Fritz Krafft: Die Physikalisierung der mathematischen Astronomie durch Nicolaus Copernicus und...

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- 1 - Krafft-Nr. 698 Preprint, Druckausgabe: Sascha Salatowsky / Karl-Heinz Lotze (Hrsgg.): Himmelsspektakel. Astronomie im Protestantismus der Frühen Neuzeit. Katalog zur Ausstellung der Uni- versitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha ... [12. April bis 21. Juni 2015]. (Ver- öffentlichungen der Forschungsbibliothek Gotha, Band 25) Gotha 2015, S. 24–37. Fritz Krafft Die Physikalisierung der mathematischen Astronomie durch Nicolaus Copernicus und Johannes Kepler 1. Die sogenannte Copernicanische Revolution Seit gut fünfzig Jahren meint man zu wissen, wie es zu einer so genannten Wissen- schaftlichen Revolution kommt. The Structure of Scientific Revolutions titelte Thomas S. Kuhn seinen 1962 erschienenen Essay 1 , in dem er die Vorstellung geistiger und po- litischer Revolutionen erstmals innerhalb der analytischen Philosophie, die naturwis- senschaftlichen Fortschritt weitestgehend noch als kumulativen Prozess auffasste, auf das wissenschaftliche Geschehen übertrug. Die ‚Copernicanische Revolution‘ ist darin das wichtigste und am häufigsten angeführte, dann auch namengebende Beispiel. Ursache und Anlass für das Auslösen einer Wissenschaftlichen Revolution sollen da- nach in erster Linie Diskrepanzen zwischen Theorie und Empirie, also neue Phäno- mene und damit innerdisziplinäre Umstände sein. Prüft man diese vermeintliche ‚Struktur wissenschaftlicher Revolutionen‘ einmal an Kuhns Paradebeispiel 2 , so zeigt sich allerdings, dass Nicolaus Copernicus keineswegs durch irgendwelche neuen empirischen Daten angeregt wurde, eine ihnen widerspre- chende ältere Theorie durch eine neue zu ersetzen. Er hat vielmehr jeden aufs schärfste verurteilt, der sich nicht an die aus der Antike überlieferten Daten hielt, und legte dem- gegenüber die Beobachtungsdaten der antiken Astronomen unverändert seinen Über- legungen zugrunde. Folge war denn auch, dass die auf der Grundlage seiner Theorien erstellten astronomischen Tafeln der Planetenörter sich bald als ebenso fehlerhaft erwiesen wie die älteren Tafelwerke. Zudem benutzte er weiterhin die Theorieelemente der antiken Astronomen, und das sogar in exakterer Form als ein Ptolemaios. Folglich erweist sich die ‚Copernicanische Wende‘, wenn man innerhalb der Begrifflichkeit Kuhns bleiben will, insgesamt als das Ergebnis einer absoluten „Paradigmatreue“ inner- halb der Astronomie, der strikten Einhaltung der physikalischen Prinzipien antiker ma- thematischer Astronomie. 3 Copernicus gehörte nicht nur von seiner Lebenszeit her dem Zeitalter der Re- naissance an. Er verbrachte nach seinem Studium in Krakau und der Ernennung zum Domherren im ermländischen Frauenburg 1495 auch die Zeit bis 1503 zum Weiter- studium des Kirchenrechts und der Medizin in Norditalien (Bologna, Padua, Ferrara). Hier hatte er vielfältige Kontakte zu Gelehrten, die sich im Sinne des Renaissance- Humanismus der Wiedererschließung der griechisch-römischen Quellen widmeten.

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Krafft-Nr. 698Preprint, Druckausgabe: Sascha Salatowsky / Karl-Heinz Lotze (Hrsgg.): Himmelsspektakel.Astronomie im Protestantismus der Frühen Neuzeit. Katalog zur Ausstellung der Uni-versitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha ... [12. April bis 21. Juni 2015]. (Ver-öffentlichungen der Forschungsbibliothek Gotha, Band 25) Gotha 2015, S. 24–37.

Fritz Krafft

Die Physikalisierung der mathematischen Astronomie durch NicolausCopernicus und Johannes Kepler

1. Die sogenannte Copernicanische RevolutionSeit gut fünfzig Jahren meint man zu wissen, wie es zu einer so genannten Wissen-schaftlichen Revolution kommt. The Structure of Scientific Revolutions titelte Thomas S.Kuhn seinen 1962 erschienenen Essay1, in dem er die Vorstellung geistiger und po-litischer Revolutionen erstmals innerhalb der analytischen Philosophie, die naturwis-senschaftlichen Fortschritt weitestgehend noch als kumulativen Prozess auffasste, aufdas wissenschaftliche Geschehen übertrug. Die ‚Copernicanische Revolution‘ ist darindas wichtigste und am häufigsten angeführte, dann auch namengebende Beispiel.Ursache und Anlass für das Auslösen einer Wissenschaftlichen Revolution sollen da-nach in erster Linie Diskrepanzen zwischen Theorie und Empirie, also neue Phäno-mene und damit innerdisziplinäre Umstände sein.

Prüft man diese vermeintliche ‚Struktur wissenschaftlicher Revolutionen‘ einmal anKuhns Paradebeispiel2, so zeigt sich allerdings, dass Nicolaus Copernicus keineswegsdurch irgendwelche neuen empirischen Daten angeregt wurde, eine ihnen widerspre-chende ältere Theorie durch eine neue zu ersetzen. Er hat vielmehr jeden aufs schärfsteverurteilt, der sich nicht an die aus der Antike überlieferten Daten hielt, und legte dem-gegenüber die Beobachtungsdaten der antiken Astronomen unverändert seinen Über-legungen zugrunde. Folge war denn auch, dass die auf der Grundlage seiner Theorienerstellten astronomischen Tafeln der Planetenörter sich bald als ebenso fehlerhafterwiesen wie die älteren Tafelwerke. Zudem benutzte er weiterhin die Theorieelementeder antiken Astronomen, und das sogar in exakterer Form als ein Ptolemaios. Folglicherweist sich die ‚Copernicanische Wende‘, wenn man innerhalb der BegrifflichkeitKuhns bleiben will, insgesamt als das Ergebnis einer absoluten „Paradigmatreue“ inner-halb der Astronomie, der strikten Einhaltung der physikalischen Prinzipien antiker ma-thematischer Astronomie.3

Copernicus gehörte nicht nur von seiner Lebenszeit her dem Zeitalter der Re-naissance an. Er verbrachte nach seinem Studium in Krakau und der Ernennung zumDomherren im ermländischen Frauenburg 1495 auch die Zeit bis 1503 zum Weiter-studium des Kirchenrechts und der Medizin in Norditalien (Bologna, Padua, Ferrara).Hier hatte er vielfältige Kontakte zu Gelehrten, die sich im Sinne des Renaissance-Humanismus der Wiedererschließung der griechisch-römischen Quellen widmeten.

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Dass diese Geisteshaltung auch auf das ermländische ‚Nordlicht‘ abfärbte, das sichnur schwer vom geistigen ‚Schlaraffenland‘ in den kargen Norden zurückbeordern ließ,klingt schon in der Latinisierung seines Namens Niklas Koppernigk zu NicolausCop(p)ernicus4 an. Dass sie aber auch verinnerlicht worden war, wird deutlich, wennman hinterfragt, was denn Copernicus dazu veranlasst hatte, die Astronomie auf eineneue Grundlage zu stellen.

Schon in der kurzen Skizze seines neuen Weltbildes, im Commentariolus, der um1510 entstand und handschriftlich verbreitet wurde, hatte er nach einer Beschreibungdes historisch hergeleiteten Zustandes der mathematischen Astronomie seiner Zeit denWeg dorthin beschrieben (was er später in der Vorrede zu seinem 1543 erschienenenHauptwerk De revolutionibus wiederholte)5:

„Eine Vielzahl von Himmelssphären haben unsere Vorläufer [...] hauptsächlich ange-nommen, um das Erscheinungsbild der Bewegung bei den Planeten unter Wahrung derRegelmäßigkeit zu retten (ut apparentem in sideribus motum sub regularitate salvarent). Es schiennämlich höchst widersinnig zu sein, dass ein Himmelskörper mit vollkommen runderForm [eine Himmelssphäre] sich nicht stets gleichförmig bewege. Doch hatten sie er-kannt, dass sich etwas auch aufgrund einer wirkungsvollen Kombination regelmäßiger[das heißt: gleichförmiger] Bewegungen scheinbar auf andere [nämlich ungleichförmige]Weise zu einem beliebigen Punkt hin bewegen kann.

„Allerdings vermochten Kallippos und Eudoxos trotz aller Mühen nicht, dieses mittelskonzentrischer Kreise herzuleiten und mit ihrer Hilfe über alle bei der Bewegung derPlaneten vorkommenden Erscheinungen Aufschluss zu geben [...]. Deshalb galt dieVorstellung, dass es durch exzentrische Kreise und Epizykel bewirkt werde, für diebessere; und darin stimmte schließlich der größte Teil der Gelehrten überein.

