DER EINFLUSS DER UMGEBUNG AUF DEN KUENSTLERISCHEN AUSDRUCK: Einblicke in die Poesie von Mato Kosyk...

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David Zersen DER EINFLUSS DER UMGEBUNG AUF DEN KUENSTLERISCHEN AUSDRUCK: Einblicke in die Poesie von Mato Kosyk aus der Sicht der neuen Welt Kuenstler arbeiten nicht im Vakuum. Der geographische, chronologische und kulturelle Kontext beinflusst das Ergebnis. Die Interaktion mit einem Ort, seiner Geschichte und den Menschen, die dort gelebt, gearbeitet und gebetet haben, ist formativ fuer den kreativen Ausdruck. Dies trifft auch auf Mato Kosyk zu. Ein Journalist und Dichter, werdender Gelehrter, der im Jahre 1883 die Lausitz in Brandenburg verliess, die einzig ihm bekannte Welt, um sein Glueck im unerwarteten kulturellen Klima von Amerika zu suchen. Das hat sein Leben fuer immer geaendert. Seine Auwanderung stellt auch eine Herausforderung dar fuer heutige Literaturwissenschaftler, die Kosyks kuerzliche erschienene fuenf Gedichtbaende untersuchen moechten. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich zu errineren, dass er fuenf und fuenfzig Jahre, den Rest seines Lebens, in jungfraeulichen Gebieten verbrachte. Iowa, Nebraska und Oklahoma wurden waehrend dieser Zeit zu Bundesstaaten, respektive in den Jahren 1846, 1847 und 1907. Dieses Jahr, der 150. Jahrestag seiner Geburt, ist ein willkommener Anlass, Kosyks historischen Kontext zu untersuchen und sich die Frage zu stellen, welche Kraefte der Umgebung den Kuenstler formen. In gewissen Masse stellt dies keine neue Forschung dar. Obwohl bisher nur vier Artikel ueber Kosyk in Amerikanischen Zeitschriften erschienen sind, alle von mir, kann man dieses Thema nicht angehen, ohne die grundlegende Arbeit von Dalitz und Stone zu erwaehnen die 1977 auf Englisch in Letopis veroeffentlicht wurde. 1 Diese 25 Jahre alte Arbeit hat einen Abschnitt mit dem Titel „Die Kirchenkarriere Mato Kosyks.“ Die vorliegende Studie scheint auf den ersten Blick jenen Abschnitt wiederzugeben. Allerdings, auch wenn diese Studie Dalitz und Stone viel zu verdanken hat, in den Punkten die Kosyk als Pastor betreffen, so 1 Vgl. R.H. Dalitz, G.Stone: Mato Kosyk in Amerika. In: Letopis 24/1 (1977), S. 57.

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David Zersen

DER EINFLUSS DER UMGEBUNG AUF DEN KUENSTLERISCHEN AUSDRUCK:Einblicke in die Poesie von Mato Kosyk aus der Sicht der neuen Welt

Kuenstler arbeiten nicht im Vakuum. Der geographische, chronologische und kulturelle Kontext beinflusst das Ergebnis. Die Interaktion mit einem Ort, seiner Geschichte und den Menschen, die dort gelebt, gearbeitet und gebetet haben, ist formativ fuer den kreativen Ausdruck. Dies trifft auch auf Mato Kosyk zu. Ein Journalist und Dichter, werdender Gelehrter, der imJahre 1883 die Lausitz in Brandenburg verliess, die einzig ihm bekannte Welt, um sein Glueck im unerwarteten kulturellen Klima von Amerika zu suchen. Das hat sein Leben fuer immer geaendert. Seine Auwanderung stellt auch eine Herausforderung dar fuer heutige Literaturwissenschaftler, die Kosyks kuerzliche erschienene fuenf Gedichtbaende untersuchen moechten. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich zu errineren, dass er fuenf undfuenfzig Jahre, den Rest seines Lebens, in jungfraeulichen Gebieten verbrachte. Iowa, Nebraska und Oklahoma wurden waehrend dieser Zeit zu Bundesstaaten, respektive in den Jahren 1846, 1847und 1907. Dieses Jahr, der 150. Jahrestag seiner Geburt, ist einwillkommener Anlass, Kosyks historischen Kontext zu untersuchen und sich die Frage zu stellen, welche Kraefte der Umgebung den Kuenstler formen.

In gewissen Masse stellt dies keine neue Forschung dar. Obwohl bisher nur vier Artikel ueber Kosyk in Amerikanischen Zeitschriften erschienen sind, alle von mir, kann man dieses Thema nicht angehen, ohne die grundlegende Arbeit von Dalitz und Stone zu erwaehnen die 1977 auf Englisch in Letopis veroeffentlichtwurde.1 Diese 25 Jahre alte Arbeit hat einen Abschnitt mit dem Titel „Die Kirchenkarriere Mato Kosyks.“ Die vorliegende Studie scheint auf den ersten Blick jenen Abschnitt wiederzugeben. Allerdings, auch wenn diese Studie Dalitz und Stone viel zu verdanken hat, in den Punkten die Kosyk als Pastor betreffen, so

1 Vgl. R.H. Dalitz, G.Stone: Mato Kosyk in Amerika. In: Letopis 24/1 (1977), S. 57.

geht sie doch hoffentlich noch weiter als die obengennante Arbeit, um einen noch umfangreicheren Kontext seines kreativen Werkes zu liefern.

Die drei Punkte die angesprochen werden, sind im einzelnen:

1. der Einfluss der Angelegenheiten, die Kosyk ungeklaert laesst, als

er in die Neue Welt aufbricht.2. der Einfluss seiner beruflichen Entscheidungen.3. der Einfluss der fuer ihn ungewohnten Lebens- und

Arbeitsbedingungen.

Das Ziel dieser drei Einblicke in seine Erfahrungen ueber die Jahre hinweg ist es, neue Einsichten zu geben fuer diejenigen, die Mato Kosyks Gedichte anhand des Kontextes seiner Umgebung iunterpretieren wollen.

EINFLUSS DER UNGEKLAERTEN ANGELEGENHEITEN

Wann immer man die Heimat verlaesst, gibt es immer ungeklaerte Angelegenheiten, die einen spaeter verfolgen. Im Rueckblick tauchen die Fragen auf, ob diejenigen, die er verliess, gutversorgt waren, oder ob es unrespektvoll war, sie zu verlassen. Freundschaften, an die man nie wieder anknuepfen kann.Fragen ueber die wirklichen Gruende fuer das Weggehen. Furcht der neuen Umgebung nicht gewachsen zu sein. All das war Kosyk wohl bewusst, und man findet Anklaenge daran in den Briefen, die er Familie und Freunden zu Hause schrieb.

