fungierte die Pries ter schaft selbst als Ausweis ihrer Keuschheit und Tu gend haftigkeit; eine zu offensive Inszenierung des eigenen Körpers führte dagegen zu Misstrauen.

Berg hat sich eingehend mit den Begrifflichkeiten des mundus muliebris und den im Zusammenhang mit

81 Ibid., 47.82 Höbenreich – Rizzelli 2003, 98. Zu den öffentlichen Protes­

ten der Frauen gegen die lex Oppia vgl. Liv. 34,2,8–12; vgl. dazu Milnor 2005, 159.

83 Liv. 34,2–4. Vgl. dazu Höbenreich – Rizzelli 2003, 105. Die Besteuerung richtete sich gegen die gesamte wohlhabende Oberschicht und betraf auch Männer (Pomeroy 1985, 278).

84 Lucius Valerius, Gegner der lex Oppia, wird von Livius als „Frauenversteher“ dargestellt, der verhindern wollte, dass der Senat das Tragen von Schmuck gesetzlich limitierte und den Frauen somit ihre einzige Freude nahm (Liv. 34,7). Vgl. dazu u. a. Wyke 1994, 139–140; Höbenreich – Rizzelli 2003, 101–104; Milnor 2005, 158–179.

85 Pomeroy 1985, 332 f. Dem Grab der Vestalin Cossinia aus Tivoli war, wie sonst im Falle von Mädchengräbern, eine Puppe beigelegt, die Martin­Kilcher – ebenso wie die apo­tropäischen crepundia – als Hinweis auf auf „the ‚non­attai­ned wedding‘ “ deutet (Martin­Kilcher 2008, 67–69).

86 Liv. 4,44,11. 8,15,7. Elf Prozesse gegen Vestalinnen sind li­terarisch überliefert; vgl. dazu Höbenreich – Rizzelli 2003, 266. Vgl. auch Wyke 1994, 143; Pomeroy 1985, 329 f.

der Schönheits­ und Körperpflege mehrfach in den Quellen belegten Termini cultus und ornatus ausein­andergesetzt. Während der mundus muliebris in der oben zitierten Textpassage bei Livius als Oberbegriff für cultus und ornatus fungiert, zählt Varro unter dem­selben Schlagwort eine Liste von Kosmetikgeräten wie Spiegel, Kamm und Brenneisen auf.87 Columella nennt den mundus muliebris als Festtagsaufmachung, ohne näher darauf einzugehen.88 Berg postuliert eine häufig synonyme Verwendung der Begriffe mundus muliebris und cultus, die beide die Körperpflege – d. h. die Säu­be rung und Pflege von Haut und Haaren – beschrieben, während der Terminus ornatus auf Schmuck oder Orna­mente hinweise, die als zierende Attribute am Körper getragen wurden.89 Obwohl Berg konstatiert, dass die Be grif fe mundus muliebris, cultus und ornatus sich z. T. in halt lich überlappen, sieht sie einen Kontrast zwischen or na tus und cultus bzw. mundus muliebris. Dabei ver­wundert allerdings, dass gerade Varros Text den ornatus als „alles, das die Frau schmückt“ erklärt und in die o. g. Auf zählung von Kosmetikutensilien einreiht, jedoch Schmuck mit keinem Wort erwähnt;90 zudem trugen die Skla vin nen, die nachweislich auch für das Frisieren zu­ständig waren, die Bezeichnung ornatrices, sodass die Be griffl ichkeiten sich möglicherweise noch mehr über­schneiden als Berg vermutet.91 Und wenn Ovid eine Frau, die sich nicht pflegt (non culta), einer anderen, geschmückten (ornata), die ihre Gaben zur Schau trägt, gegenüberstellt, scheinen die Kategorien gänzlich zu verschwimmen, weil (zumindest dem modernen Leser) unklar ist, inwieweit die zur Schau getragenen Gaben (dota) wörtlich zu nehmen sind oder aber auf körper­liche Reize hinweisen und der ornatus somit gar nicht

87 Varro ling. 5,129. Die in den Büchern II–V behandelte „dis-ciplina verborum originis“, die Varro auf Vorbilder der sto­ischen Etymologie und der alexandrinischen Grammatiker zurückführt, beschäftigt sich damit, „from what thing and to what thing the name is applied“ (Varro ling. 5,2; Übers. R. G. Kent). Vgl. dazu D. J. Taylor, der den kulturhistorischen gegenüber dem sprachwissenschaftlichen Wert des Werkes herausstellt; Varros Ausführungen seien zwar für linguisti­sche Zwecke wenig nützlich, zeigten dafür aber die zeitge­nössische Sprachrezeption (D. J. Taylor, Varro, De lingua Latina X. A New Critical Text and English Translation with Prolegomena and Commentary (Amsterdam – Philadelphia 1996) 8). Ulpian bereichert Varros Liste um einige Objekte, die jedoch ebenfalls nur Kosmetikartikel bezeichnen (Ulp. Digest. 34,2. 25).

88 Colum. 12,3,1. Im Folgenden scheint er, ohne dies explizit auszudrücken, männliche und weibliche Attribute in Form von Waffen und Wollarbeitsgerät einander gegenüberzustel­len (ibid.).

89 Berg 2002, 20 f. Dies. 2007, 289.90 Dementsprechend übersetzt R. G. Kent den ornatus sogar

als „toilet set“ (Varro, On the Latin Language, with an Eng­lish Translation by R.G. Kent 5(Cambridge 1977)). Le dig­lich Stoff und Kleidung, darunter auch Haarbänder und ­net ze, jedoch kein sonstiger Schmuck, werden in nachfol­gen den Kapiteln (Varro ling. V 130–133) behandelt.

91 Ähnlich Raat 2013, 27 f. Zu den ornatrices s. u. Abschn. III.1.c. Dennoch finden die Partizipien cultus und digestus mehr fach Verwendung im Zusammenhang mit frisierten – oder ungeordneten – Haaren. Vgl. z. B. „wohlgeordnete Haa re“ („capilli culti“ und „digesti capilli“, Ov. am. 2,4,45. Ibid. 1,7,11) im Gegensatz zu „noch ungeordneten Haaren“ („non dum digesti capilli“, Ov. am. 1,14,19; Übers. M. v. Al­brecht).

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auf Schmuck oder Kleidung anspielt.92 Sowohl der or-natus als auch die von Berg dem cultus zugewiesenen Körperpflegeartikel finden darüber hinaus Verwendung in der Rhetorik, bzw. in der Charakterisierung von ge­sprochener oder geschriebener Prosa und Dichtung: Quin tilian unterscheidet zwischen einem männlichen – schlichten und strukturierten – und einem effeminier­ten, überladenen Stil (ornatus) der Rede; ähnlich wer­den bei Cicero und Aulus Gellius me ta pho risch Kos me­tik kästchen, Puder und Farben (ar cu lae, fucus/fu ca tio, pig menta) zur Gestaltung von Texten genannt, deren Schön heit, Wahrhaftigkeit und Klar heit (ornatus, ve-ritas) jedoch nur durch Natür lich keit zur Geltung kä­men.93 Die von Berg postulierte Po la risierung relativiert sich auch insofern, als in der Über setzung schlicht die Be griffs genauigkeit verloren geht, wenn unklar ist, ob es im lateinischen Original um den gepflegten Körper an sich oder um zusätzlichen Schmuck geht;94 von einer Abgrenzung der lateinischen Be griffl ichkeiten wird in dem vorliegenden Artikel deshalb zugunsten des mun-dus muliebris als kollektivem Ter minus abgesehen, tau­chen doch Schmuckstücke und Kos me tik artikel sowie die Tätigkeiten der Pflege und Ver schönerung des weib­lichen Körpers in den Quellen meist nebeneinander und aufs engste miteinander verwoben als die Äu ßer lich­kei ten auf, welche am oder auf dem Medium Körper gleichsam signalhaft Botschaften transportieren.

Es sei noch kurz auf Vitruvs Beschreibung der drei Säu lenordnungen hingewiesen, von denen die dorische männlich, die ionische weiblich und die korinthische Sinn bild eines jungen Mädchens sei.95 Ähnlich den o. g. Charakterisierungen rhetorischen Stils erklärt Vitruv Formen und Proportionen der Säulen und Kapitelle mit der Stärke und Anmut des männlichen Körpers (firmitas et venustas) einerseits und mit weiblichem Schmuck, dem gelockten Haar und den Gewandfalten der Stola andererseits, auf welche die Voluten und Kanneluren der ionischen Säulen anspielten.96 In beiden Fällen – in Bezug auf die Rhetorik und Architektur – werden männ­liche Gradlinigkeit und Schlichtheit mit weiblichem Formenreichtum und bunter Überladenheit kontrastiert.

Die kritischen Stimmen, Gegenmodelle und Kon­tras tie rungen zeigen deutlich die Assoziation von Schmuck und Schönheitspflege mit dem weiblichen

92 Ov. am. 2,4,38.93 Wyke 1994, 145. Cic. Brut. 162. Der größte Schmuck ist

das Fehlen desselben: „[…] Tamen erant ornata […], quod ornamenta neglexerant” (Cic. Att. 2,1,1–2). Gell. 6,14, 11: „Each of these styles, as I have said, is more brilliant when it is chastely and moderately adorned; when it is rouged and bepowdered, it becomes mere jugglery“ (The Attic Nights of Aulus Gellius, with an English Translation by John C. Rolfe (Cambridge – London 1960).

94 Vgl. z. B. Ov. am. 2,10,5: „Operosae cultibus ambae“. Man­gels näherer Erläuterungen zur Art des cultus übersetzt M. v. Albrecht an dieser Stelle mit zwei Mädchen, die beide „Wert auf Eleganz“ legen.

95 Vitr. 4,1,6–8.96 „So erfanden sie durch zwei unterschiedliche Entlehnungen

(vom menschlichen Körper) zwei Säulen, eine vom männli­chen Körper ohne Schmuck – nackte Schönheit –, die andere mit fraulicher Zierlichkeit, fraulichem Schmuck und frauli­chem Ebenmaß“ (Vitr. 4,1,7; Übers. C. Fensterbusch); vgl. dazu Milnor 2005, 96. Das korinthische Kapitell assoziiert Vitruv mit der Zartheit jungfräulicher Mädchen.

Ge schlecht. Wenn auch die moralische Bewertung des mun dus mu lie bris polarisierte, darf seine Funktion nicht un ter schätzt werden. Status, Alter und Geschlecht rö­mischer Männer und Frauen wurden anhand verschie­dener Kleidungs­ und Schmuckstücke artikuliert;97 Sto­la, palla und vittae gehörten dabei zur traditionellen Tracht der freigeborenen römischen matrona. Die Stola, idea ler weise aus Wolle gefertigt, schützte ihre Trägerin vor Blicken und Übergriffen; das lange Kleidungsstück reichte bis an die Knöchel, die zu zeigen als unschicklich galt.98 Auch Material und Form spezifischer Schmuck­stücke gaben differenziert Auskunft über Altersstufe und soziale Stellung; so trugen Mädchen als Pendant zur bulla der Jungen die lunula, einen halbmondför­migen Anhänger, der mit Erreichen der Volljährigkeit bzw. vor der Hochzeit abgelegt und den Laren geweiht wurde.99 Soziale Hierarchien manifestierten sich auch in dem Metallwert von Schmuck, indem Gold beispiels­weise ursprünglich dem Senatorenstand vorbehalten war.100 Kleidung und Schmuck hatten also sowohl prak­tische als auch symbolische Funktion; Schmuck unter­strich nicht nur die Schönheit einer Frau, sondern stellte auch Status und Vermögen ihres Gatten zur Schau, so­dass man in Petrons Satyricon von den Prahlereien des neureichen Trimalchio über die sechseinhalb Pfund gol­denen Schmucks seiner Frau Fortunata lesen kann.101 Teures Geschmeide einer Frau verwies implizit immer auf den Käufer bzw. Schenker. Ovid zählt „Kleider, Juwelen und Gold(schmuck)“ als beliebte, jedoch vergängliche Geschenke (munera) an die Angebetete auf und weist selbstreflexiv auf den ewigen Ruhm (fama perennis) hin, den Mädchen, die es verdienten, durch ein Gedicht erlangen könnten.102 Zwar gilt auch für römische Männer, dass Kleidung und spezieller Schmuck Symbolträger waren, Haar­ und Bart tracht den Unterschied zwischen Zivilisation und Wild nis, zwischen Römern und Nicht­Römern markierten, doch wurde der Akt der Verschönerung des Kör pers an sich, die Hingabe an solch zeitverschwen de rische Tätigkeit

97 Zum „colourcoding“ römischer Kleidung vgl. Wyke 1994, 135.

98 Lynn Sebesta 1998, 113. Berg 2002, 32. Zur Stola als Klei­dungsstück der ehrbaren Matrone im Gegensatz zur Tunika der Prostituierten vgl. Pomeroy 1985, 321. Zur Kleidung rö­mi scher Frauen allgemein vgl. z. B. Croom 2002, 75–118. Lynn Sebesta 1998. J. Edmondson, Public Dress and Social Con trol in Rome, in: Edmondson – Keith 2008, 1–26, dav. 24. Zur Bedeutung von Wolle als Material s. u. Abschn. III.2.

99 Berg 2002, 33 f. DNP VI (1999) 1207–1212 s. v. Lebensalter (G. Binder – M. Saiko).

100 Berg 2002, 42. Dass diese Konventionen, die z. T. sogar ge­setzlich festgelegt waren, jedoch nicht unbedingt eingehal­ten wurden, zeigt das Beispiel eines Goldarmreifs aus dem Besitz einer Sklavin (ibid., 44–48. Zu dem Armreif s. auch u. Abschn. IV.3.a).

101 Fortunata trägt gewundene Beinreifen, Armbänder sowie ein goldenes Haarnetz, ihre Freundin Scintilla ein goldenes Me­daillon und Ohrringe (Petron, Sat. 67, 7. 9–11; dazu Croom 2002, 115–116). C. Perkins Gilman beschrieb um die Wende zum 20. Jahrhundert den weiblichen Körper als Schau flä­che des Reichtums der Männer als eine Kultur konstan te, die auch in der Neuzeit noch gelte (M. R. Hill – M. J. Dee gan (Hgg.), C. Perkins Gilmann, The Dress of Women. A Criti­cal Introduction to the Symbolism and Sociology of Cloth­ing (Westport – London 2002) 80).

102 Ov. am. 1,10,61–62 (Übers. M. v. Albrecht).

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stets als ausschließlich weibliche Praxis angesehen und dargestellt.103

III.1.b SchmuckSchmuckstücke waren, wie bereits erläutert, nicht blo ße Zier, sondern kommunizierten Botschaften und hat ten z. T. apotropäische Funktion;104 als Mitgift und Erb stü­cke stellten sie außerdem nicht unerhebliche Wert an­la gen dar.105 Abgesehen von den bullae106, von Fi beln und Ringen, die – z. B. als Siegelringe oder als Sta­tus symbole im Falle der Ritter107 – auch von Männern getragen wurden, können Hals­, Arm­ und v. a. Ohr­schmuck sowie Haarnadeln und ­netze als weib li che Schmuck formen angesehen werden.108 Schmuck stü­cke lassen sich als bildlich dargestellte At tri bu te viel­fach belegen, und G. Schenke hat eine um fas sen de Aufl istung von Schmuckdarstellungen in der pom pe­ja ni schen Wandmalerei vorgelegt, weswegen an die­ser Stelle nur auf wenige Beispiele verwiesen werden soll.109 Die wohl bekannteste Abbildung stammt aus der In su la Occidentalis und zeigt in einem kreis run den Em­blem eine junge Frau (sog. Sappho), die in der linken Hand ein diptychon hält, während sie mit der rechten einen stilus an den Mund geführt hat. Sie trägt ringför­migen Ohrschmuck und ein goldenes Haar netz, das sich

103 Wyke 1994, 135. 104 Vgl. Swift 2009, 142.105 Berg 2002, 50 f. 56 f. Günther 2006, 366 f. Raat 2013, 29.106 Die bulla ist anhand ihrer linsenförmigen Gestalt und ihres

Hohlkörpers identifizierbar, in dem Figürchen oder Schutz­stoffe aufbewahrt werden konnten (F. Humer (Hg.), Von Kaisern und Bürgern. Antike Kostbarkeiten aus Carnuntum. Ausstellungskatalog Bad Deutsch­Altenburg (St. Pölten 2009) 153).

107 Vgl. Raat 2013, 25. Ein Eisenring als Zeichen der Zugehö­rigkeit zum Ritterstand ist literarisch überliefert und viel­fach auf Reliefs dargestellt (A. D’Ambrosio – S. De Carolis (Hgg.), I Monili dall’Area Vesuviana, Cataloghi 6 (Rom 1997) 22. Schenke 2003, 51. Humer a. o. (Anm. 106) 342). Zu den Ringen der Ritter: Plin. nat. 33,8,33. Männer trugen im Normalfall nur einen Ring; zu den in den Quellen negativ konnotierten Männern, die an allen Fingern Ringe trugen, vgl. F. H. Marshall, Catalogue of the Finger Rings. Greek, Etruscan, and Roman, in the Departments of Antiquities, British Museum (London 1907) 24 f. Zu den literarischen und bildlichen Quellen vgl. B. H. Spalthoff, Repräsentati­onsformen des römischen Ritterstandes, Tübinger Archäo­logische Forschungen 7 (Rahden 2009) 19–20. 21–25. Die von F. Naumann­Steckner unternommene Differenzierung von Männer­ und Frauenringen ist nicht unproblematisch, auch wenn z. B. schlangenförmige oder Perlenringe durch­aus eher als Schmuckstücke von Frauen anzunehmen sind (F. Naumann­Steckner, Luxus in Gold. Ein Verbrechen an der Menschheit?, in: Asskamp u. a. 2007, 139–149, dav. 145). Funde von Ringen mit auffällig kleinem Durchmes­ser scheinen zu zeigen, dass bereits Kinder Ringe trugen; bei Plinius ist überliefert, dass es aber auch Ringe für die Fingerspitzen oder mittleren Glieder der Finger gab (Plin. nat. 33,6,24–25. Vgl. dazu Schenke 2003, 55. Marshall a. o., 25). Ab dem 4. Jh. n. Chr. tauchen Hochzeitsringe, die von jeweils beiden Ehepartnern getragen wurden, v. a. im Wes­ten des römischen Reichs auf (Swift 2009, 154).

108 Swift 2011, 207. „Jewellery can be seen as a gendered form of material culture“ (Raat 2013, 14).

109 Schenke 2003, 63–85. Die im Folgenden gewählten Bei­spiele besitzen weder Beischriften noch Attribute, welche die dargestellten Frauen als mythologische oder historische Gestalten charakterisieren.

farblich von ihren braunen Locken ab hebt (Abb. 1).110 Das Porträt eines Paares, das ebenfalls mit Schreib­ma terialien ausgestattet ist, stammt aus der Ca sa di Terentius Neo (VII 2, 6; Abb. 2). Die junge Frau trägt ein Haarband sowie Ohrringe; das Mo tiv erinnert an das erstgenannte Beispiel.111 Das Fres ko repräsentiert die gemeinsame Ehe, stellt die Schön heit der Frau so­wie die Bildung des Paares zur Schau.112 In den beiden Darstellungen demonstrieren die Schreibgeräte intel­lektuelle Fähigkeiten, die durchaus auch der Wert schät­zung einer Frau zuträglich waren und das Bil dungs ideal aristokratischer Römer illustrieren.113 In Haus VI 15,14 in Pompeji fand sich in Mo saik form das Einzelporträt einer Frau mit Ohrringen und Perlen kette (Abb. 3). Zwei weitere Frauenporträts stammen aus dem sog. Triklinium o der Casa di L. Cae ci lius Iucundus (V 1,26) in Pompeji: Eines der beiden Em ble mata stellt eine Frau mit einem aus Perlen zu sam mengesetzten Haarband,

110 Möglicherweise trägt die Frau am linken Ringfinger au­ßerdem einen goldenen Ring mit eingefasstem roten Stein (Schenke 2003, 52).

111 Schenke 2003, 73. 112 Fantham u. a. 1994, 341.113 Bernstein 2007, 527. Pomeroy 1985, 261. Zu dem Fresko

vgl. K. Eckert, Literalität im römischen Pompeji, in: Mel­ler – Dickmann 2011, 170–177, dav. 176 f. Zu Frauenbil­dung und Literalität vgl. z. B. Pomeroy 1985, 260–269; W. V. Harris, Ancient Literacy (Cambridge 1989) 239 f. 252; Savunen 1997, 7 f.; M. Joyal – I. Dougall – J. C. Yardley, Greek and Roman Education. A Sourcebook (London – New York 2009) 185–189. Zu der römischen Dichterin Sulpicia und Beispielen von Frauen in republikanischer Zeit, die für ihre Reden und gelehrten Briefe bekannt waren, vgl. C. Roh­weder, Eine römische Dichterin. Sulpicia, in: Späth – Wag­ner­Hasel 2006, 147–161, dav. bes. 147 f. Zu epigrafischen Nachweisen von Frauen in den Berufen der anagnostria, lectrix und notaria vgl. S. Segenni, Donne e Lavoro Intel­lettuale, in: Buonopane – Cenerini 2003, 155–161. Zu Skla­vinnen, die als Schreiberinnen (librariae) und persönliche Sekretärinnen (a manu) tätig waren, vgl. Günther 2006, 361.

Abb. 1 Junge Frau aus der Insula Occidentalis. Zeichnung der Autorin (nach I. Baldassare – A. Pontrandolfo – A.

Rouveret – M. Salvadori (Hgg.), Römische Malerei. Vom Hellenismus bis zur Spätantike (Köln 2002) 244)

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Ohr ringen und einem kleinen Kantharos in den Händen dar, das andere eine Frau mit Perlenohrringen.114

Mumienporträts, v. a. aus dem Fayum in Ägypten, bilden Schmuckstücke z. T. sehr detailreich ab, wie z. B. ein Frauenporträt aus Hawara in den Staatlichen Museen zu Berlin zeigt. Die Verstorbene ist mit einer dreireihigen, goldenen Perlenkette dargestellt und trägt Ohr ringe, an deren ebenfalls goldenem Anhänger ein grau weißer Stein angebracht ist.115

Haarnadeln sind auf den vorgestellten Dar stel lun­gen nicht abgebildet und, abgesehen von den Mu mien­por träts, generell selten in der Malerei oder Plastik dargestellt, stellten faktisch aber einen wichtigen Bestandteil des Schmucks dar, weil sie eine praktische Funktion und ästhetischen Wert hatten.116 Als funk­tionale Objekte aus Bein oder Metall wurden sie zur Befestigung aufwändiger Frisuren verwendet; durch ihre Gestaltung mit einem figürlich oder knotenför­mig ausgearbeiteten Ende dienten sie gleichzeitig als Schmuckstücke.117

Auch in der plastischen Bildnisrepräsentation spielte Schmuck eine Rolle, jedoch sind die ursprünglich meist farbig dargestellten oder aus Metall angefügten Stü cke nur selten erhalten.118 Aus einer römischen Villa in der

114 Auf Umzeichnungen sind die Details besser zu erkennen; vgl. PPM III (1991) 574–620, s. v. V 1, 26 Casa di Lucius Caecilius Iucundus e Casa Annessa VI 1, 23 (A. De Vos) 614–615 Abb. 77–78. 79–80.

115 A. Rottloff, Lebensbilder römischer Frauen (Mainz 2006) 61 Abb. 28. Umfassend zu den Mumienporträts vgl. B. Borg, Mumienporträts. Chronologie und Kontext (Mainz 1996), dav. 167–172 zu den Schmuckdarstellungen.

116 Vgl. dazu Mart. 14,24. Croom 2002, 105. Haarnadeln finden sich in einigen Gräbern, und dort als einzige Beigaben, was wohl eher auf einen Bestattungsbrauch als auf ihre prakti­sche Verwendung zurückzuführen ist (Swift 2011, 203).

117 D’Ambrosio – De Carolis a. o. (Anm. 107) 16. V. Galliazzo, Bronzi Romani del Museo Civico di Treviso (Rom 1979) 171. Zahlreiche Beispiele für Haarnadeln s. z. B. in Carnun­tum (Humer a. o. (Anm. 106) Kat. Nr. 1261–1360).

118 A. Alexandridis, Die Frauen des römischen Kaiserhauses (Mainz 2004) 71 f. Schenke 2003, 86.

Via Casone Grotta in Boscoreale stammt die Mar mor­sta tu ette einer liegenden Frau, in deren un mit tel barer Nähe Goldschmuck – darunter ein Paar Ohr rin ge, eine Kette, ein Ring –, sechs gläserne unguentaria sowie Beschläge aus Silber und Bein gefunden wurden, die möglicherweise zu einer Kiste gehörten. Die Objekte gehören dem Fundkontext der Statuette an und waren offenbar, zumindest im Falle der Schmuckstücke, ange­setzt, was Ohrlöcher im Marmor beweisen.119

III.1.c KosmetikAbgesehen von Kleidung und Schmuck als am Körper exponierten Attributen war v. a. die Pflege des Körpers selbst für das Frauenbild von essentieller Bedeutung. Hygiene spielte für die Römer grundsätzlich eine wich­tige Rolle, und besonders das Thermenwesen bot An­lass und Angebote für eine aufwändige Reinigungs pro­ze dur. Die Körperpflege unterschied ideologisch den Rö mer vom Barbaren – doch ungeachtet dessen, dass auch Männer sich bis zu einem gewissen Grad der kos­me ti schen Produktpalette bedienten, wurde die Kör­per pflege als Frauensache angesehen, sodass sämtliche Kos me tik artikel und ­geräte – mit Ausnahme von Ther­

119 L. Fergola, Comune di Boscoreale. Via Casone Grotta, Pro­prietà Risi Di Prisco, Rivista di Studi Pompeiani 1, 1987, 163–166, dav. 164. Derzeit arbeitet A. Raat an einer Ge­genüberstellung von Schmuckdarstellungen und ­beigaben in römischen Grabkontexten aus Rom, Syrien und Ägypten (A. Raat, Jewellery as Signifier. Norms and Values in the Roman Empire (Arbeitstitel)); bereits in ihrer Magisterar­beit stellte sie Sepulkralplastiken von Frauen zusammen, die z. T. reliefierten, z. T. separat gefertigten Metallschmuck tra­gen. Von 15 darin untersuchten Porträts aus Rom trugen fünf ursprünglich metallenen Ohrschmuck (Raat 2013, 89 f.).

Abb. 2 Junges Paar aus der Casa di Terentius Neo. Zeichnung der Autorin (nach J. Berry, Pompeji (Frankfurt a. M. 2008) 89)

Abb. 3 Porträt einer Frau aus Pompeji, Haus VI 15,14. Zeichnung der Autorin (nach R. Cappelli, Bellezza e Lusso. Immagini e

Documenti di Piaceri della Vita (Rom 1992) 103 Abb. 43)

IdealbIld und lebenswIrklIchkeIt 75

men bestecken – in den Bildquellen ausschließlich als weibliche Attribute auftauchen.120

Wie in III.1.a beleuchtet, waren Schmuck, Kleidung und Körperpflege Gegenstand kritischer Observation, und v. a. die übermäßige Verwendung von Farbe und Schmin ke im Gesicht wurde als trügerische Fassade und op ti scher Täuschungsversuch kritisiert;121 dennoch standen der römischen Frau zur Unterstreichung der eigenen Schönheit verschiedene Mittel und Methoden zur Verfügung. Zur weiblichen Körperpflege gehörten die Benutzung von Duftölen und Cremes, das Entfernen läs tiger Härchen an verschiedenen Körperstellen, das Schmin ken mit Asche und Farben zur Akzentuierung von Augen, Mund und Wangen, und das morgendliche Fri sie ren, das bei entsprechendem Vermögen durch eine oder mehrere Sklavinnen erfolgte. Während der elegi­sche Erzähler bei Properz die käufliche Kosmetik und die Freude seiner Geliebten an aufwändigen Frisuren und künstlichen Gerüchen verurteilt,122 beschreibt Ovid in der ars amatoria eingehend die Wünsche und Mög­lich keiten der Frauen, den eigenen Körper zu ver schö­nern: Dabei seien nicht nur die Verwendung von Kräu ­tern als Haarfärbemittel, Kalkpulver für eine blasse Ge ­sichts farbe und Farbessenzen zum Umranden der Au­gen üblich, sondern auch „scheußlicher Bocks ge stank“ und „borstige (Bein­)Haare“ zu vermeiden.123 Farb­ und Duft stoffe konnten in Öl konserviert oder als tro ckener Puder aufbewahrt und bei Bedarf angerührt werden; die Begriffe unguens und unguentum be zeich ne ten Duft­stoffe bzw. die auf ihrer Grundlage her ge stell ten Salben, Puder und Flüssigkeiten, die auf Klei dung, Haut und Haar aufgetragen wurden.124

Nach Plinius waren Alabastergefäße zur sonnen­geschütz ten Aufbewahrung von unguenta am besten geeignet, dennoch setzte sich spätestens zum Ende des 1. Jh. v. Chr. Glas als Werkstoff für solche unguentaria durch.125 Varianten bestanden aus Gold, Onyx, Blei oder Ton in verschiedenen Formen, und auch Muscheln oder Pyxiden konnten zur Aufbewahrung verwendet wer­

120 Wyke 1994, 135. Shumka 2008, 174. 176 f.121 Kosmetika für das Gesichts­Make­up wurden deshalb nicht

bildlich dargestellt, so Shumka (Shumka 2008, 184).122 Prop. 1,2,1–5. 2,18c,23–32. Juvenal prangert den verschwen­

de rischen Luxus der Frauen an, die sich schminkten und schmück ten, während sie nebenbei Sklaven bestrafen ließen (Juv. 6,481).

123 Ov. ars 3,160–165. 193–204 (Übers. N. Holzberg). An an­derer Stelle berichtet Ovid über die schädliche Wirkung von Haarfärbemitteln (venena), weshalb Frauen wohl auch perü­ckenartiges Echthaar kaufen konnten (Ov. am. 1,14,45–48).

