Affekt und Geschlecht: Eine Einleitung in Affekt-Theorien aus einer feministischen, queeren und...

24
Aus: Angelika Baier | Christa Binswanger | Jana Häberlein | Yv Eveline Nay | Andrea Zimmermann (Hg_innen) Affekt und Geschlecht Eine einführende Anthologie 484 Seiten, Softcover € 24,95 ISBN 978-3-902902-10-8 Die Anthologie führt in Felder der im anglophonen Raum intensiv diskutierten Affect Studies ein. Der feministischen, queeren und rassisierungskritischen Tradition von Affect Studies folgend, for- muliert der vorliegende Band das Verhältnis zwischen privatem Erleben und gesellschaftlichen Machtverhältnissen neu, indem er Affekte als in ihrem persönlichen und individuellen Charakter verflochten mit gesellschaftlichen und politischen Dimensionen denkt. Die Anthologie präsentiert paradigmatische Forschungs- felder der Affect Studies in ihrer Übersetzung und Neuformu- lierung im deutschsprachigen Raum, wobei sie den Fokus auf Überschneidungen zwischen den Affect Studies sowie feminis- tischer, queerer und post/kolonialer Theoriebildung legt. Damit bietet sie einen Einstieg und Einblick in die interdisziplinär an- gelegte Theoriebildung und Forschung in den Affect Studies und stellt zugleich deren Bearbeitung, Weiterführung und Umarbei- tung im deutschsprachigen Forschungsraum vor. Informationen und Bestellung: www.zaglossus.eu/Affekt_und_Geschlecht.htm © 2014, Zaglossus e. U., Wien

Transcript of Affekt und Geschlecht: Eine Einleitung in Affekt-Theorien aus einer feministischen, queeren und...

1

Aus:

Angelika Baier | Christa Binswanger | Jana Häberlein | Yv Eveline Nay | Andrea Zimmermann (Hg_innen)Affekt und GeschlechtEine einführende Anthologie

484 Seiten, Softcover€ 24,95ISBN 978-3-902902-10-8

Die Anthologie führt in Felder der im anglophonen Raum intensiv diskutierten Affect Studies ein. Der feministischen, queeren und rassisierungskritischen Tradition von Affect Studies folgend, for-muliert der vorliegende Band das Verhältnis zwischen privatem Erleben und gesellschaftlichen Machtverhältnissen neu, indem er Affekte als in ihrem persönlichen und individuellen Charakter verflochten mit gesellschaftlichen und politischen Dimensionen denkt. Die Anthologie präsentiert paradigmatische Forschungs-felder der Affect Studies in ihrer Übersetzung und Neuformu-lierung im deutschsprachigen Raum, wobei sie den Fokus auf Überschneidungen zwischen den Affect Studies sowie feminis-tischer, queerer und post/kolonialer Theoriebildung legt. Damit bietet sie einen Einstieg und Einblick in die interdisziplinär an-gelegte Theoriebildung und Forschung in den Affect Studies und stellt zugleich deren Bearbeitung, Weiterführung und Umarbei-tung im deutschsprachigen Forschungsraum vor.

Informationen und Bestellung:www.zaglossus.eu/Affekt_und_Geschlecht.htm

© 2014, Zaglossus e. U., Wien

11

Angelika Baier, Christa Binswanger, Jana Häberlein, Yv Eveline Nay, Andrea Zimmermann

Affekt und Geschlecht: Eine Einleitung in Affekt-Theorien aus einer feministischen, queeren und post/kolonialen Perspektive

Im Jahr 1959 hält Ingeborg Bachmann die „Frankfurter Vorlesun-gen“ für Poetik und fordert eine poetische Sprache „scharf von Er-kenntnis und bitter von Sehnsucht“ (1993: 197). Diese Verschrän-kung von Verstand und Gefühl, die durch die Adjektive „scharf“ und „bitter“ die kämpferisch-fokussierte wie auch leidvoll-emo-tionale Dringlichkeit des Unterfangens einer neuen Sprachfin-dung betont, soll laut Bachmann zu einer zwingend notwendigen „neue[n] Wahrnehmung, neuem Gefühl und neuem Bewusstsein“ (ebd.: 195) führen. Wenn sich auch historisch, gesellschaftlich und politisch einiges verändert hat seit den späten 1950er-Jahren, so haben sich auch die Herausgeber_innen dieses Sammelbandes von der produktiven Verbindung der „Schärfe von Erkenntnis und Bitterkeit von Sehnsucht“ leiten lassen.

Die vorliegende Anthologie greift Affekte1 als einen For-schungsgegenstand auf, der seit jeher von verschiedenen Diszi-plinen bearbeitet wurde und zu diversen Erkenntnissen geführt hat. Dass in den Wissenschaften spätestens seit den 1990er-Jah-ren von einer „Wiederentdeckung der Gefühle“ die Rede ist,2 ist den Konsequenzen des wirkmächtigen sogenannten Linguis-tic Turns des 20. Jahrhunderts geschuldet. Im Zuge des Linguis-tic Turns werden international in einer Vielzahl von Forschungs-arbeiten aus den unterschiedlichsten Disziplinen vor allem die

1312

Sprache und ihre wirklichkeitskonstituierenden Funktionen fo-kussiert (vgl. Bachmann-Medick 2007: 34). Dabei werden sowohl die Vorstellung, ein Zugang zu einer authentischen Wirklichkeit sei möglich, als auch die Idee der Welt als eines einheitlichen, ge-schlossenen Systems hinterfragt. Nun wird vielmehr angenom-men, die Wirklichkeit konstituiere sich aus einer Vielzahl konkur-rierender, historisch kontingenter Diskursformationen. Damit zeigt sich auch das menschliche Subjekt mit seinen Vorstellungen, Ideen und Empfindungen als jeweils individueller und kontingen-ter Kreuzungspunkt verschiedener diskursiver Stränge, während die Konzeption eines als Einheit gedachten, autonom und ratio-nal agierenden Subjekts verabschiedet werden muss. Insbeson-dere die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einflussreiche Theorieströmung des Poststrukturalismus hat sich auf der Basis dieser Konzeptionen mit überindividuellen Machtstrukturen und den institutionellen Dimensionen von Unterdrückungsmechanis-men beschäftigt.3

Wiewohl diese Erkenntnisse und Einsichten auch im 21. Jahr-hundert von anhaltender Bedeutung für die internationale Wis-senschaftsproduktion sind, formulieren seit den 1990er-Jahren zahlreiche Forscher_innen vehemente Kritik an gewissen Positi-onen des Poststrukturalismus. Aufgrund ihres Fokus auf Diskurs-analyse und Dekonstruktion, d. h. auf eine Analyse der diskursiven Konstituierung und Disziplinierung des Körpers, hätten poststruk-turalistisch geprägte Arbeiten, so der Vorwurf, die Materialität des Körpers aus den Augen verloren, was in der Theorie zu einer „Ent-körperlichung des Subjekts“ geführt habe. Prominentes Beispiel hierfür stellen u. a. die Debatten um Judith Butlers frühe Arbei-ten dar (vgl. Butler 1991). Ihr Versuch, das sogenannte biologische Geschlecht (Sex) in ein sozial und kulturell verfasstes Geschlecht (Gender) zu überführen, wurde mit dem Hinweis kritisiert, sie ver-nachlässige konkrete körperliche Materialitäten (vgl. Lindemann 1994: 7; Duden 1993). Seit Mitte der 1990er-Jahre lässt sich als Re-aktion auf diese Entwicklungen ein sogenannter Body Turn, ein wieder erwachtes Interesse am Körper und seiner konkreten Ma-terialität, beobachten. In diesem Rahmen wird auch Affekten, die

über Jahrhunderte als genuin körperliche Phänomene eingestuft wurden, verstärkt Aufmerksamkeit gezollt.4 Insbesondere im an-glophonen Raum entwickelt sich eine spezielle Spielart der Theo-retisierung von Affekten, die in diesem Sammelband näher vorge-stellt wird. Das Kernstück der Anthologie bilden sechs ausgewähl-te Schlüssel- und Rezeptionstexte der anglophonen Affect Studies, die unseres Erachtens für zentrale Diskursfelder stehen. Die Texte werden im vorliegenden Band erstmals in deutscher Übersetzung veröffentlicht und sind in drei thematischen Blöcken angeordnet. Angesichts eines Forschungsfeldes, das gekennzeichnet ist von einer Fülle wissenschaftlicher Genealogien, theoretischer Ansät-ze und politischer Strömungen, erfolgt auf diese Weise ein spe-zifischer Zugriff durch eine thematische Fokussierung, die notge-drungen Auslassungen produziert und keinen Anspruch auf Voll-ständigkeit erhebt. Das erste Cluster widmet sich „Affektiven Politi-ken – Politiken der Affekte“, das zweite Cluster fokussiert „Affektive Grenzen und Durchlässigkeiten“, das dritte Cluster setzt sich mit „Lektüren von Affekten – Affektiven Lektüren“ auseinander. Affekt und Verstand werden in den Schlüsseltexten in je innovativer Wei-se zusammengeführt; ebenso zeugen die jeweils in jedem Cluster den übersetzten Texten folgenden Beiträge aus dem deutschspra-chigen Raum vom produktiven Potenzial der Verknüpfung von Erkenntnis und Gefühl – in Anlehnung an eine Bachmann’sche Sprachfindung als Kritik, die „scharf von Erkenntnis und bitter von Sehnsucht“ nach einer gerechteren Gesellschafts- und Geschlech-terordnung ist. Dem Umstand, dass nun gerade die Sprache – die insbesondere in ihrer verschriftlichten Gestalt eine Form der Fi-xierung darstellt – ein zentrales Medium der Machtausübung ist, haben das Übersetzer_innen-Kollektiv gender et alia wie auch die Beitragenden und die Herausgeber_innen Rechnung getragen im Bemühen um eine geschlechtergerechte Sprache, die vor allem in den Übertragungen aus dem oft geschlechterneutralen Engli-schen experimentelles Terrain betritt.5

Zentrales Anliegen der anglophonen Affect Studies ist es, Emo-tionen und Affekte wieder ins Zentrum des Erkenntnisinteresses zu rücken, um das komplexe Verhältnis menschlicher Daseinsbe-

1514

dingungen, einschließlich politisch-gesellschaftlicher Kräfte und Machtverhältnisse sowie materiell-körperlicher Aspekte, kritisch neu auszuloten. Die Arbeiten dieses Forschungskontextes stel-len also keine Abkehr, sondern vielmehr eine Erweiterung der poststrukturalistisch und dekonstruktivistisch geprägten Diskus-sionen über Kultur, Subjektivität, Identität und Körper dar. Denn auch innerhalb der Affect Studies wird die jeweilige Situiertheit und Offenheit eines jeden Systems und Subjekts betont. Aller-dings gilt es, verstärkt die konstitutive Verwobenheit von Kör-per und Geist zu fokussieren, indem Emotionalität und Rationa-lität nicht mehr als einander entgegengesetzt, sondern als mitei-nander verbunden konzipiert werden (vgl. Clough/Halley 2007; Gregg/Seigworth 2010). Damit zeigt sich ein generelles Potenzial der Affect Theory: Mit dem Anspruch, eine neue Verhältnisbestim-mung zwischen individuellem Erleben und gesellschaftlichen Machtverhältnissen zu leisten, lassen sich ausgehend von Affek-ten binäre und damit hierarchische Strukturen dekonstruieren, wie es stets auch Anliegen feministischer Theorie gewesen ist. So ist die Auseinandersetzung mit Affekten innerhalb der Geschlech-terforschung nicht neu, sie hat aber durch den Affective Turn neue Impulse erhalten, denen wir im Folgenden nachgehen werden.