„Doch schien das, was von Ptolemaios und den meisten anderen allenthalben diesbe-züglich gelehrt worden ist, obgleich es zahlenmäßig entspräche, auch nicht wenig Zwei-felhaftes zu enthalten; denn es genügte nur dann, wenn man sich zusätzlich gewisse aus-gleichende Kreise dachte, woraus ersichtlich war, dass ein Planet weder in seiner Träger-sphäre noch bezüglich des eigentlichen Mittelpunktes mit stets gleichförmiger Ge-schwindigkeit bewegt würde. Deshalb schien mir eine Theorie dieser Art noch nicht ge-nügend ausgereift und vernünftiger Überlegung nicht hinreichend angemessen zu sein.“

2. Die antiken Vorgaben mathematischer Astronomie

Die mathematischen Vorgaben stammten also bereits aus der Antike6: Im Anschluss anAnaximandros von Milet hatte Platon im vierten vorchristlichen Jahrhundert die amHimmel erscheinenden Bewegungen nicht nur von Sonne und Mond, sondern auchder fünf kleineren Planeten zerlegt in die allen gemeinsame tägliche Komponente desAuf- und Untergangs und die jeweils spezifische, nicht gleichförmig erfolgende ent-gegengesetzte Eigenbewegung. Entgegen der Vorstellung des Atomisten Demokritos,der den Begriff ‚Irrstern‘ (was ‚Planet‘ bedeutet) eingeführt hatte, war er überzeugt,dass neben Sonne und Mond auch die fünf kleineren, ebenfalls göttlichen Planetenimmer wieder in denselben Zeiten denselben Weg am Himmel nehmen. Daraufhinhatte dann sein Schüler Eudoxos von Knidos mit einem mathematisch-kinematischenModell konzentrischer Kugeln (griechisch: Sphären) aufgezeigt, wie die erscheinende

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Ungleichförmigkeit der Eigenbewegung der Planeten als Zusammenwirken mehrerergleichförmig rotierender konzentrischer Kugeln beschrieben werden kann (Abb. 1):

Abb. 1: Modell der konzentrischen Sphären desEudoxos von Knidos

Der siderischen Periode der Eigenbewegung längs der Ekliptik ist eine synodischerelativ zur Sonne überlagert, innerhalb der bei den fünf Planeten (von der Erde hergesehen) eigenartige Schleifenbewegungen erfolgen. Eudoxos lässt sie in der synodi-schen Periode aus zwei schräg zueinander gestellten und einander entgegen gerichtetenKreisbewegungen resultieren, die auf dem Äquator entsprechender Sphären erfolgen.Vom Zentrum her gesehen ergibt sich daraus die Kurve einer liegenden Acht. DieseKurve wird von einer weiteren Sphäre in der Ebene der Ekliptik innerhalb der sideri-schen Periode herumgeführt; deren Achse verläuft durch die Ekliptikpole an der Him-melskugel (Fixsternsphäre). Die beiden Bewegungen zusammen werden von der Him-melskugel als vierter Sphäre entsprechend der täglichen Rotation um die Himmelspoleherumgeführt. Die Bewegung eines jeden Planeten resultiert so aus mehreren in jeweilsspezifischer ‚Periode‘ gleichförmig rotierenden mathematischen Kugeln. Deren Ach-sen werden in der jeweils äußeren Kugel gelagert gedacht, so dass die innerste Kugeloder Sphäre, die auf ihrem Äquator-Großkreis den Planetenkörper trägt, neben ihrerEigenbewegung alle Achenbewegungen der äußeren Sphären des jeweiligen Bewe-gungssystems eines Planeten mit ausführt. Die geozentrisch erscheinende Planetenbe-wegung in Länge und Breite konnte so vorerst ausreichend genau beschrieben werden.Das Modell vermochte wenigstens die Anomalie der Schleifenbewegung auf gleich-förmige konzentrische Kreisbewegungen zurückzuführen. Allerdings war schon da-mals die später durch das Zweite Keplersche Gesetz beschriebene Ungleichförmigkeitder Umlaufgeschwindigkeit innerhalb der siderischen Periode aus babylonischen Quel-len bekannt gewesen. Im Auftrag von Aristoteles hatte deshalb sein Schüler Kallipposvorgeschlagen, diese noch unberücksichtigte Ungleichförmigkeit durch die Einführungjeweils einer weiteren Sphäre abzudecken.

Aristoteles hatte nämlich das rein mathematische Modell des Eudoxos in dasSystem seiner Physik integriert. Die spezifische gleichförmige Rotation jeder einzelnenkonzentrischen Sphäre ergab sich daraufhin als physikkonform, indem er die mathe-matischen Kugeln von Eudoxos und Kallippos materialisierte und zu lückenlos inein-

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ander geschachtelten materiellen Hohlkugeln aus dem von ihm abgeleiteten, in jederBeziehung unveränderlichen fünften Element, dem ‚Äthers‘, machte; denn desseneinzig mögliche Bewegungsform war die gleichförmige Rotation um das Weltzentrum.Aristoteles benötigte allerdings für sein materielles Planetensystem insgesamt 55Sphären, weil er zwischen die einzelnen Planetensysteme ein rückläufiges Gegensystemeinfügen musste, um den spezifischen Bewegungsapparat zu kompensieren und wiederauf die Richtung der Rotationsachse der täglichen Bewegung zu reduzieren, mit derdann der Bewegungsapparat des folgenden Planet wieder beginnen konnte.

Die ungleichförmige Eigenbewegung eines Planeten wird besonders augen-scheinlich bei der Sonne. Sie durchläuft die Bahnabschnitte zwischen den vier auf derEkliptik gleichweit voneinander entfernten Jahrespunkten, den Äquinoktien und Sol-stitien, ungleichförmig, so dass die vier dadurch bestimmten Jahreszeiten ungleichlangwerden. Zur Zeit des Hipparchos im 2. vorchristlichen Jahrhundert betrugen die Län-gen der Jahreszeiten entsprechend 90E der Ekliptik, vom Frühlingsäquinoktium ausgerechnet und bezogen auf eine Jahreslänge von 365 Tagen: 94½, 92½, 88 und 90 Ta-ge. Nimmt man nun an, dass entgegen dieser naiven Anschauung auch die Sonne ihrenUmlauf gleichförmig vollzieht, so muss man, wie Hipparchos vorschlug, die Sphäre,auf deren Äquator die Sonne umläuft, exzentrisch zur Fixsternkugel anordnen (Abb.2).

Diese Exzentertheorie wurde von Hipparchos speziell für die Sonne entwickelt,deren Bewegung nur den siderischen Anteil enthält.

Abb. 2: Exzentertheorie der Sonne des

Hipparchos

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Abb. 3: Epizykeltheorie des Apol-lonios von Perge

Kurze Zeit vorher hatte Apollonios von Perge eine geometrische Konstruktionvorgeschlagen, um die ungleichförmig durchlaufene Kurve der Schleifenbewegunginnerhalb der synodischen Periode als Resultante einfacherer, aber gleichförmigerKreisbewegungen wiederzugeben (Abb. 3): Danach sollen die Planeten einen kleinenKreis gleichförmig durchlaufen, dessen Mittelpunkt gleichzeitig ebenfalls gleichförmigeinen größeren Kreis um die Weltmitte beschreibt, den sogenannten Trägerkreis oderDeferenten. Dabei wird der Rotation des Deferenten jeweils die siderische Periodeeines Planeten, der des Epizykels seine synodische Periode zugewiesen. Im Falle derSonne ergibt die Resultante einen exzentrischen Kreis, der dann identisch mit demhipparchischen Exzenter ist, wenn dessen Exzentrizität (e) gleichgroß dem Radius (r)des Epizykels ist und auch Exzenter- und Deferentenradius gleichgroß sind.

Diese Äquivalenz wurde um die Zeitenwende aufgewiesen (Abb. 4). Beide mathe-matischen Theorien konnten jetzt ohne Bedenken miteinander kombiniert werden. DerExzenter entsprach dann der ungleichförmig durchlaufenen siderischen Periode, derEpizykel gab die Anomalie in der synodischen Periode wieder. In der Mitte des zweitennachchristlichen Jahrhunderts nahm Klaudios Ptolemaios diese Kombination bei denPlaneten, die ja beide Anomalien zeigen, in der endgültigen Anordnung vor.