124 Z. B. Mart. 14,146. Catull. 67,78.125 Plin. nat. 13,3. B. Kaeser, Körperpflege, in: K. Vierneisel

(Hg.), Römisches im Antikenmuseum (Berlin 1978) 176. Zur Entwicklung des Imports von Duftstoffen und ­ölen vgl. De Tommaso 1990, 9–17. Einige Typen der in den Vesuv­städten erhaltenen Salbölgefäße (unguentaria) haben weder Fuß noch Standfläche, sodass die Verwahrung in Kisten mit dafür vorgesehenen Fächern oder die Anbringung an der Wand mit Hilfe einer Schnur vorausgesetzt ist (C. Isings, Roman Glass from Dated Finds (Groningen 1957) Typ 27. De Tommaso 1990, Typ 7. 60. 71–73. L. A. Scatozza Höricht, I Vetri Romani di Ercolano (Rom 1986) Typ 41. 47b). Zum Begriff balsamarium vgl. De Tommaso 1990, 19 Anm. 1. Allison 2006, 22. Shumka 2008, 182).

den.126 Die Nachfrage nach Kosmetika war so groß, dass Duft stoffe nicht nur aus Ägypten importiert, sondern v. a. in Kampanien hergestellt wurden, wie ebenfalls Pli­nius berichtet.127 Vier pompejanische Inschriften bele­gen unguentarii, Parfüm­ und Salbenhersteller, in der Stadt;128 für Livia, die Frau des Augustus, ist sogar ein ei ge ner unguentarius bezeugt.129 Eine Brunnenanlage im Pe ri styl m der Casa dei Vettii (VI 15,1) in Pompeji, deren Wasserstrahl aus einem unguentarium in ein mu­schel för miges Becken floss, zeigt die Assoziation dieser Ge fäß form mit Wasser als Inbegriff von Luxus, Hygie­ne und Schönheitspflege.130

Dass die morgendliche Schönheitspflege, das Wa­schen und Frisieren in größeren Haushalten entspre­chend gut situierter Römerinnen von eigens dafür zu­stän di gen Sklavinnen übernommen wurde, zeigen Un­ter su chun gen, die eine hohe Anzahl von ornatrices auf Grab in schrif ten belegen.131 Diese Sklavinnen oder Frei­ge las se nen waren wohl speziell für ihre Aufgabe aus­ge bildet und arbeiteten nicht zwangsläufig nur für ihre eigene Herrin.132 Ovid empfiehlt, sich von einer solchen

126 In einer Schilderung Martials wird Pomade aus einer gol­denen Muschel angeboten (Mart. 3, 82,27 f.). Auch aus Edelmetall nachgebildete Muscheln als Salbölgefäße oder Schmuckanhänger sind aus Grabkontexten bekannt (Sigges 2000, 122 Anm. 171); aus einem Mädchengrab von der Via Cassia bei Rom stammt die Nachbildung einer Muschel aus Bernstein, und das sog. Grab 2 aus Vallerano enthielt eine silberne Muschel (A. Bedini (Hg.), Mistero di una Fanciulla. Ori e Goielli della Roma di Marco Aurelio da una Scoperta Archeologica. Ausstellungskatalog Rom (Mailand 1995) 56 Abb. 27. 81 Abb. 54).

127 Plin. nat. 13,26. 128 De Tommaso 1990, 13 Anm. 40.129 Ibid., 15. Martial belächelt die Unmengen von verschiede­

nen Düften, die eine einzelne Frau, vermutlich eine Prostitu­ierte, verwende (Mart. 9,37).

130 Zur Ausstattung des Peristyls der Casa dei Vettii (VI 15,1) vgl. Allison 1994, 388.

131 George 1997, 317. Swift 2011, 208. Für Beispiele vgl. Shum ka 2008, 185. Zur Ausbildung von Sklavinnen für be­stimm te Haushaltstätigkeiten vgl. Pomeroy 1985, 296. Gün­ther zählt 40 Grabinschriften von ornatrices in Rom, die im CIL VI ediert sind (Günther 1987, 45; vgl. auch Treggiari 1976, 78–80). Vgl. auch Eichenauers Auflistung aus dem ge sam ten CIL, wobei die Beispiele aus Rom den größten Teil ausmachen (Eichenauer 1988, 106–109): Vgl. z. B. die In schrif ten der Gnome, „ancilla ornatrix“ aus augusteischer Zeit (CIL VI 09730; A. Kolb – J. Fugmann, Tod in Rom. Grab in schriften als Spiegel römischen Lebens (Mainz 2008) 161), und der ornatrix Cypare (CIL VI 09727; Micheli – San tuc ci 2001, 45 Abb. III 5) mit abgebildetem Kamm und Haar nadel links und rechts des Inschriftentextes. Vgl. auch sog. Die ne rinnenreliefs (G. Piccottini, Die Römer in Kärn­ten (Kla gen furt 1989) 252. 256). Zu vereinzelten Beispielen wei te rer inschriftlich belegter, spezialisierter Sklavinnen wie der Salberin, Faltenlegerin oder Beaufsichtigerin der Klei der vgl. Eichenauer 1988, 111. Auch als persönliche An­klei de rinnen oder Begleiterin der Hausherrin waren Frauen im Haus halt tätig (Gardner 1995, 243). Vgl. dazu Günther 1987, 57–62.

132 Gardner 1995, 242–244; aus Ostia ist beispielsweise eine Gruppe von neun ornatrices bekannt, die sich möglicher­weise zu einer Art collegium zusammengeschlossen hatten (vgl. CIL VI 05306; dazu Gardner 1995, 242). Allgemein zu Frauen­ und gemischten Kollegien vgl. J.­P. Waltzing, Etude historique sur les corporations professionelles chez les Romains depuis les origines jusqu’ à la chute de l’Empire d’occident (Löwen 1895) I 348 f.

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erfahrenen Person frisieren zu lassen, wobei der Spiegel der beste Ratgeber sei; die ornatrix solle unbehelligt ihre Arbeit verrichten und einmal frisiert, müsse das Haar für den Rest des Tages unberührt in Form bleiben.133 Die z. T. langwierige Prozedur solle jedoch hinter verschlos­sener Tür vollzogen werden, da nur das End ergeb nis sehenswert sei, nicht aber der Vorgang der Schön heits­pfle ge.134 Schließlich wolle der Ehemann nur die voll­endete Schönheit, nicht aber die mühsame Vorbereitung und Arbeit sehen, die der gepflegten Erscheinung vor­an gehe.135 Der elegische Liebhaber in einem Gedicht Ovids hat seiner Geliebten jedoch schon häufig beim Fri sie ren durch die Sklavin (ornatrix) mit Kamm und Haar nadel zugesehen und kennt auch „die geschickte Haar künstlerin Cypassis“, die sich „so fleißig um [den] Haar putz“ ihrer Herrin kümmert.136 In Plautus’ Komödie Mos tel laria macht sich Philematium vor dem Spiegel zu recht, um ihren Liebhaber Philolaches zu treffen, der als heimlicher Voyeur dem Publikum gleichzeitig den An lass der Schönheitspflege aufzeigt.137 Die Frau wird

133 Ov. ars 3,136. 238–239.134 Ibid. 3,226.135 Ibid. 3,209–217: „Nie aber soll der Liebhaber Schminktöpf­

chen, die auf dem Tisch stehn, vorfinden. Nur eine Kunst, die ihr verheimlicht, macht schön. […] Dies schenkt Schönheit, jedoch mitanzusehn ist es unschön; hässlich ist viel, wenn’s entsteht, ist’s aber fertig, gefällt’s“ (Übers. N. Holzberg).

136 Ov. am. 1,14,17. Ibid. 2,7,17. 23 (Übers. M. v. Albrecht). Im folgenden Gedicht wird Cypassis des Weiteren als ausge­zeichnete Friseurin gelobt, würdig, „nur Göttinnen zu frisie­ren“ (ibid. 2,8,1–2).

137 Plaut. Most. 157–294. S. dazu auch u. (in diesem Abschnitt).

so mit zum Lustobjekt des männlichen Beobachters, Zu­schauers und Autors.138 Ovid rät dem heimlichen Ver­ehrer, eine Sklavin seiner Angebeteten ins Vertrauen zu zie hen, die beim morgendlichen Frisieren ihre Herrin an stacheln und für den Kavalier gewinnen solle.139 All diese Darstellungen bei Ovid und Plautus schildern die Schönheitspflege der Frau als intime Prozedur, der höchstens weibliche Vertraute oder Sklavinnen beiwoh­nen sollten und für die somit der Rückzug in einen ab­geschlossenen, d. h. nicht jedem zugänglichen, Raum anzunehmen ist.

In bildlichen Darstellungen wird die domina beim Vorgang des Frisierens meist sitzend gezeigt, während eine oder mehrere Sklavinnen sich an ihrem Haar zu schaffen machen. Dies ist beispielsweise innerhalb des Freskenzyklus aus der Villa dei Misteri zu sehen, in dem eine Sklavin mit dem Frisieren ihrer Herrin beschäftigt ist, der ein Eros einen Spiegel vorhält (Abb. 4).140 Ein Relief des sog. Neumagener Elternpaarpfeilers zeigt eine im Korbstuhl sitzende Frau, die von vier Die ne ­rin nen mit Wasserkannen und Spiegel umringt ist (Abb. 5). Während die Herrin, deren Füße auf einer Fuß bank und Hände in einem Stoffwickel ruhen, von der hinter ihr stehenden Sklavin frisiert wird, hält eine andere ein Wassergefäß bereit und die dritte ihr einen Spiegel vor; die vierte anwesende Dienerin hat einen Hen kel­krug in ihrer Linken.141 In der rechten Bildhälfte eines

138 Wyke 1994, 136.139 Ov. ars 1,367–368.140 K. Bradway, Villa of Mysteries. Pompeii Initiation Rites of

Women (San Francisco 1982) 27. Taylor 2008, 37 f.141 W. von Massow, Die Grabmäler von Neumagen. Römische

Abb. 4 Fresko aus der Villa dei Misteri. Zeichnung der Autorin (nach G. C. Irelli – M. Aoyagi – S. De Carolis – U. Pappalardo (Hgg.),

Pompejanische Wandmalerei (Stuttgart 1990) Taf. 116)

Abb. 5 Relief auf dem Neumagener Elternpaarpfeiler. Zeichnung der Autorin (nach A. Rottloff, Lebensbilder römischer

Frauen (Mainz 2006) 155 Abb. 73)

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Fres kos aus Herculaneum wird eine, diesmal stehende, Frau – vielleicht eine Priesterin – im Beisein zweier wei te rer Frauen von einer Sklavin frisiert (Abb. 6, Aus­schnitt).142 Auf dem daneben befindlichen, dreibeinigen Tisch, der die Darstellung als häusliche Szene cha ­rak te risiert, ist ein Kästchen abgebildet, das wohl zur Auf bewahrung von Schmuck oder Kosmetika diente; auf dem Boden steht eine gläserne Oinochoe.143 Diese Fri sier szenen stellen mehr den Unterschied zwischen Skla vin nen und Herrin als zwischen Mann und Frau heraus;144 die ausgiebige Körperpflege war ein Zeichen von Prestige, da sie nur Frauen einer römischen Ober­schicht vergönnt war, die ausreichend (Frei­)Zeit und Geld für die kostspieligen kosmetischen Essenzen auf bringen konnten.145 Die silbernen Beschläge eines Schmuck­ und Kosmetikkästchens (sog. Projecta­Käst­chen) vom Esquilin zeigen Venus und vermutlich die für das Kästchen namengebende Projecta als deren sterb li ches Pendant bei der Schönheitspflege; beide ma­chen sich mit der rechten Hand ihr Haar zurecht und haben den Kopf nach links gewandt, von wo ihnen ein Spiegel entgegen gehalten, während von rechts ein Käst chen herangetragen wird.146 Obwohl die Nacktheit der Göttin im Kontrast zum bekleideten Körper der Sterb li chen steht, diente Venus – Inbegriff weiblicher Schön heit – als Vorbild.147 Auf einem Grabrelief aus dem englischen Chester hält eine Frau einen Spiegel mit einem Rundknauf als Griffende in ihrer linken, ei­nen Kamm(?) in ihrer rechten Hand, während – deutlich kleiner – eine Sklavin zu ihrer Linken anwesend ist, die mög li cher weise ein Schmuck­ oder Kosmetikkästchen trägt.148 Ein Wandbild aus der Villa Arianna in Stabiae zeigt eine Frau, die selbstversunken auf einem Hocker mit fi li gran geschnitzten Beinen sitzt und sich selbst im Spiegel betrachtet, während sie mit der linken Hand eine ihrer Haarsträhnen hochhält (Abb. 7).149 Der Stuhl

Grabmäler des Mosellandes und der angrenzenden Gebiete (Berlin 1932) 2, 159. Taf. 34, Abb. 184a. Dazu auch Wyke 1994, 142.

142 Berg interpretiert das Motiv als die auf griechische Vorbilder zurückgehende Toilette einer Braut oder Priesterin (Berg 2007, 294).

143 Naumann­Steckner deutet die Wasserkanne als Statusmar­ker oder Metapher für eine heilige Handlung (F. Naumann­Steckner, Glasgefäße in der römischen Wandmalerei, in: M. J. Klein (Hg.), Römische Glaskunst und Wandmalerei. Aus­stellungskatalog Mainz (Mainz 1999) 25–33, dav. 33). Zu Wasserkannen und ­behältern in der pompejanischen Wand­malerei vgl. Berg 2007, 295–297: In den meisten Darstel­lungen von Bronzegefäßen handele es sich um Sakralsze­nen; ein geringerer Teil von Fresken zeige Badeszenen oder die Benutzung von Wasserbehältnissen durch Göttinnen (Venus, Diana) oder mythisch­effeminierte Figuren (Narcis­sus, Hermaphroditus, Adonis).

144 Wyke 1994, 142.145 Günther 2006, 354. Swift 2011, 208.146 Zum Projecta­Kästchen s. u. (in diesem Abschnitt).147 Swift 2009, 128.148 R. P. Wright – I. A. Richmond, Catalogue of the Roman

Inscribed and Sculptured Stone in the Grosvenor Museum, Chester (Chester 1955) Kat. Nr. 120.

149 R. Taylor versteht die Szene als „timeless ritual of adoles­cent self­contemplation“ (Taylor 2008, 38); der nackte Oberkörper sei ein Hinweis darauf, dass es sich um ein jun­ges Mädchen handele, das seinen Körper und seine Sexuali­tät noch zu entdecken habe. Ihre linke Hand spiele dabei fast

taucht nicht nur in den Frisierszenen mit Sklavinnen, son dern auch in den Einzeldarstellungen als elegante Sitz ge le genheit auf; er verortet die Szenen im Haus in­ne ren und verweist auf die bereits thematisierte, für die Schönheitspflege zur Verfügung stehende Zeit.150

Wie Berg zeigen konnte, tritt der Spiegel in der Gat­tung der Wandmalerei fast ausschließlich als Attribut der Venus auf, die in Pompeji überwiegend mit einem Griff spiegel in der Hand als Motiv zu sehen ist.151 Der Spiegel ist weniger funktionelles Instrument als Symbol

meditativ mit dem Haar.150 Vgl. auch zwei weitere Darstellungen einzelner sitzender

Frau en figuren aus dem Wohnhaus unter der Villa Farnesina in Rom: S. T. A. M. Mols – E. M. Moormann, La Villa della Far ne si na. Le Pitture (Mailand 2008) 34 Abb. 31. 49 Abb. 50.

151 Berg zählt 25 Beispiele von Venusdarstellungen mit Spie­geln, worunter sich auch Darstellungen von Venus und Mars befinden, die jeweils ihr spezifisches Attribut – Spiegel und Schild – bei sich haben (Berg 2007, 290 f.). Vgl. auch Tay­lor 2008, 39–47 zum Spiegel der Venus. Zu einer Gruppe bron ze ner Venusstatuetten mit Spiegel vgl. A. Abegg, Eine wohl habende Frau aus Belginum. Grab 2370, in: A. Haffner (Hg.), Gräber – Spiegel des Lebens. Zum Totenbrauchtum der Kel ten und Römer am Beispiel des Treverer Gräberfeldes We derath­Belginum, Schriftenreihe des Rheinischen Lan­des museums Trier 2 (Mainz 1989) 299–316, dav. 310–312.

Abb. 6 Fresko aus Herculaneum. Zeichnung der Autorin (Ausschnitt; nach J. Berry, Pompeji (Frankfurt a.M. 2008),112–113)

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der weiblichen Schönheit.152 Wyke hat untersucht, in­wiefern die Benutzung des Spiegels in den literarischen Quel len die Geschlechter metaphorisch unterscheidet: Während in den Texten das Spiegelbild Frauen als Ob­jek te zeige und ihnen ausschließlich bei der Ver schö­nerung des Körpers hilfreich sei, diene es den Männern zur Selbstbeobachtung; dadurch solle nicht nur deren eigenes Auftreten und Überzeugungskraft verbessert werden, sondern der Spiegel provoziere auch, durch die Abstraktion vom Körper, die Reflexion über mora­lische Werte und bürgerliche Pflichten der Männer.153 Indem Philematium in der bereits genannten Szene154 ihren Spiegel küsst, demonstriert sie ihre Selbst wahr­ne hmung (und die der Zuschauer) als Objekt männ­licher Begierde.155 Ovids elegisches Ich beklagt, dass der Hochmut (fastus) seiner Geliebten von ihrem Spie­gel bild (speculi imago) herrühre, das sie jedoch nur betrachte, wenn sie schon zurechtgemacht (conposita)

152 Berg 2007, 298.153 So Wyke 1994, 138 f. über Quint. inst. 11,3,68 und Sen. nat.

1,17,4–5. Ausführlicher: Taylor 2008, 19–26. 33–39.154 Plaut. Most. 248. S. o. (in diesem Abschnitt).155 Wyke 1994, 135 f.

sei.156 Das Motiv des Spiegelbildes wird also in den li­terarischen Quellen geschlechtsspezifisch differenziert, indem für die Nutzung desselben Objekts unterschied­liche Konsequenzen aufgezeigt werden. Man könnte sagen, es wurde mit zweierlei Maß gemessen, wenn das Spie gel bild nach Meinung der Autoren dem Mann zur mo ra lischen und mentalen Weiterentwicklung diente, die Frau jedoch lediglich in ihrer negativ konnotierten Ober fläch lichkeit bestärkte.157

Bergs Untersuchung der bildlichen Darstellungen des Spiegels als weibliches Attribut schließt auch Schmuck­ und Kosmetikkästchen mit ein, die häufig als zweites, stets von Eroten oder Dienerinnen dar ge reich tes At tri­but der Venus oder sterblicher Frauen in der Wand ma­le rei abgebildet sind.158 In denjenigen Fällen, in denen der Inhalt der Kästchen einsehbar ist, handelt es sich um darin aufbewahrten Schmuck.159 Wie in dem o. g. Fres­ko aus Herculaneum setzen ein dreibeiniger Tisch (men-sa tripes) und eine auf dem Boden stehende (Wasser?­) Kan ne die auf einem Wandfeld im oecus 43 der Casa delle Vestali (VI 1,7) dargestellte Szene in ein häusliches Am bi ente; die zentrale Figur ist von zwei or na trices um­geben, die sich an ihren Haaren und ihrem Handgelenk

156 Der Spiegel ist Auslöser für Stolz und tyrannisches Auftre­ten Corinnas, die sich ihrer Schönheit durch das Spiegelbild bewusst wird (Ov. am. 2,17,9–10; Übers. M. v. Albrecht).

157 Vgl. dazu auch Boymel Kampen 1996, 22.158 Begrifflich lassen sich Schmink­ und Schmuckkästchen ver­

schiedentlich fassen, vgl. z. B. die cum ornamentis arcula der Philematium (Plaut. Most. 248), die bei Martial genann­te dactylotheca (Mart. 14,123) und den Ovidschen loculus, in dem ein Ring aufbewahrt wird (Ov. am. 2,15,19). Zur Verwendung von Behältern in der Bildsprache klassisch­griechischer Vasenmalerei als Metapher für den weiblichen Körper vgl. F. Lissarague, Frauen, Kästchen, Gefäße. Einige Zeichen und Metaphern, in: Reeder 1996, 91–101; Frucht­barkeit und Sexualität der Frau erführen dabei die Konno­tationen des Verbergens und des Verwahrens (Reeder 1996, 195–199).

159 Berg 2007, 292.

Abb. 8 Wandfeld im oecus 43 der Casa delle Vestali. Zeichnung der Autorin (nach einer Zeichnung von Serafino Mastracchio, PPM IV

(1993) 5–49, s. v. VI 1,7 Casa delle Vestali (I. Bragantini) 35 Abb. 60)

Abb. 7 Wandbild in der Villa Arianna in Stabiae. Zeichnung der Autorin (nach C. C. Mattusch, Pompeii and the Roman Villa. Art and Culture around the Bay of Naples. Ausstellungskatalog

Washington (New York 2008) 160 Abb. 58)

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zu schaffen machen (Abb. 8).160 Auch hier sind weitere Frauen anwesend, von denen eine mit über ge schla ge­nen Beinen die Szene beobachtet, während eine drit­te Dienerin ein Kästchen heranträgt.161 Ein Wand bild aus der Casa di Epidio Sabino (IX 1,22.29) zeigt eine im Vordergrund sitzende Frau mit übergeschlagenen Beinen, zu deren Rechter eine Sklavin eine ge öff nete Schmuck­ oder Kosmetikkassette in den Hän den hält (Abb. 9). Eine Tür im Hintergrund, wo sich zwei weitere Frauen aufhalten, charakterisiert auch diese Dar stellung als Innenszene.162 Ein Detail des Freskos der Venus und des Mars aus der Casa dell’Amore Punito (VII 2, 23) in Pompeji zeigt vermutlich eine Dienerin, die vor einem Schmuck­ oder Kosmetikkästchen kniet.163

Die Benutzung von Lockenstäben bzw. Brenneisen, die in der Literatur als calamistra bezeichnet werden, konnte archäologisch nur durch Einzelfunde nachge­wiesen werden.164 Andere oder gar Sets von Kos me tik­uten silien sind in der (pompejanischen) Wandmalerei, ob wohl „componente essenziale della vita quotidiana del le donne“, so gut wie gar nicht abgebildet.165 Eine

160 Leider ist keine detailgetreuere Wiedergabe möglich, da nur die im PPM abgebildete Zeichnung zur Verfügung stand; eine nur sehr schemenhafte Umzeichnung nach W. Helbig ist bei S. Reinach, Répertoire de Peintures Grecques et Ro­maines (Paris 1922) 266 Abb. 4 zu finden.

161 Berg 2007, 293 f.162 Ibid., 293. Zu ikonografischen Parallelen auf attischen Va­

sen vgl. ibid., 294.163 Das aus der Casa del Meleagro stammende Fresko ist zer­

stört, weshalb nur noch die Umzeichnung existiert (Hodske 2007, 277).

164 Vgl. z. B. die Umzeichnung eines calamistrum ohne Hin­weis auf dessen Fundort bei C. Avvisati, Pompei. Mestieri e Botthege 2000 Anni Fa (Rom 2003) 19 Abb. 5. Zum Bren­nen der Haare vgl. z. B. Ov. am. 1,14,37 f.

165 Sets von Kosmetikartikeln wurden – mit Ausnahme zweier Darstellungen von Achill und Hermaphroditus – gar nicht ab­

Aus nah me bildet ein Fresko aus dem cubiculum E des rö mi schen Hauses unter der Villa Farnesina in Rom, das eine sitzende Frau mit einem alabastron in ihrer ausge­streck ten linken Hand zeigt, in das sie mit der Rechten eine Flüs sig keit aus einem aryballos füllt (Abb. 10).166 Das Fresko eines Kammergrabes in Morlupo zeigt ein Kos me tik set, bestehend aus vier unguentaria und drei Son den, die in einem großen, dreifüßigen Glasbehälter un ter gebracht sind.167

Auf Grabreliefs von Frauen wurden Sets mehrerer Kos me tik utensilien dagegen häufig dargestellt: Ein zum Fri sieren verwendeter Kamm ist, zusammen mit an de­ren Utensilien, auf dem Grabrelief des Publi us Fer ra ri­us Hermes zu sehen (Abb. 11). Unter der Grab in schrift wird das Bildfeld von einem Lineal zweigeteilt, so dass dem Grabherren Arbeitsgeräte wie Win kel maß, Lot und Drechsel, seinen beiden Ehefrauen dagegen Spie­gel, Haarnadel (?), Kamm, Nähnadel, un guen ta ri um und sandalenartige Schuhe zugeordnet sind.168 Ähn lich

gebildet, wohingegen sie auf griechischen Vasenbildern, auch als Statussymbole, vielfach dargestellt sind (Berg 2007, 298).

166 Zwei weitere Beispiele von unguentaria entstammen, wie ein Großteil der Darstellungen von Wassergefäßen in der pompejanischen Wandmalerei auch, dem Kontext sakraler Szenen (ibid., 297).

167 Naumann­Steckner a. o. (Anm. 143) 28 Abb. 7. Die Ähn­lichkeit mit zwei anderen Darstellungen aus dem sog. Mas­kenzimmer im Haus der Livia auf dem Palatin und dem Korridor G des Hauses unter der Villa Farnesina könnte eine gemeinsame Vorlage, möglicherweise eine „Musterbuch­ Zeichnung“ nahelegen (ibid., 28–29).

168 H. Matthäus, Untersuchungen zu Geräte­ und Werkzeugfor­men aus der Umgebung von Pompeji, BerRGK 65, 1984, 92. Wyke sieht in der Nähnadel, die eindeutig anhand ihres Nadelöhrs identifizierbar ist, ein „curling iron“ (Wyke 1994, 142); für die oben mit Fragezeichen versehene Haarnadel schlägt Shumka 2008, 179 f. eine Deutung als Stilus vor –

Abb. 9 Wand bild aus der Casa di Epidio Sabino. Zeichnung der Autorin (nach Hodske 2007, Taf. 195 Abb. 3)

Abb. 10 Fresko aus dem rö mi schen Haus unter der Villa Farnesina. Zeichnung der Autorin (nach S. T. A. M. Mols – E. M. Moormann, La

Villa della Farnesina. Le Pitture (Mailand 2008) 49 Abb. 49)

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aufgebaut ist ein, allerdings dem 3. Jh. n. Chr. ent stam­mendes, Grabrelief aus Dorylaion, das auf der lin ken Seite ein Diptychon mit Behälter, einen Schloss kas ten mit Schlüssel, ein Thermenbesteck, eine men sa tri pes mit Tafelgeschirr und ein Gefäß (Krater?) als männ liche, rechter Hand unguentaria, ebenfalls einen Schloss kas­ten mit Schlüssel, Spinngerät, einen Hand spie gel, eine ala bas tro theca zur Aufbewahrung von Par füm fläsch­chen sowie ein Paar Sandalen zeigt (Abb. 12).169 Die Ob jek te sind durch die architektonische Glie de rung des Tür steins getrennt; im Spitzgiebel sind links Schrift rol­len und eine Kalamothek sowie rechts Kamm, Woll korb und unguentarium abgebildet.170 Grund sätz lich ist auf

eine Kombination von Kosmetikartikeln mit Schreibgeräten findet jedoch auf Grabreliefs keine Parallelen.

169 Waelkens 1986, Kat. Nr. 332. Dazu auch Fantham u. a. 1994, 370. Boymel Kampen 1996, 22.

170 Weiterführendes zur Gattung der phrygischen Grabreliefs vgl. bei M. Waelkens, Phrygian Votive and Tombstones as Sour ces of the Social and Economic Life in Roman Anti qui­

Grab re liefs von Ehepaaren, die ge schlechts spe zifische At tri bute aufführen, den Frauen stets ein Ka non von Ob­jek ten des mundus muliebris zu ge ord net, während für die Männer, je nach Beruf, eine Viel zahl ver schiedener Werk zeu ge belegt ist. L. Shumka zählt ins ge samt 35, zum Groß teil aus Italien stammende, Re lief dar stel lun­gen von Toi let ten utensilien, die zu im CIL publizierten Grab in schrif ten gehören.171 So zeigt die Grab­Ara der Pop pae dia Secunda und ihrer Toch ter in Ortono auf der An sichts seite mit Inschrift ein Paar Sandalen, ein Auf­be wah rungs kästchen mit vier Par füm fläschchen und auf den beiden seitlichen Bild flä chen einen runden Klapp­spiegel in einem Etui, ein Hen kel fläsch chen und ein un-guentarium sowie einen Schirm mit zwei weiteren un-guentaria und einem Kamm (Abb. 13).172 In allen drei hier einzeln auf ge führ ten Bei spie len bereichert ein Paar sandalenartiger Schu he die Darstellung der Kos me tik­sets;173 möglicherweise ver wei sen sie als pars pro toto auf die Kleidung, d. h. auf den Vorgang des An klei dens im Rahmen der mor gend li chen Körper­ und Schön heits­pflege. Shum ka deutet die Schuhe allerdings als Haus­schu he, die zwar auch in den Thermen getragen werden konnten, aber v. a. Häus lichkeit symbolisierten.174 Da

ty, Ancient Society 8, 1977, 277–315. Die kleinasiatischen Tür steine enthalten in sehr großer Zahl Darstellungen von Kos me tik sets (vgl. z. B. Waelkens 1986, Taf. 11 Abb. 214. Taf. 42 Abb. 276. Taf. 47 Abb. 330. Taf. 49 Abb. 336. 357. Taf. 50 Abb. 337. 338. 347). Für einzelne Beispiele von Kosmetik sets aus den Westprovinzen vgl. z. B. W. Boppert, Zivile Grab steine aus Mainz und Umgebung, CSIR II,6 (Bonn 1992) 82 f., Taf. 25. Zu zwei Grab­Aren aus Durazzo (Albanien) vgl. Goethert 1989, 283.

171 Shumka 2008, 178. Eine Reihe von Grabreliefs mit Darstel­lungen von Gegenständen des mundus muliebris aus Alba Fucens ist bei M. Buoncuore, Monumenti Funerari Romani con Decorazione ad Alba Fucens, MEFRA 1982, 715–741 publiziert.

172 Shumka 2008, 180. Zu Schirmen, die auch in der römischen Literatur als Sonnenschutz erwähnt werden, vgl. Croom 1992, 107–108.

