"Der Erzbischof liebte Rot" - Der Bergfried der Fürstenberg. Oder: Über das Anmalen von Architektur.
Architektur der Angst. Zur filmischen Korrelation von Raum und Affekt
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Philosophische Fakultät, Germanistik
Bachelorarbeit Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des akademischen Grades
Bachelor of Arts im Studiengang Literary, Cultural and Media Studies
Ergänzungsfach: Visual Studies and Art History
Architektur der Angst
zur filmischen Korrelation von Raum und Affekt
Gutachter: Prof. Dr. Andreas Käuser Prof. Dr. phil. Joseph Imorde
vorgelegt von: Dana Müller Matrikelnummer: 788 238
Siegen, 11.05.2012
Inhalt
I Einführende Darstellung und Themeneingrenzung 3
II Angst
Begriffsbestimmung Angst/Furcht 6
Anthropologie der Angst 9
Angst und Kultur 11
III Architektur und Angst
Von der Angst zur Architektur – eine Ursprungshypothese 16
Begriffsbestimmung Architektur/Raum 20
Raum-Orientierung 22
IV Film-Architektur und Angst
Film-Raum 25
Angstraum (im) Film: The Shining 31
Filmische Heterotopie: Overlook Hotel 39
V Fazit und Ausblick 42
Einführende Darstellung und Themeneingrenzung
3
I Einführende Darstellung und Themeneingrenzung
Dieser Arbeit liegt die profunde Frage zugrunde, wie und warum Raum und
Architektur beim menschlichen Wesen Angst erzeugen können. Um sich dieser
zunächst vage anmutenden Fragestellung überhaupt erst annähern zu können,
müssen verschiedene Begriffe und deren Kontexte bearbeitet und
gleichermaßen definiert werden.
Was ist Angst? Woher kommt sie, warum existiert sie und wie verschiebt sich
die kulturelle Perspektive auf den theoretisch vielfach bearbeiteten und
gleichermaßen hochgradig populären Begriff der Angst? Diese Fragen werden
zunächst in einem eigenen Kapitel bearbeitet, tauchen jedoch im weiteren
Verlauf immer wieder auf. Methodologisch können hierzu psychoanalytische
Ansätze sowie kulturtheoretische Auffassungen fruchtbar gemacht werden.1
Einige Überlegungen zur anthropologisch relevanten Komponente von Angst
leiten über in eine Darstellung des ontologischen sowie realitätsbezogenen
Zusammenhangs von Angst und Kultur.
Das Kapitel „Architektur und Angst“ beginnt mit diversen Überlegungen zum
Ursprung von Kultur.2 Das Errichten von Gebäuden gilt als eine der ersten
Kulturleistungen des Menschen überhaupt, diesem Umstand wird die Frage
nach dem Warum vorangestellt. Ich behaupte, dass „die Angst“ maßgeblich
daran beteiligt ist, dass der Mensch sich seit jeher einen Schutzraum baut.
Manches Tier fertigt sich einen schützenden Kokon oder ein für Angreifer
schier unerreichbares Nest, doch dies kann nicht darüber hinweg täuschen, dass
derartige Maßnahmen einen Vergleich mit der rasanten (Weiter-)Entwicklung
des menschlichen Bauens kaum erlauben. Vitruvs Urhütte und die Gated
Communities der heutigen Mittel- und Oberschicht haben auf den ersten Blick
kaum etwas gemeinsam, eines war und ist jedoch immer zentrale Motivation
der Errichtung: der Schutz gegen äußere Bedrohungen mit der daraus
hervorgehenden, oder zumindest erwünschten, Sicherheit im Inneren des
1 Gewiss kann hier keine allumfassende Reflektion erfolgen, eine interdisziplinäre Untersuchung der Angst bedarf einer separaten Forschungsarbeit. Bspw. in Ansätzen recht lebensnah geschehen in Staemmler, Frank-Matthias/Merten, Rolf: Angst als Ressource und Störung: Interdisziplinäre Aspekte, Paderborn: Jungfermann 2003. 2 Gemeint ist zunächst kein bestimmter Kulturkreis im Sinne von „die Kulturen“.
Einführende Darstellung und Themeneingrenzung
4
Gebäudes. Der Annahme folgend, dass Raum-Architektur als Schutz dient,
zeigt das nächste Kapitel, dass sich dieser Umstand im Film in das komplette
Gegenteil umkehren kann.
Bevor nun der filmische Raum als ein zentrales Element der Manifestation von
menschlichen Ängsten näher untersucht wird, muss – in gleicher Weise wie bei
den Begriffskonglomeraten um die Angst – eine Diskussion und Definition der
Termini Architektur und Raum stattfinden. Was eigentlich macht den
Unterschied zwischen Raum und Architektur aus und welchen dieser Begriffe
kann man für diese Arbeit fruchtbar machen? Die Definition des Raumes wird
also zu jener der Architektur in Bezug zu setzen und zugleich abzugrenzen zu
sein. Der filmische Architektur-Raum wird bezüglich seiner Wirkung auf den
Rezipienten zuweilen ein wenig stiefmütterlich behandelt, oft ist die Rede von
der Kulisse oder dem Hintergrund. Als primär affektgenerierend werden
Gestik, Mimik oder auch die auditive Untermalung oft genannt und untersucht.
Ausnahmen sind natürlich vorhanden, man denke nur an Vincenzo Natalis
Cube, dessen angsteinflößende Wirkung sich in erster Linie durch die
klaustrophobische Enge und die Unmöglichkeit der Verortung des Subjekts
einstellt. Oder aber Filme, welche die angstbesetzte Architektur schon im
Namen tragen, wie Kevin Connors Motel Hell. Und doch wäre wohl kaum
einer der gemeinen Kinobesucher geneigt, nach dem Schauen eines Filmes aus
dem Horrorgenre als erstes die Architektur als angsterzeugendes
Ausdrucksmittel zu nennen. Doch ist die architektonische „Kulisse“ als
raumgebende Instanz eine der wichtigsten filmischen Mittel zur
Affektgenerierung sowie für die Erzeugung weiterer kognitiver Prozesse. Eine
ihrer Eigenschaften ist es, im „Hintergrund“ zu agieren und doch ist ohne sie
kaum ein Horrorfilm denkbar. Der Film (re-)transportiert sowohl die Angst, als
auch die Architektur in die Dimension des Medialen und eröffnet so die
Möglichkeit für eine Reihe weiterer kulturtheoretischer,
architekturtheoretischer und hier speziell filmwissenschaftlicher Konzepte
bzw. Sichtweisen auf unser Verhältnis zu Raum, Architektur und Angst.
Stanley Kubricks The Shining soll im letzten Abschnitt als exemplarisches
Beispiel für durch Raumwahrnehmung generierte und gleichsam verstärkte
„Raum-Ängste“ im Film dienen, da das Overlook Hotel mit seinen
Einführende Darstellung und Themeneingrenzung
5
labyrinthischen Strukturen sowie verschiedenen Topos- und Raumbeziehungen
eine Vielzahl an aufschlussreichen Kontexten aufweist, anhand derer kulturelle
Ängste gezeigt und gleichsam erzeugt werden. Und das ohne dass die
„Kulisse“ aus der Tiefe des Hintergrunds treten würde.
Angst
6
II Angst
Begriffsbestimmung Angst/Furcht
Beginnen wir mit der etymologischen Begriffsbestimmung der Angst. Schon
die indogermanische Grundsprache (um 3500 v. Chr.) kennt das Morphem
angh, was soviel bedeutet wie „Enge“. Der spätere, aus dem Althochdeutschen
stammende Begriff für Enge, angust,3 kommt unserem heutigen Begriff der
Angst semiotisch äußerst nah. Der griechische Ausdruck anchein meint
„würgen, drosseln, zusammenpressen“ und auch das lateinische angor kann
sinnverwandt mit „Würgen, Beklemmung und Angst“ übersetzt werden. 4
Angst bedeutet in ihrer ursprünglichen Übersetzung also Enge im Sinne einer
äußeren Begebenheit. Dieser Umstand wird im späteren Verlauf der Arbeit
noch sachdienlich sein. Wenden wir uns aber zunächst einmal jenen
Auffassungen zu, die den Begriff nicht aus sich heraus, sondern vom
Menschen ausgehend betrachten.
Angst wird gemeinhin als ein Gefühlszustand im Sinne von etwas Gespürten
verstanden, doch auch oder vielmehr gehört die Angst jenem an, was auf das
Gefühlte folgt, nämlich dem Bereich der Emotion (lat. ex: heraus, motio:
Erregung).
„Hirnforscher [...] belehren darüber, daß die Angst im ältesten Teil des
Gehirns, im limbischen System, ihre Ursprungslokalität habe – ein Indiz mehr,
daß die Angst eine Elementar-Emotion [...] ist.“5
Sie ist auch deshalb dem elementaren Bereich zuzuordnen, da es sich bei
Angsterlebnissen
„nicht im strengen Verstande um Re-aktionen, d.h. um vom Ich hervorgebrachte
Phänomene wie Gedanken, Vorstellungen, Willensakte u. dgl. [handelt]. Vielmehr
verwirklichen sie in oder aus unserem Menschsein aufbrechende, unser Ich
überwältigende Geschehnisse.“6
3 vgl. Wahrig, Gerhard (Hg.): Deutsches Wörterbuch, Gütersloh: Bertelsmann 1979, S.386. 4 vgl. Böhme, Hartmut: Vom Phobos zur Angst. Zur Begriffs- und Transformationsgeschichte der Angst, in: Harbsmeier, Michael/Möckel, Sebastian (Hg.): Pathos, Affekt, Emotion. Transformationen der Antike, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2009, S.168f.. 5 Böhme, [Anm. 4], S.170. 6 Kunz, Hans: Zur Anthropologie der Angst, in: von Ditfurth, Hoimar (Hg.): Aspekte der Angst. Starnberger Gespräche 1964, Stuttgart: Thieme 1965, S.51.
Angst
7
Für die Psychoanalyse, insbesondere für Sigmund Freud, ist die Angst ein
Signal, das etwas anzeigt. Jaques Lacan beschreibt die Angst als einen Affekt,7
welchem seiner Begrifflichkeit nach neben dem Signalcharakter zusätzlich eine
motivationale Dimension8 inhärent ist. Der Psychologe Rudolf Bilz geht sogar
soweit zu sagen, „[...] daß Angst, und zwar mancherlei Angst, in unserem
Dasein der grundlegende Affekt, Heidegger würde sagen: die grundlegende
‘Befindlichkeit’ des Subjekts ist.“ 9 Auch dem mit dem Affekt in enger
Verwandtschaft stehenden Triebzustand wird in der psychoanalytischen
Forschung die Angst oft zugeordnet.10
All diese, von verschiedenen Richtungen ausgehenden, Feststellungen machen
den Aspekt des Ursprünglichen, der mit dem Nachdenken über Angst fast
immer einhergeht, deutlich. Angst ist weder Re- noch Aktion, sie ist noch
davor anzusiedeln und möglicherweise sogar als eine der großen
Ursprungsmotivationen für Gefühle zu verstehen.
Die Geistes- und Sozialwissenschaften nähern sich dem Begriff der Angst gern
auch durch eine Unterscheidung. Im Grunde bedarf sämtliches um ihn herum
angesiedelte Vokabular einer Definition,11 oder zumindest eines gegeneinander
Abwägens ihrer verschiedenen Deutungsvorschläge, um überhaupt mit den
Begriffen arbeiten zu können. Nun mag dieses Bedürfnis gewiss nicht nur für
den Angst-Begriff zutreffen, doch für ihn und seine anverwandten
Bezeichnungen in besonderem Maße, denn schon die im Alltag gebräuchliche
Verwendung der Begriffe „Angst“ und „Furcht“ zeugt von einer besonderen
Uneindeutigkeit hinsichtlich ihrer Abgrenzung zueinander. Fraglich ist zudem,
ob eine solche überhaupt existiert. Wo genau besteht der Unterschied zwischen
den Aussagen „Ich fürchte mich“ und „Ich habe Angst“? Ergänzt man diese
7 vgl. Lacan, Jaques: Das Seminar, Buch X Die Angst, Wien: Turia + Kant 2010, S.24f.. 8 Ich möchte anmerken, dass ich hier nicht näher auf die leibliche Angst (welche sich bspw. in Herzrasen begreifbar macht) eingehen kann, denn damit geriete man zumindest in den infiniten Diskurs der Gefühle und deren Bewältigungsstrategien, was dem begrenzten Umfang entsprechend hier nicht zu leisten ist. Einführend hierzu: Freud, Sigmund: Hemmung, Symptom und Angst, in: Gesammelte Werke Bd. XIV, Frankfurt a.M.: Fischer 2010.; Hüther, Gerald: Biologie der Angst. Wie aus Streß Gefühle werden, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2011. 9 Bilz, Rudolf: Studien über Angst und Schmerz, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1974, S.11. 10 vgl. “Becker, Peter: Studien zur Psychologie der Angst. Ein interaktionistischer Ansatz zur Messung und Erklärung normaler und pathologischer Angst, Weinheim, Basel: Beltz 1980, S.24. 11 Zu nennen sind Furcht, Schreck(en), Phobos, Phobie, Panik, Entsetzen, Schock und Schauder. Diese Liste ließe sich noch erweitern, doch um dem Rahmen der Arbeit gerecht zu werden, beschränke ich mich hier auf die Diskussion der Begriffe Angst und Furcht, deren semantische Trennung zweifelsohne die am problematischsten zu vollziehende ist.
Angst
8
Aussagen um die Präposition „vor“, scheint sich ein entscheidender
Unterschied bereits abzuzeichnen: „Ich fürchte mich vor Fröschen“ ist
objektbezogen, das Angst erzeugende Objekt kann benannt werden.
