Explizitation der Anfangsphase der Situation in der Übersetzung aus dem Deutschen ins Spanische....

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María Teresa Sánchez Nieto Explizitation der Anfangsphase der Situation in der Übersetzung aus dem Deutschen ins Spanische. Eine deskriptive Studie Abstract: Speakers of Spanish typically stress in discourse the ingressive phase (i. e., the starting point of the action) more often than speakers of German do (Cartagena/Gauger 1989 a: 410/412, Sánchez Nieto, 2003, 2005). The aim of this paper is to investigate to what extent professional and student translators from German into Spanish maintain this discursive convention, especially the case of empezar a + infinitive. For this purpose, the main findings of Hispanic Studies in the field of inchoative periphrasis description are highlighted, giving particular emphasis to the description of empezar/comenzar a + infinitive). The data from two parallel corpora with extracts of literary translations (in the first case by professional and in the second case by student translators) are qualita- tively and quantitatively analyzed. The results point to the fact that stressing the ingressive phase through the use of empezar/comenzar a + infinitive when translating from German into Spanish is a case of optional explicitation and that this translation strategy occurs mainly in sequences with very specific narrative patterns. Schlagwörter: verbal periphrasis, Explicitation hypothesis, Anfangsphase, Spa- nish verbal periphrasis in Translation, Aspektualität María Teresa Sánchez Nieto: Facultad de traducción e interpretación, Universidad de Valladolid, Campus Universitario Duques de Soria, s/n, E-42004 SORIA, E-Mail: [email protected] Ausgangspunkt In ihrer vergleichenden Grammatik Spanisch-Deutsch beobachten Cartagena/ Gauger (1989 a: 410/412) dass die lexikalischen Mittel des Deutschen für die Bezeichnung der inzeptiven bzw. ingressiven Phase (beginnen/anfangen + zu + Infinitiv; Verbalpräfix/los/, sich daran machen + Infinitivgruppe, in [ein Gelächter usw.] ausbrechen etc.) im Spanischen ein grammatikalisches Korrelat haben DOI 10.1515/les-2012-0501 LES 2012; 57(1): 162184 Bereitgestellt von | De Gruyter / TCS (De Gruyter / TCS ) Angemeldet | 172.16.1.226 Heruntergeladen am | 19.07.12 12:01

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María Teresa Sánchez Nieto

Explizitation der Anfangsphaseder Situation in der Übersetzungaus dem Deutschen ins Spanische.Eine deskriptive Studie

Abstract: Speakers of Spanish typically stress in discourse the ingressive phase(i. e., the starting point of the action) more often than speakers of German do(Cartagena/Gauger 1989 a: 410/412, Sánchez Nieto, 2003, 2005). The aim ofthis paper is to investigate to what extent professional and student translatorsfrom German into Spanish maintain this discursive convention, especially thecase of empezar a + infinitive. For this purpose, the main findings of HispanicStudies in the field of inchoative periphrasis description are highlighted, givingparticular emphasis to the description of empezar/comenzar a + infinitive). Thedata from two parallel corpora with extracts of literary translations (in the firstcase by professional and in the second case by student translators) are qualita-tively and quantitatively analyzed. The results point to the fact that stressing theingressive phase through the use of empezar/comenzar a + infinitive whentranslating from German into Spanish is a case of optional explicitation and thatthis translation strategy occurs mainly in sequences with very specific narrativepatterns.

Schlagwörter: verbal periphrasis, Explicitation hypothesis, Anfangsphase, Spa-nish verbal periphrasis in Translation, Aspektualität

María Teresa Sánchez Nieto: Facultad de traducción e interpretación, Universidad de Valladolid,Campus Universitario Duques de Soria, s/n, E-42004 SORIA, E-Mail: [email protected]

Ausgangspunkt

In ihrer vergleichenden Grammatik Spanisch-Deutsch beobachten Cartagena/Gauger (1989 a: 410/412) dass die lexikalischen Mittel des Deutschen für dieBezeichnung der inzeptiven bzw. ingressiven Phase (beginnen/anfangen + zu +Infinitiv; Verbalpräfix/los/, sich daran machen + Infinitivgruppe, in [ein Gelächterusw.] ausbrechen etc.) im Spanischen ein grammatikalisches Korrelat haben –

DOI 10.1515/les-2012-0501 LES 2012; 57(1): 162–184

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das, was die Autoren als Verbalflexematik bezeichnen, wozu VPn wie echar a +Infinitiv, ponerse a + Infinitiv usw. gehören. Die von den Autoren untersuchtenBeispiele weisen nicht nur auf die Möglichkeit von Nullübersetzungen hin (1),sondern auch auf die Möglichkeit von Überspezifizierungen in der Übersetzung(2), ohne jedoch auf diese Phänomene weiter einzugehen (beide Zitate entstam-men Cartagena/Gauger 1989 a: 411 – 412):

(1) SE PUSO AVOLAR en un ancho círculo alrededor del cuerpo del hombre (NEF107) – ErZOG einen weiten Kreis um den Körper des Menschen (NEF 107)(2) . . .sie sah die beiden sich umschlingen, hörte ihre Küsse, dabei ZITTERTE sie ZUGLEICHvor Erregung . . . (HN 108) – . . . los vio abrazarse y oyó sus besos y, a la vez, SE PUSO ATEMBLAR de excitación. (NHÜ 141)

Interessanterweise kommentieren Cartagena und Gauger (ebd.) kurz das letzteBeispiel und fügen einige zusätzliche Übersetzungsbeispiele hinzu:

Abgesehen vom Richtigkeitsgrad einer solchen Auslegung [der Übersetzer betrachtet dasZittern nicht als mit dem Umschlingen gleichzeitig, sondern erfasst es gerade im Momentder Entfesselung] steht fest, dass es im Spanischen oft als notwendig erscheint, denAnfangspunkt im Handlungsverlauf hervorzuheben, wie folgende Übersetzungen deutscherTexte zeigen:Er stellte sich schlafend, DREHTE SICH wie schlaftrunken HIN UND HER (HN138) – Fingiódormir, PÚSOSE A DAR VUELTAS A UNO Y OTRO LADO (HNÜ 180)1.

Unter den deutschen Entsprechungen der Verbalperiphrasen, die den Anfangdes Verlaufs einer Situation bezeichnen, haben wir in früheren kontrastivenStudien ebenfalls festgestellt, dass die Übersetzer2 diesen Anfang nicht immerexplizit ausdrücken (Sánchez Nieto 2003, 2005: 96–97). Dieses Phänomen istjedoch in unterschiedlichem Umfang je nach Verbalperiphrase zu beobachten:Am häufigsten fehlt der explizite Ausdruck der ingressiven Phase im Falle derdeutschen Entsprechungen von ponerse a + Infinitiv (80% bis 84% der unter-suchten Fälle), es folgen dar por + Infinitiv und echar(se) a + Infinitiv, mit54 Prozent der deutschen Entsprechungen ohne explizite Markierung des An-fangs der Handlung. Die sinkende Tendenz endet bei empezar/comenzar a +Infinitiv: nur 25 Prozent der Beispiele zeigen Nullübersetzungen als Entsprechungdieser Periphrasen.

Gerade aber die letztgenannten Fälle sind aber interessant für eine translato-logische Studie, die das Spanische nicht als Ausgangs- sondern als Zielsprache

1 Die Autoren fügen drei weitere Beispiele ähnlicher Natur hinzu.2 Im Folgenden steht Übersetzer für Übersetzer und Übersetzerinnen.