173 Manche weiblichen Porträtstatuen tragen diese Schuhform (dazu Croom 2002, 109).

174 Shumka 2008, 181. 186.

Abb. 12 Grabrelief aus Dorylaion. Zeichnung der Autorin (nach Fantham u. a. 1994, 371 Abb. 13, 7)

Abb. 11 Grabrelief des Publi us Fer rarius Hermes. Zeichnung der Autorin (nach H. Matthäus, Untersuchungen zu Geräte­ und Werk zeug­formen aus der Umgebung von Pompeji, BerRGK 65, 1984, 91 Abb. 15)

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das Ent blö ßen der Knöchel und Füße als unschicklich galt, ist Shum kas In ter pretation insofern überzeugend, als sie diese Art von Schuhen – die doch wenig verber­gen konnten – in Kontexten sieht, in denen das Zeigen nack ter Füße erlaubt war.175 Waelkens postuliert für das Schuh motiv eine Entstehung in Dorylaion, wo es sich be son de rer Be liebt heit erfreute und manchmal auch für Män ner grä ber verwendet wurde; allerdings stammen viele Bei spie le erst aus dem 2.–3. Jh. n. Chr.176

Wyke äußert die Vermutung, dass die Sets von Toi­let ten utensilien den Beruf der Verstorbenen anzeigten, während die Frisierszenen statusspezifische Dar stel­lun gen wohlhabender matronae seien.177 Zwar scheint ihre Argumentation für die Frisierszenen zumindest aufgrund der artikulierten Hierarchie von Herrin und Die ne rin(nen) überzeugend, doch lassen sich die Dar­stel lungen der Objekte des mundus muliebris nicht anhand zugehöriger Inschriften als Berufsbilder von or na tri ces belegen.178 Zudem kann die zahlenmäßige Kon zen tra tion von Grabreliefs mit Toilettenutensilien in Klein asien wohl kaum als Ausweis eines Über an­ge bots von or na tri ces in diesem Teil des römischen Reichs gedeutet werden. Vielmehr scheinen die Gren­zen zwischen dem Ideal häuslicher Arbeit und au ßer­häus lichen, be rufl i chen Tätigkeiten grundsätzlich in den Dar stel lun gen von Frauen zu verschwimmen.179 T. Derks und W. De Vos argumentieren deswegen mit re gio nalen Un ter schie den, da die Einzelobjekte ver­mehrt auf klein asia ti schen Grabreliefs, die „daily life

175 Vgl. dazu Lynn Sebesta 1998, 113.176 Waelkens 1986, 133.177 Wyke 1994, 142. 178 Es ist nur ein Beispiel bekannt, in dem eine zu den darge­

stellten Kosmetikartikeln gehörende Inschrift einer ornatrix vorhanden ist (Shumka 2008, 185).

179 S. dazu u. (in diesem Abschnitt).

scenes“ dagegen häufiger im Westen des römischen Im periums vorkämen.180

Die in den bisherigen Beispielen bildlich dargestell­ten Kos me tik artikel tauchen, zusammen mit Tex til ar­beits gerät und/oder Schmuck, auch als Realia häufig in Grä bern auf, wie z. B. in einem Grab nördlich von Rom, das 16–17 n. Chr. datiert und zwei Handspiegel, drei Salb ge fä ße aus Achat und Bergkristall, eine Pyxis aus Berg kris tall, drei Alabasterschalen mit Reibstein, ein bei ner nes Kästchen mit Schiebedeckel, zwei Sonden und eine beinerne Fingerkunkel enthielt.181 Zu den Fun­den aus diesem Grab gehören auch vier Goldringe, zwei ­diademe und ein ­haarnetz(?), eine Schmuck schei be, verschiedene Perlen und Amulette, silberne Mi ni a tur­gefäße sowie Schreibgerät und Spielsteine.182 Ein Frau­

180 T. Derks – W. Vos, Wooden Combs from the Roman Fort at Vechten. The Bodily Appearance of Soldiers, Journal of Ar­chaeology in the Low Countries 2­2, 2010, 53–77, dav. 62.

181 Kaeser 1978, 188 f. Kat. Nr. 266–279. 194 Kat. Nr. 303. Die Datierung beruht auf einem Kupferas aus demselben Fundkontext; der exakte Fundort ist nicht bekannt (ibid., 184. 195). Die Formen der Achat­ und Bergkristallgefäße entsprechen nicht den pompejanischen unguentaria, den­noch identifizieren Größe und Beifunde sie als Salbgefäße. B. Kaeser betitelt die Fingerkunkel fälschlicherweise als Sonde; bei der Fingerkunkel handelt es sich um eine Vari­ante des Spinnrockens, die mit einem Ring versehen ist, um der Spinnerin das Festhalten des Spinngeräts zu erleichtern. Vgl. zwei vollständig erhaltene Objekte aus dem 6 Jh. n. Chr. (M. Cremer, Antike Spinnrocken, Boreas 19, 1996, 241−246, dav. Taf. 25, 2. 3). M. Cremer konstatiert eine häu­fige Fehlinterpretation von Fingerkunkeln als Haarnadeln oder Kosmetikutensilien (ibid., 242).

182 Kaeser 1978, 184–187 Kat. Nr. 241–265. 190–193 Kat. Nr. 280–302. Kaeser schließt aufgrund der geringen Größe ei­nes der Ringe aus dem Grab auf ein junges Mädchen, das offenbar – wie die reichen Beigaben zeigen – aus wohlha­bender Familie stammte (ibid., 195). Zu der geschlechtsspe­zifischen Zuweisung von Gräbern aufgrund ihrer Beigaben

Abb. 13 Grab­Ara der Poppaedia Secunda. Zeichnung der Autorin (nach Shumka 2008, Abb. 8, 2–8, 4)

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en grab in Alba aus der Mitte des 1. Jh. n. Chr. barg u. a. drei verschiedenförmige unguentaria, eine Son de, ei­nen Spiegel, eine Spindel, einen Spinnrocken und zwei ­wirtel.183 Spiegel, Kämme und Kästchen waren, z. T. in Kombination, häufig Beigaben weiblicher Be stat te­ter im römischen Britannien und Ausweis von „Ro man gendered elite identities“, während andere Kos me tik ob­jekte wie z. B. Pinzetten, v. a. wenn sie als Ein zel funde in anderen Kontexten auftreten, nicht ge schlechts spe zi­fisch seien, so Swift.184

Auch junge Mädchen sollten bereits an die tägliche Prozedur ihrer Körper­ und Schönheitspflege her an ge­führt werden;185 so enthielt das Grab der jungen Cre­pe reia Tryphaena aus Rom außer Goldschmuck, Spiel­stei nen, Schreibgerät und einem Spinnrocken mit Spin­del auch eine elfenbeinerne Puppe mit beweglichen Glie dern. Das kleine Ebenbild seiner Besitzerin besaß sein eigenes Kosmetikset: Ein Elfenbein­Kästchen, des­sen 0,6 cm großen Schlüssel die Puppe an einem Ring trug, enthielt zwei Kämme und einen Silberspiegel in Mi nia turform.186 Puppen brachten den Mädchen nicht

s. u. Anm. 184.183 Rottloff a. o. (Anm. 115) 54–55 Abb. 26a. b. Für genaue

Beschreibungen der insg. 26 Beigaben des Grabes 1 aus dem „Complesso E” vgl. F. Filippi, Necropoli di Età Romana in Regione San Cassiano di Alba. Indagine Archeologica negli Anni 1979–1981, Quaderni della Soprintendenza Archeolo­gica del Piemonte 1, 1982, 1–50, dav. 30–33.

184 Auch eine geschlechtsspezifische Einordnung von unguen-taria als weibliche Attribute ist umstritten (Swift 2011, 208). Zudem gibt es immer wieder Ausnahmefunde, die den anti­ken Rollenbildern – bzw. den hier erläuterten typischen ge­schlechtsspezifischen Attributen – konträr entgegenstehen: So wurden vermeintlich weibliche Fibeltypen auch verein­zelt in Männergräbern Germaniens gefunden (Allison 2006, 5). Vgl. auch F. Crowe, Women, Burial Data and Issues of Inclusion, in: S. Dixon (Hg.), Childhood, Class and Kin in the Roman World (London – New York 2001) 122–162, dav. 158 über ein Gräberfeld, dessen Beigaben keine klare Kor­relation mit Geschlecht und Alter der Bestatteten aufwiesen. Auch wenn Objekte des mundus muliebris überwiegend als Grabbeigaben von Frauen fungierten, ist deshalb immer auch die anthropologische Analyse der sterblichen Über­reste notwendig; dennoch finden sich folgende und ähn­liche Formulierungen immer wieder in archäologischen Publikationen: „Die Beigaben lassen die Vermutung zu, dass der Tote weiblichen Geschlechts war“ (Goethert 1989, 278) und „die Beigaben – drei Fibeln und Kästchen – deuten auf ein weibliches Individuum hin“ (R. Cordie­Hackenberg, Ein Mädchengrab des 2. Jh. n. Chr. Grab 2255, in: Haffner a. o. (Anm. 151) 327–340, dav. 333).

185 Shumka 2008, 174. So waren auch manche ornatrices noch im Mädchenalter (vgl. Günther 1987, 52).

186 D’Ambra 2009, 29–30 Abb. 7–8. Für Abbildungen des voll­ständigen Grabinventars vgl. A. Bedini (Hg.), Mistero di una Fanciulla. Ori e Goielli della Roma di Marco Aurelio da una Scoperta Archeologica. Ausstellungskatalog Rom (Mai­land 1995) 68 Abb. 33. 72 Abb. 40–47. Der Kopf der Puppe mutet mit seiner fein elaborierten Frisur porträthaft an. Das Grab datiert in die Mitte des 2. Jh. n. Chr. (D’Ambra 2009, 38). Vgl. auch die Auflistung von 13 Mädchengräbern mit Puppen und/oder crepundia aus dem 1.–5. Jh. n. Chr. (Mar­tin­Kilcher 2008, 64 Taf. 7,1). Sieben dieser 13 Gräber ent­hiel ten Puppen; anders als im Falle der Crepereia Try phae­na tauchen Beigaben von Miniaturgegenständen in acht der Gräber zum Großteil nicht zusammen mit Puppen auf und werden deshalb nicht als Spielzeuge, sondern als apotropäi­sche crepundia gedeutet (ibid., 66 f.). Weitere Beigaben be­standen aus Goldschmuck, fünf Gräber bargen Spiegel, vier Spinngerät, und in sechs Fällen ist ein Kästchen beigelegt.

nur spielerisch die Tätigkeiten der Morgentoilette nahe, sondern konnten auch als optische Vorbilder dienen.187 J. Lynn Sebesta versteht Kopf­ und Gesichtshaar heran­wachsender Römerinnen und Römer als Metonym für die sexuelle Reife der Geschlechtsorgane, die in Por­trät dar stellungen nicht gezeigt werden konnten. Über­gangs rituale, die das Schneiden oder Frisieren des Bar­tes junger Männer und der Haare junger Frauen be in hal­teten, hätten somit sexuelle Reife und die Be reit schaft zum Eintritt in das Erwachsenenleben symbolisiert.188 Viele der Puppen, die in Mädchengräbern wie dem der Cry pereia Tryphaena gefunden wurden, besaßen das Aus se hen erwachsener – d. h. körperlich voll aus ge bil­de ter und frisierter – Frauen und hätten ihre Be sit ze rin­nen somit an die für sie vorgesehene Rolle heranführen kön nen bzw. zeigten die Verstorbenen als die Frau­en, die sie einmal hätten werden sollen.189 D’Ambra hat sowohl für Grabreliefs als auch die Mehr zahl von ­bei gaben gezeigt, dass Mädchen häufig schon als Zu­kunfts produkt dargestellt wurden; viele Mäd chen grä ber be in halten deshalb überhaupt keine alters spe zi fi schen Ob jek te, sondern Schmuck, Kos me tik artikel und Tex­til ar beits gerät, wie man sie auch den Gräbern er wach­se ner Frauen beilegte.190

Schmuckstücke und Kosmetikartikel konnten auch selbst Medium der Darstellung von Frauenfiguren oder Toilettenszenen sein, wie z. B. im Falle von Haarnadeln, deren Enden als Frauenkörper oder ­porträts gestaltet waren.191 Diese Objekte waren insofern selbst re fe ren­ziell, als sie Frauen mit Frisuren zeigten, die unter Ein­satz der Haarnadel entstehen sollten.192 Auch Spie gel und Schmuck­ oder Kosmetikkästchen waren Bild trä­ger des mundus muliebris; so zeigt das zen tra le Feld auf dem Deckel eines silberbeschlagenen Käst chens, das ins 4. oder 5. Jh. n. Chr. datiert und auf dem Es­qui lin mitsamt seines Inhaltes aus 61 Objekten – da­runter auch Schmuckstücken und Kosmetikartikeln – gefunden wurde, das zukünftige(?) Ehepaar Secundus und Pro jec ta.193 Auf einer Längsseite des Kästchens wird Projecta mit Venus parallelisiert: Während auf dem Deckel Venus von Eroten und Meereswesen einen Spiegel und ein Schmink­ oder Schmuckkästchen dar ge­bo ten bekommt, wird die Sterbliche auf dem Unterbau von Skla vin nen flankiert, die ihr Spiegel und Kästchen rei chen.194 Die Verschönerung des weiblichen Körpers

187 D’Ambra 2009, 28.188 Lynn Sebesta 1998, 109.189 D’Ambra 2009, 16. Von acht Puppen aus Gräbern, die Mar­

tin­Kilcher ausgewertet hat, stellen alle erwachsene Frauen dar (Martin­Kilcher 2008, 66). Eines der Gräber ist das einer Vestalin, die anderen sind Mädchengräber.

190 D’Ambra 2009, 16.191 Wyke 1994, 144. Vgl. z. B. Swift 2011, 200 Abb. 37.192 Swift 2011, 208.193 Shumka 2008, 184. Wyke 1994, 143 f. m. Taf. 3. Zur Datie­

rung des Kästchens ins 5. Jh. n. Chr. vgl. unlängst Y. Petrina, Damaskus’ Proiecta oder eine andere? Ornamentik auf dem Proiecta­Kästchen, in: A. Bosselmann­Ruickbie – Y. Petrina (Hgg.), Ornamentik in Spätantike und Byzanz, München 20. Juli 2012 (in Vorbereitung). Der verwendete Kreuzblüten­rapport erscheint demnach erstmals auf Silberarbeiten des 5. Jhs. (Taprain Law, Sevso­Schatz).

194 Für bibliografische Hinweise zur Interpretation des Projec­ta­Kästchens vgl. Swift 2009, 128 Anm. 81.

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kann mit der kunstvollen Herstellung des Kästchens, auf dem sie Bildthema ist, assoziiert werden; die Kreation der Ide al vorstellung des weiblichen Körpers wie die Ge stal tung des Kästchens lagen in der Hand des (wohl männ li chen) Herstellers. In der von Wyke so benannten „rhe to ric of adornment“ konnte der weibliche Körper selbst zum Dekor eines Artefakts und gleichzeitig eben­so Lu xus objekt wie das Kästchen oder der Spiegel wer­den, den er schmückte.195 In ähnlicher Weise verfuhr Ovid in seinen Texten, indem er dasselbe Vokabular für die Ver schönerung des Körpers und das Formulieren von Texten verwendete; der weibliche Körper, der da­bei gleichzeitig Objekt der Fiktion Ovids war, und die Poe sie sind Produkt seines künstlerischen Schaffens. In positiver Weise wird der weibliche Körper hier zum Ob jekt und Medium der künstlerischen Fähigkeiten des männ lichen Autors.196

Die Benutzung von Parfümen und Ölen, das Trim­men und Rasieren des Bartes, Haareschneiden und Ma­ni kü re waren auch für Männer Praktiken, welche die Ro ma nitas ausmachten und ebenso zum in den Thermen an ge botenen Service gehörten – ideologisch jedoch war die Schön heitspflege mit ihren Utensilien eindeutig weib lich konnotiert, weshalb Kosmetika ausschließlich auf den Reliefs oder als Beigaben von Frauengräbern in Er scheinung treten.197 Bildlich nicht belegt, wurde die Benutzung von Kosmetika durch Männer in den li te ra rischen Quellen lediglich als Diffamierung darge­stellt. So stellt z. B. Cassius Dio Marcus Tullius Cicero als Nutzer von Kosmetika bloß, der mehr Parfüm als Wein verbrauche, während Marcus Antonius ein „un­ge bil deter, nackter, nach Salben duftender Mann“ sei.198 Ci ce ro selbst verspottet einige Zeitgenossen, die „von Sal ben glänzend“ in den Senat gingen, anstatt im Heer zu kämpfen.199 Ovid warnt die Frauen vor Männern, die eine solch exzessive Schönheitspflege betrieben, dass sie mehr Männer eroberten als es mancher Frau ge­linge.200 Nur in Ausnahmesituationen, wie beim Schnei­den des ersten Bartes, wurde die männliche Kör per pfle­ge zum Ritual.201 Die Textbeispiele belegen ansonsten die negative Konnotation übertriebener Kör per pflege als Ausdruck von effeminatio.202

195 Wyke 1994, 144. Ein weiteres Schmink­ und Schmuckkäst­chen aus Herculaneum zeigt in Elfenbeinplatten reliefierte Karyatiden und enthielt Kosmetikartikel, Schmuck und Textilgerät (Asskamp u. a. 2007, 273 Kat. Nr. 8, 14). Ein Holzkästchen aus Callatis in der Provinz Moesia Inferior barg zwei Pyxiden (Shumka 2008, 183). Zu Schmuck­ und Kosmetikkästchen des 4.–3. Jh. v. Chr. aus Palestrina, auf denen häufig Bade­ und Toiletteszenen abgebildet sind, vgl. G. Först, Die Gravierungen der praenestinischen Cisten (Rom 1978). Zu Beispielen von Funden hölzerner Pyxiden, die z. T. Sets von Nähnadeln enthielten, vgl. Q. Mould, Do­mestic Life, in: L. Allason­Jones (Hg.), Artefacts in Roman Britain. Their Purpose and Use (Cambridge 2011) 153–179, dav. 174.

196 Wyke 1994, 145 f.197 Shumka 2008, 174.198 De Tommaso 1990, 5–6. Cass. Dio 46,18,1–2 (Übers. O.

Veh).199 Cic. Catil. 2,5 (Übers. D. Klose). Vgl. auch Sen. nat. 1,17,10.200 Ov.ars 3,433–438. Vgl. auch Wyke 1994, 137.201 Wyke 1994, 142.202 Weitere Beispiele: Plaut. Curc. 4,4, 576­580. Sen. contr. 1

praef. 8–9 (dazu Wyke 1994, 137). Mart. 9,27 über einen

III.2 Textilarbeit als weibliche „Ur-Tugend“Die Wollarbeit wird in römischen Text­ und Bildquellen als Ausweis weiblicher Häuslichkeit und Tugend darge­stellt, konnte jedoch schon seit prähistorischer Zeit als Arbeitsbereich der Frauen gelten.203 Von Penelope, die am Webstuhl auf die Rückkehr des Odysseus wartete, über Lucretia bis hin zu den wollspinnenden Frauen, die in Richard Wagners „Der fliegende Holländer“ auf die Rückkehr der Matrosen warten, kennzeichnete der Topos der Textilarbeit die treue und loyale Ehefrau.204 In Ovids amores ruft Aurora früh morgens „die spin­nende Hand“ zu den feminei labores, die auf eine lange Liste männlicher Tätigkeiten des Wanderers, Soldaten, Bauern, Knaben, Bürgen, Rechtsgelehrten und Anwalts folgen.205 Auch Musonius Rufus sieht das Spinnen und Weben als weiblichen Zuständigkeitsbereich an, wobei die Arbeitsteilung sich unter besonderen Umständen durchaus ändern könne.206 Nur Lukrez beschreibt die Wollarbeit als ursprüngliche Männerarbeit: Zunächst hätten Männer, weil sie den Frauen an Wissen und Geschicklichkeit überlegen seien, die Wollarbeit (lanam

gewissen Chrestus, der Genitalien, Beine, Kopf und Gesicht mit der Pinzette enthaare und jedem Athleten nachstelle; bei Ovid wird dem Mann davon abgeraten, sich durch Lo­ckendrehen und Hautpflege übertrieben zurechtzumachen; es reiche, wenn Bart­ und Nasenhaare und Fingernägel entsprechend gestutzt seien. Darüber hinaus sei die Schön­heitspflege dem weiblichen Geschlecht zu überlassen (Ov. ars 1,505–523). Die effeminatio der Männer, in einem weite­ren Sinn, wurde auch als Negativresultat von Frauen darge­stellt, die die Geschlechtergrenzen überschritten, sich z. B. männlicher Angelegenheiten annahmen; d. h. je männlicher eine Frau handelte, als desto effeminierter wurde ihr Mann verspottet (Milnor 2011, 615). Zum Begriff der effeminatio vgl. knapp, aber mit Verweisen auf grundlegende Abhand­lungen: T. Stickler, Der Vorwurf der Effemination als politi­sches Kampfinstrument in der Spätantike, in: Hartmann u. a. 2007, 277–296, dav. 277.

203 Larsson Lovén 2002, 7. Auch in vielen modernen Gesell­schaften ist die Textilarbeit, v. a. das Nähen und Sticken, fester Bestandteil des Alltags und Rollenverständnisses von Frauen (C. A. Cerny, Quilted Apparel and Gender Identi­ty. An American Case­Study, in: R. Barnes – J. B. Eicher (Hgg.), Dress and Gender. Making and Meaning 2 (Oxford – New York 1997) 106–120, dav. 107 mit weiteren biblio­grafischen Angaben). Nur bei den Etruskern spielten – laut Hallett – Haus­ und Wollarbeit keine Rolle in der Konstruk­tion von Weiblichkeit (Hallett 1982, 19); vgl. dagegen Cotti­ca 2007, 221 über das Spinnen als Statusmarker etruskischer Aristokratinnen.

204 Neben Penelope waren auch die Charaktere der Circe, Arachne und der drei Moiren in der griechischen Mytholo­gie mit den Tätigkeiten des Spinnens und Webens verbun­den (Larsson Lovén 2002, 140 Anm. 555 mit bibliografi­schen Hinweisen zu griechischen Frauen und Textilarbeit); auch Athena, Aphrodite und Artemis wurden mit Attributen der Textilarbeit dargestellt (Cottica 2007, 222 m. Abb. 36.3). Ein Fresko aus dem Haus VIII 2,39 in Pompeji zeigt Leda – den Schwan auf dem Arm –, die sich in dem durch einen Hocker charakterisierten Hausinneren befindet, wo Spindeln und Wolle aus einem Gefäß gerollt sind und am Boden lie­gen (Asskamp u. a. 2007, 277 Kat. Nr. 8, 23). Zur Symbolik des Spinnens in den Mythen um Ariadne, die Nereiden sowie Omphale und Heracles vgl. Cottica 2007, 222. Zu Textilien und Textilarbeiten als Motive auf klassisch­griechischen Vasen vgl. z. B. Reeder 1996, 200–202. Für weitere Text­beispiele zum Spinnen und Weben als Aufgabe griechischer und römischer Frauen vgl. Pomeroy 1985, 308 f.

205 Ov. am. 1,13,23–24 (Übers. M. v. Albrecht).206 Mus. Ruf. 4,20–22. Milnor 2005, 249.

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facere) verrichtet, bis sie von ihren Geschlechtsgenossen zur körperlich harten Arbeit auf dem Feld überredet worden seien und den Frauen die Wollarbeit überlassen hätten.207 Die Abhandlung kultureller Errungenschaften – darunter Ackerbau, Kriegswesen und Textilarbeit – im fünf ten Buch der Atomlehre des Lukrez gesteht keine der neuen Techniken weiblichen Entwicklern zu. Der Epi kureer spricht der Frau somit sowohl die in tel lek tu­el len Kapazitäten technischer Entwicklungen als auch die für die Feldarbeit notwendige körperliche Be last­bar keit ab. Dennoch erstaunt, dass der Autor, indem er die Tex til arbeit als ars bezeichnet, Frauen zumindest im pli zit die Fähigkeit des Erlernens eines (Kunst­)Hand werks zuspricht.208

Als römisches Pendant zu Penelope spann Lucretia, Frau des Collatinus, nach einer Schilderung des Livius noch nachts mit ihren Sklavinnen Wolle; im Wettbewerb der Männer, wer die beste Ehefrau habe, ritten alle nach Rom und fanden Lucretia „in medio aedium“ bei der Wollarbeit vor, während sich die Gattinnen der übrigen Mitstreiter beim Gastmahl vergnügten.209 Die Szene ist zugespitzt, weil einerseits Lucretia unter Sklavinnen und selbst mitten in der Nacht spinnt und andererseits ihre Konkurrentinnen auch noch Wein konsumieren, der doch Frauen traditionell verboten war und die Ge­gen überstellung noch drastischer habe wirken lassen, so Dixon.210 Lucretias Schönheit, aber v. a. ihre in der Woll ar beit sich zeigende Keuschheit, Treue und Un­er reich barkeit sind es, die das sexuelle Verlangen des Sex tus Tar qui nius wecken;211 immer wieder taucht in Ovids Ver sion der Anekdote ihr Bild vor seinem inne­ren Auge auf: „So saß sie da, ja und so war sie angezo­gen, die Fäden spann sie so, ja und so fiel in den Nacken ihr Haar“.212 Ovid verortet das Textilarbeitsgerät „ante to rum”, was wiederum auf die nächtliche Aktivität und den außerordentlichen häuslichen Fleiß Lucretias hin­

207 Lucr. 5,1354–1358: „Eher zwang die Natur die Männer, Wol­le zu spinnen als der Frauen Geschlecht – ist weit überlegen in Künsten und um vieles geschickter der Männer ganzes Geschlecht doch –, bis es die strengen Besteller des Felds als Verweichlichung ansahn, sodass den Händen der Frauen sie dies überlassen gern wollten“ (Übers. K. Büchner).

208 Vgl. G. Nugent, Mater Matters. The Female in Lucretius’ De Rerum Natura, Colby Quarterly 30, 1994, 179–205, dav. 201. Lukrez’ Argumentation ist ohnehin nicht ganz lupen­rein, setzt sie doch von Anfang eine Arbeitsteilung voraus, in deren Rahmen die Feldarbeit schon immer Männersache war – die „strengen Besteller des Feldes“ hätten dann die­je ni gen Männer, die in der Textilarbeit tätig waren, zum Wech sel überredet; den Frauen fiel nach dieser Logik an­fangs überhaupt keine (handwerkliche) Arbeit zu. Zur Ver­wendung des Begriffes ars in Bezug auf bestimmte Berufe oder Tätigkeiten vgl. Ei chen auer 1988, 16 f. Der verwandte Ter mi nus artificium wurde auch abwertend, zur Beschrei­bung von aus Sicht der römischen Oberschicht niederen Ar­beiten verwendet (ibid., 17–20).

209 Liv. 1,57,9. Dixon 2001, 44. Larsson Lovén 2002, 9. Für weitere Erwähnungen der Lucretia als ideale matrona in den literarischen Quellen vgl. Höbenreich – Rizzelli 2003, 295 Anm. 240. 296.

210 Dixon 2001, 46: „Lucretia was the embodyment of the prime virtues of the Roman matron“. Vgl. auch Larsson Lovén 2002, 83. Höbenreich – Rizzelli 2003, 295. Milnor 2011, 616–617. Für Textbelege zum Weinverbot für Frauen vgl. Marquardt 1964, 59 Anm. 10; Pomeroy 1985, 234 f.

211 Liv. 1,57,11.212 Ov. fast. 2,771 f. (Übers. N. Holzberg).

weist und gleichzeitig die Wollarbeit mit dem Bett als Sym bol ehelicher Treue verbindet.213 Sie habe außerdem ihre Skla vin nen zur Eile getrieben, damit der Mantel für ihren Ehe mann, der gerade in Arbeit war, vor dessen Rück kehr fertig werde.214 Lucretia war das mythisch­his to rische Paradebeispiel der tugendhaften Römerin am Über gang zur Republik, die Wollarbeit wurde zum To pos, auf den man noch Jahrhunderte rekurrierte.215

Auch im Rahmen der Hochzeitsvorbereitung spiel te tra di tio nell der Einsatz von Wolle für symbolische Zwe­cke eine Rolle: Während der Zeremonie der de duc tio, welche die zukünftige Ehefrau zum Haus ihres Man nes führte, wurden Spindeln und Spinnrocken mit ge führt;216 laut Plinius d. J., der Wolle zu den res praecipuae zählt, be rühr ten bei den „alten Römern“ (veteri Romani) Frisch­ver mähl te die Türpfosten ihres gemeinsamen Heims mit Wol le.217 Die zukünftige matrona musste au ßer dem tra di tio nell die wollene tunica recta und das re ti cu lum, das Haar netz, selbst weben; der kom pli zier te Kno ten, mit dem die Tunika vom cingulum zu sam men ge hal ten wurde, durfte in der Hochzeitsnacht nur von dem Ehe­mann gelöst werden.218 Indem sie ihre Fä hig keiten im Weben unter Beweis stellte, zeigte die Braut sich ihrer zu künf ti gen Rolle als custos domi, als Hü te rin des Hau­ses, würdig. Die Klei dungs stücke schüt zten und ver­bar gen darüber hinaus ihren Körper und symbo li sier ten somit Keusch heit und eheliche Treue.219 Offen bar war nicht nur die eigenständige Her stel lung der Tex ti lien von Bedeutung, sondern auch die Ver wen dung von Wol le als Material, aus der tradi tio nell auch die Tracht der Ma tro ne hergestellt war.220 Die zur Bekleidung der matrona ge­hörenden vittae, wol le ne Haarbänder, signalisierten die „Bindung“ der Frau an ihren Ehemann und wurden auch in sakralen Kon tex ten verwendet, um z. B. die Un an tast­bar keit be stimm ter Tiere, Bäume etc. anzuzeigen.221

Diese traditionellen Darstellungen werden von Ju ve­nal kontrastiert, der in seiner sechsten Satire die treu­lo sen und verwöhnten Frauen seiner Zeit aufs Korn nimmt, wohingegen die latinischen Frauen der Frühzeit („quon dam“) bei wenig Schlaf, vieler Arbeit, die ihre Hän de von der Wolle rau werden ließ, und kriegerischen

213 „Die hat nun weiche Wolle, in Körbe gefüllt, vor ihrer La­gerstatt stehen“ (ibid. 741–743; Übers. N. Holzberg).