Die astronomischen Beobachtungsdaten waren jedoch inzwischen so genau gewor-den, dass selbst diese Kombination für eine exakte Wiedergabe der Planetenbewegun-gen nicht mehr ausreichte. Ptolemaios sah sich gezwungen, die Exzentrizität des Defe-renten zu verdoppeln. Diese Verdoppelung hätte aber zur Folge gehabt, dass die ausden Epizykelrotationen resultierenden Schleifenbewegungen perspektivisch verzerrtwürden und nicht mehr den tatsächlich erscheinenden Bewegungen entsprochen hätten.– Die Exzentrizität des Deferenten musste also erhalten bleiben; die für die Beschrei-bung der Bewegung in siderischer Periode notwendige Verdoppelung dieser Exzen-trizität durfte sich nicht auf eine größere Annäherung oder Entfernung des Epizykels

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Abb. 4: Äquivalenz von Epizykel- undExzentertheorie

Abb. 5: Ptolemaiische Ausgleichsbewegungdes Deferenten

auf dem Deferenten auswirken, sondern nur auf die Längenbewegung des Epizykelmit-telpunktes. Ptolemaios erreichte dies dadurch, dass er die Verdoppelung der Exzentri-zität nur scheinbar vornahm und dazu eine weitere Bewegungskomponente, die so ge-nannte Ausgleichsbewegung, einführte (Abb. 5).

3. Physikalische Realität versus geometrische Beschreibung

Daraufhin bewegt sich der Mittelpunkt eines Epizykels (1,...,12) jetzt nicht mehr mitgleichförmiger Lineargeschwindigkeit auf dem zur Erde (E) exzentrischen Deferenten(um M), sondern mit gleichförmiger Winkelgeschwindigkeit bezogen auf einen Punkt(A) auf der Apsidenlinie des Deferenten. – Dieser Punkt A befindet sich in der Regelim gleichen Abstand wie die Erde (E) auf der anderen Seite vom Exzentermittelpunkt(M). Dieser Ausgleichsbewegung längs der Ekliptik wird dann die synodische Epizykel-bewegung überlagert. Im einfachsten Fall eines der äußeren Planeten ergibt sich dasSchema von Abb. 6.

Bedacht werden muss dabei, dass diese geometrische Betrachtung sich zwar re-duktionistisch auf Kreise bezieht, Ptolemaios aber ausdrücklich betont7, dass dies nurder Einfachheit wegen geschehe. Tatsächlich seien diese Kreise jeweils äquatorialeGroßkreise auf Äther-Kugeln (‚Sphären‘) im Sinne der aristotelischen Physik.

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Abb. 6: Theorien-Konstrukt des Ptolemaios(zur Verdeutlichung sind die einzelnenGrößen überhöht)

Dadurch dass jeder einzelnen Bewegungskomponente ein eigener Äther-Sphären-körper zugewiesen werden musste, waren im Zusammenhang mit den beiden kine-matisch auf dieselbe Bewegungsresultante führenden mathematischen Theorien Schwie-rigkeiten entstanden. Exzentertheorie und Epizykeltheorie konnten bei einem Planetennicht gleichzeitig der Realität entsprechen. Darüber hinaus konnten beide zwar die Phä-nomene besser beschreiben als die konzentrischen Sphären von Eudoxos und Aristo-teles, beide widersprachen aber der gültigen aristotelischen Physik bezüglich der Kon-zentrizität aller Kreisbewegungen. Das ptolemaiische Konzept der Ausgleichsbewegungwidersprach dann dieser Physik auch noch bezüglich der Gleichförmigkeit der Rota-tionsbewegungen.

Diese Diskrepanzen führten einerseits immer wieder (und verstärkt zur Zeit vonCopernicus im 16. Jahrhundert)8 zu Versuchen, die mathematischen Theorien mit Ex-zenter, Epizykel und Ausgleichskreis in Bewegungssysteme konzentrischer Sphären aufder Basis der aristotelischen Physik zu transferieren – was nicht gelingen konnte. Zumanderen bewirkte die Diskrepanz, dass die mathematischen Theorien unter Berufungauf Aristoteles bis hin zu Johannes Kepler und darüber hinaus als bloße Hypothesengalten, als hypothetische Hilfsmittel zur bloßen Berechnung der Planetenörter ohneAnspruch auf physische Realität. Mathematische Theorie und physikalisches Systemblieben letztlich mit einander unvereinbar. Gemeinsames Element war allein die denphysikalischen Prinzipien entsprechende Forderung nach Gleich- und Kreisförmigkeitder Bewegungen, die von Copernicus so genannten „sicheren Prinzipien“9, die aller-dings zwischenzeitlich seit Ptolemaios nicht mehr befolgt worden wären. Die sich da-raus ergebende Aufgabe der Astronomen wurde schlagwortartig zusammengefasst inder Forderung nach einer ‚Rettung der Phänomene‘ (σæζειν τ� φαινόµενα, apparentessalvare)10, nach einer ‚Rettung‘ der Ungleichförmigkeiten der Bewegungen als nur soerscheinende mittels ihrer hypothetischen Rückführung auf gleichförmige Kreisbewe-gungen.

In dieser Tradition stand auch der Theologe Andreas Osiander, der in dem be-rühmten anonymen Vorwort zum copernicanischen Werk De revolutionibus in diesem

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Sinne auf den hypothetischen Charakter einer mathematischen Theorie der Planeten-bewegungen hinwies und damit auch die copernicanische Heliozentrik als bloßemathematische Hypothese ohne Realitätsanspruch einstufte11. Das widersprach aberden Vorstellungen und Absichten von Copernicus. Der wollte die mathematischeAstronomie wieder rephysikalisieren, zu einer Beschreibung der realen Welt machen,und das heißt vor allem: auch die empirisch gewonnene Ausgleichsbewegung auf diephysikalischen Prinzipien gründen.

Abb. 7:Physik der Theoricae planetarum (links Sonnentheorie nach Peurbach 1472,

rechts Saturntheorie aus Reisch 1503)

4. Die Physikalische Tradition der Theorica planetarum

Die Notwendigkeit dazu hatte insbesondere die Tradition der Theorica planetarum deut-lich gemacht. Diese anonyme Schrift war gleichzeitig mit dem bis tief ins 17. Jahr-hundert als Lehrbuch benutzten Abriss der mathematischen Astronomie von Johannesde Sacrobosco12 in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden. Sie widmet sichim Anschluss an eine ptolemaiische Schrift der physikalischen Seite der Planeten-theorien und war bis ins beginnende 17. Jahrhundert ähnlich einflussreich wie Sacro-boscos De sphaera, und sie fanden auch wie diese rasch kritische Kommentierungen. Eswar aber erst seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert vermehrt zu ergänzenden, aktu-alisierenden und schließlich früher als bei Sacrobosco das ältere Kompendium verdrän-genden, meist ebenfalls mehrfach aufgelegten Schriften zu den dort skizzierten ‚physi-kalischen‘ Grundlagen gekommen – so etwa von Georg Peurbach (Theoricae novae plane-tarum, 1472 postum von Regiomontanus herausgebracht, bis 1653 mehrfach neu aufge-legt13 – auf diese beruft sich Kepler mehrmals) und Jacob Faber Stapulensis 1503 imRahmen seines Astronomicon14.

Durch die unterschiedliche Einfärbung wird hier deutlich, wie die exzentrischenBegrenzungsflächen die Mitnahme der innen folgenden, ebenfalls rotierenden Teil-sphäre gewährleisten. Insgesamt wurde zwar dem physikalischen Prinzip der Konzen-trizität insofern Genüge geleistet, als die jeweilige Gesamtsphäre eines Planeten innen

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und außen konzentrisch begrenzt war und die Abweichung von der Konzentrizität aufdie so genannten Teilsphären innerhalb dieses Bewegungsapparats eines Planeten be-schränkt blieb. Das Prinzip der Gleichförmigkeit wurde scheinbar dadurch gewahrt,dass man die Ausgleichsbewegung als ‚physikalisch‘ nicht darstellbar einfach aus-schloss.15

Dieses Manko sprach Copernicus deutlich in der Praefatio an Papst Paul III. zuseinem Werk De revolutionibus an, wenn er schrieb16: die Astronomen hätten „sehr vieleszugelassen, was den ersten Grundsätzen der Gleichförmigkeit der Bewegungen zuwidersprechen scheint“. Er stellte sich deshalb die Aufgabe, die Astronomie durch dieWiedereinführung dieser Prinzipien auf die vorptolemaiische Basis zurück zu trans-ferieren. Die ‚Wahrung der Phänomene‘ galt ihm als Selbstverständlichkeit; er betontegegenüber Ptolemaios vielmehr die Notwendigkeit einer „Wahrung der Prinzipien“17,also der Kreis- und Gleichförmigkeit aller Bewegungskomponenten. In der Praefatioheißt es dazu18:

„Als ich mir nun diese Unsicherheit der mathematischen Überlieferung über die zu be-rechnenden Bewegungen der Sphärenwelt lange überlegte, begann es mir schließlichwiderlich zu werden, dass die Naturwissenschaftler, die sonst alles, was sich auf jeneSphärendinge bezieht, bis ins kleinste sorgfältig erforschten, keinen sicheren Grund fürdie Bewegungen der Weltmaschine hätten, die doch unseretwegen [...] erschaffen wordenist. Daher machte ich mir die Mühe, die Bücher aller Philosophen, derer ich habhaftwerden konnte, von neuem zu lesen, um nachzusehen, ob nicht jemand einmal dieAnsicht vertreten hätte, die Bewegungen der Sphären der Welt seien anders geartet, alsdiejenigen annehmen, die in den Schulen bisher die mathematischen Wissenschaftengelehrt haben.“