Einige der Gruende, aus denen er die Reise antrat waren von zwingender Natur. Kosyk war nicht der Hoferbe und hatte deshalb keinen Anspruch auf das vaeterliche Gut. Selbst wenn er das Landhaette bestellen koennen, war seine Gesundheit nicht gut genug und seine Fantasie praedestinierte ihn fuer eine intellektuelle Laufbahn. Aus Gruenden der Gesundheit, des Geldes und des Mangelsan Motivation brach er das Gymnasium in Cottbus ab, womit er sich

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fuer immer den universitaeren Weg zum Pastoramt verstellte.2 Was sollte er nun tun?! Kenner von Kosyks Biographie wissen, dass sein naechster Schritt, nachdem er am 31. Oktober (Warum der Reformationstag?) seiner Familie und Freunden im „Blotka“/Spreewald Lebewohl gesagt hatte, war, sich im Theologischen Seminar von Springfield, Illinois in den Vereinigten Staaten von Amerika einzuschreiben. Es ist unmoeglichzu wissen, was ihn alles beschaeftigte und die Fragen zu beantworten, die bis zum heutigen Tag ungeloest bleiben. Wollte er wirklich mehr als alles andere Pastor werden, oder wollte er wirklich nur ein Pastorleben, in dem er seiner Dichtertaetigkeit nachgehen konnte. In Europa war ein solches Ziel nicht unerhoert.Gab es andere Bildungswege als den zum Pastor, die fuer ihn in Frage haetten kommen koennen statt nach Amerika auszuwandern. Oder gab es andere Laender, die er haette in Erwaegung ziehen koennen, wenn er tatsaechlich Missionar werden wollte. (Aus der Sicht der europaeischen Kirche war Amerika ein Missionsfeld.) Es gab eine nicht unbedeutende Anzahl theologischer Hochschulen in Europe die deutsch= sprechende, junge Maenner fuer den Missionarsdienst im Ausland vorbereiteten. Viele davon waren gegruendet worden im Zuge der Missionarsbewegung im Verbund mit der Kolonisierung durch die Seemaechte. Im Jahre 1883 waren es ander Zahl 21 Institute in Deutschland, die lutherische Missionare vorbereiteten und nach Amerika sowie in andere Teile der Welt geschickt haben.3 Warum hat Kosyk das nicht gemacht? Hoffte er, eine Ausbildung im Ausland zu erlangen, um dann in die Lausitz zurueckzukehren und dort zu dienen? Diese und andere Fragen habenKosyk sicherlich geplagt bevor er aufbrach und sind auch noch Jahre spaeter fuer ihn ungeloest geblieben.4

2 Vgl. David Zersen: Local Lutheran Boy Finally Makes Good Fifty Years Late. In: Currents in Theology and Mission 30/2 (2003), S. 134. 3 J.N.Lenker: Lutherans in all Lands. Hrsg. Von Lutherans in All Lands Company, Milwaukee 1896, S. 180. 4 Die Tatsache, dass Kosyk ein Jahr nach seiner Ordination nach Hause gesegeltist, ist natuerlich interessant. Er suchte ein Pfarramt unter den Sorben, und er hatte auch familiaere Gruende. Hindessen war es typisch unter den Deutschen nach der Einfuehrung des Dampfschiffes 1860 in die Heimat zurueckzukehren. Sie arbeiteten in

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Es ist wahrscheinlich, dass Kosyk nach Amerika aufgebrochen ist wie so viele junge Maenner (er war dreissig) in seiner Zeit, beeinflusst von all der positiven Werbung ueber und von der NeuenWelt. 1882, das Jahr bevor er Deutschland verliess, war das Spitzenjahr fuer Emigration aus Deutschland nach Amerika. In diesem Jahr verliessen 250 000 Deutsche (685 am Tag) ihr Land mitZiel USA. Es ist bekannt, dass Kosyk durch die Lutherische Mission, die die Interessen der Amerikanischen Kirche in Deutschland vertrat, von den Bildungsmoeglichkeiten in Amerika erfuhr.5 Auf dem Bahnsteig des Bahnhofs non Vetschau, von wo aus er die Reise antrat, waren noch viele andere Leute aus seinem Heimatort Werben, die ebenso aufgeregt warteten, ihr Glueck in Amerika zu versuchen.6

Es gab gute Gruende dafuer, dass sich die Leute an Bahnsteigen und Haefen sammelten, und so die Zahl der Auswanderer von Deutschland allein um 1900 schon auf fuenf Millionen zu bringen. Oft der „Push“ der Auswanderung genannt, waren es mehrere Beweggruende, die die Menschen zwischen 1830 und 1880 zur Auswanderung brachten. In der Anfangsphase in Sueddeutschland verliessen die Menschen Baden-Wuerttemberg aus einer Reihe von Gruenden. Einige davon waren: Neue Gesetze erlaubten, dass das Erbe aufgeteilt werden konnte. Dies gab die Moeglichkeit Landbesitz zu haben, der aber nicht ausreichend war fuer landwirtschaftliche Rentabilitaet. Ausserdem waren die landwirtschaftlichen Techniken lange nicht verbessert worden, so dass man nicht sehr wettbewerbsfaehig war. Andererseits war es eine gute Zeit Land zu verkaufen, da der Preis fuer Grundbesitz hoch war. Damit hatte man ein gutes Startkapital in einem Land woes Ackerland umsonst gab. Es gab auch religioese Ausloeser, zum Beispiel die Preussische Vereinigung von 1817 die Lutheraner und Reformierte zum gemeinsamen Gottesdienst zwang. In spaeteren

Amerika fuer ein Jahr, gingen dann nach Deutschland und kamen mit einer Braut zurueck nach Amerika. Frederick C. Luebke: Germans in the New World. Hrsg. von University of Illinois Press, Urbana 1990, S. 163. 5 Frido Metsk: Biographische Bilder. In: Mato Kosyk. Hrsg. von der Domowina, Bautzen 1986, S. 92.6 Metsk: Biographische Bilder, S. 93.