214 Ibid., 744–746.215 Lucretias Fall wurde gleichzeitig zum Negativbeispiel mon­

archischen Machtmissbrauchs durch einen „wicked tyrant“ (Dixon 2001, 47), sie selbst zur politischen Heldin, die den Widerstand gegen die Fremdherrschaft der Etrusker verkör­perte (F. Prescendi, Weiblichkeitsideale in der römischen Republik. Lucretia und die Anfänge der Republik, in: Späth – Wagner­Hasel 2006, 217–227, dav. 220 f.).

216 Cottica 2007, 221. Für weitere Quellenbelege vgl. Mar­quardt 1964, 55 Anm. 4.

217 Plin. nat. 29,30. 218 Lynn Sebesta 1998, 111. Larsson Lovén 2007, 230. Zu ritu­

ellen und alltäglich genutzten Kopfbedeckungen römischer Frauen vgl. E. Fantham, Covering the Head at Rome. Ritual and Gender, in: Edmondson – Keith 2008, 158–171.

219 Lynn Sebesta 1998, 110–111.220 Larsson Lovén 2007, 233 f. Zur Stola und Toga als Hauptbe­

standteile eines „distinctive ‘Roman’ costume” in der augus­teischen Bildsprache vgl. Lynn Sebesta 1998, 107.

221 Lynn Sebesta 1998, 111. Dazu auch Micheli – Santucci 2001, 3.

IdealbIld und lebenswIrklIchkeIt 85

Be dro hun gen weder Zeit noch Gelegenheit für mora­li sche Ver fehlungen gehabt hätten.222 Auch Columella kri ti siert das Luxusleben seiner Zeitgenossinnen im 1. Jh. n. Chr. scharf, die sich weder dem lanificium hin­geben, noch im eigenen Haushalt hergestellte Kleidung tra gen wollten.223 Allerdings sollten zumindest die vili-ca und andere Sklavinnen Textilarbeiten verrichten, da es schließ lich nicht schaden könne, wenn zumindest die Klei dung der Sklaven zu Hause produziert werde und der Haus herr dadurch Geld spare.224 Columellas De re rus ti ca führt die Farm nicht nur als agrar wirt schaft lichen Betrieb, sondern auch als Schauplatz mo ra li scher und ethi scher Recht schaffenheit und als al ter native Le bens­form vor;225 die vilica – und ihr männ liches Ge gen stück, der vi li cus – fungieren als Be wah rer dieser Sphä re und ga ran tieren als Endstücke im 11. und 12. Buch des Wer­kes das Fortbestehen dessen, was in den vor an ge gan ge­nen Büchern so liebevoll erläutert wurde.226 Zwar sind Columellas Schil de run gen des Land le bens nicht ohne Weiteres auf die Le bens ver hält nis se im Stadt haus zu übertragen, doch ist bemerkenswert, dass die Rol len ver­teilung – d. h. die Trennung von Män ner ar beit au ßerhalb und Frauen ar beit innerhalb des Hauses, wobei letz tere auch die Woll ar beit miteinschließt – dieselbe ist.227

Entgegen den Schilderungen Columellas und Ju ve­nals über die Verweigerungshaltung ihrer Zeit ge nos sin ­nen werden die in den Elegien des Properz und Ti bull Angebeteten, Cynthia und Delia, beim Weben und Spin­nen beschrieben.228 Augustus soll, laut Sueton, bevorzugt im eigenen Haushalt hergestellte Kleidung getragen und darauf bestanden haben, dass die Frauen seiner Familie Spinnen und Weben lernten.229 Auch bei Pro perz wird dem Topos der Wollarbeit ein praktischer Sinn bei ge mes­sen; er schildert die Textilarbeit der Ehe frau zur Her stel­lung von militärischer Ausrüstung der Sol daten.230 Ein­zig Ovid beklagt sich über diejenigen Frauen, die selbst beim Liebesspiel noch an die Woll arbeit denken, wohl weil die in diesen Gedanken sich äu ßernde Keusch heit und Zurückhaltung mancher Frau en der vom ele gi schen Erzähler gewünschten se xu el len Eks tase kon trär ent ge­gen stehen.231 Das Spin nen und We ben wurde noch in der Kaiserzeit unter Rück be sin nung auf die Früh zeit Roms als Zeichen weib li cher Tu gend und als nütz li cher Bei­trag zum Haus halt dar ge stellt. Suetons Schil de rung mag eher dem au gus te ischen Rückbezug auf tradi tio nel le rö­mi sche Tu gen den gegolten haben, doch ist vor stell bar, dass die Frauen des Kai ser hau ses, nicht nur iko no gra­fisch, wie in der Bild nis re prä sen ta tion deutlich wird,

222 Juv. 6,287–290. 223 Colum. 12 praef. 9.224 Colum. 12,3,6.225 Milnor 2005, 254. 265.226 Ibid., 256 f.227 Nichtsdestotrotz muss man davon ausgehen, dass auch

Frauen auf dem Feld mitarbeiten mussten, wie es auch heut­zutage in vielen Mittelmeerländern der Fall ist (Günther 2006, 363).

228 Prop. 1,3,41. 3,6,16. Tib. 1,3,85.229 Pomeroy 1985, 309. Larsson Lovén 2002, 139. Suet. Aug.

64,2. 73.230 Prop. 4,3,33.231 Ov. ars 2,686.

son dern auch in Bezug auf häus li che Ar bei ten als Vor­bil der der Rö me rin nen dienten.232

Auch auf Grabinschriften findet sich das lanificium häufig als Ausdruck der Ehrbarkeit, Pflichterfüllung und Aufrichtigkeit einer guten Ehefrau, z. T. innerhalb einer langen Reihe von aufgelisteten Tugenden, z. T. in einer knappen Beschreibung der erfüllten Aufgaben.233 Amy mone, Frau des Marcus, wird als „die beste und schöns te, eifrig mit ihrer Wolle, fromm, sittsam, spar­sam, uneigennützig, häuslich“ beschrieben.234 Eine wei­tere Grabinschrift aus republikanischer Zeit formuliert knapper, Claudia, treffliche Frau, gute Ehefrau und Mutter zweier Söhne, „anmutig im Gespräch“ und „von ge fäl liger Haltung“, habe das Haus gehütet und Wolle ge sponnen.235 In der laudatio der Murdia aus augustei­scher Zeit wird diese als maßvoll, rechtschaffen, züch­tig, sorgfältig und „wollarbeitend“ beschrieben. Diesen traditionellen weiblichen Tugenden sei nichts hinzu­zufügen, heißt es weiter, weil es schwierig sei, eine neue Form von Lobpreis zu ersinnen, da das Leben der Frauen wenige Veränderungen beinhalte.236 Auch die lange laudatio auf Turia lässt die Wollarbeit unter ihren Tu gen den nicht missen. Die mit der häuslichen Arbeit ver bun denen, weiblichen Tugenden wurden im öffent­lichen Raum, in Form von Grabinschriften, ausgestellt; diese Zurschaustellung strahlte auch auf die jeweiligen Ehe män ner ab und versinnbildlichte deren auctoritas sowie die Integrität der familia.237

Anders als in den Textquellen wurden die eigent­lichen Tätigkeiten des Spinnens und Webens selten, das zur Wollarbeit notwendige Arbeitsgerät dagegen häufig bildlich dargestellt. 238 Eine Ausnahme bildet das Relief vom Forum Transitorium in Rom, das die Bestrafung der Arachne im Beisein vorbildhaft webender und spin­nender matronae zeigt. Als Gegenbilder zur mythischen Arachne, die Minerva hochmütig zum Wettkampf im Weben herausgefordert hatte, führen die Matronen die von ihnen erwartete häusliche Arbeit aus; unter ihnen sitzt die Personifikation der pudicitia, welche die Woll­ar beit zusätzlich als eine Form weiblicher Tugend aus­weist.239 Erforderliche Gerätschaften – Spindeln und

232 Dixon 2001, 118.233 Vgl. Larsson Lovén 2002, 8 mit Referenz auf weiterfüh­

rende Literatur zu den im Folgenden aufgeführten Grabin­schriften. Zu weiblichen Tugenden in römischen Grabin­schriften, mit einigen bibliografischen Hinweisen: W. Riess, Rari Exempli Femina. Female Virtues on Roman Funerary Inscriptions, in: James – Dillon 2012, 491–501.

234 „Hic sita est Amymone Marci optima et pulcherrima, lani-fica, pia, pudica, frugi, casta, domiseda” (CIL VI 11602; Übers. Kunst 2000, 187).

235 „[…] Domum servavit, lanam fecit” (CIL VI 15346 = CIL I 01211; Übers. Pomeroy 1985, 309). Vgl. dazu: Larsson Lo­vén 2002, 138.

236 „[…] Modestia, probitate, pudicitia, opsecuio, lanificio, diligentia, fide par similisque cetereis probeis feminis fuit […]” (CIL VI 10230). Vgl. dazu Milnor 2011, 611.

237 „[…] Domestica bona pudici[t]iae, opsequi, comitatis, fa-cilitatis, lanificii […]” (CIL VI 01527. 037053). Vgl. dazu Milnor 2011, 610. Wyke 1994, 141 f.

238 Cottica 2007, 220.239 E. D’Ambra, Private Lives, Imperial Virtues. The Frieze of

the Forum Transitorium in Rome (Princeton 1993) 47–54. Vgl. dazu auch Larsson Lovén 2002, 56 f. 139. Über dem Fries thront eine Frauengestalt, die von D’Ambra, Larsson

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Spinn ro cken, seltener Nähnadeln – sind dagegen in fast allen in Abschnitt III.1.c behandelten bildlichen Sets weib licher Attribute, zusammen mit Kosmetikartikeln und z. T. Schmuck, enthalten (z. B. Abb. 11. 12). Zwei weitere Beispiele aus dem 2. Jh. n. Chr. aus Kyzikos und Bur sa zeigen Wollkörbe, Spindeln und Spinnrocken so­wie Spiegel, Kämme und unguentaria.240 Auf den Tür­stei nen kleinasiatischer Gräber sind Spinngeräte sehr häu fig zusammen mit Kosmetikobjekten und Sandalen als typisch weibliches Repertoire präsent.241 Spindel, Spinn ro cken oder Wollkörbe kommen aber auch als di­rek te Attribute der reliefierten Porträts der Verstorbenen vor. Insgesamt stammen nur wenige Darstellungen von Tex til arbeits gerät aus den römischen Westprovinzen, umso mehr dafür aus Kleinasien;242 im Gegensatz zu Spinn ge rä ten wurden Webutensilien dort jedoch gar nicht und insgesamt sehr selten abgebildet, was damit zu sam men hängen mag, dass sie sich ikonografisch schwe rer umsetzen ließen.243

Zwei Sepulkralplastiken aus Rom zeigen je eine Frau mit einem Wollkorb als Attribut.244 Eine der zwei Ver stor benen, die in der Inschrift als Ulpia Epigone be­nannt wird, ist liegend dargestellt und trägt eine Kette, einen Ring und je ein Armband an jedem Ober­ und Un ter arm; einer ihrer Füße ruht auf einem Wollkorb.245 Der halb nackte Körper der Ulpia Epigone, der auf die pul chri tudo der Venus verweist, scheint den Wollkorb als Sym bol der Keuschheit zu persiflieren;246 tatsächlich handelt es sich jedoch um die ikonografische Ver bin­dung verschiedener Tugenden: Die Darstellung Ulpia Epi gones signalisiert Schönheit, Fleiß und Treue als die weiblichen Vorzüge, welche die Verstorbene kenn zeich­neten. Palmyrenische Grabporträts zeigen verstorbene Frauen häufig mit der Kombination von Spindel und Spinnrocken in derselben Hand; dieses Motiv war im

Lovén u. a. als Minerva angesprochen wird; zur Umdeutung der Figur im Attikarelief als Personifikation einer natio vgl. H. Wiegartz, „Simulacra gentium” auf dem Forum Transito­rium, Boreas 19, 1996, 171–179.

240 Cottica 2007, 221 Abb. 36,1. 36,2.241 Waelkens 1986.242 Ibid., 223.243 Larsson Lovén zählt nur zwei Grabreliefs, die Frauen mit

Webgerät darstellen; während das eine Relief nur Utensilien wie Webspatel und Garn zeigt, soll auf dem anderen zusätz­lich der Webstuhl selbst vertreten sein, der in der Abbildung jedoch nicht erkennbar ist (Larsson Lovén 2002, 87 f. Kat. Nr. 1.6.2–3). Auf dem o. g. Relief vom Forum Transitorium, das leider schlecht erhalten ist, sind Webstühle dargestellt, die sich in Umzeichnungen jedoch wesentlich besser als am Original erkennen lassen: Vgl. C. H. Johl, Die Webestühle der Griechen und Römer. Technologisch­terminologische Studie (Borna­Leipzig 1917) 44 f. Abb. 28–30. Die älteste Bilddarstellung eines Webstuhls stammt laut Larsson Lovén von einem Relief in Burgos, Spanien, dessen Datierung sie jedoch nicht angibt (Larsson Lovén 2002, Abb. 5).

244 Larsson Lovén 2002, Kat. Nr. 1.5.1–1.5.2. Drei weitere Se­pulkralplastiken stellen je eine einzelne Frau mit Spinnro­cken in der Hand dar (ibid., Kat. Nr. 1.5.4–5. 1.5.7) und drei andere Beispiele zeigen Ehepaare, von denen jeweils die Frau Spinngerät in der Hand hält oder neben sich hat (ibid., Kat. Nr. 1.5.12–14).

245 Der Sarkophag stammt aus Rom und datiert ins 2. Jh. n. Chr. (Larsson Lovén 2002, 83. 133).

246 Zur Venus als Identifikationsfigur auch in sepulkralem Kon­text vgl. Schenke 2003, 75–77.

Osten des römischen Reiches verbreitet, während es an­derorts so gut wie gar nicht repräsentiert ist.247 Konn ten Größe, Lage und Ausstattung der pal my re ni schen Grä­ber sowie deren Inschriften bereits den Sta tus der To ten signalisieren, zielten Gestik und At tri bu te der Por trät­figuren auf eine Vermittlung der Tu gen den und Fä hig­keiten der Verstorbenen ab.248 In dem o. g. Mäd chen grab der Crypereia Tryphaena sowie den Grä bern aus Al ba und aus der Nähe von Rom wurden der To ten Spinn­geräte zusammen mit Schmuck und Toi let ten ar ti keln beigelegt. Spindeln, die als Grab bei ga ben fun gier ten, waren häufig aus Glas oder Bernstein und sind somit als symbolische, nicht funktionale Objekte zu verstehen.249

Es ist auffällig, dass es – im Gegensatz zur rö mi­schen Reliefplastik und auch zur griechischen Va sen­ma le rei – insgesamt sehr wenige Darstellungen von Web stüh len, Spinngerät und den damit verbunden Tä­tig keiten in der römischen Malerei gibt.250 Allerdings zeigt eine Wandmalerei an der Nordwand des Raums 10 der Casa della Venere in Conchiglia (II 3,3) eine ein zel ne Frauenfigur beim Spinnen; die Spindel in ihrer rechten Hand ist deutlich zu erkennen, mit der Linken hält sie den Spinnrocken hoch.251 Während Bernstein in der Darstellung die Herrin des Hauses sieht, vermutet Dix on eine Sklavin, betont jedoch, dass die Kleidung der Dame sie nicht eindeutig als solche zu erkennen ge­be.252 Zumindest scheint es sich um eine Alltagsszene zu handeln, während die Wollarbeit sonst nur in mythi­schen oder allegorischen Szenen auftaucht.253 Bildliche Dar stel lungen, die Frauen bei der Arbeit wiedergeben, lassen oft statusspezifische Merkmale vermissen, d. h. sie bilden i. d. R. kunstvoll frisierte Damen in der Klei­dung einer Matrone ab. Dixon bezeichnet, weil sich die Schilderungen von Frauenarbeit grundsätzlich auf wenige Tätigkeitsbereiche beschränken, selbst Berufs­dar stel lun gen als „commercial extensions of female do-mestic work“.254

247 Zum Pudicitia­Gestus in palmyrenischen Porträts vgl. Raat 2013, 72. 83. Dieser Gestus, der Vorbilder in der hellenis­tischen Plastik hat, taucht auch in mythologischen Bild­szenen auf, wie z. B. die Darstellung von Paris und Helena auf einem Fresko im sog. cubiculum d der Casa dell’Efebo (I 7,11) zeigt (K. E. Welch, Pompeian Men and Women in Portrait Sculpture, in: Dobbins – Foss 2007, 550–584, dav. 573 f.; Hodske 2007, 77 Abb. 110).

248 Cottica 2007, 223 f.249 Martin­Kilcher 2000, 65.250 Vgl. Beispiele für griechische Vasenbilder z. B. bei C. Alfa­

ro Giner, Tejido y Cestería en la Península Ibérica. Historia de su Técnica e Industrias desde la Prehistoria hasta la Ro­manización, Bibliotheca Praehistorica Hispana 21 (Madrid 1994) 96–98 Abb. 67–70.

251 Bernstein 2007, 528. Vgl. PPM III (1991) 112–172, s. v. II 3,3 Ca sa della Venere in Conchiglia (A. De Vos) 146 Abb. 54.

252 Dixon 2001, 129.253 Ibid.254 Reliefs zeigen Frauen häufig als Verkäuferinnen, beim Aus­

schank oder beim Versorgen Neugeborener (ibid., 125 f). Vgl. auch Fantham u. a. 1994, 381 f.; D. Pupillo, Attività Lavorative Femminili all’Ombra dell’Uomo, in: Buonopa­ne – Cenerini 2003, 43–55, dav. 44. 51. Besonders deutlich wird der Unterschied zwischen Männern und Frauen in Darstellungen gemeinsamer Arbeit auf dem Grabrelief ei­nes Metzgers: Während der Fleischer – hinter dem an einem Gestell Fleischstücke, ein Messer und eine Waage hängen – mit einem Hackmesser Fleisch zerteilt, sitzt ihm in der

IdealbIld und lebenswIrklIchkeIt 87

Wie gezeigt worden ist, wurde die Textilarbeit als physisch bedingter und mythisch­historisch begründe­ter Aufgabenbereich der Frau im Haus angesehen. Es stellt sich die Frage, ob die hauseigene Produktion von Tex ti lien in der Kaiserzeit überhaupt noch notwendig und üblich war oder ob die Wollarbeit möglicherwei­se nur noch als Topos fungierte, um auf ideologischer Ebene die moralische Integrität einer Matrone zu sym­bolisieren.255 Daran schließt sich die Frage an, ob rö­mische Matronen selbst oder doch Sklavinnen – oder Skla ven? – spannen und webten, sofern dies noch im Haus halt geschah. Tatsächlich lässt sich ab dem 3. Jh. v. Chr. eine steigende Zahl spezialisierter Ar beits­felder epigrafisch nachweisen, die eine kom mer ziel le Tex til pro duk tion belegen.256 Wie für andere Ge wer­be zwei ge sind für das Textilgewerbe männliche wie weib liche Arbeiter belegt, bei denen es sich wohl um Skla ven und Freigelassene beiderlei Geschlechts han­delte.257 Günther zählt neun verschiedene Frauenberufe in der Textilherstellung, von denen manche nur einmal belegt sind, z. B. eine siricaria, für die Seidenkleider ihrer Herrin zuständig, und eine Weberin, textrix.258 Da viele der Beispiele für diese Berufsbezeichnungen vom Statilier­Monument in Rom stammen, lassen sich schwer verallgemeinernde Schlüsse ziehen, zumal eini­ge sehr niedrige, schlecht angesehene Tätigkeiten mög­licherweise gar nicht angegeben wurden oder zumin­dest nicht inschriftlich überliefert sind.259 Während die Wollarbeit einer freien matrona als ehrenvolle häusliche Aufgabe angesehen wurde, galt sie für Sklavinnen oder Freigelassene, die diese Arbeit unter Zwang oder aus fi­nanziellen Gründen ausführten, als niedere Tätigkeit.260 L. Larsson Lovén, die „the imagery of textile making” auf römischen Grabreliefs untersucht hat, attestierte eine zahlenmäßige Überlegenheit von Männern im kommerziellen Sektor der Textilarbeit; zudem ist eine Vielzahl unterschiedlicher, spezialisierter Tätigkeiten bildlich belegt, die von Männern ausgeführt wurden, während Frauen offenbar überwiegend für das Spinnen und Weben zuständig waren.261 Nur das Spinnen blieb

linken Bildhälfte (s)eine Frau gegenüber, die wohl mit der Buchführung beschäftigt ist. Sie hat sorgfältig frisierte Haa­re, sitzt in einem Sessel, hat ihre Füße auf einer Fußbank gelagert und schreibt auf ein Polyptichon (G. Zimmer, Rö­mische Berufsdarstellungen, AF 12 (Berlin 1982) Kat Nr. 2). Im Kontrast zu dem Metzger, der sich zwischen den Lappen rohen Fleisches bewegt, wirkt die herausgeputzte Dame auf den modernen Betrachter fast schon ungewollt komisch. Den Hinweis auf das Relief in diesem Zusammenhang ver­danke ich C. Maderna.

255 Larsson Lovén 2007, 234. Vgl. dazu auch Günther 1987, 43; dies. 2006, 350.

256 Motive, die in Berufsbildern spezifische Tätigkeiten dar­stellten, entwickelten sich ab dem 1. Jh. v. Chr. (Larsson Lovén 2002, 7. 25).

257 Dixon 2001, 117–119. Wallace­Hadrill 1996, 112.258 Günther 1987, 109–124. Ebenso Eichenauer 1988, 90–98.259 Treggiari 1976, 82. Günther 1987, 44. So auch Dixon 2001,

122.260 Günther 2006, 355.261 Die zahlenmäßige Dominanz von Männern in den bildlichen

Darstellungen von Textilarbeit auf Grabreliefs korrespon­diert mit der generellen männlichen Überzahl in allen Be­rufsbildern; Frauenarbeit, die sich nicht nur auf das Spinnen und Weben beschränkte, lässt sich aber zumindest inschrift­

dabei ausschließlich Frauen vorbehalten, die unter der Be rufs bezeichnung quasillaria überliefert sind,262 wäh­rend für das Weben auch Männer als textores nachge­wiesen sind.263 Aus der Casa di Marcus Terentius Eu­do xus (VI 13,6) stammt eine Graffitiliste, die elf Frauen als Zuständige für Spinnarbeiten aufzählt.264 Spinnende Männer dagegen waren ein Spott­Motiv; so zeigt z. B. ein Terra Sigillata­Gefäß Marc Anton auf einem Wagen, dem eine Prozession von Frauen mit Wollarbeits­Uten­silien folgt,265 und Cassius Dio beschreibt Elagabal beim Spinnen.266 In beiden Fällen werden Männer mittels des Motivs der Wollarbeit als effeminiert dargestellt.

Gardner geht davon aus, dass ausgebildete Sklaven oder Sklavinnen von ihren Besitzern für spezialisierte Produktionsschritte an Betriebe verliehen werden konn­ten und somit eine zusätzliche Einnahmequelle darstell­ten; die Vermietung von Sklavinnen lässt sich für den Schiffbau und den Textilarbeitssektor nachweisen.267 Columella zählt für die Sklavenarbeit auf Landgütern all diejenigen Dinge auf, die mit der Wollarbeit (lanifi cia) sowie der Zubereitung und dem Servieren von Spei sen zu tun haben;268 es lässt sich nur vermuten, dass einige essentielle Textilprodukte, z. B. grobe Stoffe oder ein­fache Kleidungsstücke für Sklaven, im eigenen Haus­halt produziert werden konnten, während die professio­nelle Herstellung und Bearbeitung aufwändiger Stoffe und Produkte ausgelagert war.269 So lassen sich z. B. Walkereien (fullonicae) und Webereien (tex tri nae) im archäologischen Befund als spezialisierte Ar beits zwei­ge in eigenen Betrieben nachweisen, die z. T. jedoch ebenfalls in Atrium­Häusern untergebracht waren.270

Larsson Lovén hatte in ihrer Arbeit mit dem Pro­b lem zu tun, dass die Darstellungen von Frauen mit Tex til ar beitsgerät auf Grabreliefs meistens zugehöriger

lich belegen (Larsson Lovén 2002, 125 f.).262 Treggiari 1976, 82. Pomeroy 1985, 310. Larsson Lovén

2007, 232.263 Dixon 2001, 123. Vgl. z. B. den durch Graffiti belegten

„Successus textor“ (CIL IV 08258. 08259).264 CIL IV 01507. Vgl. dazu Fantham u. a. 1994, 340; Wallace­

Hadrill 1996, 112; Dixon 2001, 122. Bernstein 2007, 530 verweist fälschlicherweise auf das Graffito CIL IV 01500.

265 Larsson Lovén 2002, 137 f.266 Cass. Dio 80,14. 267 Gardner 1995, 239. Auch der Einsatz von Sklavinnen als

Pros ti tuierte war eine Einnahmequelle (Pomeroy 1985, 297).268 Gardner 1995, 207. Colum. 12,3,3. Es solle auch deshalb

immer Wolle im Haus vorrätig sein, damit die (der Verwal­terin unterstehenden) Frauen sich auch an Regentagen mit Wollarbeit nützlich machen könnten (Colum. 12,3,6).

269 Gardner 1995, 239. Ähnlich Günther 1987, 110.270 Vgl. z. B. M. Flohr, Reconsidering the Atrium House. Do­

mestic Fullonicae at Pompeii, in: E. Poehler – M. Flohr – K. Cole (Hgg.), Pompeii. Art, Industry and Infrastructure (Ox­ford 2011) 88–102. Dixon 2001, 122. Kürzlich zu den pom­pejanischen fullonicae: M. Flohr, The World of the fullo. Work, Economy and Society in Roman Italy (Oxford 2013). Vgl. auch die Grußworte des Walkers Crescens in Form von Graffiti (CIL IV 04100.04102–04104. 04106–04107. 04109. Vgl. auch 04120. 04118). Vitruv bezeichnet das Tuchwalken als ars, die nicht einfach von ungelernten Personen zu Hause ausgeführt werden könne (Vitr. 6 Praef. 7). Zur Statuenstif­tung der fullones an Eumachia, deren Familie durch Land­besitz in das Textilgewerbe involviert war, vgl. Welch a. o. (Anm. 247) 558; Pomeroy 1985, 311.

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In schrif ten entbehren;271 auch weil den bildlichen Dar­stel lungen von Frauen bei der (Textil­)Arbeit oft sta tus­spe zifische Eigenheiten fehlen, ist nicht zu beurteilen, ob es sich um Berufsbilder oder um römische Matronen bei der topischen Textilarbeit handelt. Ohnehin waren die Bildmotive professioneller wie häuslicher Tätig­kei ten römischer Frauen auf ein enges Repertoire ein­geschränkt, während Grabreliefs für Männer sehr dif­fe ren zier te Arbeitsdarstellungen zeigen.272 So gilt auch für die klein asiatischen Türsteine, dass eine große Va ri­ation von Männerberufen anhand verschiedener Werk­zeuge dar ge stellt wurde, während sich die weiblichen At tri bute auf Kosmetik­ und Textilarbeitsgerät sowie San da len beschränken.273 Selbst terminologisch sind die kom mer zielle und die „häuslich­tugendhafte“ Woll­ar beit nicht eindeutig zu unterscheiden: Der Begriff la-ni ficium schloss das Spinnen wie das Weben mit ein und taucht nicht nur als symbolische Referenz auf weibliche Tu gend haftigkeit in Grabinschriften, sondern auch – je­doch seltener – in Form der lanifica und des la na rius in juristischen Texten als Bezeichnung spezialisierter Sklaven und Sklavinnen in Landgütern auf.274 Es han­delt sich somit um eine Terminologie, die per se keinen Statusunterschied artikuliert.275 Archäologisch ist zum einen die Differenzierung hauseigener Textil pro duk­tion und einem ins Haus einbezogenen kom mer ziellen Textilbetrieb schwer, zum anderen ist in beiden Fällen unklar, wer die Arbeit bzw. bestimmte Arbeitsschritte ausführte. Dixon warnt deshalb sowohl davor, eine weiblich­häusliche von einer männlich­kommerziellen Sphäre zu trennen als auch davor, sich innerhalb ein­zelner pompejanischer Textil­Werkstätten auf Zah len­ver hältnisse männlicher und weiblicher Arbeitskräfte sowie deren konkrete Arbeitsteilung festzulegen, die anhand des Materials nicht zu eruieren seien.276 In te­res san terweise blieb jedoch offensichtlich zumindest das Spinnen, auch im kommerziellen Bereich, eine aus­schließ lich weibliche Arbeit.

Unabhängig von einer bestehenden Textilindustrie im Sinne verschiedener spezialisierter Arbeitsschritte blieb in der Grabikonografie wie in der Literatur der Kai ser zeit die Wollarbeit als Topos weiblicher Tu gend­haf tigkeit und Häuslichkeit bestehen, wurde die Ver wei­ge rung dieser Arbeit als Zeichen von schänd li chem Lux­us und Dekadenz angesehen.277 Obwohl es also längst möglich war, fertige Kleidung käuflich zu erwerben, gehörte die Wollarbeit ideologisch zum häus lichen All­tag der matrona.278 Das lanificium wurde bildlich und

271 Larsson Lovén 2002, 87 f.272 Larsson Lovén 2007, 232. Dixon 2001, 129. Vgl. auch Gün­

ther 2006, 353.273 Waelkens 1986, 14.274 Eichenauers Erhebungen zeigen, dass der Begriff lanifi-

ca selten berufsbezogen ist, sondern zum großen Teil ein „Kompliment“ der Angehörigen an eine Frau darstellt (Ei­chenauer 1988, 90).

275 Dixon 2001, 119.276 Dixon 2001, 123.277 Vgl. auch Taylor 2008, 27, nicht nur auf die Textilarbeit be­

zogen: „The feminine ideal was static, timeless, and remo­ved from narrative“.