Die durchgesehenen Schriften waren, für den Renaissance-Humanisten Copernicusselbstverständlich, solche aus der griechisch-römischen Antike (der Beginn der Suchebei Cicero wäre einem modernen Physiker wohl auch nie in den Sinn gekommen). Erhabe dabei alte Systemvorschläge gefunden, in denen der Erde unterschiedliche Be-wegungen zugewiesen wurden. Er fand dabei aber auch gewisse Modifizierungen deraristotelischen Himmelsphysik. Kritik an der mathematisch-hypothetischen Astronomiedes Ptolemaios mit ihrer ungleichförmigen Ausgleichsbewegung war nämlich schonvon seinen Zeitgenossen erhoben worden, besonders von dem Peripatetiker Sosigenesund später von dem Neuplatoniker Proklos. Diese Kritik war auch in die Aristoteles-Kommentare eingegangen und dadurch im arabischen und im lateinischen Mittelalterlebendig geblieben.19

Sosigenes, führender Peripatetiker zur Zeit des Ptolemaios, hatte im Jahre 164 aufRhodos eine ringförmige Sonnenfinsternis beobachtet, wie sie bis dahin noch unbe-kannt gewesen war. Sie konnte an der Wirkungsstätte des Ptolemaios in Alexandrianicht wahrgenommen werden, weshalb die Erscheinung vor Copernicus auch nicht ernstgenommen worden war, während dessen Hochschätzung antiker Beobachtungen gutbezeugt ist. Sosigenes hatte daraus richtig geschlossen, dass die scheinbare Größe zu-mindest eines der beiden beteiligten Gestirne, Mond oder Sonne, sich gegenüber der Si-

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tuation bei einer totalen Finsternis durch eine veränderte Entfernung zwischen ihnenebenfalls verändert hätte. Ein Wandel der tatsächlichen Größe sei im unveränderlichenÄther ja nicht möglich. Folglich könnten sich nicht alle Himmelssphären um ein unddasselbe Zentrum bewegen, wie Aristoteles behauptete. Die Empirie zeige, dass sieauch exzentrisch sein können. Prinzipientreue wäre folglich auch für exzentrische Sphä-ren gewährleistet: „Wahrer wäre also das Axiom, das besagt, dass jeder kreisbewegte(Äther-)Körper sich um sein eigenes Zentrum bewegt“, schließt Sosigenes20. – Und daserste Axiom im copernicanischen Commentariolus besagt dasselbe21: „Die Himmelskugelnoder Sphären haben nicht alle ein und denselben Mittelpunkt.“

5. Die Tradition des Renaissance-Humanismus

Das kann kaum auf Zufall beruhen; denn Sosigenes’ Schrift setzt sich vor allem kritischmit der aristotelischen Theorie der „zurückrollenden Sphären“ auseinander. Ihr Titel

lautete deshalb auch Über die zurückrollenden [nämlich: Sphären des Aristoteles], Περ τäν•νελιττουσäν. Proklos zitierte sie in seiner Hypotyposis22 im Zusammenhang mit derdarin erwähnten ringförmigen Sonnenfinsternis. Eine fast vollständige Übersetzungdieser Schrift stellt aber das XVIII. Buch von Giorgio Vallas 1501 in Venedig er-schienenen enzyklopädischen Werk De expetendis et fugiendis rebus23 dar; und dieses Werkhat Copernicus nachweislich intensiv benutzt. Valla übersetzte den Sosigenes-Titel dortkorrekt mit „De revolutionibus“ (Über die zurückrollenden [Sphären]). Es ist also sehrwahrscheinlich, dass Copernicus mit der Übernahme dieses Titels für sein eigenesWerk, in dessen Titelformulierung ja ursprünglich der erst von Osiander eingefügte Zu-satz „orbium coelestium“ fehlte, dokumentieren wollte, in welcher Tradition er stand.

6. Copernicus’ Modofizierung der physikalischen Prinzipien (Ausgleichsbe-

wegung)

Das Aufgeben der Konzentrizität aller Äthersphären war darin empirisch begründet.Die physikalischen Prinzipien beschränkten sich auf die Kreis- und Gleichförmigkeitihrer Bewegungen. Das erste Axiom des Commentariolus, dass „die Himmelssphärennicht alle ein und denselben Mittelpunkt haben“, ist ja auch nur dann sinnvoll, wenn esdie neue Theorie im Sinne des Sosigenes von der bis dahin gültigen Physik des Aris-toteles abheben soll, in der alle Sphären einen und denselben Mittelpunkt hatten. Dievon Sosigenes dem gegenüber empirisch begründete Forderung einer Modifizierung derÄtherphysik kommt dann Copernicus’ Absicht entgegen, die Prinzipientreue auch füreine mathematische Astronomie zu erfüllen, also die ptolemaiische ungleichförmigeAusgleichsbewegung mittels gleichförmiger Rotationsbewegungen darzustellen – ohnedass diese jetzt noch jeweils konzentrisch zum Mittelpunkt des Alls (bei Copernicus dieSonne) hätten sein müssen, was für Sosigenes und Copernicus nur noch für dieGesamtsphären galt.

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Abb. 8: Copernicus’ epizyklische Darstellung Abb. 9: Entstehen der Schleifenbewegung als

der Ausgleichsbewegung Effekt des Vertauschens von Erde und Sonne

Es gelang ihm schließlich (Abb. 8), die ptolemaiische exzentrische Ausgleichsbe-wegung der siderischen Anomalie (auf dem Kreis um M gleichförmig bezüglich A)durch eine gleichförmige Epizykelbewegung auf einem weiteren Epizykel mit konzen-trischem Deferenten wiederzugeben: Der erste Epizykel (um Z1) bewegt sich in der-selben siderischen Periode wie der Deferent (m), jedoch in entgegengesetzter Richtung(-m). Er trägt einen zweiten, kleineren Epizykel (um Z2), der die eigentliche Ausgleichs-bewegung dadurch wiedergibt, dass er in derselben Richtung wie der Deferent, aber mitder doppelten Geschwindigkeit (2 m) rotiert. Die scheinbare Verdoppelung der Exzen-trizität, also die Ausgleichsbewegung um A, wird dadurch erreicht, dass die Gesamt-exzentrizität im Verhältnis von 3 :1 auf die beiden Epizykel aufgeteilt wird. – In seinem1543 erschienenen Werk De revolutionibus kommt Copernicus wieder auf die einfachereKonstruktion eines Exzenters mit nur einem Epizykel zurück, wobei der Exzenterallerdings der äquivalenten Resultante aus dem Konzenter und dem größeren Epizykelentspricht – und damit nicht mehr dem ptolemaiischen Exzenter.24

Mit dieser den modifizierten physikalischen Prinzipien des Aristoteles entspre-chenden Wiedergabe der Ausgleichsbewegung hatte Copernicus nun aber die Epizy-keltheorie bereits für die Erklärung und Herleitung der siderischen Anomalie benutzenmüssen. Epizykel waren bis dahin allerdings der Erklärung der synodischen Anomalieder Schleifenbewegung vorbehalten gewesen. Beide Perioden lassen sich jedoch nichtgleichzeitig mittels Epizykel wiedergeben, und die exzentrische Ausgleichsbewegungließ sich korrekt nicht durch bloße Exzenter darstellen. Eine prinzipiengetreue und

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damit physikalische Herleitung der Ausgleichsbewegung gewährleistete für Copernicusnur die neue epizyklische Lösung. Für die anomalistische synodische Periode musste erdeshalb auch eine neue Wiedergabemöglichkeit finden, die ebenfalls den Prinzipien derGleich- und Kreisförmigkeit der ihr zugrunde liegenden Bewegung entsprach.

7. Heliozentrik

Er schreibt in der Vorrede zu De revolutionibus25, dass er daraufhin bei seiner Suche nachHinweisen zu anderen Systemen bei alten Autoren auf Namen wie Philolaos, Ekphan-tos, Hiketas, den er nach einer Cicero-Handschrift ‚Nicetus‘ nannte, und Aristarchosgestoßen sei, die alle der Erde irgendeine Bewegung zusprachen. Eine Beobachtung,aus der bereits Ptolemaios auf eine spezielle Funktion der Sonne für die Planetenbe-wegungen geschlossen hatte, dass nämlich ein Zusammenhang zwischen den epizy-klischen Schleifenbewegungen der Planeten und ihrer jeweiligen Stellung zur Sonnebestehe, brachte Copernicus endlich die Gewissheit der Berechtigung der Anschauun-gen jener antiken Astronomen. Sie mussten nur in eine mathematische Form gegossenwerden (Abb. 9): Tauscht man die Plätze von Erde und Sonne, so hängen jene Schlei-fenbewegungen innerhalb der synodischen Periode alle mit dem Ort der Erde bzw.dem Ort des Beobachters auf der Erde zusammen. Der ‚Gleichlauf‘ mit der Sonne(weshalb diese Anomalie ja auch ‚synodisch‘ heißt) erklärt sich jetzt aus der jeweiligenStellung des Beobachtungsortes Erde zur Sonne. Die synodischen Anomalien sämtli-cher Planeten lassen sich auf diese Weise alle gemeinsam als aufgrund der einenjährlichen Bewegung der Erde, die der Beobachter selber ausführt, nur so erscheinenddeuten – so dass dafür auch keine speziellen Ätherkörper bei den Planeten erforderlichsind.

