Akustische Territorien, akustisches Regime. Feldforschung in den Klanglandschaften der Großstadt

36
Akustische Territorien, akustisches Regime. Feldforschung in den Klanglandschaften der Großstadt Fritz Schlüter Der Klangkünstler Brandon LaBelle beschreibt „Sound“ als ein allgegen- wärtiges, über den gesamten Stadtraum verteiltes, fluides Trägermedium, das mühelos zwischen privat und öffentlich, zwischen Individuum und Gemeinschaft vermitteln kann. Klänge und Geräusche konstituieren so eine ganz eigene „relationale Geographie“ der Stadt. In einem von vielen Akteuren 1 geteilten Raum kann es aber auch schnell eng werden, zumal wenn Ansprüche akustisch artikuliert und Konflikte lautstark ausgetragen werden: „Sound is shared property onto which many claims are made“. 2 Unter der Schlagzeile „Acoustic Territories. Sound Culture and Everyday Life“ (Monographie, 2010) verspricht LaBelle nicht zuletzt, solche Raum- konflikte an konkreten städtischen Schauplätzen nachzuzeichnen; den an sich recht anschaulichen Begriff des „Territoriums“ relativiert er gleich- wohl bereits in der Einleitung: „... acoustic territories should not exclusively be read as places or sites but more as itineraries, as points of departure as well as arrival. As territories, I define them as movements between and among dif- ferent forces, full of multiplicity.“ 3 Diese verschiedenen „Reisestationen“ oder „Terrains“, 4 die LaBelle im Folgenden skizziert, sind denn auch eher als mehr oder weniger scharf voneinander abzugrenzende urbane Sphären zu verstehen, nicht unbe- dingt als Territorien im engeren Sinne. Der Begriff des „Territoriums“ ist eng verknüpft mit Konnotationen wie Gebietsansprüchen und Konkurrenz, Verteidigung von Grenzen und Übertritt derselben – er verweist somit stets auf Konflikte zwischen riva- lisierenden Parteien angesichts begrenzter (räumlicher) Ressourcen. Gera- de das Begriffspaar des „akustischen Territoriums“ weckt darüber hinaus auch Assoziationen zum Revierverhalten in der Tierwelt; Singvögel z.B. stecken ihre Einzugsgebiete anhand ihrer stimmlichen Reichweite ab, tra- 1 Auf genderneutrale Formulierung wird zugunsten der Lesbarkeit verzichtet. 2 LaBelle (2010: xxiv). 3 a.a.O. (xvii, i.O. kursiv). 4 ebd. LaBelle umkreist diese verschiedenen urbanen „Territorien“ – Zuhause, Geh- steig, Straße, Shopping Mall, Untergrund, Stadt als (Radio-)Senderaum – denn auch eher essayistisch, gekonnt verquickt mit Anleihen bei verschiedenen aktuel- len sozial- und kulturwissenschaftlichen Theoretikern, genau beobachtend, aber nicht systematisch. 1

Transcript of Akustische Territorien, akustisches Regime. Feldforschung in den Klanglandschaften der Großstadt

Akustische Territorien, akustisches Regime. Feldforschungin den Klanglandschaften der Großstadt

Fritz Schlüter

Der Klangkünstler Brandon LaBelle beschreibt „Sound“ als ein allgegen-wärtiges, über den gesamten Stadtraum verteiltes, fluides Trägermedium,das mühelos zwischen privat und öffentlich, zwischen Individuum undGemeinschaft vermitteln kann. Klänge und Geräusche konstituieren soeine ganz eigene „relationale Geographie“ der Stadt. In einem von vielenAkteuren1 geteilten Raum kann es aber auch schnell eng werden, zumalwenn Ansprüche akustisch artikuliert und Konflikte lautstark ausgetragenwerden: „Sound is shared property onto which many claims are made“.2

Unter der Schlagzeile „Acoustic Territories. Sound Culture and EverydayLife“ (Monographie, 2010) verspricht LaBelle nicht zuletzt, solche Raum-konflikte an konkreten städtischen Schauplätzen nachzuzeichnen; den ansich recht anschaulichen Begriff des „Territoriums“ relativiert er gleich-wohl bereits in der Einleitung:

„... acoustic territories should not exclusively be read as places orsites but more as itineraries, as points of departure as well as arrival.As territories, I define them as movements between and among dif-ferent forces, full of multiplicity.“3

Diese verschiedenen „Reisestationen“ oder „Terrains“,4 die LaBelle imFolgenden skizziert, sind denn auch eher als mehr oder weniger scharfvoneinander abzugrenzende urbane Sphären zu verstehen, nicht unbe-dingt als Territorien im engeren Sinne.

Der Begriff des „Territoriums“ ist eng verknüpft mit Konnotationenwie Gebietsansprüchen und Konkurrenz, Verteidigung von Grenzen undÜbertritt derselben – er verweist somit stets auf Konflikte zwischen riva-lisierenden Parteien angesichts begrenzter (räumlicher) Ressourcen. Gera-de das Begriffspaar des „akustischen Territoriums“ weckt darüber hinausauch Assoziationen zum Revierverhalten in der Tierwelt; Singvögel z.B.stecken ihre Einzugsgebiete anhand ihrer stimmlichen Reichweite ab, tra-

1 Auf genderneutrale Formulierung wird zugunsten der Lesbarkeit verzichtet. 2 LaBelle (2010: xxiv). 3 a.a.O. (xvii, i.O. kursiv). 4 ebd. LaBelle umkreist diese verschiedenen urbanen „Territorien“ – Zuhause, Geh-

steig, Straße, Shopping Mall, Untergrund, Stadt als (Radio-)Senderaum – dennauch eher essayistisch, gekonnt verquickt mit Anleihen bei verschiedenen aktuel-len sozial- und kulturwissenschaftlichen Theoretikern, genau beobachtend, abernicht systematisch.

1

gen mitunter regelrechte Gesangsduelle aus und suchen mithilfe vonLockrufen nach Partnern.5

Bei aller gebotenen Vorsicht vor allzu einfachen Analogien betrachtetder dänische Kulturwissenschaftler und Klangforscher Jacob Kreutzfelddas Konzept von „akustischer Territorialität“ auch in Bezug auf menschli-che Verhaltensweisen als wertvoll:

„...the concept of acoustic territoriality could be effective in direct-ing attention to a tendency to mark spaces […]. It is not only birdsthat give voice to the spaces and places of their everyday life. Theshaping of environments and production of atmospheres takesplace everyday, everywhere …“6

Lässt sich der Begriff des „akustischen Territoriums“ also nicht auch indiesem Sinne einsetzen, um die komplexe Klanglandschaft einer Stadt7

hinsichtlich ihrer kleinteiligen, räumlichen Organisation aufzuschlüsseln?Sollten hier nicht konkrete Akteure identifizierbar sein, die (territoriale)Ansprüche auf bestimmte Räume in der Stadt erheben, und die diese Be-reiche mit akustischen Mitteln markieren und verteidigen? Kreutzfeldversteht z.B. die Gesänge, Rufe, oder Schreie von Fußballfans, Straßenver-käufern oder Aufständischen als akustische Akte der Aneignung („appro-priation“) der Umwelt – und dies bewusst im ethologischen Sinne vonTerritorialität, nämlich als Praxis der Markierung von Raum: „sound mak-ing is a powerful means to demonstrate presence and take possession ofurban space during concerts, sport events or late at night in the city.“8

Entlang der Fragen, wo und wie Klänge und Geräusche eingesetztwerden, um bestimmte Gebiete im Stadtraum zu markieren und zu kon-trollieren, bzw. wann Klänge und Geräusche als illegitimer Übertritt oderEindringen empfunden werden, möchte ich im Folgenden drei Möglich-keiten durchspielen, wie der Begriff des „akustischen Territoriums“ aufdie Stadt als Klanglandschaft anwendbar wäre.9 Dabei beziehe ich mich inerster Linie auf Erving Goffmans Konzept von „Reservaten“ bzw. „Terri-torien des Selbst“ sowie auf Rowland Atkinsons Definition von „acousticterritories“ in der Stadt.10 Allerdings reicht dieser Begriff letztlich nicht

5 Vgl. u.a. Wilson (2000: 256ff). 6 Kreutzfeldt (2010: 16). 7 Mit „Stadt“ referiere ich hier in erster Linie auf mitteleuropäische Großstädte, die

ich aus eigener Anschauung kenne – v.a. Berlin, Frankfurt/Main, Gda sk, Hamń -burg, Leipzig, London, München, Prag, Triest.

8 Kreutzfeldt (2012: 62). 9 Der vorliegende Text ist ein Beitrag zu einer laufenden Diskussion um „akustische

Territorien“ und baut auf zahlreichen Vorarbeiten anderer auf; zur weiteren Ver-wendung dieses Begriffs in der Literatur – und dies ist nur ein kleiner Auszug –vgl. Arkette (2004: 164), Atkinson (2007: 1910ff), Boland (2010: 4), Corbin(1995: 115/139), Li (2011: 29), Oosterbaan (2009), Shearer (2011: 2ff), de Witte(2008).

10 Vgl. „Territorien des Selbst“ in Goffman (1974: 54-96) sowie Atkinson (2007).

2

aus, um sämtliche Exklusionsmechanismen und akustischen Ordnungenin der Stadt zu beschreiben. Als Erweiterung schlage ich daher das Kon-zept des „akustischen Regimes“ vor, womit ich ein bestimmtes, situatio-nell gültiges Set an Regeln für akustisches Verhalten in einem gegebenensozialen Kontext bezeichne.11

Dabei sehe ich die beiden Begriffspaare – „akustische Territorien“ so-wie „akustisches Regime“ – gleichermaßen als konzeptuelle Werkzeugean, mit deren Hilfe zumindest einige der akustischen Strategien und Prak-tiken interpretiert werden können, die die Klanglandschaft einer Stadthervorbringen.

Die Stadt als Soundscape Als „Soundscape“, zumeist übersetzt mit „Klanglandschaft“,12 bezeichneteder kanadische Komponist und Musikwissenschaftler Murray Schafer dieGesamtheit der Klänge und Geräusche, die an einem bestimmten Ort zuhören sind: sei es das Singvogelkonzert in einem Wald oder der charakte-ristische Klangkosmos eines Hafens mit all den Geräuschen von Wasser,Wind und Wellen, Möwenschreien, Stimmen, Arbeitsgeräuschen und denweithin zu hörenden Signalen der Schiffe ‣ HÖRBEISPIEL 01.13

Dabei darf die Großstadt wohl mit Recht als die komplexeste und ab-wechslungsreichste Klanglandschaft überhaupt gelten. Kein anderer akus-tischer Raum ist von solch dichten Überlagerungen und Verflechtungenverschiedenster Schallfelder geprägt, produziert von den unterschiedlichs-ten Akteuren aus den unterschiedlichsten Motivationen. Ein Field Recor-ding von einer alltäglichen Straßenszene in der Berliner Badstraße kanndiese Vielschichtigkeit exemplarisch verdeutlichen ‣ HÖRBEISPIEL 02.14

11 Diese Regeln sind zum Teil in Form von Hausordnungen oder Gesetzen kodifi -ziert; jedoch interessiert mich hier vor allem das ungeschriebene Erfahrungswisseneinzelner Akteure über situationsadäquates soziales Verhalten – d.h. eine Formvon tacit knowledge, die die eigene akustische Präsenz betrifft.

12 Vgl. Schafer (2006 [1977]). Schafers Hauptwerk ist kürzlich in einer neuen Über-setzung erschienen: Schafer/Breitsameter (2010). Auf die genaue Definition desBegriffs „Soundscape“ sowie seine Anwendung in der (Europäischen) Ethnologiekann hier nicht eingegangen werden, vgl. hierzu ggf. Schlüter (2012).

13 Der vorliegende Text wird durch neun Hörbeispiele ergänzt; die Nummerierungder Hörbeispiele entspricht dem jeweiligen Track auf der beiliegenden AU-DIO-CD. Für die Wiedergabe sind gute Kopfhörer empfohlen. Ein gutes Beispielfür die lokalen Spezifika einer Klanglandschaft ist dieses Field Recording vomHamburger Hafen, zumal die auf dieser Aufnahme zu hörenden Klänge und Ge-räusche – Möwenschreie, Schifferklavier, Schiffsverkehr – sämtliche Klischees zumSound des Hamburger Hafens geradezu übererfüllen: Field Recording (2009).

14 Begleitet von den rhythmisch wiederkehrenden Rufen der Marktschreier vor ei-nem türkischen Supermarkt ist aus der Ferne das Geläut von Kirchenglocken zuhören; gleichzeitig liegt über allem der Verkehrslärm der Stadt; knisternde Ein-kaufstüten sowie die Schritte und Gespräche von Passanten tragen gleichermaßenbei zu einem vielfarbigen Gewirr von Stimmen und Geräuschen, aus dem nur kurz

3

Im Gegensatz zum physischen Stadtraum mit seinen klar definierten, fes-ten Begrenzungen wie Mauern, Zäunen und Markierungen – soviel möch-te ich diesem Hörbeispiel entnehmen – zeichnet sich die Klanglandschaftaus durch ihre ganz eigene räumliche Struktur, aber auch durch ihreFlüchtigkeit. Klar voneinander abzugrenzende akustische Territorien sindhier schon wegen der vielschichtigen Überlappungen verschiedenerSchallfelder kaum auszumachen.

Und doch besteht die Geräuschkulisse einer Stadt eben nicht nur ausLärm; sie ist kein bloß chaotisches akustisches Gemenge. Die Klangland-schaft ist – zumindest zum Teil – das Produkt gezielter soziokulturellerPraktiken ‣ HÖRBEISPIEL 03.15 Ethnographische Klangforschung darf sichdaher nicht auf die bloße Dokumentation von „Soundscapes“ beschrän-ken, sie muss zugleich den sozialen Sinn akustischer Praktiken deuten.

Akustische Territorialität Das Konzept „akustischer Territorialität“ sehe ich als brauchbares theore-tisches Tool, um eine komplexe Klanglandschaft wie die Stadt analytischaufzuschlüsseln: Denn während Schafers „Soundscape“ die akustischeUmwelt zumeist in einem allumfassenden, globalen Sinne bezeichnet, un-tergliedert der Begriff des „akustischen Territoriums“ die Klanglandschaftnun in kleinere Raumeinheiten.16

Erving Goffman definiert das Territorium als einen „Bereich“, dessenGrenzen „gewöhnlich von [einem] Ansprucherhebenden bewacht undverteidigt werden“:17 Welche Strategien und Taktiken akustischer Aneig-nung und Kontrolle verfolgen also einzelne Akteure bzw. Kollektive inBezug auf bestimmte Areale in der Stadt? Wie werden akustische Territo-rien markiert, besetzt und ggfs. verteidigt, d.h. von unerwünschten Inter-ventionen freigehalten?