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Jahren verliessen die Leute andere Provinzen (Hessen-Kassel, Hannover, Oldenburg, Sachsen, Pommern, Mecklenburg) wegen Missernten, die Tageloehner ohne Arbeit und Landbesitzer ohne Mittel liessen Gueter zu kaufen was wiederum zu Arbeitslosigkeit fuehrte. Zusaetzlich wuchs um 1860 der Widerstand die Rekrutierung zum Militaer.7

Auf der anderen Seite gab es einen „Pull“, der die Emigranten dazu anspornte ihr Glueck in Amerika zu suchen. Land, war der Hauptfaktor. Der sogenannte „Homestead Act“ von 1861 gab kostenloses Farmland. Ausserdem waren die Steuern niedrig. Diese guten Aussichten wurden den Deutschen vorgefuehrt von der Werbungder Eisenbahngesellschaften, die Staedte entlang ihrer Bahnlinienwollten, und von den Kirchen, die eine Ansammlung Gleichgesinnterin Gemeinschaften wollten. Doch der wichtigste Pull-Faktor waren vielleicht die Millionen Briefe, die die Deutschen erreichten vonFreunden und Familien und die, von einem besseren Leben in der Neuen Welt sprachen.8

Deutschsprechende Katholiken und Lutheran versuchten besonders angestrengt Glaubensbrueder anzuwerben weil sie einzigartige Probleme und Interesssen hatten. Die Baptisten, Presbyterianer und Methodisten fanden es leicht englischsprechende Menschen in Amerika zu konvertieren und ihre Kirchen wuchsen in Amerika. Waehrend die deutschsprechenden Katholiken und Lutheraner vom Kontinent, die eine Kirchengemeinde gruenden wollten, ihre Mitglieder in Europa suchen mussten. Viele Immigranten waren sehrinteressiert an einer solchen „Rekrutierung“, weil es bereits schwierig genug war in ein fredes Land zu ziehen, aber sich dann auch noch inmitten von Leuten wiederzufinden, die einen nichtverstehen und nicht das gleiche Wertesystem haben, waere noch beaengstigender gewesen. Deshalb suchten die Emigranten oft an den Docks auf, bevor sie sich einschifften, um ihnen die Moeglichkeit nahezubringen, sich mit Glaubensbruedern

7 Frederick C. Luebke: Immigrants and Politics. Hrsg von University of Nebraska Press, Lincoln 1969, S. 23-24.8 Luebke: Immigrants and Politics, S. 21-29.

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niederzulassen. Die Kirchen machten sogar Werbung in deutschen Zeitungen.

Als der gewaltige Strom der Immigranten in den fruehen achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts anzuschwellen begann, fand sich eine grosse Anzahl gleichgesinnter Lutheraner ohne Pastor.9 Sie unternahmen grosse Anstrengungen um Kirchen, Missionsgesellschaften und theologische Institutionen in Deutschland darum zu bitten, dass junge Maenner ermutigt wuerden Kirchendienst in Erwaegung zu ziehen im sprichwoertlichen „fernenLande“. Derartige Bitten fanden ueberraschenderweise grossen Anklang.10

Einem solchen Ruf folgte auch Mato Kosyk, sich seiner Zukunft nicht sicher, und mit vielen ungeloesten Problemen im Gepaeck. Ernahm Teil an der urspruenglichen postiven Reaktion auf die Moeglichkeiten und Erfordernisse, die von Amerika ausgingen. Innerhalb weniger Jahre jedoch fiel die Zahl der Auswanderer stark ab. Die wirtschaftliche Situation in Deutschland verbesserte sich. 1890 kamen nur noch dreissig tausend Deutsche. Kosyk aber war bereits in Amerika als Student am Concordia-Seminar in Springfield, Illinois. Wie wagemutig Kosyk den Herausforderungen dieser Uebergangsperiode entgegentreten wuerde,koennen die Literaturwissenschaftler am besten beurteilen. Eines aber ist aus Kosyks eigener Hand im Rueckblick klar: Die groessten Herausforderungen und ihre respektiven Auswirkungen kommen noch.

AUSWIRKUNGEN DER AUSBILDUNG

Gerade fuer einen Kuenstler, sein Leben und sein schoepferisches Werk kann es ausschlaggebend sein, die richtige Bildungswahl zu treffen, um ihn auf den Beruf fortzubereiten. Viele Kuenstler finden den Weg zu ihrem einzigartigen Ausdruck durch eine Reihe

9 Luebke: Immigrants and Politics, S. 28.10 Schon ab 1896 sind 1547 deutsche Pastoren von Missionsgesellschaften und Instituten in die U.S.A. gesandt worden. Vgl. J.N. Lenker: Lutherans in all Lands, S. 180.

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kleiner Gassen und Hintertueren. In Kosyks Fall, war die Entscheidung das Gymnasium in Cottbus nicht zu beenden ein permanentes Hindernis fuer seine Ambitionen. Da er aber trotzdem die Entscheidung traf, einer Pastorenausbildung nachdugehen, waren seine Bildungswege nun eingeschraenkt.

In Jahre 1883 gab es 17 lutherische theologische Hochschulen in Amerika, von denen sechs auf Deutsch unterrichteten. Die Tatsache, dass er ausgerech= net das Concordia-Seminar in Springfield waehlte, lag vielleicht nur daran, dass es das zweitgroesste lutherische Seminar zu dieser Zeit in Amerika war; es hatte 90 Studenten. Oder vielleicht war es das einzige, von dem er Kenntnis hatte.11

Concordia’s Geschichte ging zurueck ins Jahr 1843, als Wilhelm Loehe aus Neuendettelsau ein Seminar in Fort Wayne, Indiana einrichtete, um Pastoren fuer deutsche Immigranten auszubilden. Loehe war ein bemerkenswert unternehmerischer Pastor in der lutherischen Kirche von Bayern, wo er grosse Einrichtungen gruendete fuer Waisen, psychisch und koerperlich Behinderte, Kranke und fuer die Ausbildung fuer Diakonnisen und Pastoren. Er nahm Teil an der Herausforderung, deutsche Theologen auf Amerika vorzubereiten, in dem er 1841 einen „Notruf“ aussandte. Als eineneue Kirche sich selbst im Jahre 1847 als „Deutsche Evangelische Lutherische Synode von Missouri, Ohio, und anderen Staaten“ etablierte, handelte diese mit Loehe aus, das Seminar nach Springfield, Illinois zu verlagern. Dort blieb es bis bis zur Ankunft von Kosyk 1883, mit Ausnahme einer Pause von vierzehn

11 Zu den Seminaren in 1860 die Unterricht auf Deutsch anboten, gehoerten die Theologische Abteilung von Martin Luther College in New York (9 Studenten), Concordia Seminary in St. Louis (103), Wartburg College, Mendota, Illinois (40), Concordia-Seminar, Springfield, Illinois (90), Theological Seminary, Milwaukee, Wisconsin (23), German Theological Seminary, Chicago (6).In: The Lutheran Almanac. Hrsg. von The Lutheran Publication Society, Philadelphia 1883, S. 26. Kosyk studierte nicht im groessten Seminar in St. Louis, wo der Unterricht auf Lateinisch gehalten wurde, weil sie nur Studentenvon ihrem eigenen Gymnasiumsystem akzeptierten.Von M. Noland, Director, Concordia Historical Institute: Interview, 16. April,2003.