Als zentrale Impulsgeber für die Herausbildung des heteroge-nen Theoriefelds der Affect Studies sehen Melissa Gregg und Gre-gory J. Seigworth, Herausgeber_innen des Affect Theory Readers (2010), zwei 1995 erschienene Veröffentlichungen: den von Eve Kosofsky Sedgwick und Adam Frank edierten Band Shame and Its Sisters: A Silvan Tomkins Reader und Brian Massumis The Autono-my of Affect. Gregg und Seigworth sehen mit diesen beiden Tex-ten zwei verschiedene zentrale Ansätze der Affect Studies vertre-ten. Geprägt von den Konzepten von Baruch Spinoza und Gilles Deleuze/Félix Guattari steht zunächst Massumi mit seinen Über-legungen zu Affekten als „bodily capacities“ (Gregg/Seigworth 2010: 5) für eine eher kulturtheoretische Denkrichtung innerhalb der Affect Studies. Affekte werden von ihm als potenzielle, nicht bewusst wahrgenommene, d. h. als autonome, körperliche Reak-tionen gefasst. Sie organisieren die Materialität von Körpern und

Dingen, wobei Materie nach Massumi als vital und agierend zu verstehen ist. Die daraus folgende „Autonomie von Affekten“ be-deutet laut Massumi allerdings nicht, dass Affekte als prä-soziale Phänomene gefasst werden können (vgl. Massumi 2002: 23-45). Vielmehr werden Erfahrungen und Affekte in einem vielschichti-gen zirkulären Verhältnis zueinander gesehen. Erfahrungen und Kontexte prägen Affekte auch in materieller Hinsicht, sodass sich Muster nicht-linearer Wiederholungen ergeben. Affekte werden dabei als unvermittelt wahrgenommen und bilden gleichzei-tig eine nicht-kausale Grundlage für bewusste Gefühlszustände wie Emotionen. Massumi unterscheidet demnach zwischen Af-fekten und Emotionen, betrachtet sie aber als konstitutiv mitei-nander verbunden. Auch Patricia T. Clough geht in der Einleitung zu dem von ihr und Jean Halley herausgegebenen Sammelband The Affective Turn: Theorizing the Social (2007) von einem ähnli-chen Affekt-Verständnis aus. Für sie ist jedoch entscheidend, Af-fekte nicht alleine als körperlich oder materiell, sondern gleich-zeitig aus Technologien heraus entstehend zu begreifen. Durch Messungen und Visualisierungen von Affekten mittels verschie-dener Technologien werden Affekte und unser Verständnis von Affekten zuallererst konstituiert und bestimmte körperlich-mate-rielle Fähigkeiten erst hergestellt. Auf diese Weise wird nicht al-leine die Grenze zwischen Organischem und Nicht-Organischem, zwischen Humanem und Nicht-Humanem aufgelöst, vielmehr wird Technologie zur gefühlten Vitalität. Dies fasst Clough als af-fektive Wende in der kritischen Analyse der komplexen Verhält-nisse menschlicher Daseinsbedingungen, wenn sie schreibt: „The affective turn, therefore, expresses a new configuration of bod-ies, technology, and matter instigating a shift in thought in crit-ical theory“ (2007: 2). Die konzeptionelle Unterscheidung zwi-schen unbewussten Affekten als „modulating field of myriad be-comings across human and nonhuman“ (Gregg/Seigworth 2010: 6) und Emotionen als bewusst wahrgenommenen Zuständen ei-nes Menschen ist innerhalb der anglophonen Affect Studies weit-verbreitet, sie ist aber keineswegs unhinterfragt geblieben, wie weiter unten noch näher ausgeführt wird.

1716

Impulsgeber für eher psychobiologisch orientierte Ansätze sind Eve K. Sedgwick und Adam Frank, in deren oben erwähntem Band Schriften von Silvan Tomkins gesammelt und mit dem Vor-wort Shame in the Cybernetic Fold: Reading Silvan Tomkins (1995: 1-28) versehen werden. In Auseinandersetzung mit Darwin und Freud entwickelte Tomkins ab den 1960er-Jahren eine Affekt-Theorie, die acht oder neun jedem Menschen angeborene Affek-te6 unterscheidet, die für ihn das primäre Motivationssystem des Menschen ausmachen. Im Gegensatz zu dem, was Tomkins un-ter Trieben versteht, die seiner Meinung nach sehr eng an spezi-fische Objekte des Begehrens (wie Essen, Trinken, Atemluft, se-xuelle Handlungen) gebunden sind, können über Affekte unter-schiedliche Bindungen zu einer Vielzahl von Objekten hergestellt werden. Dieser Umstand räumt dem Menschen trotz der biologi-schen Fundierung der Affekte große Freiheiten ein, was die Ge-staltung von Austauschbeziehungen zur Umwelt betrifft. Trotz der Gefahr, dass der Rekurs auf ein biologisch fundiertes System einen biologischen Essentialismus bedeuten könnte, sind sowohl die konstatierte Freiheit dieses Systems als auch Tomkins’ Fokus auf qualitativ verschiedene Affekte, deren Unterschiedlichkeit die Art und Weise, wie Beziehungen gestaltet werden, immens ver-ändert, für Sedgwick und Frank von besonderem Interesse (vgl. 1995: 17). Zudem wenden sich die beiden gegen eine rein kogni-tivistische Auffassung von Affekten, wie sie ihrer Meinung nach für frühe, poststrukturalistisch ausgerichtete Arbeiten aus den Affect Studies üblich ist.7 Folglich nehmen weder Tomkins noch Sedgwick/Frank, im Unterschied zu an Massumi ausgerichteten Ansätzen, eine definitorische Unterscheidung zwischen unbe-wussten Affekten und bewussten Emotionen vor.

Wie die Ausführungen zu Massumi und Tomkins verdeutli-chen, eröffnen die beiden Theoretiker_innen und in weiterer Fol-ge auch Sedgwick und Frank Denkmöglichkeiten, wie Affekte am Übergang zwischen Körper und Geist, zwischen innen und au-ßen, zwischen Selbst und Anderer_ konzipiert werden können. Oder vielmehr: wie das Nachdenken über Affekte dazu genutzt werden kann, ebendiese für die herrschende (Geschlechter-)

Ordnung grundlegenden Binaritäten aufzubrechen und alterna-tive Modelle zu entwickeln. Wie Gregg und Seigworth betonen, ist Massumis wie auch Tomkins’ konzeptionell schwer zu verein-barenden Ansätzen somit immerhin gemeinsam, dass sie das „Dazwischen-Sein“8 als charakteristisches Merkmal von Affekten als Phänomenen des Übergangs und der Dynamik in den Vorder-grund stellen (vgl. 2010: 2). Diesen Gedanken in den Blick neh-mend, wendet sich im Laufe der 1990er-Jahre eine Vielzahl von Theoretiker_innen der Affect Studies dezidiert von der Frage ab, was Affekte und/oder Emotionen genau seien, und verzichtet in ihren Arbeiten auf eine strikte Unterscheidung zwischen bei-den Begriffen. Vielfach werden diese Termini gerade in einer Ver-schränkung konzipiert oder synonym verwendet, ohne dabei den somatischen und sinnesbezogenen Charakter von Emotionen ab-zustreiten oder diese als rein kognitive Konzepte oder Konstruk-tionen zu verstehen. Eindrückliches Beispiel stellt in diesem Kon-text Sara Ahmeds Buch The Cultural Politics of Emotion (2004b) dar, in dem sich Ahmed zunächst für den Begriff der Emotionen entscheidet. Sie widmet sich in diesem Band jedoch nicht der Fra-ge, was Emotionen seien, vielmehr werden diese hinsichtlich ih-rer „Wirkung“9 analysiert. Ahmed versteht Emotionen als soziale und kulturelle Praktiken, die das Verhältnis zwischen Selbst und Anderer_ sowie auch zwischen Selbst und Objekten konstituie-ren. Erst im Verlauf dieses performativ gedachten Prozesses wer-den Grenzziehungen zwischen einem „Innen“ und „Außen“ vor-genommen, so dass Selbst und Andere_ eine konkrete Gestalt annehmen. Sie hält fest:

„In my model of sociality of emotions, I suggest that emo-tions create the very effect of the surfaces and boundar-ies that allow us to distinguish an inside and an outside in the first place. So emotions are not simply something ,I’ or ,we’ have. Rather, it is through emotions, or how we respond to objects and others, that surfaces or boundar-ies are made [. . .]“ (2004b: 10).

1918

Menschen sind in dieser theoretischen Perspektive also nicht im Besitz ihrer Gefühle, sondern diese prägen die Art und Weise, wie sich ein Selbst zu Anderen in Beziehung zu setzen vermag, wobei sich das Innere dieses Selbst erst aufgrund des Austauschs von Gefühlen mit der umgebenden sozialen Umwelt herstellt. Ah-med spricht vom Subjekt als „nodal point“ (2004b: 46), als Kno-tenpunkt von Gefühlsökonomien. Die mittels Emotionen vorge-nommenen Grenzziehungen zwischen Selbst und Anderen neh-men wiederum einen öffentlichen Charakter an, sodass das Zir-kulieren von Emotionen soziale Ordnungen hervorzubringen, zu stabilisieren oder auch zu erschüttern vermag. Emotionen sind nach Ahmed also zentraler Motor von Ein- und Ausschlussprozes-sen in einem sozialen Umfeld. Sie können in Bewegung verset-zen oder lähmend wirken, Körper aufeinander zu oder voneinan-der weg bewegen. Eine zentrale Rolle spielt in dieser affektiven Konturierung intersubjektiver Verhältnisse der Rückgriff auf eine jeweils gesellschaftlich geprägte Vorgeschichte, die eine sich er-eignende Begegnung als potenzielle Bereicherung oder Bedro-hung erscheinen lässt. Im Rahmen postkolonialer Theorie wird so die wichtige Figur des „Gespenstes“10 aufgerufen: eine affek-tive Dimension, die Dringlichkeit, Gegenwärtiges und Störendes transportiert (vgl. O’Riley 2007: 1). Die Figur des Gespenstes be-zeichnet dabei den affektiven Moment, in dem die unterdrück-te koloniale Geschichte ins westliche Bewusstsein dringt und es zu verstören vermag. Mehr noch, nach Avery Gordon können be-sonders gewalttätige Ereignisse in der Geschichte wie die Skave-rei, Vertreibung und politischer Terror nur mittels der Figur des Gespenstes verstanden werden (vgl. Gordon 1997; Kuntsman 2008). Gordon versteht das Gespenstische im Anschluss an Ray-mond Williams als eine „structure of feeling“ ( Williams 1977; Gor-don 1997: 18) und stellt fest: „Being haunted draws us affectively, sometimes against our will and always a bit magically, into the structure of feeling of a reality we come to experience“ (1997: 8). Das Gespenstische scheint zwischen der kolonialen Vergangen-heit und dem globalen Zeit-Raum neuer Formen von Neo-Im-perialismus und transnationalem Kapital hervor. Paul Gilroy hat

für diese Heimsuchung durch das „Post/Koloniale“ den Begriff der „postkolonialen Melancholie“ (2004) verwendet: einer natio-nalistischen Gemütshaltung „weißer“ Engländer_innen, die sich aus dem nach wie vor nicht verarbeiteten Verlust des Empires speist. Postcolonial Melancholia bezieht sich also nach Gilroy auf einen imaginären, präkolonialen Moment ethnisierter und rassi-sierter Homogenität (ebd.: 97). Die Unfähigkeit, die großen Ver-änderungen und den Prestigeverlust im Anschluss an das Ende des Empires zu betrauern, und die Ankunft zahlreicher postkolo-nialer Bürger_innen, die die Frage, was es heißt, britisch zu sein, radikal pluralisierten, spielen eine zentrale Rolle, um den Schock, die Angst, das Unwohlsein und die Scham zu verstehen, die mit der Dekolonialisierung einhergingen und gleichzeitig beiseite-geschoben wurden. In gewisser Weise könnte man davon spre-chen, dass sich – im Gegensatz hierzu – Racial Melancholia im An-schluss an David Eng und Shinhee Han auf die Kehrseite der kol-lektiven Verdrängung der Mehrheitsgesellschaft bezieht, nämlich auf den inner-individuellen Konflikt rassisierter Identitäten. Da-bei verstehen die beiden diejenigen, die von gesellschaftlichem Ausschluss und Auslöschen bedroht sind, nicht als individuell pa-thologisch (vgl. 2003: 366); vielmehr führe die Zurückweisung der Ausgeschlossenen zu gemeinschaftlichen Aneignungen von Me-lancholie und ihrer Umdeutung als eine „structure of everyday life“ (ebd.). In eine ähnliche Richtung argumentiert José E. Mu-ñoz, wenn er „feeling brown“ als „feeling down“ (2006) beschreibt und damit der Frage nachgeht, wie Depression durch „Rasse“, Ge-schlecht und Sexualität formiert und organisiert wird. Die affekti-ve Strukturierung von „brownness“ ist laut Muñoz durch eine de-pressive Haltung geprägt, die nicht mit dem klinischen Verständ-nis von Depression gleichzusetzen ist. Vielmehr versteht Muñoz in seiner Lesart von Melanie Klein und Antonio Gramsci das ras-sisierte „feeling down“ als minoritäre Ästhetik und politische Pra-xis. Laut Muñoz fasst eine depressive Position „feeling brown“ als eine bestimmte Ethik des Selbst von People of Color und anderen minorisierten Subjekten, die affektiv nicht der Norm entsprechen (vgl. ebd.: 676).

2120

Einen weiteren Aspekt bringen die Arbeiten von Mel Y. Chen in die Debatte ein: Nach Chen sind nicht nur zwischenmensch-liche Beziehungen in affektive Konstruktionsprozesse verfloch-ten, sondern auch Verhältnisse zu zunächst Unbelebtem, das je-doch im Laufe der Prozesse „belebt“ wird. Chen diskutiert die af-fektive Aufladung rassisierter und vergeschlechtlichter Beziehun-gen als „toxisch“ und verknüpft dabei biografische Erfahrungen einer Schwermetallvergiftung mit biopolitischen Überlegungen, indem diese in den Rahmen transnationalen Kapitals und globa-ler Umweltbedrohungen gesetzt werden (vgl. in diesem Band). So kommt es in Anknüpfung an Donna Haraways Überlegungen (1991) zu einer Dekonstruktion scheinbar klar abgrenzbarer Ka-tegorien, denn Ding und Mensch, Belebtes und Unbelebtes er-scheinen als untrennbar miteinander verbunden. Um die Kon-struktionsprozesse von Bedrohungen für den individuellen Kör-per oder einen nationalen Körper fassen zu können, entwickelt Chen das Konzept der „giftigen Belebtheiten“, denn „Belebtheit basiert auf der Erkenntnis, dass abstrakte Vorstellungen, unbeleb-te Objekte sowie alle dazwischenliegenden Dinge – jenseits von Fragen nach Personifizierung – verqueert und rassisiert werden können, ohne dass es dazu menschlicher Körper bedarf“ (Chen in diesem Band: 216).