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berücksichtigt: Was passiert, wenn empezar/comenzar a + Infinitiv doch in derspanischen Übersetzung deutscher Ausdrücke auftritt, in denen der Anfang desVerlaufs einer Situation nur kontextuell angedeutet wird? Wie können dieseKontexte beschrieben werden? D. h.: Auf welche Situationstypen beziehen sichdie Hauptverben, die von den VPn spezifiziert werden? Wie ist die Valenz derVPn? Welche Eigenschaften hat der Diskurs, in dem die VPn erscheinen? Außer-dem, aus übersetzungsdidaktischer Perspektive: Machen angehende Übersetzerdenselben Gebrauch von diesen Konstruktionen wie professionelle (literarische)Übersetzer?

Um die richtigen Kategorien für die Analyse verwenden zu können, befassenwir uns aber an erster Stelle mit der Beschreibung dieser Periphrasen in deneinschlägigen hispanistischen Arbeiten.

Theoretischer Hintegrund

Empezar/comenzar a + Infinitiv in der Literaturzu den spanischen VPn

Die Verbalperiphrasen sind aus verschiedenen theoretischen Ansätzen beschrie-ben worden: So betrachten sie z. B. Cartagena/Gauger (1989) als Ausbau desSystems der spanischen Verbalflexematik, während andere Autoren wie Fern-ández de Castro (1999), Dietrich (1983 [1973]) oder Lausberg (1996) sie alsFälle adverbialer Determination (verba adiecta) erklären.

Empezar/comenzar a + Infinitiv erscheinen in verschiedenen Arten von Klas-sifikationen. Ganz allgemein gehören sie zur Gruppe der Infinitivperiphrasen,u. a. bei Fente et al. (1997), García González (1998), Lorente Vigil (1999) oderGómez Torrego (1999). Konkreter ist Fernández de Castro (1999: 55, 233, 328),bei dem empezar/comenzar a + Infinitiv zur Kategorie der Phase bzw. Gradation(gradación) gehören, einer Kategorie aus dem Coseriu'schen Beschreibungsappa-rates für das romanische Verbalsystem (Dietrich 1983: 201).

In der Kategorie der Phase fasst Fernández de Castro jene spanischen VPnzusammen, deren semantische Werte in der Bezeichnung des konkreten Prozess-teils bestehen. Empezar/comenzar a + Infinitiv bezeichnen den Anfang der Situa-tion, die sogenannte ingressive Phase. Andere Prozessteile, die ebenfalls durchspanische VPn hervorgehoben werden können, sind die Phasen gerade vor demAnfang einer Situation (imminentielle Phase: ir a + Infinitiv), die Phasen nacheinem ineffektiven Ende der Situation (die progressive Phase: seguir/continuar +gerundio), die Phasen am Ende der Situation, welches (i) natürlich stattfinden

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kann oder (ii) als Folge eines Aufhörens (konklusive Phase: (i) terminar de +Infinitiv, (ii) dejar de + Infinitiv/parar de + Infinitiv), die Phasen gleich nach demEnde der Situation (unmittelbare perfektive Phase: acabar de + Infinitiv) und diePhasen nach dem Ende der Situation, mit Fokus auf deren Resultat (perfektivePhase: tener/llevar + Partizip).

Nach deren oben skizzierter Funktion werden empezar/comenzar a + Infini-tiv, zusammen mit anderen VPn ähnlicher Natur, inchoative, ingressive oderinzeptive VPn genannt. Nun hat diese Gruppe von VPn im Spanischen einenganz besonderen Status, zum Einen wegen ihrer großen Anzahl, zum Anderenwegen ihrer häufig starken semantischen Spezialisierung, welche vielen vonihnen wichtige kombinatorische Restriktionen auferlegt.

Zu den Ausmaßen des spanischen Repertoires von VPn, um den Anfangeiner Situation zu bezeichnen, bemerkt Fernández de Castro (1999: 233) geist-reich, dass "más que repertorio cabría hablar aquí de ‘manantial inagotable’ oalgo parecido" [hier haben wir es nicht mit einem Repertoire zu tun, sonderneher mit einer ‘unerschöpflichen Quelle’ oder etwas Ähnlichem3]. Zusammen mitVPn wie empezar/comenzar + Infinitiv oder ponerse a + Infinitiv, die den Anfangder Situation eher neutral andeuten, verfügt das Spanische über eine Gruppevon Verben, die diesen Anfang als etwas Plötzliches oder Gewaltsames bezeich-nen (echarse a, romper a, liarse a + Infinitiv oder andere, seltenere, aber durch-aus dokumentierte VPn wie desenroscarse a, pescar a, arrancar a, arremeter a,apretar a, destaparse a + Infinitiv, s. Fernández de Castro 1999: 234). Diesemantische Spezialisierung der letztgenannten Konstruktionen hat eine ent-sprechend geringee Produktivität als Gegengewicht. So wird die VP echar a +Infinitiv hauptsächlich mit Verben kombiniert, die eine Bewegung bezeichnen(correr, volar, andar), echarse a + Infinitiv mit Verben, die auf Emotionsaus-brüche hinweisen (llorar, reír), usw.

Fogsgaard (2002: 47 f.) greift auf den in der kognitiven Linguistik grundsätz-lichen Begriff des Schemas (hier: eine stabile, abstrakte Darstellung eines zeit-lichen Prozesses) zurück, um die Bedeutung dieser Gruppe von VPn zu erläutern.Diesen Periphrasen liegt das kognitive Schema der Inchoation zugrunde, beidem der Fokus auf dem Übergang von einer Situation S1 in eine neue SituationS2 liegt; als sprachlicher Frame umrahmt die VP einen konkreten Teil des zeit-lichen Verlaufs: die Anfangsphase, wobei der Rest der Geschehenskette im Hin-tergrund bleibt (op. cit.: 49). Dieses Schema bezieht sich auf einen Prozess, indem sich ein Aktant, motiviert durch eine anziehende Entität, in Richtung einerGrenze bewegt, die Grenze überschreitet und in den Raum der anziehenden

3 Unsere Übersetzung.

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Entität eintritt. Dieses allen inchoativen VPn zugrunde liegende Schema kann ineinigen seiner Komponenten variiert werden, womit den semantischen Unter-schieden unter den verschiedenen inchoativen Periphrasen Rechnung getragenwerden kann:– die vom Aktant zurückgelegte Strecke, d. h., der Übergang in die neue Situa-

tion, kann verschiedene Qualitäten annehmen (lang/kurz, schnell/langsam,direkt/indirekt, einfach/schwer);

– an der Aktantenbewegung können verschiedene Arten von Kausalität betei-ligt sein;

– S2 – die neue Situation, die nach Grenzüberschreitung erreicht wird – kannverschieden bewertet werden;

– der Übergang kann als punktuell oder als zeitlich gedehnt (plural) begriffenwerden.

Nach Fogsgaard (2002: 67 ff) ist empezar a + Infinitiv bezüglich all diesermöglichen Variationen neutral (nicht so comenzar a + Infinitiv, wie wir weiterunten sehen werden). Für empezar a + Infinitiv gilt das neutrale inchoativeSchema: Übergang von der Nicht-Existenz von X (S1) zur Existenz von X (S2).Zwischen Nicht-Existenz und Existenz besteht nicht unbedingt eine kausaleBeziehung: Normalerweise erfolgt S2unabhängig von S1 oder mit S1 als Hinter-grund. Auf dem Weg von S1 zu S2 bestehen keine Hindernisse. Der Anfang wirdnormalerweise als etwas Punktuelles konzipiert (Fogsgaard 2002: 53).