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Jahren waehrend des Buergekrieges in der man nach Missouri umzog (1861-1875).12

Viel ist nicht bekannt ueber Kosyk’s kurze Erfahrung an dieser Schule, aber sie passte ihm nicht. 1883 hatte die Schule 90 Studenten, die Disziplin war strikt, und der Unterricht verlangte, dass er fleissig studierte. Aber der praktische Ansatz, dass man die Kandidaten so schnell wie moeglich ins Feld schicken wollte, hatte nicht den klassischen Charakter, den er aus Cottbus kannte, wo er Sorbisch, Griechisch und Latein studierte.13 Er hatte grosses Heimweh, war ungluecklich, dass die meisten Studenten untereinander Englisch sprachen, obwohl derUnterricht auf Deutsch stattfand, war aengstlich Abends auszugehen wegen der Diebe, und obendrein war er nicht immer einverstanden mit der theologischen Auffassung. Er vertraute seine Familie an, dass in Amerika, alles voellig anders sei als in Europa und dass man eine harte Seele haben muesse, um dort zu leben.14 Kosyk litt ganz eindeutig unter einem Kulturschock waehrend seiner ersten Monate in Amerika, und er muss sich wohl viele Male gefragt haben, ob er eine weise Entscheidung getroffenhatte.

Aus unbekannter Quelle erfuhr Kosyk vom deutschen theologischen Seminar in Chicago, und Ende Januar war er bereits dort eingeschrieben. Dieses Seminar war organisatorisch unstabil und immer am Rande des finanziellen Zusammenbruches, aber Kosyk fuehlte sich zu Hause. Das Seminar war 1888 von Prof. F. E. Gieseaus dem Carthage College in Illinois gegruendet worden, wo er Professor fuer Griechisch und Deutsch war. Giese glaubte 12 Um dem auf Grund der vielen Einwanderer gestiegenen Bedarf an Pastoren gerecht zu werden, versuchte das Concordia-Seminar, Anwaerter aus und in Deutschland zu rekrutieren. Sowohl in den Landeskirchen als auch in den Freikirchen gab es damals mehr Kandidaten als moegliche Gemeindestellen. Deshalb versuchten viele, im Ausland zu dienen. Zwischen 1841 und 1896, schickte W. Loehe 230 Kandidaten nach Springfield. Und ein Pfarrer Brunn, Gruender eines Proseminars in Steeden zwischen 1861 und 1896 schickte 215 Kandidaten. Von M. Noland: Interview, 16. April, 2003. J.N. Lenker: Lutherans in all Lands, S. 180.13 Metsk: Biographische Bilder, S. 87.14 Briefe an H. Jordan und A. Muke. In: Metsk: Biographische Bilder, S. 93-94. Von Roland Marti: Emailkorrespondenz, 10. Oktober, 2001.

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offenbar, dass die Wartburg Synode, groesstenteils eine Glaubensgruppe deutscher Immigranten, ein theologisches Seminar in deutscher Sprache in einer bedeutenden Stadt brauchte. In den fuenf Jahren des Seminars unter Giese hatte es nie mehr als acht Studenten. Sie trafen sich an verschiedenen Orten, bis sie ein Haus in Chicago Lawn erwarben, circa dreizehn Kilometer vom Zentrum Chicagos.Giese sah sich vor allem als Tutor. Die Studenten sprachen Deutsch innerhalb und ausserhalb des Klassenzimmers, und auch Hebraisch, Griechisch und Latein wurden practiziert. Kosyk fuehlte sich bestaetigt weil Giese interessiert war an seinem sorbischen Hintergrund und ihm half, einige Artikel ueber die Belange der Sorben zu veroeffentlichen. Er verbrachte nur etwas ueber ein Jahr in diesem Seminar obwohl es ein Dreijahres-Kurrikulum war, weil er, wie er in einem Brief an Muka erklaerte,dank seiner sprachlichen Ausbildung am Gymnasium von Cottbus einen Vorteil hatte. Auch wenn das deutsche theologische Seminar kurz nach dem Weggang Kosyks zusammenbrach, weil Giese eine Stelle in einer Gemeinde in Baltimore angenommen hatte, so hatte es ihm doch einiges Vertrauen gegeben, um das Pastorenamt im Jahre 1885 anzutreten.15

Kosyks kurzer Aufenthalt am Seminar von Chicago hatte nicht nur einen sehr positiven Einfluss auf den Beginn seiner Karriere, sondern auch auf sein dichterisches Schaffen. Obwohl bestimmt gefaehrlicher als Springfield, Illinois, fuehlte er sich auf den

15 In demselben Jahr des Abschliessens, hat ein ehemaliger Bischof der Wartburg Synode, J.D. Severinghaus, die Hochschule woanders in Chicago geoeffnet, und waehrend 13 Jahren gab es dann erfolgreichen Unterricht. Sein Erfolg war zum Teil das Ergebnis seiner Faehigkeit in finanziellen Dingen und zum Teil die Folge eines Vertrages mit einer Missionarsgesellschaft in Schleswig. Diese sogenannte Breklum Gesellschaft schickte komplett theologischvorbereite Studenten nach Chicago. Nach einem Jahr mit Unterricht auf English und amerkanischem Gemeindeleben, nahmen diese Kandidaten Stellen an in Gemeinden der Iowa, Wartburg und Nebraska Synoden. Waehrend einiger Zeit hat die Wartburg Synode diese Breklum Hochschule im Besitz und 1891 gab sie dem Gruender einen Doktortitel honoris causa von ihrem eigenen Carthage College. In Form verschiedener Vereinigungen mit anderen Hochschulen, existiert das Seminar von Kosyk noch heute als The Lutheran School of Theology at Chicago (LSTC). Von Joel Thoreson, Assoc. Archivist, Evangelical Lutheran Church in America (ELCA): Interview, 5. April, 2003.