Die Affect Studies verstehen sich somit als eine Form der Gesell-schaftskritik, die Affekte als gleichzeitig intime und unpersönliche Phänomene begreift und dabei die Dimension des Gesellschaftli-chen und Politischen und die Dimension des Persönlichen und In-dividuellen als unauflösbar verflochten denkt. Gerade diese zen-trale Ausrichtung legt allerdings offen, dass es die Frage ernst zu nehmen gilt, ob sich in den 1990er-Jahren tatsächlich von einem Affective Turn in den Wissenschaften sprechen lässt. Ann Cvetko-vich beispielsweise warnt davor, auf diesen Begriff zu rekurrieren, da er die genealogischen Verknüpfungen der Affect Studies ver-decke, indem er suggeriere, die Affect Studies hätten etwas voll-kommen Neues in den Wissenschaftskontext eingebracht (vgl. 2012b: 133). Wie Cvetkovich und viele andere Stimmen kritisch anmerken, ist die Theoretisierung der Verflechtung von Intimität

und Macht und damit auch der privaten und öffentlichen Dimen-sion von Affekten seit langer Zeit ein zentraler feministischer For-schungsbereich.11 Bereits in den 1970er-Jahren war die westliche Frauenforschung im Kontext der sozialen Bewegungen des Femi-nismus mit dem bekannten Slogan „Das Private ist politisch“ an-getreten. So wurden bislang ins Private und deshalb jenseits der Öffentlichkeit verwiesene häusliche Unterdrückungsverhältnisse und Normierungen einschließlich sexualisierter Gewalt und ei-nem Abtreibungsverbot publik gemacht und neu als Folge struk-tureller und institutioneller Machtpraxen eingeordnet. Der priva-te Raum wurde als dominanter Austragungsort sexualisierter Ge-walt in den Fokus feministischer Kritik gerückt. Diese Fokussierung auf das Private als Sphäre des Politischen brachte eine ganze Rei-he von Studien in der Geschlechterforschung hervor, die sich mit den Konsequenzen der dichotomen Struktur von privaten und öf-fentlichen Räumen auseinandersetzen. Dabei wird insbesondere die geschlechtsspezifische Zuweisung bestimmter Familienposi-tionen und damit inner- und außerhäuslicher Arbeit in den Blick genommen.12 Gleichzeitig haben Geschlechterforscher_innen laut Pedwell und Whitehead schon lange die kritischen Verknüp-fungen zwischen Affekten und vergeschlechtlichten, rassisier-ten und milieu-bedingten Machtverhältnissen erkannt (vgl. 2012: 116). Gefühlsarbeit wird nicht allein in Arbeitskontexten angesie-delt, sondern auf vielfältige Formen von Liebes- und sexuellen Verhältnissen ausgeweitet. Insgesamt lässt sich der Überschnei-dungsbereich von Geschlechterforschung und Affect Studies mit Gorton vor allem an drei Feldern der Auseinandersetzung festma-chen: Gorton nennt als ersten Punkt die Analyse der Funktion der Öffentlichkeit von Gefühlen und deren Wirkmächtigkeit; zweitens gilt es, darüber nachzudenken, wie der feministische Grundsatz, „das Private sei das Politische“, im Rahmen aktueller und thema-tisch erweiterter Kontexte weitergeführt werden könnte; schließ-lich sollten nach Gorton Debatten darüber geführt werden, wie Gefühle als gesellschaftliche Güter zirkulieren, Gruppen hervor-bringen und Ausschlüsse erzeugen (vgl. 2007: 334). Besondere Aufmerksamkeit gilt in diesen Debatten z. B. der Care-Arbeit. So

2322

ist eine der Entwicklungslinien des Forschungsfeldes maßgeb-lich von Arlie Hochschilds Arbeiten zu emotionaler Arbeit bezie-hungsweise Gefühlsarbeit geprägt (vgl. 1975, 1979, 1983). Bereits seit Mitte der 1970er-Jahre hat Hochschild eine soziologische The-orie der Gefühle entworfen, nach der es für viele Berufe wichtig ist, die „richtigen“ Gefühle zu entwickeln und sie im Arbeitsalltag abrufen zu können. Der Fokus von Forschungen zu Gefühlsarbeit hat sich mittlerweile verschoben, zum einen auf Pflege- und Be-treuungsarbeit in (transnationalen) Familien, zum anderen auf die globalen Dimensionen von Care-Arbeit, die sogenannten „global care chains“ (Hochschild 2000).13 Globalisierte affektive Regime zwischen dem Norden und dem Süden verstärken die Feminisie-rung und Rassisierung von Hausarbeit und ihre hiermit verbun-dene Abwertung (vgl. Gutiérrez Rodríguez 2010). Damit steht die Diskussion von affektiver Arbeit als „Zirkulation von Affekten in der Hausarbeit“ (ebd.) in der Tradition feministischer Kritik an der Verteilung produktiver und reproduktiver Arbeit.

Tatsächlich stellen sich viele Vertreter_innen der Affect Studies seit den 1990er-Jahren explizit in den wissenschaftshistorischen und politischen Kontext feministischer Debatten. Die neueren Ansätze gestalten sich jedoch zunehmend transdisziplinär. Im Forschungsfeld der Affect Studies kreuzen sich somit eine Vielzahl genealogischer Stränge. Wie in Bezug auf das erste thematische Cluster (Affektive Politiken – Politiken der Affekte) dieses Bandes weiter auszuführen sein wird, stellen beispielsweise Lauren Ber-lants Überlegungen ein prominentes Beispiel für Überschneidun-gen zwischen den Affect Studies sowie feministischer, queerer, rassismuskritischer und marxistischer Theoriebildung dar. Berlant denkt die Bereiche des Öffentlichen als durchdrungen von Intimi-tät und Privatheit und formuliert hierfür den Begriff der „intimen öffentlichen Sphäre“14. In ihrem Text The Queen of America Goes to Washington City (1997) konstatiert Berlant für die konservativen USA Ende der 1990er-Jahre, dass eine Pervertierung des Intimen zum Politischen stattgefunden habe, indem, verbunden mit ei-nem Aufruf zur „Rückkehr“ zu guten alten Familienwerten, auf po-litischer Ebene sogenannte abweichende, queere sexuelle Praxen

als Bedrohung für die Nation dargestellt wurden. Die Sphäre der Intimität entwickelte sich also zu einem Ort der Formung eines (National-)Körpers.

Mit dem Hinweis auf die politisch gewünschte Rückkehr zu tra-ditionellen patriarchalen Modellen der Kernfamilie, die einher-geht mit der Verwerfung alternativer Formen des Zusammenle-bens, greift Berlant dezidiert queere Denktraditionen auf, die sich unter anderem in den Debatten um die sogenannte Anti-social Thesis in der Queer Theory manifestieren (vgl. Caserio et al. 2006). Bezug nehmend auf Lee Edelman (2004) und Leo Bersani (1996) wird in diesem Strang der Queer Theory eine Vorstellung von Zu-kunft verworfen, die nur im Zeichen einer reproduktiven Hete-ronormativität gedacht werden kann. Generell werfen zahlrei-che Arbeiten im Überschneidungsbereich von Affect und Queer Studies Fragen nach der Bedeutung affektiv konnotierter Zeitlich-keiten auf.15 Carolyn Dinshaw (1999, 2012) beispielsweise entwi-ckelt in Abgrenzung von einer für die westliche Moderne signi-fikanten Vorstellung von Zeitlichkeit als linear und teleologisch das Modell einer dynamischen, nicht-linearen Verbindung zwi-schen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Gegenwart, so Dinshaw, ist durch die Vergangenheit vermittelt, gleichzeitig wird die Vergangenheit durch den Blick aus der Gegenwart auf-grund ihrer jeweiligen affektiven Bezüge in erheblichem Maße verändert (vgl. 2012). Wenn Zeitlichkeit dank einer solchen af-fektiven Verbindung von Vergangenem, Gegenwärtigem sowie Künftigem nicht mehr als linear, sondern als vielfach miteinan-der verknüpft gedacht wird, können konventionelle historische (Gründungs-)Narrative sowie auch jenes der vermeintlichen „Na-türlichkeit“ der patriarchalen Kleinfamilie infrage gestellt wer-den. Als weiterer zentraler Anknüpfungspunkt an die Anti-social Thesis der Queer Theory werden innerhalb der Affect Studies aus-gehend von Konzepten der Perversion, Verwerfung, Depression, Verfehlung oder Scham Ideen von Zukünftigkeit entwickelt, die bislang als „negativ“ geltende Affekte integrieren und gleichzei-tig eine einfache Binarität zwischen negativen und positiven Af-fekten verweigern.16 Herkömmliche Formen von Glück17, wie sie

2524

beispielsweise mit dem Leben in einer heteronormativen Familie oder mit Fantasien eines (vor)kolonialen Ursprungsortes und da-mit der spezifischen Zeitlichkeit der westlichen Moderne verbun-den sind, werden einer kritischen Analyse unterzogen. So richtet sich eine Vielzahl der im Kontext dieser Denkrichtung entstande-nen Arbeiten auf eine Integration von Depression, Melancholie, Scham und Bad Feelings im Allgemeinen in eine kritische Kon-zeption von Zukünftigkeit.18 Die vertretenen Ansätze zielen da-bei zentral auf eine Entpathologisierung negativer emotiver Zu-stände, die deren politische Dimension sichtbar machen und Zu-sammenschlüsse von Menschen ermöglichen soll. Eine Gruppe von Forscher_innen und politischen Aktivist_innen, die wie Ber-lant und Cvetkovich dem sogenannten Feel Tank Chicago angehö-ren, greift diese Forderung mit öffentlichen Aktionen und Slogans wie „Depressed? It might be political!“ auf (vgl. Cvetkovich 2007, 2012a, b). Der Feel Tank Chicago ist dabei Teil eines größeren Pro-jekts, des sogenannten Public Feelings Project, das von Forscher_innen und Aktivist_innen im Raum Austin (Texas) initiiert wurde und weitere genealogische Verbindungen der Affect Studies deut-lich macht: Laut Cvetkovich (2007) waren es der Zweite Irakkrieg, der 11. September 2001 sowie die Wiederwahl George W. Bushs, die zur Formierung der Projektgruppe und zur gemeinsamen Auseinandersetzung mit der Gegenwartspolitik führten. Den Par-tizipant_innen ging es dabei weniger um eine Analyse der geo-politischen und historischen Grundlagen dieser Entwicklungen, wie Cvetkovich betont, als vielmehr um deren emotionale Trieb-kräfte (vgl. 2007: 460). Seitdem wurde in zahlreichen Debatten und Veranstaltungen dem lähmenden Gefühl, gegen die imperia-le Politik der USA sei mit herkömmlichem politischem Aktivismus wenig auszurichten, begegnet, indem alltägliche, negativ erleb-te Gefühlszustände wie Hoffnungslosigkeit, Apathie oder Indiffe-renz als politische Ressourcen begriffen wurden. Der Fokus des Interesses in der Suche nach alternativen Politiken liegt seither auf dem Alltäglichen, dem „everyday life“: „[H]ow [do] global poli-tics and history manifest themselves at the level of lived affective experience“? (Cvetkovich 2007: 461). So gilt in dieser Strömung

der Affect Studies der Alltag mit seinen intimen Ritualen als un-trennbar mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen verknüpft. Wie Kathleen Stewart, Autorin von Ordinary Affects (2007), betont, stehen die Gefühle des Privaten mit einer „öffentlichen“ Gefühls-struktur in konstitutivem Zusammenhang, wenn auch die Illusion eines scheinbar geschützten und vertrauten Rückzugsraums auf-rechterhalten wird. Mit der Analyse des Gewöhnlichen19 soll die-se trügerische Trennung zwischen einem Innen- und Außenraum kritisiert werden, die den Raum des angeblich Privaten jeglicher Auseinandersetzung zu entziehen droht. Dabei legt der Fokus auf die Verschränkung von Politik und Alltag auch die britischen Cul-tural Studies als wichtigen Referenzraum offen. Arbeiten von Ray-mond Williams und sein Verständnis von Kultur als „structure of feeling“ (1977) sind zentral für eine Auffassung von Affekten und Emotionen als Ausdruck des sozialen Lebens. Wie bereits erwähnt schließt Williams’ Kulturverständnis die gespenstischen Aspekte von Kulturgeschichte und die ihr inhärenten Ein- und Ausschlüsse in Gefühlsstrukturen mit ein.