Im Folgenden möchte ich das Konzept „akustischer Territorialität“auf drei Beispiele anwenden: so zeigt zunächst 1) die Auseinandersetzungum religiöse Signale im akustischen Stadtraum, dass es keineswegs belie-big ist, welche Klänge und Geräusche zum „Inventar“ urbaner Soundsca-pes zählen und welche nicht. Anschließend gehe ich 2) kurz auf die zu-nehmende Verbreitung von funktionaler Musik ein, d.h. auf Hintergrund-

die Sirenen eines Krankenwagens auftauchen – oder der Takt eines Dieselmotorsim Leerlauf: Field Recording (2011).

15 Inwiefern die Geräusche des Straßenverkehrs zu den „gezielten akustischen Prak-tiken“ zu zählen sind, darüber lässt sich streiten; für die wiederkehrenden Rufe derKioskbesitzer, die Stimmen der Passanten, die Sirene des Krankenwagens gilt diesjedoch sicher: Field Recording (2013b).

16 Dabei handelt es sich nicht um einen „neutralen“ Zerlegungsprozess im Sinne ei-ner feineren Rasterung; angesichts der deutlichen semantischen Konnotationenvon „Territorialität“ erfolgt diese räumliche Untergliederung aus einer ganz be-stimmten Perspektive, die andere mögliche Blickwinkel vernachlässigt.

17 Genauer: ein „Bereich von Dingen – ein Reservat“, Goffman (1974: 55).

4

musik als räumliches Gestaltungsmittel – die derzeit wohl gebräuchlichsteForm der Markierung von akustischen Territorien. Und zuletzt betrachteich 3) den Umgang mit der eigenen akustischen Präsenz und die diesbe-züglichen kollektiven Erwartungshaltungen – mit einem mikrosoziologi-schen Blick auf das Verhalten in direkter Interaktion.

„Eigene“ und „fremde“ religiöse Klänge: Kirchenglocke und Adhan In fast allen Religionen spielen akustische Elemente eine wichtige Rolle.18

So ist zum Beispiel der Innenraum einer katholischen Kirche sicher nichtganz zufällig auch ein besonderer Klangraum: Durch den langen Nachhallscheint sich jedes Geräusch und damit letztlich der Raum selbst auszu-dehnen, sodass ich unwillkürlich innehalte und den Klängen erst einmalnachhöre; und anschließend nimmt die Stimme des Priesters, nehmen dieAltarschellen (bzw. „Wandlungsglocken“) oder die Orgel eine höchst pro-minente Stellung innerhalb dieses Klangraums ein ‣ HÖRBEISPIEL 04.19

Akustische Reichweite des Rudolfsheimer Kirchturmes in Wien, Fennes (2010: 45)

Mit ihrem hoch aufragenden Glockenturm hatte die Kirche auch in denKlanglandschaften europäischer Städte lange ein unangefochtenes akusti-sches Monopol inne. Auch heute noch sind – um hier ein gut dokumen-tiertes Beispiel zu nennen – die Glocken der Pfarrkirche im Wiener Stadt-teil Rudolfsheim über die Dächer der Stadt hinweg in einem weiten Um-

18 Vgl. zur besonderen Bedeutung der Akustik für spirituelle Praxis u.a. Hirschkind(2006), außerdem de Witte (2008) und Scholl (2011).

19 Field Recording (2007).

5

kreis zu hören, wobei deren Reichweite heutzutage vor allem durch denhohen Lärmpegel des Verkehrs eingeschränkt wird.20

Murray Schafer mutmaßte, dass akustische Wahrzeichen wie die Glo-cken einer Kirche eine wichtige Rolle für die lokale Vergemeinschaftungspielten, indem sie den Lebensrhythmus der ansässigen Bevölkerungstrukturierten bzw. synchronisierten. Der französische Historiker AlainCorbin beschreibt die Wirkung der Kirchenglocke im ländlichen Frank-reich des 19. Jahrhunderts ganz ähnlich: das Geläute markierte, abhängigvon seiner Reichweite, ein bestimmtes Territorium; so definierte es akus-tisch ein Innen und Außen, das Zentrum und die Peripherie einer Ge-meinde.21

Dieser klare Bezug auf ein taktgebendes Zentrum hin dürfte sichheute, vor allem in den Großstädten, zweifellos ziemlich abgeschwächthaben. Angesichts pluralisierter urbaner Lebensrhythmen sah sich die Kir-chenglocke sogar immer häufiger dem Vorwurf ausgesetzt, den Schlaf zufrüh zu stören und, ja: „Lärm“ zu verbreiten.22 Doch verändern sich diesymbolischen Bedeutungen von Klängen und Geräuschen nicht nur imLaufe der Zeiten, sie werden auch von unterschiedlichen gesellschaftli-chen Gruppen je unterschiedlich interpretiert.23

Während sich Corbins historische Perspektive weitgehend auf dieBinnenkultur eines westlichen, europäischen Landes beschränkt, wäre esdurchaus vielversprechend, einmal der Frage nachzugehen, wie der „nicht-westliche“ Blick auf die Kirchenglocke ausfällt.24 Damit dürfte sich die Se-mantik der Kirchenglocke z.B. in Richtung imperialistischer Konnotatio-nen verschieben. Schon Murray Schafer bemerkte hierzu:

„Wo auch immer Missionare den christlichen Glauben hintrugen,folgte ihnen die Kirchenglocke auf dem Fuße; akustisch markiertesie die Zivilisation und grenzte die Gemeinde so von der Wildnisab, die außer Hörweite lag. […] Es ist bezeichnend, dass sowohlder Islam als auch das Christentum jeweils bedeutende akustische

20 Der Kulturanthropologe Nikolaus Fennes führt im Rahmen seiner Untersuchun-gen über die Klanglandschaft Wiens weiter aus: „Die Charakteristik der Wahr-nehmbarkeit des Glockenklanges ist im Gegensatz zur Sichtbarkeit des Turmeskreisförmiger, da sie über die Dächer hinweg auch in die Gassen eindringt und erstab einer gewissen Distanz von den Häuserblocks abgeschirmt wird. Dabei ist er,wie mir Anrainer erzählt haben, auch in den Wohnungen hörbar. […] An denHauptverkehrsrouten (schraffiert) ist er nur stark eingeschränkt wahrnehmbar.“Fennes (2010: 44ff).

21 Vgl. Corbin (1995: 115/139). Wie Corbin in seiner historischen Studie zur „Sin-neskultur“ im Frankreich des 19. Jahrhunderts rekonstruierte, symbolisierte derKlang der Glocke damals – jenseits seiner starken sakralen Bedeutungen – vor al -lem soziale Harmonie, Traditionsbewusstsein und Heimatverbundenheit Corbin(1995: 118/139f).

22 Vgl. a.a.O. (401ff); Lessing (1908: 51–53, op. cit. Bijsterveld 2001: 49). 23 Vgl. Corbin (1998:125). 24 Vgl. hierzu erneut Fennes (2010).

6

Signale besitzen, wohingegen das Judentum, das nicht missioniert,ohne sie auskommt.“25

Doch können Kirchenglocken und der Adhan, der islamische Ruf zumGebet, auch heute noch als akustisches Mittel zur Markierung eines Terri-toriums verstanden werden?

Zweifellos gehören beide religiösen Signale, da wo sie zu hören sind,zu den prägendsten Elementen der jeweiligen Klanglandschaft: durch ihregroße Reichweite und indem sie im Laufe eines Tages wiederholt erklin-gen, sind sie sehr präsent. Ob sie allerdings wirklich das Zentrum einesakustischen Territoriums bilden, steht und fällt mit der Frage, ob sie in ir-gendeiner Form Anspruch auf ein bestimmtes Gebiet anmelden bzw. obKonkurrenzen um die Vorherrschaft in bestimmten Regionen bestehen.Zumindest letzterer Aspekt scheint in hiesigen Großstädten offenbar einegewisse Rolle zu spielen.

Bei aller Überlagerung und Gleichzeitigkeit verschiedener Klangfel-der ist die Kirchenglocke noch immer das dominante religiöse akustischeSignal in deutschen Städten. Der Adhan (auch: Ezan bzw. Azan), der Rufdes Muezzins zum Gebet, ist dagegen kaum zu hören. Dabei leben z.B. inBerlin heute schätzungsweise über 250.000 Muslime, Tendenz steigend.26

Islamische Gebetsrufe sind in Deutschland zudem durch das Grund-recht der Religionsfreiheit geschützt – zumindest solange sie nicht durchihre Lautstärke gegen das Immissionsschutzrecht verstoßen, das im Übri-gen auch für Kirchenglocken gilt. Und doch gibt es bis heute noch immernur wenige Städte und Gemeinden in Deutschland, in denen der Adhanöffentlich zu hören ist.27

Tatsächlich stoßen die vereinzelten Versuche vonseiten muslimischerGemeinden, den Adhan vor Ort als öffentlichen Ausruf einzuführen – so-fern sie überhaupt unternommen werden – in der Regel auf Gegenwehr,bis hin zu offener Aggression.28 So sammelte etwa im Schleswig-Holstei-nischen Rendsburg, das lange Zeit als Vorzeigestadt für die friedliche Ko-existenz von Muslimen und Christen gehandelt wurde, eine spontan ge-gründete Bürgerinitiative umgehend Unterschriften gegen den Antrag der

25 Schafer (2006 [1977]: 55, meine Übersetzung). 26 Genaue Zahlen zur Religionszugehörigkeit liegen nicht vor, es handelt sich um ca.

6,5 Prozent Muslime neben ca. 30 Prozent Christen vgl. „Berliner Statistik“(2010).

27 Zu hören ist der Gebetsruf derzeit u.a. in Bergkamen, Bochum, Dortmund, Dü-ren, Hamm, Neumünster, Schleswig, Siegen, Oldenburg und Rendsburg, vgl. Wi-kipedia.org (2013).

28 Neben den zahlreichen islamfeindlichen Blogs und Webseiten, die hier ungenanntbleiben, erfolgt hier nur der Verweis auf eine als „Klingelton“ angepriesene bra-chiale Klangcollage, in der der Ruf eines Muezzins mit dem Soundsample einesSchusses beendet wird; in den sich anschließenden kurzen Moment der Stilleplatzt dann sog. „deutsche Blasmusik“, vgl. http://youtu.be/YivGTLDB818. Vgl.auch Fußnote 41.

7

muslimischen Gemeinde, von den Minaretten ihrer Moschee den Adhanausrufen zu dürfen (letztlich erhielt die muslimische Gemeinde jedoch dieErlaubnis).29 Und als die evangelische Bischöfin Maria Jepsen den Ruf desMuezzin in Hamburg 2009 in einem Interview für „vorstellbar“ erklärte,erregte sie ebenfalls eine Welle des Protests.30

Cibedo, ausgewiesene Arbeitsstelle der (katholischen) Deutschen Bi-schofskonferenz für den Dialog mit den Muslimen, hat bereits im Jahr2003 eine Arbeitshilfe unter dem Titel „Christen und Muslime inDeutschland“31 veröffentlicht, in der sie auf verschiedene Aspekte des Zu-sammenlebens eingeht und auch bemerkenswert offen die Ängste be-schreibt, die der Ruf des Muezzins hierzulande auslösen könne:

„Mehr noch als der Bau einer Moschee selbst ist in Deutschlandder Ruf des Muezzins umstritten. Dies gilt insbesondere dann,wenn die Stimme des Muezzins mit Hilfe eines Lautsprechers ver-stärkt werden soll. Viele Menschen befürchten in diesem Fall einebeträchtliche Lärmbelästigung. In Stadtteilen oder Orten mit ei-nem wachsenden muslimischen Bevölkerungsanteil verstärkt derGebetsruf bei Nichtmuslimen zudem das Empfinden, am eigenenWohnort fremd zu werden. […] Sie befürchten auch, dass der Mu-ezzinruf einen Machtanspruch des Islam über unser Land zumAusdruck bringe.“32

Die „flächendeckende Einführung eines innerhalb von 24 Stunden fünf-maligen lautsprecherverstärkten Gebetsrufs“ bezeichnet Cibedo als „demZusammenleben […] zweifellos nicht dienlich.“ Zugleich spricht dieDeutsche Bischofskonferenz den Muslimen das (überdies durch die Reli-gionsfreiheit gedeckte) Recht auf den Adhan eindeutig zu.33

Auch die erklärten Gegner des Adhan warnen gerne vor der drohen-den Lärmbelästigung – ein Argument, das einen zweiten Blick verdient:denn als „Lärm“ dürfte der Adhan nicht unbedingt nur aufgrund seinerquantitativen Lautstärke bezeichnet werden, sondern vor allem, weil erqualitativ anders beurteilt wird.34

29 Vgl. Geisslinger (2010). 30 Vgl. Ataman (2010). 31 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (2003). 32 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (2003:. 239). 33 Ebd. Allerdings wird eingeschränkt: „Wir dürfen von den Muslimen im Hinblick

auf Frequenz, Lautstärke und bestimmte Zeiten die gleiche Rücksichtnahme ein-fordern, zu der wir uns im Hinblick auf das Glockengeläut […] haben einfindenmüssen“ (a.a.O.: 44).

34 Die Lautstärke ist freilich nicht zu leugnen, sie wird auch von manchen Muslimekritisiert, vgl. u.a. Fennes (2010: 113). Was die unerwünschte Verstärkung mithilfevon Lautsprechern angeht, berichtet Tong Soon Lee von heftigen Auseinanderset-zungen, aber auch von Kompromissen aus Indonesien, wo der Gebetsruf mittler-weile zum Teil durch Gongschläge ersetzt werde. Vgl. Lee (1999).

