Der Hausbau Freibergs am Übergang vom Mittelalter zur frühen Neuzeit, 2008

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Tagungen des L andesmuseums für VorgeschichTe haLLe • Band 01 • 2008

1 Der vorliegende Aufsatz ist eine Zusammen-fassung zweier Studien der Verfasser zu die-sem Thema (Hoffmann / Richter 2oo7; Hoff-mann / Richter im Druck). Aus diesem Grund wird im vorliegenden Aufsatz weit-gehend auf Quellen- und Literaturnach-weise verzichtet.

2 Vgl. Richter 2oo2. 3 Möller 1653, A. 123.

4 Zuletzt Schirmer 2oo1. 5 Ufer 1973, 23. 6 Hingst 1882; Bamberg 194o, 47–49; Hoff-

mann / Richter 2oo7, 2o7 f. Der reichste Bür-ger im Jahre 1546 war Georg Lißkirchen mit einem Vermögen von 6ooo fl. Die bisherige Annahme, dass Andreas Alnpeck mit 27oo ß (= 77oo fl) der vermögendste Freiberger Bürger gewesen sei, beruht auf einem

Schreibfehler. Alnpeck verfügte lediglich über 17oo ß (= 485o fl) (Hoffmann / Richter im Druck).

7 Hingst / Gerlach 1882, 45 f. 8 Vgl. zusammenfassend und kritisch analy-

sierend Kramm 1981, 213–229; ausführlich mit entsprechenden Beispielen Hoffmann /Richter 2oo7, 2o8–211; Hoffmann / Richter im Druck.

Der Hausbau Freibergs am Übergang vom Mittelalter zur frühen Neuzeit1

Yves Hoffmann und Uwe Richter

Das Gebiet, auf dem Freiberg entstand, ist um 116o von Bau-ern im Rahmen des hochmittelalterlichen Landesausbaus gerodet worden. Es wurden Waldhufendörfer angelegt, so unter anderem Christiansdorf. Auf dessen Flur entdeckte man wenige Jahre später – höchstwahrscheinlich 1168/69 – silberhaltige Erze. Dies führte in Verbindung mit weiteren Faktoren zur Entstehung der Stadt Freiberg, der mit knapp 47 ha (ca. 95o m x 7oo m) mit Abstand größten Stadt der Mark Meißen an der Wende zum 13. Jh. Trotz großer Scha-densfeuer in den Jahren 1375, 1386, 1471 und 1484 blieb in der Stadt auch steinerne Bausubstanz des 12. / 13. Jh. erhal-ten2. Bis 1484 bestand die Wohnbebauung größtenteils aus Fachwerkgebäuden3, die – mit den oben genannten Ausnah-men – den Flammen zum Opfer fielen. Im Jahr 1484 brannte Freiberg im letzten großen Stadtbrand fast vollständig ab.

Die Grundlage jeglicher städtischer Bautätigkeit beruht auf den ökonomischen Möglichkeiten der Bürger. In einer so stark vom Silberbergbau geprägten Stadt wie Freiberg fand die Entwicklung der Silberausbeute auch im Bauge-schehen ihren Niederschlag. Vor allem in Zeiten von Berg-baukrisen stützte sich die Wirtschaft der Stadt überwie-gend auf das ortsansässige Handwerk und den Handel. Bemerkenswert ist in Freiberg die Entwicklung der Silber-ausbeute von der 2. Hälfte des 15. bis in das 17. Jh.4. Seit der Mitte des 14. Jh. war die Ausbeute kontinuierlich zurückge-gangen, um in den 147oer Jahren einen Tiefpunkt mit weni-ger als 1 ooo Gewichtsmark Silber pro Jahr zu erreichen. Nach den nur bruchstückhaft erhaltenen Rechnungen hielt diese Stagnation auch noch in den ersten zwei Jahrzehnten des 16. Jh. an und stieg danach bis zu dessen Mitte von bereits über 5 ooo Gewichtsmark Silber in den 152oer Jah-ren auf über 25 ooo Gewichtsmark Silber an. Diese hohen Ausbeuten mit mehr als 2o ooo Gewichtsmark Silber wur-den bis zum Ende des 16. Jh. regelmäßig erreicht; erst danach fielen sie wieder stärker ab. Die hier skizzierte Ent-wicklung wirkte sich merklich auf das Baugeschehen in Freiberg aus.

Aus einem Verzeichnis über die Anzahl der Hofstellen aus dem Jahr 1474 und aus den Steuerregistern von 1499, 1514, 1515, 1533 und 1546 sowie dem Amtserbbuch von 1548 lässt sich die Entwicklung des Gebäudebestandes in Freiberg einschließlich der Vorstädte verfolgen5. Von 579 Hofstellen im Jahr 1499 wuchs deren Zahl in der Innenstadt

auf 779 im Jahr 1546 an. In den Vorstädten war die Steige-rung prozentual von 84 auf 413 mit fast 5oo % noch beacht-licher. Damit einhergehend war ein Anstieg der Bevölke-rungsanzahl um fast das Doppelte von 5 6oo zu Beginn des 16. Jh. auf 9 2oo um 155o zu verzeichnen.