Der Fokus auf die Formierung von Gruppen oder Kollektiven mittels des Bezugs auf geteilte affektive Stimmungslagen ist in-des innerhalb der Affect Studies auch vielfach einer Kritik unter-zogen worden. In Bezug auf die wirkmächtige Diskussion inner-halb des Feminismus um Anerkennung von Differenzen ruft bei-spielsweise Clare Hemmings dazu auf, auch das Potenzial affek-tiver Dissonanzen zu nutzen, um Konzepte einer feministischen „affektiven Solidarität“20 (2012: 157) zu generieren, die sich der Risiken der Vereinnahmung und Vereinheitlichung bewusst blei-ben. Auch Ahmed moniert bezüglich dieses Kritikpunktes, dass Frauen oftmals Einzelgeschichten zu einer kollektiven weiblichen Wunde fetischisiert und dabei ihren ursächlichen Kontexten und Strukturen entrissen hätten. Sie ruft zu einer „emotionalen Über-setzungsarbeit“21 (2004b: 173) auf, um sowohl Ähnlichkeiten als auch Unähnlichkeiten zu benennen, anstatt lediglich Identifika-tionen herzustellen. Nur so könnten die jeweiligen Erfahrungen historisiert und kontextualisiert werden. Eine ähnliche Problema-tik ortet Berlant in Bezug auf humanitäre, mitfühlende Affekte als

2726

„public feeling“, denn mit Berlant gilt es zu bedenken, dass Mit-gefühl und Mitleid22 mit Anderen, die als leidend erlebt werden, durch die historischen Klassenhierarchien der Privilegierten „hier“ und der Anderen „dort“ organisiert werden. Die leidenden Ande-ren werden damit jenseits eines „eigenen“ Ortes fixiert: im globa-len Süden, in einer anderen sozial-ökonomischen Schicht, einem niedrigeren Bildungsstand (vgl. Berlant 2004: 1). In die Idee des Mitgefühls ist also konstitutiv eine Hierarchie der Macht einge-schrieben, indem es „dem Eigenen“ zukommt, sich „für Andere“ humanitär einzusetzen.23

Aus einer anderen Denkbewegung kommend übt auch Sedg-wick (2003/in diesem Band) Kritik an affektiv geprägten Gruppen-bildungsprozessen; sie führt aus, dass ein Fokus auf vermeintlich geteilte Erfahrungen in der Vergangenheit, die von Erniedrigung und Diskriminierung und somit von negativen Affekten geprägt sind, dazu führt, zu stark an dieser Vergangenheit festzuhalten. Sie präferiert ein Verständnis von wissenschaftlicher Beschäfti-gung als queerer ästhetischer Praxis, die versucht, eine „Ganzheit“ (wieder)herzustellen, die es in dieser Form nie gegeben hat. Da- rauf wird in der Beschreibung des dritten Clusters (Lektüren von Af-fekten – Affektive Lektüren) dieses Bandes näher eingegangen. Mit Sedgwick lässt sich verdeutlichen, dass die Bezugnahme auf und die Weiterführung der Geschlechterforschung sowie der Cultural, Postcolonial oder Queer Studies innerhalb der Affect Studies nicht nur über geteilte inhaltliche Fragestellungen erfolgt. Die Fokus-sierung auf die Affekte des Alltäglichen und Subjektiven innerhalb der Affect Studies zielt auch darauf, in epistemologischer und for-maler Hinsicht alternative Pfade zu gehen. So beschreibt wiede-rum Stewart (2007) das Gewöhnliche als einen Ort der Intensität, Potenziale und Szenen, der adäquater in dichten Beschreibungen statt unter theoretischen Kategorien zu fassen ist. In Ordinary Af-fects wählt sie dafür eine für den wissenschaftlichen Kontext au-ßergewöhnliche Form, indem sie viele kleine Skizzen aneinander-reiht, ohne Kohärenz zwischen ihnen herzustellen. So entwickelt Stewart neue Ansätze von Ethnografie, die ihr Augenmerk auf Be-obachtungen der scheinbar oberflächlichen Textur des Alltags

legt (vgl. 2007, 2010). Diesen Fokus auf das Gewöhnliche hat Heather Love (2010a) im Zuge der Diskussion um einen Affec-tive Turn ergänzend als einen Descriptive Turn bezeichnet. Gene-rell greifen die Affect Studies mit dem Bestreben, eine alternative Forschungsmethodik zu praktizieren, ein feministisches Anliegen auf und entwickeln dieses weiter. Ausgehend von Affekten wer-den Strategien der Autorisierung vorgeschlagen, die anerkannte Normen des wissenschaftlichen Arbeitens infrage stellen. So wird das vielschichtige Verhältnis zwischen gesellschaftlichen Struk-turen und individuellem Erleben beispielsweise mithilfe der Res-source von (auto)biografischem Wissen reflektiert. Theorie basiert diesem Verständnis gemäß auf dem Alltäglichen, Gewöhnlichen, Persönlichen und Affektiven. Eine Trennung zwischen diesen Be-reichen kann nicht vorgenommen werden, im Gegenteil: Die Af-fect Studies betonen die notwendige Verschränkung von Theorie-bildung und Affekten.24 Dieser Ansatz kommt zunächst darin zum Ausdruck, dass für Forschungsarbeiten auf sogenannte Affective Archives (z. B. Memoiren, persönliche Essays) zurückgegriffen wird, die nicht zuletzt methodologische Fragen aufwerfen, was ein „Archiv“ überhaupt ausmacht (vgl. Cvetkovich 2003, 2012a, b; Love 2007; Probyn 2005). Durch die Verschränkung von persön-licher und wissenschaftlicher Textproduktion werden aber auch neue Formen des wissenschaftlichen Schreibens entwickelt, die sich an persönlichen Stimmen orientieren und nicht mehr dem Duktus scheinbar „objektiver“ Wissenschaftlichkeit verpflichtet sind. Auch hier können mit Verweis auf Praxen des „weiblichen Schreibens“, wie sie innerhalb der Geschlechterforschung und des literarischen Betriebes seit den 1970er-Jahren praktiziert wur-den, viele Kontinuitäten von der Frauenforschung zu den Affect Studies aufgezeigt werden.25 Doch stellen die Affect Studies der verabschiedeten, wissenschaftlich objektiven Wahrheit im Ge-gensatz zur feministischen Standpunkttheorie der 1970er-Jahre keine neue „Wahrheit der subjektiven Gefühle“ gegenüber. So kri-tisieren Vertreter_innen der Affect Studies vor allem die Kultur der Selbsterfahrungsgruppen der 1970er-Jahre, die einer Suche nach der „authentischen“ Stimme d_er Sprecher_in nachgegangen

2928

waren (vgl. Cvetkovich 2012b; Ahmed 2004b). Die Affect Studies bleiben den Erkenntnissen der poststrukturalistischen Theoriebil-dung verbunden, indem sie betonen, dass jedes Wissen nur als si-tuiertes Wissen gefasst werden kann,26 da alle Denker_innen nur von einer bestimmten, zeitlich, lokal und damit kulturell und sozi-al, vor allem aber auch körperlich verankerten Position aus schrei-ben und sprechen können. Damit wird zum einen die generelle Unmöglichkeit universell gültigen, abstrakt rationalen Denkens betont. Zum anderen stellen sich letztlich auch innere Wahrhei-ten als kontingent und immer nur vorläufige Lektüren sozialer Gegebenheiten dar.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die genannten the-matischen Schnittstellen zwischen feministischer, queerer und postkolonialer Forschung und den Cultural sowie Affect Studies insgesamt auf eine Neuformulierung des Verhältnisses von Öf-fentlichkeit und Privatheit zielen. Es lässt sich nachgerade von ei-ner Wechselwirkung zwischen diesen Forschungsansätzen spre-chen, wobei sich die verschiedenen Analysen alle im Kontext ei-ner verstärkten Auseinandersetzung damit ansiedeln, wie Macht durch Gefühle zirkuliert und dabei auf Körper zugreift und wie politisch relevante Seins- und Wissensformen durch emotionale Beziehungen und Diskurse produziert werden.27 Wie die Ausfüh-rungen hier gezeigt haben und wie auch Gregg und Seigworth (2010) betonen, werfen die Affect Studies in diesem Forschungs-komplex politische, ethische sowie ästhetische und epistemolo-gische Fragestellungen auf. Folgt man dieser Einschätzung, stellt sich sowohl in methodischer als auch in theoretischer Hinsicht die Notwendigkeit, einen transdisziplinären Ansatz zu entwi-ckeln, um unter Bezugnahme auf die Affect Studies im Umbruch befindliche Zusammenhänge zwischen Politik, Ökonomie, Kul-tur und Wissensproduktion in den Blick zu nehmen. Der vorlie-gende Band versucht, diesem Ansatz Rechnung zu tragen, in-dem er Beiträge von Forscher_innen verschiedener disziplinärer Herkunft versammelt, die sehr unterschiedliches Material bear-beiten und individuelle Zugänge zum jeweiligen Forschungsge-genstand wählen. Wie bereits erwähnt, sind die Beiträge in drei

Cluster geordnet, die im Folgenden kurz vorgestellt werden, um so noch einmal zu verdeutlichen, welche thematischen Ausrich-tungen dieser Band als zentral für die Debatten innerhalb der an-glophonen Affect Studies begreift. In jedem Cluster stehen zu Be-ginn zwei Schlüsseltexte28 aus dem anglophonen Raum, die hier erstmals ins Deutsche übersetzt worden sind. Daran anschlie-ßend folgen Artikel von Autor_innen, welche in ihren Auseinan-dersetzungen mit verschiedensten thematischen Schwerpunk-ten einen Beitrag zum Theorietransfer der Affect Studies in den deutschsprachigen Raum leisten.

Affektive Politiken – Politiken der Affekte

Ein zentraler Strang der Affect Studies widmet sich den affektiven Implikationen politischer Kulturen und sozialer Bewegungen. In Anlehnung an die vorgängig skizzierte feministische Tradition wird die scheinbar private Dimension von Affekten als politisch konzipiert. Diese Perspektive eröffnet einen erweiterten Begriff des Politischen, der materielle und affektive Strukturen als we-sentlichen Bestandteil in der Herstellung von Subjektivitäten, Öf-fentlichkeiten oder gar Nationen versteht. In diesem Cluster steht die Frage im Zentrum, wie affektive Bezüge Relationalitäten in Form gelebter Erfahrungen in der Gegenwart und in ihren histo-rischen und transnationalen Zusammenhängen strukturieren. Es knüpft an Diskussionen zum politischen Stellenwert von Gefühlen an – insbesondere von negativen Gefühlen wie Melancholie oder politischer Verdrossenheit (vgl. z. B. Brown 2003). Gerade die Fi-gur der politischen Depression wird von Projekten wie dem Public Feelings Project oder dem Feel Tank Chicago als Ausgangspunkt für ihre Analysen derzeitiger gesellschaftlicher Verhältnisse und da-rin enthaltener politischer Handlungsmöglichkeiten genommen. Häufig ausgehend von Untersuchungen von politischem Aktivis-mus im Kontext von Aids/HIV (vgl. z. B. Crimp 2002; Gould 2009) oder einer Theoretisierung von Racial Melancholia29, erachten Ar-beiten der Affect Studies Gefühle von Melancholie, Depression,

3130

Wut, Trauer, Scham u. a. als bedeutsame Zugänge, um Verlust po-litisch zu fassen. In der Verschränkung von Politik und Emotionen gehen solche Ansätze der Frage nach einer Rekonzeptualisierung dieses Verhältnisses nach. Melancholie und andere Gefühle wer-den als Grundlage der Analyse politischer Depressionen oder des Verlustes an Hoffnung auf Veränderung und gleichzeitig als Res-source für alternative Politiken betrachtet. Statt sie als hinderlich für politische Praxen einzuordnen, gehen solche Arbeiten von Ge-fühlen nicht alleine als sozial vermittelt und daher politisch aus, sondern fassen sie gerade in ihrer Negativität als transformativ für politische Praxen (vgl. Crimp 2002; Love 2007; Berlant 2011; Gould 2009; Halberstam 2011). Negative Gefühle werden als produkti-ves Korrektiv für eine „vereinfachte“ Politik der Hoffnung auf eine „bessere Zukunft“ verstanden. Solche Arbeiten kritisieren eine Politik des Fortschritts, die außer Acht lässt, dass die damit ver-bundene „Hoffnung auf eine bessere Zukunft“ für marginalisier-te Subjektpositionen wie People of Color, Menschen mit Migrati-onshintergrund, Diaspora-Gemeinschaften sowie sexuell und ge-schlechtlich nicht binär klassifizierbare Menschen nicht gleicher-maßen zugänglich ist wie für weiße Subjekte der mittleren und oberen Einkommensklassen im Globalen Norden/Westen.

Solche Dimensionen affektiver Politiken greift der für die vorlie-gende Anthologie ausgewählte Schlüsseltext auf: Ann Cvetkovichs im Jahr 2012 in der Zeitschrift Feminist Theory publizierter Text De-pression Is Ordinary: Public Feelings and Saidiya Hartman’s „Lose your mother“. Ausgehend von oben erwähnten Arbeiten zu Racial Mel-ancholia erarbeitet Cvetkovich affektive Dimensionen rassisier-ter und ethnisierter Subjektpositionen und fasst damit einherge-hende Rassismen als Form von Verlust und Trauma. Laut Cvetko-vich eröffnet gerade der Zugang über Diaspora einen alternativen Ausgangspunkt zu den medizinischen Erklärungen im Kontext ei-nes weißen, mittelständischen Globalen Nordens/Westens in der Erforschung von Depression. Cvetkovich richtet ihren Blick vom scheinbar biochemisch evozierten affektiven Zustand der De-pression, also von einem klinischen Verständnis, weg, hin zu einer politischen Betrachtungsweise von Depression. Am Beispiel von

Saidiya Hartmans persönlichem Narrativ in Form wissenschaftli-cher Memoiren erfasst Cvetkovich Depression als Erfahrung von Kolonialismus, Genozid, Sklaverei und Rassismus. Depression wird politisch gedeutet, ohne dabei die klinischen Ausprägungen zu negieren oder als durch Politiken der Anerkennung und Wieder-gutmachung „heilbar“ darzustellen. Indem Cvetkovich die Gat-tung der Memoiren als Ausgangspunkt ihrer Analyse der Zusam-menhänge zwischen Affekten und Politiken in ihren historisch in-formierten, gegenwärtigen Ausformungen und transnationalen Dimensionen nimmt, konzipiert sie scheinbar individuelle Affek-te als öffentlich und politisch, wobei sie den Fokus auf das affekti-ve Gewöhnliche30 in der historisch vermittelten Gegenwart31 legt.