8

In ihrer religionsethnologischen Arbeit „Reinheit und Gefährdung.Eine Studie zu Vorstellungen von Verunreinigung und Tabu“ zitiert diebritische Sozialanthropologin Mary Douglas das illustrative Bonmot, bei„Schmutz“ handle es sich um „Materie am falschen Platz“.35 Analog ließesich „Lärm“ denn auch als „Geräusch am falschen Platz“ bezeichnen.36 Esist folglich anzunehmen, dass der Adhan hierzulande nicht zuletzt deshalbso oft als „Lärm“ bezeichnet wird, weil er als „fremdes“ Element gegen einungeschriebenes akustisches Reinheitsgebot westeuropäischer Klangland-schaften zu verstoßen scheint.37

Kulturelle Prägungen und subjektive Bewertungen beeinflussen dieWahrnehmung und konstruieren diese mit, wie die Schweizer Kulturpsy-chologin Tania Zittoun bemerkt. Klänge und Geräusche sind niemals neu-tral gegebene Phänomene; bei ihrer Rezeption und Bewertung spielt dieeigene Sozialisation eine wesentliche Rolle:

“Like any semiotic mode, sounds are attached to other socialmodes of organization, specific group values and histories. Peoplethen learn which sounds are beautiful or ugly, authorized in publicor to be kept private, such as body noises; people also learn toidentify some sounds as representing wider values, such as thetrumpets as dedication to a country, or the church bell as reassur-ing, or the call of a muezzin as hostile. Sounds thus organize ourrelationship to self, others and the world in a deep way; all thecomplexity of power, ideologies, and myths can be found in our re-lationship to sounds. [… Thus,] ‘noise’ is […] very often simplythe sound of ‘Others’.”38

Der Konflikt um den Adhan verweist damit auf einen wichtigen Aspektvon kulturell spezifischen akustischen Territorien: So wenig Beachtungviele Menschen den Klängen und Geräuschen in ihrer Umgebung gemein-hin auch schenken mögen, so ist es offenbar doch keineswegs belanglos,aus welchem akustischen „Inventar“ sich die städtische Geräuschkulisseletztlich zusammensetzt. Es ist eine unterstellte Inkompatibilität mit dem

35 Douglas (1966: 35, meine Übersetzung). 36 Dies ist natürlich ein häufig bemühter Vergleich. Die Analogie ließe sich jedoch

durchaus fortführen, wenn „dirt“ konsequent mit „noise“ ersetzt würde, beispiels-weise: „It implies two conditions: a set of ordered relations and a contravention ofthis order. [Noise] then, is never a unique, isolated event. Where there is [noise],there is a system.“ ebd.

37 Bei aller Vorsicht bei der Formulierung ihrer Argumente wird die in der „Arbeits-hilfe“ propagierte Haltung letztlich jedoch nicht ganz klar: so möchte die Deut-sche Bischofskonferenz den verbreiteten Widerstand gegen den Muezzinruf „nichtper se als Mangel an Respekt für die islamische Religion“ verstehen; im gleichenAtemzug heißt es jedoch, die Ablehnung sei in erster Linie auf „Überfremdungs-ängste“ zurückzuführen, welche „angesichts der Fremdheit des Rufes in einemnichtislamischen Land verständlich“ seien, Sekretariat der Deutschen Bischofs-konferenz (2003: 244f).

38 Zittoun (2012: 478f).

9

hiesigen kulturellen Umfeld (Stichwort „Abendland“), die vor allem dafürverantwortlich sein dürfte, warum der Adhan so oft als „Lärm“ bezeichnetwird. Der Widerstand gegen die Einführung des „fremden“ Adhan lässtmithin die Existenz einer hegemonialen „sozio-akustischen Ordnung“39

bzw. eines dominanten „akustischen Regimes“40 vermuten, im Sinne einessymbolischen Kategoriensystems „reiner“ und „unreiner“ Elemente(Douglas).

Zumindest gibt es offenbar eine Vorstellung von einem irgendwieschützenswerten, akustisch und soziokulturell homogenen Territorium,das von „anderen“ kulturellen Einflüssen freigehalten werden muss.41 An-gesichts eines notwendigerweise zu entwickelnden „global sense ofplace“42 – im Zuge der zunehmenden globalen Mobilität von Menschen,Bildern, Informationen und Sounds – dürfte es sich langfristig gesehen je-doch zunehmend schwieriger gestalten, eindeutige Grenzen zwischen „ei-genen“ und „fremden“ Klängen und Geräuschen zu ziehen.

Funktionale Musik. Space-Branding und akustische Kontrolle Während sich die Klänge der Kirchenglocken, die Geräusche des Verkehrsund der Lärm eines Flugzeugs weitgehend ungehindert ausbreiten könnenund so ganze Straßenschluchten erfüllen und Stadtquartiere prägen, drin-gen sie höchstens gedämpft in das Innere von Häusern ein. Hinter denFassaden, unter den Dächern sind die einzelnen Gebäude einer Stadt wie-derum durch Böden und Wände in mehrere Stockwerke mit verschiede-nen Zimmern untergliedert, in größere und kleinere Geschäftsräume, inFlure, Säle, Ladenflächen und Büros; mit anderen Worten, sie sind unter-teilt in eine Vielzahl benachbarter und übereinander gestapelter „Boxen“,

39 Järviluoma et al. (2010b: 25). 40 Der Begriff wird ebenfalls von dem Historiker Niall Atkinson verwendet, wenn er

schreibt, das im Florenz der Renaissance neu aufkommende „akustische Regime“säkularer Geläute sei in Konkurrenz zu den bis dato vorherrschenden sakralenGlockengeläuten getreten, vgl. Atkinson (2012).

41 Solche ungeschriebenen Tabus und Verbote können im Hintergrund wirken odersich sogar in gesetzlicher Form niederschlagen – so geschehen etwa im Rahmendes sogenannten Schweizer Minarettstreits, der per Bürgervotum 2009 mit dembundesweiten Verbot von Minaretten endete. Einen kritischen Kommentar zur da-mals laufenden Auseinandersetzung lieferte der Schweizer PerformancekünstlerJohannes Gees mit seiner akustischen Intervention „Salat (Call for Prayer)“: imJahr 2007 versteckte er mehrere mit Batterien, Timern und Lautsprechern ausge-stattete Mp3-Player – sogenannte „Sound Bombs“ – an verschiedenen Kirchtür-men u.a. in Bern, Zürich und St. Gallen, sodass der Adhan pünktlich zu den Ge-betszeiten über der Stadt erschallte, vgl. http://youtu.be/udgPNl-xTnQ. Vgl. auchFußnote 28.

42 Doreen Massey zufolge dürfen wir Orte nicht (mehr) als begrenzte Entitäten an-sehen, sondern müssen sie als historische Schauplätze begreifen, die immer schonBezüge zu anderen Orten aufgewiesen haben, wobei sie heute zunehmend auch inglobale ökonomische und soziale Netzwerken eingebunden sind Massey (1991).

10

die akustisch relativ gut voneinander abgeschottet sind – und damit je in-dividuell gestaltbar.

Der britische Soziologe und Stadtforscher Rowland Atkinson ver-wendet den Begriff des „akustischen Territoriums“ vor allem in Bezug aufdas akustische Design von Innenräumen im konsumptiven Bereich: Ge-zielt orchestrierte, strikt kontrollierte Klangräume, wie sie z.B. in den ein-zelnen Shops eines Einkaufszentrums oder in Hotel-Lobbys vorzufindensind, sind für Atkinson mithin die prototypischen akustischen Territori-en.43

Ob ich mich in einer Kneipe oder in einem Café, im Fitness-Studio,beim Friseur, in einem Bekleidungsgeschäft oder in einer Autobahnrast-stätte befinde – dass ich mittlerweile fast überall mit Hintergrundmusikberieselt werde, ist beinahe schon zu einer Selbstverständlichkeit gewor-den.44 Mithilfe von Tonträgern, kombiniert mit immer leistungsfähigerenBeschallungsanlagen, wurden Innenräume im Laufe des 20. Jahrhundertszunehmend akustisch gestaltbar. Die erwartungsgemäße Untermalung mitder „richtigen“ Musik – topaktuell, aber bereits bekannt, anregend, aberkeinesfalls zu schräg – bildet mittlerweile einen wichtigen Bestandteil derCorporate Identity gerade von großen Mode- und Restaurantketten. Da-bei sind es keineswegs nur Konzernketten, die Musik bewusst einsetzen:gerade kleinere Kneipen und Cafés entwickeln gerne ein eigenes musikali-sches Idiom, das nicht zuletzt dem Zweck dient, sich von anderen abzu-grenzen und bestimmte Kundengruppen anzuziehen (oder abzuschre-cken) – handle es sich dabei nun um das gediegene Café im Opernpalais,die Karaoke-Bar, den Metal-Schuppen oder den Irish Pub.

Musik kann in diesem Sinne – pointiert formuliert – als ein „Filter“45

für Konsumentenströme verstanden werden, der hinsichtlich seinerDurchlässigkeit ziemlich gut auf ein – beispielsweise – „älteres“ oder „jün-geres“ Publikum zugeschnitten werden kann. Es ist sicher nicht überzo-gen, davon auszugehen, dass größere, international operierende Mode-und Restaurantketten den Einsatz von Hintergrundmusik unter Gesichts-punkten wie diesen planen.

Rowland Atkinson bezeichnet funktionale Musik deshalb als „hörba-re territoriale Markierung“, deren Ziel es ist, Räumen ein akustisches„branding“ zu verpassen.46 Damit stellt sich zwangsläufig auch die Frage,welche atmosphärischen bzw. affektiven Botschaften funktionale Musik

43 Rowland Atkinson hat hierzu eine Reihe von Artikeln publiziert, vgl. Atkinson(2007); Atkinson (2008); Atkinson (2011).

44 Bereits in den 1970er Jahren brandmarkte Murray Schafer die zunehmende Ver-breitung der von „Fahrstuhlmusik“ als Belästigung, vgl. Schafer (2006 [1977]:96ff).

45 Atkinson (2011: 22). 46 Atkinson (2007: 1910).

11

an die potentiellen Konsumenten übermitteln, welche Verhaltensweisensie beeinflussen bzw. begünstigen soll.

Die ersten systematischen Versuche, Musik zu funktionalisieren,sieht Atkinson im Fordismus. Damals sollte sie vor allem dazu dienen, dieProduktivkraft der Arbeiter zu steigern. So wurde zum Beispiel in denWerkhallen zu Schichtbeginn leise Hintergrundmusik eingespielt, die überStunden hinweg allmählich an Lautstärke und Tempo gewann; von mani-pulativen Maßnahmen wie diesen erhoffte man sich, Ermüdungserschei-nungen entgegenzuwirken und – durchaus im Sinne einer FoucaultschenDisziplinierung – die Angestellten auf ein höheres Arbeitstempo zu pro-grammieren (wenn auch ohne nennenswerte Erfolge). Atkinson zufolgeträgt Hintergrundmusik heute – inzwischen vom Produktionsraum in denKonsum- und Dienstleistungsbereich gewandert und vom Hintergrundmehr und mehr in den Vordergrund getreten – gleichwohl funktionaleZüge.47 Heute richtet sie sich an die Konsumenten und fungiert dabei inerster Linie als mehr oder weniger schriller Signifikant eines bestimmtenLifestyles, um bestimmte Peer Goups anzuziehen bzw. abzustoßen. DieWirkungsweise musikalischer Raumgestaltung setzt also vor allem beimGeschmack, bei den subjektiven Präferenzen der potentiellen Konsumen-ten an.

Problematisch wird dieser akustische Zugriffsversuch nicht zuletztangesichts einer zunehmenden Kommerzialisierung und Kontrolle des öf-fentlichen Raums – eine Tendenz, die Atkinson vor allem im angelsächsi-schen Raum beobachtet, die aber auch darüber hinaus auszumachen ist.Zu den meistdiskutierten Beispielen in diesem Zusammenhang gehört derEinsatz leiser klassischer Musik auf Bahnhöfen und an anderen öffentli-chen Orten, um jugendliche Störenfriede bzw. andere vermeintlich pro-blematische Randgruppen zu verdrängen – zum Beispiel an den Haupt-bahnhöfen Hamburg und Kopenhagen ‣ HÖRBEISPIEL 05.48 Ob Strategi-en wie diese wirklich aufgehen, ist schwer zu sagen; zumindest sollen siewohl das subjektive Sicherheitsgefühl der geneigten Kundschaft erhöhen.

Noch umstrittener, weil ungleich unverhohlener, ist der Einsatz so-genannter Mosquitos in Geschäftsstraßen und Einkaufszentren: Diesekleinen, an der Fassade zu installierenden Geräte erzeugen ein lautes,hochfrequentes Signal ‣ HÖRBEISPIEL 06 ,49 das aufgrund altersbedingter

47 a.a.O.: 1913. 48 Die Mischung aus zurückhaltender klassischer Musik und den Geräuschen von

Schritten, Gesprächsfragmenten, Rolkoffern und U-Bahnen wirkt als Tonaufnah-me erst recht surreal: Field Recording (2010).

49 Um einen Eindruck von dieser Tonhöhe zu vermitteln, befindet unter den Hörbei-spielen auch ein synthetischer Sinuston bei 17.6kHz. Frequenzen in dieser Höhewerden schon fast nicht mehr „gehört“, sondern eher als unangenehm bedrängen-de Empfindung wahrgenommen (Bei diesem Hörbeispiel bitte ich erstens zu be-achten, dass Frequenzen in dieser Höhe nicht von allen Menschen wahrgenom-men werden können, zweitens können bei weitem nicht alle Wiedergabegeräte die-

12

gehörsphysiologischer Veränderungen in der Regel nur von jungen Men-schen wahrgenommen werden kann; die unangenehme Lautstärke desstark gerichteten Schallstrahls soll es Jugendlichen verleiden, in oder vorbestimmten Geschäften herumzulungern.50

Mosquito MK4 in Letterkenny, Irland, http://www.indymedia.ie/article/86200

sen Ton abspielen. Laptoplautsprecher werden wohl nicht ausreichen; hochwertigeKopfhörer sind zu empfehlen.