Innerhalb der Stadt sind erhebliche Differenzierungen in der Sozialstruktur feststellbar. Ein Steuerregister aus dem Jahr 1546 lässt für Freiberg erstmals detaillierte Angaben zur Vermögensstatistik zu6: die 24o Grundstücke im Petri-viertel hatten 167 615 Gulden (fl) zu versteuern, im Nikolai-viertel waren es 192 Grundstücke mit 81 449 fl, im Domviertel 166 Grundstücke mit 63 848 fl, im Jakobiviertel 158 Grund-stücke mit 22 421 fl und in den Vorstädten 413 Grundstücke mit 22 615 fl. Daraus lässt sich das durchschnittliche Vermö-gen der Bewohner in den einzelnen Vierteln berechnen: im Petriviertel sind dies 698 fl, im Nikolaiviertel 424 fl, im Domviertel 385 fl, im Jakobiviertel 142 fl und in den Vor-städten nur noch 55 fl. Das findet in den Vermögenswerten einzelner Personen seine Bestätigung. Während im Petri-viertel 47 Personen ein Vermögen über 1 ooo fl hatten, so waren dies im Nikolai- und im Domviertel 11 bzw. 1o, im Jakobiviertel nur einer und in den Vorstädten gar keiner. Die drei reichsten Freiberger im Jahr 1546 waren Georg Liß-kirchen (auch Jorge Lißkirchner) mit 6 ooo fl, Ulrich Groß mit 5 1oo fl und Wolf Hilliger mit 5 ooo fl7, was in etwa den Verhältnissen der meisten anderen großen Städte in Mittel-deutschland entspricht8.

Erhebliche Unterschiede zeigen sich jedoch im Vergleich mit den Städten, die wesentlich stärker durch den Handel geprägt waren und – vor allem – mit den Städten, in denen die Handelsherren zugleich Bergbauunternehmer waren. Einige von diesen, wie etwa in Görlitz und vor allem die auch im Bergbau aktiven Kaufleute in Leipzig, hatten inner-halb kürzester Zeit ungeheure Reichtümer angehäuft. Auf-fällig ist, dass es unter den Freiberger Bürgern wahrschein-lich keinen gegeben hat, der sich in ähnlicher Weise im Bergbau engagierte und hohe Gewinn erzielte, während in Zwickau mit Martin Römer († 1483), in Marienberg mit Ulrich Erckel d. J. (um 149o–1543) oder auch in Neugeising mit Conrad Meyer († 1553) durchaus derartige Personen mit Vermögen von 1oo ooo fl und mehr zu finden sind9.

Die Differenzierung innerhalb der Vermögensstruktur Freibergs ist auch heute noch im Gebäudebestand des 16. Jh.

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9 Kramm 1981, 223. 1o Ohne Schloss, Rathaus, Kirchen, Kornhaus,

Marstall, Kaufhaus, Franziskanerkloster und ohne die in jüngerer Vergangenheit abgebrochenen Gebäude, jedoch einschließ-lich der Domherrenhäuser.

11 Die Darstellung in einem derartigen Bau- altersplan ist zwangsläufig schematisch, weil die meisten Häuser in der Regel meh-rere Umbauphasen aufweisen, die in einem solchen Plan nicht darstellbar sind. Im vor-liegenden Baualtersplan wird unabhängig

vom heutigen äußeren Erscheinungsbild die Hauptbauzeit durch die Grundfarbe des Gebäudes dargestellt. Spätere Umbauten bis in die Zeit um 17oo, die für das Gebäude wesentlich sind, sowie in geringem Umfang vorhandene ältere Reste in jüngeren Gebäu-den werden durch einen farbigen Punkt gekennzeichnet. Schrägschraffuren kenn-zeichnen Häuser, die in jüngerer Vergan-genheit abgebrochen worden sind und von denen anhand von Bildmaterial oder von erhalten gebliebenen Architekturteilen und

dergleichen die Bauzeit gesichert ist. Oft sind architektonisch bedeutende Gebäude als Kopien neu errichtet und zuweilen geborgene Ausstattungsstücke wieder ver-wendet worden (z. B. Waisenhausstraße 7/Petriplatz 4, Nonnengasse 15 und Petriplatz 7). Grau dargestellte Gebäude wurden nach 17oo errichtet (bzw. eventuell vorhandene ältere Reste sind aufgrund jüngerer Über-prägungen und fehlender bauarchäologi-scher Untersuchungen zum jetzigen Zeit-punkt nicht bekannt). Auf Einzelnachweise

erkennbar. Während im Jakobi- und im Nikolaiviertel in der Zeit bis 154o nur zweigeschossige Häuser errichtet wurden, befanden sich zu dieser Zeit im Dom- und im Petriviertel auch dreigeschossige Wohngebäude. Ausschließlich am Ober- markt hat es viergeschossige Gebäude gegeben, die entspre-chend dem dendrochronologischen Befund im Jahr 153o (Obermarkt 5 und 6) bzw. 1528–1531 (Obermarkt 17) ent-standen.

Am Übergang vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit hat es in der Stadtgestalt Freibergs verschiedene Verände-rungen gegeben. An erster Stelle ist die Bebauungslinie an der Südwestseite des Obermarktes zu nennen, die um etwa 8 m in den Platz hinein verschoben wurde. Dabei scheint es sich um einen Prozess gehandelt zu haben, der kurz vor 15oo einsetzte und sich möglicherweise bis um 154o hinzog. Bereits unmittelbar nach dem Stadtbrand von 1484 hatte es mit der Errichtung der Domherrenhäuser an der Nordseite des Domes eine vergleichbare Entwicklung gegeben. Um den Ansprüchen der Domherren nach repräsentativen Gebäuden genügen zu können, mussten diese sich auf Teile der Gasse am Dom und auf den Domvorplatz erstrecken.

Erwähnenswert ist schließlich die Auflösung der vier innerstädtischen Friedhöfe an Marien-, Petri-, Nikolai- und Jakobikirche im Jahr 1531 und die auf Befehl Herzog Hein-richs erfolgte allgemeine Nutzung des Donatsfriedhofes als Freiberger Begräbnisstätte. Der Friedhof am Dom bestand in Form des Grünen Friedhofes zwischen Kreuzgang und Kirche zu großen Teilen weiter; lediglich der östliche und südöstliche Bereich ging später im Untermarkt auf. Auch auf dem Jakobifriedhof wurden noch bis ins 19. Jh. hinein Bestattungen vorgenommen. Vor allem den Nikolaifriedhof gab man verhältnismäßig schnell auf und verwendete ihn als Markt für den Handel mit Lebensmitteln (»Butter-markt«). Die größten Veränderungen vollzogen sich seit 149o/15oo am Petrikirchhof. Sowohl dessen Nordseite zur heutigen Waisenhausstraße als auch der südliche Bereich zur Petersstraße wurden mit Bürgerhäusern bebaut. Nach der Einführung der Reformation im Jahr 1537 wurden auch die Friedhöfe beim Franziskaner- und beim Dominikaner-kloster aufgegeben. Die gegen Ende der Regierungszeit Heinrichs aufgelösten Klöster trug man in den 154oer und 155oer Jahren ab und bebaute die Grundstücke anschlie-ßend teilweise wieder neu.