Wohingegen meiner Angst nicht selten deren lokalisier- und benennbare
Gefahrenquelle fehlt – „ich habe Angst vor etwas“. Bekanntester Vertreter
dieser Sektion ist Freud, der explizit von der „Objektlosigkeit der Angst“12
spricht. Der Schweizer Philosoph und Psychologe Hans Kunz nennt zunächst
Angst, Furcht und Schrecken in einem Atemzug, um sich dann ebenfalls der
psychoanalytischen Auffassung, Furcht und nicht Angst sei objektbezogen,
zuzuwenden.13 Die Gegenseite zählt zwar weniger Vertreter, verteidigt ihre
Position jedoch nicht weniger vehement: Lacan führt aus:
„Man ist bestrebt, den Gegensatz von Furcht und Angst abhängig von der Stellung
einer jeden gegenüber dem Objekt zu akzentuieren, und es ist bedeutsam für den so
begangenen Irrtum, dass man sich zu akzentuieren veranlasst sieht, dass die Furcht
eben ein Objekt hat.“14
Knapp 120 Jahre vor Lacan schrieb Søren Kierkegaard:
„[...] Ich muß deshalb darauf aufmerksam machen, daß er [der Begriff Angst]
gänzlich verschieden ist von Furcht und ähnlichen Begriffen, die sich auf etwas
bestimmtes beziehen, während Angst die Wirklichkeit der Freiheit als Möglichkeit
für die Möglichkeit ist.“15
Im Sinne Kierkegaards bedeutet Angst auch die Möglichkeit zur Freiheit, weil
sie die Grenzen des Endlichen zeigen kann und damit die Möglichkeit, über
den Glauben zu sich selbst zu gelangen.
Manch einen scheint diese nicht enden wollende Diskussion zu der
Entscheidung gebracht zu haben, auf eine Differenzierung beider Begriffe
mitunter gänzlich zu verzichten, so beschreibt beispielsweise Peter Becker
„fließende Übergänge zwischen einem ‘reinen’ Angst- und einem ‘reinen’
12 vgl. Freud, Sigmund: Jenseits des Lustprinzips, in: Ders., Gesammelte Werke Bd. XIII, Frankfurt a.M.: Fischer 2010, S.10. 13 vgl. Kunz [Anm. 6], S.44ff.. 14 Lacan [Anm. 7], S.198. 15 Kierkegaard, Søren: Der Begriff Angst, Stuttgart: Reclam 1992, S.50.
Angst
9
Furchtzustand.“16 Der Kunst- und Architekturtheoretiker Dietrich Erben stellt
gar fest, dass
„[...] die übliche begriffliche Unterscheidung von Angst als einem ungerichteten und
Furcht als einem objektbezogenen Gefühl [...] sich weder im Hinblick auf die
Verwendung der Begriffe in der Literatur noch im Hinblick auf den allgemeinen
Sprachgebrauch aufrecht erhalten [...]“17
lässt.
Fest zu halten sei, dass wie auch immer der Begriff Angst bezüglich seiner
Objektbezogenheit definiert wird, das Ziel dieser Diskussion nicht sein soll, die
„wahre“ Definition zu filtrieren – denn die eine, objektive Wahrheit scheint es
hier nicht zu geben – sondern vielmehr, den Begriff hinsichtlich seiner
Anwendbarkeit für die jeweilige Schwerpunktsetzung und Betrachtungsweise
der eigenen Studie zu determinieren. Insofern begreife ich den Begriff Angst
als eine nicht objektbezogene, affektive Elementar-Emotion, wenn man denn –
man erlaube mir, ein wenig vorweg zu greifen – „die Architektur“ nicht als
„ein Objekt“ ansehen möchte. Denn: Angst hat man nicht vor Architektur,
Angst wird durch Architektur erzeugt.
Anthropologie der Angst
„Angst ist ein Grundgefühl, welches sich in als bedrohlich empfundenen Situationen
als Besorgnis und unlustbetonte Erregung äußert. Auslöser können dabei erwartete
Bedrohungen etwa der körperlichen Unversehrtheit, der Selbstachtung oder des
Selbstbildes sein.“ (wikipedia.de) 18
16 Becker, P. [Anm. 10], S.307. 17 Erben, Dietrich: Angst und Architektur. Zur Begründung der Nützlichkeit des Bauens, in: Fehr, Burkhard/Höcker, Christoph/Metzler, Dieter/Nielsen, Inge (Hg.): Hephaistos. New approaches in classical archeology and related fields 21/22 2003/2004, S.41. 18 Ich zitiere zu Beginn bewusst die wissenschaftlich nicht fundierte Online-Enzyklopädie Wikipedia. Zum Zeitpunkt des letzten Zugriffs auf den Artikel liegt dessen letzte Bearbeitung kaum zehn Tage zurück, der Beitrag existiert seit dem 06.02.2003 und wurde seitdem von über 100 Nutzern 498 mal überarbeitet. Mir geht es hier nicht um die „Richtigkeit“ der zitierten Informationen oder darum, den derzeitigen gesamtgesellschaftlichen Konsens zum Thema darzustellen, sondern vielmehr um die subjekt- und zeitgebundene Variabilität, die dem Thema Angst inhärent ist. Das Web 2.0 als interaktives Medium, in dem der Nutzer mittlerweile nicht nur Kon-, sondern auch Prosument sein kann, soll den für meine Ausführungen wichtigen Aspekt der kollektiven, gesellschaftlichen Diskussion des Sujets der Angst verdeutlichen. http://de.wikipedia.org/wiki/Angst, letzter Zugriff: 04.04.2012, 13:49.
Angst
10
Jeder kennt sie, jeder hat sie: Angst. Gerade der Umstand, dass alles
Nachdenken über die Angst nicht allein einen komplexen Diskurs bezeichnet,
der nur einen Teil der menschlichen Gesamtheit betrifft und dort diskutiert
wird, sondern gleichermaßen ein populärgesellschaftliches Phänomen darstellt,
macht die Auseinandersetzung mit dem Diskurskonglomerat um die Angst
schwierig und doch gleichermaßen ertragreich und vielschichtig. Zuvor wurde
der Begriff der Angst hinsichtlich seiner Definition untersucht, seine
Einordnung in die kulturelle Bedeutungsebene wird nun erfolgen.
Anknüpfend an den schon zuvor erwähnten Umstand, dass Angst eine
Elementar-Emotion des Menschen ist, dass also jeder Mensch Angst, oder
zumindest die Fähigkeit zum „Angst-haben“ in sich trägt, kann fest gehalten
werden, dass „das Angst haben“, unabhängig von Alter, Herkunft und
kulturellem Umfeld als ein universelles Phänomen anzusehen ist.
Warum ist dem so? Wenn es etwas gibt, das allen Menschen gemein ist, dann
ist die Erklärung dafür fast immer in dem Ziel der Erhaltung des eigenen
Lebens und somit der Sicherung von Nachkommenschaft zu suchen. So ist
Angst zunächst einmal als Anzeiger von Gefahr überlebenswichtig19. Ohne die
Fähigkeit, von außen kommende Bedrohungen wahr zu nehmen, Angst zu
spüren und daraufhin angemessen zu reagieren, wären wir nicht dazu in der
Lage, unser Überleben zu sichern. Auch bei Tieren tritt Furcht auf, jedoch zeigt
sich diese instinktive Furcht im Zusammenhang mit Realgefahren seit jeher
mehr oder weniger unverändert.
„Bei den niederen Tieren ist die Furcht in Gestalt bereits fertig entwickelter Instinkte
vorprogrammiert. Ein Tier, dem die Instinkte fehlen, hat auch keine
vorprogrammierten Ängste. Die Ängste des Menschen werden von seinem Weltbild
geformt.“20
Evolutionsbiologisch betrachtet greifen beim Tier die spezifischen Furcht-
Abwehrmechanismen seit Jahrtausenden, wohingegen sich unsere
menschlichen Ängste und damit auch deren Abwehrmechanismen den zeit-,
kultur- und gesellschaftsspezifischen Gegebenheiten anpassen und sich
dementsprechend verändern und modifizieren müssen. „Von diesem Stand der
19 vgl. Böhme [Anm. 4], S.168. 20 Becker, Ernest: Dynamik des Todes. Die Überwindung der Todesfurcht – Ursprung der Kultur, Freiburg: Walter-Verlag 1976, S.42.
Angst
11
Humangeschichte an dürfen wir nicht mehr nur von einer
evolutionsbiologischen Angstreaktion sprechen, sondern von einer
Kulturgeschichte der Angst.“21
Mir ist sehr daran gelegen, nicht den Anschein zu erwecken, dass hier eine
allumfassende Analyse der Angst hinsichtlich ihres Determinierungscharakters
für „die Kultur“ bemüht wird. Die erste Eingrenzung nehme ich vor, indem ich
häufig von den „westlichen Kulturen“ spreche. Dies ist der Kulturraum, aus
dem heraus und über den ich sprechen kann. Des Weiteren soll festgehalten
werden, dass die vorhandenen Kulturen nicht lediglich das Erzeugnis oder das
Ergebnis der Ängste sind, die sie zu überwinden und zu sublimieren versuchen,
denn diese Auffassung wäre schlichtweg zu simpel.
„[...] Es geht hauptsächlich darum, einem Gefühlskomplex seinen Platz, oder sagen
wir lieber, seinen legitimen Anteil einzuräumen, der, unter Berücksichtigung der
geographischen Breiten und Epochen in der Gesellschaft der uns nahestehenden und
vertrauten menschlichen Gesellschaften, eine Hauptrolle gespielt haben muss.“22
Angst und Kultur
Eines von vielen Beispielen für den kulturspezifischen Umgang mit Angst ist
der zumindest für unseren Kulturkreis geltende
„[...] Umstand, dass Männer in fast allen einschlägigen Untersuchungen weniger
Angst mitteilen als Frauen, [dies] dürfte zu einem erheblichen Teil Ausdruck einer
durch kulturelle Normen begünstigten, bzw. erzwungenen bereichsspezifischen
Defensivität der Männer sein.“23
Der Versuch, den Angst-Affekt (bei sich selbst und anderen Menschen) durch
ein Nicht-Zeigen abzumildern zeigt, dass Angst ein stark performatives
Moment in sich trägt. „Wir wissen, wie ansteckend Angst ist. Sie springt über,
strahlt aus, erfüllt atmosphärisch den Raum und bildet
21 vgl. Böhme [Anm. 4], S.183. 22 Febvre, Lucien: Pour l´histoire d´un sentiment: le besoin de sécurité, in: Annales, E.S.C., 1956, S. 244. Übersetzung ins Deutsche von Monika Hübner in: Delumeau, Jean: Angst im Abendland. Die Geschichte kollektiver Ängste im Europa des 14. bis 18. Jahrhunderts, Band 1, Hamburg: Rowohlt 1985, S.11. 23 Becker, P. [Anm. 10], S.28.
Angst
12
Angstgemeinschaften.“24 Dieser eigentlich nützliche Umstand, man denke an
Herdentiere, die durch gezeigte Angst die ganze Gruppe warnen, ist heute eher
unerwünscht, denn das Ziel besteht ja gerade darin, vor allem seine eigenen
Ängste zu minimieren. „Entlastung von Angst ist die erste Aufgabe aller
Kultur“25 Den Wahrheitsgehalt dieser These kann man nicht zuletzt an den
verschiedenartigen kulturspezifischen Bewältigungsstrategien der Angst fest
machen. „Jede Kultur behandelt das gleiche psychische Material auf
verschiedene Weise. Die eine unterdrückt es, eine andere begünstigt seine
offene, manchmal sogar übermäßige Ausprägung [...].“26
Eine der populärsten „kulturellen Behandlungen“, die in allen zivilisatorischen
Gruppen immer mehr oder weniger ausgeprägt vollzogen wird, ist die Religion
als Angstsublimierungsstrategie. Seit jeher erklären Religionen das, was aus
menschlicher Kraft unerklärbar scheint. Trotz Säkularisierung und dem
Wissen, dass ein Gewitter nicht von Gottes Strafe herrührt, bedient sich ein
Großteil der Menschheit auch heute noch der Religion als „der“ endgültig
schützenden Macht und als Rechtfertigung für das menschliche Dasein.
Interessanterweise ist „in den Religionen [...] dasjenige, was Angst macht, und
dasjenige, was von ihr befreit, auf paradoxe Weise dasselbe.“27 Religion
produziert Angst, um den Menschen von selbiger zu befreien.
Wovor nun eine bestimmte menschliche Population Angst hat oder Angst
haben muss – wir sprechen hier also von gruppen- und völkerspezifischen
kollektiven und nicht individuellen Ängsten – hängt vor allem mit dem Grad
der Technisierung ihres Lebensraums zusammen. Viele Realgefahren scheinen
in unserer westlichen Welt durch Türschlösser, unwetterfeste Häuser und
Überwachungskameras gebannt, Angriffe von wilden Tieren oder das Einfallen
von plündernden Kreuzritterbanden müssen wir schon seit Jahrhunderten nicht
mehr fürchten. Doch Ängste sind auch lokal different. Lebt man beispielsweise
in einem Gebiet, in dem sich zwei Kontinentalplatten unentwegt aufeinander
zu und wieder voneinander weg bewegen und einem so jederzeit den Boden
unter den Füßen wegreißen können – und die Kultur hierfür noch keine
ausreichend sichernden Maßnahmen hervorgebracht hat – oder in dem 24 Böhme [Anm. 4], S.171. 25 ebd., S.173. 26 Devereux, George: Angst und Methode in den Verhaltenswissenschaften, München: Hanser 1973, S.67. 27 vgl. Böhme [Anm. 4], S.176.