278 Eichenauer 1988, 34. 90. Larsson Lovén 2007, 230. „When visualizing housekeeping in the antique world, undoubtedly

tex tlich gleichwertig neben die Tugenden der römischen Frau gesetzt und verdeutlichte deren Sitt sam keit und Ge hor sam, die symptomatisch für den Zu sam men halt der fa mi lia und die Verhaftung dieses Mi kro kos mos’ im Ge mein wesen des römischen Staates waren. Eine zu­min dest symbolische Aufstellung eines Web stuhls ist vor stell bar, wenn in dem o. g. Kommentar des Asconius die Ah nen bildnisse, das Ehebett und der am Webstuhl her ge stellte Stoff als reale Gegenstände im Atrium be­schrie ben werden, die zerstört werden, um den Haus frie­den anzugreifen.279 Dennoch haben die Unter su chun gen von Berufsbildern und inschriftlichen Be le gen gezeigt, dass der Textilarbeitssektor viele Fra gen offen lässt, die Un ter schei dung zwischen der Pro duk tion zu Ver kaufs­zwe cken und für den Eigen be darf schwierig und die Fra ge nach den jeweils mit der Pro duk tion betrauten Per so nen nicht einfach zu beantworten ist.

IV Die Frau im Haus: Forschungsansätze zur Ver or­tung der Tätigkeiten weiblicher Haus halts mit glie der

IV.1 Literarische Hinweise zur spezifischen Nutzung einzelner Räume innerhalb des HausesWährend die Textquellen zahlreich das weibliche Rol­len bild und die damit verbunden häuslichen Auf ga ben beschreiben, liefern sie nur vereinzelt Hin wei se auf die Verortung bestimmter Tätigkeiten innerhalb des Wohn­hauses, und auch Schlafzimmer oder Auf ent halts räu me von Frauen werden selten genannt. J.­A. Dick mann hat beobachtet, dass v. a. für die Rand be rei che des Hauses funktional differenzierte Raum be zeich nun gen existier­ten, so z. B. für die culina, die la trina oder das balneum; die Benennung der Wohn räume der Kernfamilie dage­gen unterlag einer anderen Form von Terminologie, die nicht auf eindeutige Funktionen verwies.280 Für be­stimm te Raum be zeich nungen ist dem ent spre chend eine Vielzahl unterschiedlicher Nut zungs for men literarisch belegt, sodass die All ge mein gül tig keit einzelner Text­be lege fraglich ist. Um ge kehrt ver wen den die wenigen anek dotischen Text be lege, die Frau en in bestimmten Räu men beschreiben, ver schie de ne Ter mi ni für diese Räu me. Generell wird eine alters­, geschlechts­ oder sta tus basierte Dif fe ren zierung ver schie dener im Begriff der familia vereinter Per sonen und ihrer Tätigkeiten im Haus halt durch die Tat sache er schwert, dass Frauen, Skla ven und Kinder, ihrem ge sell schaft lichen Status ent spre chend, in den von männli chen, freien Autoren ver fassten literarischen Quel len nur eine untergeordnete und idealisierte oder kli schee be haf tete Rolle spielen.281

Wie bereits in Abschnitt II dargelegt, unterschei­den Cornelius Nepos und Vitruv die Präsenz römischer Frauen von einer relativen Zurückgezogenheit griechi­scher Frauen innerhalb des Hauses; diese Kontrastierung ist bei Vitruv jedoch nur implizit in sein Kapitel zum griechischen Haus eingebettet, während die Passage über das römische Haus Frauen nicht speziell thema­

the tools for textile production and the decorated distaffs from Terrace House 2 play an essential role“ (Trinkl 2007, 84–85).

279 Wallace­Hadrill 1996, 109. S. u. Abschn. IV.1.280 Dickmann 1999, 26.281 Berry 1997, 194. George 1997, 299. 301. Nevett 1997,

287 f. Dickmann 1999, 20. Milnor 2011, 610.

IdealbIld und lebenswIrklIchkeIt 89

tisiert.282 Die im Vergleich mit den in Kapitel VI 7 der Architekturtheorie geschilderten Wohnbedingungen der Griechinnen emanzipiert erscheinende römische Frau ist in der Beschreibung der Wohnverhältnisse, die sie selbst betreffen (VI 6), keiner Erwähnung wert: Die pro-pria loca, die bei Vitruv den Empfangsräumen für Gäste oder Klienten (communia loca) gegenübergestellt sind und somit als Wohnbereich des Hausherrn und seiner Angehörigen – d. h. auch seiner Ehefrau – verstanden werden müssen, werden lediglich allgemein als propria loca patribus familiarum bezeichnet.283 Vitruv subsu­miert somit die Räumlichkeiten der Kernfamilie unter die des Hausherrn, ohne eigens für die matrona und die Töchter oder andere Frauen des Hauses vorgesehene Areale zu benennen, und scheint deren Aktivitäten und Bewegungsmuster als bekannt vorauszusetzen.

Im Zusammenhang mit der Frage nach römi schen Frau en ge mä chern wird zumeist ein Brief des Plinius an seine Frau Calpurnia zitiert, die der Autor in ihrer Ab­we sen heit so sehr vermisste, dass er täglich ihr leeres Zimmer aufsuchte.284 Leach deutet aufgrund von Plinius’ Aus sa ge, er liege nachts wach und denke an Cal pur nia, den Raum als ihr Schlaf zimmer; faktisch wird Cal pur­nias Beschäf ti gung in diesem Raum jedoch nicht kon­kre ti siert.285 Immerhin ist diese Textstelle, in der Plinius die „diaeta“ seiner Frau gegenüber zusätzlich als „tua“ cha rak te ri siert, der wohl einzige Quellenbeleg, in dem ein Raum durch das Pos ses siv pro no men eindeutig auf seine Nutzerin bezogen wird.286 Eine Rechtspassage des Scae vo la beschreibt Hoch zeits vor be rei tun gen, in deren Verlauf die zu künf tige Braut bereits im Haus des Bräu­ti gams, jedoch in einer „separata diaeta“ übernach­tet.287 Ungeach tet dessen taucht der Terminus der diaeta noch verschie dent lich auf, ohne dass ihm in den Texten konsequent eine spezifische Funktion oder bestimmte Personen als Nutzer zugeschrieben werden.288 Weitere Raum be zeich nun gen, die vereinzelt im Zusammenhang mit Frauen verwendet werden, sind cubicula und gy-naecea bzw. gynae co ni ti des: Phaedrus und Valerius Ma xi mus erwähnen ein „cu bi culum uxoris”289 und ein „cu bi cu lum mariti”290 als Schlafzimmer, dennoch lässt

282 S. dazu o. Abschn. II.283 Vitr. 6,5,1: „[…] Dann muss man seine Aufmerksamkeit

auch darauf richten, in welcher Weise in Privatgebäuden die Zimmer gebaut werden müssen, die allein dem Hausherrn gehören, und wie die, die auch Leuten, die nicht zur Familie gehören, zugänglich sind“ (Übers. C. Fensterbusch). Dazu Milnor 2005, 107.

284 Plin. epist. 7,5,1: „Daher geschieht es, dass mich tagsüber in den Stunden, in denen ich dich zu besuchen pflegte, wie man sehr zutreffend sagt, von selbst meine Füße zu deinem Zimmer führen“ (Übers. H. Philips u. M. Giebel).

285 Leach 2004, 49.286 Lediglich in einer Passage über die Vergewaltigung Lucre­

tias bei Ovid wird ebenfalls ein Personalpronomen für die Zuschreibung des Schlafzimmers verwendet, doch handelt es sich ohnehin um eine historisierende Darstellung, die mit Motiven arbeitet (s. dazu o. Anm. 36).

287 B. W. Frier – A. Thomas – J. McGinn, A Casebook on Ro­man Family Law (Oxford 2004) 60 Nr. 22.

288 Nevett 1997, 291. Für verschiedene Belege der diaeta vgl. Leach 2004, 49 f.; zur diaeta als Bezeichnung für Raum­gruppen vgl. Dickmann 1999, 34 f.

289 Phaedr. 3,10,21.290 Val. Max. 8,1,12. Die Episode schildert einen Fall von ver­

sich nicht zweifelsfrei belegen, dass separate (Schlaf­)Zim mer der Ehegatten üblich waren;291 umgekehrt las­sen sich auch gemeinsame eheliche Schlafzimmer nur in Ein zel fällen literarisch fassen.292 Ebenso bleibt in einer weiteren Schilderung des Va le ri us Ma xi mus eine per so nel le Eingrenzung des cu bi cu lum aus: Die loyale Ehe frau Turia soll ihren Ehemann Quin tus Lu cre tius Ves pil lo, der von der Proskription bedroht war, im cu-bi cu lum versteckt haben – der Autor spezifiziert jedoch nicht, ob es sich um einen gemeinsam genutzten oder Tu rias alleinigen Raum handelt.293 Dick manns Vor­schlag, angesichts der wenigen Nachweise eines ehe­li chen Schlafzimmers habe man für „geregelte se xu elle Be zie hun gen“ jeweils aus einer Vielzahl von cu bi cu la aus wäh len können, scheint dennoch weniger praktika­bel als ein fest installiertes Schlafzimmer.294

Plutarch überliefert eine Begebenheit aus dem 1. Jh. v. Chr. über den Patrizier Publius Clodius Pulcher, der sich von Caesars Frau Pompeia angezogen fühlte; ihre Kammer („ἡ γυναικωνῖτις“) wurde jedoch von ih­rer Schwiegermutter argwöhnisch überwacht, und so schlich sich Clodius im Rahmen des Festes der Bona Dea als Frau verkleidet in das Haus ein.295 Er wurde jedoch als Mann und Eindringling entlarvt und ver­suchte daraufhin, sich in dem Zimmer eines Mädchens zu verstecken („δ’εὶς οἴκημαπαιδίσκης”).296 Zweimal wird in dieser Episode ein Raum als der eines weibli­chen Haus haltsmitgliedes bezeichnet, wobei in erstem Falle der aus Texten über griechische Wohnverhältnisse be kann te Terminus des gynaikonitis für das Zimmer der erwachsenen Pompeia verwendet wird, während das Mädchen im Genitiv als Raumnutzerin genannt wird. Für die griechischen oder gräzisierenden Be­zeich nun gen gynaeceum und gynaeconitis finden sich mehr fache Belege in der römischen Literatur, doch hat Dick mann überzeugend dargelegt, dass es sich dabei

mutetem Ehebruch: Ein Mann wird im cubiculum eines fremden Hauses ertappt und entlastet sich und die Ehefrau des Hausbesitzers mit der Behauptung, er habe sich dort mit einem jungen Sklaven treffen wollen.

291 Dass das cubiculum in beiden Fällen tatsächlich als Schlaf­zimmer gemeint ist, wird deutlich, weil beide Anekdoten, in denen es um (vermeintlichen) Ehebruch geht, nachts (noctu) stattfinden und in erstem Fall die Frau auch schlafend vorge­funden wird. Wallace­Hadrill äußert die These, dass separa­te Schlafzimmer nur in Ausnahmefällen, z. B. während der Schwangerschaft der Frau, üblich gewesen seien (Wallace­Hadrill 1996, 111).

292 Vgl. Dickmann 1999, 28 Anm. 57. Zu verschiedenartigen cubicula in Verbindung mit konkretisierenden Adjektiven vgl. Nevett 1997, 291. Zu Textbelegen von cubicula vgl. auch Dickmann 1999, 28 f. und Leach 2004, 48 f. Umfas­send zu pompejanischen cubicula mit Alkoven: Anguissola 2010. Zur Problematik der Differenzierung von Einzel­ und Dop pel betten vgl. ibid., 367.

293 Val. Max. 6,7,2.294 Dickmann 1999, 28 Anm. 56. Zu persönlichen Schlafzim­

mern und Beispielen von Graffiti, welche die Nutzer einzel­ner pom pe ja ni scher cubicula nennen, vgl. Anguissola 2010, 368–374.

295 Plut. Caes. 9–10. Zu den Kultritualen des Bona Dea­Festes, die dem Frauenideal konträr entgegenstanden, vgl. Dixon 2001, 170 Anm. 13.

296 Der sog. Bona Dea­Skandal führte zur Scheidung von Cae­sar und Pompeia (Pomeroy 1985, 327).

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z. T. um Beschreibungen eines fremden Kulturraums297, z. T. um metaphorische Bezüge zur Anwesenheit von Frauen298 oder um Referenzen auf weibliche Personen, ohne konkreten Raumbezug, handelt.299 Besonders bei Vi truv und Cornelius Nepos (Abschn. II) ist das gynae­ce um bzw. die gynaiconitis Teil rhetorischer Strategie, welche kulturelle Unterschiede hervorheben und nicht zwangs läufig Realitäten widerspiegeln will.300 Auch der grie chi sche Terminus thalamus wird, scheinbar in viel en ge rem Sinne als die Bezeichnung cubiculum, in lite­ra ri schen Quellen für Schlafzimmer verwendet, gehörte jedoch nach E. Leach eher zum poetischen Vokabular, das z. B. in Hochzeitsszenen Verwendung fand.301 C. Giordano und A. Casale postulieren dagegen ganz unre­flektiert: „La signora pompeiana teneva il suo arsenale di cosmesi (mundus muliebris) nell’armadio della stan­za nuziale (thalamus)“.302

Der Raumtyp im Haus, für den die Anwesenheit und die Wollarbeit von Frauen mehrfach in den Quellen be­legt sind, ist das Atrium: In seinem oben bereits zi tier­ten Vergleich griechischer und römischer Frauen, at tes­tiert Cornelius Nepos letzteren die erlaubte Prä senz am „primus locus aedium” und außerhalb des Hau ses;303 in Livius’ Version der Vergewaltigung Lu cre tias treffen die Männer diese gemeinsam mit ihren Skla vin nen spin­nend oder webend „in medio aedium” an.304 Beide Tex te verwenden nicht explizit den Begriff des Atriums, doch

297 Plaut. Most. 755. 759. 908. Im Zuge einer konstruierten Lü­gengeschichte, derzufolge Theopropides plant, einen Frau­entrakt in seinem Haus zu bauen („senex / gynaeceum aedi-ficare volt”), besucht er seinen Nachbarn Simo, dessen Haus als Vorbild dienen soll. Theoproprides jedoch schreckt davor zurück, Simos ganzes Haus zu besichtigen, bis dieser ihn er­muntert, keine Rücksicht auf die Frauen im Haus zu nehmen und alles ungehindert zu erkunden (Plaut. Most. 807–807).

298 Cic. Phil. 2,95. Milnor versteht diese einzige Verwendung des Wortes bei Cicero als Teil der Propaganda gegen Marc Anton, in deren Rahmen dessen hellenistisches Luxusleben zur Schau vorgeführt werden sollte (Milnor 2005, 135).

299 Plut. Cato minor 24,3,1. 30,4,1. Dickmann zählt den Ter­minus in der Literatur bis zum 2. Jh. n. Chr. nur insgesamt sechs Mal (Dickmann 1999, 33). Im Falle des bei Plutarch überlieferten Bona Dea­Skandals handelt es sich möglicher­weise um eine Übertragung griechischer Wohnvorstellun­gen auf römische Lebensverhältnisse; Nevett argumentiert allerdings umgekehrt, dass Plutarch realistisch die zeitge­nössischen, römisch beeinflussten griechischen Wohnver­hältnisse beschreibt (L. C. Nevett, Continuity and Change in Greek Households under Roman Rule. The Role of Women in the Domestic Context, in: E. N. Ostenfeld (Hg.), Greek Romans or Roman Greeks. Studies in Cultural Interaction, Aarhus Studies in Mediterranean Antiquity 3 (Aarhus 2002) 81–97, dav. 82).

300 Milnor 2005, 137.301 Leach 2004, 47. Vgl. auch Anm. 43 für Vitruvs Verwendung

des Begriffs. In Ovids Version der Vergewaltigung Lucre­tias dringt Sextus Tarquinius in deren Gemächer ein, die als thalami bezeichnet sind (Ov. fast. 2,794). Alles in der Beschreibung Lucretias zielt darauf ab, ihre Keuschheit und eheliche Treue herauszustellen, in deren Kontext wohl auch die Verwendung des Begriffs thalamus zu sehen ist.

302 C. Giordano – A. Casale, Perfumes, Unguents, and Hairsty­les in Pompeii ²(Rom 2007) 5.

303 S. o. Abschn. II. Über die Präsenz der matrona bei bzw. ihre Beschäftigung während der salutatio ist nichts bekannt (George 1997, 309 mit Anm. 13).

304 Liv. I 57,9. Vgl. dazu u. a. Höbenreich – Rizzelli 2003, 286–288 und o. Abschn. III.2.

können ein „erster” und ein zentraler Raum, der Platz und Licht für Textilarbeit bieten musste, nur als Atri en verstanden werden.305 Auch wenn die Au to ren in diesen Kontexten vermutlich mehr die un ver mittelte Sicht­barkeit der Frauen betonen als einen kon kre ten Raum­bezug herstellen wollten, belegt auch ein Kom men tar des Asconius Webarbeiten im Atrium. Er beschreibt Ah nen bildnisse, das Ehebett und am Web stuhl her ge­stell ten Stoff als symbolische Aus stat tun gen des Atri­ums, die von Eindringlingen zerstört werden, um den Haus frie den anzugreifen.306 Das Ehe bett – das vielleicht als kleines Modell des eigentlichen Möbels ver stan den werden kann – und der Webstuhl repräsentieren neben dem Hausherrn auch seine Ehefrau im Atrium; die Text­stel le zeigt, dass die zur Schau gestellten weib li chen Tu gen den, ehelichen Gelübde und ehr baren Vor fah ren zu sam men das Heil der Familie de mons trier ten.307

Vom Atrium einmal abgesehen, geben die Texte we­der Aufschluss über deren Lage und Ausstattung des je­wei ligen Raumes, noch können die diffusen Beispiele, zu mal sie häufig anekdotenhaft, d. h. Schilderungen spe ziel ler Situationen sind, die Existenz separater „Frau en gemächer“ im römischen Haus belegen.308 Geht man – un ge achtet der Multifunktionalität von Räumen – da von aus, dass die domina zumindest einen fixen Platz zum Schla fen hatte, ihre persönlichen Wertgegenstände an einem bestimmten Ort im Haus verwahrte und für ihre Mor gen toi lette auf die Gegebenheiten (wie z. B. gu te Licht ver hältnisse, Wasserzugang?) bestimmter Räu me angewiesen war, ist deren Lokalisierung anhand der li te ra rischen Quellen nicht möglich.309

IV.2 Architektursoziologische Untersuchungen zur Be stimmung von FrauengemächernObwohl die wenigen lateinischen Textstellen, die be­stimm te Räume im Haus als Schlaf­ oder Auf ent halts­räu me weiblicher Haushaltsmitglieder beschreiben, we­der eine einheitliche Terminologie benutzen, noch die Ex is tenz separater Frauengemächer belegen, hat die For schung verschiedentlich versucht, ebensolche Ge­mä cher im baulichen Befund nachzuweisen. So deutete

305 Vgl. George 1997, 306.306 „Then they broke through the gateway with all manner of

violence and pulled down his ancestral portraits, broke up the symbolic marital couch of his wife Cornelia, a woman whose chastity was considered an example to all, and also vandalized the weaving operations which in accord with an­cient custom were in progress in the entrance­hall“ (Asc. De Milone 43; Übers. R. G. Lewis). Vgl. dazu Wallace­Hadrill 1996, 109.

307 Vgl. Milnor 2005, 108 zu der Diskussion, ob es sich dabei um ein wirkliches Bett, das symbolisch aufgestellt wurde, oder um ein kleinformatigeres Modell handelte; vgl. ibid., Anm. 26 mit Verweisen auf weitere Textstellen. Zur Auf­stel lung des Ehebetts im Tablinum im Zuge von Ausnahme­si tua tionen wie der Hochzeit(svorbereitung) vgl. Dickmann 1999, 28.

308 Vgl. ibid., 34. Nevett geht davon aus, dass die literarischen Überlieferungen so selektiv und individuell sind, dass sie keinen Grund zu der Annahme bieten, einzelne Haushalts­mitglieder hätten persönliche Räume nur für den eigenen Bedarf gehabt (Nevett 1997, 297 f).

309 Vgl. Beispiele der Aufbewahrung von Bargeld und Wertge­genständen des Hausherrn bei Varro und Cicero (Dickmann 1999, 25).

IdealbIld und lebenswIrklIchkeIt 91

A. Ma iu ri mehrere Raumgruppen („gruppi di am bi en­ti stac ca ti e appartati“) als Frauenareale, beschränk­te sich je doch von vielen, wie er zugab, oft unsicheren Fällen auf Bei spie le von fünf Häusern, in denen er mit Si cher heit ein „quartiere femminile“ identifiziert haben wollte.310 Die Kriterien, die dieser Identifikation zu grun­de liegen, nannte er eingangs nicht, doch werden sie beim Le sen seiner Interpretation schnell deutlich. In den um das Peristyl 31–32 gruppierten Räumen (33– 36) der Ca sa di Sallustio (VI 2,4) verortete Maiuri ein „quar tie­ri no per dame“ (Abb. 14a).311 Dieses „appartamento“ sei zu allen Seiten hin abgeschlossen und le dig lich durch ei­nen schmalen Zugang von Raum 29 aus zu gäng lich; es un ter schei de sich vom Atriumbereich durch die Bau tech­nik, die in die letzte Phase zwischen 62 und 79 n. Chr. ver weise, und die Bildthemen der Wand de ko ration: Das Mo tiv der Diana an der südlichen Rück wand des Viri da­rium 32, die von Aktaion beim Bad beobachtet wird, sei eine War nung an ungebetene Ein dring lin ge, welche die In ti mi tät des Frauenquartiers zu stören gedachten.312 Das Gar ten are al, zwei „stanze di riposo“ (33–34), ein Tri­kli ni um (35) und eine Küche mit Latrine und Trep pen­auf gang (36) gehörten zu dem „con clave“, wie Maiuri schrieb. Die Darstellungen von He le na und Paris, Mars und Venus, Diana und Aktaion machten die „riservatezza mu lie bre“ dieses Trak tes deut lich; hier habe man in der schat ti gen Kühle des Gar tens, zwischen Mythen­ und Lie bes bildern einen ge wis sen Liebreiz spüren können. In der Casa del Cen tau ro (VI 9,3.5) meinte Maiuri das ar chi tek to ni sche Sche ma der o. g. Räume der Casa di Sal lus tio in kleiner Form wiedergefunden zu haben: „Un con cla ve con un’area di giardino […], da cui ricevano luce due stan ze am piamente fenestrate“ (Abb. 14b).313 Die Räum lich kei ten im südlichen Teil des Hauses – ein Gar ten areal (19) mit einem angrenzenden Trikli ni um (20), alter na tiv als „stanza di fres cura e di sog gior no“ ge­deutet, einer apotheca (22) und dem Raum 21 – bildeten ein „ele gante quartierino appartato“, in dem eine „più ri­cer cata intimità“ spürbar sei.314 Der Zugang 14 (VI 9,5) von der Straße zu diesem ursprünglich separaten Haus sei nor malerweise verschlossen gewesen, um die Un ge­stört heit des Peristylbereichs und des Frauen trak tes (16– 32) zu garantieren, die somit nur noch durch eine Tür in der Süd wand des Atriums 4 zugänglich ge we sen seien.315 Der Haupt ein gang 1 (VI 9,3) habe da ge gen Be su cher und Bewohner direkt in das Atrium bzw. den nörd li chen Teil des Hauses geführt, der als „andronitis per gli atti della vita quotidiana del dominus“ fungiert habe.316

310 Maiuri 1954.311 Ibid., 450–453. Die im Text genannten Raumnummern der

Häuser entsprechen der im PPM verwendeten Nummerie­rung. Die genordeten Häusergrundrisse sind dem Pompeji­Plan aus Dobbins – Foss 2007 entnommen und enthalten des halb keine Raumnummern, sondern lediglich Markie­run gen der von Maiuri oder Richardson als Frauenräume in ter pre tierten Areale in Hell­ oder Dunkelgrau.

312 Maiuri 1954, 451: „Era un dipinto chiaramente ammonitore rivolto verso gli indiscreti o malcauti che osassero violare la riservata intimità di quell’appartamento.“

313 Ibid., 454. 314 Ibid., 455.315 Die Tür ist hier im Grundriss (Abb. 14b) nicht eingezeichnet.316 Ibid.

Auch die Räume s, t und u der Casa dei Vettii (VI 15,1) verstand Maiuri als „appartamento riservato alla domina e altre donne della casa“ (Abb. 14c).317 Die Ab­ge schlos senheit und Intimität der Raumgruppe würden im Vergleich mit dem lichtdurchfluteten Peristyl deut­lich; „il carattere chiuso, intimo ed elegante“ lasse keine andere Erklärung als die Nutzung des Areals als gynae-ceum zu; der bisher als Triklinium gedeutete Raum t sei deshalb als diaeta zu verstehen, in der die Hausherrin arbeiten, sich ausruhen, aber v. a. ihre Freundinnen habe empfangen können.318

Das südlichste Peristyl (32) der Casa del Citarista (I 4,5.25), das über keines der Atrien (6. 47) direkt zu erreichen war und das sich von dem angrenzenden Pe­ris tyl 17 durch Holzplatten habe abschließen lassen, be­schrieb Maiuri als „peristilio […] chiuso ed appartato come un conclave“ (Abb. 14d).319 Am Peristyl hätten sich Triklinien (35, 37) und Exedren (33, 34) befunden; mög liche, für Maiuris Verständnis der Frauengemächer in den übrigen Häusern essentielle diaetae zum Ruhen und Arbeiten werden nicht erwähnt, ebenso wenig die Funk tion des Raumes 36, der das von dem Atrium 6 und dem Peristyl 17 aus erreichbare Tablinum 14 mit dem Pe ris tyl 32 des postulierten Frauentraktes verband. Die Wand malereien zeigten laut Maiuri allesamt „temi […] di soggetto femminile e tali comunque da commuove­re la fantasia ai casi romantici d’amore fra donne, dei ed eroi“.320 Ein fünftes „appartamento delle donne“ sah Ma iu ri in den Räumen um das Atrium A’ im Nordteil der Ca sa dell’Efebo (I 7,11; Abb. 14e). In diesem Trakt seien die Frauen nicht nur von aller Kommunikation nach au­ßen abgetrennt, sondern auch von Gästeempfängen in­nerhalb des Hauses separiert gewesen, wie Maiuri for­muliert.321 Einzigartig in Pom peji sei ein „stanzino con un lavabo“ (5), dessen Wasser von einem Ofen in dem an gren zenden Raum 6 erwärmt wurde. Inwieweit der Zu gang zur Straße (I 7,10) diese Intimität hätte stören können oder ob er – wie Maiuri es für den zweiten Ein­gang der Casa del Cen tau ro postuliert – verriegelt und gar nicht für den täg li chen Personenverkehr genutzt wurde, kommt nicht zur Sprache. Interessanterweise führt Maiuri – wie auch bei seiner Deutung der Casa del Ci ta rista – in diesem Fall keine Wandmalereien an, um seine These zu stützen – vermutlich weil die Bildthemen der genannten Räume nicht in seine Argumentation pas­sen, zumal P. Kas ten mei er eine „realizzazione rapida e me dio cre del la decorazione“ konstatiert, die nicht recht zu der den Frauentrakten der anderen Häuser unterstell­ten Ro man tik und Eleganz passen will.322

In allen genannten Beispielen sprach Maiuri von Ap part ments oder conclavi als Überbegriff für Frau en­

317 A. Maiuri, Pompeji, Führer durch die Museen, Galerien und Denk mä ler Italiens 3 12(Rom 1976) 50. Dazu George 1997, 307 f.

318 Maiuri 1954, 456 f.319 Ibid., 458.320 Dazu zählt Maiuri Iphigenie auf Tauris, Dionysos und Ari­

adne, Io, Argos und Hermes, den schlafende Endymion, Aphrodite und Adonis (ibid.).

321 Ibid., 459 f.322 P. Kastenmeier, I Luoghi del Lavoro Domestico nella Casa

Pom peiana, Studi della Soprintendenza Archeologica di Pom pei 23 (Rom 2007) 125.

Polly lohmann92

trak te, die er alternativ auch gynaecea und gynae co ni tis nann te und innerhalb derer er Aufenthalts­ und Ar beits­räu me – vielleicht von Plinius inspiriert? – stets als diae-tae bezeichnete. Er verwies außerdem auf weitere ein­zelne diaetae, die nicht Teil eines ganzes Frauentraktes seien, wie z. B. den Raum Q der Casa degli Amorini Dorati (VI 16,7.38).323 Diese „elegantissima stanza“ mit Blick auf die Pflanzen und Blumen des Gartens P spiegele klar einen „gusto femminile“ wider.324

L. Richardson interpretiert den Raum 51 der Casa dei Dioscuri (VI 9,6.7) in Pompeji als Aufenthaltsraum der Hausherrin zum Arbeiten und Überwachen des Hauses. Auch die Räume 37 der Casa di Meleagro (VI 9,2) und 22 der Casa dell’Efebo deutet er als solche Räume der domina.325 Diese Interpretationen beruhen auf der Lage der Räume innerhalb des Hauses und ih­rem Wanddekor; so schreibt Richardson über Raum 51 der Casa dei Dioscuri (Abb. 14f): „Everything about this room classes it with other decorated rooms that intrude into the service quarters of various houses, which may have been rooms where the mistress of the house could work and supervise her slaves at the same time“.326 Mit „everything” bezieht sich Richardson auf seine Be schrei bung des Raums, der „prettily decorated and rather large” sei; von dem Wanddekor selbst war schon damals wenig erhalten, wie Richardson schreibt, sodass nicht die Motivik der Wandmalereien, sondern ihre Qua li tät im Vergleich mit den um lie genden, z. T.

323 Maiuri 1954, 460 f.324 Dagegen F. Seiler, der Raum Q – ohne Personenzuweisung

– als mögliches cubiculum diurnum interpretiert: F. Seiler, Casa degli Amorini Dorati (VI 16,7.38), Häuser in Pompeji 5 (München 1992) 94 Anm. 321.

325 L. Richardson, Pompeii. The Casa dei Dioscuri and its Paint­ers, MAAR 23 (Rom 1955) 48–49. Richardson verwendet an de re Raumnummern (vgl. dazu Bernstein 2007, 527 m. Anm. 11).