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Strassen Chicagos, an den Ufern des Lake Michigan und selbst an den Bahnhoefen sicher und wohl. Mit Neugierde nahm er den Anblickgrosser Gebaeude und Menschen aus aller Herren Laender auf. Zum ersten Mal sah er einen Indianer. Er machte Notizen ueber sehr auf sich selbst bezogene polnische Viertel und arme Menschen aus Boehmen. Die ganze Faszination und Aufregung des Entdeckens der Neuen Welt kommt in den Gedichten jener Zeit zum Ausdruck: Winter an den Ufer des Michigan-Meeres, Die erste Rose in Illinois, Die Indianerin, Die TraeumeBleiben, Im Polnischen Chicago, und Eine Fromme Slawin. Metsk sagt dass die Gedichte dieser Zeit, im Gegensatz zu vielen anderen seiner Werke, einen persoenlichen Charakter haben und zu den schoensten gehoeren, die er je geschrieben hat.16

Obwohl ihn seine Zeit in Chicago scheinbar weiterbrachte, wurde er doch abgewiesen, als er spaeter nach Deutschland zureckkehrte,in der Hoffung, sich mit dieser Ausbildung um ein Pastoramt in der Lauzitz bewerben zu koennen.17 Einige Jahre spaeter, beschrieb er seine Situation als die eines Vogels im Kaefig;18 16 Metsk: Biographische Bilder, S. 95.17 Man darf nur annehmen, dass es nicht mit dem Wert einer amerikanischen Ordination zu tun hatte, sondern mit der Qualitaet der Ausbildungsbahn, die erbegangen hatte. Keine Forschung existiert, um zu demonstrieren, dass die Landeskirchen eine Amerikanische Ordination ablehnen wuerden. (Eine Erkundigung beim Landeskirchenamt in Brandenburg brachte die Antwort, dass es nicht moeglich waere eine solche Tendenz zu beweisen.) Einerseits, ist es eine Tatsache, dass Absolventen der theologischen Hochschulen in Deutschland ab und zu ordiniert wurden, bevor sienach Amerika gesandt wurden. (Vgl. J.N. Lenker: Lutherans in all Lands, S. 183.) Auch beweist eine Untersuchung der Urkunden von sechs Synoden an der Ostkueste und im Mittelwesten zwischen 1850 und 1900, dass keine Deutschen nach der Ordination in Amerika zurueckgeganen sind. (J. Thoreson, Archivist, Evangelical Lutheran Church in America: Breifwechsel, 17. April, 2003.) Als argumentum silentio, haette man annehmen koennen, dass sie sich entweder verschlossen fuehlten oder zufrieden in der neuen Heimat. Von einem theologischen Standpunkt ist es schwer zu verstehen, warum eine Landeskirche die nichts mit apostolischer Nachkommenschaft zu tun hat, es problematisch findet, eine amerikanische Ordination zu annehmen. Deshalb - ohne weitere Forschung - waere es zur Zeit am besten zu sagen, dass die Entscheidung der Landeskirche entweder mit Ausbildung oder Politik zu tun hatte. 18 Mato Kosyk: Gefangenes Voegelein. In: Mato Kosyk Dichter. Cottbus, Saarbruecken 2003,, S. 87.

1. Kleiner Saenger eingefangen sitzt im Kaefig voller Bangen,

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dabei dachte er nicht nur an seineNostalgie und das Gefuehl der Entfremdung, sondern auch an das Gefuehl als ob er gefangen sei in dieser Situation, unfaehig aus seinem Kaefig nach Hause zu fliegen, weil ihm keine Tueren offenstanden. Der Schmerz, den einKuenstler fuehlt, ist sicherlich persoenlich, aber die Berufung zum Kuenstler verlangt das solche Gefuehle mitgeteilt werden. Imselben Masse als der Druck in Kosyk’s Welt zunahm, wurden seineGedichte spirituelle und introspektiver. Um die Entwicklung richtig einzuschaetzen ist es noetig den Kontext der Staaten kennenzulernen, in denen Kosyk lebte. Und sich mit den Gemeinden in Iowa, Nebraska und Oklahoma auseinderzusetzen, in denen er 28 jahrelang gedient hat.

DER AFFEKT VON LEBEN UND ARBEIT IN UNGWOHNTEN UMSTAENDEN

Der Affekt der neuen Welt war offensichtlich in Kosyk’s Erfahrungen in Springfield, vom dem er gesagt haben soll, „alles ist hier anders,“ und in Chicago, wo er mit grossen Augen durch die weitlaeuflige Vielvoelker Metropole wanderte. Doch nichts forderte ihn auf so dramatische Weise heraus wie die Erfahrungen in den Gemeinden, in denen er als Pastor diente. Der Kuenstler muss um Worte und Bilder gerungen haben, um zu versuchen festzuhalten, was er erlebte. Kuenstler koennen ueberwaeltigende Eindruecke nicht einfach ignoriernen. Sie sind wie gezwungen dieses Stimuli zu assimilieren und in Form zu bringen fuer sich und ihre weitere Umgebung, sei es visuel, dichterisch oder musikalisch. Einie enorme Herausforderung erwartete ihn. Zu den Dingen, die er versuchen musste zu verstehen, gehoeren: Die Kirchen mit all ihren synoden, die gegensaete zwischen unterschiedlice Immigrantengruppen, das Fehlen von Regierungseinfluss auf die Kirche, die Affekte von Kettenimmigration, die Unterschiede zwischen Immigranten der ersten und zwieten Generation, die Wuerzeln conservative Politik unter den Deutschen, und mit dem Naehkommen des Ersten Weltkrieges, eine zunehmend feindliche Haltung gegenueber allem

muss nun singen, kann nicht raus aus dem engen dunklen Haus.4. Ich bin gleich dem Voeglein, muss im fremden Lande sein, fern die Heimat—Herzeleid—meines Himmels Herrlichkeit.

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Deutschen. Eine Harte Seele, wie er es nannte, brauchte er in der neuen Welt. wuerde ueberleben und gestaerkt daraus hervorgehen. Kosyk war letzen Endes von aldem ueberwaeltigt. Es ist denen die seine Dichtung analysieren, ueberlassen, zu beschreiben, wie er mit dem Wolf vor der Tuere fertig wird.

Die Organization der Amerikanischen Lutheraner war funktionsfaehig und doch chaotisch. Das Schwierigste fuer Kosky war vielliecht, die Natur der Luterischen Kirche auf Amerikanischen Grund zu verstehen. Glueckerlicherweise, war es nicht an ihm eine Kirche auszuwaehlen, von denen es nur so viele wimmelte. Diejenigen, die vom deutschen theolgischen Seminar die Weihe erhalten hatten, wurden zu Gemeinden geschickt, die Pastoren suchten und in den Synoden waren, welche eine Beziehung zum Seminar hatten. Die Synode in einer der Lutherischen Orranization war eine Vorstandsversammlung von Kleriken und Laien, die sich regelmaessig trafen, um Kirchenentscheidung zu machen. Daraus folgte, dass groessere relgioese Gemeinschaften bekannt wurden unten dem Namen ihrer Vorstandsversammnlung. Da eskeine Hierarchie im Lutheranismus gab, wie zum Beispiel einen Papst oder Patriarchen, demgegenueber die Synoden verantwortlich waren, konnten Synoden entstehen wann immer und wo immer Angehoerige einer Glaubensgemein= schaft sich zu einer Koerperschaft zusammenschliessen wollten. Es gab eine Zeit in denVereinigten Staaten in denen man ueber Hundertfeunfzig dieser Synoden zaehlte, bennant nach ethnischen, linguistischen und Ortsnamen, um nicht auch noch diejenigen zu erwaehnen, die nach Staedten, Persoenlichkeiten oder Bekenntnisschriften bennant wurden.19 Das muss fuer Kosyk sehr verwirren gewesend sein wenn man bedenkt wie einfach die deutschen Landeskirchen struktuiert 19 Die aeltesten waren das Pennsylvania Ministerium (1748) und das New York Ministerium (1786). Andere, fruehere waren die Joint Synod of Ohio and Other States (1818), die General Synod (1820), und die Maryland Synod (1820). Es gabfinnische, schwedische, norwegische, daenische, islandische und deutsche Synoden. Auch gab es Illinois, Iowa, Nebraska, Missouri und Wisconsin Synoden.Dazu gab es Wartburg und Wittenberg Synoden. Und noch Hauge, Francke, Steimle und Melanchthon Synoden. Als Kosyk 1885 ordiniert wurde, hatten sich viele vondiesen schon mit anderen vereinigt oder arbeiteten wenigstens unter einem gemeinsamen Schild zusammen. Aber 59 davon funktionierten noch als Mitglieder von entweder der General Synod, der Southern General Synod (wegen des Buergerkriegs), der Synodical Conference und Unabhaengige Synoden.