In der Theorie ist auch oft von der qualitativen Valenz von empezar/comen-zar a + Infinitiv die Rede, d. h., davon, mit welchen Entitäten empezar/comenzara + Infinitiv einhergeht, welche semantischen Funktionen diese Entitäten aus-üben und welche kombinatorischen Restriktionen sich ergeben. So bemerktOlbertz (1998) aus der Perspektive der funktionellen Grammatik, dass empezar/comenzar a + Infinitiv ein eigenes Argument haben, welches die semantischeFunktion eines Agens ausüben muss. Für dieses Argument lassen die Hilfsver-ben empezar/comenzar kombinatorische Restriktionen gelten: "The predicateand the arguments of the non-finite construction must not be momentaneous"(Olbertz 1998: 101–102). So ist *Pili empieza a apagar la luz im Prinzip nichtgrammatikalisch. Als inner aspectuals sind die Hilfsverben empezar/comenzarnicht nur sensibel gegenüber der Aktionsart des Hauptverbs, sondern modifizie-ren diese auch, indem sie eine punktuelle Interpretation der vom Hauptverbbezeichneten Situation erzwingen, z. B. in Juan empieza a trabajar (s. auchFogsgaard 2002: 68, García Fernández 2006: 131–132), Gómez Torrego 1999:3373).

In einem beträchtlichen Teil der Literatur werden empezar a + Infinitiv undcomenzar a + Infinitiv als ein und dieselbe Periphrase behandelt. Häufig wird

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davon ausgegangen, dass beide Konstruktionen synonym sind (s. z. B. GómezTorrego 1999: 3372, García Fernández 2006: 130).

Allgemein wird anerkannt, dass comenzar a + Infinitiv durch empezar a +Infinitiv neutralisiert wird. Diese Position machen wir uns für die deskriptivenZwecke dieser Arbeit zueigen. Es gibt aber Autoren, die sich mit den konkreten(semantischen, pragmatischen) Merkmalen befasst haben, die den (feinen) Be-deutungsunterschied zwischen diesen VPn ausmachen. Im nächsten Abschnittgehen wir auf diese Unterschiede kurz ein.

Empezar a + Infinitiv vs. comenzar a + Infinitiv

Ganz allgemein stellt Gómez Torrego (1988: 109) fest, dass im gesprochenenSpanisch das Verb comenzar seltener als empezar auftritt. Olbertz (1998: 93)meint, die von ihr gesammelten Daten würden diese Behauptung auch be-stätigen. Gómez Manzano (1992: 192) stellt in ihrer empirischen Untersu-chung4 ergänzend fest, dass comenzar a + Infinitiv durchaus selten in dergesprochenen Sprache vorkommt (sie hat kein einziges Vorkommen dokumen-tiert). Es gäbe also einen pragmatischen Unterschied zwischen empezar a +Infinitiv und comenzar a + Infinitiv, und dieser könnte textsortenspezifischerNatur sein: So weist Gómez Manzano (ebd.) auf den eher "literarischen Ge-brauch" von der VP mit comenzar hin, geht aber auf diesen Gebrauch nichtnäher ein.

Auf die diatopischen Unterschiede zwischen beiden VPn macht Quesada(1994: 121) aufmerksam, wenn er Folgendes bemerkt, allenfalls beschränkt aufdas gesprochene Spanisch Puerto Ricos:

Junge Leute aus der Hauptstadt bevorzugen den Gebrauch von empezar; mit der Entfernungvon der Hauptstadt nimmt auch der Gebrauch von empezar ab.

Letzteres stelle nur eine Tendenz dar, und es bestehe das Bedürfnis, dieseTendenz durch quantitative Untersuchungen zu bestätigen.

Es gibt aber auch einen diaphasischen Unterschied zwischen comenzar a undempezar a + Infinitiv. Im 13. Jahrhundert war die Konstruktion mit empeçarwenigvertreten, außer in den Werken Gonzalo de Berceos, wo sie häufiger als diemit començar vorkommt (Yllera 1980: 185, in Gómez Manzano 1992: 192). Biszum 18. Jahrhundert konkurrierte empeçar a noch mit començar a. Heutzutage ist

4 Untersuchung von Gómez Manzano ist dem Gebrauch bestimmter VP mit Infinitiv in dergesprochenen Sprache gewidmet.

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empezar weiter verbreitet: Olbertz (ebd.) behauptet in Anlehnung an Keniston(1936 168), dass:

empezar, which is of hispanic origin and was relatively infrequent in Old Spanish, is in theprocess of ousting the much older comenzar.

Was nun die semantischen Unterschiede im heutigen Gebrauch zwischen beidenKonstruktionen betrifft, so kommt ihnen Fogsgaard (2002) nun wieder u. E. amehesten auf die Spur. Sie erklärt diese Unterschiede mit Hilfe der Varianten desvon ihr entwickelten Inchoationsschemas:– Anders als im Falle von empezar a + Infinitiv unterliegt comenzar a +

Infinitiv nicht das einfache Inchoationsschema (siehe oben), sondern das"Multiplex-Schema". Dieses Schema stellt den Übergang in die neue Situa-tion (S1 >S2) als etwas Plurales, zeitlich Gedehntes dar: Der Übergang erfolgtnicht punktuell, sondern z. B. in mehreren Versuchen, die Grenzlinie zwi-schen S1 und S2 an mehreren Stellen in zeitlicher Folge zu überschreiten.Die vom Hauptverb bezeichnete Situation wird als etwas Phasisches begrif-fen, etwas was an Intensität gewinnt, und im Diskurs ist eine affektiveNuance erkennbar, wie im folgenden Beispiel von Julio Llamazares: "Perolas patatas comenzaron también a escasear y la nieve seguía inmóvil, helada[. . .]". Häufig kombiniert die VP mit Adverbialien, die die Progression be-zeichnen: "Los días fueron haciéndose más cortos cada vez y las intermina-bles noches comenzaron a sumirnos poco a poco en un profundo tedio"(Llamazares). Der Anfang kann auch als etwas dargestellt werden, was ver-suchsweise erfolgt: "Después se paró [la mangosta], dudó otro rato, pero alfin comenzó a acercarse".

– Bei empezar a + Infinitiv kommt der Prozess des Übergangs von S1 in S2spontan in Gang: Im Falle von comenzar a + Infinitiv sind nach Fogsgaard inden von ihr behandelten Daten (schwedischer Korpus) häufig Kausalitätsbe-ziehungen erkennbar. Umgekehrt tritt, wenn die Szenarien S1 und S2 alsvoneinander unabhängig begriffen werden, empezar a +Infinitiv häufiger auf(ebd. 78).

Bild 1: Einfaches Gradientschema (Fogsgaard 2002: 52)Bild 2: Varianten des Multiplexschema (Fogsgaard 2002: 54)

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– Was die qualitative Valenz der jeweiligen VP angeht, so bemerkt Fogsgaard(2002: 67), dass beide VPn einen agentiven Aktanten bevorzugen. Trotzdemlasse sich bei nicht-lebendigen Aktanten folgende Tendenz beobachten:Empezar a + Infinitiv wird ausgewählt, wenn es um die Bezeichunug natür-licher Phänomene geht (lluvia, nieve, niebla, cielo, humo usw.). Für comenzara + Infinitiv würden sich die Sprecher eher dann entscheiden, wenn Artef-akte (aparatos, edificios, puentes, tejados usw.) als logische Subjekte imSpiel sind. Andererseits ist auch die einzelne bzw. plurale Natur des Aktan-ten wichtig (ebd. 76):

Un actante plural (formal o nocionalmente) es susceptible de atraer a comenzar, tanto enfunción de sujetos que realizan el mismo acto sucesivamente o simultáneamente perodispersos en varios lugares, como en función de objetos plurales. "[. . .] que comenzaran aresquebrajarse los mitos de una civilización ultrarracionalista" (E. Sábato), "[. . .] los monoscomenzaban a entrar dócilmente por la puerta" (Conti).