Als zweiten Schlüsseltext für das Themencluster rund um Poli-tik und Affekte haben wir Lauren Berlants Text The Subject of True Feeling: Pain, Privacy and Politics gewählt. Dieser Text, der im Jahr 2000 im von Sara Ahmed et al. herausgegebenen Sammelband Transformations erschienen ist, fasst Affekte als konstitutiv für die Herstellung von sozialer Differenz bis hin zu Konstrukten wie je-nem der Nation. Mit dem Konzept der „nationalen Sentimentali-tät“ erörtert Berlant, wie Affekte als ein Ort der Evidenz sozialer Ungleichheit gelten und in einem konstitutionellen Modell von Staatlichkeit als Legitimation für Forderungen nach Anerkennung dienen. Berlant zeigt auf, wie einerseits ein konstitutives Modell von Politik, das nationale Bürger_innenschaft als eine Identifika-tion mit dem Recht und mit der Nation fasst, die dieses Recht er-stellt und verwaltet, und andererseits politische Bewegungen, die ihren strukturellen Ausschluss in Form von Leidklagen politisch werden lassen, zusammenzudenken sind: Laut Berlant basieren beide auf einer Version von Politik, die die Nation durch den Blick von ausgeschlossenen und daher leidenden Subjektpositionen imaginiert, indem sie dem Staat eine Universalität zuschreibt.

An diese übersetzten Schlüsseltexte knüpfen die drei weiteren Bei-träge des Clusters an. Ausgehend von aktuellen politischen Mobi-lisierungen, deren Ausdrucksmittel Wut, Empörung und Solidari-tät sind, fragt Brigitte Bargetz in ihrem Beitrag Jenseits emotionaler

3332

Eindeutigkeiten. Überlegungen zu einer politischen Grammatik der Gefühle nach dem damit einhergehenden Stellenwert von Affek-ten für emanzipatorisches Handeln und für Forderungen nach al-ternativen und gerechteren Formen politischer, sozialer und öko-nomischer Teilhabe. In ihrem Beitrag entwickelt Bargetz eine „po-litische Grammatik der Gefühle“ (Bargetz in diesem Band), die Af-fekte als Regime fasst und damit über die Entgegensetzung von Affekten als stärkendem und relationalem Potenzial versus Affek-ten als Mittel emotionaler Differenzziehungen und delegitimie-render Zuschreibungen hinausgeht. Anhand von Ann Cvetkovichs Ansatz politischer Depression und Lauren Berlants Konzept „na-tionaler Sentimentalität“ fasst Bargetz’ Theorie des Politischen analytisch die Unterscheidung zwischen Gefühlen als Instrument und Motor des Politischen (Politik der Gefühle) und Gefühlen als emotionalem politischem Handlungs- und Erkenntnismodus (Po-litik fühlen). Diese Logiken erlauben es laut Bargetz, die Einbin-dung von Gefühlen in Macht- und Herrschaftsverhältnisse zu pro-blematisieren und daraus resultierende emanzipatorische Poten-ziale zu lokalisieren.

Yv Eveline Nay fragt in seinem_ihrem Beitrag „Not gay as in hap-py, but happy as in family”: Affektive Politiken nationaler Sentimen-talität am Beispiel der affektiven Strukturierung von sogenann-ten „Regenbogenfamilien“-Politiken, wie Politiken mit Gefühlen gemacht werden, und zugleich, wie sich diese Gefühle zu affek-tiven Stimmungslagen verdichten. Die Fokussierung auf „Glück“ im Rahmen der politischen Forderungen nach Anerkennung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Queers (LGBTQ) durch den nationalen Rechtsstaat zeigt laut Nay, wie national privile-gierte Intimitäten affektiv bestärkt werden. Dabei bezieht sich Nay auf Lauren Berlants Konzept der „nationalen Sentimentali-tät“, erweitert dieses jedoch um die Dimension des „Glücks“. Die-se Erweiterung ermöglicht, die (bedingte) Anerkennung von be-stimmten Konstellationen von LGBTQ mit Kindern über eine Iden-tifikation vonseiten privilegierter Bürger_innen mit deren „Glück“ als ein gleichzeitig damit verbundenes Othering von „Regenbo-genfamilien“ zu erörtern. Nay liest diese affektiv durch „Glück“

strukturierte, verandernde Identifikation als eine Bestätigung des privilegierten Hegemonialen und mit Sara Ahmed (2010) gleich-zeitig als ein Versprechen nach zukunftsverheißendem „Glück“ in der Figur der „Regenbogenfamilie“. Dieses Versprechen verortet Nay schließlich in aktuellen gesellschaftspolitischen Machtver-hältnissen, die sich als affektive Stimmungslage manifestieren.

Wie Prozesse der Marginalisierung über die Wiederholung von konventionellen Inszenierungen von Leiden hinausgehend kom-plexer analysiert werden können, fragt Anja Michaelsen in ihrem Beitrag Zur Zurückweisung rassifizierter Melancholie und nationaler Sentimentalität: Affektpolitiken transnationaler Adoption in Sophie Brediers autobiografischer Dokumentation „Nos traces silencieuses“ (F 1998). Dabei knüpft Michaelsen an Lauren Berlants Kritik der politischen Rhetoriken des Leidens und Ann Cvetkovichs Hinwen-dung zum Alltäglichen und Gewöhnlichen an und untersucht an-hand von Brediers autobiografischer Dokumentation transnati-onaler Adoption, inwiefern deren Narration des Gewöhnlichen selbst eine affektive Politik darstellt. Dabei betrachtet Michaelsen die reduzierte Ästhetik des Dokumentarfilms als ein Mittel der „Störung“ und des Aussetzens konventioneller melodramatischer und sentimentaler Wahrnehmungen transnationaler Adoptions-beziehungen. Dieses Stilmittel liest Michaelsen in Anlehnung an David Engs und Sara Ahmeds Erörterungen zu rassisierter Me-lancholie als Ausdruck der affektiv strukturierten Geschichtsver-gessenheit dominanter Sichtweisen im Kontext transnationaler Adoption. Es verweist die Melancholie an die historisch zu veror-tende Amnesie der Adoptiveltern zurück. Dadurch erst wird laut Michaelsen in Anlehnung an Berlant deutlich, wie sich die Zu-schreibung rassisierter Melancholie für eine nationale Sentimen-talität in Gestalt eines Rettungsnarrativs im modernen Adopti-onsdiskurs als produktiv erweist: Indem transnational Adoptier-ten rassisierte Melancholie zugeschriebenen wird, werden sie ge-mäß Michaelsens Analyse in ein nationales Projekt der Überwin-dung des Leidens Anderer eingebunden.

3534

Affektive Grenzen und Durchlässigkeiten

Mit der Frage nach der Wirkung von Affekten wird eine weitere zentrale Perspektive der Affect Studies angesprochen. Hier wer-den Affekte als Akteure verstanden, ihre performativen Aspekte hervorgehoben und somit das „Tun“ der Affekte in den Vorder-grund gerückt. In Verbindung mit einer Critical-Race-Perspektive wird hier auf Trennlinien unterschiedlicher Positionierungen und entprivilegierender Differenzen wie auch auf Verbindendes, auf die Wirkmächtigkeit von „Rasse“ und Rassisierungen fokussiert. Die konstitutive Verwobenheit von Affekten mit nationalen und globalen gesellschaftlichen Verhältnissen wie Rassismus, Kolo-nialität, Kapitalismus und Ausbeutung von Arbeitskraft steht im Blickpunkt und verweist auf gesellschaftliche Gefühlslagen, die über das Materiell-Körperliche und Intime hinausweisen, auch wenn dieses als Ausgangspunkt dienen mag.

Wie bereits ausgeführt, sind hier vor allem die Arbeiten Sara Ahmeds zu nennen, die wiederum im Rückgriff auf feministische Theoriedebatten auf eine Dekonstruktion der dichotom organi-sierten Gegenüberstellung von Innen- und Außenräumen, Selbst und Andere_r, Subjekt und Objekt zielen. Auch im hier ausge-wählten Schlüsseltext, dem 2004 in der Zeitschrift Theory, Culture & Society erschienenen Text Collective Feelings: Or, The Impressions Left by Others, spielt die Erkenntnis, dass solche Entitäten im Rah-men affektiv durchdrungener Begegnungen zuallererst herge-stellt werden, eine zentrale Rolle. Folglich fokussiert Ahmed auf Prozesse der Grenzziehung, des „surfacing“ (2004a: 25), die auch im Hinblick auf kollektive Körper von großer politischer Bedeu-tung sind. Unter Berücksichtigung individueller und gleichzeitig gesellschaftlich bestimmter Vorgeschichten lassen sich vor die-sem theoretischen Hintergrund sowohl die Bildung von Gemein-schaften und Koalitionen als auch das Entstehen von Ausschlüs-sen und Verwerfungen affekttheoretisch analysieren.

Mit Mel Y. Chens Ansatz der toxischen Belebtheit, publiziert 2011 in GLQ: A Journal of Lesbian and Gay Studies unter dem Ti-tel Toxic Animacies, Inanimate Affections, werden in der Tradition

Donna Haraways zudem die Dichotomien von Belebtem versus Unbelebtem, Menschlichem versus Nicht-Menschlichem, Orga-nischem versus Anorganischem kritisch hinterfragt. Während Ahmed die performative Herstellung von Entitäten betont, lässt sich Chen ausgehend von einer theoretischen Analyse von „Toxi-zität“ von dem Gedanken der Entgrenzung imaginärer Entitäten leiten. Die materielle und metaphorische Durchlässigkeit schein-bar abgeschlossener Körper lässt diese vielmehr als in permanen-tem Austausch befindlich erscheinen. Die Kritik an der politischen Nutzbarmachung einer permanenten Angst vor Auflösung, Kon-tamination oder Bedrohung eines als heil und unversehrt imagi-nierten (Kollektiv)Körpers steht im Zentrum solcher affekttheore-tischer Überlegungen und knüpft in besonderem Maße an The-men der Critical Race Studies, der kritischen Migrationsforschung aber auch der Disability Theory an.

Andrea Maihofer unterzieht in ihrem Beitrag Sara Ahmed: „Kol-lektive Gefühle“ – Elemente des westlichen hegemonialen Gefühls-regimes den für diesen Band ausgewählten Text von Sara Ahmed einer detaillierten Lektüre. So fokussiert sie im Anschluss an eine Rekonstruktion des Verständnisses von Gefühlen und deren Wirk-mächtigkeit bei Ahmed erstens auf Prozesse von Selbstaffirma-tion und Othering. Sie stellt die Frage, inwiefern es Ahmeds An-satz nahelegt, diese Prozesse als gleichursprüngliche zu denken, und rekurriert dabei unter Bezugnahme auf das Konzept der „Ver-letzlichkeit“ auf eine aktuelle geschlechtertheoretische Debatte zu intersubjektiven Verhältnissen (vgl. Maihofer in diesem Band: 258/263). Nach Maihofer ist diese Debatte von einer Schrägla-ge gekennzeichnet, da vor allem Prozesse der Veranderung fo-kussiert werden, sodass die damit konstitutiv verwobene Dyna-mik der Selbstaffirmation aus dem Blick zu geraten droht. Zwei-tens rahmt Maihofer diese Ausführungen durch einige grundle-gende Darlegungen zu einem hegemonialen Gefühlsregime, das sie als gesellschaftlich-kulturelles Phänomen versteht, das durch und durch vergeschlechtlicht ist und vergeschlechtlichend wirkt und gleichzeitig aufs Engste mit dem jeweiligen epistemischen Regime verbunden ist. Zusammen mit Maihofers Anliegen der

3736

Anerkennung von Differenz (vgl. Maihofer 2001) ergibt sich aus dieser Perspektive die Notwendigkeit, die affekttheoretische Di-mension verstärkt in die Analyse von Disziplinierungs- und Nor-malisierungsprozessen sowie, gouvernementalitätstheoretisch formuliert, von Herrschafts- und Selbsttechnologien einzube-ziehen. Dies ist eine der zentralen Aufgaben auf dem Weg zu ei-ner systematischen Betrachtung von Gefühlen aus einer gesell-schafts- und geschlechtertheoretischen Sicht, wie sie von Andrea Maihofer zum Abschluss ihres Beitrags formuliert wird.