Der Fixsternhimmel ruht allerdings in diesem Sonnen-System; sei doch nicht ein-zusehen, warum Gott die riesige Sphäre sich bewegen lasse, wenn er denselben Effekt desoptischen Anscheins der rotierenden Fixsternsphäre mit der Rotation der kleinen Erdeerreichen könne. Täglicher Auf- und Untergang der Gestirne erfolgt damit aber ebenfallsbloß scheinbar, und somit braucht auch die 24stündige Umkreisung der Sonne bzw. Erdeden Planeten nicht mehr zugewiesen zu werden. Die Planeten führen selbst tatsächlichnur noch die siderischen Komponenten der älteren Bewegungssysteme aus.

Copernicus benötigt zur Beschreibung aller Bewegungen allerdings insgesamt nocheine große Anzahl von Exzentern und Epizykeln, die keineswegs hinter der von Pto-lemaios zurücksteht; und da die Berechnungen weiterhin geozentrisch erfolgen müssen,weil die Erde nicht nur Beobachtungsort, sondern auch Bezugspunkt der astrologischenAspekte bleibt, sind dazu die alten Komponenten wieder heranzuziehen. Außerdemsollte nach Copernicus eine größere numerische Genauigkeit gegenüber der ptolemai-ischen Theorie sich aus seiner eigenen, der Realität entsprechenden physikalisch be-gründeten Theorie von selbst ergeben. Von der Genauigkeit der zugrunde liegenden

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Beobachtungsdaten war er von vornherein überzeugt, weshalb er beispielsweise dieptolemaiische Sonnenbahn unverändert als Erdbahn übernahm – was möglich war, weilhier eine Ausgleichsbewegung bei Ptolemaios noch gefehlt hatte und erst von JohannesKepler nachgewiesen werden konnte. Bezugspunkt für die Planetenbewegungen wardaraufhin bei Copernicus auch nicht die Sonne, sondern der Mittelpunkt der zur Sonneexzentrischen Erdbahn, weshalb die Sonne sich auch nicht im Zentrum der Fixstern-sphäre befinden soll, sondern nur in dessen Nähe. Das copernicanische Planetensystemist somit streng genommen kein heliozentrisches, sondern ein heliostatisches. Es stelltinsofern eine bloße Transformation des ptolemaiischen durch die Vertauschung vonErde (mit Mond, dessen Sphäre von Copernicus in die Erdsphäre eingebettet wird) undSonne dar.

Das Aufgeben der Geozentrizität, das daraus fast zwangsweise folgte, sah er als dasgeringere Übel an, voll aufgewogen durch die sich daraus ergebenden Gewinne, diekein anderes System zu bieten hatte. Beispielsweise:

– die Zusammenfassung einzelner Bewegungen zu einem System und die darausresultierende größere Ökonomie,

– die (Fast-)Zentralstellung des Licht- und Lebensspenders Sonne,

– die Berechnung der absoluten Abstände der Planeten aus den als parallaktischeErscheinung gedeuteten Schleifenbewegungen,

– die von ihm als ‚Harmonie‘ und ‚Symmetrie‘ bezeichnete Anordnung der Planeten,deren Umlaufperioden nur im heliozentrischen System sämtlich proportional zuihrem Abstand von der Sonne wachsen,

– der Mond wird zum Sekundärplaneten (Trabanten) der Erde.

All das ergab sich allerdings erst nachträglich aus der auf anderem Wege er-schlossenen Heliozentrik. Es gab auch noch keine Beweise für und keine eindeutigenempirischen Hinweise auf die Zentralstellung der Sonne; und natürlich ist auch zubedenken, dass die von Copernicus durchgeführte Rephysikalisierung noch im Sinneder damals gültigen, nämlich der aristotelischen Physik erfolgte. Eine physikalischeNeuorientierung gelang erst fast 100 Jahre später Johannes Kepler und Galileo Galilei.

Die Physik des Copernicus blieb noch weitestgehend im aristotelisch-stoischenRahmen zuzüglich der Impetustheorie des Mittelalters. Die Rotation sprach er jetzt derErd-Wasser-Luft-Kugel als natürliche Bewegung zu, wie vorher der Fixsternsphäre.Hier war durch die Argumentation nichts gewonnen, zumal für die jährliche Bewegungder Erde um die Sonne jetzt auch die Mitführung durch eine entsprechende Äthersphäreerforderlich war. Dass diese wie alle anderen (Teil-)Sphären im Sinne des aristotelischenÄthers als fest und undurchdringlich, weil in jeder Beziehung unveränderlich gedacht war,zeigt schon die Einführung einer dritten Erdbewegung neben der jährlichen und dertäglichen26. Copernicus meinte sie anbringen zu müssen, um zu gewährleisten, dass die

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Rotationsachse des in die feste Erdsphäre eingebetteten Erdkörpers immer in dieselbeRichtung weist und so die Jahreszeiten entstehen lässt (Abb. 10). Er nutzt diese zusätz-liche Bewegung dann allerdings auch dazu, die Präzession in die Physik der Erde einzu-beziehen. Dazu änderte er einfach die entgegengesetzte Rotationsdauer von einem side-rischen Jahr um den Betrag der Präzession des Frühlingspunktes.

Abb. 10: Zusätzliche Teilsphäre der Erde zwischen der indie Erdsphäre eingebetteten Mondsphäre und dem Erd-Wasser-Luft-Körper zur Aufrechterhaltung der Richtungder Rotationsachse der Erde bei Copernicus

8. Keplers Suche nach einer neuen Physik

Da Johannes Keplers Lehrer Michael Mästlin Copernicus’ heliozentrisches Systemöffentlich nur in seinen Vorlesungen vertrat, geht auch sein Lehrbuch Epitome Astro-nomiae von 158227 nicht auf die Modifikationen der Physik ein, die Copernicus vorge-nommen hatte. In diesem insgesamt in sieben Auflagen erschienenen Werk, das denabschließenden Höhepunkt vorkeplerscher astronomischer Lehrbuchliteratur darstellt,nach dem auch Johannes Kepler in Tübingen von Mästlin in die Astronomie eingeführtwurde, trennte er deutlich den physikalischen Teil der Astronomie von dem mathema-tischen ab. Das vierte Buch behandelt diese „Doctrina theorica“, die ‚physikalische‘Theorie der „orbes secundorum mobilium“, das sind die Planeten(gesamt)sphären(orbes totales) und die einzelnen „orbes particulares“ innerhalb einer ‚Planetensphäre‘,aus deren Zusammenwirken das Erscheinungsbild der Bewegung eines Planetenkörpersentstehen sollte28 (siehe Abb. 7). Kepler war so aufs Beste vorbereitet, die vorhandeneLiteratur und die bestehenden Vorstellungen von deren astronomischen Inhalten zuverstehen, ohne alles als reduktionistische, rein mathematische Astronomie aufzufassen.Man merkt ihm auch die daran geschulte Sorgfalt im Umgang mit der Terminologiean29.

Und so waren es auch diese (Gesamt-)sphären (orbes, sc. totales) der Planeten,deren Anzahl, Größe und Rotationsperioden er von Anfang an suchte: „numerus,quantitas, et motus orbium“30, aber mit dem entscheidenden Unterschied zur älterenPhysik, dass diese Sphären jetzt nicht mehr „fest“, undurchdringlich und unveränder-lich sein konnten, nachdem Tycho Brahe durch parallaktische Messungen an der Nova

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von 1570 und dem Kometen von 1577 festgestellt hatte, dass beide Erscheinungeneindeutig weit jenseits der vermeintlich allein zu Veränderungen fähigen Element-Sphären der Erde lokalisiert werden mussten und der Komet ungehindert durch diesehr weite Sphäre der Venus zog31. Die Sphären-Materie, der aristotelische Äther,konnte also nicht fest und undurchdringlich, insgesamt unveränderlich sein, sie musstevielmehr äußerst fein und subtil sein und konnte nicht mehr die Mitführung derPlaneten und ihrer einzelnen Bewegungselemente bewerkstelligen. War daraufhin sogarder Jesuit Christoph Clavius, erklärter Aristoteliker, in seinem Sacrobosco-Kommentardavon überzeugt32, dass die Peripatetiker sehen müssten, „wie sie Aristoteles’ Lehre vonder Materie des Himmels verteidigen. Vielleicht wird man sagen müssen“, schrieb erweiter, „dass der Himmel nicht irgend eine fünfte Wesenheit ist, sondern ein verän-derlicher Körper, wenn auch weniger zerstörbar als die niederen Körper hier [aufErden]“, was wenige Jahre später (1612) aufgrund der Entdeckung der Jupitermonde,der Erdähnlichkeit der Mondoberfläche und der Sonnenflecken wiederum durch einenJesuiten, Christoph Scheiner33, dahingehend bekräftigt wurde, dass die übliche Vor-stellung von der Undurchdringlichkeit und Unveränderlichkeit der Äthersphären gene-rell aufgegeben werden müsse; so war der junge Johannes Kepler, frei von allen Rück-sichtnahmen, schon vor ihnen radikaler vorgegangen und hatte nach einer völlig neuenPhysik, nach einer „astronomia sine orbibus“, nach einer Astronomie ohne Sphären,gesucht und war deshalb auch völlig neue Wege gegangen.