50 Die Hörfähigkeit insbesondere höherer Frequenzen lässt mit zunehmenden Alterkontinuierlich nach; den hohen Ton des Mosquito bei 17.6kHz nehmen deshalbvor allem junge Menschen wahr. Das Modell Mosquito MK4, seit 2005 auf demMarkt, verfügt aber auch über eine „multi-age function“ mit zwei optionalen Fre-quenzeinstellungen, „one for kids and one that will annoy people of any age“. DerHersteller Compound Security Systems beeilt sich, zu versichern, das ca. 700 teure€Gerät – mit einem Gehäuse aus „diecast zinc alloy and steel“ und damit „vandaland weather resistant“ – „is not a weapon, it is not violent, it does not hurt“. Vorallem an Orten „where kids gather and cause problems“ sei das Mosquito MK4 ge-eignet, „[to] increase the quality of life of those affected by anti social behaviour“,Compound Security Systems Ltd (2008). In Frankreich sind entsprechende Gerä-te inzwischen verboten, die Europäische Kommission erlaubt den Einsatz aberprinzipiell; in Deutschland wurden lt. Herstellerangaben ca. 1000 Mosquitos ver-kauft, Stand: 2008, vgl. Pany (2008). Weitere Einsatzmöglichkeiten zur Auflösungvon Unruhen sind geplant; „allerdings wurde das Prinzip auch als Klingelton alsTeen Buzz [...] für Jugendliche entdeckt, um etwa an Schulen unentdeckt [...] an-gerufen werden oder SMS empfangen zu können“, Rötzer (2007).

13

Nach mehreren vergeblichen, auch legislativen Maßnahmen mit dem Ziel,Punks und Trinker vom Grazer Hauptplatz zu vertreiben, um ihn imStadtbild endlich als exklusiven Marktplatz etablieren zu können, wurdez.B. am zentralen Brunnen ein vergleichbares Gerät installiert‣ HÖRBEISPIEL 07.51

Denkt man Rowland Atkinsons Metapher von Musik als „Filter“ fürbestimmte Zielgruppen konsequent weiter, ließe sich dieses Signal durch-aus als eine radikale Spielart funktionaler Musik interpretieren – obwohldas Mosquito schon eher eine waschechte Verteidigungseinrichtung dar-stellt denn ein bloßes Mittel zur Markierung von akustischen Territorien.

Obschon flüchtig und unsichtbar, ist die Klanglandschaft doch greif-bar in ihren sozialen Auswirkungen. Atkinson bezeichnet die Klänge undGeräusche im Stadtraum deshalb auch als „both an ordered and orderingforce.“52 Weit davon entfernt, Konsumenten auf ein bestimmtes Verhalten„programmieren“ zu können, spielt Hintergrundmusik gleichwohl einewichtige Rolle für die unterschwellige Vermittlung einer bestimmten Mar-kenidentität. Was mir vordergründig als Wahlfreiheit verkauft wird – dassich als Konsument hinsichtlich „meiner Musik“ aus einer bunten Palettewählen und mich so „meinesgleichen“ anschließen kann – resultiert letzt-lich doch in einer zunehmenden Konfektionierung von Erfahrungen.

Als akustische Territorien müssen Räume wie diese vor allem deshalbgelten, weil sie nicht nur von einer zentralen Autorität gesteuert und ge-staltet werden, sondern nötigenfalls auch vor kontaminierenden akusti-schen Interventionen von anderen geschützt werden.53

Atkinson beschreibt akustische Territorien als „spaces defined,owned, or contested by those who, relatively speaking, control the sound-scape of public or private spaces“.54 Diese Definition – in erster Linie aufdie Markierung von Räumen mithilfe funktionaler Musik zugeschnitten –ist zugleich offen genug, um auch auf andere Varianten akustisch artiku-lierter Raumansprüche übertragen zu werden.

Akustische Regime: Minimierung akustischer Präsenz Erving Goffman definiert das Territorium als einen „Bereich“, dessenGrenzen „gewöhnlich von [einem] Ansprucherhebenden bewacht und

51 Das Gerät erweist sich jedoch als nur mäßig erfolgreich, was vermutlich an der zugeringen Lautstärke und der etwas niedrigeren Frequenz (bei ca. 16.5kHz) liegendürfte: gefragt, ob sie sich von dem Geräusch nicht gestört fühlten, gaben die aufden Treppen um den Brunnen sitzenden Jugendlichen an, sie würden die Tönezwar hören, sie aber nicht als unangenehm empfinden und sie mit der Zeit nichteinmal mehr bewusst wahrnehmen: Field Recording (2013a).

52 Atkinson (2011: 24). 53 In beiden Fällen geschieht dies aus ökonomischen Erwägungen. So sind zum Bei-

spiel vor exklusiven Cafés und Restaurants Straßenmusiker in der Regel uner-wünscht.

54 Atkinson (2007: 1910).

14

verteidigt werden“.55 Dieser Anspruch auf ein bestimmtes „Reservat“kann vergleichsweise dauerhafter Natur sein, „oft durch Gesetz und Ge-richte gestützt“ – so im Falle von Eigentumsansprüchen auf Grundstückeund Immobilien.56 In vielen anderen Fällen werden Ansprüche auf ein Ter-ritorium aber auch lediglich „situationell“ erhoben, d.h. das „Gebrauchs-anrecht“ ist vorübergehender Natur und wechselt häufiger zwischen ver-schiedenen Akteuren: „Beispiele [dafür] sind Bänke in Parks und Tischein Restaurants“ oder Liegeplätze am Strand, die mit Handtüchern undähnlichem markiert werden, aber auch Parkplätze oder Kinosessel.57

Eine Sonderform des Territoriums ist der „persönliche Raum“. Damitbezeichnet Goffman einen unsichtbaren Bereich, der den eigenen Körperumgibt und „dessen Betreten seitens eines anderen vom Individuum alsÜbergriff empfunden wird, der es zu einer Mißfallensbekundung undmanchmal zum Rückzug veranlasst“.58 Anhand des „persönlichenRaums“, der stets gewahrt bleiben soll, illustriert Goffman das unge-schriebene Gebot, Berührungen mit Fremden auch im dichten Gedrängenach Möglichkeit zu vermeiden; bei etwaigen Übertritten (oder Zusam-menstößen) wird dieser Abstand, in der Regel begleitet von einem Aus-tausch von Entschuldigungen, wiederhergestellt. Ab welchem Moment,genauer gesagt, ab welcher Distanz ich das Gefühl habe, dass jemand mirim wahrsten Sinne des Wortes zu nahe kommt, ist dabei unter anderemabhängig von meiner Sozialisation und kulturellen Prägung, aber auch vonder Situation, in der ich mich befinde. Je nach Kontext und vorhandenemPlatz ist mein „persönlicher Raum“ also ausgedehnter oder enger ummich geschnürt; doch wird er selten ganz preisgegeben.59

55 Goffman (1974: 55). 56 Verkaufsflächen, wie im vorigen Kapitel behandelt, sind Beispiele für dauerhafte

akustische Territorien. 57 Bei Parkplätzen regeln gegebenenfalls Parkuhren die zulässige Nutzungsdauer; das

vorübergehende „Gebrauchsanrecht“ auf einen Kinosessel wird durch die Platz-karte garantiert. So wie die Reihenposition in einer Warteschlange wird ein offen-sichtlich von einem anderen belegter Platz im allgemeinen respektiert – Goffmanerwähnt einige „Standardtricks“, um sich einen bestimmten Platz zu reservieren:etwa durch die Markierung mithilfe eines persönlichen Gegenstandes (Schal aufdem Theatersessel etc.), Goffman (1974: 59ff).

58 a.a.O.: 56. 59 Wenn es so eng ist, dass Menschen, die sich nicht kennen, einander zwangsläufig

sehr nahe kommen – z.B. in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln – versuchendiese meist dennoch, einen Fingerbreit Luft zwischen ihren Körpern zu wahren.Goffman weist darauf hin, dass schon die Wahrnehmung der Körperwärme meinesNachbarn einen weiteren Rückzug nach sich ziehen kann. Der persönliche Raumist dagegen weiter ausgedehnt, wenn Platz im Übermaß vorhanden ist: sitze ich al-leine in einer großen Wartehalle, dann wäre es unter diesen Umständen schon zu-dringlich (und mich möglicherweise „zum Rückzug veranlassen“), wenn ein hin-zukommender Fremder sich bis auf wenige Schritte nähern und sich nur ein, zweiPlätze weiter neben mich setzen würde. Außer diesem situativen Kontext zähltauch der Grad der Vertrautheit bzw. evtl. bestehende soziale Hierarchien, vgl.

15

Auf die Domäne der Akustik lässt sich das Konzept des geschützten„persönlichen Raums“ nicht ohne weiteres übertragen, da Klänge und Ge-räusche, einmal in die Welt gesetzt, Distanzen im Handumdrehen über-winden und etwaige individuelle Grenzen dabei wahllos überschreiten.Den „persönlichen Raum“ des anderen auch akustisch zu respektieren,hieße daher, diese potentiellen Grenzübertritte zu antizipieren, was wie-derum bedeuten würde, Geräusche, die möglicherweise stören könnten,gar nicht erst zu machen.60

Sitze ich im vollbesetzten Saal eines Kinos zwischen zwei fremdenPersonen, so ist mein persönlicher Raum nahezu deckungsgleich mit denAußenmaßen des Sessels; die Grenze zwischen meinem persönlichenRaum und dem meines Sitznachbarn verliefe hier also etwa in der Mitteder Armlehnen – und wenn es überhaupt zu einem Streit um ausreichen-den Platz kommt, dann würde er sich wahrscheinlich an der fehlendenEinhaltung ebendieser Grenze entzünden. Gerade im Kinosaal erwarte ichvon anderen aber auch, dass sie mir nicht nur meinen Platz belassen, icherwarte auch die Einhaltung bestimmter akustischer Grenzen bzw. Grenz-werte. So wird das Publikum im Kino vor Beginn der Vorstellung mittler-weile nicht nur gebeten, die Mobiltelefone auszuschalten; ich zähle auchdarauf, dass meine Sitznachbarn ihre Gespräche einstellen und erwarte so-gar, dass die Kinobesucher eine Reihe hinter mir nicht zu sehr mit ihrenPopcorn-Tüten rascheln. Abseits des akustischen Monopols, das der fil-mischen Darbietung zusteht, gilt für das Publikum für die Dauer der Vor-führung also ein informelles Gebot der Stille. Im Saal eines klassischenKonzerts, wo die Darbietung live ist und sich noch dazu weitgehend aufakustische Inhalte beschränkt, gibt es nicht nur kein Popcorn, sonderndas „Gebot der Stille“ ist hier überhaupt von größerer Tragweite – was na-türlich nicht heißt, dass sich alle danach richten.61 Um beim Beispiel desklassischen Konzerts zu bleiben: Das Geknister von Bonbonpapier, dasvon meinem Sitznachbarn ausgeht, wird mich unter Umständen sogarmehr stören als wenn er sich körperlich breit machen würde – und diesvor allem deshalb, weil ich dem Geräusch kaum ausweichen kann.62 Willich Goffmansche Konzepte wie das des „persönlichen Raums“ auf dieAkustik übertragen, müssen sie also zumindest modifiziert werden. Mag

a.a.O.: 56ff. 60 Umgekehrt kann ich durch dauerndes, unangebracht lautes Verhalten meinen Um-

raum sehr wohl über das normale Maß hinaus okkupieren und andere so zum Aus-weichen zwingen.

61 Welche Lautäußerungen „zulässig“ sind und welche nicht, hängt stark vom Kon-text ab, z.B. von der Tages- und Nachtzeit; ein und dieselbe Handlung kann an einund demselben Ort einmal angebracht und einmal unangebracht sein: Wer z.B.während eines klassischen Konzerts in der Satzpause applaudiert, erntet böse Bli -cke; einen Tag später, im selben Konzertsaal, beklatscht das Publikum eines Jazz-Konzerts ein gelungenes Solo „selbstverständlich“ mitten im Stück.

62 Zumindest nicht, wenn ich das Konzert weiterhin hören möchte.

16

mein Nachbar meinen persönlichen Raum auch durch gebührenden kör-perlichen Abstand respektieren, sein dauerndes Herumnesteln, Räuspernund Geraschel wird mich dennoch irgendwann auf die Palme bringen.Und was die Situation für den Störenfried auf Dauer gänzlich unbequemmachen dürfte: seine akustische Präsenz bedeutet ja nicht nur einen Über-griff auf meinen auditiven „persönlichen Raum“, sondern auch auf denvon einem Dutzend anderer, die sich in seinem weiteren Umkreis befin-den. Mit seiner unangebrachten akustischen Präsenz „lehnt er sich“ gewis-sermaßen auf den auditiven Wahrnehmungshorizont der anderen (undzwar von umso mehr potentiellen Zuhörern, je lauter er ist).63

In einem fragmentarischen Entwurf zu einer „Soziologie der Sinne“stellte Georg Simmel bereits 1907 fest, dass „das Hören seinem Wesennach überindividualistisch ist: was in einem Raume vorgeht, müssen ebenalle hören, die in ihm sind“. Wir sind somit in einer Art akustischenZwangsgemeinschaft verbunden.64 Hören bedeutet Partizipation an einerkollektiv geteilten Erfahrung – im eben genannten Beispiel wäre das dieMusik, die vom Orchester gespielt wird, aber ebenso das Geraschel mei-nes Sitznachbarn.

Die Tatsache, dass, „was in einem Raume vorgeht, […] alle hören[müssen], die in ihm sind“, äußert sich für den Einzelnen oft als ein sozia-ler Druck, sich möglichst ruhig zu verhalten – also das, was ich eben als„informelles Gebot der Stille“ bezeichnet habe. Treffender wäre vielleichtder Begriff des „akustischen Regimes“65 im Sinne von ungeschriebenenakustischen Umgangsregeln, die das Verhalten des einzelnen regulieren

63 Zwischen Körperlichkeit, Raum und Akustik bestehen also ganz eigene Zusam-menhänge: Erstens nimmt mein Körper immer einen gewissen Raum ein. Zwei-tens beanspruche ich, wenn ich Goffman folgen will, einen in seiner Ausdehnungvariablen, aber stets über meinen Körperumfang hinausgehenden Raum, den „per-sönlichen Raum“, eine Art Pufferzone, die nicht verletzt werden darf – wobei die-se mich nicht vor akustischen Kontaminationen schützen kann. Und drittens binich zumindest potentiell in der Lage, mithilfe akustischer Interventionen einennoch weit größeren Raum einzunehmen – wenngleich es nicht geboten scheint,überall davon Gebrauch zu machen.