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waren, und es sollte ihm waehrend seiner ganzen Karriere muehebereitend die Differenzen und Anliegend zu verstehen, die diese Zahlreichen Gruppen unterschieden.

Spezifisch einheimische Angelegenheiten brachen neue Spannungen auf.Kosky musste diese Angelegenheiten, die die Leute auseinanderdividierten zuverstehen lernen da sie sonst Zureibungen in seine Kongregationen haetten fuehren koennen. Englischsprechende Amerikaner tendiert dazu, alle deutschsprechenden Voelker als eine Gruppe zusehen: Ungarn, Oestereicher, Schweizer, Luxembourger und Deutscher. Natuerlich gab es bedeutender Unterschiede zwischen diesen Gruppen, von den Unterschieden zwischen den Ostfriesen, Sachsen und Schwaben. Ausserdem, da diese oft von dem Englischsprechenden Amerikanern als Immigranten behandelt und isoliert worden hatten sie ihren eigenen religioesen Bedenken gegenueber den Englandern. Sie fandten deren religiose Gruppen, vom Puritanismus herruehrend, uebermaessig moralistisch mit ihrer Betonung von Sabatarianismus und Maessigung. Die biertrinkenden Deutschen konnten nicht verstehen, warum halb-Nebraska bit 1890 trocken gelegt war. Als Kirchdeutsche waren sie gegen die Logen der Vereinsdeutschen und andere ethnische Gruppen, und hatten Schwierigkeiten ihren Mitgliedern dieselben Dienste und Vorteile anzubieten wie diese weltlichen Organizationen. Als Menschen, diestaatlich unterstuetze Kirchen kannten, begriffen sie nicht, warum es notwendig waere seine religioese Gemeinde aus freiem Willen zu unterstuetzen, und einige hielten deshalb den Klerus fuer geldgierige Diebe.20 Die aufkommenden Probleme in Gemeinden,in denen die Menschen versuchten, Sinn zu sehen in der neuen Weltund deren Affekt auf ihr Leben, muessen ueberwaetigend gewesen sein fuer einen Pastor der nur die gute Nachricht verbreiten wollte.

Kettenimmigration war die Grundlage fuer explosive Situation. Mato Kosyk war an eine Kleinstadt gewoehnt, wo jeder jeden

20 Marcus Lee Hansen: The Immigrants in American History. Hrsg. von Meridian Books, New York 1975, S. 114.

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kannte. Aber es ist eine andere Sache in einer solchen Kleinstadt zu leben oder ihr Pastor zu sein. Die Amerikanischen Kleinstaedte—und zwei Drittel aller Deutschen in Amerika lebten in Staedten mit weniger als 250 Einwohnern—waren zum grossteil gegruendet wurden durch Briefkampagnein von Freunden und Verwandten, die das Leben in Amerika in den schoensten Farben malten. Die Kettenreaktion, die diese Werbung ausloeste, produzierte eine bemerkenswerte Konzentration gleichgesinnter Leute, die alle mit einander Verwandt waren.21 Das Ergebnis einersolchen Klan-Bildung in kleinen Gemeinden wirkt vielleicht charmant auf den Aussenstehenden, fuer den Pastor aber ist es oftein Disaster.

Gemeindeversamlungen in einer solchen Umgebung koennen leicht ausser Kontrolle geraten, und etwaige Ressentiments koennen die Spenden und somit das Pfarrersgehalt reduzieren. Die kleinen Gemeinden in den neu-gebornen Staedten waren emfindlicher Organisationen auch durch die Fehlbarkeit ihrer Mitglieder. Kosykhatte immer alle Haende voll zu tun.

Das Fehlen von Hierarchie erlaubte eine Verwirrende Diversitaet. Kosyk war an staatlicher Intervention in Kirchendingen gewohnt. In Jahre 1830 hatte die preussische Regierung erlassen dass das Wort Evangelisch die Woerter Lutherisch und Reformiert erstezten sollte. Sorben verliessen Deutschland letzen Endes aus diesem undanderen Gruenden 1854. Eine solche Einflussnahme war unmoeglich in den Vereigten Staaten, da dort die Verfassung keine Staatskirche erlaubte. Diese Regelung wird oft missverstanden, als Trennung von Staat und Kirche. Das Konzept ist aber in Wahrheit ein ganz anderes. Die Regelung besagt, dass die Regierung keine religoese Gruppe bevorzugend darf, und allen erlauben muss, ihren Glauben ohne staatlichen Eingriff auszuueben. Diese grosszuegige Auslegung fuehrte jedoch zu vielenKonflikten als sich inkompatible Glaubensausrichtungen gegenueberstanden, nicht in einem harmonischen Sinn sondern mit Verachtung.Der Grad ihres Wettbewerbes wurde extrem als sie begannen, ihre Eigenheiten ihr Uneinigkeiten und ihren ultimatven Anspruch auf

21 F. C. Luebke: Germans in the New World, S. 43-46.

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Wahrheit hervorzuheben.22 Dies fuehrte zu einem dogmatischen Disput nach dem anderen, mit der Tendenz die christliche Gemeinschaft ad infinitum zu fragmentieren. Die Anzahl der aus diesem Prozess hervorgegangenen Denominationen in Amerika ist nicht leicht zu erfassen. Aus unterschiedlicher Sicht kann es ausgelegt werden als Triumph der Freiheit oder als Tragoedie fuerdas Christentum. Jedenfalls, wurde Kosyk teil dieses sehr verwirrenden Prozesses, als er sich entschied, bei der Etablierung der Deutschen Synode von Nebraska zu helfen, weil er wie viele andere der Meinung war, dass die Belange einer Sprachgruppe nicht richtig erfuellt wurden.