Nach Fogsgaard (2002: 70–71) befinden sich die VPn mit empezar und comen-zar in einem Prozess der Bedeutungsannäherung, d. h., häufig liegt der VP mitcomenzar das neutrale Inchoationsschema zugrunde. Andererseits nähert sichdie Bedeutung der VP mit empezar der von comenzar a + Infinitiv (Multiplex-Schema) an, vor allem wenn empezar im imperfecto de indicativo oder als Teilder VP estar + gerundio konjugiert wird:

Cuando desperté estaba ya, otra vez, empezando a anochecer (Llamazares).Por fin, al mediodía cuando empezaba ya a desesperar de encontrar a nuestro visitante dela noche, le vi, a lo lejos aparecer . . . (Llamazares).

Für die Ziele dieser Arbeit bleiben die von Fogsgaard zu Tage gefördertenBedeutungsunterschiede zwischen beiden VPn erstmals im Hintergrund, dennnur in drei von den 15 Beispielen von comenzar a + Infinitiv, die in unseremKorpus enthalten sind, ist das "Multiplex-Schema" erkennbar: in den restlichenBeispielen nimmt die VP die neutrale inchoative Bedeutung vom empezar a +Infinitiv an.

Die vorausgehenden Ausführungen bilden den Hintergrund, vor dem wirnun die Ergebnisse des deskriptiven Teils unserer Arbeit vorstellen. Hier betrach-ten wir die Fälle näher, in denen die spanischen Übersetzer die VPn empezar/comenzar a + Infinitiv einsetzen, obwohl im deutschen Ausgangstext kein lexika-lisches Signal für den Situationsanfang vorliegt. Im nächsten Abschnitt wird derPlan dargelegt, nach dem wir die zu studierenden Materialien gesammelt undanalysiert haben.

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Methodik: Datenerhebung und -analyse

Wir möchten untersuchen, unter welchen Umständen nicht nur erfahrene (lite-rarische), sondern auch angehende Übersetzer Gebrauch von empezar/comenzara + Infinitiv machen. Deshalb basiert unsere Arbeit auf zwei verschiedenenDatensätzen.

(i) Für das erste Teilziel haben wir ein Korpus von Problem-Lösungs-Paaren(Toury 1995) zusammengestellt, das 30 Belege von empezar/comenzar a + Infini-tiv in ins Spanische übersetzten Texten plus die entsprechenden Zitate in dendeutschen Ausgangstexten enthält. Die Zitate sind kontextualisiert5. SämtlicheBelege stammen aus drei veröffentlichten jugendliterarischen Werken: EndesMomo, Sommer-Bodenburgs Der kleine Vampir und Funkes Drachenreiter. Als –

wie sonst in Abenteuerromanen der Jugendliteratur üblich – stark narrativangelegte Texte sind diese Texte durchaus für die Untersuchung von Phänome-nen rund um die Aspektualität relevant (Gross 1974: 93–110). Der elektronischeZugang zu den Texten hat es uns ermöglicht, alle Gebrauchsfälle von comenzarund empezar schnell zu lokalisieren und die Beispiele auszusortieren, die keinenTeil einer VP bildeten6. Als Nächstes wurde bei den übrigen Beispielen nach derjeweils entsprechenden Stelle im deutschen Ausgangstext gesucht und im Ein-zelfall festgestellt, ob der Gebrauch vom empezar/comenzar a +Infinitiv durchirgendein lexikalisches Element zur Markierung der Anfangsphase motiviertwar7 oder ob, im Gegenteil, der Hinweis auf die Anfangsphase implizit blieb undder Übersetzer sie durch den Gebrauch einer der beiden VPn spontan markierthatte. Nur letztere Beispiele wurden in das Korpus aufgenommen. FolgendeTabelle enthält die Gesamtzahlen:

5 D. h., wir haben, um bei der späteren Betrachtung der Beispiele da Bild von der jeweiligenSzene zu sichern, eweils ein paar Sätze von dem den Zitat umgebenden Text mit in den Beleggenommen.6 Damit meinen wir jene Beispiele, in denen eines der Hilfsverben comenzar oder empezar alsErgebnis einer Hauptverbelision allein erscheint (s. Gómez Torrego 1999: 3373, Olbertz (1998:96–98, García Fernández 2006: 131), wie in folgendem Beispiel:7 Z. B. Präverbien wie los-, davon-, eine ähnliche Konstruktion mit beginnen/anfangen,lexikalische Konstruktionen wie sich an etwas machen usw.

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Beispielemit empezar

Beispielemit comenzar

In den Korpus aufgenommeneBsp. (= Bsp. ohne explizite Mar-kierung der Anfangsphase im ent-sprechenden Passage des ATs)

Drachenreiter 32 17 21 (14 von empezar und 7 voncomenzar)

Momo 36 40 9 (7 von empezar und 2 voncomenzar)

Der kleine Vampir 24 0 0ZUSAMMEN 92 57 30

Tabelle 1: Erstellung des Korpus zur Untersuchung unmotiverter Fälle von empezar/comenzar a+ Inf.

(ii) Die Daten für das zweite Teilziel stammen aus den Ergebnissen einer Über-setzungsübung an der Fakultät für Übersetzen und Dolmetschen der UniversitätValladolid (Spanien). Die Teilnehmer wurden gebeten, Ursula Wölfels Kurzge-schichte "Die Geschichte vom Schnuller" zu Hause zu übersetzen. Die über-setzten Texte wurden mit dem deutschen Ausgangtext aliniiert. Mit Hilfe desmultilingualen Concordancer sTetrapla (Wolls 2008) wurden die Absätze mitden uns interessierenden Verbalperiphrasen ausfindig gemacht: Die Softwarebot sie als Liste zweisprachiger Problem-Lösungspaare. Die Paare wurden an-schließend nach semantischen und diskursiven Kriterien analysiert und ausge-wertet.

Datenanalyse

Semantisch-diskursive Analyse von empezar/comenzar a +Infinitiv in veröffentlichten Übersetzungen aus dem Deutschenins Spanische

Was die qualitative Valenz unserer Korpusbeispiele von empezar/comenzar a +Infinitiv betrifft, haben wir festgestellt, dass vor allem der Anfang solcher Situa-tionen hervorgehoben wird, bei denen das Hauptargument ein Agens ist: So sind50 Prozent der Beispiele als agentiv zu bezeichnen.

(1) "Na bitte!", grunzte er – und wollte sich gerade umdrehen, als Kiesbart plötzlich wieverrückt auf seine gepanzerte Stirn trommelte.

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—¡Asunto zanjado! —gruñó, y se disponía a dar media vuelta cuando Barba de Guijoempezó a aporrear su frente blindada como si acabara de volverse loco.Drachenreiter 222/147 (18)

Auch andere Kasus sind jedoch vertreten, wie die force8 in 21 Prozent der Bei-spiele (2), der Experiencer9 in 14 Prozent (3) und der Patiens in 7 Prozent (4).