Er war schon als Student ob der größeren Ökonomie und Harmonie des helio-zentrischen Weltbildes von dessen Richtigkeit überzeugt gewesen und hatte darüberauch öffentlich disputiert. Empirische Kriterien dafür gab es aber nicht, wie er dannunter Einbeziehung des braheschen Planetensystems aufzeigte; vielmehr führten alledrei Systeme (Ptolemaios, Copernicus, Brahe) rechnerisch auf (fast) gleiche Planeten-örter34. Sollte das heliozentrische Planetensystem der Realität entsprechen, so müsstedessen Realität also aus anderen Realitäten folgen und sich aus ihnen ableiten lassen,und zwar notwendig aus solchen, die der wahrnehmbaren Realität der göttlichenSchöpfung übergeordnet und im Sinne Platons Gottes Muster für die Schöpfung ge-wesen wären – und deshalb auch aus der Schöpfung abzulesen sein müssten35.

Aufgrund der Ebenbildlichkeit von Schöpfer und Schöpfung und deren notwendigmathematischen Struktur suchte Kepler nach den der Schöpfung zugrunde liegendenArchetypen innerhalb der Quantitäten. Diese mussten gleichzeitig den ‚Halt‘ und dieFührung ersetzen, die in der aristotelischen Physik die festen Äthersphären gebotenhatten.

9. Das Mysterium cosmographicum

Auf der Suche nach den wirklichen Archetypen untersuchte Kepler zunächst36, wie essich mit dem schon von Aristoteles als harmonisch bezeichneten Verhältnis zwischen

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Abb. 11: Johannes Keplers„Mysterium cosmographi-cum“ (aus Kepler 1596, cap.2, tabula 3)

den Sphärengrößen bzw. mittleren Abständen der Planeten verhalte. Ein stetigesWachsen der Sphären konnte er schnell als nicht den Phänomenen entsprechend ver-werfen. Von ganzzahligen Verhältnissen ging er deshalb zu geometrisch gewonnenenStreckenverhältnissen über, dann zum Verhältnis den Sphären einbeschriebener Flä-chen und schließlich zum Verhältnis den Sphären einbeschriebener Körper, war dochauch der reale Kosmos dreidimensional. Dafür boten sich dann als in jeder Beziehungausgezeichnete und in der Anzahl definitionsgemäß begrenzte Körper die regulärenPolyëder oder Platonischen Körper an, deren es nur fünf gibt.

Mit Copernicus’ Werten für Exzenter und Epizykel, welche die ‚Dicke‘ (crassities,cissitudo) einer Sphäre als den Raum für die Elemente der jeweiligen Eigenbewegungbestimmen, ließen sich die Planetensphären mit verblüffender Übereinstimmung indiese Polyëder einfügen – wenn man sie in bestimmter Reihenfolge so ineinanderschachtelt, dass zwischen der Inkugel des jeweils äußeren und der Umkugel des jeweilsinneren Platz für eine Planetensphäre mit ihrer bekannten Dicke blieb. Dieser Arche-typus des materiell umgesetzten Schöpfungsplans begründete für Kepler gleichzeitig,warum es sechs und nicht mehr oder weniger Planeten gebe, und konnte ihm damiteine zusätzliche Bestätigung des copornicanischen heliozentrischen Systems liefern.Nur in diesem gibt es ja sechs Planeten(sphären), weil der Mond als Begleiter der Erdein deren Sphäre mit eingebettet ist.

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Die Passgenauigkeit zwischen archetypischem Modell und copernicanischen Datenkonnte zwar von Keplers Lehrer Mästlin noch verbessert werden, indem er die Werteder exzentrischen Deferenten auf die wahre Sonne bezogen neu berechnete37, dochblieben für die Epizykel keine Räume. Sie ragten über die Begrenzungsflächen hinaus.Kepler bezog daraufhin deren Funktion, die Ausgleichsbewegung zu erklären, wiederin den Deferenten selber ein und ließ den Planeten sich auf seinem Weg längs diesesehemaligen Deferenten ungleichförmig bewegen, wie es im ptolemaiischen System derEpizykelmittelpunkt tat: im Perihel (in Sonnennähe) schneller, im Aphel (in Sonnen-ferne) langsamer.38

10. Keplers Planetenmotor Sonne

Das bestätigte ihm aber wiederum eine andere Erkenntnis. Er hatte nämlich beimVergleich der Länge der durchlaufenen Kreise und der Geschwindigkeiten, mit denendie Planeten ihre Perioden vollenden, errechnet, dass die Umlaufzeiten mit wach-sendem Abstand von der Sonne im Zentrum „doppelt“ wachsen, wie er sich ausdrück-te39, sowohl gemäß der Länge des durchlaufenen Kreises als auch zusätzlich gemäß demAbstand von der zentralen Sonne. Und daraus schloss er auf eine Bewegungskraft inder Sonne, deren Wirkung mit der Entfernung abnimmt.

Man konnte sich eine solche in die Ferne wirkende ‚Kraft‘ seinerzeit allerdingsvorerst nur als eine ‚seelische‘ Kraft, eine Kraft der Seele, vorstellen. Kepler nannte sie„anima movens“, Bewegungsseele. Eine solche bewegende Zentralkraft ist aber nurerforderlich, wenn der von ihr bewegte Körper eigentlich ruht. Diese notwendige Ten-denz zur Ruhe nannte Kepler „inertia“, das Streben nach Untätigkeit; und diese Ten-denz erforderte ihrerseits ein ununterbrochenes Einwirken der äußeren Bewegungs-kraft. Da diese in ihrer Wirkung mit der Entfernung abnehmende Fernkraft sämtlichePlaneten in dieselbe Richtung vorwärts bewegt, müsse auch der Körper, von dem dieseKraft ausgeht, diese Bewegung ausführen: Die Sonne muss sich auch selber um einesenkrecht auf der Ekliptikebene stehende Achse drehen. – Mit Recht sah Kepler dieseabgeleitete Erkenntnis später durch die Beobachtung der Wanderung der Sonnen-flecken vor allem von Galileo Galilei und Christoph Scheiner bestätigt, wenn auchnicht die von ihm durch Analogiebetrachtungen erschlossene Dauer ihrer Rotation.

Wenn die Sonnenkraft die Planeten mit von der Entfernung abhängiger unter-schiedlicher Geschwindigkeit bewegt, muss sie aber auch den einzelnen, auf einemexzentrischen Kreis bewegten Planeten unterschiedlich schnell bewegen – bei größererNähe, also im Perihel, schneller und bei größerer Ferne, im Aphel, langsamer. Damitwird aber die Eliminierung der Epizykel gerechtfertigt. Und die wieder eingeführte ur-sprüngliche Ausgleichsbewegung findet eine neue, sogar eine ‚physikalische‘ Begrün-dung: Die von der Sonne verursachte Eigenbewegung der Planeten ist demnach tat-sächlich von Natur aus ungleichförmig, nicht nur scheinbar, wie es die Zusammen-

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setzung aus gleichförmigen Bewegungselementen seit der Antike gelehrt hatte. Und dieBewegung wird den Planeten von außen durch Kräfte eingeprägt, wie es bis dahin nurfür nicht-natürliche, gewaltsame Bewegungen, etwa den Wurf, gegolten hatte.

Das alles sind ohne neues Beobachtungsmaterial erbrachte entscheidende Er-kenntnisse zur Überwindung des aristotelisch-scholastischen Weltbildes.

Kepler hat zwar später feststellen müssen, dass die Idee des Mysterium cosmographicumnicht ganz so präzise Ergebnisse erbrachte, wie er nach ersten Modifizierungen ange-nommen hatte. Die genaueren Beobachtungsdaten Tycho Brahes, die ihm nach undnach zugänglich wurden und die er heranzog, um die exakten Entfernungen und Tie-fenbewegungen der Planeten zu bestimmen, zeigten, dass das Modell nur Näherungs-werte erbracht hatte.