326 Richardson a. o. (Anm. 325).

nur weiß verputzten Räu men Grundlage der Interpretation sind. Richardson fügt jedoch, sich auf die Latrine in Raum 50 beziehend, hinzu: „The addition of a closet is further support of this explanation.“ Für die Räume w und x der Casa delle Nozze d’Argento (V 2,i) postuliert Richardson eine Nutzung als Frauen­Esszimmer:327 Auf grund der Fuß bo den dekoration nimmt er in w eine Kli nen stellung an – da der Raum für ein Schlafzimmer zu reich de ko­riert und zu offen sei, müsse es sich um ein Tri kli nium handeln; warum dieses jedoch den Frau en des Hauses vorbehalten ge­wesen sein soll, erklärt Ri chard son nicht, und für die Deutung des Raums x als zweites ex klu si ves Speisezimmer folgen gar keine Be lege.328 Auch Richardsons In­ter pretation des Raums 42 der Casa del Labirinto (VI 11,8–10) wird nicht be frie­digend begründet: „The [...] room is squa­rish, a ladies’ dining room, as is shown by the mosaic pavement, where an area paved with black­and­white diaper pattern is set off for a couch“.329 Weshalb Richardson

eine mit der Entstehung des Zweiten Stils einherge hen­de bau liche Veränderung sieht, die ein Frauen­Trikli ni­um als „a common adjunct to a state dining room” mit sich brachte, ist nicht nach voll ziehbar.330

Maiuris und z. T. auch Richardsons Thesen be ru­hen auf der Vorstellung von im hinteren Teil oder Ne­ben trak ten des Hauses abgeschotteten Frauen. Die von Maiu ri postulierten Frauentrakte umfassen auch klei­nere Peristyle oder Gartenareale und bestehen in seiner Interpretation sowohl aus persönlichen Gemächern bzw. Auf ent halts­ als auch aus Arbeitsräumen der Haus her­rin und anderer Frauen – die weiblichen Haus halts mit­glie der wären somit überhaupt nicht in Erscheinung ge­tre ten, sondern hätten sich bei all ihren Aktivitäten nur in ner halb dieser separaten Bereiche im Haus bewegt. Der Größe und Weite der Atrien (ariosità, gran diosità) sah Maiuri stets eine bewusst gewählte Ab ge schlos­sen heit der Frauentrakte entgegengesetzt, die auch für

327 L. Richardson, Pompeii. An Architectural History (Balti­more – London 1988) 156 f.

328 Vgl. dagegen W. Ehrhardt, der Raum x als cubiculum be­titelt: W. Ehrhardt, Casa delle Nozze d’Argento (V 2,i), Häuser in Pompeji 12 (München 2004) 131 mit bibliogra­fischen Angaben; Richardsons Interpretation findet jedoch keinerlei Erwähnung. Nevett formuliert zu Recht (in Bezug auf Richardsons Interpretation des Raums w): „The identi­fication of the purpose of this room rests upon a variety of preconceptions derived, first, from the author’s own cultural context, and, second, from previous scholarship, which it­self is frequently reliant on ethnocentric assumptions“ (Ne­vett 1997, 285). Das Zitat kann mit Fug und Recht auch auf Richards weitere Deutungen von Frauengemächern bzw. ­Speiseräumen übertragen werden.

329 Ibid., 165. 330 Ibid., 164. Weitere Beispiele für „ladies’ dining rooms“

meint Richardson u. a. in der Villa die Misteri, Villa di P. Fan nius Synistor in Boscoreale und der Villa di Poppea in Oplon tis gefunden zu haben (ibid., 175. 179. 182). Als Ge­gen position zu Richardsons Thesen vgl. Strocka 1991, 92 f. und Wallace­Hadrill 1994, 93 Anm. 147.

Casa del Citarista (I 4, 5.25) Casa dell’Efebo (I 7,11) Casa dei Dios curi (VI 9,6.7)

Casa dei Vettii (VI 15,1)Casa di Sallustio (VI 2,4) Casa del Centauro (VI 9,3.5)

Abb. 14 a­f Pompejanische Häuser mit möglichen Frauentrakten. Alle Grundrisse aus Dobbins – Foss 2007, xxxiv­xxix Abb. 3 (bearbeitet von der Autorin)

IdealbIld und lebenswIrklIchkeIt 93

ein gedämpftes Licht gesorgt habe. Auch Freundinnen der Hausherrin seien laut Maiuri in diesen Trakten, die ei ge ne Triklinien besäßen, empfangen worden. Diese Deu tung impliziert also, dass auch convivia streng ge­schlechts spezifisch getrennt wurden. Besonders in der Be schrei bung der Casa degli Amorini Dorati wird deut­lich, dass zum einen die Abgeschlossenheit, zum ande­ren die Ästhetik der Räume, d. h. Maiuris Be wer tung des Wand dekors, für seine Bestimmung von Frau en ge­mä chern ausschlaggebend waren. Eleganz, Na tur ver­bun den heit und Abgeschiedenheit sind offenbar die­je ni gen Eigenschaften, die Maiuri mit der rö mi schen Frau und ihren Wohnverhältnissen verband. An ders als Ma iu ri in ter pre tiert Richardson nur ein zel ne Räume als Frau en räu me, deren Auswahl kein Mus ter er ken nen lässt. Pos tu liert er für die Casa delle Noz ze d’Ar gen to und andere Häuser völlig willkürlich Frau en­Spei se räu­me, ver ortet er die Hausherrin der Ca sa dei Dioscuri in un mit tel barer Nähe zum „service quar ter“ mit Küche (50) und Latrine (52) – in seiner Vor stel lung waren der do mi na einmal repräsentative Emp fangs räu me des Hau ses vor be halten, während sie im anderen Fall ge­mein sam mit den Sklaven wortwörtlich an den Rand ge drängt wurde.331

Die neuere Wohnforschung schlägt weitere Bei­spiele vor: V. M. Strocka deutet, sich auf Maiuri bezie­hend, den Trakt am Nebenatrium der Casa del La bi rin­to als mögliches gynaeceum.332 In dem von Richardson pos tu lier ten Speisezimmer für Frauen (42) desselben Hau ses sieht Strocka aufgrund der „aphrodisischen The ma tik“ ein cubiculum der Hausherrin, während das des Hausherrn mit heroischen Bildthemen ausgestattet sei.333 Clarke bezeichnet den Raum g der Casa di Mar-cus Lu cretius Fronto (V 4,a) aufgrund der my tho lo gi­schen Motive seiner Wandmalereien als „a wo man’s room“.334 Berg konstatiert für die Verteilung der von ihr untersuchten Toiletteszenen eine vermehrte An brin­gung von Wanddekorationen diesen Inhalts in cubicula; so fänden sich derartige Lebensweltbilder in zwei cu bi­cu la, einem oecus und einem Peristyl, die einzigen my­thi schen Szenen, die Venus sitzend bei der Toilette zei­gen, in zwei cubicula, darunter eben jenem Raum 5 der Ca sa di Marcus Lucretius Fronto. Szenen der Venus mit Spie gel, die Berg als „più ufficiali“ bezeichnet, seien

331 Einerseits interpretiert Richardson Raum 51 als Arbeitsraum der Hausherrin, was zumindest für die postulierte Überwa­chung der Sklaven bei der Arbeit im Wirtschaftstrakt nach­vollziehbar ist; andererseits benutzt er auch das Argument des Vorhandenseins einer Latrine, was dafür spricht, dass er in demselben Raum auch einen – nicht nur für Arbeiten genutzten – persönlichen Rückzugsort der Hausherrin sieht. Möglicherweise assoziiert er die Latrine mit einer Art per­sönlichen Badezimmers.

332 Strocka schließt die Einrichtung von gynaecea aufgrund des starken griechischen Einflusses auf römische Wohnformen im 2. und 1. Jh. v. Chr. grundsätzlich nicht aus, schlägt da­neben aber auch die Nutzung der Räume als hospitium vor (Strocka 1991, 85 Anm. 156. 86). Diesen Thesen schließt sich auch F. Pesando an (F. Pesando, Domus. Edilizia pri­vata e società pompeiana fra III e I secolo a. C. (Rom 1997) 78). Vgl. dagegen Dickmann 1999, 77 Anm. 139.

333 Strocka 1991, 92.334 J. R. Clarke, The Houses of Roman Italy 100 B.C. – A.D.

250. Ritual, Space, and Decoration (Berkeley – L.A. – Ox­ford 1991) 157.

da ge gen in den „zone pubbliche” der Häu ser anzutref­fen.335 Letztlich bieten diese wenigen Bei spiele jedoch keine statistische Grundlage, zumal frag lich ist, ob sich die unterschiedlichen An brin gungs orte der Ve nus­Dar­stel lun gen mit signifikanten Be deu tungs un ter schie den der Motive erklären lassen.336 Vor allem aber lässt sich nicht belegen, ob und welcher Wand dekor tat säch lich auf weibliche Raumnutzer hinweist.337 Auch die Deu­tung des Raums 5 der Villa dei Mis te ri als Frauen­ oder Hoch zeits gemach kann deshalb weder be­ noch wi der­legt werden.338

Obwohl die in Abschnitt IV.1 aufgeführten antiken Text quellen keine Beschreibungen der Lage und des De kors der von Frauen genutzten Räumlichkeiten bein­hal ten, beruhen die im vorliegenden Textteil zusam men­gestellten Interpretationen ausschließlich auf diesen bei­den Kriterien und gehen somit auf die subjektiven Vor­stel lungen moderner Forscher vom Verbleib der Frauen im Haus bzw. vom Wohngeschmack römischer Frauen und Männer zurück. Bei denjenigen In ter pre ta tio nen, die auf den Motiven des Wanddekors be stimmter Räume basieren, bleibt die Frage bestehen, wie umgekehrt mit der Mehrzahl von Räumen umzugehen sei, deren Dekor keine entsprechenden Mo ti ve aufweist. Selbst wenn es sich in den aufgelisteten Vor schlä gen tat säch lich um persönliche Räume der dominae gehandelt haben sollte, müsste dies bedeuten, dass die Existenz solcher Räu­me selbst oder ihre Mo ti vik nur Ausnahmen dar stell­ten. Diejenigen In ter pre ta tio nen, die vornehmlich auf der Lage und Zu gäng lich keit der Räume basieren, sind wohl mit dem modernen Ver ständnis von Privatheit und der Idee von einer bis ins Unsichtbare gehenden Zu­rück ge zo genheit rö mi scher Frauen zu erklären. Allen Deu tun gen ist ge mein sam, dass sie nach ausschließ li­chen, separaten Frau en gemächern suchen, während ver­schie dene Tä tig kei ten, die eine auch nur temporäre Nut­zung von Räumen durch die domina, Sklavinnen oder andere Frauen bedeuten konnten, außer Acht bleiben.339

335 Berg 2007, 295. 336 J. Hodske konstatiert für cubicula im Vierten Stil eine

über wie gend ero ti sche und sinnliche Atmosphäre, die aber we ni ger durch die Wahl des Mythos als durch die Art der Dar stel lung evoziert werde. Dennoch kämen Darstellungen der Venus/ Aphrodite im Vierten Stil häufig vor, während im Drit ten Stil keine Themenschwerpunkte festzustellen seien (Hods ke 2007, 76–80). Vgl. Anguissola 2010, 332–339 zu Ve nus­ Dar stellungen in cubicula. Die Wahl der Bildthemen scheint demnach nicht von den Raumnutzer(inne)n abzu­hängen.

337 Vgl. Leach 2004, 54: „However, the images […] should not always be expected to show a direct thematic reflec­tion of the activities carried out in a room“. A. Anguissola sieht einige Frauenfiguren im Wanddekor von cubicula, z.B. dem Raum R der Casa degli Amorini Dorati, als Hausbe­woh ne rin nen, weist aber richtig darauf hin, dass diese nicht zwangs läufig auch die Besitzerinnen der Räume gewesen sein müssen (Anguissola 2010, 371).

338 B. Longfellow, A Gendered Space? Location and Function of Room 5 in the Villa of the Mysteries, in: E. K. Gazda (Hg.), The Villa of the Mysteries in Pompeii. Ancient Ritual, Modern Muse (Ann Arbor 2000) 25–37. Zur Deutung des Fres ken zyklus vgl. außerdem die Beiträge von D. Wilburn, M. Swetnam­Burland, J. M. Davis und S. S. Kirk in dem sel­ben Band.

339 Gegen die Existenz separater, reiner Frauengemächer oder ­trakte: Wallace­Hadrill 1994, 9. Dickmann 1999, 34.

Polly lohmann94

Letztlich ist zudem eine nur so geringe Anzahl von Räu­men als Frauengemächer in ter pretiert worden, dass es sich ohnehin um Einzelfälle handelt, auf deren Ba sis man keine Aussagen über typische Frauenräume hät te treffen dürfen. Stattdessen zeigen die Beispiele, dass es offensichtlich keine nor ma tiven architektoni schen und dekorativen Merkmale gab, die spezifische Räu me als Aufenthalts­ und Rück zugs orte tagsüber oder nächt liche Schlafzimmer von Frau en auszeichnen. Ob wohl Hahn konstatiert, dass es auf der Welt keine Ge sell schaft gebe, die ohne eine räum liche Dif fe ren zie rung der Ge schlech­ter auskommt, lässt sich festhalten, dass diese zumin­dest im römischen Haus nicht an dessen Ar chi tektur und Dekoration ables bar ist.340

IV.3 Funde als Indikatoren für weibliche Hand lungs-räu me: Artefact distribution analysis in Pompeji

IV.3.a Grundlegende AnnahmenIn einem Aufsatz, den allgemeine architekturso zio lo­gi sche Überlegungen einleiten, entwickelt F. Lang den Ge dan ken, dass Architektur nur bestimmte Handlungen ar chi vieren könne: Zwar seien Transformationsprozesse wie Umbauten, Neubauten oder Abrisse von Gebäuden archäologisch nachweisbar und Architektur somit „Aus­lö ser und Ergebnis sozialen Handelns“, doch schlügen sich nicht alle sozialen Veränderungen im baulichen Be­fund nieder.341 Grundlegend für die artefact distribution ana lysis ist deshalb die Annahme, dass Lage, Größe und De kor eines Raumes zwar seine ursprünglich – d. h. beim Bau – intendierte Funktion widerspiegeln kön nen, die tat säch lich dort ausgeübten Tätigkeiten, die evtl. von der ehemals vorgesehenen Nutzung abwei chen, jedoch nur anhand der Funde nachweisbar sind.342 Anders ge­spro chen: Architektur ist ein relativ sta ti scher In di kator von Lebensverhältnissen, weil aufwändige Um bau ten oder Neu de ko ra tionen i. d. R. nur in großen Zeit ab stän­den stattfanden. Eine Veränderung der Nut zung oder der Nutzer des physischen Raums – hier: ein zel ner Räu­me in pompejanischen Häusern – be nö tigt des wegen In di ka to ren, die Handlungen kleinteiliger an zeigen, um sie archäologisch sichtbar zu machen. Ne vett hat dafür den Begriff der short term, small scale ac ti vi ties ge­prägt: Sie sieht bewegliche Objekte als unmittelbaren Aus druck von Handlungen, die kurzzeitig an einem Ort bzw. in einem Raum stattgefunden haben, damit aber nicht weitere, zu anderen Zeiten ausgeführte Tä tig kei­ten an demselben Ort ausschließen.343 P. M. Allison,

340 Vgl. Fantham u. a. 1994, 339. Vgl. auch Wallace­Hadrill 1996, 111 und ders. 1994, 117: „One of the most striking contrasts between the Pompeian and the modern house is the failure of the former to differentiate architecturally and decoratively either between male and female worlds or be­tween those of adults and children.”

341 Lang 2010, 236.342 Nevett 2010, 98. Mould a. o. (Anm. 195) 157. Ebenso zum

Potenzial der artefact distribution: Wallace­Hadrill 1994, 97. Allison 1994, 1–2. Sigges 2000, 17.

343 Nevett 2010, 96. Zu Chancen – und Problemen – einer Un­ter suchung der Funde und ihrer Verteilung in pompejani­schen Häusern schon Wallace­Hadrill 1994, 87–90. Vgl auch Hahn 2010, 114: Geschlechtsspezifische räumliche Dif fe ren zie rungen seien in den meisten Gesellschaften nur an hand der Gebrauchsgegenstände, nicht anhand des physi­

aber auch J. T. Berry und B. Sigges haben die Ver teilung von Funden in ausgewählten pompejanischen Häu sern ana ly siert und anhand von Kategorisierungen der Ob­jekte bestimmte Tätigkeitsfelder im Haus zu loka li sie­ren versucht.344 Der nachfolgende Abschnitt (IV.2.b) unter sucht auf Grundlage von Allisons statistischen Ana ly sen die Verteilung von Objekten, die mit den in den Schrift quel len genannten Tätigkeiten – wie der bei Livi us als mun dus mulie bris beschriebenen Schön­heits­ und Körperpflege sowie der Wollarbeit – funk­tio nal in Verbindung stehen oder bildlich als At tri bu te der Frau dargestellt wurden. Diese Objekte werden im Fol gen den als weibliche Besitztümer oder zu min dest als von Frauen benutzte Gegenstände betrachtet. Die ar te fact distribution analysis kann also nur insofern für eine geschlechtsspezifische Untersuchung der Nut­zung von Räumen fruchtbar gemacht werden, als man sich auf ein Repertoire ‚spezifisch weiblicher‘ Fun de fest legen muss. Methodisch bedeutet dies jedoch, dass sich einige der traditionellen Aufgaben der rö mi schen ma tro na wie die Haushaltsorganisation und Kin der­erzie hung nicht greifen lassen, handelt es sich doch um For men sozialer Interaktion, die nicht mit der Nutzung be stimmter Objekte einhergehen. Solche Handlungen bleiben deshalb im archäologischen Befund unsichtbar. Ver all gemeinernd kann man sagen, dass Funde nicht alle Arten menschlicher Tätigkeiten reflektieren, sodass man che Handlungen durch das archäologische Raster fallen. Zusätzlich können manche Tätigkeiten gar nicht ge schlechts spezifisch eingeordnet werden, weil sie in den Quellen für kein Geschlecht als typisch oder ideal dar gestellt werden.345

Allison selbst schreibt zur Verortung von gender, dass die Einordnung von Funden als spezifisch weiblich immer eine gewisse Willkür voraussetze, sodass die ar-tefact distribution nur Möglichkeiten der Interpretation aufzeigen könne346 – dasselbe Argument kann jedoch für alle Fund gattungen geltend gemacht werden, deren In ter pre tation auf bestimmte Tätigkeitsfelder reduziert wird, sodass z. B. die (Zweit­)Verwendung von Ob jek­ten zu anderen Zwecken keine Berücksichtigung findet. Wäh rend Allison den „gender distinctions“ in ihrer Mo­no gra fie zu den Fundverteilungen in pompe ja ni schen Wohnhäusern nur eine Seite widmet und – abgesehen von Textilarbeiten in Atrien – hinsichtlich einer ge­nauen Verortung von Tätigkeiten der Frauen im Haus zu rück haltend ist,347 nutzt sie in ihrer neuesten Un ter­su chung dagegen jene Objektgruppen, denen sie vorher skep tisch gegenüberstand, für den Nachweis der Prä­senz von Frauen in Militärlagern.348 Zwar betont sie in

schen Raums ablesbar.344 Allison 1994. 2004. Berry 1997. Dies., The Conditions of

Domestic Life in AD 79. A Case­Study of Houses 11 and 12, Insula 9, Region I, PBSR 65, 1997, 103–125. Sigges 2000.

345 Vgl. P. M. Allison, People and Spaces in Roman Military Bases (Cambridge – New York 2013) 108.

346 Allison 2004a, 156.347 „It is by no means certain that women carried out all such

production [i.e. cloth production]“; „attempts to separate fe­male from male toilet activities by ascribing certain types to the former are somewhat subjective“ (Allison 2004a, 156).

348 Allison a. o. (Anm. 345), 65–108 mit geschlechtsspezifi­schen Zuweisungen verschiedener Objektgattungen.

IdealbIld und lebenswIrklIchkeIt 95

einem Artikel dazu, dass Objekte höchstens als „possib­ly female(?)“ bezeichnet werden könnten, spricht an an­derer Stelle jedoch von „definite female­related items“, die nicht näher erläutert werden.349 Berg, die sich in ihrer noch unpublizierten Dissertation der Verortung von Frauen gemächern bzw. der Lokalisierung von Tä­tig keiten weiblicher Haushaltsmitglieder auf Basis der Ver teilung von Funden angenommen hat, stützt sich aus schließlich auf solche Sets von Funden, die Spiegel be inhalten; auf Grundlage ihrer ikonografischen Un ter­su chung des Motivs des Spiegels in der pompejanischen Wand malerei geht sie davon aus, dass Spiegel die ein­zige Objektgattung sind, für die mit Sicherheit Frauen als Nutzerinnen angenommen werden können.350 Für Spie gel gilt jedoch genauso wie für alle in diesem Rah­men auf ihre Verteilung hin untersuchten Funde, dass sie in Bild­ und Textquellen als weibliche Attribute auftau­chen, ihre Benutzung im realen Alltagsleben aber auch für männliche Hausbewohner nicht ausgeschlossen wer den kann.351 Man könnte außerdem umgekehrt die Fra ge stellen, ob und wie man all dem nun auch „spezi­fisch männ liche“ Funde entgegensetzten könnte.352 Eine Über tragung der in den Quellen spezifisch weib­lich kon no tierten Attribute auf die tatsächlichen Hin­ter las sen schaf ten des römischen Alltagslebens, wie es im Zer stö rungs befund Pompejis – wenn auch mit Ein­schrän kun gen – widergespiegelt wird, ist deshalb nicht un prob le matisch. Da eine Untersuchung, wie hier vor­ge nom men, jedoch nicht ohne die willkürliche Aus wahl von Ob jekt gattungen als Indikatoren für die Prä senz be stimm ter Personen(gruppen) im Haus funk tio nieren kann, musste für die hier gebotene Auswahl an Ob­jekt gat tun gen genügen, dass die Quellen die Nutzung dieser Ob jek te durch Männer ausschließen bzw. ledig­lich als Mo tiv der Diffamierung verwenden und sie als weib li ches Ideal beschreiben.353 Es wird im Folgenden zu zeigen sein, welche weiteren methodischen Pro ble­me die De fi ni tion personenspezifischer Objekte – in die sem Fall Schmuck stü cke, Textilarbeitsgerät und Toi­let ten ar ti kel – mit sich bringt.

Ein generelles Problem der artefact distribution ana ly sis ist die natürliche Selektion der Funde: So sind or ga nische Materialien extrem selten erhalten, sodass z. B. Textilien, Nahrungsmittel etc. i. d. R. als Fund­grup pen herausfallen.354 Hinzu kommt, dass die Ver tei­lung und Anzahl der Objekte noch nichts über die Häu­

349 Allison 2006, 6 f. 10. Allison identifiziert zudem auch „de fi­nite child­related material“ (ibid., 12).

350 Vgl. Berg 2007.351 Vgl. Fantham u. a. 1994, 341: „Many objects are not clearly

gen dered“. Allison argumentiert, dass die nachgewiesene Be schäf ti gung männlicher Arbeiter in Textilbetrieben be­deu tet haben könnte, dass Männer ebenso für die Produktion im Haus halt eingesetzt wurden (Allison 2004a, 156) – dies al ler dings setzt voraus, dass man grundsätzlich eine hausei­gene Tex til produktion annimmt, die über die symbolische Zur schau stellung von Textilarbeit hinausgeht.

352 Vgl. Allison 2006, 6.353 Andernfalls müsste man die spezifisch weiblichen Ob jek­

te noch strikter eingrenzen und sie radikal auf diejeni gen Ob jek te beschränken, die nachweislich ohne Ausnah men aus schließ lich von römischen Frauen genutzt wurden: Ohr­, Hals­, Armschmuck und Haarnadeln.

354 Larsson Lovén 2007, 229.

fig keit ihrer Nutzung aussagt; und dass Schmuck und Kos me tik uten silien oder Textilarbeitsgerät in bestimm­ten Räu men und Raumtypen gefunden wurden, heißt noch nicht, dass sie dort tagtäglich und gemäß ihrer ur sprüng li chen Funktion verwendet wurden.355 Vor allem aber überschneiden sich im archäologischen Be­fund als Spiegelbild der Sozialstruktur der domus die Zu ge hö rig keiten einzelner Personen zu den Kategorien frei/ unfrei, männlich/weiblich, erwachsen/minder jäh­rig (vgl. Abb. 15).356 Selbst wenn es also – rein hypo­the tisch – möglich wäre, statusdistinktive Indikatoren einer be stimm ten Personengruppe aus dem archäo lo­gi schen Befund „herauszupräparieren“, bliebe die Fra­ge, wie diese dann weiter auszudifferenzieren und die Ka te go rien Geschlecht und Alter mit einzubeziehen wären, da beispielsweise zur Kernfamilie – bestehend aus freien Römern, die den Sklaven im Haus über stellt wa ren – dominus, domina sowie ggf. deren ge mein sa­men Töchter und Söhne gehörten, d. h. Per so nen un ter­schied lichen Geschlechts und Alters. So bietet eine z. B. im baulichen Befund sichtbare räumliche Tren nung von Skla ven und Freien, wie anhand der Skla ven quar tie re der Ca sa del Menandro (I 10,4) postuliert, ar chäo lo­gisch keine Informationen über Ge schlech ter­ und Al­ters un ter schiede innerhalb dieser Gruppen.357

Umgekehrt sagen Funde von Textilarbeitsgeräten, die in Text­ und Bildquellen als typisch weibliche At tri­bu te auftauchen, nichts über Alter und Status der Nut ze­rin nen der Objekte aus, sodass nur zu mutmaßen ist, ob die domina oder Sklavinnen Spinn­ und Webarbeiten im Haus nachgingen oder ob auch Mädchen in diesen Tä­tig kei ten unterrichtet wurden.358 Das Alter ist diejenige

355 Berry 1997, 194. Es handelt sich hierbei um ein verein­fach tes Schema, das exemplarisch herausstellt, inwiefern sich verschiedene Personengruppen überschneiden bzw. in wie fern einzelne Personen nach unterschiedlichen Krite­rien verschiedenen Gruppen/Kategorien zugeordnet wer­den können. Genauso wie Hausherr und Hausherrin nicht zwangs läufig Kinder hatten und nicht jeder kleinste Haus­halt Skla ven besaß, können in größeren familiae weitere Per so nen wie z. B. die Eltern oder noch nicht verheiratete Söh ne des dominus und der domina oder Freigelassene in­te griert gewesen sein. Dominus, domina, servus und serva sind deshalb nur als Einzelfiguren herausgestellt, um die Über schnei dungen im Schaubild in personalisierter Form sichtbar zu machen.

356 Abb. 16 stellt die drei Kategorien dar, anhand derer man die Hausbewohner in Gruppen differenzieren könnte, Abb. 15 zeigt die Überschneidungen dieser Kategorien und macht somit die methodischen Schwierigkeiten deutlich: Zu den weiblichen und männlichen Hausbewohnern gehören je­weils Erwachsene wie Kinder, Freie wie Unfreie. Fragt man dagegen nach dem Status, vereint die Kernfamilie Männer wie Frauen und wiederum Erwachsene wie Kinder. Vgl. auch Wallace­Hadrill 1996, 114, unter Einbeziehung Außen­stehender (Gäste und Klienten): „The gender relations of the Roman house are embedded in its other relations: of insider and outsider, family and visitor, patron and client, owner and tenant, master and slave, Roman and Greek, young and old.“

357 Zu den Räumen 35–38 der Casa del Menandro als „einpräg­samstes Beispiel eines […] Sklavenwohnbereichs in einer römischen domus“ vgl. Bremen 2011, 250; vgl. dazu die Kartierung der Funktionsbereiche des Hauses (ibid., 247 Abb. 1). Ähnlich bereits Wallace­Hadrill 1994, 40 Abb. 3. 2. Vgl. auch Schlafstätten für Sklaven in vier weiteren Häusern laut Kastenmeier (P. Kastenmeier a. o. (Anm. 322) 53).

358 Inwieweit die Wollarbeit als Topos in den Quellen noch Pa­rallelen in der Lebenswirklichkeit der römischen Kaiserzeit

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der drei Kategorien (Abb. 16), die sich archäologisch wohl am schwersten fassen lässt, weil Kindern keine be­stimm ten Räume und nur selten spezifische Objekte zu­ge wiesen werden können.359 Besonders Mädchen blei­ben sowohl in den Quellen als auch im archäologischen Be fund meist unsichtbar, weil sie durch ihr Geschlecht und Alter „doppelt benachteiligt” waren.360 Sind die in den Abschnitten II und III aufgeführten Quellen ver­mehrt Reflektionen einer römischen Oberschicht und spie geln die Ideale und Klischees der römischen ma-trona wider, ist eine Differenzierung zwischen freien und unfreien, minderjährigen und erwachsenen Frauen anhand der in den Abschnitten IV.2 und IV.3 behandel­

hatte, s. o. Abschn. III.3. 359 Vgl. Wallace­Hadrill 1994, 9 f. Aus Gräbern kennen wir

Spielzeuge wie Puppen, doch selbst in Grabkontexten wur­den Mädchen häufig als die Frauen dargestellt, die sie einmal werden sollten, sodass sich Ikonografie und Beigaben nicht immer von den Gräbern erwachsener Frauen unterscheiden (D’Ambra 2009, 16). So auch F. Crowe, Women, Burial Data and Issues of Inclusion, in: S. Dixon (Hg.), Childhood, Class and Kin in the Roman World (London – New York 2001) 122–162, dav. 159. Dagegen Swift 2011, 207 über ei­nen im römischen Imperium entstehenden Trend, Mädchen durch deutlich mehr Schmuckbeigaben von älteren, verhei­rateten Frauen zu differenzieren (Swift 2011, 207). Zu dem Versuch, Kinder als Zeichner bestimmter Graffiti auszuma­chen, vgl. K. V. Huntley, Identifiying Children’s Graffiti in Roman Campania. A Developmental Psychological Ap­proach, in: J. A. Baird – C. Taylor (Hgg.), Ancient Graffiti in Context (London 2011) 69–89.