Sich Veraendernde Umstaende und Interessen Verursachten Spannungen. Kosyk war daran gewoehnt, mit Menschen viersichiedener Generationen zu leben und zu arbeiten, aber die Situation in Amerika war eine andere. Die Leute in Werben hatten immer mit verschiedenen Generationen innerhalb irhres Dorfes zusammen gelebt. In Kosyk’s Gemeinden jedoch gab es Leute die quasi gerade erst vom Boot gestiegen waren und solche die bereitsseit einigen Generationen in Amerika ansaessig waren. Diese Leute hatten unterschiedliche Interessen und besonders im Hinblick auf das vorliegene Thema unterschiedliche Haltung gegenueber der Kirche. In vielen Faellen wurden die Deutschen in Amerika weit weitaus religioeser als sie in Europa waren. Andererseits, wollten Deutshen der zweiten Generation in derselben Gemeinde oft als vollamerikaner verstanden werden. Sie reagierten gegen ihr kulturjelles Erbe auf, anglizierten oft ihreNamen (Schmid zu Smith, Kosyk zu Kossick) und drehten den Kirchenden Ruecken zu, erstens, weil der Gottesdienst immer noch auf Deutsch gehalten wurde und zweitens, weil die Kirchen ein Ueberbleibsel waren aus einer Welt, die sie lieber sich hinter sich gelassen haetten.23Die Aufgabe des Pastors war es, diese Ausrutsche wieder in Reih’ und Glied zu bringen. Die Eltern und Grosseltern erwarteten dies sehr oft von ihm, auch wenn die Kinder nichts mit dem Pastor zu tun haben wollten. Der sich

22 Richard Niebuhr: The Social Sources of Denominationalism. Hrsg. von Meridian Books, New York 1957, S. 221.23 F. C. Luebke: Germans in the New World, S. 165.

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aendernde Charakter der Gemeinden und die Generations streitigkeiten haben Kosyk gewiss Probleme bereitet.

Konservative Einstellung bedingt eine reaktionaere Haltung Kosyk selbst war wahrscheinlich von eher konservativen Charakter, das heisst zureuckhaltend, solide und nicht wechselhaft. Bestimmt hater sich verpflichtet gefuellt, sein ethnische Herkunft aufrechtzuerhalten. Aber es gibt auch Beweise fuer seine Offenheit landwirtschaftliche Praktiken zu aendern (Brief aus demRuhestand)24 und fuer sein Unwohlsein im Bezug auf die konservative Theologie am Concordia-Seminar im Springfield.25 Doch was er mit seinen Gemeindemitgliedern erlebte, liess ihn sich eher als Liberalen fuehlen. Die deutschen Bauern, Tageloehner, Lehrlinge und Handwerker wurden alle zu Farmern, weil es in Amerika so leicht war Landbesiter zu werden. Die Unsicherheit in ihren neuen Rollen veranlasste sie, eine Version dessen zu kreieren, an was sie sich in punkto europaeischer Stabilitaet errinnerten. Sie waren abgeschnitten vom alten Europa mit seinen etablierten Kirchen, alten Gebaeuden,ehrwuerdigen Ritualen und seiner Hierarchie und sie waren unsicher, was sie mit ihrer neuen Identitaet anfangen sollten. Sie waren sehr unzufrieden mit der Art und Weise des religioesen Ausdrucks in Amerika, selbst unter anderen Lutheranern, die bereits seit 200 Jahren an der Ostkueste waren. Diese waren zu amerikanisch fuer die neuen Amerikaner. So begannen sie mit grosser Energie nachzuahmen, was sie aus Erfahrung kannten und legten bei der Erhaltung der Kultur, Sprache und Theologie einen Eifer an den Tag, den sie in Europa nicht gehabt hatten. Das fuehte manchmal zu Intoleranz gegenueber Aussenseitern, neuen politischen Bewegungen und allem, was fuer Veraenderung stand.26

Es gab noch eine Reihe anderer Umstaende, die zu dem ueberwaeltigenden Kulturschock beitrugen. Diese haetten wohl auchandere Kuenstler aus der Bahn geworfen, in ihre Suche nach Sinn. Vor diesem Hintergrund, wird es jedoch nuetzlich sein, nun einige24 F. Metsk: Biographische Bilder, S. 101.25 R. Marti: email, 6. Maerz, 2002. 26 Oscar Handlin: The Uprooted: The Epic Story of the Great Migrations that made the American People. Hrsg. von Grosset and Dunlop, New York 1951, S. 117-143.

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Erlaeuterungen zu geben in Bezug auf die individuellen Gemeinden,in denen er arbeitete.

Gemeinden in Amerika. Kosyk hat 28 Jahre in sechs Gemeinden in drei Synoden in drei Staaten verbracht. Seine laengste Amtszeit waren acht Jahre in St. Johannis in Ohiowa, Nebraska. (Ohiowa istein Staedtename, in dem Ohio und Iowa zusammengezogen werden, weil daher die Mehrzahl der Einwohner dieser Stadt kam.) Das bedeutet viele Umzuege fuer einen Pastor; sicherlich zu viele, wenn man eine Gemeinde aufbauen will. Andererseits waren all diese Gemeinden klein (nur zwei von 65 Geminden in der Nebraska Synode hatten seinerzeit mehr als 200 Mitglieder). Die meisten dieser Gemeinden waren sehr zerbrechlich sowohl finanziell, als auch in Bezug auf die Persoenlichkeiten ihrer Mitglieder. Es konnte somit eine echte Herausforderung fuer eine Gemeinde darstellen, einen Pastor zu halten. Kosyk reichte jedes Jahr einen Rapport ein, der Stabilitaet oder geringes Wachstum aufwies. So gut wie nie erwaehnte er in seinen Rapporten an die Synode die eingegangen Wohltaetigkeitsspenden. Das wurde ueblicherweise von den Kirchenoberen als negative Haltung oder schlechte Administration empfunden.