Angst
13
Hurrikans mit einer solchen jährlich wiederkehrenden Selbstverständlichkeit
durch das Land fegen, wie sich die Jahreszeiten ändern, dann macht dies
natürlich vor allem deutlich, dass Angst nicht nur temporär sondern auch
topographisch bedingt ist.
Es gibt also keine „universelle Angst“, bzw. ein Objekt, vor dem sich alle
Menschen gleichermaßen ängstigen. Noch nicht einmal die Angst vor dem
Tode kann als allgemeingültig angesehen werden. Auch wenn der
Lebenserhaltungstrieb wohl als anerkannt gelten kann, sehe ich keine
empirische Nachweisbarkeit für eine universelle Todesangst, selbst wenn man
zuweilen bestrebt ist, die „Urangst des Menschen“ so zu begründen.28 Existent
sind zweifelsohne gewisse Reaktionsweisen auf ängstigende Situationen, die
unabhängig von kulturellen Gegebenheiten29 auch bei Tieren, beispielsweise in
Form von Flucht oder Verteidigung, auftauchen. Doch diese Reaktionsweisen
sind nicht zu verwechseln mit den zuvor erwähnten
Angstsublimierungsformen.
Auch zurückliegende Umwelterfahrungen determinieren Art und Intensität
menschlicher Ängste, und dies sowohl im Hinblick auf die phylogenetische-
als auch auf der ontogenetischen Ebene. Inwiefern frühere angstgenerierende
Umwelterfahrungen evolutionsgeschichtlich relevant sind für unser heutiges
Angsterleben bleibt zu untersuchen. Die Frage danach, in welchen Maße sich
vorangegangene Erlebnisse ontogenetisch betrachtet auf unsere Ängste
auswirken, ist beispielsweise in Form von Untersuchungen zu verschiedenen
Phobien als Folge von nicht bewältigten Umwelterfahrungen von Individuen in
erster Linie von der klinischen Psychologie zu klären.30 Fest steht jedoch, dass
wie auch immer geartete Umwelterfahrungen auch von einer Kultur verarbeitet
werden.
„Die Ängste, die wir empfinden, sind kulturelle Ängste und erzählen von der
kollektiven und individuellen Geschichte ihrer Prägungen. Wir können Epochen an
dem charakteristischen ‘Stil’ ihrer Ängste, Kulturen an der besonderen Atmosphäre,
28 Eine ausführliche Diskussion hierzu findet sich u.a. in Becker, E. [Anm. 20]. 29 Wenn ich die Begriffe „Kultur“ oder „kulturspezifisch“ verwende, dann immer auch im Sinne der den Begriffen immanenten Zeitkomponente und der topographischen Relevanz. 30 Eine Darstellung, inwiefern vergangene Umwelterfahrungen für das Angsterleben eines Subjekts relevant sind, findet sich in Becker, P. [Anm. 10], S.291ff.
Angst
14
Personen an der jeweiligen Prägung ihrer Ängste [...] an den für sie
charakteristischen Gefühlstypen erkennen.“31
Man kann in der „Angstforschung“ dieses und des letzten Jahrhunderts eine
markante Verschiebung der disziplinären Zuständigkeiten ausmachen. So
findet man bis zu den späten 70er Jahren des 20. Jahrhunderts Literatur zu
angstspezifischen Themen hauptsächlich im Gebiet der Psychologie und dort
insbesondere aus der psychoanalytischen Sichtweise, Freud beschäftigte sich in
diesem Gebiet als Erster mit dem Begriff der Angst und führte ihn 1894 in die
psychologische Wissenschaft ein.32 Mit der Fokussierung des Begriffs des
Individuums seit der Aufklärung wird das Phänomen der Angst vornehmlich
als ein individuelles betrachtet. Die psychologische Angstforschung ebbt
jedoch abrupt ab und ab den späten 1970er Jahren übernehmen dann
hauptsächlich die Kultur- und Medienwissenschaften die Bearbeitung der
menschlichen Angst. Dieser Umstand zeigt, dass sich aus der Varietät der
kulturspezifischen Ängste auch deren Bearbeitung an den gesellschaftlichen
Gegebenheiten und Schwerpunktsetzungen ausrichtet.
Dem Begriff der Angst schwingt immer eine gewisse negative Konnotation
mit. Es liegt auf der Hand, dass Angst primär ein unangenehmes und eher
unerwünschtes Gefühl ist.33 Doch es wird schnell vergessen, dass Angst –
sowohl im persönlichen, als auch im gesamtgesellschaftlichen Kontext – nicht
nur als ein unbedingt zu minimierender Faktor angesehen werden sollte. Indem
man der Angst buchstäblich „ins Gesicht sieht“, um ihre Motive und Quellen
zu analysieren, stellt sie plötzlich eine Option auf Neugestaltung und
möglicherweise sogar auf Korrektur dar. In Form einer verbesserten
Anpassung zwischen Individuum und Umwelt kann sich auch wiederum eine
verbesserte Gefahren- und Angstkontrolle entwickeln. „Furcht und Angst (im
engeren Sinn) können sich als Stimulantien des kulturellen Fortschritts sowie
der Persönlichkeitserfahrung erweisen.“34
31 Böhme [Anm. 4], S.171. 32 Freud, Sigmund: Die Abwehr-Neuropsychosen, Versuch einer psychologischen Theorie. 1894, in: Gesammelte Werke, Band I, Frankfurt a.M.: Fischer 1972. 33 Abgesehen von der Angst-Lust, auf die ich hier aus Platzgründen noch nicht näher eingehen möchte. Alewyn, Richard: Die Lust an der Angst, in: Ders.: Probleme und Gestalten. Essays, München: Insel 1974. 34 Becker, P. [Anm. 10], S.330.
Angst
15
„Welche Stellung wir zu ihr [der Angst] einnehmen und welche existenzielle
Konsequenz wir daraus ableiten, ist keineswegs belanglos, sondern beweist
ihre anthropologische Relevanz.“35 Es ist ungemein wichtig, dass wir nicht
aufhören, an diesem Thema zu arbeiten, es zu beobachten und die Angst und
ihre Ausformungen immer wieder neu in Bezug setzen zu anthropologischen,
historischen und aktuellen gesellschaftlichen Diskursen. Denn Fakt ist, dass
solange wir in einem kulturellen Umfeld leben, Angst immer vorhanden sein
wird.36
35 Kunz [Anm. 6], S.58. 36 vgl. Böhme [Anm. 4], S.184.
Architektur und Angst
16
III Architektur und Angst
Von der Angst zur Architektur – eine Ursprungshypothese
Je weiter man in der Menschheitsgeschichte und auch in der Entwicklung des
einzelnen Menschen zurück blickt, desto deutlicher stellt man fest, dass erst
mit der Fähigkeit zur Bewusstwerdung über die Welt auch die Fähigkeit, sich
gegen ihre Gefahren zu schützen, wächst. „Der primitive Mensch gleicht einem
Kind im Dunkeln. Er sieht sich von einem bedrohlichen Chaos umgeben, das
sein Überleben ständig gefährdet. Der Urzustand ist daher von Furcht geprägt
[...].“ 37 Reflexartige Reaktionen auf Gefahren und kulturelle
Angstsublimierungsstrategien stellen auf Dauer keinen soliden Schutz dar.
Flüchten und Angreifen kann nur, wer die Gefahr kommen sieht. Doch was
passiert, wenn es dunkel ist und noch dazu Schlaf die Sinne raubt? Auch
inmitten eines Orkans zu sitzen und als einzige Gegenmaßnahme betend die
Hände in den Schoß zu legen scheint wenig sinnvoll. Der Mensch hat während
seiner Entwicklung die Fähigkeit erlangt, aus vorangegangenen Erfahrungen zu
lernen und sich so gegen zukünftige Bedrohungen zu schützen. Dieser
Optimierungsprozess ist keineswegs abgeschlossen, ebenso wenig, wie der
kulturelle Fortgang jemals zum Erliegen kommen wird.
Nun beginnt also der Mensch, sich einen physischen Schutzkörper um sich und
seine Gemeinschaft zu bauen, der stellvertretend und in Analogie zum
menschlichen Körper das wertvolle Innere vor dem gefährlichen Äußeren
schützt. Der „Prototyp“ der Architektur, Vitruvs Urhütte38, wurde „bisher rein
entwicklungsgeschichtlich als Anfang der Architektur verstanden.“39 Die in
Laugiers 1753 erschienenem „Essai sur l´Architecture“ abgebildete Urhütte
(Abb.1) ist nicht viel mehr, als ein sich auf vier Bäume stützendes Gerüst aus
Ast- und Blattwerk, doch die Grundform des heutigen Wohnhauses mit einem 37 Gombrich, Ernst (Hg.): Aby Warburg, Frankfurt a.M.: Europäische Verlagsanstalt 1981, S.296. 38 Vitruv beschreibt die Entstehung der Architektur: „In der Urzeit [...] begannen in dieser Gemeinschaft die einen, aus Laub Hütten zu bauen, andere, Am Fuß von Bergen Höhlen zu graben; [...] Dann beobachteten sie die Behausungen der anderen, fügten durch eigenes Nachdenken Neuerungen hinzu und schufen so von Tag zu Tag bessere Arten von Hütten.“ Vitruv: Zehn Bücher über Architektur, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1982, S.79ff. 39 Kruft, Hanno-Walter: Geschichte der Architekturtheorie. Von der Antike bis zur Gegenwart, München: Beck 1991, S.170.
Architektur und Angst
17
einfachen Sparrendach zeugen sowohl von der Ursprünglichkeit dieses
Bauwerks, als auch von einer, im Gegensatz zu den von Tieren errichteten
Nestern und Höhlen, bereits ausgereifteren Baukultur.
Der Ursprung des Bauens bedeutet zugleich auch den Ursprung von Kultur,
denn eine der ersten kulturellen Leistungen des Menschen ist die
Hervorbringung von Bauwerken. Daraus lässt sich schließen, dass Angst ein
Grund für das menschliche Bauen ist, denn Angst ist zugleich einer der großen
Auslöser für ein gemeinschaftliches, kulturelles Handeln. Das Bestreben einer
Gemeinschaft, ihren Fortbestand zu sichern, ist nur in der Gruppe möglich, die
sich wirksam gegen Gefahren und so ihr Aussterben zu schützen im Stande ist.
So ist die Angst gleichermaßen Motiv der Kultur und der Architektur. Schon
Vitruv beschreibt das zeitlich nahe Aufeinanderfolgen von Zusammenschluss
der Menschen zu einer Gemeinschaft und den daraus entstehenden
Kulturleistungen der Sprache und der Architektur.40
Erben dokumentiert die architekturhistorische Debatte um den Ursprung und
die Notwendigkeit des Bauens, die seit Vitruv und später vermehrt wieder seit
dem Mittelalter geführt wird:
„So sieht zwar Antonio Filarete in seinem um 1460 geschriebenen Architekturtraktat
noch in Adam den Erbauer der Urhütte, ihre Errichtung ist aber anschaulich in die
Ära nach der Vertreibung aus dem Paradies verlegt. Architektur ist bei Filarete nach
dem Sündenfall aus der Notwendigkeit geboren, ihr primärer Zweck liegt im Schutz
vor Regen und Sonne. Noch nachdrücklicher hatte vorher schon Giovanni
Boccaccio die Architektur mit der negativen Dialektik des Zivilisationsbeginns
verknüpft. Er stellt fest, daß Adam nur der Erfinder der Sprache, der Begründer der
Architektur jedoch Kain, der bekanntlich seinen Bruder erschlagen hat, gewesen sei.
Die Ansicht, weder Gott, noch der erste Mensch, sondern der erste Mörder des
Menschengeschlechts habe die Architektur erfunden, war aber nicht konsensfähig.
So blieben es weiterhin Einzelstimmen, die gegen die schöne Gründungserzählung
von der Baukunst und gegen die Idealisierung der Architektur als Gemeinschaft
stiftende Institution Einspruch erhoben. Radikal unterlaufen wird sie dann etwa in
der 1767 erschienenen Gesellschaftstheorie des Abbé François Pluquet. Er
begründet, daß die Menschen zum Häuserbau gezwungen seien, weil sie von Natur
unbehaust und der Natur – also auch ihresgleichen – schutzlos ausgeliefert seien.
Weder von göttlichen Eingabeplänen noch vom menschlichen Genius ist bei ihm die
40 vgl. Vitruv [Anm. 38].
Architektur und Angst
18
Rede, sondern von Angst. Im Kreislauf von Fressen und Gefressenwerden hat es der
Mensch von den schwächsten Tieren abgeschaut, sich in Höhlen zu verbergen,
allmählich habe er Hütten errichtet, um seine Angst zu lindern und sich zu
schützen.“41
Architektur ist meines Erachtens sowohl Gemeinschaft stiftende Institution, als
auch Notwendigkeit zum Schutz. Die Unstimmigkeit zwischen der
Gemeinschaft stiftenden Begründung und dem Ursprungsgedanken der Angst
liegt keineswegs in der Unvereinbarkeit beider Parameter, sondern vielmehr in
der Auffassung des Architekturbegriffs. „Architektur“ wird im allgemeinen
Konsens synonym für „Baukunst“ verwendet: „Architektur beginnt dort, wo
der Bauwille über Notwendigkeit und über Nützlichkeitserwägungen
hinausgeht.“42 Seit der Zeit der Errichtung der antiken griechischen Tempel
sprechen wir von Baukunst, die Urhütte, von der Vitruv spricht, ist jedoch
erheblich älter („In der Urzeit“) und weist dazu keinerlei Merkmale auf, die
über eine bloße Schutzfunktion hinausgehen.43 Genaugenommen zählt die
Urhütte somit nicht mehr zu der Kategorie der Architektur. Doch obwohl sie
über keine künstlerische Ausschmückung verfügt, ist sie doch die erste
beschriebene – wenn auch als geistige Variante und keineswegs als
archäologischer Fund mit genauer Orts- und Zeitzuordnung zu verstehende –
menschliche bauliche Manifestation, aus der jegliche architektonische
Weiterentwicklung hervorgeht. Insofern verwende ich den Begriff der
Architektur auch dann, wenn ich Gebäude meine, die von Menschen zum
bloßen Schutz gebaut werden.