Während die bauliche Hülle des Domes mit Ausnahme der nie vollendeten Türme bereits 15 Jahre nach dem Stadt-brand von 1484 weitgehend fertiggestellt war, ist es zum Bau eines Kreuzganges für die Domherren des erst im Jahr 148o gegründeten Kollegiatsstiftes zunächst noch nicht ge-kommen. Der Bau des Kreuzganges mit Parallelrippenge-

wölbe erfolgte in der Zeit von 15o7–1511. Im Jahr 1514 wur-den der Annen- und der Ursulaaltar in der Annenkapelle geweiht. Der Domkreuzgang musste die bereits vorhande-nen städtischen Bebauungsstrukturen berücksichtigen und konnte deswegen nicht regulär ausgeführt werden.

Das Kirchenschiff der Petrikirche erhielt nach 1484 le-diglich ein neues Dachwerk, da die spätromanisch-frühgoti-schen Gewölbe dem Brand standgehalten hatten. Vor allem der Wiederaufbau der Nikolaikirche zog sich jedoch noch bis in das 2. Jahrzehnt des 16. Jh. hin. Nachdem 1512 vom Meißner Bischof zu Spendensammlungen für die Nikolai-kirche aufgerufen und ein 4o-tägiger Ablass versprochen worden war, kam der Bau offenbar zügig in Gang, so dass im Jahr 1517 (d) das Dachwerk über dem Langhaus aufge-schlagen werden konnte.

In dem zu wesentlichen Teilen 147o–1474 erbauten Rat-haus mit dem vorgelagerten, im Kern älteren Turm, fügte man 151o–1513 eine Kapelle ein. Der ursprüngliche Zugang zum Obergeschoss des Rathauses erfolgte bis dahin über eine Außentreppe, die in eine in den Turm integrierte, offene Vorlaube führte; deren Öffnungen wurden zu Fens-tern verkleinert, den Zugang vom Ratssaal bildete nun das ehemalige Hauptportal des Rathauses. Im Jahr 1513 wurde die zuvor vollständig mit Heiligendarstellungen ausgemalte Kapelle dem heiligen Laurentius geweiht.

Zu den öffentlichen Gebäuden, die in den Jahrzehnten nach dem letzten Stadtbrand entstanden, gehört auch das mit Schlüsselscharten versehene Kornhaus in der Korn-gasse mit dem an der Südwestecke baueinheitlich errichte-ten »Kalkturm«. Der Speicher war Bestandteil der Stadtbe-festigung und wurde im Jahr 1511 aufgeführt. Als weiterer Stadtmauerturm jener Zeit ist der von 15o7–1514 von den Dominikanermönchen errichtete »Dicke Turm« oder auch »Obermönchsturm« als Abtritt-Turm zu nennen.

In der Altstadt Freibergs haben sich 315 Bürgerhäuser aus dem Zeitraum zwischen 1484–um 17oo erhalten10, was etwas mehr als 4o % des heutigen Gesamtbestandes ent-spricht. Von diesen lassen sich 231 relativ genau datieren, so dass eine Darstellung in einem detaillierten Baualters-plan möglich ist (Abb. 1)11. 84 Häuser entziehen sich bislang einer schärferen zeitlichen Einordnung12. Unter Ausschluss dieser nicht näher zu klassifizierenden Häuser ergibt sich folgende prozentuale Aufteilung: Vom Bestand der 231 heute noch vorhandenen und hinreichend genau datierba-ren Freiberger Bürgerhäuser ausgehend, errichtete man bis um 15oo knapp 4 % (neun Gebäude) und von 15oo bis um 153o weitere 43 und damit knapp 19 % der Gebäude. Im Zeitraum zwischen um 153o–157o stieg die Bautätigkeit enorm an. Innerhalb dieser vier Jahrzehnte wurden mit

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zu den Gebäuden muss an dieser Stelle ver-zichtet werden. Diese werden in dem in Arbeit befindlichen Band V der Denkmal- topographie Freiberg vorgelegt.

12 Dabei handelt es sich einerseits um Gebäude mit entsprechenden Architekturdetails oder Ausmalungen, die bislang jedoch nicht hin-

reichend genau eingeordnet werden kön-nen. Andererseits gehören dazu auch die Häuser, bei denen lediglich aufgrund der unregelmäßigen Fensteranordnung und /oder der Form der Dachwerke eine Entste-hung vor 17oo gesichert ist. Da bei diesen Häusern ohne bauarchäologische Untersu-

chungen die Angabe der Bauzeit nicht mög-lich ist und zwischen 1484 und dem Ende des 17. Jh. angenommen werden muss, haben wir diese in dem Baualtersplan Abb. 1 unter einem einheitlichen Farbwert zusammengefasst.