64 Und dies in zweierlei Hinsicht, nämlich auf Ebene der Rezeption und der Produk-tion von Geräuschen: Einerseits teilen wir, wenn wir uns am selben Ort befinden,stets ähnliche Hörerfahrungen: „Unter gewöhnlichen Umständen können […]nicht allzuviel Menschen einen und denselben Gesichtseindruck haben, dagegenaußerordentlich viele denselben Gehörseindruck. Man vergleiche ein Museumspu-blikum mit einem Konzertpublikum ...“ Simmel (1993b: 286f). Und andererseitskönnen wir uns als Produzenten von Geräuschen kaum entfliehen, insofern ichmeine akustische Präsenz (mindestens Atmen, Rascheln, ...) kaum jemals völligunterdrücken kann – selbst wenn ich das wollte: „Voluntarily or not, we do con-tribute to sonic environments, and in the context of the city these environmentsare generally filled with noises of other people.“ Kreutzfeldt (2012: 63).

65 Der Historiker Niall Atkinson spricht gelegentlich auch von einem „silent regime“der Nacht, welches den Tag mit seinen lauten Klängen und Geräuschen ablöse: At-kinson (2012), vgl. auch Fußnote 40.

17

sollen. Ich weiß, dass ich andere stören könnte, wenn ich zu laut bin –und die anderen wissen, dass ich das weiß (und wenn nicht, dann lassensie es mich wissen).66 Lautstärke ist dabei jedoch nicht unbedingt das ent-scheidende.

Ein typisches urbanes Setting, in dem tagtäglich fremde Menschenaufeinandertreffen, und das deshalb für die Beobachtung informeller so-zialer Umgangsregeln besonders gut geeignet ist, sind U-Bahnen und an-dere öffentliche Verkehrsmittel.67 Anders als im Konzertsaal ist das akus-tische Regime in der U-Bahn zwar weit weniger strikt, aber auch hier sindgewisse „akustische Umgangsregeln“ in Kraft: So laut die U-Bahn selbstauch rattern mag, von den anderen Fahrgästen erwarte ich gleichwohl,dass sie mit ihren Lautäußerungen nach Möglichkeit „bei sich bleiben“.68

Das prototypische Soziotop, wo sich situative anonyme Interaktionen be-sonders gut verfolgen lassen, ist der Fahrstuhl: wie andere öffentliche Ver-kehrsmittel auch, aber eben noch kompakter, hält der Fahrstuhl einandermehr oder weniger fremde Individuen auf engstem Raume fest – wennauch nur vorübergehend. Dabei organisieren die die ein- und aussteigen-den Fahrgäste in der Regel ohne explizite Absprachen den knappen Raumuntereinander, machen Korridore frei und versuchen, sich nicht zu nahezu kommen. Es geht jedoch nicht nur darum, physische Kollisionen zwi-schen Körpern zu vermeiden, sondern auch um eine soziale „Kontaktver-meidung“ für die Dauer der Fahrt: In seinem exzellenten Beitrag zur So-ziologie des Fahrstuhlfahrens spricht Stefan Hirschauer deshalb von eineraktiv umzusetzenden „Praxis der Fremdheit“ und verschiedenen Strategi-en zur „Minimierung von Anwesenheit“.69 Zum Beispiel vermeiden es die

66 In Deutschland richtet sich in juristischer Hinsicht z.B. ein „Unterlassungsan-spruch“ gegen „Ruhestörung“ (§ 1004 BGB in Verbindung mit § 906 BGB); recht-liche Regelungen wie diese deuten zweifellos auf einen Common Sense hin, d.h.auf einen weithin geteilten Konsens. „Ruhestörung“ kann übrigens gegebenenfallsals „Ordnungswidrigkeit“ geahndet werden: „§ 117 OwiG – Ordnungswidrig han-delt, wer ohne berechtigten Anlass oder in einem unzulässigen oder nach den Um-ständen vermeidbaren Ausmaß Lärm erregt, der geeignet ist, die Allgemeinheitoder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die Gesundheit eines anderenzu schädigen. Dabei handelt es sich um verhaltensbedingten Lärm, zum BeispielGeschrei, Maschinenlärm, Fahrzeuge, Musik aller Art usw.“, vgl.http://www.dejure.org/.

67 Vgl. hierzu z.B. die detaillierte Untersuchung von Lang (1994). 68 Wie eine flüchtige Durchsicht der Haus- und Benutzungsordnungen verschiede-

ner Betriebe des öffentlichen Personennahverkehrs ergeben hat, wird das Gebot,andere nicht zu stören, heute selten explizit erwähnt, höchstens allgemein „Rück-sicht“ eingefordert und im Übrigen evtl. durch gesonderte Aushänge darauf hin-gewiesen (s.u.). Was jedoch einem Verkäufer von Obdachlosenzeitungen oder ei-nem Musiker in der U-Bahn vonseiten der Passagiere entgegenschlägt, ist nichtzuletzt eine Welle der Missbilligung wegen der Verletzung des geltenden akusti-schen Regimes.

69 Hirschauer (1999).

18

Fahrstuhlinsassen, sich direkt anzublicken, was einer Kontaktaufnahmegleichkäme; aber auch als akustischer Raum gebietet der Fahrstuhl beson-dere Verfahrensweisen:

„Gelingt es den Fahrstuhlinsassen noch notdürftig, sich aus der ge-genseitigen visuellen Wahrnehmung auszuklinken, so ist [… manzugleich] unweigerlich ‘in Hörweite’. Für den verbalen Austauschbedeutet dies ein weitgehendes Schweigegebot.“70

Um die eigene Präsenz zu reduzieren, werden „alle […] kontrollierbarenÄußerungen [des Körpers] – Bewegungen, Gestik, Mimik, Geräusche –zurückgenommen, den Blicken das Licht abgedreht: regungslos, aus-druckslos, tonlos und teilnahmslos“.71 Diese „Minimierung“ der eigenenAnwesenheit verfolgt vor allem das strategische Ziel, einander fremd blei-ben zu können: „Fahrstuhlfahrer versuchen wie andere Passanten an öf-fentlichen Orten, es [...] zu vermeiden, andere kennenzulernen“.72

Vergleichbare akustische Regime gelten meiner Ansicht nach abernicht nur im Fahrstuhl oder im Konzertsaal, sondern auch in anderen (öf-fentlichen) Zusammenhängen – sei es im Bahnabteil oder im Wartezim-mer, gegenüber den anderen Mietern im selben Haus, in weiteren Abstu-fungen aber auch im Supermarkt, ja sogar auf offener Straße.73

Dabei ist gerade in den lauten, dicht gedrängten Städten auch eine ge-wisse auditive Unempfindlichkeit zu entwickeln. In seinem berühmtenAufsatz „Die Großstädte und das Geistesleben“74 befand Georg Simmel,dass sich die „Blasiertheit“ bzw. die „Abstumpfung“ des Großstädters unddie Vielzahl an Eindrücken, welche die Stadt ihm bietet, in gewisser Weisegegenseitig bedingen: wegen der Menge und Flüchtigkeit von Begegnun-gen behandle der Großstädter seine Mitmenschen größtenteils mit „Sach-lichkeit“, ja zum Teil sogar mit „einer leichten Aversion, einer gegenseiti-gen Fremdheit und Abstoßung“. Simmel zufolge ist es ebendiese Distan-zierung von anderen, die dem Großstädter seine individuellen Freiräumeverschafft. Um einander auch weiterhin „fremd bleiben“ zu können, be-darf es daher nicht nur einer bewussten Zurücknahme der eigenen (akus-tischen) Präsenz, sondern auch einer Art professionalisierter Gleichgül-tigkeit gegenüber (akustischen) Störungen von außen.75

70 a.a.O.: 243. 71 Die Enge des Fahrstuhls spitzt das Passivitäts- und Schweigegebot zweifellos zu;

vgl. ebd. 72 a.a.O.: 239. 73 Akustische Regime sind selten ganz außer Kraft: die Momente kollektiven

Schweigens bei einer Trauerfeier sind sicherlich ein Extremfall, was die geboteneakustische Zurücknahme angeht (Klagelaute als einzig zulässige Ausnahme); ande-rerseits wird auch ein noch so ausgelassenes Fest einen bestimmten Laut-stärke-Rahmen kaum sprengen – denn andernfalls schreiten die Nachbarn ein.

74 Simmel (1993a: 194ff).

19

Die diesbezüglichen Toleranzschwellen sind natürlich individuell un-terschiedlich ausgeprägt. Um beim Beispiel der öffentlichen Verkehrsmit-tel zu bleiben: nicht nur, aber gerade auch ältere Generationen klagen ger-ne über die akustische Präsenz von Walkman- oder Handynutzern in Busoder U-Bahn: Deren akustisch raumgreifendes Verhalten wird oft als „re-spektlos“ beschrieben.

Mittlerweile historischer Aushang des MVV (Munchner Verkehrs- und Tarifverbund)

Aushänge, wie sie die obige Abbildung zeigt, waren früher in so gut wieallen Bussen und Bahnen des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds zu

75 Am Beispiel des Fahrstuhls wird es besonders augenscheinlich, dass dieser Schwe-bezustand der wechselseitigen Anonymität „interaktiv aufrechterhalten werdenmuß. […] Fremdheit ist im Fahrstuhl, deutlicher als an jedem anderen Ort öffent-licher Begegnung, eine Leistung der Darstellung von Indifferenz“, Hirschauer(1999: 240). Die „Minimierung von Anwesenheit“ ist also letztlich eine sozialeÜbereinkunft zwischen Fremden – mit dem Ziel, einander nicht zur Kenntnisnehmen zu müssen und damit einander auch weiterhin fremd bleiben zu können.

20

finden: „Aus dem Walkman tönt es grell – den Nachbarn juckt's im Trom-melfell“ bzw., kleingedruckt: „Was andere nicht hören wird auch nichtstören“; und auch heute finden sich zahlreiche Pendants dazu. Seitdem esjedoch förmlich aus allen Taschen klingelt – oder wahlweise auch quakt,pfeift, dudelt und musiziert – und die meisten Smartphones mittlerweilezudem mit leistungsfähigen Lautsprechern ausgestattet sind, ist das Wis-pern aus den Kopfhörern des Walkmans wohl eher als ein historischesProblem anzusehen.76

Die gegenwärtige Praxis mancher (jugendlicher) Fahrgäste, die U-Bahn mit Musik aus dem Smartphone zu beschallen, kann als eine Art vonGuerilla-DJ'ing angesehen werden, aber durchaus auch als Markierung ei-nes situationellen akustischen Territoriums, als ein Akt des Eindringens,der andere – wie Goffman es bezüglich des „persönlichen Raums“ formu-lierte – zum Rückzug oder zum Einspruch zwingt. Zumindest suchen sieoffensichtlich nach Reibungsflächen und „testen“ – wie man so schön sagt– „Grenzen aus“, indem sie das geltende akustische Regime in bewussterProvokation übertreten.

Hinsichtlich des informellen Gebots der „Kontaktvermeidung“(Hirschauer) noch problematischer dürfte jedoch der Umstand sein, dassin der Enge des akustischen Raums öffentliche und private Räume mehrund mehr zusammenfallen, insbesondere durch die Verbreitung der mobi-len Telefonie. Das beginnt damit, dass der Handy-Klingelton meines Sitz-nachbarn mir nun auch etwas über seinen Musikgeschmack und damitletztlich über seine Identität verrät – eine Information, um die ich nichtgebeten habe.77 Die Auflösung bzw. Verschmelzung der Sphären von „Pri-vat“ und „Öffentlich“ im akustischen Raum zeigt sich aber noch deutli-cher an Situationen, in denen ich gezwungen bin, mir die kleineren odergrößeren intimen Sorgen eines anderen Fahrgastes mitanzuhören, der eineSitzreihe hinter mir gerade mit der besten Freundin telefoniert. Für ihnmag die Angelegenheit von Relevanz sein, für mich ist das im Momentnicht mehr als akustischer Spam.78

Das „akustische Regime“ richtet sich – wie gesagt – keineswegs ge-gen Lautstärke allein: Hirschauer zufolge ist ein persönliches Telefonat imFahrstuhl oder eben in der U-Bahn vor allem deshalb unangebracht, weiles „andere zu unfreiwilligen Lauschern macht, sie also entweder als Ein-dringlinge oder als Unpersonen erscheinen läßt.“79 Goffman behandelteraumgreifende akustische Übertritte wie diese unter dem Stichwort der

76 Wobei die Lästigkeit der leise wispernden Rhythmen perfiderweise dadurch gestei-gert werden kann, dass die Kopfhörer ihrem Träger den Rückzug aus der geteiltenakustischen Umgebung ermöglichen, die Situation für die anderen aber noch ver-schlimmern.

77 Vgl. hierzu etwa Uimonen (2004). 78 Vgl. hierzu auch Arkette (2004: 166). 79 Hirschauer (1999: 234).

21

„Aufdringlichkeit“, wobei sich die Frage, wer wessen Territorium bedroht,paradoxerweise umkehrt:

„Damit ist hier die Expansion der territorialen Ansprüche eines In-dividuums über den Bereich hinaus gemeint, der ihm in den Augenanderer zusteht – eine Expansion, die bei anderen das Gefühl her-vorrufen kann, sie selber könnten […] Eindringlinge [sein].“80

Das nicht nur im Fahrstuhl geltende Gebot zur akustischen „Minimierungvon Anwesenheit“ hat also in erster Linie mit gegenseitiger Achtung undRespekt zu tun: das Schweigen, so zeichnet es Peter Burke in seiner histo-rische Studie „The Art of Conversation“ nach, galt schon im vormoder-nen Europa als Zeichen der Ehrerbietung – insbesondere gegenüber hier-archisch Höherstehenden.81 Beim Schweigen handelt es sich demzufolgeum einen symbolischen Akt, um eine ostentative Form akustischer Zu-rückhaltung, deren Funktion es ist, Hierarchien zu markieren bzw. die so-ziale Ordnung zu stützen. Akustischer Raum muss – darauf spielt der Be-griff des „akustischen Regimes“ an – somit immer auch als symbolischerAustragungsort für die Verhandlung sozialer Beziehungen verstandenwerden. Akustische Regime sind nicht überall gleich strikt, sondern in Abstufun-gen wirksam: Bestimmte Zonen sind gegen akustische Störungen beson-ders geschützt, wie z.B. Schulen und Krankenhäuser.82 Bei genauerer Be-trachtung nimmt jedoch auch hier das Gebot, sich still zu verhalten, im-mer mehr zu, je weiter ich zum Kern vordringe: im Foyer des Kranken-hauses geht es vielleicht noch relativ entspannt zu; auf den Fluren sind esschon nur noch die Schwestern und die Pfleger, die sich trauen würden,einander etwas zuzurufen; und spätestens kurz vor dem Eintritt ins Kran-kenzimmer werde ich für einen Moment still innehalten, um die Tür an-schließend ganz sachte zu öffnen. Insofern ich mich als Akteur in ver-schiedenen sozialen Zusammenhängen bewege, wird sich meine akusti-sche Praxis also immer auch danach richten, wo ich mich befinde, ob ichdort Haus- oder Gastrecht genieße, wer noch anwesend ist und welcheHierarchien eventuell bestehen.