Chronologisch betrachtet ist Architektur zuerst Schutz, darauf folgend konnte
sich der gemeinschaftliche Charakter in seinen unzähligen architektonisch-
künstlerischen Ergüssen vollziehen. Architektur als Schutzraum macht
„kulturelle Überschüsse“, die der Steigerung von Vergnügen und Lust und
nicht direkt der Lebenserhaltung und der Sicherheit dienen wie Musik oder
Theater, erst möglich und sichert damit den Fortgang von Kultur.
41 Erben [Anm. 17], S.32. 42 Koepf, Hans/Binding, Günther: Bildwörterbuch der Architektur, Stuttgart: Kröner 2005, S.26. 43 Laugier stellt die Urhütte (Abb. 1) zwar mit einem Sparrendach dar, doch entspringt diese visuelle Darstellung seiner eigenen, subjektiven Vorstellung, wie eine Urhütte ausgesehen haben mag. Man könnte nun darüber streiten, ob das Sparrendach als Dachkonstruktion die Urhütte bereits als Architektur kennzeichnet, oder ob diese Dachform lediglich den Regen besser ableitet und so nicht über eine Nützlichkeitserwägung hinaus geht.
Architektur und Angst
19
Doch markiert die Architektur neben dem Beginn der Sprache nicht nur den
Beginn von Kultur, auch heute noch versucht sie eben das zu bannen, aus dem
sie hervorgeht. Kaum eine kulturelle Praxis beschäftigt sich derart mit
Ängsten, der Bannung von Gefahren und der Gewährleistung von Sicherheit
wie Architektur. „Bauen steht für Obhut, Schutz und Gefahrenabwehr.“44 An
dieser Stelle müsste eine Abhandlung über das wachsende
Sicherheitsbedürfnis, besonders der westlichen Kulturen, und die
entsprechenden architektonischen Antworten – gewissermaßen also baulichen
Manifestationen von Angst – erfolgen. In Zeiten des Terrors und der immer
größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich wachsen Misstrauen und
Angst um das eigene Hab und Gut. Die Architektur steht heute mehr denn je
im Dienste des menschlichen Sicherheitsleitbilds und manifestiert sich in
immer differenzierter ausgebildeten Sicherheitshochburgen wie den Gated
Communities Nordamerikas. Wir können beobachten, dass in jedem
architektonischen Entwurf ein Angstszenario regelrecht implementiert ist,
„daß ganze Gebäudefluchten von Alarmsignalen skandiert werden, und es ist keine
Frage, daß beim Einplanen von Fluchtwegen, Notbeleuchtung und Brandabschnitten
mit dem Schlimmsten schon gerechnet wurde. Die beängstigende Katastrophe ist
immer schon vorschriftsmäßig einkalkuliert.“45
Architektur gleicht also gewissermaßen der Visitenkarte einer Gesellschaft, an
der man kulturelle Ängste, vereinfacht ausgedrückt, „ablesen“ kann.
Man könnte hier ferner eine Reflektion darüber bemühen, inwieweit mehr
Sicherheit auch mehr Angst generiert, denn
„den realen Gefahren, denen sie [die Architektur] als physischer Körper trotzt, haftet
sich von dem Moment an, in dem sie bestanden wurden, eine Angstkultur an die
Fersen, wobei sich die Architektur in einen psychischen Raum verwandelt. Umso
unwichtiger die Gefahrenabwehr, desto reicher sprudeln die Gefahrenquellen, die
unserer Fantasie entspringen.“46
44 Bruyn, Gerd de (Hg.): 5 Codes. Architektur, Paranoia und Risiko in Zeiten des Terrors, Basel (u.a.): Birkhäuser 2006, S.9. 45 Erben [Anm. 17], S.33. 46 Bruyn [Anm. 44], S.12.
Architektur und Angst
20
Begriffsbestimmung Architektur/Raum
Unter Architektur verstehen wir im Allgemeinen eine Art Hülle. Die Hülle
eines Gebäudes, das von außen angeschaut und in den meisten Fällen betreten
werden kann. 47 Wir beschreiben diese und jene Architektur, also ihre
jeweiligen baulichen Merkmale als besonders wirkungsvoll, wenn sie es dort,
wo ihre physischen und sichtbaren Merkmale – also Mauerwerk, Ornamente
etc. – enden, durch ihre Aura vermag, gewissermaßen eine Verlängerung ihrer
selbst zu evozieren. Anders gesagt: Wir bewundern nicht nur den Baukörper an
sich, sondern auch dessen Außen- und Innenraum, der erst durch Architektur
konstituiert und konstruiert wird. Freilich ist das Dekagon der Basilika St.
Gereon zu Köln (Abb. 2) eine architektonische Meisterleistung, doch erst
durch den physischen und psychischen Raum – man betritt den Zentralraum
und befindet sich 48 Meter unter der Kuppel, der sichtbare Baukörper verweist
weiterhin durch das „Zehneck“ auf eine symbolische Ebene, wodurch sich
sowohl Architektur als auch religiöse Symbolik gegenseitig konstatieren –
können wir die absolute Wirkung von Architektur erfahren. „Architektur setzt
Raum voraus und produziert selber Raum“ 48, man könnte den Raum als das
Medium von Architektur bezeichnen.
Das alleinige Begreifen von Architektur als trennende Instanz zwischen Innen
und Außen ist freilich völlig unzureichend. Architektur kommuniziert, indem
bspw. eine Fassade Distanz zwischen Innen und Außen erzeugt, zwischen den
Benutzern des Gebäudes und denjenigen, denen der Zutritt verwehrt ist.
Weiterhin definiert Architektur bestimmte psychologische und kulturelle
Grenzen, die nicht in baulicher Form manifestiert sein müssen. Es existiert also
kein Raum ohne eine gewisse Begrenzung dessen, schon Aristoteles „verglich
den Raum mit einem Gefäß, Raum als Hohlraum, der umschlossen sein muß,
damit er existiert und somit auch immer endlich ist.“49 Die verschiedenen
Auffassungen von Raum in der Vergangenheit beginnen in der griechischen
47 Eine Ausnahme bildet bspw. das ebenfalls der Architektur zugehörige Denkmal als plastisches Kunstwerk. 48 Manz, Rudolf: Seine Freunde nennen ihn Video, in: Ders.,Lichtenstein, Claude (Hg.): Video: Denk-Raum Architektur. Für den Videostil im architektonischen Denken, Stuttgart: Teubner 1994, S.20. 49 Grütter, Jörg Kurt: Ästhetik der Architektur. Grundlagen der Architektur- Wahrnehmung, Stuttgart: Kohlhammer 1987, S.83.
Architektur und Angst
21
Antike mit einem nach außen gerichteten Fokus. Wichtig war zunächst weniger
der Innenraum, doch umso mehr der repräsentative Charakter eines Gebäudes.
Beispielsweise besitzt der Monopteros (Abb. 3) keine Cella, also keinen
Innenraum, sowie auch zahlreiche andere Tempel der Cella weniger Platz
einräumen als den umliegenden Säulen. Die römische Antike misst erstmals
auch dem Innenraum eine bedeutungsvolle Rolle zu, deutlich zu sehen bspw.
an der prachtvollen Kuppel des Pantheon (Abb. 4). Bis ins 19. Jahrhundert
hinein wurde Raum als ausgehöhlter Innenraum und damit als
bedeutungsvollster Bestandteil der Architektur begriffen. 50 Unser heutiges
Raumverständnis hat einen offenen Raumbegriff entwickelt, in dem ein Raum
nicht mehr vollkommen abgeschlossen sein muss, um als solcher bezeichnet zu
werden.
Selbst unter freiem Himmel befinden wir uns durch die Begrenzung des
Himmels im Raum der Erde, oder auch aus religiöser Sicht im Raum des
Profanen im Gegensatz zu dem des Himmelsreichs. Man könnte den Begriff
der Architektur als raumbegrenzende und abgrenzende Instanz insofern
ausdehnen, als dass ihn nicht nur bauliche Elemente kennzeichnen, sondern
auch andersartige, von Menschen geschaffene Determinierungen als
raumbildend gelten können. Wir sprechen heute zum Beispiel von der
virtuellen Welt im Internet, 51 deren digitale Räume durch ihre verschiedenen
Benutzeroberflächen voneinander abgegrenzt und gewisse Räume nicht allen
Benutzern zugänglich sind.
Zuvor wurde schon gesagt, dass der Mensch aus der Notwendigkeit eines
physischen Schutzes heraus die ersten Gebäude errichtet hat. Wenn man dies
näher betrachtet, dann ist nicht lediglich der architektonische Korpus, der von
außen schützt, sondern vielmehr der Innenraum, in den sich der Mensch zurück
zieht, von Bedeutung.
„Architektonischer Innenraum ist vom Menschen geschaffener Raum, der primär
zum Schutz vor Natureinflüssen dient. Das heißt, aus der Umwelt wird ein Raum
50 vgl. ebd., S.85. 51 Virtuell ist in diesem Fall nicht, wie so oft – vermutlich aus Sorge um das Verschwinden der „wirklichen“ Welt – konstatiert, gleichzusetzten mit imaginär oder nicht real. Auch wenn die virtuelle Welt haptisch nicht greifbar ist, so möchte ich doch dafür plädieren, den Begriff der virtuellen Welt unter Einbezug unserer aktuellen Lebens-Wirklichkeit zu überdenken. Hierzu tiefer gehend: Jörissen, Benjamin: Beobachtungen der Realität. Die Frage nach der Wirklichkeit im Zeitalter der Neuen Medien, Bielefeld: Transcript 2007.
Architektur und Angst
22
abgetrennt, so daß dieser vom Menschen besser kontrolliert werden kann, es entsteht
Innenraum.“52
Doch der Innenraum ist nicht mehr der abgeschlossene Bereich, in den man
sich entweder zurück zieht, oder in dem man arbeitet etc., als der er bis vor
noch nicht allzu langer Zeit begriffen wurde. Die Differenz zu bestimmen
zwischen Architektur und deren Umwelt, also auch zwischen Innenraum und
Außenraum, ist problematischer geworden. 53 Vielfach gibt es, um mit
Luhmann zu sprechen, keinen Systemkern mehr, von dem aus andere Systeme
klar definiert werden und sich so voneinander abgrenzen können. Die
Arbeitswelt gibt uns hierfür zahlreiche Beispiele. So nehmen wir heute vielfach
unsere Arbeit und unsere Erreichbarkeit für Kollegen und geschäftliche
Kontakte mit nach Hause, in den privaten Raum. Ein anderes Beispiel ist der
Trend zum Ruheraum in Büros, welcher selbstverständlich weniger aus
wohltätigen Zwecken den Angestellten gegenüber eingerichtet wird, sondern
vielmehr in der Hoffnung, dass Arbeitnehmer nach einem erholsamen
Schläfchen noch produktiver und effizienter arbeiten können. Die räumliche
Ordnung in unserer alltäglichen Welt verschwindet zunehmend, Verwirrung
kommt auf. Auf welche Art und Weise nun aber durch räumliche
Gegebenheiten tatsächlich Angst auftreten kann, wird im Folgenden
thematisiert.
Raum-Orientierung
„Der Mensch hat ein Bedürfnis nach Raum, der ihn vor den Einflüssen der Umwelt
schützt. Dieses Bedürfnis ist so alt wie die Menschheit selbst und hat sich bis heute
kaum verändert. Der schutzbietende Raum war und ist etwas Besonderes: er ist
Ausgangspunkt der menschlichen Orientierung, er ist das Zentrum, von wo aus der
Mensch seine räumlichen Beziehungen aufbauen kann.“54
52 Grütter [Anm. 49], S.105. 53 vgl. Trüby, Stephan: 5 Codes. Über Architektur, Paranoia und Risiko, in: Bruyn, Gerd de (Hg.): 5 Codes. Architektur, Paranoia und Risiko in Zeiten des Terrors, Basel (u.a.): Birkhäuser 2006, S.16. 54 Grütter [Anm. 49], S.84.
Architektur und Angst
23
Dieses Zitat wiederholt noch einmal die anfängliche Raum-Bedürfnis-These,
weiterhin macht es erstens deutlich, dass die Auffassung von Raum immer
vom einzelnen Menschen ausgeht, die Wahrnehmung von Raum ist also
prinzipiell an das Subjekt gebunden.
„Wir müssen annehmen, dass wir ein vorgegebenes, angeborenes Raumverständnis
besitzen, mit dem wir die vorgefundene Welt im Voraus als eine räumliche
begreifen. Wir befinden uns im Zentrum eines räumlichen Koordinatensystems, von
dem aus wir Raum orientieren, auf uns beziehen und entfalten.“55
Zweitens stellt es das essentielle Problem heraus, das sich aus einer Raum-
Dekonstruktion ergibt: den Verlust von menschlicher Orientierung.