(2) Bläulicher Rauch stieg aus den Autofenstern, stieg höher und höher, bis Ben den Kopfin den Nacken legen musste, um die Rauchsäule hinaufzusehen. Zwischen den Wipfelnder Palmen ballten die Rauchfahnen sich zusammen, wirbelten schneller undschneller umeinander, bis sich aus der riesigen Säule ein Körper formte, blau wie derNachthimmel und so groß, dass sein Schatten die ganze Schlucht verdunkelte.Un humo azulado ascendió de las ventanas del automóvil, cada vez más alto hasta queBen tuvo que echar la cabeza sobre la nuca para contemplar la columna de humo. Entrelas copas de las palmeras se aglomeraban cendales de humo que comenzaron agirar alrededor de sí mismos cada vez más deprisa hasta que la gigantesca columnade humo formó un cuerpo, azul como el cielo vespertino y tan descomunal que susombra oscurecía la sima.Drachenreiter 188/124 (27)

(3) “Ich glaube”, erwiderte er sanft, “wir sollten einmal ernsthaft miteinander reden,Kleine, damit du lernst, worauf es ankommt.“—creo —replicó con suavidad— que vale la pena que hablemos un rato en serio,pequeña, para que empieces a darte cuenta de qué es lo importante realmente.Momo 94/58 (9)

(4) Vita Wiesengrund erwiderte die Verbeugung. Sie war fast ebenso lang und dünn wie ihrMann. Ihr dunkles Haar wurde schon grau. Lächelnd legte sie die Arme um ihre Tochterund blickte erst den Drachen und dann Schwefelfell an.Vita Wiesengrund correspondió a su reverencia. Era casi tan alta y delgada como sumarido. Su pelo oscuro había comenzado a encanecer. Sonriendo, rodeó a su hija conlos brazos y miró primero al dragón y luego a Piel de Azufre.Drachenreiter 248/162

Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass, obwohl in unseren übersetz-ten Beispielen die Tendenz zur Markierung der Anfangsphase eine kasusüber-greifende ist, eine Kasusrelation agentiv bei der Übersetzung ins Spanischebesonders oft zu dieser Explizitationshandlung motiviert.

Wenn spanische Übersetzer den im deutschen Ausgangstext impliziertenAnfang der Situation explizit machen, so handelt es sich bei 65 Prozent derBeispiele um Situationen unbestimmter Dauer (Aktivitäten oder sich wiederho-lende Situationen), und bei den restlichen 35% um Situationen mit implizitem

8 Kraft: ein nicht menschlicher aber selbstständiger Verursacher.9 Eine belebte Entität, in der ein psychologischer Vorgang ausgelöst wird, der zu einer"Erfahrung" führt.

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oder natürlichem Endpunkt. Wird aber nicht gerade durch die Betonung desSituationsanfangs das Unbestimmte der Situationsdauer unterstrichen?

Somit sind wir schon auf der Diskursebene angelangt. Im narrativen Dis-kurs, d. h., im Diskurs, in dem die Haupt- bzw. Rahmensequenz narrativerNatur ist (Adam: 1987, 1996, 1997), scheinen die Übersetzer im Spanischenden im deutschen Ausgangstext impliziten Anfang der Situation mittels dieserVPn explizit zu machen, wenn die besagte Situation sich in ganz bestimmtenarrative Mustern einfügt, d. h., an ganz konkreten Stellen der narrativenSequenz.

a) Empezar/comenzar a + Infinitiv am Anfang einer Situationskette: Mithilfedieser VPn wird beschrieben, wie eine neue Situation zu gelten beginnt, die alsUrsache für eine oder mehrere nachfolgende Situationen gesehen wird. So wirdin (5) die Situation herumwirbeln (Asif) als Basis für die Geltung der Situationentanzen (Blätter und Blüten) und nichts sein als eine blaue Rauchsäule (Asif)implizit bezeichnet.

(5) Dann blähte er sich auf wie ein Segel im Wind und seine Beine und Arme wurdenwieder zu blauem Rauch. Asif wirbelte herum, bis Blätter und Blüten in seinem Sogtanzten und er nichts war als eine blaue Rauchsäule. Mit einem Windstoß löste sie sichauf und verschwand.Luego se hinchó como una vela al viento y sus piernas y brazos volvieron a convertirseen humo azul. Asif empezó a girar hasta que hojas y flores bailaron en su remolino y élno fue más que una columna de humo azul. Con un golpe de viento, ésta se disolvió ydesapareció.Drachenreiter 192/127Insgesamt acht von unseren 30 Beispielen (26,6%) zeigen dieses narrative Muster.

b) Empezar/comenzar a + Infinitiv zur näheren Beschreibung der einsetzendenSituation: Dieser Gebrauch kann mit der Betrachtung der Situation durch einVergrößerungsglas verglichen werden. Der Erzähler listet mehrere Mikrosituatio-nen bzw. Mikroszenen auf, aus denen die einsetzende Situation besteht (6), oderaber er beschreibt qualitativ die neue Szene (im Falle von (7) die Schritte vonBeppos Erzählung).

(6) "Dann müssen wir ihn fortlocken!", rief Burr-Burr-schan. "In ein Tal, in dem es keinWasser gibt!""Ich weiß nicht!", murmelte Ben.Sie redeten und redeten.Wie sollten sie ihn angreifen? Drachenfeuer half nichts gegen Nesselbrands Panzer, daswussten sie nur zu genau. Schwefelfell schlug vor, ihn erst auf die Berge zu locken unddann hinunterzustoßen. Aber Lung schüttelte nur den Kopf.—Entonces tenemos que alejarlo de ese lugar —exclamó Burr-Burr-Chan—. Atraerlohasta un valle en el que no haya agua.

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—No sé. . . —murmuró Ben.Comenzaron a discutir.¿Cómo atacarle? El fuego de dragón resultaba inútil contra la coraza de Ortiga Abrasa-dora, de sobra lo sabían. Piel de Azufre propuso atraerlo primero a las montañas ydespués empujarlo al vacío, pero Lung se limitó a negar con un gesto.Drachenreiter 392/257

(7) "Momo!. . .", stieß Beppo hervor, der nach Atem rang. "Momo ist irgendwas Schreck-liches passiert!""Was sagst du?! Fragte Gigi und setzte sich fassungslos auf seine Liegestatt. [. . .]"Ich weiß es selbst noch nicht", keuchte Beppo, "was Schlimmes."Und nun erzählte er alles, was er erlebt hatte: vom Hochgericht auf der Müllhalde [. . .]und dass Momo nicht mehr da war.Entonces comenzó a contar todo lo que había vivido: lo del alto tribunal en elvertedero, las huellas de neumáticos junto a la ruina y lo de que Momo no estaba ya.Momo 125/78

Dieses narrative Muster haben wir in sechs von unseren 30 Beispielen (20%)festgestellt.

c) Empezar/comenzar a + Infinitiv am Ende einer Situationskette:

(8) Und tatsächlich, was keiner von ihnen geglaubt hatte, geschah! Der riesenhafte Kreiseldrehte sich langsamer und langsamer, blieb schließlich stehen und begann zu ver-sinken.Y sucedió lo que nadie había creído. el trompo gigantesco empezó a dar vueltas más ymás lentamente, se paró finalmente y comenzó a hundirse.Momo 33/19

(9) Schnaubend fuhr der goldene Drache herum. Er drehte sich, schnappte zu, schnapptenoch mal, immer wieder – und hatte jedes Mal nichts als Nachtluft zwischen denZähnen."Hohoooh!", rief Lola und sauste um Nesselbrand herum, bis er sich wie ein Tanzbär imWasser drehte.Echando espumarajos de rabia, el dragón dorado se giró, lanzó un mordisco, y otro, yotro. . . sin capturar entre sus dientes más que el aire nocturno.—¡Jojojooo! —gritaba Lola volando a toda velocidad alrededor de Ortiga Abrasadorahasta que el dragón empezó a dar vueltas en el agua como si fuera un oso amaestra-do—.Drachenreiter 372/243

Manchmal wird die einsetzende Situation als Folge einer vorausgehenden Situa-tionskette dargestellt. In (8) kann die Situation versinken (der Kreisel) als Folgevon stehen bleiben (der Kreisel) betrachtet werden, ähnlich in (9) sich drehen (derDrache), welches als Folge von um Nesselbrand herumsausen (Lola) erscheint.Diese Beispiele könnten also Fogsgaards Behauptung, der Konstruktion empezara + Infinitiv würde nur das einfache Inkoationsschema (Gradientsschema) unter-liegen, teilweise widerlegen:

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Las dos situaciones referenciales, la no existencia y la existencia, no se ven como necesa-riamente (causalmente) ligadas, sino como dos eventos autónomos que se suceden en eltiempo (2001: 253).