Auch der Beitrag von Andrea Zimmermann „Armes Ding“: Affek-tive Strukturen in der hegemonialen Geschlechterordnung lässt sich vor diesem theoretischen Hintergrund verorten. Ihrer Analyse des 2008 uraufgeführten Theaterstücks Armes Ding von John Birke liegt die Frage zugrunde, welche Körper innerhalb bestimmter af-fektiver Strukturen in welcher Weise zutage treten können. Der mit liebe übertitelte Mittelteil des als Triptychon organisierten Tex-tes legt im Anschluss an Sara Ahmeds Verständnis von Emotionen als soziale und kulturelle Praktiken das aus- und einschließende „Tun der Affekte“ offen. Die zentrale Figur des analysierten Stücks, ein bei einer Explosion schwer verwundeter Mann, leidet nicht nur unter der für seinen Lebensunterhalt notwendig geworde-nen Inszenierung seines Körpers und seines Lebens für die fas-zinierte und gleichzeitig entsetzte Öffentlichkeit. Vielmehr leidet er unter dem Verlust seines bisherigen Selbstverhältnisses. Durch eine solche Lesart wird die affektive Dimension eines mit dem bürgerlichen Konzept von Männlichkeit eng verbundenen Able-ism, wie er im Rahmen der Disability Studies kritisiert wird, be-leuchtet (vgl. Shildrick 2009; Jacob et al. 2010; Bell 2011). Zimmer-mann untersucht mit Blick auf Affekte der Liebe und des Glücks, inwiefern Birkes Text Kritik übt an bestehenden hegemonialen Machtverhältnissen und den damit verbundenen Diskriminie-rungsmechanismen. Gleichzeitig, so will die Analyse zeigen, wer-den diese gewaltsamen Mechanismen durch den Theatertext auf-gerufen und re-inszeniert, sodass die Bewegung der Kritik stets prekär bleibt, da sie droht, zu einer Bewegung der Affirmation zu werden.

Serhat Karakayalı greift in seinem Beitrag Regime der Alterität: Politik und Affekt das Moment der Gemeinschaftsbildung und So-lidarität auf. Ausgehend von der Idee des Minder-Werdens im Anschluss an Gilles Deleuze und Félix Guattari erörtert sein Bei-trag, inwiefern den affektiven Dimensionen des Verhältnisses von Identität („wir“) und Alterität („die Anderen“) transformato-risches Potenzial innewohnt. Karakayalı erarbeitet die das Sub-jekt transformierenden Affekte bezogen auf Kollektive einerseits mit Sara Ahmeds (2004b) und andererseits mit Lauren Berlants und Michael Hardts (Berlant/Hardt 2008) Überlegungen zum Be-griff der Liebe. Bei Ahmed versteht er die multikulturelle britische Gesellschaft als eine wesentliche Ausformung kollektiver Liebe, „die d_ie Andere_n in ihrer spezifischen Andersheit einschließt“ (Karakayalı in diesem Band: 306), um damit Differenz und in letz-ter Konsequenz das Eigene zu idealisieren. Die affektive Politik des Multikulturalismus gründe daher auf Ausschluss. Berlant und Hardt greifen demgegenüber laut Karakaylı auf Baruch Spinozas Idee der Liebe als wechselseitige Affizierung, als Fähigkeit, Hand-lungsmacht zu steigern oder zu mindern, zurück. Hier werde die Gegenüberstellung von Individuum und Gesellschaft, von Gefühl und Verstand kritisch betrachtet, sodass die Beziehungen zu an-deren Menschen bzw. soziale Interaktionen als grundlegend für die menschliche Existenz gedacht werden. Für Karakayalıs Über-legungen zu einer Kollektive transformierenden Liebe ist dem-nach Spinozas Idee der Transindividualität von großer Bedeu-tung, denn sie bereitet den Weg dafür, sich der Sache der Ande-ren anzunehmen und Solidarität zu verstehen.

Lektüren von Affekten – Affektive Lektüren

Der Rekurs auf den Begriff der Lektüre im Titel dieses Clusters ver-weist auf den Umstand, dass innerhalb der Affect Studies sämt-liche sozialen Interaktionen als Lese- und Interpretationspro-zesse verstanden werden können. Wie unter anderem Sara Ah-med (2000, 2004b) prominent betont, werden im Rahmen einer

3938

sozialen Interaktion die Anderen, handle es sich dabei um Men-schen, Texte oder Gegenstände, als „Text“ wahrgenommen und gelesen, wobei diesen basierend auf früheren, sozial geprägten Lektüren Bedeutung zugeschrieben wird. Die Metaphern des Tex-tes oder auch des Zeichens verweisen in diesem Zusammenhang auf den Umstand, dass Lektüren notwendig Verkürzungen zur Fol-ge haben, da sie innerhalb eines kulturell und historisch beding-ten Leserahmens erfolgen. Lektüre-Bewegungen müssen auf-grund ihrer Kontingenz stets unabgeschlossen bleiben und jede Lektüre entspricht einer Interpretation, die individuelle Akzente setzt und Auslassungen mit sich bringt (vgl. Ahmed 2000: 15). Für die Affect Studies ist es in Bezug auf das Eingeständnis der Parti-kularität aller Erkenntnis und Wissensproduktion von Wichtigkeit, nicht nur die subjektive, sondern auch die affektive Situiertheit der eigenen wissenschaftlichen Lektüre-Praxis zu reflektieren. Während traditionell Lektüren im Allgemeinen und wissenschaft-liche Theorien im Besonderen mit einer gewissen Objektivier-barkeit ihrer Erkenntnisse in Verbindung gebracht werden wol-len, greifen die Affect Studies auf das Postulat einer unumgäng-lichen Verschränktheit von Emotionalität und Rationalität zurück (vgl. Pedwell/Whitehead 2012: 119). Sie gehen davon aus, dass die Nähe von Anderen und Anderem affektive Gestimmtheiten in ei-nem Selbst auslöst, die dessen Verhältnis zu diesen Anderen for-men, womit ein Verständnis von Selbst und Ander_er zuallererst entsteht (vgl. Ahmed 2004b: 10). Auch wissenschaftliche Lektüren sind von der eigenen affektiven Involviertheit in den Lese- und Schreibprozess wie auch von der affektiven Behandlung des Ana-lysegegenstands geprägt. Dies hat wiederum die Forderung nach einer alternativen Produktion von Wissen zur Folge (vgl. Berlant/Luciano 2013). So versuchen die Affect Studies vermehrt, die Mög-lichkeiten des wissenschaftlichen Schreibens als Praxis künstleri-schen Schreibens auszuloten (vgl. ebd.; Probyn 2010; Cvetkovich 2012a, b). Wie im Folgenden die beiden für dieses Cluster gewähl-ten Schlüsseltexte sowie die weiteren Beiträge dieses Bandes illus-trieren, geht es den Affect Studies also nicht nur um das Praktizie-ren von Wissenschaft als „Lektüre von Affekten“, sondern auch um

eine je individuelle Auseinandersetzung mit Wissenschaft als af-fektiv geprägter Lektüre- und Schreibpraxis.

In dem ersten hier vorgestellten Schlüsseltext reflektiert Els-peth Probyn ausdrücklich ihre eigenen Schreib- und Leseerfah-rungen in Bezug auf ihren Gegenstand und ihre Leser_innen-schaft. Probyns Text Writing Shame erschien zunächst als Buch-kapitel ihres Bandes Blush: Faces of Shame (2005: 129-162), be-vor er in leicht gekürzter und modifizierter Form in Greggs und Seigworths Affect Theory Reader (2010: 71-90) publiziert wurde. In Writing Shame verschränkt Probyn Reflexionen über die eigene Schreibsituation und -motivation als Akademikerin und ihre eige-ne affektive, das heisst „schamhafte“ Involviertheit in ihr Schreib-unternehmen mit Lektüren der Aussagen anderer Autoren wie Stephen King, Gilles Deleuze oder Primo Levi. Wichtig ist für Pro-byn die ethische Komponente des „schamhaften Schreibens“. Probyns ethisches Konzept der Scham besteht darin, einen Duk-tus ins wissenschaftliche Schreiben einzuführen, der der Unmög-lichkeit einer abstrakten, entkörperlichten Objektivität Rechnung trägt, ohne aber die persönliche „Wahrheit“ der eigenen Erfah-rung in den Vordergrund zu stellen. Im Text umkreisen verschie-dene Perspektiven das Thema von Scham und Schreiben, ohne eine Perspektive als die allgemeingültige zu postulieren.

Im zweiten für dieses Cluster ausgewählten Schlüsseltext, dem Kapitel Paranoid Reading and Reparative Reading, or, You’re So Par-anoid, You Probably Think This Essay Is About You aus dem 2003 er-schienenen Band Touching Feeling reflektiert Eve Kosofsky Sedg-wick den Zusammenhang zwischen Affekten und wissenschaftli-cher Theoriebildung. Für Sedgwicks wie für Probyns Überlegun-gen spielen Silvan Tomkins Analysen zu Affekten eine große Rolle. Im ausgewählten Text wendet sich Sedgwick allerdings von der Scham als zentralem Affekt der Theoriebildung ab und geht nun auf den Zusammenhang zwischen dem Affekt-Komplex der Para-noia und Theoriebildung ein. Sedgwick richtet sich hier gegen die poststrukturalistisch geprägten Praxen des Sichtbarmachens des Verborgenen, die sie nunmehr als paranoide Suche nach zugrun-deliegenden Mustern oppressiver Strukturen der Gesellschaft

4140

konzeptualisiert. Paranoia ist für sie mit negativen affektiven Zuständen wie Angst oder Beklemmung als Resultat vergange-ner Erfahrungen von Oppression verbunden. Paranoides Lesen möchte nun nach Sedgwick diese negativen Affekte in Zukunft vermeiden, wobei gerade der Versuch der Vermeidung zu einer Konzentration auf genau diese führt. Dieser Lektüre-Bewegung stellt Sedgwick ihr Konzept eines reparativen Lesens gegenüber, das auch für positive und freudige Überraschungen offen bleibt. Ihr Text steht paradigmatisch für eine Bewegung in den rezente-ren Affect Studies, die geprägt ist von Lektüre-Praxen, die nicht mehr zentral Kritik üben an bestehenden, „versteckten“ Struktu-ren der Oppression. Im Gegensatz dazu wird der Fokus auf eine Entwicklung von Lese-, Schreib- und Theorie-Praxen gelegt, de-ren Ziel es ist, auf kreative Weise mit affektiven Gestimmtheiten zu arbeiten (vgl. u. a. Cvetkovich 2012a).

Marie-Luise Angerer geht in ihrem Beitrag zu Affekt: Scham und Paranoia zwei Verschiebungen nach, die durch den Affective Turn in theoretischen Debatten auszumachen sind: einerseits der Er-setzung von Sexualität durch Affekt, andererseits dem damit ein-hergehenden Interesse an Scham anstelle von Schuld. Sie geht de-tailliert auf Sedgwicks Tomkins-Lektüre ein und konstatiert, über Sedgwick hinausgehend, eine eigentliche „Scham-Welle“, die auch weitere Theoretiker_innen wie Probyn erfasst habe. Angerer unter-zieht diese „Scham-Welle“ ihrerseits einer kritischen Analyse und nimmt dabei Bezug auf eine Vielzahl von theoretischen Positio-nen, welche Materie, Tier und Körper der Sprache und dem Subjekt gleichwertig zur Seite stellen. Außerdem rückt sie die Frage nach paranoiden Lektüren – im Sinne einer Hermeneutik des Verdachts – in den Fokus. Gerade in Anwendung auf Gehirn- und Computer-forschung (die ihrerseits auch auf Tomkins zurückgreifen) wie auch auf Zeitlichkeit lotet Angerer das Potenzial der Scham als Scharnier zwischen Natur und Kultur aus, der eine paranoide Grundhaltung gut ansteht, wenn es darum geht, den zeitgenössischen affekti-ven Bindungen in Politiken der Kontrolle etwas entgegenhalten zu können. Sedgwick zitierend folgert Angerer für die Jetztzeit: „[D]u kannst nie paranoid genug sein“ (2003/in diesem Band: 361).

Angelika Baier nimmt in ihrem Beitrag „Schrecklich ist vor allem, was wir nicht begreifen“: Affektive Lektüren und Demenz in Arno Gei-gers „Der alte König in seinem Exil“ ebenfalls auf Sedgwicks Ausfüh-rungen zu Paranoia Bezug. Dabei arbeitet Baier heraus, dass sich Paranoia auf verschiedenen Ebenen als inhärent menschliche Stra-tegie darstellt, die verfolgt wird, um Kontrolle über eine als uner-klärlich erlebte Umwelt zu erhalten. Mittels paranoider Lektüren werden Lese-Muster etabliert, was dem Unerklärlichen Sinn ver-leiht und hilft, künftig Angst zu vermeiden. Für Baier stellen sich insbesondere mediale Darstellungen von Demenz, die sich auf medizinische Definitionen des Phänomens berufen, als paranoide Lektüren dar, da sie Demenz als eine Bedrohung für das zukünfti-ge Funktionieren von Gesellschaften inszenieren. Baier stellt nun diese angstbetonte Perspektive einer literarischen Annäherung an Demenz gegenüber. In Arno Geigers autobiografisch orientiertem Text Der alte König in seinem Exil (2011) lotet der Autor sein Verhält-nis zum dementen Vater aus. Sowohl Vater als auch Sohn leiden unter dem Verlust des Gewohnten, unter dem Zerfall der bekann-ten familiären Muster des Zusammenlebens. Wie Baier herausar-beitet, ist Geigers Text nicht nur von beider paranoider Suche nach Kontrolle über die demenzbedingten Auflösungserscheinungen bestimmt. Er zeigt in seiner poetisch-reparativen Annäherung an den Vater auch, dass Demenz alternative Beziehungsmodi abseits des ödipal organisierten Familienverbandes ermöglicht, die Freu-de am Moment des Zusammenseins vermitteln.