360 D’Ambra 2009, 15. Zumindest aus pompejanischen Häu­sern kennen wir keine Funde, die als distinktive altersspezi­fische Merkmale dienen können (Allison 1997, 352).

ten archäologischen Funde und Befunde aus konkreten Wohn kontexten kaum möglich. Eine Ausnahme stellt ein Arm reif mit ziselierter Inschrift aus Pompeji dar, die das Schmuck stück als Geschenk eines Herrn an seine Skla vin ausweist: „Dom(i)nus ancillae suae“.361 Die In schrift eines elfenbeinernen Kamms im British Mu­se um nennt vermutlich seine Besitzerin Modestina mit ihren Tu gen den.362 Beide Objekte sind Idealfälle, ent­hal ten sie doch Informationen zum Geschlecht und Sta­tus ihrer Be sit zerinnen; leider handelt es sich jedoch um Aus nah mefunde.

Wallace­Hadrill hat ein Schema entworfen, das die Per so nengruppen von Bewohnern und Besuchern im Haus nach den Achsen Grand/Humble sowie Public/Pri vate trennt; die so miteinbezogenen Gäste und Klien ten sind durch die Public/Private­Achse von der fa mi lia unterschieden und stehen ihr als „outsiders“ ge­gen über, lassen sich jedoch untereinander anhand der Grand/ Humble­Achse, d. h. aufgrund ihres Status als clien tes oder amici differenzieren.363 Das hier einge­führte Schema berücksichtigt die outsiders nicht, son­dern beschäftigt sich allein mit den Beziehungen der Mit glieder der familia untereinander. Wallace­Hadrill the matisiert zwar die für den vorliegenden Artikel frucht bar gemachten Kategorien „sex, age, and rank“, jedoch können auf Grundlage seiner Untersuchung der Ar chitektur und Ausstattung pompejanischer Wohn­häu ser nur soziale Hierarchien (rank) von Bewohnern und Besuchern, nicht jedoch alters­ und geschlechts­spezifische Unterschiede (sex, age) sichtbar gemacht werden.364 An anderer Stelle verweist Wallace­Hadrill aber auf eben jenes Material, das im Zuge einer Un­ter suchung der anderen beiden Achsen Potenzial bietet und in IV.2.b zu Rate gezogen wird: „There is still much potential in increasing our understanding of artefacts

361 A. Weiss, Sklaven und Freigelassene in Pompeji und ihre so­ziale Mobilität, in: Meller – Dickmann 2011, 180–184, dav. 182 m. Abb. 1. Berg 2002, 46.

362 Swift 2009, 153. Micheli – Santucci 2001, 21 Abb. II 12.363 Wallace­Hadrill 1994, 38.364 Ibid., 10.

Abb. 15 Sozialstruktur der domus. Von der Autorin erstellt

Abb. 16 Kategorien zur Differenzierung der Hausbewohner. Von der Autorin erstellt

IdealbIld und lebenswIrklIchkeIt 97

associated with female activity such as jewelry, toile­tries, or items associated with sewing and weaving“.365

IV.3.b Praktisches BeispielAllisons Arbeiten zur Verteilung von Funden in Pompeji mussten nicht nur umfassende Studien der Gra bungs be­richte, sondern v. a. deren Interpretation zur Eruierung der Fundkontexte und schließlich Recherchen zum Ver­bleib und den aktuellen Aufbewahrungsorten der Ob­jek te vorausgehen. Die auf ihrer Materialsammlung ba sie ren den Statistiken wertete Allison im Hinblick auf die Lo ka lisierung bestimmter Tätigkeiten und auf die Nut zung verschiedener Raumtypen aus. Jede Fund gat­tung wird dabei als Indikator bestimmter Tä tig keits be­reiche ver standen, sodass z. B. einige Typen von Ke­ra mik­ und Bron ze gefäßen unter die Kategorien „food preparation” oder „serving/table vessels” fallen und Fun de von Wür feln oder Spielsteinen als Hinweise auf „gaming/music” im Haus gedeutet werden. Da Allison von den kon ven tio nellen Raumbezeichnungen, aber v. a. von den häufig damit verbundenen Vorstellungen festgelegter Raum funk tion abkommen wollte, entwarf sie eine objektive No men klatur, die allein auf der Lage der Räume im Haus basiert: So werden z. B. Atrien als „front halls” (Raumtyp 3), cubicula als „small closed room off the side of front hall“ (Typ 4) oder „small closed room off garden/terrace or lower floor” (Typ 12), z. T. jedoch auch als „other room outside main front hall/garden complex“ (Typ 16) aufgeführt; eine Tabelle, welche als Konkordanz fungiert, macht deut­lich, dass Allison im Grunde jedoch ebenfalls mit den konventionellen Typisierungen arbeitet und lediglich einige Modifizierungen vornahm, deren vermeintliche Konkretisierung der Raumbezeichnung Manches ver­komplizierte, wie am Beispiel der cubicula zu sehen ist.366 Letztlich ist damit nur gewonnen, dass etwaige funktionale Konnotationen ausgeschaltet werden; im Textfluss wirken die neuen Bezeichnungen allerdings eher umständlich.

Für den vorliegenden Abschnitt werden lediglich Ten den zen bzw. allgemeine methodische Beob ach tun­gen auf der Grundlage von Statistiken formuliert, ohne ins Detail gehen zu können. Nur Autopsien der Häuser selbst, zusammen mit der Aufnahme ihrer Funde in den Depots und Studien der Grabungsberichte können Ein blicke in die Prozesse – d. h. die Lebensumstände un mit telbar vor 79 n. Chr., die Situation während des Ve suv aus bruchs und ggf. spätere Plünderungen – ge­ben, die zu der Verteilung der Objekte geführt haben.367 Hierbei kann jedoch auf Bergs Dissertation verwiesen werden, deren Publikation in Vorbereitung ist; Berg hat die Aktivitäten der Frauen des Hauses auf der Grund­lage von Fundverteilungen kartiert, welche sie – wie Al­li son – durch langwierige Arbeiten vor Ort eruiert hat.368 Leider lag mir ihre Dissertation jedoch bis zum Re dak­tions schluss dieses Artikels nicht vor. Sucht man aber

365 Ders. 1996, 112.366 Allison 2004a, 64 Taf. 5.a. Vgl. auch http://www.stoa.org/

projects/ph/room_types.html.367 Vgl. Wallace­Hadrill 1994, 89.368 R. Berg, Il Mundus Muliebris nelle Fonti Latine e nei Con­

testi Pompeiani (Dissertation Helsingin Yliopisto 2010).

in Allisons Studien, die dankenswerterweise auch on­line in Form einer Datenbank zur Verfügung stehen,369 gezielt nach den Objektgattungen Schmuck, Kosmetik und Textilarbeit, die unter den Tätigkeitsbereichen („ty­pe func tion“) „adornment/dress/weaponry“ und „ablu­tions/ personal hygiene/health“ und „cloth­working ap­pa ratus“ aufgeführt sind, ergibt sich Folgendes:

Für die 30 von Allison untersuchten Häuser gibt es 176 Da ten bank einträge von Objekten, die als „hairpin“ oder „jewelry“ bezeichnet sind;370 67 dieser Einträge – d. h. mehr als ein Drittel – beinhalten Gold­, 33 Bron ze­, 10 Silber­ und 11 Eisenschmuck. Ver ein zel te Schmuck­stücke bestehen aus Keramik (1), Mar mor (1), Schild­patt/ Muschelschale (1), Bein (6) und Stein (10), wei te re 35 Einträge existieren für Glas ob jek te, bei denen es sich um einzelne oder Sets von Per len handelt.371 Die große Anzahl von goldenen Schmuck stü cken wird in so fern re­lativiert, als allein 22 der 67 Ein träge von Gold schmuck sich auf Funde aus dem un ter ir di schen Raum B der Casa del Menandro beziehen, die dort, in einem Holzkästchen verpackt, zusam men mit dem be rühm ten „Silberschatz“ ge fun den wurden.372 Die Ge samt heit der Schmuckfunde stammt aus ins ge samt 75 Räumen von 25 der 30 Häuser, und eine Aus wer tung ihrer Verteilung innerhalb der Häu ser unter Be rück sich tigung der Raumtypen Alli sons zeigt, dass die im Vergleich größte Anzahl von Schmuck­fun den aus Räu men des Typs 16 stammt. Rechnet man jedoch wie de rum den Schatzfund aus Raum B der Casa del Menandro heraus, der unter Allisons Raumtyp 16 fällt, bleiben in dieser Raumkategorie nur noch 8 Ein­trä ge übrig.373 Daraus geht hervor, dass letztlich die Raum ty pen 22 (Obergeschossräume), 3 (atria), 9 (pe-ris tylia, ambulationes, viridaria), 4 (cubicula) und 1 (fau ces, vestibula) die meisten Schmuck funde auf wei­sen. Ein Ergebnis, das eine ausgeglichene Ver tei lung von Schmuckfunden zu belegen scheint und in der Mi­schung von Durchgangsräumen (Typen 1, 3), Pe ris tylen bzw. Gar ten arealen und kleinen oder nicht sofort beim Ein tritt in das Haus erreichbaren Zimmern (Ty pen 4, 22) überrascht. Besonders die Schmuck funde aus den Eingangsbereichen der Häuser erstaunen, können diese Fundorte doch kaum als ursprünglicher Auf be wah rungs­ort des Schmucks der Haus halts mit glieder ver standen werden. Eine detailliertere Be trach tung der Ob jek te bzw. der Fundkontexte schien deshalb not wen dig und ergab, dass 12 der 14 Da ten bank einträge von Schmuck aus fauces und ves ti bula Beifunde von Ske let ten bein hal ten;

369 Allison 2004b.370 Die übrigen Objektgruppen der Kategorie „adorn ment/

dress/ weaponry“ wurden nicht in diesen Abschnitt mit ein­be zo gen, da es sich um Waffen oder nicht geschlechts spe zi­fi sche Objekte wie Fibeln oder Gürtelschnallen handelt.

371 Der Eintrag eines Objektes beschreibt dessen Material als „un identified”. Allison 2004b (Abfrage: „typefunction is Adorn ment/dress/weaponry”).

372 A. Maiuri, La Casa del Menandro e il Suo Tesoro di Ar gen­te ria (Rom 1933). Zu den einzelnen Funden und der In ter­pre ta tion des in Raum B gelagerten „Schatzes“ vgl. P. M. Al­li son, The Insula of the Menander at Pompeii III. The Finds, a Contextual Study (Oxford 2006) 314–317.

373 Die Raumtypen, in denen nicht zwangsläufig die größte Menge, aber am häufigsten Schmuck gefunden wurde, sind Atrien (Typ 3), cubicula (Typ 4), Peristyle (Typ 9) und Ober­geschossräume (22).

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d. h. diese Schmuck stücke wurden bei der Ver schüt tung der Häu ser von Personen getragen oder aufgrund ihres Ma te rial wertes als Fluchtgut mit ge führt, befanden sich also nicht an ihrem üblichen Auf be wah rungsort.374 Die Ver ge sell schaftung von Schmuck­ und Skelettfunden trifft da ge gen in nur zwei Fäl len – aus Raum 43 der Casa del Me nan dro – auf den Raum typ 4 und drei mal auf Räume der Kategorie 22 zu. In derartigen Räumen, in denen die Funde nicht den Schmuck darstellen, den flüch tende Personen trugen, kann dementsprechend die Auf be wah rung persön li cher Schmuck stücke ange nom­men werden; Allisons Be schrei bung dieser Raum ty pen als „small closed“ (4) bzw. „upper floor rooms and ma­terial in upper level de po sits“ (22) legt zumindest nahe, dass die Wertobjekte dort sicher und für Besucher oder Ein dring lin ge nicht ohne weiteres zugänglich waren.375 An ders muss es sich mit den Stü cken aus den Atrien (Typ 3) und Peristylen bzw. am bu lationes und Gärten (Typ 9) ver hal ten haben. Auch hier belegen die Fundkontexte, dass die Ob jek te vor Ort aufbewahrt wurden: Kein ein­zi ges Schmuck stück aus Atrien steht in Verbindung mit einem Ske lett fund. Aus den Gartenarealen wurden zwar fünf Schmuck stücke während des Vesuvausbruchs von Per so nen am Körper getragen, jedoch stammen alle aus dem selben Gartenareal x der Casa di Trebius Va lens (III 2,1), sodass es sich bei den übrigen Schmuck fun den aus Räu men des Typs 9 um übliche Lo ka li sie run gen zu han­deln scheint. Die entsprechenden Objekte aus den Atri en stam men zu 65% aus großen Schränken – oder sel te ner Tru hen –, in denen verschiedene Haus halts­ und Wert­ge gen stände aufbewahrt wurden.376 Be son ders Gold­schmuck wurde, wenn man von den Skelett bei fun den ab sieht, häufig in Verbindung mit solchen Mö beln ge­funden.377

335 Einträge sind in Allisons Datenbank für die Ka­te go rie „ablutions/ personal hygiene/ health“ erfasst – und wie die Bezeichnung schon vermittelt, han delt es sich sowohl um medizinische als auch kos me tische Ar ti kel sowie um verschiedene Formen von Was ser­ge fä ßen und Waschbecken.378 Aufgrund dieser Menge ver schie dener Objektgattungen, die nicht alle ge­schlechts spezifisch eingeordnet werden können, wurde die Abfrage auf Funde von Spiegeln und glä serne Par­füm­ oder Salbölgefäße als diejenigen Ob jek te aus der Samm lung beschränkt, die auch in den Bild quellen als weib li che Attribute auftauchen.379 130 Da ten bank ein­

374 In Pompeji sind insgesamt verhältnismäßig wenige Wert­gegenstände, wie Schmuck oder Tafelgeschirr aus Silber und Gold gefunden worden, die oft Fluchtgut waren (Berry 1997, 186).

375 Zur Problematisierung des Raumtyps 22 s. u. (in diesem Ab­schnitt).

376 Beispielsweise im Atrium 2 der Casa della Venere in Bikini (I 11,6–7), 3 der Casa del Fabbro (I 10,7), b der Casa di Casca Longus (I 6,11), b des Hauses VI 15,5 (Allison 1992, 151. 201 f. 235. 376).

377 Von 67 Datenbankeinträgen von Goldschmuck stammen 22 aus Raum B der Casa del Menandro, 18 waren Skelett­bei funde und elf der verbleibenden 27 stammen aus Truhen oder Schränken überwiegend in Atrien.

378 Allison 2004a (Abfrage: „typefunction is ablutions/personal hygiene/health“).

379 Nicht miteinbezogen wurden Löffel­, Spatel­ und andere Son den, Pinzetten, strigiles, Wassergefäße­, ­becken und

trä ge betreffen „small glass bottles“ (un guen taria, bal­sa ma ria, alabastra, boccette, boccettine, bot tiglie, la­cri ma toie, caraffinette), die in 29 der 30 Häu ser, meist zu mehreren, gefunden wurden;380 19% dieser Glas ge­fä ße stammen aus großen Auf be wah rungs mö beln und auch hier kann, wie bei den Schmuck fun den, kon statiert werden, dass oftmals Schrän ke in Atri en als Auf be wah­rungs orte fungierten, wie in den Atri en b der Ca sa del Sa cel lo Iliaco (I 6,4), 2 der Casa della Venere in Bikini, 3 der Casa del Fabbro, b des Hau ses VI 15,5 und 41 des sog. Verwalterhauses der Ca sa del Me nan dro.381 In ver schie denen anderen Raum typen (4, 7, 9, 22) wur­den vereinzelt weitere Gruppen glä ser ner Par füm­ und Öl fläsch chen in Auf be wah rungs möbeln ge fun den.382 Ins ge samt dominieren Raum typen 3, 4, 16 und 22 als Fund or te von unguentaria und balsamaria; es lassen sich darü ber hinaus keine Muster oder Regel mä ßig kei­ten in den Fundorten ablesen.

Bei den 20 Spiegeln aus 12 Häusern, die in Allisons Datenbank erfasst sind, handelt es sich fast ausschließ­lich um bronzene Exemplare; lediglich drei Spiegel, da­von zwei aus besagtem Schatzfund der Casa del Me nan-dro, wurden aus Silber gefertigt.383 Die größte Grup pe – acht Exemplare – der Spiegelfunde stammt aus fünf verschiedenen Obergeschossräumen (Typ 22), darüber hinaus nur ein Exemplar aus dem Raumtyp 2 und je zwei aus den Raumtypen 3, 4, 12 und 16, wenn man vom Menandro­Schatz absieht. Es handelt sich, soweit anhand der Datenbankeinträge ersichtlich, um Griff­ und Klappspiegel. Während gläserne un guen taria bzw. balsamaria in allen Haushalten als Funde auftauchen, scheinen die Spiegel ein rares oder selten überliefertes Gut darzustellen; vielleicht ist diese Dis kre panz mit den un ter schiedlichen Materialwerten zu erklären. Mög li­cher weise waren die bronzenen Spiegel Wert gegen stän­de und nicht in jedem Haushalt vorhanden oder be lieb­tes Gut späterer Plünderer. Die größten Gruppen beider Fundgattungen stammen jedenfalls aus Räumen des Typus 22, der eine problematische Kategorie darstellt, umfasst er doch sämtliche Ober ge schoss räume sowie vulkanische Schichten über dem Fußbodenniveau.384 Da für die meisten Häuser in Pompeji aus der Zeit ih­rer Aus grabung keine wirkliche Stratigrafie existiert und die Re kon struktion der Größe, Anzahl und Ausstattung von Ober geschossräumen diffizil ist, bieten höchstens die Gra bungsberichte in Einzelfällen Informationen dar­über, in welcher genauen Position und Höhe über dem Bo den niveau manche Objekte gefunden wurden.385 Die

La tri nen vor richtungen. Auch Einzelfunde von Pyxiden, die se pa rat unter „storage and transport vessels“ aufgeführt sind, wurden nicht berücksichtigt, weil sie sich – ebenso wie Ob jek te der Kategorie „small storage/transport con tai ners“ schwer auf eine ausschließliche Funktion als Kosmetik­ und Schmuck behälter beschränken lassen.

380 Allison 2004b (Abfrage: „artiftype is small glass bottle”).381 Vgl. Allison 2004a, 139.382 In Raum f (Typ 7) der Casa del Sacello Iliaco, UFl der Casa

del Fabbro (Typ 22), e der Casa di Trebius Valens (Typ 4), L des Hauses VI 16,26 (Typ 7) und in zwei verschiedenen Schrän ken des Raums CC der Casa di Iulius Polybius (Typ 9).

383 Allison 2004b (Abfrage: „artiftype is mirror”).384 Vgl. Allison 2004a, 64 Taf. 5.a: „Upper floor rooms and ma­

terial in upper­level deposits“.385 Allison 2004a, 31. Für die Funde aus der Insula del Me-

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Lo ka lisierung von Funden in Räumen des Typs 22 ist dem ent spre chend undifferenziert und lässt keine Rück­schlüs se auf die konkreten Räume zu. Da es sich stets um eine Mischung von Objekten aus mehreren ver schie­denen Räumen handelt, verwundert es nicht, dass die Zahl von Funden so groß ist. Aussagekräftiger scheinen die Übereinstimmungen der Verteilung im Hinblick auf die Raumtypen 4 und 16, welche kleine Räume am Atri­um bzw. Räume abseits des Atriums und des Pe ris tyls betreffen.386 Obwohl beide Typen insgesamt quantitativ sehr starke Gruppen verschiedener Räume umfassen,387 kann zumindest konstatiert werden, dass es sich nicht um große Durchgangs­ oder Empfangsräume handelt, in denen mit einem großen Personenverkehr zu rechnen war. Auch Allison verortet in der Druckversion ihrer Materialauswertung „toiletry items“ – die sie allerdings nicht im Einzelnen aufführt – hauptsächlich in diesen Raum typen.388 Für die Aufbewahrung von persönlichen Kos me tikartikeln oder ­geräten, ebenso wie für die Pro­ze dur der Schönheitspflege selbst, konnten sol che Räu­me zumindest eine gewisse Un ge stört heit bie ten. Den­noch sind die Objekte dieser Fund gat tun gen stets mit an de ren Gegenständen unter schied licher Funk tion in dem selben Raum vergesellschaftet und zeigen so mit un­ter schied liche Nutzungen bzw. eine funk tional ge misch­te La ge rung unterschiedlicher Haus halts ge gen stän de. Da ne ben steht, als zweite interessante Beob ach tung, die Auf be wahrung von Par füm fläschchen, wie auch von Schmuck stücken, in Schrän ken und z. T. Tru hen der Atrien. Man würde kaum vermuten, dass sich die Haus her rin mitten im Atri um schminkte oder frisieren und schmü cken ließ; so bleibt nur die dortige La ge rung der Uten si lien schluss zu fol gern. Wie eine Über sicht Al­li sons zeigte, enthielten die großen Möbel i. d. R. eine Viel zahl verschiedener Ob jek te, darunter z. B. Koch­ und Ser vier geschirr, aber auch Spielsteine oder Wert­ge gen stän de und Geld.389 Neben der bloßen Auf be wah­rung ist eine Funktion nicht nur der Truhen, sondern auch der Schränke als Schau­Möbel denkbar, die zwar selbst keine solch pres tigeträchtigen Aus stel lungs stücke wie z. B. die viel fach in pompejanischen Atrien gefun­denen Mar mor tische waren, aber auf das Vorhanden sein wert vol len Besitzes hinwiesen und möglicherweise zur Aus stel lung von Prestigeobjekten geöffnet wurden.390 So präsentiert Petrons Trimalchio seinen Gästen stolz das Inventar des Schrankes in seinem Atrium, zu dem auch sein erster Bart gehört.391 Das Atrium als promi­nenter Empfangsraum im Haus, in dem die Hausgötter

nandro (I 10), die erst verhältnismäßig spät – d. h. in den 1920er–30er Jahren – ergraben wurde, existieren immer­hin Angaben wie z. B. „2,5 m above pavement“, aber auch Ungenaueres wie „in ash layer“ oder „in disturbed diposit“ (vgl. Allison a. o. (Anm. 372)).

386 Vgl. Allison 2004a, 142.387 Nach der konventionellen Terminologie cubicula, reposito-

ria, stabula und praefurnia.388 Allison 2004a, 156.389 Allison fasst die Funde aus den Aufbewahrungsmöbeln der

Atrien als „fairly utilitarian items“ zusammen (ibid., 69). 390 Truhen in der Funktion als „show­pieces“ enthielten nicht

nur Kostbarkeiten, sondern besaßen auch selbst hohe Wer­tigkeit aufgrund ihrer Größe und meist bronzenen Beschläge (vgl. Dickmann 1999, 110–112).

391 Petron Sat. 29.

und eigenen Vorfahren verehrt, dem Hausherrn die Auf­wartung gemacht und die Integrität der Haus her rin und der familia symbolisch zur Schau gestellt wurden, diente schließlich auch der Ausstellung von Status und Ver mö­gen des Hausherrn – und seiner Frau.392

Für Textilarbeitsgerät existieren in Allisons Da­ten bank insgesamt 103 Einträge der Objektgattungen „weav ing implements“, „spinning implements“ und „needle work/ netmaking“.393 Die Funde – in 41 Ein trä­gen von Web ge wichten, 20 von Spinngerät und 42 von Na deln fest gehalten – stammen aus 73 verschiedenen Räu men von 21 der 30 von ihr untersuchten Häuser. Da die An zahl dieser Objekte, besonders der Web ge wichte, die Anzahl von Datenbankeinträgen der genannten Ob­jekt gruppen um ein Vielfaches über steigt, d. h. manche Da ten bankeinträge mehrere Objekte umfassen, wird im Fol gen den die Anzahl der Funde und nicht die der Da­ten bank einträge angeführt.394 Zwei Diagramme zeigen zum einen dennoch, wie viele Einträge spezifisch weib­licher Objekte für jeden Raumtyp existieren (Diagramm A), zum anderen in wievielen Räumen jeden Raumtyps die Ob jek te gefunden wurden (Diagramm B). Im Ver­gleich machen die beiden Diagramme sichtbar, in welchen Fällen eine große Anzahl von Objekten aus nur wenigen oder nur einem Raum stammt und somit die In ter pretation verfälschen würde, wenn man aus­schließ lich das zahlenmäßige Vorkommen der Objekte (A) betrachtete. Dies ist, wie bereits thematisiert, z. B. für den Raumtyp 16 der Fall.395

Von insgesamt 243 Webgewichten bestehen 82 aus Ke ra mik und 157 aus Blei; die größte Gruppe – 64 Stück – stammt aus Atrien, weitere 60 Gewichte wurden in Räu men des Typs 6 (Triklinien), 17 in Ober ge schoss­räu men bzw. Fundhorizonten über dem Bo den ni veau (Raum typ 22) gefunden.396 Diese Zahlen sind mit ein­zelnen Kumulationen vieler Webgewichte zu erklären; bewertet man die Häufigkeit von Webgewichten in be­stimmten Raumtypen, so dominieren Räume des Typs 22, gefolgt von Atrien (Typ 3) und cubicula (Typ 4). Ein Pro blem bei der Interpretation von Webgewichten bzw. der Rekonstruktion von Webstühlen ist jedoch stets die Fra ge, wieviele Webgewichte einen Webstuhl ausma­chen. Die Anzahl der Webgewichte, die für einen Web­stuhl notwendig war, ist in der Forschung umstritten und dürfte je nach Größe des Webstuhls variiert haben. R. Ling vermutet für kleine Exemplare im Haus halts ge­

392 Vgl. dazu u. a. Dickmann 1999, 114. 309–312. Leach 2004, 30 f. Milnor 2005, 108.

393 Allison 2004b (Abfrage: „typefunction is cloth­working ap­paratus”).

394 Hier zeigt sich ein Nachteil von Allisons Datenbank, die in einem Eintrag z. T. mehrere Objekte aufführt, was vermut­lich auf die Angaben aus dem Giornale degli Scavi zurück­zuführen ist. Für die Gattungen der Schmuckstücke und Kos­metikobjekte bedeuteten die gleichmäßigen Schwankungen zwischen einem und, seltener, zwei bis vier, in Einzelfällen zehn Objekten pro Eintrag keine Verzerrung der Statistiken; im Falle der Webgewichte umfassen jedoch manche Einträ­ge mehr als 20, 30 oder gar 50 Einzelobjekte, weshalb die 41 Datenbankeinträge eine Gesamtzahl von 234 Gewichten beinhalten. Deshalb wird im Folgenden zwischen Daten­bankeinträgen und Anzahl der Objekte differenziert.

395 S. o. (in diesem Abschnitt).396 Fünf weitere Gewichte bestehen aus Holz, Stein u. a. Allison

2004b (Abfrage: „artiftype is weaving implement”).

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brauch nur ca. vier Webgewichte, weil v. a. in Pompeji sehr selten größere Mengen solcher Ge wich te gefunden wurden;397 E. Trinkl führt eine Kon zen tra tion von vier Web ge wich ten in einem La ger raum des Hanghauses 1 in Ephesos zur Un ter stüt zung dieser These an.398 Da­ge gen stehen mehrere Fundgruppen verhältnismäßig hoher Anzahlen von 54, 53 und 60 Webgewichten in der Casa del Principe di Napoli (VI 15,8) sowie den Häusern I 10,8 und VI 16,26 in Pompeji (Raumtypen 12, 3 und 6). Diese Zahlen wurden einerseits als pas­send für ein oder zwei große Webstühle, andererseits als Indizien für kommerzielle Textilproduktion inter­pretiert.399 Nicht nur ist die Anzahl der Gewichte pro Web stuhl schwer zu eruieren, sondern es stellt sich auch die An schluss frage, ab welcher Anzahl von Webstühlen man von einem kommerziellen Betrieb sprechen wür­de.400 Das dreimalige Vorkommen einer ähnlich gro ßen An zahl von Webgewichten könnte für die Kon struk tion drei er annähernd gleichgroßer Webstühle sprechen; al ler dings bleibt offen, wie dagegen die Vielzahl von Ein zel ob jek ten und kleinen Gruppen von Web ge wich­ten zu inter pretieren ist. Interessant ist jedoch das von Alli son kon sta tierte vielfache Vorkommen von Webge­wich ten in Atrien, u. a. in der Casa dei Quadretti Tea-tra li (I 6,11), Casa del Sacerdos Amandus (I 7,7), Casa dei Cei (I 6,15), Casa del Sacello Iliaco und dem Haus VIII 2,29–30.401 Zumindest an Licht und Platz dürfte es hier, im Gegensatz zu einer Vielzahl anderer Räume im Haus, nicht gemangelt haben. Auch für die sym bo li sche Zur schau stel lung eines Webstuhls hätte das Atrium den pas sen den Rahmen geboten, wie die o. g. Text stelle des As co ni us zeigt, welche die Ausstellung von Stoff aus Ei­gen produktion der Hausherrin im Atrium beschreibt.402

Im Gegensatz zu den Webgewichten kommen Spinn ­ge rä te – überwiegend als Einzelfunde von Spin deln – ver hält nismäßig selten, in 18 Räumen aus nur 12 Häu sern vor;403 sie sind in sechs Räumen des Typs 4 ver tre ten und sonst nur vereinzelt für andere Raum ty pen be legt. Fun­de von Nähnadeln stammen aus 17 Häu sern, wo sie je­weils mehrfach, in insgesamt 35 ver schie denen Räumen gefunden wurden. Eine große An zahl von Nadeln – 22 Stück – stammt aus Raum 13 der Ca sa dell’Efebo, wei­tere sieben aus Raum 5 der Ca sa del Fab bro, vier aus den Räumen 12 des Hauses I 10,8 und L des Hauses VI 16,26;404 die übrigen Nadeln sind Ein zel funde oder

397 R. Ling, The Insula of the Menander at Pompeii I. The Structures (Oxford 1997) 180.

398 Trinkl 2007, 83.399 Dazu P. M. Allison, Labels for Ladles. Interpreting the Ma­

terial Culture of Roman Households, in: P. M. Allison, The Archaeology of Household Activities (London – New York 1999) 57–74, dav. 70 f.

400 Obwohl Wallace­Hadrill 1994 erklärte, dass die Interpretati­on von Webgewichten aus Pompeji schwierig sei, weil bis­her keine Untersuchungen dazu vorlägen, stehen wir – trotz inzwischen publizierter Untersuchungen von Fundverteilun­gen und Textilbetrieben – immer noch vor denselben Fragen (vgl. Wallace­Hadrill 1994, 88).