In der Tat sind fünf von diesen sechs "kausalen" Beispielen mit empezar geformt,und nicht mit comenzar,dem Verb, dem Fogsgaard die kausale Nuancierungzuschreibt (s. oben).

Jedoch gibt es andere Beispiele, in denen empezar a + Infinitiv am Endeeiner Situationskette erscheint, bei denen aber keine kausale Bedeutungskompo-nente zu erkennen ist:

(10) Dann räusperte er sich, legte die Händen an den Mund und rief, so laut er konnte:"Auf, aalglatte alberne Anderländer! Bis bald, bunte Blätterschläfer! Davon, dünnedreiste Dinger! Entfernt euch, eitle emsige Elfen!Die Wirkung war erstaunlich. Wie ein Schwarm wild gewordener Hummelnschwirrten die Elfen durcheinander, erhoben sich wie eine glitzernde Wolkein die Luft und schimpften mit ihren zirpenden Stimmen wüst durcheinan-der.—¡Alejaos, absurdos advenedizos! ¡Brincad, brumosos botarates! ¡Desapareced,

destemplados diablillos! ¡Ea, esfumaos, elfos encopetados!El efecto fue asombroso. Enloquecidos, los elfos echaron a volar todos a la vezcomo un enjambre de abejorros, se elevaron en el aire formando una nuberesplandeciente y empezaron a despotricar sin orden ni concierto con susvocecitas gorjeantes.Drachenreiter 180/119

Weitere sechs von unseren 30 Beispielen (20%) bieten dieses narrative Muster.d) Nur in zwei Restbeispielen haben wir keines der bisher erläuterten narra-

tiven Muster ausfindig gemacht. In diesen Beispielen erscheinen die einsetzen-den Situationen isoliert. Weder werden sie als Folge von vorausgehenden Situa-tionen dargestellt, noch stellen sie den Anfang bzw. das Ende einer Situations-kette dar. Die VPn (einmal mit empezar und einmal mit comenzar) geben einfachden Szenewechsel wieder.

Markierung der Anfangsphase bei angehendenÜbersetzern

Auch in den von angehenden spanischen Übersetzern verfertigten Übersetzun-gen aus dem Deutschen haben wir die von Cartagena und Gauger (1989) für dasSpanische angedeutete Tendenz zur Markierung der Anfangsphase der Situationfeststellen können.

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Das Parallelkorpus, das wir untersucht haben, besteht aus Ursula WölfelsAnekdote "Die Geschichte vom Schnuller"10, einem Text von 247 Wörtern (s.u.)und 24 studentischen Übersetzungen von diesem11.

Einmal sollte ein Junge auf das Brüderchen achtgeben. Die Mutter war einkaufen gegangen.Zuerst hat das Brüderchen geschlafen, aber dann ist es aufgewacht und hat geweint. Eswollte seinen Schnuller haben. Der Junge hat den Schnuller im Bettchen gesucht. Er hatalle Tücher und Decken und Kissen und Decken herausgeholt. Aber da war der Schnullernicht und das Brüderchen hat am Gitter gerüttelt und geschrien. Der Junge hat das Brüder-chen auf den Teppich gesetzt. Er hat ihm den Teddy und die Ente und den Ball gegeben.Aber das Brüderchen hat alles weggeschmissen und noch lauter geschrien. Der Junge hatden Schnuller in der Schublade vom Tisch gesucht, er hat die ganze Schublade ausgekippt.Aber da war der Schnuller auch nicht und das Brüderchen ist durchs Zimmer gerutscht undhat gebrüllt. Der Junge hat alle Kleider und Mäntel aus dem Schrank geräumt und da hat erendlich den Schnuller gesehen: oben auf dem Schrank! Er ist auf den Stuhl geklettert undvom Stuhl auf den Schrank. Aber da hat das dumme Brüderchen vor Ungeduld den Stuhlumgeworfen, und der Junge musste oben sitzen bleiben, und das Brüderchen hat gebrülltund gebrüllt. Gerade ist die Mutter gekommen. Sie hat den Jungen vom Schrank geholt unddem Brüderchen den Schnuller in den Mund gesteckt. Da war es endlich still. Und dieMutter und der Junge haben sich an den Tisch gesetzt. Sonst war ja nirgendwo ein freierPlatz im Zimmer. Sie haben Mohrenköpfe gegessen und über die groe Unordnung gelacht.

Im Korpus haben wir fünf verschiedene Fälle dokumentiert, in denen die angeh-enden Übersetzer den im deutschen AT impliziten Anfang verschiedener durativerSituationen durch inchoative Verbalperiphrasen hervorgehoben haben. In denentsprechenden Beispielen sind drei der vier von uns identifizierten narrativenMuster (s. oben) zu erkennen. Allerdings ist die Verteilung der Muster nicht regel-mäßig:

(i) In drei der fünf identifizierten Fälle markieren empezar/comenzar a +Infinitiv den Anfang einer Situation, die sich am Ende einer Situationskettebefindet.

(11) Zuerst hat das Brüderchen geschlafen, aber dann ist es aufgewacht und hat geweint.. . . y su hermanito estaba dormido pero poco después se despertó y comenzó a llorar[jmm].

(12) Aber das Brüderchen hat alles weggeschmissen und noch lauter geschrien.Pero el hermanito lo tiró todo y empezó a gritar más todavía [ChSD].

10 Ursula Wölfel (331993[1969]): Achtundzwanzig Lachgeschichten. Stuttgart: Thienemann. Esgibt zwei Übersetzungen aus dem Spanischen: Veintiocho historias de risa. Übs. aus demSpanischen von Carmen Bravo-Villasante. Valladolid. Miñón, 1981, und Veintiocho historiaspara reírse. Übs. aus dem Spanischen von Frank Meyer. Sevilla: Kalandraka, 2009.11 Siehe auf Seite 290 die Details der Korpus-Zusammenstellung.

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(13) Aber da war der Schnuller nicht und das Brüderchen hat am Gitter gerüttelt undgeschrien.. . . pero el chupete no estaba, y el hermanito comenzó a gritar y a sacudir los barrotes[eat].

(14) Aber da war der Schnuller auch nicht und das Brüderchen ist durchs Zimmer gerutschtund hat gebrüllt.Pero ahí tampoco estaba el chupete y el niño pequeño comenzó a moverse por toda lahabitación mientras berreaba [apb].

In der in (11) beschriebenen Situation (llorar) hat die Mehrheit der Studierenden(23 von 24: 95,8 Prozent) den Anfang markiert. Für den in Beispiel (12) wieder-gegebenen deutschen Satz haben sechs von 24 Studierenden (25 Prozent) dieAnfangsphase hervorgehoben. Im Falle von Beispiel (13) enthalten neun der 15vorliegenden studentischen Übersetzungen12 empezar/comenzar als Markierungder Anfangsphase (60 Prozent). Schließlich weisen drei der 15 Übersetzungenfür Beispiel (14) ebenfalls die Periphrase mit comenzar auf (20 Prozent).