In ihrem Beitrag Der Affekt als Effekt in Emily Dickinsons Briefen an den „Master“ fokussiert Ursula Caci drei Gedichte der US-ame-rikanischen Lyrikerin. Die Briefe an den Master galten der Dickin-son-Forschung bis dato oftmals als Schlüsseltexte, um Licht ins Pri-vatleben der zurückgezogen lebenden Schriftstellerin zu bringen. Wie Caci in Bezug auf Sedgwicks Ausführungen zu Freuds Kon-zept der Paranoia betont, führten dabei gerade die zahlreichen Leerstellen der Texte dazu, dass eine Vielzahl bisheriger wissen-schaftlicher Analysen hauptsächlich der Frage nachging, wer im Umfeld Dickinsons als Adressat_in der Briefe in Frage komme, re-spektive ob sich in den Briefen Dickinsons wiederholt postuliertes

4342

gleichgeschlechtliches Begehren gegenüber der Schwägerin äu-ßere. Diesen Annäherungen setzt Caci eine Lektüre der Texte ent-gegen, die in Anlehnung an Probyn die körperlich-affektive Di-mension des Schreibens und Lesens der Briefe an den Master in den Blick rückt. Dabei arbeitet sie in ihrer selbstreflexiven Analy-se heraus, auf welche Weise gerade die Offenheit der Gedichte Dickinsons multiple affektive Bezugnahmen ermöglicht, sodass die Grenzen zwischen lyrischem Ich und Leser_in verschwimmen und abseits paranoider Eindeutigkeit der textuell vermittelten Be-gehrensstrukturen multiple Bezugnahmen auf die Briefe an den Master denkbar werden.

Der vorliegende Band sucht zweierlei Anliegen umzusetzen: Zum einen wird durch die Vorstellung der Beiträge aus dem Englischen eine kulturelle Übersetzungsarbeit geleistet. Diese erfolgt nicht nur auf inhaltlicher Ebene, denn mittels der Übersetzungen wird den deutschsprachigen Leser_innen der Zugang zu den komple-xen Texten erleichtert. Gleichzeitig gewinnen die Texte durch die Übertragung in eine andere Sprache eine neue Dimension, die auch auf die Rezeption der englischsprachigen Versionen zurück-wirkt. Zum anderen erfolgt die Übersetzungsarbeit durch das An-knüpfen der deutschsprachigen Beiträge an die Schlüsseltexte. Die darin geleistete Lektürearbeit eröffnet einen Begegnungs-raum, der verdeutlicht, auf welche Weise Texte immer wieder neu gelesen und affektiv besetzt werden können. Wir Herausgeber_innen hoffen, mit diesem Band zu weiteren produktiven affekti-ven Lektüre-Praxen anzuregen.

Anmerkungen

1 Im Lauf der Einleitung gehen wir genauer auf die Begriffe Affekt, Emotion und Gefühl ein, die teilweise voneinander unterschieden und teilweise analog verwendet werden. So verwenden wir Affekt hier zu Beginn als Emotion und Gefühl inkludierend.

2 Für einen Überblick bezüglich der „Wiederentdeckung der Gefühle“ innerhalb verschiedener wissenschaftlicher Diszipli-nen vgl. zusammenfassend Anz (2006); Schützeichel (2006) u. a.

3 Vgl. dazu insbesondere das Werk von Foucault (u. a. 1961, 1963, 1975).

4 Zum Body Turn vgl. Gugutzer (2006); zum Emotional Turn vgl. Schützeichel (2006).

5 Uns ist bewusst, dass Sprache und Sprachverwendung zu komplex sind, um ein System gendersensibler Sprache zu finden, das nicht wieder Reifizierungen o. Ä. nach sich zieht. Wir haben uns aber bemüht, der Komplexität der Problem-stellung gerecht zu werden. Prinzipiell wird bei allen Begrif-fen das jeweilige grammatikalische Geschlecht ohne weitere Markierung übernommen. Um allerdings die Kontingenz des binären Geschlechtersystems in Bezug auf Personen deutlich zu machen, verwenden wir den Unterstrich bei Angaben, die auf das Geschlecht einer Person verweisen. Für alle Angaben, die unbestimmte Personen (im Singular) betreffen, wird die feminine Form mit Unterstrich bei allen zugehörigen Wörtern verwendet (z. B. „ein_e ehrlich_e Leser_in“). Wie das Beispiel zeigt, erfolgt bei unbestimmten Artikeln oder bei Präpositio-nen der Unterstrich nach dem Stamm des Artikels oder der Präposition; wird ein bestimmter Artikel verwendet, wird der Unterstrich nach dem „d“ (z. B. „d_ie Leser_in“), bei Pronomen nach dem ganzen Wort (z. B. „sie_“) gesetzt. Angaben im Plu-ral erfolgen mit Unterstrich (z.B. „Wissenschaftler_innen“). Was die Übersetzungen betrifft, werden bei allen Personen, bei denen der Originaltext im Englischen eine geschlecht-liche Vereindeutigung vornimmt, die Angaben des Textes übernommen.

6 „Interest-excitement“, „enjoyment-joy“, „surprise-startle“, „shame-humiliation“, „distress-grief“, „anger-rage“, „fear-terror“, „con-tempt-disgust“, das später in „dissmell“ und „disgust“ aufge-teilt wird, vgl. Frank 2006: 13.

7 Als Beispiel nennen Sedgwick/Frank Ann Cvetkovichs Band Mixed Feelings: Feminism, Mass Culture, and Victorian Sensa-tionalism aus dem Jahr 1992.

4544

8 Im Englischen „in-between-ness“.

9 Im Original „what they do“.

10 Im Englischen „haunting“.

11 Zu dieser Tradition vgl. z. B. Hemmings (2005); Gorton (2007); Pedwell/Whitehead (2012).

12 Wie Kristyn Gorton anführt, hat sich seit den 1980er-Jahren ein beträchtliches Korpus an feministischer Literatur heraus-gebildet, das den Zusammenhang von Biografien von Frauen, Arbeit und Gefühlen untersucht (vgl. 2007: 333). Zu nennen wären in diesem Kontext u. a. Arlie Russel Hochschilds The Managed Heart: Commercialization of Human Feeling (1983), Anna G. Jonasdottirs Love Power and Political Interest (1991), Jack Katzs How Emotions Work (1999) oder bell hooks Talking Back: Thinking Feminist, Thinking Black (1989).

13 Für weiterführende Literatur vgl. Anderson (2000); Hondag-neu-Sotelo (2001); Parreñas (2001, 2005, 2008); Ehrenreich/Hochschild (2004).

14 Im Original „intimate public sphere“.

15 Vgl. Freeman (2007, 2010); Halberstam (2005); Dinshaw (1999, 2012); Love (2007); Muñoz (2010).

16 Vgl. Haschemi et al. (2013); Michaelis et al. (2012).

17 Im Englischen „happiness“.

18 Vgl. Ahmed (2010); Berlant (2011); Love (2007); Muñoz (2010); Snediker (2009).

19 Im Englischen „ordinariness“.

20 Im Original „affective solidarity“.

21 Im Original „work of translation“.

22 Im Original „empathy, compassion“.

23 Vgl. dazu auch Pedwell/Whitehead (2012).

24 Vgl. Probyn (2010); Sedgwick (2003); Butler (2005).

25 Zum Konzept des „weiblichen Schreibens“ vgl. auch Lindhoff (1995); Osinski (1998); Weigel (1989).

26 Vgl. Haraway (1991); Harding (1991); Hartsock (1998); Hill Col-lins (2000).

27 Vgl. Gorton (2007: 334); Pedwell/Whitehead (2012: 116).

28 Mit dem Begriff Schlüsseltext bezeichnen wir Beiträge der an-glophonen Affect Studies, die unseres Erachtens grundlegen-de und wichtige Impulse für die Debatten an der Schnittstelle zu Queer und Gender, Postcolonial und Critical Race Studies bieten. Wir erheben keinen Anspruch auf eine verallgemei-nerbare Repräsentativität und sind uns der Kontingenz sol-cher Selektionsprozesse bewusst.

29 Vgl. z. B. Cheng (2001); Eng/Han (2003); Gilroy (2004); Holland (2000, 2012); Khanna (2003); Muñoz (1999, 2006).

30 Im Original „the ordinary“.

31 Im Original „historical present“.

Literatur

Ahmed, Sara (2000): Strange Encounters: Embodied Others in Post-Coloniality. London/New York: Routledge.

Ahmed, Sara (2004a): Collective Feelings: Or, The Impressions Left by Others. In: Theory, Culture & Society, Jahrgang 21, Heft 2, S. 25-42.

Ahmed, Sara (2004b): The Cultural Politics of Emotion. Edinburgh: Edinburgh University Press.

Ahmed, Sara (2010): The Promise of Happiness. Durham, NC/Lon-don: Duke University Press.

Albers, Irene/Dziobek, Isabel/Hurtzig, Hannah (Hg.) (2011): Fühlt weniger! Dialoge über Emotionen. Berlin: Theater der Zeit.

Anderson, Bridget (2000): Doing the Dirty Work? The Global Poli-tics of Domestic Labour. London: Zed Books.

Anz, Thomas (2006): Emotional Turn? Beobachtungen zur Ge-fühlsforschung. In: literaturkritik.de – Rezensionsforum, http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=10267 [Stand: 12.06.2013].

4746

Bachmann, Ingeborg (1993): Werke. Vierter Band. Essays. Reden. Vermischte Schriften. Anhang. Hg. von Koschel, Christine/von Weidenbaum, Inge/Münster, Clemens. 5. Auflage. München/Zürich: Piper.

Bachmann-Medick, Barbara (2007): Cultural Turns: Neuorientie-rungen in den Kulturwissenschaften. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

Bell, Christopher M. (Hg.) (2011): Blackness and Disability: Critical Examinations and Cultural Interventions. Berlin: Lit Verlag.

Berlant, Lauren (1997): The Queen of America Goes to Washing-ton City: Essays on Sex and Citizenship. Durham, NC: Duke Uni-versity Press.

Berlant, Lauren (2000): The Subject of True Feeling: Pain, Privacy and Politics. In: Ahmed, Sara/Kilby, Jane/Lury, Celia/McNeil Maureen/Skeggs, Beverly (Hg.): Transformations: Thinking Through Feminism. London/New York: Routledge, S. 33-47.

Berlant, Lauren (2004): Introduction: Compassion (and Withhold-ing): In: dies. (Hg.): Compassion: The Culture and Politics of an Emotion. New York: Routledge, S. 1-13.

Berlant, Lauren (2008): The Female Complaint: The Unfinished Business of Sentimentality in American Culture. Durham, NC/London: Duke University Press.

Berlant, Lauren (2011): Cruel Optimism. Durham, NC/London: Duke University Press.

Berlant, Lauren/Hardt, Michael (2008): „On the Risk of a News Relationality“: An Interview with Lauren Berlant and Michael Hardt. In: Reviews in Cultural Theory, http://reviewsinculture.com/special-issue/review1.html [Stand: 09.04.2014].

Berlant, Lauren/Luciano, Dana (2013): Cruel Optimism. Conversa-tion: Lauren Berlant with Dana Luciano. In: Social Text, http://www.socialtextjournal.org/periscope/2013/01/conversation-lauren-berlant-with-dana-luciano.php [Stand: 12.02.2013].

Bersani, Leo (1996): Homos. Cambridge, MA: Harvard University Press.

Brown, Wendy (2003): Resisting Left Melancholia. In: Eng, David/Kazanjian, David (Hg.): Loss: The Politics of Mourning. Berkeley:

University of California Press, S. 458-465.

Butler, Judith; dt. Menke, Kathrina (1991): Das Unbehagen der Ge-schlechter. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Butler, Judith (2005): Giving An Account of Oneself. New York: Fordham University Press.

Caserio, Robert L./Dean, Tim/Edelman, Lee/Halberstam, Judith/Muñoz, José Esteban (2006): The Antisocial Thesis in Queer Theory. In: PMLA, Jahrgang 121, Heft 3, S. 819-828.

Chen, Mel Y. (2011): Toxic Animacies, Inanimate Affections. In: GLQ: A Journal of Lesbian and Gay Studies, Jahrgang 17, Heft 2-3, S. 265-286.

Cheng, Anne (2001): The Melancholy of Race. New York: Oxford University Press.

Clough, Patricia (2007): Introduction. In: dies./Halley, Jean (Hg.): The Affective Turn: Theorizing the Social. Durham, NC/London: Duke University Press, S. 1-33.

Clough, Patricia/Halley, Jean (Hg.) (2007): The Affective Turn: The-orizing the Social. Durham, NC/London: Duke University Press.

Crimp, Douglas (2002): Melancholia and Moralism: Essays on AIDS and Queer Politics. Cambridge, MA: MIT Press.

Cvetkovich, Ann (1992): Mixed Feelings: Feminism, Mass Culture, and Victorian Sensationalism. New Brunswick, NJ: Rutgers University Press.

Cvetkovich, Ann (2003): An Archive of Feelings: Trauma, Sexuality, and Lesbian Public Cultures. Durham, NC/New York/London: Duke University Press.

Cvetkovich, Ann (2007): Public Feelings. In: South Atlantic Quar-terly, Jahrgang 106, Heft 3, S. 459-468.

Cvetkovich, Ann (2012a): Depression: A Public Feeling. Durham, NC/New York/London: Duke University Press.

Cvetkovich, Ann (2012b): Depression Is Ordinary: Public Feelings and Saidiya Hartman’s Lose Your Mother. In: Feminist Theory, Jahrgang 13, Heft 2, S. 131-146.