11. Die ‚Kraft‘ der Sonne ...

Auch in einem anderen Punkt rang er sich zu einem Umdenken durch. Ende 1601 undnochmals 1604 war er auf das 1600 erschienene Werk De magnete, magneticisque corporibuset de magno magnete tellure von William Gilbert40 aufmerksam gemacht worden. Hier wur-de eine auf Erden und im Kosmos ohne Kontakt und körperhafte Ausflüsse auf andereKörper wirkende Kraft eines Körpers, die Magnetkraft, beschrieben und experimentelluntersucht – eine Kraft, wie Kepler sie für seine provisorische „anima movens“ derSonne gesucht hatte. Und Kepler hat den kosmischen Magnetismus sofort für seineProblematik adaptiert.41 Nur dass er den Sitz der Magnetkraft statt der Seele, wie Gil-bert es tat, dem Körper der Sonne zuwies – und ihr damit die Möglichkeit willkürlichenWirkens entzog. Die Begeisterung ließ ihn Anfang 1605 ein ganz neues Ziel for-mulieren, nämlich dass „jegliche Bewegungsveränderung in der Himmelsmaschine voneiner einzigen, ganz einfachen körperlichen magnetischen Kraft („ab una simplicissimavi magnetica corporali“) verursacht wird, wie bei einer Gewichtsuhr alle Bewegungenvon nur einem Gewicht abhängen“42.

Für die Längenbewegung war dies einfach. Kepler musste letztlich nur seine „animamotrix“ umbenennen in die magnetische Richtkraft in der Gilbertschen Theorie. Erkonstruierte hierzu kreisförmige Magnetfibern, die zum Sonnenkörper selbst gehörenund mit ihm rotieren und dabei die Planeten mitführen, so wie sie eine Magnetnadelausrichten – wobei sich eben dieselbe Menge Magnetkraft auf unterschiedlich großeKreise verteile und damit die ‚trägen‘ Planeten unterschiedlich schnell kreisförmig vor-wärts treibe. Für die Bewegung des Planeten auf die Sonne zu und von ihr weg, worausdie Geschwindigkeitsänderung folgt, machte er die zweite Magnetwirkung der Gil-bertschen Theorie verantwortlich, die gegenseitig anziehende (nach Vereinigung stre-bende). Hierzu konstruierte er geradlinige, radial von einem magnetischen Körperausgehende Magnetfibern.

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Für den Betrag der Annäherung oder Entfernung längs des auf die Sonne wei-senden Durchmessers des Epizykels als Grenzen machte er vorerst einen steuerndenPlanetengeist verantwortlich. Aber diesen Epizykel, den Kepler für die Berechnung derÖrter in Länge vorerst benötigte und als „stellvertretende Hypothese“ weiterhinverwendete, galt ihm als physikalisch völlig absurd und nicht real. Er gab auch nicht diekorrekten Werte der Tiefenbewegung wieder, die vor Kepler ja überhaupt niemandeninteressiert hatte.

12. ... und die Keplerschen Gesetze

Es dauerte Jahre des Rechnens und Wieder-Verwerfens, bis er über eine ovale Formund eine pausbäckige mittels der Beobachtungsdaten Tycho Brahes durch eine Dif-ferenz von lediglich acht Bogenminuten gegenüber dem ursprünglich für eine exzen-trische Kreisbahn berechneten Ort des Mars (Abb. 12) zur Ellipse als der durch äußereKräfte verursachten Bahn („orbita“) des Marsgelangte. Diese übertrug er dann sogleich ana-log auf sämtliche Planetenbahnen.

Er hatte das Glück gehabt, dass Tycho ihmdie Theorie des Mars zur Aufgabe gestellt hat-te; denn dessen Bahn weist eine relativ große,wenn auch immer noch winzige Exzentrizitätauf. – Man sieht an dieser Verlaufsskizze derEntstehung der ersten beiden Keplerschen Ge-setze (Abb. 13) die Abhängigkeit von vorange-gangenen Überlegungen seit Ptolemaios: Dieursprünglich auch bei Kepler kreisförmigeBahn (um M) ist zur Ellipse geworden. Aus-gleichspunkt und Erde werden bei Kepler diebeiden Brennpunkte dieser Ellipse. Die Effekteder früheren Ausgleichsbewegung finden sichim Flächensatz wieder.

Abb. 12: Acht Bogenminuten Differenzzwischen von Tycho Brahe beobachtetem undfür eine Kreisbahn berechnetem Ort des Mars(aus Kepler 1609, KGW III, S. 381).

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Abb. 13: Keplers Ellipse mit Flächensatzund ptoplemaiische Ausgleichsbewegung(E = Erde wird bei Kepler zur Sonne)

Da die Wirkgröße der bewegenden ‚Kraft‘ der Sonne von der jeweiligen Ent-fernung des Planeten abhängt, gibt die Länge des Radius die Bewegungsgröße an. DieLineargeschwindigkeit steht jeweils im umgekehrten Verhältnis zur Länge des Radius.Die Summe der Radien ergab damit für Kepler den Ort des Planeten in der Länge.Dieser sogenannte Radiensatz lag lange seinen physikalischen Überlegungen zugrunde.Das mühsame Geschäft der Summierung vor dem Aufkommen der Integralrechnungkürzte er allerdings für den Gebrauch ab und ersetzte es durch die Bestimmung derFläche des von den summierten Radien gebildeten Dreiecks. Diese von dem Fahrstrahlüberstrichene Fläche erwies sich nach der Entdeckung der Ellipsenform für diese alsallein richtig.

Den beiden Bewegungsgesetzen folgte zehn Jahre später in der Harmonice mundi dasdritte Gesetz als endgültige physikalische Beschreibung der Planetenbahnen. Je zweibeliebige von ihnen werden dadurch in ein exaktes Verhältnis der Bahnelementegebracht – die in unseren Augen etwas umständliche Formulierung43 beruht auf demnoch durch die Geometrie geprägten mathematischen Denken der Zeit Keplers. Damitwar allerdings noch nichts über die absolute Größe der Bahnen gesagt, wie sie durchdas Mysterium cosmographicum als Harmonie stiftendes mathematisches Gebilde statt derÄthersphären bestimmt worden war. Dieses hatte sich ja aber inzwischen als nichtpräzise genug erwiesen. Die Funktion der alten Sphären musste also in den Bahnenselbst, in deren harmonikalen Verhältnissen gesucht werden. Für Kepler war dieseSuche an ihr Ziel gelangt, als er feststellte, dass die von Anfang an gesuchte Harmoniknicht zwischen den Bahnlängen oder -radien der Planeten besteht, sondern zwischenderen Geschwindigkeiten, und zwar den jeweiligen Extremalgeschwindigkeiten imPerihel und Aphel. – Zwar gelten entsprechende symphonische Gleichklänge, wie sienatürlich nur dem geistigen Ohr erklingen sollen, auch für die später entdecktenPlaneten, doch ist ihm darin kaum jemand gefolgt. Der Keplersche Erklärungsumfang

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Abb. 14: Keplers Idee von dem die Tiefenbewegung der Planeten steuernden Sonnen-

magneten, dessen Gesamtoberfläche und Zentrum die beiden Pole bilden sollen.

ist deshalb auch wieder verloren gegangen. Newton etwa musste die Anordnung derBahnen Gottes Willkür überlassen.

Auch das zweite Ziel meinte Kepler noch erreicht zu haben, als er in seinemLehrbuch der copernicanischen Astronomie, der Epitome, die Problematik der physi-kalischen Ursache für die Tiefenbewegung der Planeten wieder aufgriff44. Er verwarfhier die aktive Eigenbewegung des Planeten, die ihn, je nach Stellung der Magnetpoleder Erdachse zum Magneten Sonne, an diese heranziehe oder von ihr abstoße. Dazukönne vor allem die Magnetkraft der weit entfernten äußeren Planeten nicht ausreichen.Die aktive Bewegung müsste vielmehr eine passive werden. Und dazu fasste Kepler dieSonne als nach außen gleichpoligen Magneten auf, der jetzt seinerseits die Planetenheranziehe oder abstoße, je nachdem, welchen ihrer ungleichnamigen Pole sie aufgrundder Schrägstellung der Achse ihr zuwendeten (siehe Abb. 14). Damit schien er nuntatsächlich die „vis una simplicissima“ gefunden zu haben, den Magneten Sonne, dersowohl die Längen- als auch die Tiefenbewegung der Planeten verursache.

Aber die anfängliche Analogie zwischen der zu erklärenden immateriellen Son-nenkraft und dem erklärenden Magnetismus, die sich bei ihm rasch zur Identität beidergewandelt hatte, war nach zunächst großartigen Ansätzen zu einer neuen Himmels-physik schon bald an ihre Grenzen gestoßen, weil wie in diesem Fall die im Kosmosvorausgesetzten Effekte im irdischen Magnetismus nicht auftraten. Möglicherweisewären die an diesem kosmischen Magnetismus entbrannten Widerstände gegen seinemit ihm als leitender physikalischer Analogie erbrachten Erkenntnisse weniger heftigausgefallen, wenn er statt von magnetischen einfach von „himmlischen Kräften“gesprochen hätte, wie er selber 1607 schon einmal in Erwägung gezogen hatte45, undsich dann auf die mathematische Beschreibung dieser Kräfte und ihrer Wirkungen

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beschränkt hätte (wie es ein Galileo Galilei oder Isaac Newton taten). So wurden diedrei Keplerschen Bewegungsgesetze erst von Isaac Newton wieder aufgenommen undweiter geführt – unter Weglassen der von Kepler zugrunde gelegten Ursachen, die ihnauf sie geführt hatten.