401 Allison a. o. (Anm. 399) 70 f. Webgewichte wurden in acht Atrien der 30 Häuser gefunden (Allison 2004a, 69).

402 S. o. Abschn. IV.1.403 Vier Spindeln stammen allein aus der Casa dei Quadretti

Teatrali, drei aus der Casa del Principe di Napoli.404 Die Eisennadeln aus Raum 13 der Casa dell’Efebo wurden

mit maximal ein bis zwei anderen Ob jek ten gleicher Art vergesellschaftet. Am häu figs ten wurden Nähnadeln in den Raumtypen 4 (cu bi cu la) und 9 (Pe ri style/Gärten) gefunden. Insgesamt wurden Tex til funde überwiegend in Atrien (Raumtyp 3) und Pe ri sty len (9), jedoch auch in kleineren Räumen am Atri um oder abseits des Atriums oder Peristyls (4 und 16) und in Ober ge schoss räumen bzw. in höheren Ni veaus (22) geborgen.405

Für alle drei Fundgattungen – Schmuck, Kos me tik­artikel und Textilarbeitsgerät –, deren Verteilung unter­sucht wurde, lässt sich festhalten, dass sich der Groß­teil der Objekte auf wenige Raumtypen beschränkt (vgl. Diagramme A und B); weder große Empfangs­, Spei se räume oder Bäder (Typen 10, 11, 21) noch Wirt­schafts räume, Küchen, Latrinen, Höfe, Nutzgärten, an­ge schlossene tabernae (14, 15, 18, 19, 20) oder Ein­gangs räume, dem Eingang direkt benachbarte Räume, Kor ri dore, Treppen, Exedren und alae (1, 2, 8, 17, 13, 5) bargen viele spezifisch weibliche Objekte. Da der Raumtyp 22 alle Arten von Obergeschossräumen um­fasst, sind hierfür die mit Abstand meisten Funde ver­zeichnet, die nicht in die weiteren Überlegungen mitein­bezogen werden. In den Typen 4 und 16, aus denen viele der spezifisch weiblichen Funde stammen und die nach der konventionellen Terminologie cubicula, repo-sitoria, stabula und praefurnia einschließen, handelt es sich um eine Vielzahl kleinerer Räumlichkeiten, deren Anzahl und Ausstattung sich von Haus zu Haus unter­schieden und die deshalb hier nicht im Einzelnen de­tailliert behandelt werden können. Zumindest kann je­doch pauschalisiert werden, dass die Fundverteilungen zum einen auf eine Lagerung und/oder Nutzung von Objekten des mundus muliebris in kleineren, nicht ohne Weiteres zugänglichen Räumen hindeuten; zum anderen hat die statistische Untersuchung gezeigt, dass auch die Atrien – seltener die Peristyle – offenbar gerne für die Lagerung verschiedenster, auch wertvoller Haus halts­ge gen stände in Schränken und Truhen genutzt wurden. Solche großen Aufbewahrungsmöbel wurden laut Al li­sons Datenbank generell am häufigsten in Atri en gefun­den.406 In den meisten Fällen scheinen die Fund orte also lediglich die Aufbewahrungsorte anzuzeigen, welche nicht zwangsläufig – am ehesten vielleicht bei Tex til­ar beits geräten – mit den tatsächlichen Nut zungs orten gleich zusetzen sind.407

Am überzeugendsten lassen sich weibliche Nut ze­rin nen wohl für ganze Sets von Objekten postulieren, die Schmuck, Kosmetikartikel und evtl. – im Falle von Spindeln – auch Textilarbeitsgerät beinhalten. Da, wie bereits deutlich geworden ist, Schmuck und Kos me tik­ar ti kel häufig in großen Möbeln der Atrien aufbewahrt wurden, verwundert es nicht, dass diese häufig mit ein­

alle zusammen in einem Kästchen aufbewahrt; aufgrund der gemischten Fundzusammensetzung deutet Allison den Raum als Lagerraum (Allison 1994, 278 f.).

405 Allison 2004a, 156.406 Mehr als ein Drittel aller Kisten aus den 30 von Allison

untersuchten Häusern stammen aus Atrien (Allison 2004b, Abfrage: „artiftype is chest/cista“); von den Schrankmöbeln wurden die Hälfte in Atrien, ein weiteres Viertel in Peristy­len gefunden, wobei vier von sechs Peristylmöbeln aus der Casa di Julius Polybius stammen (ibid., Abfrage: „artiftype is cupboard“).

407 Vgl. Berry 1997, 193f.

IdealbIld und lebenswIrklIchkeIt 101

an der vergesellschaftet waren, d. h. als Kumulation von Objekten des mundus muliebris gefunden wurden: Schränke und Truhen in den Atrien der Casa della Ve-ne re in Bikini, Casa del Fabbro, Casa di Casca Lon-gus, Haus VI 15,5 enthielten Sets, die als persönlicher Besitz und Nutzgegenstände von Frauen im Haus in­ter pretiert werden können. Weitere Sets von Kosmetik, Schmuck und z. T. Textilarbeitsgerät stammen z. B. aus den Räumen 37 der Casa del Menandro, e der Casa di Trebius Valens, n der Casa dei Cei und f der Casa del Sacello Iliaco.408 In fast allen diesen Räumen wur­den neben diesen persönlichen Gegenständen Ob jek te verschiedener anderer Fundgattungen, z. B. zur Auf be­wah rung von Lebensmitteln und der Zu be rei tung von Mahlzeiten, gefunden.409 Die Fund ver ge sell schaf tun­gen nicht nur der Atrium­Schränke und ­Truhen, son­dern auch ganzer Räume belegen demnach räum liche Überschneidungen bestimmter Tätigkeiten bzw. zu­min dest ein Nebeneinander in der Lagerung von Ob­jek ten unterschiedlicher Funktionen an demselben Ort. Eine status­ und altersspezifische Differenzierung der Sets – ebenso wie einzelner Funde – spezifisch weib li­cher Objekte ist leider nicht möglich. Es kann daher nur pau schal vermutet werden, dass wertvolle Be sitz tümer eher der Hausherrin oder Verwandten des Haus herrn als Skla vin nen gehörten, auch wenn dies streng ge nom men me tho dologisch nicht belegbar ist.

Ein Problem einer solchen hier vorgenommenen Un ter suchung der Verteilung spezifischer Objekt grup­pen innerhalb von Wohnhäusern ist, dass sich Aussagen

408 Allison 1994, 187 f. 301. 315. 322 f.409 Nur Raum e der Casa del Sacello Iliaco enthielt ausschließ­

lich Wertgegenstände, weswegen Allison ihn als Schlaf zim­mer, „boudoir” oder Lagerraum deutet, gleichzeitig jedoch dar auf hinweist, dass weniger prestigeträchtige Objekte mög li cher weise nicht dokumentiert wurden (ibid., 301).

nur auf Grundlage einer Materialbasis treffen lassen, die über einzelne Haushalte hinausgeht. Die für Statistiken not wen dige bzw. von Allison bearbeitete schiere Masse an Ob jek ten, Räumen und Häusern ist aber wiederum so groß, dass Detailstudien zu einzelnen Räumen und Ob jek ten nicht möglich waren, weshalb der vorliegende Ab schnitt nur in Form von Datenbank­Auszügen zu­stan de kommen konnte – alles andere hätte den Rahmen weit gesprengt. Eine detaillierte Untersuchung der ein­zel nen Fundkontexte wäre jedoch notwendig, um zum einen die Umstände zu klären, die zu der jeweiligen Fund kon stel lation geführt haben, und zum anderen die ver schiedenen Räume auf Gemeinsamkeiten, z. B. in der Ausstattung und dem Dekor, zu überprüfen. Es bleibt abzuwarten, wie genau Bergs Dissertation darü­ber Aufschluss geben kann.

Methodische Probleme betreffen darüber hinaus vor allem Pompeji selbst als archäologischen Kontext: Zwar handelt es sich in der Verschüttung der Vesuvstädte um die einmalige Konservierung antiken Alltagslebens, doch ist dieser – gerne als „frozen in time capsule“ und Mo ment aufnahme des Alltags bezeichnete410 – Ge samt­be fund mehrfach gestört, sodass er nicht ohne Vorbehalt als direkter Einblick in das antike Leben verstanden werden kann: Zum einen waren viele Menschen auf der Flucht vor der drohenden Katastrophe und rafften Schmuck, Geld und andere Wertgegenstände, z. T. in Käst chen, Stoff­ oder Lederbeuteln, zur Mitnahme zu­sam men. Dementsprechend wurden derartige Objekte häufig von ihrem ursprünglichen Nutzungs­ oder Auf be­wah rungs ort entfernt. Nach dem Vesuvausbruch kehr ten über le ben de Bewohner und Plünderer zurück, um nach

410 J.­A. Dickmann, Die Vesuvstädte. ‚Eine Gebrauchsanwei­sung‘, in: Meller – Dickmann 2011, 127–135, dav. 127. Allison 2004a, 14–26. 201–203, mit Verweisen auf derartige Charakterisierungen Pompejis.

Diagramm A Anzahl von Datenbankeinträgen pro Raumtyp. Von der Autorin erstellt (nach Allison 2004b)

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Wert gü tern zu suchen, wie Raublöcher belegen.411 Die Ur sachen für Konzentrationen oder aber das Feh len von Funden in einzelnen Räumen sollten deshalb jeweils in di vi duell untersucht werden. Vor allem für Häu ser, deren Räume reihenweise komplett oder fast fund leer sind, muss jeweils im Einzelnen geprüft werden, ob dieser Zustand Ergebnis von Plünderungen ist, wie es z. B. in der Ca sa degli Aman ti (I 10,10–11) der Fall zu sein scheint: Raub löcher in den Wänden aufeinanderfol­gen der Räu me kennzeichnen die Wege und Schau lö­cher von Plün de rern, die sich offenbar an einer Stelle von oben durch die Ascheschichten gegraben hatten und sich dann unterirdisch weiter vorarbeiteten.412 Die meis ten Räume des Hauses sind fast fundleer; dennoch kor re liert eine nie dri ge Fund dich te nicht immer mit nach weis baren Plünderungen, zumal es unwahrschein­lich ist, dass Plünderer das gesamte Inventar – von der Gold ket te bis zum tönernen Webgewicht – mitge nom­men haben; es muss deshalb auch nach der Art der Nut­zung und einem möglichen „downgrading“413 ein zel ner Häu ser nach dem Erdbeben 62 n. Chr. gefragt wer den. Zu guter letzt waren v. a. die frühen bour bo ni schen Gra­bun gen sehr selektiv und auf prestigeträch ti ge Funde ausgerichtet; die Dokumentation der ar chäo lo gi schen Ar bei ten entbehrt deshalb oftmals der Hin wei se auf kon­kre te Fundkontexte, manche Objekte wurden überhaupt nicht dokumentiert und/oder inven ta ri siert.414 Der „All­

411 Allison 2004a, 21–24. Dickmann 2011. Das Forum Pom­pejis wurde, allerdings im Rahmen staatlicher Maßnahmen, seines Marmors beraubt, um diesen für andere Bauprojekte wiederzuverwenden (dazu ibid., 299 f. Zu den verschiede­nen Störungen Pompejis vgl. Berry 2007, 293.

412 Dickmann 2011, 302–305.413 Vgl. dazu Allison 2004a, 192–196.414 Ibid., 30–34.

tags be fund“ Pompejis kann deshalb nur vor dem Hin­ter grund dieser Dreifach­Störung in ter pre tiert werden. Besonders die Rekonstruktion der Ober ge schosse stellt ein häufig unlösbares Problem dar, und man gels stra ti­gra fi scher Untersuchungen ist eine Tren nung der Fun­de aus den Erdgeschossräumen und aus den Ver sturz la­gen der Obergeschosse oftmals nicht mög lich. Die bei Allison für den Raumtyp 22 erfassten Funde stel len des­halb eine Mischung von Objekten aus ver schie dens ten Obergeschossräumen und un ter schied li chen Ni veaus über dem Fußboden dar und stehen in einem zah len mä­ßi gen Unverhältnis zu den Funden der an deren, genau definierten Raumtypen der Erd ge schos se.

Die für den vorliegenden Textabschnitt ausgesuch­ten Fundgattungen haben darüber hinaus jeweils spe zi fi­sche Einschränkungen, die ihre Interpretation be tref fen: Schmuck funde stehen häufig in Verbindung mit Ske­lett funden und zeigen somit nicht ihren ur sprüng li chen Aufbewahrungsort an; aus anderen Wohn kon tex ten, z. B. aus dem römischen Britannien, sind so gut wie gar keine Schmuck funde bekannt, weil derartige Wertob jek te bei der Zerstörung von Häusern entweder von fliehenden Be woh nern mitgenommen oder von Plünderern ent­fernt wurden.415 Funde von Web ge wich ten sind in Bezug auf ihre Anzahl für die Rekon struk tion von Web stüh len schwie rig; hinzu kommt das Problem der Differen zie­rung kommerzieller Textil pro duk tion und einer höchs­tens auf Eigenbedarf ausgerichteten Textilarbeit als Aus­druck weiblicher Tugenden der domina.

Betrachtet man den Befund Pompejis und die Ver tei­lung der Funde durch diese Filter, belegen die Fund ver­gesellschaftungen zum einen, dass verschiedenste Haus­halts gegenstände an denselben Orten im Haus kumuliert wurden und vermutlich bei Bedarf zur Be nut zung in an­

415 Swift 2011, 195.

Diagramm B Anzahl der Räume pro Raumtyp mit spezifisch weiblichen Objekten. Von der Autorin erstellt (nach Allison 2004b)

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dere Räume gebracht wurden, sodass sich i. d. R. le dig­lich ihr Aufbewahrungs­, nicht aber zwangs läufig auch ihr Nutzungsort nachweisen lässt.416 Zum anderen kann man – neben Konzentrationen persönlicher Ge gen stän de in mehreren Typen kleinerer Räume – zumindest vor sich­tig die symbolische Präsenz der Frau im Atri um postulie­ren, wo sich sowohl Sets von Schmuck und Kos me tik ar­ti keln als auch Webgewichte fanden. Die La gerung von Wert gegenständen in Schränken und Tru hen, die presti­geträchtige Inhalte signalisierten, und die möglicherwei­se symbolische Aufstellung von Web stüh len entsprachen der Funktion des Atriums, das der Re prä sentation des Hausherrn als Bühne diente. Die Tä tig keiten bzw. Be­sitz tümer der domina konnten in diesem Rahmen auf de­ren Tugenden verweisen, die wie derum den Status des dominus untermauerten. So wie die literarischen Quellen und Grabinschriften ein „ge fil tertes“, d. h. ideales oder Klischee­Bild, römischer Frau en widerspiegeln, schei­nen die entsprechenden ar chä o lo gischen Funde Aus­druck eines häus lichen Re prä sen ta tionsbedürfnisses zu sein.417 Sie vermögen zwar wenig über die tatsächliche Lo ka li sie rung ihrer All tags ak ti vitäten auszusagen, dafür jedoch die Wahr neh mung und Funktion der matrona als „Aus hän ge schild“ für die fa mi lia sowie den Haus herrn zu zeigen. Dass Vitruv – zu mindest in Mil nors In ter pre­ta tion – die römische Frau als Dekor des Hauses und zusätz li ches Sta tus sym bol des dominus sieht,418 schließt nicht aus, dass die Zur schau stellung eigener Tugenden durchaus auch im In ter esse der Haus herrin lag.

V Fazit: Handlungsräume der Frau im römischen Wohnhaus – Ergebnisse, Probleme und AusblickeDie Zusammenstellung verschiedener Quellen zur Frau im Haus und der Vergleich der Quellengattungen und archäologischen Funde und Befunde haben deutlich ge­macht, wie schwierig eine Verortung geschlechtsspezi­fischer Tätigkeiten innerhalb des römischen Wohn hau­ses ist. Die Komplexität der Fragestellung liegt bereits in dem ambivalenten Frauenbild begründet, das in der römischen Literatur reproduziert wurde. Während die epigrafischen und bildlichen Quellen, d. h. besonders die Sepulkralkunst, stets eine Auswahl konventio nel­ler Attribute als Ausdruck häuslicher Tätigkeiten und Tu genden römischer Frauen zeigen, liefern die litera­rischen Texte eine komplexe Darstellung des weiblichen Rol len bil des in vielen Polarisierungen und Paradoxa, weshalb Wy ke schreibt: „No unifying logic attends the Roman rhetoric of adornment“.419 So wird die durch Schmuck und Körperpflege unterstrichene feminine Eleganz bei Livius als einziges „Eh ren abzeichen“ des weiblichen Geschlechts beschrieben, gleichzeitig weist diese Reduzierung der Frauen auf Äußerlichkeiten auf ihre intellektuellen Mängel hin. Die Verschönerung und Pfle ge des Körpers wurden als typisch weibliche Tätig­kei ten gesehen, waren jedoch auch Gegenstand männ­licher Diskurse um Formen von luxuria. Hinzu kommt die unterschiedliche Wertung bestimmter Tätigkeiten je

416 Vgl. auch Allison 2006 über rituelle Deponierungen von Objekten.

417 Vgl. Wallace­Hadrill 1996, 109.418 Milnor 2005, 109. Vgl. dazu auch o. Abschn. II.419 Wyke 1994, 141.

nach Geschlecht in den literarischen Quellen – d. h. die römischen Autoren benutzten z. T. dieselben Motive, um deren positive Aus wirkung auf Männer, jedoch nega­tiven Folgen für Frauen zu zeigen: Während die Betrach­tung des eigenen Spiegelbildes Männern laut den lite­ra ri schen Texten zu intellektueller Weiterentwicklung durch moralische Selbstreflexion verhilft, lässt sie Frau en nur in der Rolle als Objekt männlicher Begierde ver harren. Aufgrund des dafür notwendigen Geschicks und Kön nens sei die Textilarbeit laut Lukrez ursprüng­lich Auf gabe der Männer gewesen; nur im Vergleich mit der kör per lichen harten Arbeit auf dem Feld und durch die Betonung der Bequemlichkeit von Textilarbeit im geschützten Haus konnte die Übertragung dieses Auf­ga ben bereichs an die Frauen gerechtfertigt werden. Doch wurde nicht nur je nach Geschlecht mit zweier­lei Maß gemessen; auch für Frauen konnten bestimmte Ver hal tens weisen ganz unterschiedliche literarische Re­flek tio nen nach sich ziehen: Ging Lucretia mit ihrem „vi ri lis animus“ als exemplum der Tugendhaftigkeit in die römische Geschichtsschreibung ein, wurden ande­re Per sön lich keiten wie z. B. Sempronia, Fulvia und Cleo pa tra aufgrund ihrer mannhaften Dominanz als Be dro hung männlicher Machtgefüge wahrgenommen (Ab schn. II).420 Der Ausbruch aus dem konventionellen Rol len bild wurde im Falle der Lucretia positiv bewertet, bei anderen Frauen war er Motiv der Diffamierung. Das in den literarischen Quellen gezeichnete Idealbild war also insofern flexibel, als es einige prominente Aus nah­men zuließ; die Ausdeutung und Bewertung von Hand­lun gen und Charaktereigenschaften war in Ein zel fäl len per so nen­ oder auch statusabhängig, geschah also nicht immer nur geschlechtsspezifisch. Frau en figuren konn­ten dabei aber durchaus als gesamtgesellschaftliche Vor bil der dienen, die nicht nur weibliche Ideale er füll­ten, sondern auch politische Bedeutung hatten.

Weibliche Klischeebilder unterlagen stets gewissen re dun danten gesellschaftlichen Diskursen, die in der Li­te ra tur reflektiert werden; während Schmuck, (gefärbte) Klei dung und Kosmetik zwar die Schönheit einer Frau un ter strichen, zogen sie als Konsumgüter auch kri ti­sche Stimmen nach sich, sodass ihre Benutzung von bö sen Zungen und Vertretern altrepublikanischer Werte als Verschwendungssucht kritisiert wurde (III.1.a). Woll arbeit dagegen galt als Ausdruck weib li chen Ar­beits eifers, ehelicher Treue und wurde in den Quel len oft mit dem Damals („quondam“)421, den guten alten Zeiten „pa trum nostrorum“422 in Verbindung gebracht, als die „ve te ri Romani“423 noch „vetere more“424 lebten (III.2). Die Tex til arbeit wurde deshalb häufig in Kon­trast zu der Ar beits ver wei gerung und dem mo ra li schen Ver fall zeit ge nös si scher Frauen gesetzt. Un ab hän gig von ihrer jeweiligen ethischen Einordnung wurden je­doch Schmuck, Kosmetik und Textil arbeitsgerät in Tex­ten und Bildern als typisch weibliche Attribute dar ge­

420 Vgl. Sall. Catil. 25,3 über Sempronia, Vell. Pat. 2,74 über Fulvia und Hor. epod. 7 über Cleopatra. Vgl, dazu Milnor 2011, 614–615. 617.

421 Juv. 6, 287–290. S. o. Abschn. III.2.422 Colum. 12 praef. 7. S. o. Abschn. II.423 Plin. nat. 29,30. S. o. Abschn. III.2.424 Asc. De Milone 43. S. o. Abschn. IV.1.

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stellt bzw. umgekehrt das Tragen von Schmuck (bis auf Aus nahmen weniger Schmuck gat tun gen), die ex zes­si ve Kör perpflege und die Textilarbeit im Haus durch Männer als Negativzeugnis von deren Ver weich li chung und Verweiblichung angesehen. Die in Ab schnitt III zu­sammengestellten Attribute und Topoi wa ren der erste Schritt der Untersuchung der häusli chen Tä tig keiten römischer Frauen. In einem zweiten Schritt (Ab schn. IV) wurden dann mehrere Methoden und The sen zur Lokalisierung dieser Tätigkeiten und der Auf be wah­rungs orte persönlicher Besitztümer ver gli chen. Dabei wurde auch die Frage nach dem Vor han den sein separa­ter Frauengemächer gestellt.

Die Verbindung von Quellen zur Rolle der römi­schen Frau mit archäologischen Funden und Be fun den pom pe ja nischer Wohnhäuser diente der Suche nach Mög lich keiten, die Tätigkeiten weiblicher Haus halts­mit glieder innerhalb des römischen Wohn hau ses zu verorten. Der Vergleich und die Kom bi na tion verschie­dener For schungs ansätze warfen dabei die Frage auf, in wie weit Ideal bzw. Klischee und Lebenswirklichkeit miteinander in Konflikt stehen, wie Fischler schreibt.425 Wie gezeigt wurde, nennt die römische Literatur selten spe zielle Räume oder Raum ty pen, die von weiblichen Haus halts mit glie dern zu bestimmten Zwecken genutzt wurden (IV.1); in Anek doten erwähnte Schlaf zim mer und Auf ent halts räu me von Frauen werden nicht näher beschrieben, sodass über mögliche Cha rak te ristika der Lage und Ausstattung solcher Räume nichts bekannt ist. Zudem handelt es sich um rare Text beispiele, die kei­ne generelle Existenz von separaten Frauengemächern belegen können. Was man in den literarischen Quellen fest machen kann, sind eher die o. g. typisch weiblichen Tä tig keiten als spezielle Typen von dafür genutzten Räumen. Eine Ausnahme bildet das Atrium, für das die Präsenz weiblicher Haus halts mitglieder und v. a. die Textilarbeit bzw. die Auf stel lung von Webstühlen litera­risch belegt ist.426 Mehrere Versuche, persönliche Räume der Hausherrin und anderer Damen des Hauses anhand der Architektur und Wandmalerei in einzelnen pompe­janischen domus nachzuweisen, beruhen auf einem mo­dernen Ver ständ nis römischer Wohnverhältnisse (IV.2); sie setzen eine Zurückgezogenheit der Römerinnen innerhalb des Hauses voraus, wie die literarischen Quellen sie für griechische Frauen beschreiben. Für die römische domus lassen sich jedoch weder anhand der antiken Texte noch anhand der baulichen Befunde über­zeugend Frau en gemächer ausmachen.

Die Abschnitte IV.1 und IV.2 haben gezeigt, dass weder die Quellen noch die bloße Architektur der Wohn häu ser nachweislich historische Alltagsrealität wider spie geln bzw. verschiedene, wechselnde, kurzfri­stig an einem Ort stattfindende Tätigkeiten sichtbar ma­chen können; aus diesem Grund wurde im vorliegenden Ar ti kel die artefact distribution analysis eingeführt, die Funde als einzige Indizien von Handlungsräumen ver­steht (IV.3.a).427 Um diese Methode für die hiesige Fra­ge stellung fruchtbar zu machen, wurde die statistische Ver teilung von Schmuck, Kosmetikartikeln und Tex til­

425 Fischler 1994, 117.426 Vgl. auch Larsson Lovén 2007, 230.427 Milnor 2005, 132.

ar beitsgerät untersucht (IV.3.b), deren Darstellung als typisch weibliche Attribute in Abschnitt III belegt wor­den war. Die Untersuchung von Fund ver tei lun gen birgt allerdings verschiedene methodische Pro ble me, die so­wohl in der Methode selbst als auch in der mehr fa chen Störung Pompejis als Gesamt kon text be grün det liegen. Die artefact distribution analysis hat das Po ten zial, dem antiken Alltag durch kleinteilige Unter su chun gen näher zu kommen, als es die Analysen von Architektur und Dekor der Wohnhäuser können. Die Methode ist jedoch auf archäologische Kontexte angewiesen, in denen der Alltag wie in einer Zeitkapsel konserviert wurde, d. h. eine plötzliche und v. a. schnelle Zerstörung dazu führte, dass alle Gegenstände genau dort stehen und liegen blieben, wo sie zum Zeitpunkt der Zerstörung gerade benutzt worden waren. Da dies so nicht einmal in Pompeji der Fall ist, unterliegt die Interpretation der Fund verteilungen in dortigen Häusern gewissen Ein­schrän kungen. Es hat sich herausgestellt, dass die für die Untersuchung verwertbaren Objekte zumeist im Zustand der Lagerung gefunden wurden und somit kei­ne Aufschlüsse über ihre eigentlichen Nutzungsorte ge­ben. Die „Handlungsräume“ weiblicher Haushalts mit­glie der lassen sich dementsprechend nicht komplett fas­sen, sondern nur an den Lagerungsorten von Objekten greifen. Die Auswertung ergab, dass Besitzgegenstände von Frauen z. T. aus verschiedenen kleineren Räumen stammen und z. T. in großen Schränken und Kisten, die mög li cher weise auch als Schau­Möbel fungierten, in den Atrien, seltener in Peristylen, aufbewahrt wurden. Die Vergesellschaftungen der spezifisch weiblichen Ob­jek te machen deutlich, dass die Besitztümer und Nutz­ge gen stän de von Frauen zusammen mit anderen Haus­halts objekten gelagert und entweder vor Ort verwendet oder zur Benutzung in andere Räumlichkeiten gebracht wurden. Die entsprechenden Räume wurden also of­fenbar für sehr unterschiedliche Zwecke oder zu min­dest die Lagerung unterschiedlichster Objekte ge nutzt. Somit lassen sich weder literarisch noch ar chä olo gisch persönliche Räume nachweisen, die ausschließ lich von den Frauen des Hauses genutzt wurden.Viel mehr haben die Fund ver teilungen die Vernetzung und das Neben­ein ander der verschiedenen Tätigkeiten und Per sonen innerhalb des Haushalts verdeutlicht. Ent ge gen Ma iuris Postulat separater Frauentrakte belegen die Funde, dass die Hand lungs räume römischer Frauen im Haus auch das Atrium mit einschlossen. Dieses Er geb nis kor reliert mit den Dar stel lungen der Be we gungs freiheit rö mischer Frauen im Haus bei Vi truv und Cornelus Nepos.

Obwohl man zunächst eine große Diskrepanz zwi­schen dem in den Quellen gezeichneten Ideal­ bzw. Kli­schee bild der Frau und der in den Funden reflektierten All tags realität vermuten würde, hat der Vergleich über­zeugende Übereinstimmungen gezeigt, weil sowohl die Quellen als auch die archäologischen Befunde nur als gefilterte Widerspiegelung antiken Alltags an den Archäologen herantreten. Die Darstellungen von In di­vi duen in den Text­ und Bildquellen sind zum einen von gat tungs immanenten Darstellungskonventionen, zum anderen von gesellschaftlichen Normen und ggf. den ei­genen Einflüssen der Werkstätten und Autoren gefiltert. Das Abbild des antiken Alltags in Pompeji ist durch die Störungen flüchtender Personen, späterer Plünderer und

IdealbIld und lebenswIrklIchkeIt 105

der frühen Ausgrabungen abgeschwächt, welche die Kon ser vierung einer Momentaufnahme des Alltags ver­hindert haben. Der Abstraktionsgrad der Quellen und die Selektion der archäologischen Funde fungieren als Filter, die ein verblasstes Abbild des Alltagslebens rö­mischer Frauen zurücklassen, das nicht in allen Facetten erfassbar ist. Dennoch zeichnet sich vor dieser Folie ge­rade die Alltagssymbolik, die Rolle der Frau, wie sie im Haus präsentiert und alltäglich in verschiedenen Medien – im urbanen und im Wohnraum, in Texten und Bildern – verdeutlicht wurde, im Zusammenspiel des in dem vor liegenden Artikel gesammelten Materials ab. Die ar chä ologischen Funde – wie die literarischen Quellen – belegen zwar keine separaten Frauengemächer, dafür jedoch eine Flexibilität in der Nutzung der Räume; vor allem das Atrium stellt sich nach Ausweis der Quellen und Fundverteilungen als multifunktionaler Raum dar,

der u. a. der Aufbewahrung und Ausstellung prestige­träch tiger Objekte, darunter auch des Schmucks und Kos me tik geräts wohl der domina oder anderer freier Haus be woh ne rinnen, diente. Funde von Web ge wich­ten lassen, in Verbindung mit mehreren literarischen Quel len, in einigen Fällen die Ausführung von Tex til­arbeiten oder eine zumindest symbolische Auf stel lung von Webstühlen als Ausweis der Tugenden der Haus­her rin vermuten. Die Verehrung der Laren und Ahnen, die Zurschaustellung von Prestigegütern und die Dar­stel lung der ehrbaren Ehefrau als Sinnbild der ganzen familia dienten der Selbstdarstellung des Haus herrn. Sowohl die in den Quellen überlieferten Ideale als auch die Präsenz weiblicher Wertgegenstände am „pri-mus locus aedium“ zeugen von der zentralen Rolle der Frau(en) im Haushalt und ihrer Bedeutung für die In­sze nie rung und Repräsentation der familia.

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