Das Verb llorar (weinen) in (11) bezieht sich auf eine Situation, deren Ein-setzen oft wichtig ist, da dieses oft die Folge vorausgehender Situationen dar-stellt. Deswegen scheint llorar im Spanischen in seiner Interpretation als eins-etzende Situation ohne ihre Einbettung in eine VP als äußerst unnatürlich:

(5) Al principio, el hermanito dormía, pero después se despertó y lloró [mfs].

Öfters wird der Anfang der mit llorar gemeinten Situation als etwas Plötzlicheskonzeptualisiert. Deswegen tritt llorar in diesen Fällen oft zusammen mit empe-zar a oder comenzar a auf (jeweils in elf und sechs Übersetzungen, zusammenalso fast in drei Viertel der Beispiele), aber auch mit ponerse a (in vier Über-setzungen, 17,3 Prozent) oder echarse a (zwei Übersetzungen, 8,6 Prozent). Diezwei Letzteren sind Verben, die den plötzlichen Anfang der Situation besondersgut wiedergeben.

(16) Al principio el hermanito estaba durmiendo, pero después se despertó y se puso allorar [lca]/

(17) Al principio el hermano estaba dormido, pero después se despertó y echó a llorar [ns].

Wir möchten darauf hinweisen, dass in den Beispielen (12) bis (14) eine kausaleBeziehung zwischen den Situationen erkennbar ist. Im ersten Fall sind empezar/comenzar a llorar die Folge des Vermissens des Schnullers. Ähnlich im zweiten

12 Die restlichen 11 Übersetzungsvorschläge haben wir ausgeschlossen, denn sie enthieltenSinnfehler aufgrund von Verstehensproblemen.

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und dritten Fall, wo das Baby durch das Zimmer rutscht und brüllt (comenzó amoverse por la habitación y a llorar) bzw. am Gitter rüttelt und schreit (comenzó agritar y a sacudir a los barrotes), weil sein großer Bruder den Schnuller immernoch nicht findet. Im Falle von damit ist es aufgewacht und hat geweint (11) wirdin fünf studentischen Übersetzungen (21,7 Prozent) diese kausale Beziehungexplizit durch einen Konnektor wiedergegeben:

(18) Al principio este dormía, pero de repente se despertó y empezó a llorar porque queríasu chupete [afr].

In den Fällen von ist durchs Zimmer gerutscht (14) und hat am Gitter gerütteltund geschrien (13) bleibt der kausale Bezug implizit, außer man legt denKonjunktor y im kausalen Sinn aus:

(19) El chupete no estaba ahí tampoco y el hermanito comenzó a arrastrarse por lahabitación y a gritar [rap].

(ii) Im vierten identifizierten Fall befindet sich die durch empezar/comenzar a +Infinitiv wiedergegebenen Situation am Anfang einer Situationskette. Der Ge-brauch der VPn ist in den 24 Übersetzungen aus unserem Korpus nur zweimalbelegt (8,3 Prozent):

(20) Der Junge hat den Schnuller im Bettchen gesucht. Er hat alle Tücher und Decken undKissen und Decken herausgeholt.

(20.a) El niño comenzó a buscar el chupete por la camita. Levantó todas las sábanas,mantas, la almohada y más mantas [rss],

(20.b) El niño empezó a sacar todas las mantas y almohadas para ver si lo encontraba en lacuna [pss].

Bemerkenswert ist hier, wie in (20.a) das Hilfsverb comenzar den von Fogsgaardbezeichneten "versuchsweisen Anfang" wiedergibt: Das Bettchen ist tatsächlichder erste Ort, an dem der Junge sucht, aber danach untersucht der Junge nocheine Reihe von Stellen im Zimmer, bis er den Schnuller findet. In (20.b) hat derStudierende auf den Bezug zum Möbelstück Bett in seiner Übersetzung zuguns-ten anderer Szenenelemente (sábanas, mantas y almohadas) verzichtet, die nunim Vordergrund stehen. Mit empezar führt uns der Übersetzer die ersten Phasendes Herausholens von Tüchern und Decken vor Augen, einer iterativen, d. h."pluralen" Situation. Gerade dieser Situationstyp werde, so Fogsgaard (2002),öfter durch comenzar als durch empezar modifiziert. Dieses Gegenbeispiel würdeden auch von Fogsgaard festgestellten Prozess der Bedeutungsannäherung zwi-schen comenzar und empezar bestätigen.

(iii) Im letzten Fall markiert eine VP den Anfang einer Situation, die keinenkausalen Bezug zur vorausgehenden bzw. nachfolgenden Situation hat und auch

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nicht näher beschrieben wird. Der Situationsanfang ist allerdings nicht durchempezar/comenzar a + Infinitiv markiert, sondern durch ponerse a + Infinitiv,eine VP, die oft bei Verben auftritt, die Prädikate mit agentiven Aktanten bildenund sich auf telische Situationen beziehen, in denen der Wille des Agens Voraus-setzung für die Entwicklung der Situation ist:

(21) Und die Mutter und der Junge haben sich an den Tisch gesetzt. Sonst war ja nirgendwoein freier Platz im Zimmer. Sie haben Mohrenköpfe gegessen und über die große Unord-nung gelacht.Se pusieron a comer merengues cubiertos de chocolate mientras se reían del enormedesorden que se había formado [spa].

Zusammenfassend stellen wir fest, dass es bei den von angehenden Übersetzernverfertigten spanischen Texten zur expliziten Markierung des Anfangs solcherSituationen durch empezar/comenzar a + Infinitiv kommt, die am Ende einerSituationskette stehen und bei denen irgendeine kausale Beziehung zwischenden Situationen zu erkennen ist (Gruppe i). Besonders deutlich scheint dieTendenz zur Markierung des Anfangs, wenn die Situation als etwas Plurales, sichWiederholendes konzeptualisiert ist (zarandear los barrotes/am Gitter rütteln,Gruppe i, Beispiel (13)). Viel seltener sind diese Markierungen bei Situationen,die am Anfang einer Situationskette stehen (Gruppe ii, Beispiel (20)).

Diskussion. Die Hervorhebung der Anfangsphaseund die Explizitations-Hypothese

Wie könnten die oben beschriebenen Phänomene im Lichte der Explizitierungs-hypothese interpretiert werden? Der Explizitationshypothese zufolge sind imÜbersetzungsprozess immer Explizitationsstrategien zu finden, die dazu führen,dass übersetzte Texte expliziter, redundanter sind als Texte derselben Textsorte,die in der Ausgangssprache verfasst wurden (Blum-Kulka 1986; Klaudy 2009:106).

Klaudy (2009: 106–107) unterscheidet zwischen obligatorischer, optionalerund pragmatischer Explizitation. Beim ersten Typ handelt es sich um Operatio-nen, die vom Übersetzer aufgrund syntaktischer oder semantischer Unterschiedeim jeweiligen Sprachenpaar vorgenommen werden, wie z. B. das Hinzufügen vonArtikeln, wenn aus einer artikellosen Sprache übersetzt wird, oder die Wahl vonWörtern mit einem spezifischeren semantischen Gehalt als die Wörter der Aus-gangssprache, wenn es in der Zielsprache an einem allgemeineren Ausdruckmangelt. Fälle optionaler Explizitation sind solche, die entweder auf zwischen-

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sprachlichen Unterschieden in den Strategien der Textkonstruktion oder in densprachlichen Konventionen beruhen (z. B. das Hinzufügen von Konnektoren, umdie Kohäsion zu verstärken, der Gebrauch von Relativsätzen anstatt langer,erweiterter Nominalausdrücke usw.). Pragmatische Explizitation findet statt,wenn Übersetzer aufgrund kultureller Unterschiede Erklärungen im Zieltext zuElementen des Ausgangtextes hinzufügen, die nicht zum Allgemeinwissen derZieltextleserschaft gehören.