Anmerkungen

1 Kuhn 1962 und 1967.

2 Krafft 1977 und 2015.

3 Krafft 1977.

4 Siehe dazu Koeppen 1973.

5 Copernicus [hg. Roßmann] 1948, S. 9 f. (lateinischer Text); alle Übersetzungenstammen, wenn nicht anders angegeben, vom Verfasser.

6 Dazu siehe generell Krafft 2011a und speziell Neugebauer 1975.

7 Siehe dazu Krafft 2011b, S. 34–37 mit Nachweis der Quellen.

8 Zu den vorangegangenen und zeitgenössischen Versuchen einer Astronomie mitausschließlich konzentrischen Sphären siehe Krafft 1989 b, S. 323 f.

9 Copernicus 1543, Titelbogen Bl. IIIv: „certa principia“, „certior ratio motuum machinaemundi“; siehe auch im Commentariolus Copernicus [hg. Roßmann] 1948, S. 10: „rationa-bilior modus circulorum“.

10 Siehe Krafft 1965.

11 Copernicus 1543, Titelbogen Bl. Iv.

12 Johannes de Sacrobosco 1949.

13 Georg von Peurbach [1473].

14 Faber Stapulensis 1503.

15 So auch noch bei Mästlin 1582, Lib. II, Pars I, S. 94: Man arbeite in der Doctrina theoricamit sieben Arten von orbes, darunter „der Ausgleichskreis, der jedoch eigentlich keineSphäre, sondern nur ein Kreis ist (Aequans, qui tamen proprie non orbis, sed circulus)“,folglich nur in die mathematische Astronomie gehöre; hierzu siehe Krafft 2011b, S. 52mit Fn. 59 speziell zu Clavius 1606, S. 614.

16 Copernicus 1543, Titelbogen Bl. IIIv: „pleraque tamen interim admiserunt quae primisprincipijs, de motus aequalitate, uidentur contrauenire“. Siehe auch Copernicus 1543,Buch 5, Kap. 2.

17 Siehe schon Copernicus [hg. Roßmann] 1948, S. 11 im Anschluss an die Axiome: „Hisigitur sic praemissis conabor breviter ostendere, quam ordinate aequalitas motuum ser-vari possit.“

18 Copernicus 1543, Titelbogen Bl. IIIv f.

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19 Siehe Krafft 1973a, S. 66–78. Zu zeitgenössischen Autoren gehören Giovanni Battistadella Torre (Turrianus), Giovanni Antonio Delfino (Bologna 1559), Giovanni BattistaAmico (Venedig 1536, 1537, Paris 1540), Girolamo Fracastoro (Venedig 1835) sowieAlpetragius (Nur ad-Din al-Bitrudschi) mit der ersten Druckausgabe einer lateinischenÜbersetzung (Venedig 1531); siehe auch Riccioli 1651, Pars II, S. 286.

20 Siehe Simplicius 1894, S. 509, Zeilen 30–32.

21 Copernicus [hg. Roßmann] 1948, S. 10: „Omnium orbium coelestium sive sphaerarumunum centrum non esse.“

22 Proklos 1909, Kap. IV, § 98, S. 130.

23 Valla 1501, Liber XVIII, Cap. 3 (De luna) (Google-Books, Scan 492).

24 Copernicus 1543, Buch V, Kap. 4.

25 Copernicus 1543, Titelbogen Bl. IIIIr – bei der Verschiebung der ursprünglich im erstenBuch stehenden diesbezüglichen Textpassage in die Vorrede an Papst Paul III. wurdevon ihm der Verweis auf Aristarchos (noch im Manuskript, Copernicus 1974, S. 72r)gestrichen.

26 Copernicus 1543, Buch I, Kap. 11.

27 Siehe Mästlin 1582 (Lehrbuch und Disputatio), dazu Rex 2002.

28 Mästlin 1582, § 21 ff.: Der „orbis sive sphaera“ eines jeden Planeten komme diesem von

Natur (κατ� nύσιν), nicht durch bloße Setzung (κατ� hέσιν, also bloß fiktiv) zu; dieeinzelnen Planetensphären (sphaerae) seien aber weiter in für sich separate ‚Teil-sphären‘ (orbes particulares) unterteilt, von denen Mästlin insgesamt sieben Artenunterscheidet; siehe dazu auch Abb. 7 sowie Krafft 2011 b, S. 50–52.

29 Dazu siehe Krafft 2011 b; spätestens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wird in Über-

setzungen der lateinische Begriff für griechisch σnαÃρα ‚orbis‘ meist falsch mit ‚Bahn‘ /‚Orbit‘ (mit der Folge unverständlicher Textaussagen) statt mit ‚Sphäre‘ oder ‚Kugel‘wiedergegeben, offenbar davon ausgehend, dass ‚Orbit‘ von ‚orbis‘ abzuleiten sei. Deminternational gebräuchlichen Begriff ‚Orbit‘ liegt aber das lateinische Wort ‚orbita‘ (‚ein-gefahrener Weg‘) zugrunde, das erst Johannes Kepler ab dem Jahre 1605 (Kepler 1609:Astronomia nova, Kap. 43–45) für den durch äußere Kräfte bewirkten Weg eines Him-melskörpers prägte und deshalb anfangs (und in der Inhaltsangabe des 45. Kapitelsinnerhalb der Introductio) auch erklärend definieren musste: „... orbitam seu iter utraquecausa conformatum ...“ (Kepler 1609, KGW III, S. 47, Zeilen 29 f.). Siehe auch dieDefinition zu Beginn der „Doctrina theorica“ der Bücher V bis VII seiner Epitomeastronomiae Copernicanae (Kepler 1621, KGW VII, S. 394, Zeilen 3–8).

30 Kepler 1596, Vorrede an den Leser (KGW I, S. 9, Zeile 34).

31 Brahe 1588; siehe speziell Weichenhan 2004 und Thoren 1979 sowie Krafft 1974.

32 Clavius 1606, S. 220, 1611, S. 105.

33 Scheiner 1612; siehe Krafft 2011 b, S. 53 f.

34 Kepler 1609, Pars I, Cap. 2–6.

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35 Siehe hierzu Krafft 1988 und 1889 a.

36 Kepler 1596, Vorrede an den Leser, S. 9–14.

37 Kepler 1596, Kap. 15.

38 Siehe Kepler 1596, Kap. 22.

39 Kepler 1596, Kap. 20, KGW I, S. 71, Zeile 16 = Kepler 2005b, S. 96; vgl. Krafft 1973a,S. 98.

40 Gilbert 1600.

41 Siehe zum Folgenden insgesamt Krafft 2010, besonders S. 179–188.

42 Kepler: Brief Nr. 325, an Herwart von Hohenburg, 10.02.1605, in: KGW XV, S.145–147, hier Zeilen 57–61.

43 Kepler 1619, Buch V, Kap. III (KGW VI, S. 302, Zeilen 20–24 = Kepler 2005 b, S. 590:„Allein es ist ganz sicher und stimmt vollkommen, dass das Verhältnis, das zwischen denUmlaufzeiten irgend zweier Planeten besteht, genau das Anderthalbe des Verhältnissesder mittleren Abstände, das heißt der Sphären selber, ist...“ (Proportio quae est interbinorum quorumcumque Planetarum tempora periodica, sit praecise sesquialteraproportionis mediarum distantiarum, id est Orbium ipsorum).

44 Kepler 1621, KGW VII, S. 336, Zeilen 6 ff.; siehe dazu Krafft 1973, S. 124–126.

45 Kepler: Brief Nr. 424, an Herwart von Hohenburg, April 1607, in: KGW XV, S.449–463, Zeilen 161 f.: virtus Solis, „quam intelligentiae et similitudinis causa dicomagneticam, debui caelestem dicere“.

Literatur:

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Quellen

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– (1609): Astronomia nova ΑΙΤΙΟΛΟΓΗΤΟΣ, sev Physica Coelestis, tradita commentariis demotibvs stellae Martis, Ex observatibus G. V. Tyconis Brahe. Plutium annorum pertinaci studioelaborata. Prag 1609.

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– (2005a): Astronomia Nova – Neue, ursächlich begründete Astronomie. Übersetzt von Max Caspar.Durchgesehen und ergänzt sowie mit Glossar und einer Einleitung versehen von Fritz Krafft.Wiesbaden 2005.

– (2005b): Was die Welt im Innersten zusammenhält. Antworten aus Schriften von Johannes Kepler(Mysterium cosmographicum, Tertius interveniens, Harmonice mundi) in deutscher Übersetzung mit einerEinleitung, Erläuterungen und Glossar hg. von Fritz Krafft. Wiesbaden 2005.

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