Orientierung ist nur dann möglich, wenn der Raum, in dem wir uns befinden,
begrenzt ist, denn anhand dieser Grenzen finden wir uns zurecht, wir verorten
uns anhand der Feststellung unserer derzeitigen Position und können so den
weiteren Weg kalkulieren. Doch: „Wo ein Subjekt sich nicht verorten kann,
tritt Angst auf.“56 Nicht nur die Unmöglichkeit der Verortung des Subjekts
kann Angst auslösen, noch angsteinflößender ist es, wenn der Faktor der
Möglichkeit einer Bedrohung hinzukommt. Wenn also auf der anderen Seite
eine Gefahr, bzw. die Ursache der Gefahr nicht lokalisiert werden kann, bleibt
kaum Spielraum für die Ergreifung von Gegenmaßnahmen. Zu jeder Zeit und
aus jeder Richtung Gefahr zu spüren, überfordert selbst den wachsamsten
Organismus. Eine Gefahrenkontrolle ist ohne die Möglichkeit der Verortung
und der Orientierung nicht möglich – auf der einen Seite muss für eine
generelle Orientierung die Standortbestimmung des Subjekts und auf der
anderen Seite die Lokalisierung der Bedrohung, oder besser gesagt, durch
optimale räumliche Gegebenheiten ein Ausschluss von plötzlichen
Bedrohungen oder zumindest das Vorhandensein von Fluchtwegen, auf der
anderen Seite gegeben sein.
Wie ganz zu Anfang beschrieben, leitet sich der Begriff der Angst von Enge
ab, und auch wenn unser heutiges Verständnis von Angst sehr viel mehr
Facetten als die der Enge aufweist, charakterisieren viele Menschen, die starke
Angst erleben, diesen Zustand als Gefühl der Beengung, was gleichermaßen
55 Manz [Anm. 48], S.13. 56 Lacan [Anm. 7], S.69.
Architektur und Angst
24
wie bei dem Verlust von Orientierung wiederum in ein Gefühl der Ohnmacht
und der Hilflosigkeit mündet.57 Auch Enge, verursacht durch ein zu viel- und
zu nahe-Sein von architektonischer Raumhülle und damit ein zu wenig-Sein
von Raum, verhindert gewissermaßen eine Orientierung, doch viel mehr noch
setzt sie nicht nur die Gefahrenkontrolle außer Gefecht, jegliches Handeln wird
schlichtweg unmöglich. Kaum verwunderlich scheinen in Anbetracht des mit
Enge verbundenen absoluten Verlusts der Subjektverortung eine der weit
verbreiteten Ängste des Menschen, der vor dem Begraben werden bei
lebendigem Leibe, die in die ebenfalls weit verbreitete Angststörung der
„Raumangst“, der Klaustrophobie, gipfelt.
57 vgl. Becker, P. [Anm. 10], S.23.
Film-Architektur und Angst
25
IV Film-Architektur und Angst
Film-Raum
Bazin, der zeitlebens in seinen Reflektionen über den Film heraus stellt, dass
„der Film nicht auf Grund dessen, was er ist, seine Bedeutung hat, sondern auf
Grund dessen, was er bewirkt“58, stellt weiterhin fest, dass wir uns mit der
filmischen Wirklichkeit identifizieren und der Film so zur Realität wird. Ohne
auf den Umstand der Realitätsgehalte von Film näher eingehen zu wollen,
muss kurz angemerkt werden, dass es in diesem Sinne weniger wichtig ist, in
der filmischen Wirklichkeit die „wahre“ Realität darzustellen. Vielmehr ist
beinahe jeder Film darum bemüht, die aus der Realität entlehnten Symbole so
wirkungsvoll wie möglich darzustellen. Man betrachtet wohl einerseits das
Medium Film als kulturell geprägten Symbolraum. Andererseits wirft dies die
Frage danach auf, welchen Stellenwert der filmische Raum innerhalb des
Mediums Film besitzt und wie filmischer Raum auf den Zuschauer wirken
kann – im Sinne der Intention von Filmproduzierenden, wie Raum wirken soll,
als auch im Sinne des affektgenerierenden Potentials und der Möglichkeiten,
die den filmischen Raum als Wirkungsinstanz charakterisieren.
Zuerst einmal sind Architektur und deren erzeugter Raum im Film – ob nun
mithilfe von computergestützten Technologien virtuelle Räume erzeugt werden
oder aber abgefilmte physische Kulissen und Bauten den Raum definieren –
visuell sichtbar, ohne Raum wäre Film eine Fläche. Raum ist gewissermaßen
die Grundlage, auf der das Medium Film sich erst in all seinen Facetten und
Techniken realisieren kann. Bazin konstatiert: „Darüber hinaus ist die einzige
unüberwindliche Gegenwart die des Raums. Daher ist die Form des Films aufs
engste mit räumlichen Beziehungen verknüpft: Mise en Scène mit anderen
Worten.“59
58 Monaco, James: Film verstehen. Kunst, Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des Films und der Medien, Hamburg: Rowohlt 2002, S.435. 59 ebd., S.437.
Film-Architektur und Angst
26
Nun hat sich nicht nur die allgemeine, kulturwissenschaftliche Gewichtung der
Sicht auf die Parameter Zeit und Raum verändert, 60 sondern auch die
filmischen Ordnungsprinzipien Zeit (Montage) und Raum (Mise en Scène)
erhielten mit Bazin61 und Godard62 in den 1950er Jahren und mit dem an deren
Theorien anknüpfenden spatial turn seit den 1980er Jahren eine neue,
raumspezifische Betrachtungsweise. Zeit, oder vielmehr die Darstellung von
Zeit kann durch Montage konstruiert und dekonstruiert werden, Raum jedoch
ist in seiner wie auch immer gearteten Darstellung immer existent. Eric
Rohmer schreibt 1948, dass für ihn kein Grund erkennbar ist, warum im Film
der Zeit eine privilegierte Rolle eingeräumt werden sollte. „Im Gegenteil
scheint der Raum die für die Filmkunst wichtigere Anschauungsform zu sein,
insofern nämlich Film eine Kunst fürs Auge ist.“63
Unsere Wahrnehmung von Film gleicht der Art und Weise, wie man ein
architektonisches oder städtebauliches Ensemble liest.
60 Bis zu einem nicht vor allzu langer Zeit stattgefundenen Paradigmenwechsel wurden nicht nur jegliche vergangene Ereignisse, sondern auch deren Ereignisräume, in Zeit gemessen und skizziert. Man bedenke hierbei, dass diese Ereignisräume nicht per se vorhanden sind, sie existieren nicht als feste Größe. Raum an sich ist selbst ein theoretisches Konstrukt. „Das gängige Verständnis [der meisten sozial-kultur- und geisteswissenschaftlichen Positionen] des spatial turn basiert zu einem beachtlichen Teil auf der Vorstellung, dass es einen Raum an sich gibt, auf dem dann Sozial- und Kulturtheorien aufgebaut werden können, ohne der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Raum an sich selbst ein theoretisches Konstrukt ist“ (Werten 2008, S.370). „Die große Obsession des 19. Jahrhunderts war bekanntlich die Geschichte [...]. Unsere Zeit ließe sich dagegen eher als Zeitalter des Raumes begreifen“ (Foucault 2006, S.317). Woher kommt dieser Sinneswandel, der zur Einleitung des spatial turns geführt hat? Möglicherweise reicht heute die Dimension der Zeit schlichtweg nicht mehr aus, um Ereignisse und Diskurse entsprechend darzustellen und zu bearbeiten. Vermutlich entspringt diese neue Schwerpunktsetzung aber auch der Neuentdeckung des Raumes als einem der Zeit äquivalenten Deutungsinstrument von gegenwärtigen Kuriosa. So muss man der Diskussion um den Raum eine gewisse Zeit lang aus taktischen Gründen mehr Platz einräumen und ihn der Zeit voranstellen, bis sich das Verhältnis von Raum und Zeit relativiert hat und sie auf gleicher Ebene betrachtet werden können. Weiterhin macht allein der schon zuvor genannte Umstand des wachsenden Raumbedürfnisses der westlichen Kulturen ein intensives Nachdenken über den Raum-Diskurs notwendig. „Jedenfalls glaube ich, dass die Beunruhigung heute ganz fundamental den Raum betrifft und weniger die Zeit“ (Foucault 2006). Betrachtet man also Raum als theoretisches Konstrukt, der sich subjektiv wahrgenommen in die Architektur als physischen, mehr oder weniger greifbaren Körper einschreibt, dann ergibt sich daraus, dass auch der Faktor Zeit impliziert ist im Raum und damit auch in dessen Architektur. Darüber hinaus schreiben sich umgekehrt alle in den Raum eingeschriebenen Relationen auch in die Zeit ein (vgl. Augé 2011, S.64). „Raum und Zeit sind die Parameter der Architektur“ (Manz 1994, S.15). Einführend zum spatial turn: Döring, Jörg (Hg.): Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissenschaften, Bielefeld: Transcript 2008. 61 Bazin, André: Was ist Kino? Bausteine zur Theorie des Films, hg. von Bitomsky, Hartmut (u.a.), Köln: DuMont 1975. 62 Godart, Jean-Luc: Godart / Kritiker. Ausgewählte Kritiken und Aufsätze über den Film (1950-1970), hg. von Grafe, Frieda, München: Hanser 1971. 63 Rohmer, Eric: Film, eine Kunst der Raumorganisation, in: Dünne, Jörg/Günzel, Stephan: Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2006, S.516.
Film-Architektur und Angst
27
„Beides – der Film wie die Architektur – wird gewissermaßen durchquert und erst
im Vollzug dieser Passage lesbar. Die Engführung zweier Raumpraxen soll
Architektur als diejenige Kunstform in den Vordergrund rücken, die dem Kino am
nächsten steht.“64
Man durchschreitet den Film ähnlich wie ein Gebäude oder eine Stadt und
nimmt dabei visuelle Gebäude wahr.
„Beide schicken uns auf eine Reise durch den Raum der Imagination, entlang der
Orte der Erinnerung, hinein in die Topographie der Affekte. Dieses mentale Itinerar
ist letztlich der Grund dafür, dass wir Film als diejenige Kunst ansehen, die der
Architektur am nächsten ist.“65
Doch Film und Architektur liegen nicht nur technisch nahe beieinander, der
sowjetische Regisseur Sergej M. Eisenstein stellt schon in den 1930er Jahren
fest: Der unbezweifelbare Vorläufer des Films ist die Architektur.66
Der Schriftsteller Walter Serner beschrieb den Stellenwert der filmischen
Architektur am Anfang des 20. Jahrhunderts als eine Kulisse, die notwendig
war aber selten eine hinreichende Illusionserzeugung von Raum herzustellen
vermochte: „Was der Kulisse auf der Bühne zur Not gelingt, wird auf der
Leinwand zur Farce: das photographierte Bühnenbild ist Desillusion zweiter
Potenz.“67 Mit den deutschen expressionistischen Filmen in den 1920er Jahren
hat man damit begonnen, filmische Architektur für das Horrorgenre
systematisch und präzise als Technik zur Affekterzeugung einzusetzen. Paul
Wagners Der Golem und Robert Weines Das Kabinett des Dr. Caligari seien
hier nur als exemplarische Beispiele genannt. Die cineplastische Revolution
hält Einzug in die Kinos - „a new 'stereoscopic universe' was in the making.“68
64 Döring, Jörg/Thielmann, Tristan: Einleitung: Was lesen wir im Raume? Der Spatial Turn und das geheime Wissen der Geographen, in: Döring, Jörg (Hg.): Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissenschaften, Bielefeld: Transcript 2008, S.18. 65 Bruno, Guiliana: Bildwissenschaft. Spatial Turns in vier Einstellungen, in: Döring, Jörg (Hg.): Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissenschaften, Bielefeld: Transcript 2008, S.74. 66 vgl. ebd., S.71. 67 Serner, Walter: Kino und Schaulust, in: Schweinitz, Jörg (Hg.): Prolog vor dem Film. Nachdenken über ein Medium 1909 – 1914, Leipzig: Reclam 1992, S.212. 68 Vidler, Anthony: The Explosion of Space. Architecture and the Filmic Imaginary, in: Ders.: Warped space. art, architecture and anxiety in modern culture, Cambridge, Mass. (u.a.): MIT Press 2000, S.103.
Film-Architektur und Angst
28
Doch auch wenn es heute möglich ist, mit Hilfe von hochtechnisierten
Verfahren – von der hochauflösenden Darstellung des Filmmaterials bis hin
zur 3D-Technik – eine annähernd perfekte Illusion von Raum zu erzeugen,
wird Architektur und Raum im Film nach wie vor meist nur der Bereich und
der Stellenwert der Kulisse; jener des Hintergrundes, zugewiesen. Die
filmische Architektur, aus der sowohl Kulisse, als auch räumliche
Darstellungen hervor gehen, ist jedoch neben den primär wahrgenommenen
und vordergründig untersuchten Techniken des Tons oder der Gestik und
Mimik der Schauspieler einer der zentralsten Affekterzeuger und damit auch
zentraler Generator von Angst. Schauspieler, deren Bewegungen, Sprache und
Handeln befinden sich immer im filmischen Raum, selbst die auditive Ebene
des Gesprochenen ist beinahe immer der räumlichen Dimension untergeordnet.
Die musikalische Untermalung jedoch ist als eine eigenständige,
affektgenerierende Dimension anzusehen. Sie kann mit dem visuell Gezeigten
korrelieren, jedoch ebenso gut für sich stehen. Leni Riefenstahls NS-
Propagandafilm Triumph des Willens beginnt bspw. mit einer Sequenz, deren
schwarzer Bildschirm mit Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg
untermalt ist. Doch was die auditive Ebene von der visuellen unterscheidet ist
zunächst einmal der Umstand, dass Film auch gänzlich ohne diese Ebene
auskommen kann. Der Stummfilm bspw. musste zwar aus technischen
Gründen auf die Tonspur des gesprochenen Wortes verzichten, doch benötigte
er keine gesprochenen Dialoge, um Kommunikation zu erzeugen, gewiss ist im
Stummfilm die Hintergrundmusik umso wichtiger für die
Handlungsdarstellung. Heute geht der Trend in gewissen Genres zu einer sehr
sparsam eingesetzten musikalischen Untermalung, vermutlich um der
Wirkungsmacht vom gezeigten Bildmaterial nicht im Wege zu stehen. Doch
auch einen Stummfilm im eigentlichen Sinne, also einen Film komplett ohne
Ton, würde man noch als einen solchen bezeichnen, wohingegen ein Film ohne
Kameraaufnahmen nicht dem Genre des Films zuzuordnen wäre.