Dinshaw, Carolyn (1999): Getting Medieval: Sexualities and Commu-nities, Pre- and Postmodern. Durham, NC: Duke University Press.

4948

Dinshaw, Carolyn (2012): How Soon Is Now? Medieval Texts, Ama-teur Readers, and the Queerness of Time. Durham, NC: Duke University Press.

Duden, Barbara (1993): Die Frau ohne Unterleib: Zu Judith Butlers Entkörperung. Ein Zeitdokument. In: Feministische Studien, Jahrgang 11, Heft 2, S. 24-33.

Edelman, Lee (2004): No Future: Queer Theory and the Death Drive. Durham, NC: Duke University Press.

Ehrenreich, Barbara/Hochschild, Arlie Russell (2004): Global Wom-an: Nannies, Maids, and Sex Workers in the New Economy. Dal-las, TX: Metropolitan Books.

Eng, David/Han, Shinhee (2003): A Dialogue on Racial Melancho-lia. In: Eng, David/Kazanjian, David (Hg.): Loss: The Politics of Mourning. Berkeley: University of California Press, S. 343-371.

Flatley, Jonathan (2008): Affective Mapping: Melancholia and the Politics of Modernism. Cambridge, MA/London: Harvard Uni-versity Press, S. 1-27.

Foucault, Michel (1961): Folie et déraison. Histoire de la folie à l'âge classique. Paris: Librairie Plon.

Foucault, Michel (1963): Naissance de la clinique: Une archéologie du regard médical. Paris: Presses Universitaires de France.

Foucault, Michel (1975): Surveiller et punir. Naissance de la prison. Paris: Gallimard.

Frank, Adam (2006): Some Affective Bases for Guilt: Tomkins, Freud, Object Relations. In: English Studies in Canada, Jahr-gang 32, Heft 1, S. 11-25.

Freeman, Elizabeth (Hg.) (2007): Queer Temporalities. Special is-sue, GLQ: A Journal of Lesbian and Gay Studies, Jahrgang 13, Heft 2-3.

Freeman, Elizabeth (2010): Time Binds: Queer Temporalities, Queer Histories. Durham, NC: Duke University Press.

Geiger, Arno (2011): Der alte König in seinem Exil. München: Carl Hanser Verlag.

Gilroy, Paul (2004): Postcolonial Melancholia. New York: Columbia University Press.

Gordon, Avery (1997): Ghostly Matters: Haunting and the So-ciological Imagination. Minneapolis: University of Minnesota Press.

Gorton, Kristyn (2007): Theorizing Emotion and Affect: Feminist Engagements. In: Feminist Theory, Jahrgang 8, Heft 3, S. 333-348.

Gould, Deborah B. (2009): Moving Politics: Emotion and Act Up’s Fight against AIDS. Chicago, IL: The University of Chicago Press.

Gregg, Melissa/Seigworth, Gregory J. (Hg.) (2010): The Affect The-ory Reader. Durham, NC/London: Duke University Press.

Gugutzer, Robert (Hg.) (2006): Body Turn: Perspektiven der Sozi-ologie des Körpers und des Sports. Bielefeld: Transcript.

Gutiérrez Rodríguez, Encarnación; dt. Mennel, Birgit (2010): Af-fektiver Wert: Kolonialität, Feminisierung und Migration. In: EIPCP – European Institute for Progressive Cultural Policies: Transversal. Multilingual Webjournal, http://eipcp.net/transver sal/0112/gutierrez-rodriguez/en [Stand: 08.02.2013].

Gutiérrez Rodríguez, Encarnación; dt. Kaufmann, Therese (2011): Politiken der Affekte. Transversale Konvivialität. In: EIPCP – Euro-pean Institute for Progressive Cultural Policies: Transversal. Mul-tilingual Webjournal, http://eipcp.net/transversal/0811/gutierrezrodriguez/de/print [Stand: 25.03.2014]

Halberstam, Judith Jack (2005): In a Queer Time and Place: Trans-gender Bodies, Cultural Lives. New York: New York University Press.

Halberstam, Judith Jack (2011): The Queer Art of Failure. Durham, NC/London: Duke University Press.

Hall, Stuart (1990): The Emergence of Cultural Studies and the Cri-sis of the Humanities. In: October, Jahrgang 53, S. 11-23.

Hammer-Tugendhat, Daniela/Lutter, Christina (Hg.) (2010): Emoti-onen. Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Jahrgang 4, Heft 2.

Haraway, Donna (1991): Simians, Cyborgs and Women: The Rein-vention of Nature. London: Free Association Books.

Harding, Sandra (1991): Whose Science? Whose Knowledge? Think-ing from Women’s Lives. Milton Keynes: Open University Press.

5150

Hardt, Michael (2007): Foreword. In: Clough, Patricia/Halley, Jean (Hg.): The Affective Turn: Theorizing the Social. Durham, NC/London: Duke University Press, S. ix-xiii.

Hartman, Saidiya V. (2007): Lose Your Mother: A Journey along the Atlantic Slave Route. New York: Farrar, Straus and Giroux.

Hartsock, Nancy (1998): The Feminist Standpoint Revisited and Other Essays. Boulder, CO: Westview Press.

Haschemi Yekani, Elahe/Kilian, Eveline/Michaelis, Beatrice (2013): Introducing Queer Futures. In: dies. (Hg.): Queer Futures: Re-considering Ethics, Activism, and the Political. Farnham: Ash-gate, S. 1-15.

Hemmings, Clare (2005): Invoking Affect: Cultural Theory and the Ontological Turn. In: Cultural Studies, Jahrgang 19, Heft 5, S. 548-567.

Hemmings, Clare (2012): Affective Solidarity: Feminist Reflexivity and Political Transformation. In: Feminist Theory, Jahrgang 13, Heft 2, S. 147-161.

Hill Collins, Patricia (2000): Black Feminist Thought: Knowledge, Consciousness, and the Politics of Empowerment. New York: Routledge.

Hochschild, Arlie Russell (1975): The Sociology of Feeling and Emo-tion: Selected Possibilities. In: Millman, Marica/Kanter, Rosabeth (Hg.): Another Voice. Garden City, NY: Doubleday, S. 280-307.

Hochschild, Arlie Russel (1979): Emotion Work, Feeling Rules and Social Structure. In: American Journal of Sociology, Jahrgang 85, S. 551-575.

Hochschild, Arlie Russell (1983): The Managed Heart: Commer-cialization of Human Feeling. Berkeley: University of California Press.

Hochschild, Arlie Russell (2000): Global Care Chains and Emo-tional Surplus Value. In: Hutton, Will/Giddens, Anthony (Hg.): On the Edge: Living with Global Capitalism. London: Jonathan Cape, S. 130-146.

Holland, Sharon Patricia (2000): Raising the Dead: Readings of Death and (Black) Subjectivity. Durham, NC: Duke University Press.

Holland, Sharon Patricia (2012): The Erotic Life of Racism. Durham, NC: Duke University Press.

Hondagneu-Sotelo, Pierrette (2001): Domestica: Immigrant Work-ers Cleaning and Caring in the Shadows of Affluence. Berkeley/Los Angeles: University of California Press.

hooks, bell (1989): Talking Back: Thinking Feminist, Thinking Black. London: Sheba Feminist Publishers.

Jacob, Jutta/Köbsell, Swantje/Wollrad, Eske (Hg.) (2010): Gender-ing Disability: Intersektionale Aspekte von Behinderung und Geschlecht. Bielefeld: Transcript.

Jonasdottir, Anna G. (1991): Love Power and Political Interests: To-wards a Theory of Patriarchy in Contemporary Western Societ-ies. Örebro: University Press.

Katz, Jack (1999): How Emotions Work. Chicago, IL: University of Chicago Press.

Khanna, Ranjana (2003): Dark Continents: Psychoanalysis and Co-lonialism. Durham, NC: Duke University Press.

Kuntsman, Adi (2008): Between Gulags and Pride Parades: Sexu-ality, Nation, and Haunted Speech Acts. In: GLQ: A Journal of Lesbian and Gay Studies, Jahrgang 14, Heft 2-3, S. 263-287.

Landwehr, Hilge/Opitz-Belakhal, Claudia/Kelle, Helga (Hg.) (2008): Gefühle. Feministische Studien, Heft 1.

Lindemann, Gesa (1994): Das soziale Geschlecht unter der Haut. In: kea. Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Heft 7, S. 1-12.

Lindhoff, Lena (1995): Einführung in die feministische Literatur-theorie. Stuttgart/Weimar: Metzler.

Love, Heather (2007): Feeling Backward: Loss and the Politics of Queer History. Cambridge, MA: Harvard University Press.

Love, Heather (2010a): Close but not Deep: Literary Ethics and the Descriptive Turn. In: New Literary History, Jahrgang 41, Heft 2, S. 371-391.

Love, Heather (2010b): Feeling Bad in 1963. In: Staiger, Janet/Cvetkovich, Ann/Reynolds, Ann (Hg.): Political Emotions: New Agendas in Communication. New York/London: Routledge, S. 112-133.

52 53

Love, Heather (2010c): Truth and Consequences: On Paranoid and Reparative Reading. In: Criticism, Jahrgang 52, Heft 2, S. 235-241.

Maihofer, Andrea (2001): Geschlechterdifferenz – eine obsole-te Kategorie. In: Uerlings, Herbert (Hg.): Das Subjekt und die Anderen: Interkulturalität und Geschlechterdifferenz vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Berlin: Erich Schmidt Verlag, S. 55-72.

Massumi, Brian (1995): The Autonomy of Affect. In: Cultural Cri-tique, Heft 31, The Politics of Systems and Environments, Teil 2, S. 83-109.

Massumi, Brian (2002): Parables for the Virtual: Movement, Affect, Sensation. Durham, NC/London: Duke University Press.

Michaelis, Beatrice/Dietze, Gabriele/Haschemi Yekani, Elahe (2012): Einleitung. The Queerness of Things not Queer: Entgrenzungen – Affekte und Materialitäten – Interventionen. In: Feministische Studien, Jahrgang 31, Heft 2, S. 184-197.

Muñoz, José Esteban (1999): Disidentifications: Queers of Color and the Performance of Politics. Minneapolis: University of Minnesota Press.

Muñoz, José Esteban (2006): Feeling Brown, Feeling Down: Latina Affect, the Performativity of Race, and the Depressive Position. In: Signs: Journal of Women in Culture and Society, Jahrgang 31, Heft 3, S. 675-688.

Muñoz, José Esteban (2010): Cruising Utopia. New York: New York University Press.

O’Riley, Michael F. (2007): Postcolonial Haunting: Anxiety, Affect, and the Situated Encounter. In: Postcolonial Text, Jahrgang 3, Heft 4, S. 1-15.

Osinski, Jutta (1998): Einführung in die feministische Literaturwis-senschaft. Berlin: E. Schmidt.

Parreñas, Rhacel Salazar (2001): Servants of Globalization: Wom-en, Migration and Domestic Work. Stanford, CA: Stanford Uni-versity Press.

Parreñas, Rhacel Salazar (2005): Children of Global Migration: Transnational Families and Gendered Woes. Stanford, CA: Stan-ford University Press.

Parreñas, Rhacel Salazar (2008): The Force of Domesticity: Filipina Migrants and Globalization. New York: New York University Press.

Pedwell, Carolyn/Whitehead, Anne (2012): Affecting Feminism: Questions of Feeling in Feminist Theory. In: Feminist Theory, Jahrgang 13, Heft 2, S. 115-129.

Probyn, Elspeth (2005): Blush: Faces of Shame. Minneapolis/Lon-don: University of Minnesota Press.

Probyn, Elspeth (2010): Writing Shame. In: Gregg, Melissa/Seig-worth, Gregory J. (Hg.): The Affect Theory Reader. Durham, NC/London: Duke University Press, S. 71-90.

Reddy, William M. (2001): The Navigation of Feeling. Cambridge, MA: Cambridge University Press.

Schützeichel, Rainer (Hg.) (2006): Emotionen und Sozialtheorie: Disziplinäre Ansätze. Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag.

Sedgwick, Eve Kosofsky (2003): Touching Feeling: Affect, Peda-gogy, Performativity. Durham, NC/New York/London: Duke University Press.

Sedgwick, Eve/Frank, Adam (Hg.) (1995): Shame and Its Sisters: A Silvan Tomkins Reader. Durham, NC/London: Duke University Press.

Shildrick, Margrit (2009): Dangerous Discourses of Disability, Sub-jectivity and Sexuality. Basingstoke/New York: Palgrave Mac-millan.

Snediker, Michael D. (2009): Queer Optimism: Lyric Personhood and Other Felicitous Persuasions. Minneapolis: University of Minnesota Press.

Staiger, Janet/Cvetkovich, Ann/Reynolds, Ann (Hg.) (2010): Politi-cal Emotions: New Agendas in Communication. New York/Lon-don: Routledge.

Stewart, Kathleen (2007): Ordinary Affects. Durham, NC/London: Duke University Press.

Stewart, Kathleen (2010): Afterword: Worlding Refrains. In: Gregg, Melissa/Seigworth, Gregory J. (Hg.): The Affect Theory Reader. Durham, NC/London: Duke University Press, 339-353.

54

Weigel, Sigrid (1989): Die Stimme der Medusa: Schreibweisen in der Gegenwartsliteratur von Frauen. Reinbek: Rowohlt Taschen-buch Verlag.

Williams, Raymond (1977): Marxism and Literature. Oxford: Ox-ford University Press.