13 Hoffmann / Richter 2oo3, 9o–98.

112 Bürgerhäusern etwas mehr als 48 % des heute noch vor-handenen Bestandes aus dem Bearbeitungszeitraum erbaut! Damit entstanden genau in der Zeit, in der der Bergbau wie-der deutlich höhere Erträge brachte, fast die Hälfte der heute noch in Freiberg stehenden Gebäude aus dem Zeitraum zwi-schen dem ausgehenden 15. und dem Ende des 17. Jh. In den letzten drei Jahrzehnten bis zum Ende des 16. Jh. folgten weitere 37 (16 %) und im 1. Drittel des 17. Jh. noch einmal 21 Gebäude (9 %). Während des Dreißigjährigen Kriegs brach das Baugeschehen völlig ein – lediglich drei Gebäude (ein-

schließlich eines Hinterhauses) und damit nur etwas mehr als 1 % entstanden im 2. Drittel des 17. Jh. Obgleich in den Jahren um 167o/8o einige anspruchsvolle und teilweise sehr große Gebäude aufgeführt wurden13, fiel die Gesamtzahl auch im letzten Jahrhundertdrittel mit 3 % immer noch sehr gering aus.

Die ältesten erhalten gebliebenen Bürgerhäuser aus der Zeit nach dem Stadtbrand von 1484 finden sich mit Aus-nahme des Bürgerhauses Untermarkt 26 von um 1485/86 (d) vor allem am Obermarkt. Sie entstanden teilweise als

2

3

4

57

8

1

6

N

0 250 m

Donatstor

Meißner

Tor

Kreuztor

Peterst

or

Erbisches Tor

um 1570 – um 1600

1. Drittel 17. Jh.

2. Drittel 17. Jh.

3. Drittel 17. Jh.

1484 – um 1500

um 1500 – um 1530

um 1530 – um 1570

vor 1484

1484 – um 1700

Bearbeitungsstand: Februar 2008

Abb. 1 Freiberg, Baualtersplan der bis um 17oo errichteten Bürgerhäuser auf der Grundlage eines modernen Katasterplanes. 1–Marienkirche / Dom, 2–Petrikirche, 3–Nikolaikirche, 4–Standort der 189o abgebrochenen Jakobikirche, 5–Rathaus, 6–Schloss, 7–Obermarkt, 8–Untermarkt.

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14 Ufer 1973, 22 f. 15 Erwähnt werden hier nur einige Beispiel-

Nonnengasse 15 (um 15oo), Obermarkt 17

(um 1528/3o), Domgasse 3 (154o), Ober-markt 18/19 (1542).

1 6 Möller 1653, A. 111.

17 Vgl. beispielsweise Geyer 1964, 14–18; Nitz 2oo5, 191 –194; 2oo7.

dreigeschossige Steinhäuser in den Jahren um 15oo. Dazu gehören beispielweise die Gebäude Obermarkt 2, Ober-markt 8, Obermarkt 12 und Kirchgäßchen 1. Bereits unmit-telbar bzw. kurz nach dem Stadtbrand errichtete man die Domherrenhäuser Am Dom 1 und Am Dom 2, die beide im Jahr 1488 fertiggestellt wurden. Aus stilistischer Sicht sind auch die anderen Domherrenhäuser in die Zeit zwischen um 149o–um 15oo zu datieren. Im Jahr 1499 muss die gsamte Stadt weitgehend wieder aufgebaut gewesen sein, wie ein Steuerregister zeigt. In jenem Jahr waren in der Innenstadt bereits wieder 579 Gebäude steuerpflichtig14.

Ein nicht unerheblicher Teil der Gebäude dürfte zunächst in Fachwerk errichtet worden sein. Ob auch nach 15oo im Hausbau Freibergs – abgesehen von Nebengebäuden – Fach-werk Verwendung fand, lässt sich bis auf Giebelkonstruk- tionen nicht mehr sicher feststellen. Die in der ältesten Stadtansicht von 1554 erkennbaren Fachwerk- bzw. Stein-bauten mit Fachwerkobergeschoss können auch noch aus der Zeit unmittelbar nach 1484 stammen (Abb. 2). Das Bild der Stadt wurde in der Zeit um 15oo in erster Linie von zweigeschossigen Gebäuden – wohl zumeist noch mit Fach-werkobergeschoss – geprägt.

Es lässt sich feststellen, dass nach dem Stadtbrand von 1484 eine tendenzielle Vergrößerung der Hausgrundrisse

erfolgte. Wiederholt können Zusammenlegungen von Grund- stücken sowohl archäologisch als auch archivalisch belegt werden15. Der Chronist Andreas Möller berichtet, dass nach dem Stadtbrand von 1471 »viel Bürger ihre hinterbliebene Brandstädte aus Armuth verkaufet / hingegen andere / die noch etwas vermögens gewesen / der Nachbarn Räume zu den ihren gelöset / und zwey Häuser gebawet«16. Mit der Zusammenlegung ging ein Wechsel von der Giebel- zur Traufständigkeit der Häuser einher. Ursachen dafür waren vor allem die nach dem letzten Stadtbrand 1484 erlassenen Bauvorschriften, die massive Brandgiebel zwischen den Häusern verlangten. Angestrebter Raumgewinn und nicht zuletzt bautechnische Erwägungen (Wasserableitung) wer-den diese Entwicklung gefördert haben, die bis in das 18. Jh. hinein anhielt. Die Firstschwenkung war eine allgemeine Tendenz im städtischen Hausbau des ausgehenden Mittel-alters und der frühen Neuzeit in Mitteldeutschland17. Die teilweise noch vorhandenen Traufgassen überbaute man in diesem Zusammenhang.

Im Gegensatz zu jener vorherrschenden Tendenz hat es jedoch auch Haus- und Grundstücksteilungen gegeben, die offensichtlich vor allem eine Folge von Erbteilungen oder finanziellen Engpässen der Hausbesitzer waren. Beispiels-weise wurde das im Jahre 1543 (d) errichtete Gebäude Ober-

Abb. 2 Freiberg, Ausschnitt aus einem Stadtplan von 1554 mit Hervorhebung der Fachwerkgebäude.

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18 Vgl. dazu im Detail und mit Angabe der Quellen Richter 2oo4, 26–29.