Der primäre Weg, Film wahrzunehmen, geschieht über das visuell Gezeigte.
Architektur im Film ist im aristotelischen Sinne Mimesis; eine Nachahmung
der Wirklichkeit. Die filmische Architektur ist hochgradig mimetisch, da
Architektur gemeinhin dem „praktischen“ Leben zugeordnet wird und zudem
einen hohen Umweltbezug aufweist, ihr Abstraktionsgrad ist bspw. im
Film-Architektur und Angst
29
Gegensatz zu den Künsten der Malerei (visuell) oder der Literatur (narrativ) als
sehr gering einzuordnen.69 Architektur in der filmischen Wirklichkeit ist, zum
großen Teil durch ihre mimetische Beschaffenheit, die wirkungsvollste
Darstellungsform ihrer selbst nach der physischen, „realen“ Architektur. Sie
muss nicht mit Hilfe von Worten beschrieben werden, die sich erst in der
Imagination des Filmzuschauers zu einer Vorstellung verdichten. Filmisch
dargestellte Architektur kann, bis auf das Fehlen der haptischen Berührbarkeit,
ebenso unmittelbar räumlich erlebt werden, wie dies bei physisch existenten
Bauwerken der Fall ist. Wir nehmen Raum wahr, wenn er uns im Film als
Labyrinth in Orientierungslosigkeit zurück lässt, oder wir erleben ein
erhabenes Gefühl beim Anblick von weiten Landschaften. Auch dargestellte
Enge können wir beim Schauen eines Films, je nachdem, wie stark wir uns mit
diesem Gefühl identifizieren, körperlich spüren.
Weiterhin ist es ebenso möglich, Angst – bspw. aufgrund von Enge und
Orientierungslosigkeit – zu spüren, ohne sich in einer realen Gefahrensituation
zu befinden. Ängste können ebenfalls durch die Imagination gewisser
Situationen aktiviert werden, wie beispielsweise durch konstruierte
Angstsituationen im Film.
„Wenn man feststellen möchte, ob eine Situation für eine bestimmte Person
angstauslösenden Charakter besitzt, ist es nicht unbedingt erforderlich, die Person
mit dieser Situation in der Realität zu konfrontieren. In der Regel wird bereits die
vorgestellte Annäherung – wenn auch in eventuell abgeschwächter Intensität –
vorhandene Ängste aktivieren.“70
Selbiges gilt auch für konstruierte Räume, und so auch für Gefahrenräume im
Film.
Der Filmzuschauer hat zwar eine souveräne Position, der filmische Raum ist
nicht derjenige, in dem er sich leibhaftig befindet. Er richtet seine volle
Aufmerksamkeit auf den fixen Raumausschnitt der Leinwand oder des
Bildschirms, um in den filmischen Raum einzutreten. Doch die dort
inszenierten Bilder befinden sich nicht nur auf der Leinwand, sondern auch im 69 Laut einer Grafik Monacos, welche den mimetischen Grad der verschiedenen Künste hinsichtlich ihres Abstraktionsgrads aufzeigt, demnach ist die Musik die abstrakteste der ästhetischen Künste. Monaco [Anm. 58], S.22f. 70 Becker, P. [Anm. 10], S.31.
Film-Architektur und Angst
30
Zuschauer selbst. Er kann zwar jederzeit den Kinosaal oder das Wohnzimmer
verlassen, den Raum, in dem er in den filmischen Raum eintaucht, jedoch ist es
nicht ohne weiteres möglich, mit ähnlich geringem Aufwand aus sich selbst
herauszutreten.
„Raum hat nicht nur eine dingliche, eine bauliche Dimension, sondern auch
eine gedankliche. Architektur setzt Gedachtes voraus.“71 Der Film ist das
einzige Medium, welches Architektur konkret darstellen und ihre Wirkung mit
dem Imaginationscharakter des konstruierten Raums hinreichend verbinden
kann. Diesen dem Raum inhärenten Imaginationscharakter kann sich der Film
zunutze machen, indem zwar einerseits die Betrachtung von Raum immer
subjektgebunden ist –
„Der erlebte Raum ist [...] stark an den Betrachter gebunden und wird so von
verschiedenen Menschen ungleich wahrgenommen, ja vom selben Betrachter, je
nach seiner momentanen psychischen Verfassung, verschieden empfunden.“72
Andererseits erzeugt Raum auch beinahe allgemeingültige dekonnotative und
konnotative Suggestionen, die bei beinahe jedem Filmzuschauer eines
Kulturkreises ähnliche Reaktionen, Affekte und Emotionen auslösen können.
Im folgenden Kapitel wird dies u.a. darzulegen sein.
Das Medium Film zeigt den Schrecken, der von außen auf den Menschen
einwirkt und gleichsam Ängste im Inneren nicht nur generiert, sondern auch
vorhandene Ängste hervor ruft. Anhand der raumbildenden Architektur, des
szenischen Aufbaus werden diese Ängste, bspw. durch das Suggerieren von
Enge, zum einen sichtbar gemacht. Zum anderen können sich innerhalb dieser
Schreckensräume weitere Angstgeneratoren, wie in der Darstellung von
angsterfüllten Personen, im performativen Sinne entfalten.
71 Manz [Anm. 48], S.20. 72 Grütter [Anm. 49], S.96f.
Film-Architektur und Angst
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Angstraum (im) Film: The Shining
Die wirkungsvollsten Angsträume bringt seit jeher zweifelsohne das Genre des
Horrorfilms hervor. Seine ureigene Intention besteht ja gerade darin, beim
Zuschauer Angst zu erzeugen. Der gezeigte Horror vermag es, tiefsitzende und
persönliche Ängste an die Oberfläche zu befördern. Die Kunst besteht darin,
die kulturell verwurzelten und die aktuellen Ängste von einem möglichst
großen Personenkreis zu erfassen und diese darzustellen, um die gewünschte
Wirkung zu erzielen. „Horror ist grundsätzlich die filmische Konfrontation mit
verdrängten und somit unterbewussten Angstbildern.“73 So ist bspw. auch der
aktuelle Triumphzug des Genres des Terrorkinos, welches unsere westlich-
kulturell geprägten Ängste aufgreift und spiegelt, zu erklären.
„Das Terrorkino ist ein internationales Phänomen, und wie die exploitativen
Genrefilme der 1970er finden sich auch heute in allen internationalen
Kinematografien Filme, die sich jener Drastik bedienen, die durch den 100-Mio.-
Dollar-Erfolg der Saw- und Hostel-Reihen mainstreamkompatibel wurden.“74
Kubricks The Shining (1980) – einer der wohl bekanntesten Horrorfilme, der
nicht nur innerhalb des Genres Kultstatus erreicht hat – beginnt mit einigen
eindrucksvollen Flugaufnahmen, die den Weg von Jack Torrance durch die
Rocky Mountains vorbei an Wäldern und Seen bis zu seinem abgelegenen Ziel,
dem hoch oben auf einem Berg gelegenen Overlook Hotel, zeigen. Jack soll
sich mit seiner Familie des während der Wintermonate geschlossenen Hotels
als Hausmeister annehmen. Wir betreten mit Jack, der sich zunächst in einem
Vorstellungsgespräch um die Stelle des Hausmeisters bewerben muss, die noch
belebte Eingangshalle des Hotels. Schon während dem Gespräch mit dem
Hotelmanager wird Jack darauf aufmerksam gemacht, dass die absolute
Einsamkeit und die Isolation auf dem Berg äußerst belastend sein können.
Weiterhin wird Jack über einen seiner Vorgänger unterrichtet, der ein paar
Jahre zuvor in einem Anfall von „Trapperfieber“ – einer Art
klaustrophobischer Reaktion, die auftreten kann, wenn Menschen lange Zeit
73 Stiglegger, Marcus: Terrorkino. Angst/Lust und Körperhorror, Berlin: Bertz + Fischer 2010 S.95. 74 ebd., S.75.
Film-Architektur und Angst
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miteinander eingeschlossen leben müssen – seine Familie mit einer Axt
erschlug und sich im Anschluss selbst richtete.
Das im Film von außen gezeigte Overlook Hotel (Abb. 5) ist tatsächlich ein
Hotel. Die funktional und rustikal konstruierte Timberline Lodge in Oregon bot
jedoch nicht im Entferntesten ausreichend Platz für die im Inneren des Hotels
vorgesehenen Szenen, so besteht The Shining fast komplett aus
Studioaufnahmen, für die Bauten wurde ein Großteil des Etats verbraucht. 75
Die Familie erreicht das Hotel und macht sich mit den zum Teil
überdimensionalen Räumlichkeiten (Eingangshalle, Küche), jedoch auch mit
den verschachtelten Strukturen (Angestelltentrakt) des Hauses vertraut und
bereits hier ahnen wir, dass der Stellenwert des Hotels für den weiteren Verlauf
über den des bloßen Schauplatzes hinaus gehen wird.
„Kubricks genialer Verdienst ist es, für diesen [...] Raum ein so komplexes wie
kompaktes Szenenbild gefunden bzw. geschaffen zu haben. Das einsame und
verlassene »Overlook Hotel« in »The Shining« scheint schon von Beginn an alles
andere zu sein als ein konventioneller Raum und Rahmen der Filmhandlung, bloßes
Behältnis [...].“76
Das Overlook Hotel ist zunächst „ein großzügiger Platz, der nur im Verhältnis
zu einer Kleinfamilie überdimensional wirkt und ihr zu viel Raum bietet. Es ist
die Leere des Raumes und die Kälte der Umgebung, die ihn bedrohlich werden
lassen.“77 Wir werden feststellen, dass diese unheimliche Weite in immer
verschachteltere und labyrinthischere Strukturen über geht und sich am Ende in
eine noch unheimlichere Enge verkehrt.
Einen Monat nach Ankunft der Familie verbringt Danny seine Zeit
hauptsächlich damit, mit seinem Tretauto durch die vielen Korridore des
Hotels zu fahren, hier wird der verschachtelte Charakter des Gebäudes forciert.
Zum ersten Mal taucht nun ein Irrgarten auf, Danny und seine Mutter gehen in
dem Heckenlabyrinth vor dem Hotel spazieren (Abb. 6 ) und „ärgern“ sich
noch unbekümmert während ihrer Suche nach dem Ausgang, „Oh, dead end.“
75 vgl. Jacke, Andreas: Auf der Schwelle zwischen innen und außen: The Shining (1980), in: ebd.: Stanley Kubrick. Eine Deutung der Konzepte seiner Filme, Gießen: Psychosozial-Verlag 2009, S.245f. 76 Engell, Lorenz: Stanley Kubrick: The Shining. Szenographien des Schreckens, in: ebd.: Playtime. Münchener Film-Vorlesungen, Band 39, Konstanz: UVK 2010, S.261. 77 Jacke [Anm. 75], S.245.
Film-Architektur und Angst
33
Währenddessen werden sie von Jack beobachtet. Er schaut von oben auf das in
der Eingangshalle stehende Miniaturmodell des Heckenlabyrinths (Abb. 7) und
überblickt die Szene mit dem sichtlichen Genuss eines Beobachters, der im
Gegensatz zu den beiden sich im Irrgarten Befindenden den Überblick behält
(Abb. 8). Doch nicht nur die baulichen Programme weisen in mehreren
Manifestationen das Motiv des Labyrinths auf, auch die Geschichte des Films
entspricht dieser Struktur. „Das Hotel selbst und die Handlung des Films
nehmen ebenfalls die Form eines Labyrinths als einer Metapher für das In-die-
Irre-Gehen an.“78 Die Handlung nimmt an Fahrt auf, Danny hat vor Zimmer
237, dem Zimmer, in dem er etwas Böses vermutet und vor dem er vom
Hotelkoch Hallorann ausdrücklich gewarnt wurde, erneut eine Vision von zwei
Mädchen. Er betritt das Zimmer jedoch noch nicht. Die Stimmung zwischen
Jack und Wendy verschlechtert sich merklich, Jack fühlt sich in seiner Arbeit
an einem Manuskript, das er in den Monaten im Hotel fertig stellen möchte,
gestört. Währenddessen wird die Familie mit dem einsetzenden Winter völlig
von der Außenwelt abgeschnitten.
„The Overlook hotel is not just a place of isolation, it´s a symbolic maze of
vast, disorientating labyrinths, corridors and impossible windows and
doorways.“ 79 Der Film zeigt uns in seinem Verlauf zahlreiche Räume,
Korridore und Fenster, die weder in der Timberline Lodge Platz gefunden
hätten, noch hinsichtlich der logischen Konstruktionsmöglichkeiten in der
Realität möglich wären.80 So werden einerseits mögliche Fluchtwege gezeigt
(Abb. 9), die es de facto nicht gibt, weil sie ins Nichts führen, andererseits wird
damit der labyrinthische Charakter des Hotelinneren verstärkt. „Das Labyrinth
ist das wohl zentrale, den Film in seiner ästhetischen wie inhaltlichen Struktur
am besten beschreibende Motiv.“81
Als Jacks Arbeitseifer beginnt in einen krankhaften Wahn überzugehen,
erscheint uns das Hotel zunächst in seiner Form unverändert. Und doch ist
etwas anders, alles wirkt plötzlich gestellt, hintergründig und kulissenhaft.