80 Goffman (1974: 83). Formen persönlicher Konversation, die die Gegenwart ande-rer offen ignorieren, gibt es jedoch nicht erst seit dem Einzug des Mobiltelefons;schon Goffman hatte dieses Phänomen beobachtet: „Ein […] alltägliches Beispielist die ‚ärgerniserregende‘ Lautstärke, mit der manche Begrüßungen und Gesprä-che über eine große Entfernung hinweg stattfinden“, ebd.

81 So hatten Mönche zu schweigen im Angesicht des Herrn, Höflinge hatten zuschweigen in Anwesenheit des Prinzen, Frauen in der Gegenwart von Männern,Kinder in der Gegenwart von Erwachsenen, Diener in der Gegenwart ihrer Herrenetc. Umgekehrt ist es stets das Privileg der Mächtigen gewesen, ihre Vorrangstel -lung auch akustisch zu demonstrieren bzw. vorzuschreiben, welche Geräusche le-gitim sind und welche nicht; vgl. Burke (1993, op. cit. Bijsterveld 2001: 43).

82 Auch manche Zeiträume genießen besonderen Schutz – z.B.die Mittags-, Nacht-oder Sonntagsruhe.

22

Straßenschild erinnert an die Einhaltung der Nachtruhe nahe eines Krankenhauses (Photo:H. Bischoff, Munchen 1965)

Die unterschiedlichen Wirkungsweisen und Geltungsbereiche akustischerRegime können hier nicht abschließend behandelt werden. Das Konzeptdes akustischen Regimes, wie ich es hier skizziert habe, ist vor allem eineDenkfigur: es soll den Umstand illustrieren, dass viele der räumlichen undsozialen Settings, in denen ich mich im Alltag bewege, von bestimmten,größtenteils ungeschriebenen Erwartungshaltungen bezüglich der jeweilszulässigen akustischen Spielräume gerahmt werden. Entsprechend passeich mein Verhalten fortlaufend an und stimme meine akustische Präsenzauf den jeweiligen Kontext ab.83 An der Herstellung, Wahrung und gege-

83 Es muss an dieser Stelle ausdrücklich betont werden, dass unterschiedliche gesell -schaftliche Gruppen je nach Alter, Gender, sozialem und kulturellem Hintergrundhinsichtlich akustischer Regime nicht nur unterschiedliche Rollen innehaben, son-dern auch ganz unterschiedliche Erwartungshaltungen in die Situationen hinein-tragen. Abgesehen von potentiellen Konflikten bedeutet dies vor allem, dass akus-tische Regime weder homogen noch dauerhaft festgeschrieben sind, sondern sichin steter Neuverhandlung befinden. Die Ethnomusikologen Helmi Järviluoma etal. berichten etwa von unterschiedlichen Vorstellungen über angemessenes Beneh-men von jungen Frauen; insbesondere ältere Generationen, die noch mit einer an-deren „socio-acoustic order“ aufgewachsen seien, störten sich an deren Unbefan-genheit Järviluoma et al. (2010b: 25). Abweichungen vom herrschenden akusti-schen Regime in öffentlichen Verkehrsmitteln lassen sich im Übrigen gut an Kin-dern beobachten, da sie die entsprechenden soziokulturellen Verhaltensmusternoch nicht vollständig inkorporiert haben. Das Leid und die Scham in den Gesich-tern der Eltern, denen es nicht gelingt, ihr minutenlang schreiendes Kind zu beru-higen, ist hingegen ein untrügliches Zeichen dafür, dass ihnen die Zuwiderhand-

23

benenfalls Durchsetzung eines akustischen Regimes wirke ich daher per-formativ mit – ich muss mir dessen nicht immer bewusst sein. Diese An-passungen und Abstimmungen vollziehen sich in der Regel ohne expliziteAbsprachen: akustische Regime gelten in stummer Übereinkunft. Erstwenn Übertretungen gehäuft auftreten, werden diese explizit missbilligtund geahndet.

Solange diese Erwartungshaltungen an bestimmte Räume oder Ge-biete geknüpft sind, könnten diese durchaus als akustische Territorien be-zeichnet werden, jedoch sind die sozialen Situationen das eigentlich ent-scheidende: denn in erster Linie reagiere ich auf die Anwesenheit anderer.Wenn, dann sind es deren auditive Wahrnehmungshorizonte, die ich als„Territorien“ zu respektieren habe und die nötigenfalls auch wie ein Terri-torium verteidigt werden.84 Umgekehrt erhebe ich durch aufdringlicheakustische Präsenz selber quasi-territoriale Ansprüche auf einen bestimm-ten Raum. Solange mir dieses akustische Monopol nicht aufgrund einerkollektiv zuerkannten Rolle als Vortragender oder als Solist in einer Kon-zertsituation zusteht, sind diese Ansprüche gemessen am geltenden akus-tischen Regime illegitim. Die konsequente Missachtung eines akustischenRegimes deutet in der Regel auf einen Ausnahmezustand hin: auf eineNotsituation, oder auf eine bewusste Provokation, die potentiell weitereEskalationen nach sich ziehen kann. Es sind gerade die Grenz- und Kon-fliktfälle, an denen sich die Existenz eines akustischen Regimes beweist;das Gefühl, dass etwas aus der Ordnung geraten ist, liegt dann in derLuft.85 Zugleich eröffnet das Wissen um diese ungeschriebenen RegelnEingeweihten aber auch die Möglichkeit zum Spiel mit den Erwartun-gen.86

Die hier vorgeschlagene Perspektive auf akustische Territorialität undakustische Regime soll es ermöglichen, die Geräuschkulisse eines Ortes,die Klanglandschaft einer Stadt auch als symbolisches Spielfeld zu deuten,auf dem soziale Beziehungen verhandelt werden. Ein akustisches Regimez.B. entspricht auf symbolischer Ebene einer Art Tauschbeziehung, in derverschiedene Akteure einander durch gegenseitige Rücksichtnahme Re-spekt zollen: die Zurücknahme der eigenen (akustischen) Präsenz unter-

lung sehr wohl bewusst ist. 84 Goffman zufolge erfüllen Territorien, insbesondere der „persönliche Raum“, nicht

zuletzt die Funktion, drohende Verletzungen der Selbstbestimmung und des per-sönlichen Willens möglichst frühzeitig zu signalisieren; vgl. Goffman (1974: 95f).Ähnliches gilt sicherlich auch für akustische Übergriffe.

85 Ausnahmezustände im positiven Sinne sind z.B. Hupkonzerte anlässlich einerHochzeitsfeier, Jubel angesichts eines politischen oder sportlichen Erfolgs sowiedas Neujahrsfeuerwerk.

86 Überhaupt sollte das „akustische Regime“ eher im Sinne eines groben Richtwertsverstanden werden, nicht als eine blind zu befolgende Vorschrift. Etwaige Über-tretungen werden auch keineswegs nur verbissen gemaßregelt, sondern mindes-tens ebenso oft verständnis- und humorvoll entschuldigt.

24

streicht die Anerkennung der Präsenz des anderen; umgekehrt wird dieaufdringliche (akustische) Präsenz eines anderen oft als Leugnung der ei-genen Präsenz erfahren.87

Hörbare Artikulationen territorialer Ansprüche Akustischer Raum in der Stadt ist alles andere als „leerer Raum“ – er wirdvon unzähligen Akteuren gestaltet und geteilt. Dabei überlagern und ver-mischen sich die verschiedenen, gleichzeitig auftretenden Geräusche oft-mals zu einem so dichten Klangteppich, dass es mitunter schwer fällt, sieauf die akustischen Interventionen einzelner Akteure zurückzuführen.

Ähnliches dürfte auch für das folgende Hörbeispiel vom BerlinerHermannplatz gelten ‣ HÖRBEISPIEL 08.88 Die Aufnahme ist als Doku-ment sicherlich insofern signifikant, als sie eine atmosphärische Stimmungerfahrbar macht, die für den Hermannplatz – zumindest für diese histori-sche Phase – charakteristisch ist. Mithilfe der hier vorgelegten Konzeptezu „akustischer Territorialität“ hoffe ich jedoch, noch einige weitere Per-spektiven auf die eigentlichen Gestalter dieser akustischen Szenerie eröff-nen zu können.

Der Hermannplatz ist einer der lautesten Plätze in Berlin. Doch istLärm nicht gleich Lärm: Hier prallen vor allem unterschiedlichste akusti-sche Welten aufeinander. Damit meine ich nicht nur die verschiedenenStimmen und Sprachen, die hier zu hören sind.89 Der Hermannplatz ist –wie an diesem Tag – zugleich Marktplatz, wichtiger Verkehrsknotenpunkt,damit auch Treffpunkt und Aufenthaltsort. An kaum einem anderen Platzwird auf den Straßen ringsum so viel und gerne gehupt wie hier. Diese lo-kalspezifische Mischung aus verschiedenen Klängen und Geräuschen ver-mittelt nicht nur Bewegung, Hektik, einen hohen Puls; es sind auch ver-schiedene akustische Interventionen auszumachen, die durchaus als Arti-

87 Da akustische Äußerungen auf engem Raum in der Regel mehr Menschen errei-chen als den eigentlichen Adressaten, läuft diese Form des symbolischen Aus-tauschs gesprächsbegleitend zwischen den Zeilen mit. Auch die Praxis, jemanden,der sich zuvor schlecht benommen hat, durch demonstrativ unbefangene Fortfüh-rung von Gesprächen, von denen er ausgeschlossen bleibt, „mit Missachtung zustrafen“, beruht letztlich auf dem Entzug der Anerkennung als Person bzw. alsAnwesender. Vgl. zur Verletzlichkeit des Selbst durch Lärm auch Chuengsatiansup(1999).

88 Das Hörbeispiel geht auf ein halbstündiges Field Recording an einem frühen Frei-tagabend Ende April 2012 zurück, ist daher kein bloßer Mitschnitt, sondern eineauf drei Minuten verdichtete Montage: Schlüter (2013a).

89 Wobei es durchaus bemerkenswert ist, dass aufgrund der Zuwanderungsgeschichtein Neukölln, wo diese Aufnahme entstanden ist, weit mehr Arabisch zu hören ist,im Wedding dagegen mehr Türkisch, und dass es auch in der „Multikulti-Metro-pole“ Berlin noch immer viele Gegenden gibt, in der diese Sprachen kaum zu hö-ren sind – z.B. im kulturell recht uniform „westlich“ geprägten Prenzlauer Berg.Die Klanglandschaft kann in diesem Sinne auch als hörbares Aushängeschild un-terschiedlicher städtischer Milieus gelesen werden.

25

kulation von „territorialen“ Ansprüchen gedeutet werden können: Geradedie Hupe signalisiert einen eindeutigen Raumanspruch.90

Gleich mehrfach ist auf der Aufnahme auch Musik aus Autoradios zuhören: Mit heruntergelassenen Fenstern und wummernden Bässen durchdie Straßen zu „cruisen“ kann als das Paradebeispiel für die Markierungvon situationellen akustischen Territorien in der Stadt gelten.91 Wer sol-chermaßen in einer Art „fahrbarem Ghettoblaster“ unterwegs ist, willaber sicherlich nicht einfach nur „Stärke“ demonstrieren und Aufmerk-samkeit erregen; indem er den Umraum in völliger Selbstverständlichkeitmit seiner Musik beschallt, signalisiert er meines Erachtens vor allem:„Das ist hier mein Zuhause“ – eine Form der Markierung, die nicht unbe-dingt als Formulierung eines exklusiven territorialen Anspruchs zu verste-hen ist. Aggressivere Botschaften gehen dagegen von aufheulenden Moto-ren und quietschenden Reifen aus: sie haben fast schon die Qualität einerDrohung. Hier scheint jemand die Gegend weniger als sein Zuhause, son-dern schon eher als sein „Revier“ zu betrachten.

An einer Stelle der Aufnahme ist im Hintergrund auch die Trillerpfei-fe eines einzelnen politischen Aktivisten zu hören, der den Hermannplatztäglich auf seinem Fahrrad passiert, um seinen Forderungen – mit Um-hängetafeln und Megaphon ausgerüstet – im wahrsten Sinne des Wortes„Gehör zu verschaffen“:92 So laut und bewegt der Hermannplatz an sichauch ist, Trillerpfeife und Megaphon gehören nicht zum üblichen akusti-schen Inventar dieses Platzes; sie sind Ausnahmesituationen vorbehalten.Als offensichtliche Fremdkörper im vorherrschenden akustischen Regimegarantieren sie daher zumindest für einen kurzen Moment Aufmerksam-keit. Ähnlich markieren Demonstrationszüge und Sprechchöre ein situa-tionelles akustisches Territorium im Sinne einer „temporary adoption ofurban space“,93 also einer vorübergehenden Besetzung und symbolischenAneignung des Stadtraums ‣ HÖRBEISPIEL 09.94.

90 Eingefordert wird in diesem Fall das Recht auf einen „Benutzungsraum“, Goffmanzufolge ein Sonderfall eines „situationellen Territoriums“, nämlich auf „das Terri-torium unmittelbar um oder vor einem Individuum, auf das es einen aufgrund of -fenbarer instrumenteller Erfordernisse von den anderen anerkannten Anspruchhat“, in diesem Fall Anspruch auf ungehinderte Fortbewegung. Vgl. Goffman(1974: 62).

91 Der Kulturanthropologe Ben Chappell hat aktuell eine eigene ethnographischeStudie zu „everyday cruising practices of lowrider car customizers“ in Austin, Te-xas vorgelegt: Chappell (2012). Vgl. zu den akustischen Aspekten des Cruisensinsbesondere Chappell (2010); vgl. auch Arkette (2004: 160).