19 Richter 2ooo, 77–1o5.

markt 18/19 bereits 1552 geteilt, indem man vom Keller bis in das Dachwerk eine Trennwand errichtete. Im Bereich der heutigen Grundstücke Obermarkt 11 und 12 erbaute der Bildhauer Philipp Koch um 153o unter Verwendung älterer Bausubstanz ein neues Haus, nachdem er vor 1499 und 1518 mehrere Grundstücke erworben hatte. Nach dem Tod Philipp Kochs im Jahre 1535 gelangte das Grundstück dann 1554 an Matz Hachenbergk, der ein neues repräsentatives Gebäude errichten ließ. Den größeren Teil davon verkaufte der Bau-herr aus unbekannten Gründen bereits drei Jahre später, wodurch es zu einer Hausteilung kam, die bis heute am Gebäudebestand ablesbar ist18.

Noch zu Beginn des 16. Jh. hatte es in der Freiberger Innenstadt keine flächendeckende geschlossene Bebauung gegeben. Diese Entwicklung setzte erst in diesem Zeitraum ein und war, wie die in den Archivalien oft erwähnten »Räume« zwischen den Häusern erkennen lassen, auch Ende des 16. Jh. noch nicht abgeschlossen.

Bereits unmittelbar nach dem Stadtbrand 1484 wurden einige der bedeutendsten Häuser dreigeschossig errichtet. Zu nennen sind hier vor allem die Domherrenhäuser Am Dom 1 (Abb. 3), Am Dom 3, Am Dom 4, Domgasse 6 und Untermarkt 1 (linker Gebäudeteil). Zudem sind an dieser Stelle die Bürgerhäuser Obermarkt 8 von 1499–15o3 (d)19 und Petriplatz 7 aus der Zeit um 15oo zu erwähnen. Nach der Jahrhundertwende nahm die Zahl der dreigeschossigen Gebäude stetig zu, wobei deutliche Unterschiede in den jeweiligen Stadtvierteln zu konstatieren sind. Vor allem im Petriviertel und teilweise im Dom- sowie etwas seltener im Nikolaiviertel finden sich derartige Häuser. Dagegen wur-den im Jakobiviertel offenbar erst im 19. Jh. dreigeschossige Häuser errichtet. Die ersten viergeschossigen Gebäude Frei-bergs entstanden um 153o mit den teilweise noch spätgo-tisch geprägten Bürgerhäusern Obermarkt 6, 17, 22 und 23 (Abb. 4). Mit der Viergeschossigkeit von Bürgerhäusern schon in dieser Zeit stellt Freiberg offenbar eine Ausnahme in Obersachsen dar. Selbst in Orten wie Leipzig, Dresden und (dem bis zum Jahre 1634 böhmischen) Görlitz erreichte man erst etwas später derartige Gebäudehöhen.

In der baulichen Gestaltung der Häuser lassen sich – ab-gesehen von stilistischen Veränderungen – nur wenige Ent-wicklungen feststellen. So ist etwa die Raumgliederung mit der Anordnung von Stube und zugehöriger Kammer bereits bei den Gebäuden vom Ende des 15. Jh. vorhanden. Durch die Fensteranordnung mit jeweils zusammengerückten Öffnungen, die Gruppen von zwei oder zumeist drei Fens-tern bilden, ist die Raumgliederung fast immer an der Fas-sade ablesbar. Küchen finden sich zumeist in allen Geschos-sen im mittleren oder hofseitigen Teil der Gebäude. Die Erschließung der Obergeschosse erfolgte durch Treppen-türme, die zumeist an der Hofseite stehen.

Im Bearbeitungszeitraum setzt sich auch die Axialität der Fenstergliederungen durch: Während diesbezügliche An-fänge bereits an den Domherrenhäusern fassbar sind, wurde auf dieses Gestaltungselement bei den Gebäuden Obermarkt 8 von 1499–15o3 (d) und Mönchsstraße 3 von 15o9 (d) noch ver-

zichtet. Als erstes Haus in Freiberg weist Korngasse 1 von 1511 (d) eine eindeutige axiale Gliederung auf.

Die Fassadengestaltung der Bürgerhäuser ist vor allem durch profilierte Portale und Fenster bestimmt. Bereits aus dem Jahr 1499 stammt das älteste Sitznischenportal der Stadt am Gebäude Obermarkt 8, das zugleich zu den ältes-ten Beispielen seiner Art überhaupt gehört. Im gesamten 16. Jh. ist das Sitznischenportal der vorherrschende Portal-typ, der sich entsprechend der Stilentwicklung veränderte. Nach 152o lassen sich in Freiberg keine spitzbogigen Por-tale mehr nachweisen; jedoch finden sich spätgotische Ele-mente an einem überwiegend der Renaissance verpflichte-ten Portal am Gebäude Pfarrgasse 11 noch im Jahre 1543 (i). Während das jüngste ausschließlich der Spätgotik verhaf-tete Portal im Jahre 1534 (i) entstand (Kesselgasse 24), gab es mit dem Gebäude Obermarkt 17 seit um 1528/3o (a, d)

Abb. 3 Freiberg, Am Dom 1 (Thümerei), Ansicht des Giebels zum Unter-markt, Bleistiftzeichnung vor dem Umbau 1899.

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bereits erste Renaissanceportale (Abb. 5) neben spätgoti-schen Türrahmungen. Bis zur Mitte des 16. Jh. kommen häufig Portale mit typischen Frührenaissanceverzierungen vor, die in den nachfolgenden Jahrzehnten schlichteren Ge-staltungen weichen.