78 Jacke [Anm. 75], S.250. 79 Ager, Rob: Film psychology THE SHINING spatial awareness and set design 2of2, http://www.youtube.com/watch?v=IfJ8rK7eJeQ, letzter Zugriff: 23.04.2012. 80 Eine detaillierte Darstellung der unmöglichen Räume gibt Ager in seiner Analyse, [Anm. 84]. 81 Schnelle, Frank: Im Labyrinth der Korridore: The Shining (1980), in: Beier, Lars-Olav u.a. (Hg.): Stanley Kubrick, Berlin: Dieter Bertz Verlag 1999, S.196.
Film-Architektur und Angst
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Zufällige Anordnungen und symmetrische Systeme wie die des Teppichs, auf
dem Danny spielt (Abb. 10), scheinen sich zu vielsagenden, jedoch nicht
decodierbaren Mustern zu verdichten. Wir vermuten überall Verweise auf das
Dahinter, doch zum Ursprung können wir bis zuletzt nicht vordringen. So
geraten sowohl wir, als auch Jack in die für eine Psychose typische
Erwartungshaltung, die aus dem Gefühl entspringt, dass unentrinnbar etwas
Unvorstellbares bevorsteht. Das Hotel ist aufs Engste mit der Person Jack
verknüpft. Die in einer Vielzahl an Variationen auftretenden ornamentalen und
symmetrischen Strukturen des Hotels (Abb. 11) und der Geschichte, bspw.
Dannys wiederkehrende Visionen der Zwillinge (Abb. 12) verweisen auf Jacks
Wahn, dessen Manuskript am Ende nur den sich ständig wiederholenden Satz
„All work and no play makes Jack a dull boy“ beinhaltet. Kubrick hat eine
perfekte Geometrie des Grauens erschaffen.
Diese psychotischen Strukturen und die sich zuspitzende Handlung gibt uns zu
verstehen: Das Hotel ist von nun an kein sicherer Ort mehr. „Within the
fortress walls, we believe ourselves safe from whatever lies without, but what
of what lies within those walls – what is within the locked cabinet?“82 Der
umhüllende Raum ist Ort der Geborgenheit und Schutzraum, solange sich die
Gefahr außerhalb von ihm befindet. Hat sie ihren Weg jedoch einmal hinein
gefunden, wird der Schutzraum zum Angstraum, aus dem es im Falle des
Overlook Hotels kein Entrinnen zu geben scheint.
„Innen und Außen unterscheidbar zu machen ist eine der Hauptfunktionen des
Architektonischen, die hier nach und nach völlig erodiert und in ihr Gegenteil
umschlägt. So ergreift nicht nur die Innenwelt der Figuren Besitz vom äußeren
Raum und umgekehrt, auch die – vom Haus als Haus eigentlich natürlich gerade
ausgeschlossene – Außenwelt dringt in das Haus ein.“83
Der Name Overlook bedeutet Überblick. Von der Vogelperspektive der
Anfangsszene, von der aus wir sowohl das Hotel von außen, als auch seine
umgebende Natur überblicken können, werden wir im Laufe des Films immer
weiter in das Hotel hinein und damit in seine unüberschaubaren und
verschachtelten Korridore hin zu Türen gesogen, hinter denen immer neue 82 Troutman, Anne: Inside Fear. Secret Places and Hidden Spaces in Dwellings, in: Ellin, Nan (Hg.): Architecture of fear, New York: Princeton Architectural Press 1997, S.145. 83 Engell [Anm. 76], S.265f.
Film-Architektur und Angst
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Räume des Schreckens auf uns warten. Danny betritt das Zimmer 237 – die
Türe stand aus unersichtlichen Gründen offen – und kehrt mit Würgemalen und
zerrissener Kleidung zurück, während sein Vater träumt, dass er seine Familie
tötet und sie anschließend zerstückelt.
„Hat die Familie Torrance ihr Winterquartier erst einmal bezogen, gewährt die
Kamera immer seltener einen Überblick, verlässt kaum noch den Hotelkomplex (zu
dem das Heckenlabyrinth zählt) und betont mit immer kleineren Einstellungsgrößen
die zunehmend klaustrophobische Situation.“84
Nicht nur die Einstellungen, sondern auch die 1980 noch wenig eingesetzte
Steadycam, welche dem Kameramann eine Handkameraführung ohne
Verwackelungen auch auf langen Kamerafahrten erlaubt, ist maßgeblich an der
besonderen räumlichen Wirkung des Films beteiligt. „Nur so konnte der
Regisseur seine Korridore im Raum so choreografieren, dass sie die Wirkung
der Klaustrophobie erzeugten.“85 Neben Danny, der schon vor der Ankunft im
Hotel durch sein „Shining“ böses geahnt hat, ist nun auch Wendy durch den
Vorfall in Zimmer 237 alarmiert. Jack hingegen gibt sich seinem Wahn hin, er
reagiert seinen Frust im „Gold Room“ bei einem Drink ab und als Wendy ihn
bittet, Danny zuliebe das Hotel zu verlassen, verweigert er ihren Wunsch und
verlässt wutentbrannt das Zimmer. Die Ausweglosigkeit spitzt sich zu, Wendy
und Danny sind nun auf sich gestellt. Zwar versucht Hallorann, der ebenfalls
die Gabe des „Shinings“ besitzt, Kontakt zu der Familie aufzunehmen, doch
seine Versuche scheitern aufgrund der vom Wetter zerstörten Telefonleitungen.
Weiterhin hat Jack Vorkehrungen getroffen, die eine Flucht seiner Frau und
seines Sohnes unmöglich machen sollen, indem er das Funkgerät und die
Schneeraupe beschädigt hat. „Das Konzept von einem »Geisterhaus«, das man
leicht betreten, aber nur selten auch wieder einfach verlassen kann, gehört zu
einer langen Tradition der Gruselgeschichten [...]“86 und findet auch hier, wenn
auch in abgewandelter Form, Anwendung. Gemeinhin sind jene
„Geisterhäuser“ schon durch ihre architektonischen Kennzeichen, bspw. durch
eine gotische Bauweise, tief in der „dunklen“ Vergangenheit verwurzelt. Dem
84 Schnelle [Anm. 81], S.203. 85 Jacke [Anm. 75], S.264. 86 ebd., S.245.
Film-Architektur und Angst
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ist hier nicht so, Kubrick hat bewusst auf eine oberflächlich angstgenerierende
Architektur verzichtet:
„We wanted the hotel to look authentic rather than like a traditional spooky movie
hotel. The hotel´s labyrinthine layout and huge rooms, I believed, would alone
provide an eerie enough atmosphere.“87
Jack richtet sich vollends gegen seine Familie, als ihm der Kellner Grady, in
dem Jack den früheren Hausverwalter, der seine Familie getötet hat, wieder
erkennt, den Rat gibt, seiner „ungehorsamen“ Familie „eine Lektion zu
erteilen“ (Abb. 13). Wendy schlägt Jack nieder, als der droht, ihr den Schädel
einzuschlagen und sperrt ihn in den Vorratsraum. Jack und somit die primäre
Gefahrenquelle wird zwar kurzzeitig gebannt, doch mit seinem Freikommen –
für uns ist keine rationale Erklärung hierfür erkennbar, das Haus selbst in Form
von Grady muss ihn befreit haben – ist auch die letzte Chance auf eine
Kontrolle der Gefahr verloren.
Das Haus selbst erweist sich nun nicht nur als Komplize des Bösen, sondern
darüber hinaus als Urheber der Gefahr. Jack ist zwar die Person, von der die
Gefahr ausgeht, doch „das Böse“ ist er nicht, auch wenn er offensichtlich
wahnsinnig ist. Denn auch er wird in Raum 237 durch eine attraktive Blondine,
die sich im Kuss in eine in der Badewanne ertrunkene halbverfaulte Greisin
verwandelt, getäuscht und ergreift daraufhin entsetzt die Flucht. Es ist vielmehr
das Haus selbst, von dem „das Böse“ auszugehen scheint. In diesem Falle ist es
also nicht nur die Architektur, durch die Angst generiert wird, sondern wir
haben Angst vor ihr, vor dem Hotel als handlungsfähigem Objekt. Gewiss führt
ein Haus selbst keine Bewegungen aus, denn es ist als solches unbeweglich,
doch ist es bspw. dazu in der Lage, unsere Blicke und Bewegungen zu lenken.
Kubrick spitzt diese Eigenschaft gewissermaßen zu, indem er dem Hotel einen
Intentionsgedanken zuschreibt, der es dazu befähigt, Menschen und
Handlungsabläufe zu steuern. Das Hotel nimmt eine Art Über-Ich-Funktion
ein, dessen Befehle Jack entgegen nimmt.88
87Stanley Kubrick interviewed by Michael Climent, in: Ager, Rob: Film psychology THE SHINING spatial awareness and set design 1of2, http://www.youtube.com/watch?v=0sUIxXCCFWw, letzter Zugriff: 23.04.2012. 88 vgl. Jacke [Anm. 80], S.276.
Film-Architektur und Angst
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„[...] Das »Overlook Hotel« erteilt [...] Anweisungen; etwa gibt es – als eine recht
umfangreiche Maschinerie – bestimmte Handgriffe und Bedienungsanweisungen
vor, die beispielsweise die Heizung und das Funkgerät betreffen. Jack und seine
Familie werden zu Agenten des Raums, zu Funktionären des Hotels.“89
Das Motiv des beseelten Gegenstandes taucht im Horrorgenre und vor allem in
der romantischen Literatur in mannigfaltigen Versionen auf und greift den vor
allem von Freud geprägten Begriff des Unheimlichen90 als Angst erregendes
Moment auf. „Das Hotel ist neben den drei Familienmitgliedern der
eigentliche Hauptdarsteller des Films.“91
Als Jack mit der Axt zuerst die Türe zum Schlafzimmer und dann die Tür zum
Badezimmer, in dem sich Wendy und Danny verschanzt haben, aufzubrechen
droht, kann Danny durch ein schmales Fenster nach draußen fliehen, Wendy
versucht es ihm voller Panik gleich zu tun, doch die Öffnung ist zu eng für sie,
der letzte Fluchtweg ist endgültig versperrt. Wie schon zu Anfang erwähnt,
leitet sich Angst in seiner ursprünglichen Übersetzung von Enge ab. An dieser
Stelle erreicht die filmische Darstellung von Angst ihren Höhepunkt. Wendy
wird nur durch das Eintreffen von Hallorann gerettet, der Jacks
Aufmerksamkeit auf sich zieht, jedoch von ihm mit der Axt erschlagen wird,
ihr aber die Flucht aus dem Badezimmer ermöglicht. Danny wird nun von Jack
verfolgt. Der Junge flüchtet in das verschneite Heckenlabyrinth, das nur
spärlich von einigen Strahlern in der Hecke beleuchtet wird. Danny merkt
bald, dass seine Fußstapfen Jack unweigerlich zu ihm führen werden, Jack
scheint sich über die Regel der Rätselhaftigkeit und der Unmöglichkeit, das
Muster eines Labyrinths zu „lösen“, hinwegzusetzten. Auch hier spielen ihm
die Gegebenheiten des Raumes in die Hände und auch hier scheint es kein
Entrinnen zu geben. Danny löst seine scheinbar ausweglose Situation, indem
er sich exakt das zunutze macht, was ihm fast zum Verhängnis geworden wäre.
Er geht ein paar Schritte in seinen Fußspuren zurück und kann sich verstecken,
während sein Weg für Jack nun nicht mehr nachvollziehbar ist, denn die
Fußspuren enden abrupt. Jack setzt seine Verfolgungsjagd in die falsche
Richtung fort (Abb. 14), während Danny anhand der Fußspuren aus dem 89 Engell [Anm. 76], S.261. 90 Freud, Sigmund: Das Unheimliche (1919), in: Ders., Gesammelte Werke, Bd. XII, Frankfurt a.M.: Fischer 1999. 91 Jacke [Anm. 75], S.246.
Film-Architektur und Angst
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Labyrinth fliehen kann. Nun ist es Jack, der durch das Labyrinth irrt. Er findet
keinen Ausweg und erfriert letztendlich – er stirbt im Irrgarten seines eigenen
Wahns (Abb. 15). Diese Einstellung zeigt Jack, der von Dunkelheit umhüllt
buchstäblich „ins Licht geht“ – sein Ausweg aus dem Labyrinth ist der Tod.
Währenddessen bringen die Spuren von Halloranns Schneeraupe Danny und
Wendy nun endgültig zurück in die Zivilisation und damit in Sicherheit.
„Der Film beginnt mit einer Landschaftstotale und endet mit der Großaufnahme
eines Gesichts auf einem Gruppenfoto; fast hat es den Anschein, als sei alles
Dazwischenliegende Teil dieser Bewegungsrichtung, als fliege und fahre die
Kamera immer tiefer hinein und immer näher heran an das rätselhafte Labyrinth der
Geschichte.“92
Wir „lesen“ einen Film, indem uns gewissermaßen „Codes“ gezeigt werden,
die wir zu entschlüsseln versuchen. „Das Medium, durch das der Film
Bedeutung ausdrückt, ist eine Vielzahl von Codes.“93 Diese Codes94, welche
kulturell determiniert sind, bilden im Film die Verweise auf das „Dahinter“.