92 Dabei handelt es sich übrigens um Aydın Akın (70), einen seit über vierzig Jahrenin Deutschland ansässigen türkischen Staatsbürger, der seit 2005 täglich auf demFahrrad durch Berlin fährt, um für hier lebende Ausländer aus Nicht-EU-LändernMitbestimmungs- und Wahlrechte zu fordern; vgl. http://www.tispjg.de

93 Atkinson (2007: 1913). 94 Ein weiteres Beispiel hierfür ist ein Field Recording, das bei einer „Lärmdemo“ ge-

gen die „Luxusbebauung“ des Tempelhofer Feldes entstand: Schlüter (2013b).

26

So sind auf Aufnahmen wie diesen – abgesehen von ihrem anekdoti-schen Wert – auch einige akustische Strategien und Taktiken identifizier-bar, mit deren Hilfe einzelne Akteure in ihrem städtischen Umfeld (vor-übergehende) territoriale Ansprüche artikulieren.

Zusammenfassung Anhand von drei Beispielen habe ich in diesem Beitrag versucht, einigender soziokulturellen Ordnungen auf die Schliche zu kommen, die dieKlanglandschaft der Stadt letztlich – bewusst oder unbewusst – hervor-bringen, organisieren und strukturieren. Anders als Murray Schafers glo-baler Begriff „Soundscape/Klanglandschaft“ lenkt der Begriff des „akusti-schen Territoriums“ den Blick nunmehr auf die kleinräumigen Praktikenverschiedener Akteure und macht die akustische Umwelt damit auch alsKonfliktfeld unterschiedlicher Ansprüche und Interessen begreifbar.

Erving Goffman stellt sich unter einem „Territorium“ einen recht ge-nau definierten „Bereich“ vor, dessen Grenzen von einem „Ansprucherhe-benden bewacht und verteidigt werden.“ Und weiter: „Zur prototypi-schen territorialen Übertretung kommt es dann, wenn ein Individuum indas von einem anderen […] beanspruchte Reservat eindringt“.95 Aller-dings sind akustische Territorien im Stadtraum selten so klar umrissenund abgezäunt wie z.B. Grundstücke mit ihren festen Begrenzungen; imakustischen Raum kommt es zu unvermeidlichen Überlagerungen undSchichtungen verschiedener Schallfelder. Zudem müssen akustische Terri-torien stets performativ als solche ausgewiesen werden, indem sie fortlau-fend oder zumindest in regelmäßigen Abständen mit bestimmten Klängenund Geräuschen markiert – oder davon freigehalten – werden.

Dabei sind zwei Arten von akustischen Territorien zu unterscheiden:Die einen sind vergleichsweise zentralistisch organisiert, d.h. es gibt einerelativ eindeutig zu identifizierende zentrale Autorität, die einen be-stimmten Raum mit akustischen Mitteln kontrolliert und markiert – einBeispiel hierfür ist die gezielte Beschallung von Räumen mit Musik, dienicht nur als atmosphärisches räumliches Gestaltungsmittel fungiert, son-dern auch als manipulatives, disziplinierendes Instrument; ein weiteresBeispiel hierfür sind religiöse akustische Signale, die zwar tendenziell anBedeutung verlieren mögen, aber noch immer im Verdacht stehen, einenmehr oder weniger subtilen Machtanspruch zu verkörpern.

Bei der zweiten Art von akustischen Territorien sind dagegen dieGeltungsbereiche und die „Ansprucherhebenden“ weniger eindeutig zufassen. Treffender wäre daher der Begriff des akustischen Regimes, der na-helegt, dass verschiedene Räume oft mit bestimmten kollektiven Erwar-tungshaltungen an die jeweils zulässigen akustischen Spielräume ver-knüpft sind: Insbesondere in beengten Situationen, wo sich viele Men-

95 Goffman (1974: 55/81).

27

schen begegnen, die einander nicht kennen, gilt ein ungeschriebenes Ge-bot der „Minimierung“ der eigenen akustischen Präsenz (Hirschauer) –z.B. im Fahrstuhl oder im Wartezimmer.96 In akustischen Territorien die-ses Typs bleibt die eigentliche Autorität, bleiben die Urheber und „An-sprucherhebenden“ jedoch mehr oder weniger anonym; bei etwaigen„Übertretungen“ des akustischen Regimes treten sie höchstens stellver-tretend auf den Plan, wobei sie sich auf den Rückhalt durch das Kollektivverlassen.

Es ist kein Wunder, wenn unter der Perspektive auf urbane „akusti-sche Regime“ und „akustische Territorien“ insbesondere die Rivalitätenzwischen verschiedenen Akteuren in den Blick geraten. Und tatsächlichist die Klanglandschaft der Stadt ja auch Austragungsort von Konfliktenzwischen verschiedenen Akteuren, deren Möglichkeiten zur Einflussnah-me überdies keineswegs gleichberechtigt verteilt sind: „sonic power andphysical space are unevenly distributed in our societies, and this imbalancefrequently matches gender and age demarcations“.97 Wer seine Autoritätim öffentlichen Raum letztlich (akustisch) durchsetzen kann, ist daherauch eine eminent politische Frage, wie u.a. das Beispiel des Adhan zeigt.

Beide Begriffe – akustische Territorien und akustisches Regime –sollten indes nicht überstrapaziert werden: Die in weiten Teilen einver-nehmlich währende akustische Koexistenz der verschiedenen Akteure istja gerade ein zentrales Charakteristikum der Stadt. Zwar können Fange-sänge und Sprechchöre durchaus als symbolische „Kampfansagen“ inter-pretiert werden und es gibt ebenso konkrete Bemühungen, bestimmte Zo-nen akustisch zu kontrollieren und sie von – als kontaminierend erachte-ten – Interventionen unerwünschter Randgruppen freizuhalten. Dochhandelt es sich beim „akustischen Regime“ wohl in erster Linie um eineDenkfigur, die zwar eine Orientierung auf ein bestimmtes normatives Pa-radigma unterstellt; offene Konflikte um die Einhaltung eines (informel-len) akustischen Regimes dürften in der Praxis jedoch eher die Ausnahmesein – zumal die Frage, welches nun die „richtigen“ Regeln für das städti-sche Zusammenleben sind, fortwährend neu verhandelt wird. Die Kontin-genzen des Alltags stellen die in immer neuen Kombinationen zusammen-gewürfelten Akteure dabei vor ein und dasselbe Problem: Sie finden sichsämtlich als „Partizipanten“ in wechselnden sozialen Situationen wieder,

96 Nicht hinreichend geklärt werden konnte hier die Frage, inwiefern es bei „akusti-schen Regimen“ nicht allein um Lautstärke geht, sondern vielmehr um Konformi-tät mit einem bestimmten, hegemonialen Bewertungssystem. Hier ergibt sichmöglicherweise eine Querverbindung zur Diskussion um „Lärm“ als symbolischeKategorie, wie sie bereits am Beispiel des Adhan angeschnitten wurde. Etwas als„Lärm“ zu bezeichnen, heisst nicht zuletzt, es als „fremdes“ oder „anderes Ge-räusch“ auszuklammern. Die Schweizer Kulturpsychologin Tania Zittoun schreibthierzu: „a noise is a sound which is perceived as rupture – whether it designates areal source of danger, or because it questions who one is“, Zittoun (2012: 476).

97 Järviluoma et al. (2010c: 272).

28

wobei sie „alle [versuchen], eine direkte Verletzung der Regeln zu vermei-den, und [dabei] gezwungen [sind], mit den Zufälligkeiten fertig zu wer-den, die sich durch die verschiedenen Merkmale verschiedener Schauplät-ze ergeben.“98 Dabei sind akustische Präsenz und auditive Wahrnehmungstets wechselseitig aufeinander bezogen; im Idealfall stimmen die Teilneh-mer eines sozialen Settings ihre akustische Präsenz daher im Sinne eines„leben und leben lassen“ aufeinander ab.

AusblickAls eigener Forschungszweig, der sich dezidiert mit akustischen Phäno-menen befasst, haben sich die Sound Studies99 mittlerweile zu einer rechteinflussreichen Strömung entwickelt. Die Sound Studies sind – insofernstrukturell mit den Cultural Studies oder Gender Studies vergleichbar –vor allem als Reaktion auf ein Versäumnis innerhalb der Geistes- und So-zialwissenschaften entstanden: denn Klänge und Geräusche wurden ausderen Untersuchungen als vermeintlich „subjektive“ und „irrationale“Größen lange Zeit bewusst ausgeklammert. In der Medien- und Ge-schichtswissenschaft, aber auch in der (Europäischen) Ethnologie machtsich der diesbezügliche Nachholbedarf nun in einer wachsenden Zahl vonPublikationen bemerkbar.

Wenn in den Sound Studies neuerdings zunehmend von „Sound Cul-ture“100 oder „Klangkulturen“101 die Rede ist, sollte sich die (Europäische)Ethnologie/Kulturanthropologie berufen fühlen, die eigenen Perspektivenauf „Sound“ und „Kultur“ zu vertiefen, und Erklärungsmodelle dafür zuentwickeln, wo und wie diese beiden Größen miteinander verwoben sind.Ein intensivierter interdisziplinärer Dialog zwischen Kulturanthropologieund Sound Studies wäre letztlich aber für beide Seiten ein Gewinn: Denneine kulturanthropologische Klangforschung hat das Potential, neue Heran-gehensweisen und Perspektiven auf traditionelle ethnologische Themenund Forschungsfelder zu eröffnen; und die Sound Studies können umge-kehrt vor allem in theoretischer und in methodischer Hinsicht von beste-henden ethnographischen Ansätzen profitieren.102 Dazu bedarf es erstensder weiteren Ausarbeitung bzw. Modifikation kulturanthropologischerund soziologischer Theorien, wie ich sie hier anhand von Konzepten wie„persönlichem Raum“ und „situationellen Territorien“ (Goffman) exem-

98 Goffman (1974: 93). 99 Vgl. u.a. Bull und Back (2006), Schulze (2008), Volmar und Schröter (2013). 100 LaBelle (2010). 101 Schulze/Wulf (2007: 87ff). 102 Wie Axel Volmar und Jens Schröter in ihrem aktuellen Sammelband zu „Auditiven

Medienkulturen“ richtig bemerken, ist das Gros der Publikationen im deutsch-sprachigen Raum bislang „vorwiegend im Umfeld von Kunsthochschulen undFachhochschulen für Gestaltung entstanden“, Volmar und Schröter (2013: 10).Vonseiten der Geistes- und Sozialwissenschaften ist nunmehr vor allem eine brei-tere methodische und theoretische Fundierung zu erwarten.

29

plarisch durchgespielt habe. Zweitens müssen ethnographische Erhe-bungsmethoden systematisch und experimentell in Richtung einer empiri-schen Klangforschung erweitert und verfeinert werden – ausgehend vonMurray Schafers Pionierarbeit, seitdem beständig weiterentwickelt u.a.von Pascal Amphoux und CRESSON.103 Und drittens bedarf es einer ge-wissen Aufgeschlossenheit gegenüber neuen, insbesondere auditiven Er-zählformen für die Ergebnisse solcher akustischen Feldforschungen (z.B.in Form von Hörbeispielen: Field Recordings, Soundscape Compositions,ethnographische Reportagen).104 Dass sich ethnographische Klangfor-schungsprojekte dabei nicht nur mit schwer zu fassenden atmosphäri-schen Stimmungen und Schwingungen herumschlagen müssen, sondernsich durchaus auch handfesten kulturellen Konflikten widmen können,zeigt nicht zuletzt der – hier nur angeschnittene – heikle Diskurs um dieEinführung des öffentlichen Adhan in europäischen Städten.

Die Klanglandschaft einer Stadt ist – zumindest partiell – eine be-wusst produzierte und gestaltete, wenngleich höchst flüchtige akustischeTextur, die konkrete soziale Implikationen hat. Klänge und Geräuschesind nicht bloß „akustische Daten“, die mehr oder weniger neutrale Infor-mationen übertragen, sondern sie fungieren im Gegenteil als Zeichen, de-ren semantischer Gehalt unterschiedlich interpretiert werden kann – jenachdem, von welchem Standpunkt aus ich sie wahrnehme.

Literatur

„Berliner Statistik. Die Zahl der Muslime“ (2010). Der Tagesspiegel 26.01.2010.Online verfügbar unter www.tagesspiegel.de/berlin/berlinerstatistik/1670484.html, zuletzt geprüft am07.06.2013.

Amann, Klaus/Hirschauer, Stefan (1997): „Die Befremdung der eigenen Kul-tur. Ein Programm“, in: Stefan Hirschauer/Klaus Amann (Hrsg.): Die Be-fremdung der eigenen Kultur. Zur ethnographischen Herausforderung soziologi-scher Empirie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 7–41.

Amphoux, Pascal (1991): Aux écoutes de la ville. La qualité sonore des espaces publics européennes. Lausanne: Institut de Recherche sur l'Environnement

103 CRESSON ist das interdisziplinäre Centre de recherche sur l'espace sonore et l'envi-ronnement urbain mit Sitz an der Ècole Nationale Superieure d'Architecture deGrenoble. Vgl. Amphoux (1991) bzw. für eine auszugsweise Übersetzung einigerseiner zentralen Konzepte ins Englische: Paquette (2002).

104 Dazu müsste, wie u.a. Steven Feld gefordert hat, natürlich auch eine entsprechen-de Schulung erfolgen: „Until the sound recorder is presented and taught as a tech-nology of creative and analytic mediation, which requires craft and editing and ar-ticulation just like writing, little will happen of an interesting sort in the anthropo-logy of sound“, Feld/Brenneis (2004: 471).

30

Construit, Départment d'Architecture, École Polytechnique Fédérale de Lau-sanne.

Arkette, Sophie (2004): „Sounds like city“, Theory, Culture & Society 21 (1), 159–168.

Arteaga, Alex/Knapp, Wolfgang/Lindner, Rolf (Hrsg.) (2008): (Sensing the Street)³. Sinnliche Dokumentation einer ethnographisch-künstlerischen Stadtfor-schung. Berlin: Verl. der Univ. der Künste Berlin.

Ataman, Ferda (2010): „Ist der Ruf erst installiert. Sie galt als Beweis für friedliches Miteinander - bis die Gemeinde Lautsprecher am Minarett an-brachte. Wie um die Moschee im kleinen Rendsburg ein Glaubenskrieg ent-stand“, Zeit Online 07.08.2010. Online verfügbar unter http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-08/moschee-glaubens-krieg-rendsburg/, zuletzt geprüft am 23.11.2012.