Neben den Rechteckfenstern hatte in der Nachfolge des Neubaus der Albrechtsburg in Meißen ab 147o der Typ des Vorhangbogenfensters auch in Freiberg Einzug gehalten. Die ältesten datierten Beispiele finden sich am Domherren-haus Am Dom 1 von 1488 (a) (Abb. 3) und kommen noch bis kurz nach 151o vor. Einige der Fenster des Freihauses Schlossplatz 3 von 151o/12 (a), das vom Hofmeister Hein-richs des Frommen, Rudolf von Bünau, auf einem zuvor unbebauten Grundstück errichtet wurde, stellen eine Son-derform dar, indem in die geraden Stürze die Vorhangbö-gen als Relief eingearbeitet sind. Bei mindestens einem ori-ginal erhaltenen Fenster ist im Unterschied dazu der Sturz auch als Vorhangbogen ausgebildet. Zudem handelt es sich dabei um ein Kreuzstockfenster, eine Form, die in Freiberg ebenfalls nur an diesem Gebäude nachweisbar ist. Einmalig sind auch die Kielbogenfenster im Gebäude des Franziska-nerklosters Mönchsstraße 3 von 15o9 (d).Während einige der wenigen bis heute erhaltenen Erdge-schossfenster der Bürgerhäuser etwas größer sind und einen stichbogigen Abschluss wie etwa an der Kaufhausgasse 9 von 1525 (i) besitzen, handelt es sich – abgesehen von den

oben genannten Ausnahmen – bei den anderen Fenstern um Rechteckfenster, die sich nunmehr lediglich in ihrer Profilierung unterscheiden. Bis um 151o herrschen in Freiberg tiefgekehlte, ausschließlich mit Kehlstäben und teilweise mit Graten versehene Fensterprofilierungen vor. Danach kommen Rundstäbe mit begleitenden Graten auf, die sich bis um 153o halten. In dieser Zeit lassen sich in Freiberg erstmals Karniesprofile an Fenstern nachweisen. Die typisch spätgotischen durchsteckten Stäbe kommen in abgeflachten Formen bis kurz nach der Mitte des 16. Jh. vor.

Die Blütezeit der spätgotischen Ziergiebel hatte in Frei-berg ihren Höhepunkt in den Jahren vor und um 15oo. Nachweisbar sind derartige Giebel am Rathaus (147o–1474, nicht erhalten), an den Domherrenhäusern Am Dom 1 von 1488 (a) (Abb. 3), Am Dom 2 von 1488 (d) sowie am Bürger-haus Petriplatz 7 (um 149o/15oo). Deutlich schlichter sind die Giebel des Bürgerhauses Nonnengasse 15 (um / nach 15oo) (Abb. 6) und die des Kornhauses (1511) gestaltet, deren Gliederung mit stichbogig geschlossenen Blendbögen sich von den älteren Objekten abheben. Das nächstjüngere Bei-spiel ist Kirchgäßchen 3 von 1542 (a, i) mit einem zum Ober-markt hin weisenden, in Freiberg einzigartigen Renaissan-cegiebel. Nicht nur der geschweifte Giebel findet hier keine Parallele, sondern auch die Fenstergewände stellen eine für den Freiberger Bürgerhausbau fremde Form dar. Die seitli-chen Gewände werden in eigenartiger Weise von profilierten

Abb. 4 Nordostecke des Obermarktes von Freiberg mit den Gebäuden (von links) Kaufhausgasse 1 (angeschnitten), Obermarkt 16, 17, 18, 19, 21, 22, 23, 24 (Rathaus angeschnitten), Aufnahme 2oo7.

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2o Richter 2oo5, 153.

Pilastern gebildet, die in der Mitte je eine erhaben ausgear-beitete Blütenrosette tragen. Damit erinnert die gestalteri-sche Lösung an niederschlesische und böhmische Beispiele aus den Jahrzehnten um die Mitte des 16. Jh., die ganz offen-sichtlich ihre Vorbilder in den Fenstern des um 15oo errich-teten Wladislawsaales der Prager Burg haben.

Historische Stiche zeigen, dass in Freiberg zu keiner Zeit eine ausgeprägte Zwerchhausarchitektur existiert hat, was angesichts zahlreicher Beispiele in anderen Städten Sach-sens bemerkenswert ist. Lediglich archivalisch überliefert sind Zwerchhäuser auf dem städtischen Kaufhaus Ober-markt 16 von 1545/46 (a, i). Ein ähnliches Phänomen bilden die Giebelaufsätze auf dem Frührenaissancedachreiter des Bürgerhauses Obermarkt 6 von 153o (d); über analoge Giebel verfügte bereits die Haube des Petriturms von 1526/27.

Zu den auffälligen Architekturelementen spätgotischer und renaissancezeitlicher Gebäude gehören weiterhin Erker. Das älteste erhaltene Beispiel Freibergs entstand mit der Er-richtung des Bürgerhauses Korngasse 1 als Eckerker um 1511 (d). Einige Jahrzehnte jünger ist der nur wenig hervor-springende Erker von 1542 am Kirchgäßchen 3 (i), der in der außerordentlich schmalen Gasse keine repräsentative Wir-kung in den öffentlichen Raum hinein entfalten konnte.

Das nächstjüngere Beispiel ist ein Erker von 1578 (a, i) am Rathaus.