Dabei steht bspw. der Code Labyrinth für Ausweglosigkeit, den Verlust der
Orientierung und das „In die Irre gehen.“ Bei einem Hotel denken wir an
Freizeit und Urlaub – wohingegen das verlassene Hotel wiederum in ein
unheimliches Gebäude umgedeutet wird, denn gemeinhin ist ein Hotel nicht
verlassen. Treppen und Türen machen neugierig auf das Dahinter und auch die
Lage des Overlook Hotels hoch oben auf einem Berg suggeriert Einsamkeit,
eine Flucht ist nur nach unten möglich. Erweitert man die Bedeutung der
Codes als grundlegende Interpretationsinstrumente um die Aspekte der
Denotation (lat. denotare: bezeichnen) und der Konnotation (lat. con: mit;
notatio: Anmerkung), dann ist die Denotation des Overlook Hotels die eines
Hauses, welches Hotelgäste beherbergt. Die Konnotationen dieses Hotels sind
jedoch weitaus vielfältiger, denn sie werden akkumuliert aus jenen vielfältigen,
subjektiven Bedeutungen, die aus den persönlichen Erfahrungen des einzelnen
Zuschauers resultieren. Eine gesteigerte Konnotation wird bspw. durch die
92 Schnelle [Anm. 81], S.202. 93 Monaco [Anm. 58], S.180. 94 Auf der Grundlage der Peice´schen Zeichentheorie referiert Eco über die konnotativen und denotativen „Codes“ von Architektur: Eco, Umberto: Einführung in die Semiotik, München: Fink 2002.
Film-Architektur und Angst
39
zahlreichen Gänge und Türen innerhalb des Hotels erreicht, hinter den Türen
und am Ende der Gänge verbergen sich unsere persönlichen, spezifischen
Ängste. Im Sinne von Peirce95 sind sowohl die weitläufigen Gänge und Türen,
als auch die wiederkehrenden Labyrinthe ein Index für die persönlichen Ängste
des Betrachters. Aus diesem Grund müssen ein Raum und dessen Architektur
keine allgemeingültigen, angsterzeugenden Merkmale aufweisen und zeigen,
da jene denotativen Merkmale wie Enge, Weitläufigkeit oder
Orientierungslosigkeit – wenn sie denn wirkungsvoll dargestellt werden –
ausreichend indexikalischen, bzw. konnotativen Charakter aufweisen, um mit
der Erzeugung von visionären Räumen im Zuschauer selbst individuelle
Ängste zu aktivieren.
„Macht und Begehren, Angst und Gewalt, Wissen und Wahn sind für ihn [Kubrick]
nicht ohne das Kino denkbar und vor allem: wirksam. Sie werden von den Bildern
Kubricks nicht einfach dargestellt, sondern regelrecht hervorgerufen.“96
Das eigentliche Kino passiert in unserem Kopf. Der gezeigte Film fungiert für
die dort zustande kommende Bildfolge als die Kulisse; der Raum, mit dessen
Hilfe, ohne dass wir selbst dabei die souveräne Position des Regisseurs inne
hätten, eine Art persönlicher Spielfilm erzeugt wird. Hauptdarsteller sind dabei
immer wir selbst.
Filmische Heterotopie: Overlook Hotel
Heterotopien sind nach Michel Foucault Orte oder Räume, in denen sich
gesellschaftliche Zusammenhänge widerspiegeln. 97 Diese Orte sind
gewissermaßen Gegenorte, die ähnlich wie die Utopie einen realen Raum
darstellen oder repräsentieren und ihn gleichsam in Frage stellen können. Der
Film als Raum kann als ein solcher angesehen werden, er besitzt in seiner
medialen Form die Fähigkeit, mehrere reale Räume an einem einzigen Ort – 95 zur Peirce´sche Zeichentheorie: Peirce, Charles S.: Semiotische Schriften, Band 1, hg. von Kloesel, Christian J.W. (u.a.), Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2000. 96 Engell [Anm. 76], S.254. 97 zum Begriff der Heterotopie: Foucault, Michel: Von anderen Räumen, in: Dünne, Jörg/Günzel, Stephan: Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2006, S.320ff.
Film-Architektur und Angst
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dem Kino – nebeneinander zu stellen, doch auf kaum einen anderen Film
treffen die Merkmale des heterotopischen Raums in solch besonderem Maße
zu, wie auf den filmischen Raum des Overlook Hotels in Kubricks The
Shining.
Das für Heterotopien gültige System der Öffnung und Abschließung gilt für
das Overlook Hotel insofern, als die Öffnung für die Gäste zu dem Zeitpunkt
beendet ist, als die Familie Torrance im Hotel eintrifft. Mit dem schon bald
folgenden Wintereinbruch ist der Ort jedoch isoliert, weder können Personen
von außerhalb in das Hotel gelangen, noch kann es von Wendy und Danny
verlassen werden.
Das Overlook Hotel liegt zwar außerhalb aller Orte, doch steht es, innerhalb
des Films durch ein Funkgerät mit dem nächsten Ort verbunden und durch das
Medium Film der ganzen Welt zugänglich, mit allen Orten der Gesellschaft in
Verbindung.
Das Overlook Hotel wurde auf einer indianischen Begräbnisstätte, einer – so
würde Foucault sie wohl bezeichnen – Krisenheterotopie errichtet. Wir werden
zu Anfang des Films darüber aufgeklärt, dass die Indianer den Bau des Hotels
durch mehrfache Angriffe verhindern wollten. Das Hotel dringt nicht nur in
fremden Raum ein, es zerstört eine vorhandene, für die Kultur der Indianer
bedeutungsvolle, Heterotopie. So ist die Komponente der Zeit; der
Vergangenheit, gewissermaßen in den Raum integriert. Auch im Hotel
befinden sich in Form von Wandteppichen und Mosaiken mehrere Verweise
auf die indianische Vergangenheit, auf der das Gebäude errichtet wurde. So
erwidert Hallorann auf Dannys Frage, ob irgendetwas Böses in dem Hotel sei,
dass manchmal Dinge passieren, die für immer und ewig Spuren hinterlassen.
Die Vergangenheit bleibt in der Gegenwart präsent. Die letzte Einstellung des
Films zeigt Jack in Nahaufnahme auf dem Foto eines Balls aus dem Jahre
1921, Jack ist gewissermaßen Teil der düsteren Geschichte und somit auch des
Raumes geworden. Das Haus wird von Beginn an mit „dem Bösen“ gefüllt und
fordert damit das Recht auf den natürlichen Ursprung des Ortes, der durch die
Zivilisation zerstört wurde, zurück.
Jede Heterotopie hat eine kulturell determinierte und kulturabhängige
Funktionsweise. Dies kann die bloße Darstellung und Verortung von existenten
„Ereignissen“ sein, die jedoch innerhalb einer Gesellschaft keinen Platz haben
Film-Architektur und Angst
41
und so auch topographisch von ihr isoliert werden – für Foucault gehören
bspw. Friedhöfe, Gefängnisse und Psychiatrien zu diesen Gegenorten – doch
wird durch die Heterotopie auch eine Form der Genese von nicht
überwundenen kulturellen Erschütterungen erzeugt. Das Overlook Hotel
befindet sich auf einem Berg abseits der Zivilisation und bietet so den
optimalen Schauplatz für den kulturübergreifenden und doch immer im
Versuch der Vermeidung und der Überwindung stehenden Komplex der Angst.
Jegliches angsterzeugende Moment soll möglichst außerhalb der Zivilisation
gehalten und von ihr abgegrenzt werden, denn, und darüber ist sich das
kulturelle Gedächtnis durchaus bewusst, möglich ist weder eine gänzliche
Eliminierung sämtlicher Gefahrenquellen, noch eine vollständige Bannung der
daraus resultierenden Ängste.
Fazit und Ausblick
42
V Fazit und Ausblick
„I do not believe the house is a safe place. For me, it is a collision of dream,
nightmare, and circumstance, a portrait of inner life. The primal shelter is also the
site of primal fears.“98
Wir sind bestrebt, uns mithilfe von Gebäuden vor Gefahren zu schützen und sie
damit aus unserem Sicherheitsraum auszuschließen. Doch dies ist, wie uns The
Shining eindrucksvoll zeigt, nicht möglich. Genauso wenig, wie analog hierzu
die Möglichkeit besteht, uns vor der Angst zu schützen. Zudem ist sie, wie
Anfangs gezeigt, als grundlegender und universeller Affekt nicht nur
überlebenswichtig, sondern dient gleichzeitig der kulturellen Stimulanz. So ist
es kaum verwunderlich, dass wir uns immer wieder mit ihr konfrontieren
möchten, ja regelrecht nach ihr suchen. Wir haben Lust auf Angst. Wenn uns
Angst in ihrer natürlichen Form durch funktionierende bauliche und technische
Angst-Abwehrmaßnahmen weitestgehend abhanden gekommen ist, so müssen
wir Angstsituationen künstlich und künstlerisch simulieren. Der Film bietet
hierfür die besten Voraussetzungen, denn sowohl Angst, als auch Architektur
und räumliche Darstellung im Film zeichnen sich durch das Merkmal des
Performativen aus.
Gleichermaßen wie „mit der voranschreitenden Virtualisierung des
Alltagslebens in den westlichen Industrienationen eine weitgehende
Entfremdung vom Körper einsetzt, der im ›torture porn‹ symbolisch zurück
erobert wird“99, so scheinen wir uns generell mit dem Genre des Horrors jene
so tief in uns verwurzelten angstauslösenden Momente zurück zu holen, die
durch die weitestgehende Bannung der Realgefahren und der Zurückdrängung
von Angsträumen verloren schienen. Der Film dient als Ersatz für eine
abhanden gekommene, angstbesetzte Wirklichkeit, die wir seit jeher zu bannen
versuchen und doch nicht bannen können, da Angst ein Teil unseres Seins ist.
Wir würden uns mit einem vollständigen Verlust von Angst selbst negieren,
denn damit wäre über kurz oder lang unser Dasein beendet.
98 Troutman [Anm. 82], S.143. 99 Stiglegger [Anm. 73], S.96.
Fazit und Ausblick
43
Die in The Shining verwendeten filmischen und architektonischen Techniken
bieten eine nahezu perfekte Projektionsfläche für die Erzeugung von Angst.
Ein immer wiederkehrendes Moment ist jenes der Enge, wir können die
klaustrophobische Beklemmung in nahezu jeder Einstellung wahrnehmen.
Einen Ausweg scheint es durch die ohnehin schon topographisch isolierte Lage
des Hotels kaum zu geben. Zentraler Angstgenerator ist in diesem Film das
Motiv des Labyrinths und die daraus hervorgerufene Orientierungslosigkeit.
Wir erinnern uns, dass der ursprünglich schutzbietende Raum Ausgangspunkt
der Orientierung ist, hier nimmt der Raum die gegenteilige Funktion an. Die
verwinkelten Strukturen erinnern an jene unseres Gehirns, ähnlich wie Jack
sind auch wir unentrinnbar in den Irrgärten unseres eigenen Selbst gefangen,
daran werden wir im Film ständig erinnert. „Wir erleben hier nicht nur den
Schrecken mit, sondern dringen zu den Quellen des Schreckens hervor, wir
verfolgen seine Herkunft und müssen am Ende entsetzt feststellen, dass wir in
ihn immer schon verstrickt sind.“ 100 Die Gefahrenquelle kann niemals
hinreichend lokalisiert werden, im Falle des Overlook Hotels ist es das Haus
selbst, von dem aufgrund seiner Geschichte „das Böse“ ausgeht.
Der Film kann so einerseits als kulturspezifisches, angstsublimirendes
Bewältigungsmuster der Angst angesehen werden – Angst wird
gewissermaßen mit Angst bekämpft – , doch andererseits dient der Film
vielmehr als eine Spiegelung vorhandener Ängste, durch den wir unsere eigene
„Wohlfühlzone“ im sicheren Raum des Kinos verlassen können, um unsere
persönlichen Grenzen zu überschreiten und uns so weiter zu entwickeln.
Weiterhin wird der handlungsfähige Raum des Overlook Hotels durch den
Raum des Kinos erweitert, denn:
„Wenn wir davon ausgehen, dass das »Overlook Hotel« nicht der einzige handelnde
Raum ist, der möglich ist, dann ist durch nichts gehindert, dass auch ein Film eine
Kraft in einem solchen Raum, den man dann in einem umfassenden Sinn »Kino«
nennen müsste, sein kann.“101
Die ersten Kapitel dieser Arbeit über Angst und Kultur begreife ich insofern
als einleitende Ausführungen, als dass sie, auch wenn sie einen
100 Engell [Anm. 76], S.255. 101 ebd., S.267f.
Fazit und Ausblick
44
verhältnismäßig großen Teil dieser Arbeit ausmachen, zunächst einmal
notwendig sind für eine Untersuchung des filmischen (Angst-)Raumes. Ferner
ist es möglich, von dort aus weitere Untersuchungen darüber anzustellen, mit
welchen Mitteln und auf welche Art und Weise Raum und Architektur
einerseits dazu in der Lage sind, Angst zu erzeugen, als auch im
Umkehrschluss die Betrachtung jener erst aus Angst entstandenen Räume.
Der filmische Raum ist nur eines der Felder, welche sich hinsichtlich der
Verknüpfung von Angst, Architektur und Raum zu untersuchen lohnen.
Denkbar wären diesbezüglich sowohl eine Analyse weiterer deskriptiv-
medialer Räume, bspw. jene der Literatur, als auch die nähere Betrachtung von
virtuellen Räume der Installationskunst und des web 2.0, die hinsichtlich ihrer
medialen Darstellung und ihrer unmittelbaren Erlebbarkeit zu untersuchen
wären.
Bibliographie
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Provokation der Neuen Phänomenologie, in: Ders. (Hg.): Gefühle als
Atmosphären: Neue Phänomenologie und philosophische
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Abbildungen
Abb. 1 – 4: !!"#$%&'(&)*+,-./0#1(-23!(''45664#$%&'(&)*+7-./0#1(-28/&8 Abb. 5 – 15: Filmstills aus The Shining.
Abb. 3 Jussow, Heinrich Christoph: Entwurf zu einem achtsäuligen Monopteros, Grund- und Aufriß, um 1800, Zeichnung.
Abb. 4 Pantheon, Kuppel (Rom), 2. Jh. n. Chr..