Atkinson, Niall (2012): „Sonic armatures. Constructing an acoustic regime in Renaissance Florence“, Senses & Society 7, 39-52.

Atkinson, Rowland (2007): „Ecology of sound. The sonic order of urban space“, Urban Studies 44 (10), 1905–1917.

Atkinson, Rowland (2008): „The home as aural haven“, Lo squaderno (10), 5–11.

Atkinson, Rowland (2011): „Ears have walls. Thoughts on the listening body in urban space“, Aether 7, 12–26.

Bijsterveld, Karin (2001): „The diabolical symphony of the mechanical age. Technology and symbolism of sound in European and North American noise abatement campaigns, 1900-40“, Social Studies of Science 31 (1), 37–70.

Böhme, Gernot (2006): Architektur und Atmosphäre. München: Fink.

Boland, Philip (2010): „Sonic geography, place and race in the formation of local identity. Liverpool and Scousers“, in: Geografiska Annaler. Series B, Hu-man Geography 92 (1), 1–22.

Bourdieu, Pierre (1991): „Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum“, in: Martin Wentz (Hrsg.): Stadt-Räume. Die Zukunft des Städtischen. Frankfurt am Main, New York: Campus, 25–34.

Bull, Michael/Back, Les (Hrsg.) (2006): The Auditory Culture Reader. Oxford:Berg.

Burke, Peter (1993): The Art of Conversation. Ithaca, NY: Cornell Univ. Press.

Chappell, Ben (2010): „Custom contestations. Lowriders and urban space“, in: City & Society 22 (1), 25–47.

Chappell, Ben (2012): Lowrider Space. Aesthetics and Politics of Mexican Ame-rican Custom Cars. Austin (Texas): Univ. of Texas Press.

31

Chuengsatiansup, Komatra (1999): „Sense, symbol, and soma. Illness experi-ence in the soundscape of everyday life“, in: Culture, Medicine and Psychiatry 23, 273–301.

Compound Security Systems Ltd (2008): Mosquito MK4 Information Sheet. Anti-Vandal System. MK4 Mosquito with Multi-age Function. Online verfügbar unter http://www.compoundsecurity.co.uk/about-us/downloads/mos-quito-mk4-information-sheet, zuletzt geprüft am 14.02.2012.

Corbin, Alain (1995): Die Sprache der Glocken. Ländliche Gefühlskultur und symbolische Ordnung im Frankreich des 19. Jahrhunderts. Frankfurt am Main: S. Fischer.

Corbin, Alain (1998): „Zur Geschichte und Anthropologie der Sinneswahr-nehmung“, in: Christoph Conrad/Martina Kessel (Hg.): Kultur & Geschichte. Neue Einblicke in eine alte Beziehung. Stuttgart: Reclam, 121–140.

Douglas, Mary (1966): Purity and Danger. An Analysis of Concepts of Pollutionand Taboo. London: Routledge, Kegan Paul.

Feld, Steven; Brenneis, Donald (2004): „Doing anthropology in sound. Inter-view“, American Ethnologist 31 (4), 461–474.

Fennes, Nikolaus (2010): Muezzin trifft Pummerin. Materielle und praktische Aspekte des islamischen Gebetsrufs in Wien. Diplomarbeit. Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, Fakultät für Sozialwissenschaften, Univ. Wien.

Field Recording (2007): Berlin. Kroatische Messe, katholische Kirche St. Sebas-tian, Ackerstraße. Mittwoch, 10.01.2007, 10.35 Uhr (02'32). Unter Mitarbeit von Fritz Schlüter.

Field Recording (2009): Hamburg. Hafen. Sonntag, 03.12.2009, 13:47 Uhr (2'24). Unter Mitarbeit von Florian Bode/ Viktoria Cura/ Jeniffer Freudig/ Gesa Kuhfahl/ Antonia Lobos.

Field Recording (2010): Hamburg. Hauptbahnhof. Freitag, 08.01.2010 (4'22). Unter Mitarbeit von Chia-Lu Chang/ Tine-Marie Jaschik/ Joana Richter/ Gregor Zoch.

Field Recording (2011): Berlin. Badstraße. Samstag, 19.03.2011, 18:21 Uhr (01'34). Unter Mitarbeit von Fritz Schlüter.

Field Recording (2013a): Graz. Akustisches Anti-Vandalismus-System, Brun-nen, Hauptplatz. Sonntag, 10.05.2013, 15.20 Uhr (00'58). Unter Mitarbeit von Fritz Schlüter.

Field Recording (2013b): London. Verteilung des 'Free Standard', Liverpool Street Station, Bishopsgate. Donnerstag, 14.02.2013, 17.09 Uhr (07'03). Unter Mitarbeit von Fritz Schlüter.

32

Geisslinger, Esther (2010): „Kulturkonflikt. Das Flüstern des Muezzins“, in: taz.de 02.02.2010. Online verfügbar unter www.taz.de/!47772/, zuletzt ge-prüft am 07.06.2013.

Goffman, Erving (1974): Das Individuum im öffentlichen Austausch. Mikrostu-dien zur öffentlichen Ordnung. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Hiebsch, Maria Elisabeth/Schlüter, Fritz/Willkomm, Judith (2009): „Sensing the Street. Eine sinnliche Ethnographie der Großstadt“, in: Sandra Maria Geschke (Hrsg.): Straße als kultureller Aktionsraum. Interdisziplinäre Betrach-tungen des Straßenraumes an der Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwissenschaften, 31–57.

Hirschauer, Stefan (1999): „Die Praxis der Fremdheit und die Minimierung von Anwesenheit. Eine Fahrstuhlfahrt“, Soziale Welt 50, 221–246.

Hirschkind, Charles (2006): The Ethical Soundscape. Cassette Sermons and Is-lamic Counterpublics. New York: Columbia Univ. Press.

Järviluoma, Helmi/Schafer, R. Murray/Kytö, Meri/Truax, Barry/Uimonen, Heikki/Vikman, Noora (Hrsg.) (2010a): Acoustic Environments in Change & Five Village Soundscapes. Tampere: Tampereen ammattikorkeakoulu.

Järviluoma, Helmi/Uimonen, Heikki/Vikman, Noora/Kytö, Meri (2010b): „Acoustic environments in change. Introducing the study of six European vil-lage soundscapes in transition“, in: Järviluoma et al. (2010a), 16–32.

Järviluoma, Helmi/Uimonen, Heikki/Vikman, Noora/Kytö, Meri (2010c): „Soundscapes in change. From 1975 to 2000“, in: Järviluoma et al. (2010a), 224–281.

Kreutzfeldt, Jacob (2010): „Acoustic territoriality and the politics of urban noise in soundscape“, Soundscape. The Journal of Acoustic Ecology 10 (1), 14–17.

Kreutzfeldt, Jacob (2012): „Street cries and the urban refrain. A methodologi-cal investigation of street cries“, SoundEffects 2 (1), 62–80.

LaBelle, Brandon (2010): Acoustic Territories. Sound Culture and Everyday Life. New York: Continuum.

Lakes, Tobia/Brückner, Maria (2011): „Sozialräumliche Verteilung der Lärm-belastung in Berlin. Socio-spatial distribution of noise exposure in Berlin“, in: Christiane Bunge/Kerstin Gebuhr (Hrsg.): UMID No. 2/2011. Umwelt und Mensch – Informationsdienst. II. Themenheft Umweltgerechtigkeit. Berlin: Um-weltbundesamt, 26–28.

Lang, Barbara (1994): Unter Grund. Ethnographische Erkundungen in der Ber-liner U-Bahn. Tübingen: Univ. Tübingen.

Lee, Tong Soon (1999): „Technology and the production of Islamic space. The call to prayer in Singapore“, Ethnomusicology 43 (1), 86–100.

33

Lessing, Theodor (1908): Der Lärm. Eine Kampfschrift gegen die Geräusche unseres Lebens. Wiesbaden: Verl. von J. F. Bergmann.

Li, Xinghua (2011): „Whispering. The murmur of power in a lo-fi world“, Media, Culture & Society 33 (1), 19–34.

Lindner, Rolf (2002): „Klänge der Stadt“, in: Christian Kaden/Volker Kalisch (Hrsg.): Musik und Urbanität. Essen: Verl. Die Blaue Eule, 171–176.

Lindner, Rolf (2012): „Die Stadt als Resonanzboden. Über den Zusammen-klang von Ort, Musik und Sound“, in: Sebastian Klotz (Hrsg.): Musik als Agens urbaner Lebenswelten. Musiksoziologische, musikethnologische und orga-nologische Perspektiven. Leipzig: Gudrun Schröder, 15–26.

Massey, Doreen (1991): „A global sense of place“, Marxism today 38 (6), 24–29.

Oosterbaan, Martijn (2009): „Sonic supremacy. Sound, space and charisma in a favela in Rio de Janeiro“, Critique of Anthropology 29 (1), 81–104.

Pany, Thomas (2008): „Frankreich. Gericht verbietet Einsatz der Teena-ger-Abwehr 'Beethoven'“, Heise online 30.04.2008. Online verfügbar unter http://heise.de/-204330, zuletzt geprüft am 12.01.2012.

Paquette, David (2002): Describing the Contemporary Sound Environment. AnAnalysis of Three Approaches, their Synthesis, and a Case Study of Commercial Drive, Vancouver, BC. Master thesis. Burnaby: Simon Fraser Univ.

Paul, Gerhard/Schock, Ralph (Hrsg.) (2013 [im Erscheinen]): Der Sound des Jahrhunderts. Ein akustisches Portrait des 20. und des beginnenden 21. Jahrhun-derts. Bonn/Berlin: Bundeszentrale für politische Bildung.

Rötzer, Florian (2007): „Akustische Waffe oder harmlose Teenagerabwehr? Das zur Vertreibung von Jugendlichen angebotene Gerät Mosquito verstößt möglicherweise gegen die Europäische Menschenrechtskonvention“, Heise online 20.03.2007. Online verfügbar unter http://www.heise.de/tp/artikel/24/24893/1.html, zuletzt geprüft am 12.01.2012.

Schafer, R. Murray (1973): The Vancouver Soundscape. AUDIO CD. Vancou-ver: Simon Fraser Univ.

Schafer, R. Murray (2006 [1977]): The Soundscape. Our Sonic Environment and the Tuning of the World. Rochester, Vermont: Destiny Books.

Schafer, R. Murray (Hg.) (1977): Five Village Soundscapes. Vancouver: A. R. C. Publications.

Schafer, R. Murray/Breitsameter, Sabine (Hrsg.) (2010): Die Ordnung der Klänge. Eine Kulturgeschichte des Hörens. Mainz: Schott Music.

34

Schlüter, Fritz (2012): Die Klanglandschaft als ethnographisches Feld. Magister-arbeit. Berlin: Institut für Europäische Ethnologie, Humboldt-Universität zu Berlin.

Schlüter, Fritz (2013a): „Field Recording Berlin 02. ‚Lärmdemo‘ gegen die ‚Luxusbebauung‘ des Tempelhofer Feldes. Herrfurthstraße. Sonntag, 20. Mai 2012, 16.00 Uhr (01'51)“, in: Paul/Schock (2013).

Schlüter, Fritz (2013b): „Field Recording Berlin 05. Hermannplatz. Freitag, 27. April 2012, 18.30 Uhr (03'12)“, in: Paul/Schock (2013).

Scholl, Dominik (2011): „Wer hören will, muss fühlen. Ein Hörfeature als Zu-gang zur sinnlichen Ehnographie“, in: Falk Blask (Hrsg.): Ich glaube - glaube ich. Religiöse Bekenntnisse und Lebensanschauungen. Berlin: Panama Verl., 128–143.

Schulze, Holger (Hrsg.) (2008): Sound Studies. Traditionen. Methoden. Desi-derate. Eine Einführung. Bielefeld: Transcript.

Schulze, Holger/Wulf, Christoph (Hrsg.) (2007): Klanganthropologie. Perfor-mativität, Imagination, Narration. Berlin: Akad.-Verl.

Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (2003): Christen und Muslime in Deutschland. 2. Aufl. Bonn (Arbeitshilfen, 172).

Shearer, Rachel (2011): „Vibrating Matter. Situating Sound“, Studies in Mate-rial Thinking (5), 1–13.

Simmel, Georg (1993a): „Die Großstädte und das Geistesleben“, in: Georg Simmel (Hrsg.): Gesamtausgabe, Bd. 7. Aufsätze und Abhandlungen 1901-1908, Bd. I. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 116–131.

Simmel, Georg (1993b): „Soziologie der Sinne [1907]“, in: Georg Simmel (Hrsg.): Gesamtausgabe, Bd. 8. Aufsätze und Abhandlungen 1901-1908, Bd. II. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 276–292.

Truax, Barry (2009): World Soundscape Project. Online verfügbar unter http://www.sfu.ca/~truax/wsp.html, zuletzt aktualisiert am 10.12.2009, zu-letzt geprüft am 23.02.2011.

Turnbull, Colin/Chapman, Francis (1992 [1957]): Mbuti Pygmies of the Ituri Rainforest. AUDIO CD. Washington, DC: Smithsonian Folkways.

Uimonen, Heikki (2004): „'Sorry, can't hear you - I'm on a train'. Ringing to-nes, meanings and the Finnish soundscape“, Popular Music 23 (1), 51–62.

Volmar, Axel/Schröter, Jens (Hrsg.) (2013): Auditive Medienkulturen. Techni-ken des Hörens und Praktiken der Klanggestaltung. Bielefeld: Transcript.

Wikipedia.org (2013): Islam in Deutschland Online verfügbar unter http://de.wikipedia.org/wiki/Islam_in_Deutschland, zuletzt aktualisiert am 06.06.2013, zuletzt geprüft am 07.06.2013.

35

Wilson, Edward O. (2000): Sociobiology. The New Synthesis. Cambridge Mass.: Harvard Univ. Press.

Winkler, Justin (1995): „Tonalität“, in: Isabell Faust/Detlev Ipsen/Hans Ul-rich Werner/Justin Winkler (Hrsg.): KlangWege. Kassel: Universität Gesamt-hochschule, 13–17.

Witte, Marleen de (2008): „Accra’s sounds and sacred spaces“, International Journal of Urban and Regional Research 32 (3), 690–709.

Zittoun, Tania (2012): „The art of noise. Comment on The sound of silence“, Culture & Psychology 18 (4), 472–483.

36