Zur Fassadengliederung trugen nicht zuletzt auch profilierte Brüstungs-gesimse bei, die sich jedoch nur in Ausnahmefällen wie beispielsweise an Haus Petriplatz 4 aus der Zeit von 1555 (i) erhalten haben. In den meisten Fällen zeigen sich die Reste derartiger Gesimse nur nach der Entfernung von Putzen. Zu den ältesten Freiberger Bei-spielen gehören die bauarchäologisch nachgewiesenen Brüstungsgesimse im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss des ursprünglich zweigeschossigen Hauses Domgasse 3 von 154o (d)20. Ältere, sicher belegte Beispiele sind bislang nicht bekannt geworden, was aber auch eine Frage des Forschungs-standes sein kann. Allerdings existie-ren einige spätgotische Gebäude in Freiberg, bei denen Brüstungsgesimse möglicherweise ursprünglich vorhan-den waren, bei Bauarbeiten festgestellt und anschließend als Putzbänder nachgebildet wurden. Wegen fehlen-der Dokumentationen sind hier ver-bindliche Aussagen jedoch nicht mög-lich. Als Beispiel sei auf das um 151o/3o errichtete Gebäude Waisenhausstraße 1o verwiesen, bei dem in beiden Ober-

geschossen Putzbänder das Gebäude markant gliedern.Möglicherweise haben diese Brüstungsgesimse ihren

Ursprung in profilierten Fensterbänken. Besonders die zwei- oder mehrfach gekoppelten Fenster, die in Freiberg zuwei-len regelrechte Fensterbänder mit durchgehenden Bänken bilden, legen eine solche Vermutung nahe. Zu den frühes-ten derartigen Beispielen gehört das ursprünglich aus zwei Häusern bestehende Gebäude Obermarkt 23 von um 153o/4o (Abb. 4). Bei etwas älteren spätgotischen Bauten wa-ren die Fensterbänke dagegen offenbar den einzelnen Fens-tern zugeordnet, wie das in Freiberg einzigartige Beispiel Obermarkt 8 von 1499–155o 3 (d) zeigt.

Die Erdgeschosse der Gebäude waren zu großen Teilen gewölbt, wobei einfache Grat- und Tonnengewölbe vor-herrschten. In herausgehobenen Häusern kommen zwi-schen 1484–1488 und um 151o zunächst auch noch Zellen-gewölbe vor; das jüngste sicher datierte Beispiel ist das zum Franziskanerkloster gehörende Gebäude Mönchsstraße 3 von 15o9 (d). Um 152o/3o lassen sich häufig reichere Rippen-gewölbe in Bürger- und Freihäusern nachweisen. Inschrift-lich in das Jahr 1527 datiert war das nicht erhaltene Gewölbe im Haus Petersstraße 2o a. Im Jahr 153o (d) wurde das heute als Oberbergamt genutzte Gebäude Kirchgasse 11 – der ehe-

Abb. 5 Freiberg, Obermarkt 17, Frührenais-sanceportal von 1528/3o, Aufnahme 1976.

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21 Für Freiberg sind im Jahre 1469 acht Haus-kapellen in einer nicht erhaltenen Papst- urkunde bezeugt; vgl. Möller 1653, 119 f;

zur Problematik ausführlicher Hoffmann /Richter im Druck.

malige Schönlebische Freihof – mit Stern- und Netzrippen-gewölben im Erd- und im ersten Obergeschoss errichtet. Wei-tere Beispiele sind Petersstraße 46 aus der Zeit um 152o/3o (Abb. 7), Burgstraße 19 (um 1525) und – bislang nicht sicher datierbar – der ehemalige Oberhof Petersstraße 3 (um 153o). Ein Großteil der Gewölbe sind bei Ladeneinbauten im 19. und 2o. Jh. zerstört worden.

Seltene Ausnahmen waren – bis auf die Küchen – Ein-wölbungen in den Obergeschossen, wie die wenigen Bei-spiele Mönchsstraße 1 von 1524/26 (a, i) und Obermarkt 23 von 153o/4o zeigen. Im Domherrenhof Untermarkt 1 aus der Zeit um 15oo (Dachwerk 15o4 [d]) und im Freihaus Kirchgasse 11 aus der Zeit von 153o (d) sind einige Oberge-schossräume sogar rippengewölbt. Inwieweit ein Teil dieser rippengewölbten Räume im Erd- oder im Obergeschoss als Hauskapellen gedient hat, lässt sich mangels zweifelsfreier archivalischer Quellen und entsprechender Befunde bislang nicht belegen21.

In der Regel waren die Obergeschosse mit profilierten Balkendecken oder mit Lehmschlagdecken versehen, wobei

innerhalb der hausinternen Hierarchie die hervorgehobenen Räume – also die Stuben – größtenteils mit profilier-ten Balkendecken ausgestattet waren. Während um 15oo und im beginnen-den 16. Jh. noch kräftige Profilierun-gen vorherrschten, wurden diese im Verlauf des Jahrhunderts allmählich immer flacher. Kassettendecken sind in Freiberg spätestens seit der Mitte des 16. Jh. nachweisbar. Neben diesen reicher gestalteten Balkendecken hat es offenbar seit dem ausgehenden 15. Jh. immer auch unprofilierte Balken-decken (z. B. Kreuzgasse 7) und schlichte Lehmschlagdecken mit oder auch ohne profilierten Balken zwischen den Fel-dern gegeben (z. B. Domgasse 3, Ober-markt 12, Aschegasse 3). Letztere konn-ten sowohl eine reichere Bemalung als auch nur einfache Begleitstriche tragen.

Die Wandmalereien sind im ausge-henden 15. und in der 1. Hälfte des 16. Jh. vor allem floral bestimmt. Zu-weilen sind Halbfiguren eingeflochten, die Wappen oder auch ein Buch halten (Abb. 8). Thematisch anspruchsvollere Wandmalereien finden sich im bürger-lichen Milieu Obersachsens in der Regel erst in der 2. Hälfte des 16. Jh.

Neue Elemente der Innenraumge-staltung in Freiberg sind die um 151o aufkommenden Fens-terkonsolen und -säulen (Abb. 9), denen etwa ab 153o gemauerte Blendbögen an den Wänden und nur wenig spä-ter Wandkonsolen nachfolgen. Vor allem in den Jahrzehn-ten um die Mitte des 16. Jh. treten reich gestaltete und oft mit figürlichem Schmuck versehene Konsolen auf.