Laut Seguinot (1988, in Klaudy 2009) ist Explizitation inhärent zum Über-setzungsprozess, und dies ist dem Bedürfnis zuzuschreiben, so Klaudy (ebd.),"to formulate ideas in the target language that were originally conceived in thesource language".

Seguinot (ebd.) plädiert für ein breites Explizitationskonzept, das sich nichtnur auf das Hinzufügen von Elementen im übersetzten Text beschränkt, sondernauch alle Fälle miteinschließt, in denen etwas, was im Ausgangstext implizit waroder durch Präsupposition verstanden wurde, im übersetzten Text ausdrücklichformuliert wird, bzw. die Fälle, in denen ein Element des Ausgangstextes durchFokussierung, Emphase oder lexikalische Wahl im übersetzten Text mehr Ge-wicht bekommt.

Das oben beschriebene Hervorheben der Anfangsphase in spanischen Über-setzungen aus dem Deutschen scheint ein Fall optionaler Explizitation zu sein.Und die Basis für jede Operation von Explizitation – das möchten wir unter-streichen – liegt im Prozess der Interpretationdes Ausgangstextes durch denÜbersetzer. In den von uns behandelten Daten sind zwei Arten von Evidenz zubeobachten, die diese Sicht bestätigen:

a) Die Hervorhebung der Anfangsphase setzt eine inchoative Interpretationder Situation voraus. Im Korpus der studentischen Übersetzungen haben wiraber festgestellt, dass neben dieser Interpretation (22.a) andere, durative Inter-pretationen (22.b) vorkommen:

(22) Aber da war der Schnuller auch nicht und das Brüderchen ist durchs Zimmer gerutschtund hat gebrüllt.

(22.a) El chupete no estaba ahí tampoco y el hermanito comenzó a arrastrarse por lahabitación y a gritar [rap].

(22.b) Pero ahí tampoco estaba el chupete y el hermanito no paraba de moverse por toda lahabitación sin dejar de gritar [ehp].

Zum Phänomen der doppelten aspektuellen Interpretation des deutschen Prä-teritums in der Übersetzung ES>DE s. Sánchez Nieto (ersch.).

b) Wie in Tabelle 1 (S. 290) dargelegt wurde, ist die Häufigkeit des nicht-motivierten Gebrauchs von empezar/comenzar a + Infinitiv in Beispielen vonÜbersetzungen derselben narrativen Textsorte sehr unterschiedlich von Überset-

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zer zu Übersetzer. Sommer-Bodenburgs Übersetzerin hat kein einziges Mal empe-zar/comenzar + Infinitiv eingesetzt, ohne dass im deutschen Ausgangtext derAnfang der Situation lexikalisch ausgedrückt gewesen wäre. Am anderen Endedes Kontinuums würde Funkes Übersetzerin stehen, die sehr häufig die Explizi-tation des im deutschen Ausgangstext implizit gebliebenen Ausdrucks der An-fangsphase vornimmt.

Muttersprachliche Konventionen (in diesem Fall der Gebrauch von empezar/comenzar a + Infinitiv in bestimmten narrativen Mustern, wie den oben beschrie-benen) könnten den Interpretationsprozess beeinflusst und somit bei der Auf-stellung des Zieltextframes zur Wahl der VP geführt haben. Diese Hypothesemüsste mit einer entsprechenden Methodik erforscht werden. Jedenfalls sindKonventionen fakultativ, d. h., sie können eingehalten werden oder auch nicht.Auch wenn diese Hypothese bestätigt würde, bliebe der optionale Charakter derhier beschriebenen Explizitationsstrategie erhalten.

Schlussfolgerung und Ausblick

Aus den obigen Ausführungen können wir zwei Sorten von Schlussfolgerungenziehen: solche linguistischer und solche translatologischer Natur.

I. Im Bereich der hispanistischen Linguistik bestätigen einige der von unsstudierten Beispiele zwei der Fogsgaad'schen Thesen.

(i) die These der Bedeutungsannäherung zwischen der Verben empezar undcomenzar: Obwohl die Autorin behauptet, das Hilfsverb comenzar werde öfterverwendet, wenn es ein kausaler Bezug zwischen S1 und S2 bestehe, zeigenBeispiele wie (7)–(9), dass es sich dabei um keine exklusive Charakteristik voncomenzar handelt, sondern dass empezar oft auch in diesen Kontexten häufigauftritt.

(ii) Andere Beispiele aus unserem Korpus bestätigen die Plausibilität derFogsgaard'schen These der zwei verschiedenen kognitiven Schemata für empezar(einfaches Inchoationsschema bzw. Gradientschema) und comenzar (Multiplex-Schema), wenn auch in anderen Beispielen comenzar das Gradientschema undempezar das Miltiplexschema unterliegt, was wieder für einen Prozess derBedeutungsannäherung beider Hilfsverben spricht.

II. Aus translatologischer Perspektive haben wir die diskursiven Kontexteidentifiziert, in denen es wahrscheinlicher ist, dass die aus dem Deutschen insSpanische Übersetzenden den im deutschen Ausgangtext implizierten Situa-tionsanfang durch die VPn empezar/comenzar a + Infinitiv hervorheben (S. 291).Was die qualitative Valenz betrifft, die empezar/comenzar in diesen Explizita-

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tionsoperationen zeigen, so haben wir festgestellt, dass die VPn agentive Sub-jekte bevorzugen, allerdings nur in etwa der Hälfte der Fälle: sonstige zuge-lassene Subjekte sind forces, experiencers und Patienten. Die vom Hauptverbbezeichneten Situationen sind immer durativer oder multipler Natur (iterativ).

Auch haben wir festgestellt, dass sowohl professionellen als auch angeh-enden Übersetzern diese Explizitationsstrategien geläufig sind. Die auffallendsteÄhnlichkeit zwischen dem Korpus professioneller und dem Korpus studentischerÜbersetzungen besteht darin, dass das narrative Muster "comenzar/empezar a +Infinitiv am Ende einer Situationskette"besonders oft auftritt, wenn es irgend-einen kausalen Bezug zwischen S1 und S2 gibt. Eine übersetzerische Konventionbei der Sprachenkombination DE>ES?

III. Die Ergebnisse unserer Untersuchung können in verschiedenen Berei-chen Anwendung finden. Auf dem Gebiet von Spanisch als Fremdsprache kannman die identifizierten narrativen Muster beim Design von Experimenten benut-zen, um zu erforschen, wann und wie der Spanischlernende die sprachlicheKonvention der Hervorhebung der Anfangsphase und die dazu gehörendenkognitiven Schemata erwirbt. Auf dem Gebiet der Translatologie können dieidentifizierten narrativen Muster dabei helfen, adäquate narrative Sequenzen zuisolieren, die als Basis von Experimenten dienen, um das Phänomen der Ex-plizitation der Anfangsphase der Situation im Übersetzungprozess DE>ES inbreiterem Umfang und in verschiedenen Kontexten zu studieren. Die identifizier-ten narrativen Muster können zuletzt auch in deskriptiven ÜbersetzungsstudienAnwendung finden, z. B. um den Akzeptabilitätsgrad bestimmter Übersetzungenzu definieren, den Stil von Übersetzern zu erforschen oder das "Translationese"in verschiedenen Übersetzungskontexten (DE>ES) zu identifizieren und zu be-schreiben.

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Explizitation i. d. Übersetzung aus dem Deutschen ins Spanische 183

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184 María Teresa Sánchez Nieto

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