Der Übergang vom Mittelalter zur frühen Neuzeit war in Obersachsen auch mit dem Aufkommen der Frührenais-sance verbunden. Als ausgewählte Beispiele müssen an die-ser Stelle das Sakristeiportal der Annenkirche in Annaberg aus dem Jahr 1518/19, der hallesche Dom 152o–1525, die Einwölbung des Wappensaales und die Reliefs an den bei-den unteren Umgängen des Großen Wendelsteines der Meißner Albrechtsburg 1521–1524, der so genannte Kühle Brunnen in Halle 1523–1532, das von Andreas Günther errichtete Schloss Forderglauchau 1524–1534 und das Dresd-ner Georgentor 153o–1535 genügen. Hier reihen sich mehrere Bauwerke in Freiberg ein. Das älteste Bauwerk in Formen der Frührenaissance ist die 1526/27 aufgesetzte Haube des Petri-turmes mit den typischen Rundbogengiebeln und aufge-

Abb. 6 Freiberg, Nonnengasse 15 aus der Zeit um 15oo (abgebrochen), Aufnahme 191o.

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setzten Kugeln. Nur wenig jünger als der Petriturm ist ein Dachreiter mit ebensolchen Halbrundbögen auf dem Bürger-haus Obermarkt 6 von 153o (d), der später abgesägt worden ist.

Das von dem aus Regensburg stammenden Patrizier Georg Lißkirchen errichtete Bürgerhaus Obermarkt 17 mit seinem Renaissanceportal von Paul Speck (Abb. 5) entstand seit 1528; das Dachwerk wurde 1531 aufgesetzt. Mit der Ent-deckung eines Briefes über den Streit zwischen Paul Speck und dem seit 1527 in Glauchau tätigen und später in Halle wirkenden Frührenaissance-Baumeister Andreas Günther sind Beziehungen der beiden Meister spätestens für das Jahr 1532 nachgewiesen. Mit den genannten Bauten hatten Frührenaissanceformen in der Architektur Freibergs Ein-zug gehalten. In der Folgezeit setzten sich diese allmählich durch, wenngleich spätgotische Stilelemente noch eine zeit-lang Verwendung fanden.

Im Vergleich zu anderen Städten Mitteldeutschlands fällt der ausgesprochen geringe Einfluss auf, den der Stadtherr Herzog Heinrich der Fromme auf das Baugeschehen aus-übte. Einen ganz anderen Anspruch besaß sein Bruder Her-zog Georg, der als albertinischer Landesherr die bauliche Entwicklung in seinem Land bewusst förderte und sich im Jahr 1537 sogar eine Steuer vom Landtag bewilligen ließ,

um Städte und Schlösser befestigen zu lassen. Bereits sein langjähriges Wirken für die im Jahr 1497 gegründete Stadt Annaberg lässt dies erkennen. Auch als Stadtherr von Dres-den nahm Herzog Georg erheblichen Einfluss auf dessen Entwicklung. Nicht zuletzt ist hier der zwischen 1519–1529 erfolgte massive Ausbau der Befestigungsanlagen bemerkens-wert. Mit der Errichtung des dreigeschossigen Georgentores am Dresdener Schloss in den Jahren 153o–153522 erweitert er das zuletzt 1468/69–148o grundlegend um-gebaute Dresdner Schloss, das ihm als Residenz diente. In Meißen wurde in den Jahren 1521–1525 an der noch immer nicht fertig gestell-ten Albrechtsburg weitergebaut. Besonders zu erwähnen sind die Einwölbung des Wappensaales von Jakob Heilmann und die Reliefs an den beiden unteren Umgängen des Großen Wendelsteines. Im dritten Obergeschoss entstand auch ein schlichtes rundbogiges Frührenaissanceportal mit aufgesetz-ten Scheiben.

Herzog Georg sorgte persönlich für die Übernahme der Renaissance in sein Herrschaftsgebiet. Den Anfang machte der von ihm in der Bildhauerwerkstatt der Daucher in Augs-burg im Jahr 1519 bestellte und 1522 geweihte Hochaltar der Annenkirche in Annaberg, nachdem der Fürst im Jahr 1518 an einer Messe in der Augsburger Grabkapelle mit der ihm gut bekannten Familie Fugger hatte teilnehmen können.

Abb. 7 Freiberg, Petersstraße 46 aus der Zeit um 152o/3o, rippengewölbte Erdgeschosshalle, Zeichnung von Carl August Müller aus dem Jahre 1871.

22 Magirius 1992

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Auch unter den ernestinischen Kurfürsten Friedrich dem Weisen (1486–1525), seinem Bruder Johann dem Beständigen (Mitregierung bis 1525, Kurfürst 1525–1532) sowie dessen Söhnen Johann Friedrich dem Großmütigen (1532–1547, † 1554) und Johann Ernst (gemeinsame Regie-rung bis 1542) ist im Sinne einer bewussten Politik eine

Erneuerung und Modernisierung zahlreicher in ihrem Herrschaftsgebiet befindlicher Städte und Schlösser festzu-stellen. Allen voran sind Wittenberg und Torgau zu erwäh-nen. Aus dem mitteldeutschen Gebiet kann zudem auf den umfassenden Ausbau von Halle als Residenz durch Kardi-nal Albrecht hingewiesen werden.

Abb. 8 Freiberg, Korngasse 1, Wandmalerei unter der unbemalten Holzbalkendecke im 1. Obergeschoss aus der Zeit um 1511/15, Aufnahme 2oo1.

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Abb. 9 Freiberg, Burgstraße 36, Fensterkonsolen im Erdgeschoss aus der Zeit um 152o/3o, Aufnahme 2oo3.

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abbildungsnachweis

1 Y. Hoffmann, Dresden 2 B. Schlegel, Freiberg 3 Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg 4 W. Rabich, Dresden 5 E. Seyffarth, München

6–7 Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg 8–9 W. Rabich, Dresden

anschrift

Dipl. Rest. (FH) Yves HoffmannRehefelder Straße 31

o1127 Dresden

Dipl. Hist. Uwe RichterZuger Straße 3oo9599 Freiberg