Vielleicht der emotionale Hoehepunkt seiner Amtszeit war die Zeitin St. Pauli in Princeton, Nebraska, wo er sechs Jahre lang blieb. Princeton liegt 22 Kilometer suedlich von der Hauptstadt Lincoln. St. Pauli war eine unabhaengige Gemeinde ohne uebergeordnete Synode. Hier heiratete er, feierte er die Geburt seines einzigen Kindes—ein Sohn-- , wurde zum U.S. Buerger, traf er die groesste Gruppe von Sorben in den U.S.A. (in Sterling, Nebraska), wurde er zum Mitbegruender der Deutschen EvangelischenLutherischen Nebraska Synode, und hier war es auch, dass er wieder anfing Gedichte zu schreiben. Das war seine zweite dichterische Periode in Amerika von 1892 bis1898. Es war eine besondere Zeit fuer einen deutschen Sorben in Amerika. Nebraska haette den Einddruck erwecken koennen, ein neues Deutschland im Ausland zu sein. Im Jahre 1885 gab es dort 57 deutsche Lutherische Grundschulen und ueber 50 Prozent der Bevoelkerung waren als deutschsprechend angefuehrt. Diese waren nicht alle Deutsch, viele Alsaesser, Ungarn, Rumaenen, Russen und Franzosen

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gaben Deutsch als ihre Hauptsprache bei der Volkszaehlung von 1880.

Kosyk sagt dass seine zunehmende Taubheit der Grund fuer seinen fruehzeitigen Ruhestand 1913 war. Seine derzeitige Kirche war dieLutherische Erloeserkirche in El Reno, Oklahoma, aber das war schon eine ganz andere Zeit und Umgebung. Es gab nur wenige Deutsche in Oklahoma. Die Mitglider waren aelter und schwindend, und es wurden keine Kinder in die Gemeinde hineingeboren. Der Ort hatte kein Potential, anti-deutsche Gefuehle zeichneten sich am kulturellen Horizont ab, und Kosyk hatte schon andere Dinge imKopf.

Als er im Alter von sechzig Jahren in den Ruhestand eintrat, war seine Frau 62 oder 67 (je nachdem, welches Alter man fuer den Zeitpunkt ihrer Heirat angibt). Sie waren seit 23 Jahren verheiratet und ihr Sohn Juro, der im elterlichen Hause lebte, war 22. In dem er sich in Albion, einem wilden aber schoenem Terrain, niederliesl, gelang es Kosyk wohl die Probleme, die Kirche und Gesellschaft um ihn herum anfielen zu vermeiden. Der erste Weltkrieg sollte ein Jahr spaeter beginnen (16. 7. 1914). Obwohl die Vereinigten Staaten erst 1917 zur Kriegspartei wurden,schwappte eine Welle anti-deutscher Ressentiments ueber das Land,mit denen die Deutschen und generell alle, die sich fremd anhoerten, konfrontiert wurden, im Besonderen die deutschen Lutheraner und Katholiken. Zwischen 1914 und 1917 waren die Lutheraner eher auf der Seite von Deutschland. Die Redakteure dermeisten deutschsprachigen Zeitungen vertraten starke pro-deutscheStellungen.27 Der Druck gegen die lutheranische Haltung wuchs, und die Kirchen und Schulen wurden als Brutstaetten des Verrats betrachtet, die angeblich feindliche, dem Kaiser treue Agenten beherbergen sollten. Die Gouverneure von fuenfzehn Bundesstaaten,inklusive Iowa und Nebraksa, schlugen ein Gesetz vor, um den Deutschunterricht in den Schulen zu stoppen und den religioesen Gebrauch von Deutsch auf das Haeusliche zu beschraenken. TausendeLutheraner verliess deutsch-sprechende Kirchen, um „amerikanischen“ Kirchen beizutreten. Die anti-deutsche Hysterie stieg weiter an und machte es fuer die Pastoren schwierig auf 27 F. C. Luebke: Germans in the New World, S. 2-3.

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Deutsch zu predigen, zu unterrichten oder auf irgendeine Weise ihren Dienst auf Deutsch zu tun. 1917 war der Amerikanisierungsdruck so gross, dass die meisten LutheranischenSynoden (und auch viele andere ethnische Synoden) Englisch in ihren Periodika, Liturgien, Gesangbuechern, und Katechismen, gebrauchten. Dies fuerhte dann zu der Frage, ob die kirchliche Trennung der Synoden, die alle in einem gewissen Masse Englisch benutzten, noch eine Grundlage hatte. Lutheranische Einheit, Zusammenarbeit und oekumenische Teilnahme schienen in Reichweite.28

Man muss sich fragen was Kosyk dessen Englisch nicht allzu gut war, und der im Ruhestand auf einer Farm in den Bergen von Albionlebte, darueber wusste oder sich darum scherte. Vielleicht sah er es kommen und wollte nicht noch einen grossen liguistischen und kulturellen Wechsel in seinem Leben durchmachen.29 Man weiss dass er Geld, manches davon aus Annas Erbe, in Land angelegt hatte, was die Naehe eines Verwalters erforderlich machte. Warumer aber eine so schoene Umgebung auf 360 Hektar unfruchtbarem Land auswaehlte, um dort die letzten 27 Jahre seines Lebens zu verbringen, ist eine interessante Frage.30 Vielleicht war es einZufluchtsort, wo er hoffte, dank seiner finanziellen Resourcen, sich der drohenden Lasten zu entziehen. Trotzdem war es alle andere als der Himmel auf Erden. Innerhalb von zwei Jahren kam Juro tragischerweise durch Ertrinken ums Leben. Es ist moeglich, das Kosyk von da an einige der baeuerlichen Aufgaben uebernahm. Seine Frau kuemmerte sich um die Huehner und Schweine. Ab 1908 wurde er niemehr an einem Treffen der Deutschen Nebraska Synode teilnehmen, weil die Entfernung zu gross war. Wahrscheinlich hatte er auch keinen Gottesdienst mehr besucht, weil es in der Gegend um Albion einfach keine gab. In seinem zehnten Ruhestandsjahr sollten es 24 Jahre sein in denen er keine Gedichte mehr geschrieben hat. Was ging wohl im Kopf eines 28 E. Clifford Nelson: Lutherans in North America, S. 2-9. 29 Vermutlich war sein Englisch grammatikalisch korrekt, aber mit schwerem Akzent gesprochen, und nur wenn noetig benutzt. Vgl. R. H. Dalitz und G. Stone: Mato Kosyk in America.30 In: Minutes of the Nebraska Convention, S. 42, zitiert in R. Dalitz und G. Stone: Mato Kosyk in America, S. 53.

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Kuenstlers vor, der sich fuer so lange Zeit nicht mehr in seinem Medium ausgedrueckt hatte?!

In den letzen Jahren seines Lebens, ueber die so wenig bekannt ist, wird Kosyk von Metsk beschrieben, wie er seinem gruenen Blendschutz, umgeben von Buechern mit zittriger Hand schreibt. Erhatte wieder geheiratet und der Kirche grosse Teile seines Landbesitzes vermacht, um eine jaehrliche Dividende zu erhalten und Steuern zu vermeiden, die hoeher gewesen waeren als das Einkommen aus seinem Landbesitz. Er hatte in Erwaegung gezogen, in die Lausitz zureuck zu kehren, aber sein anderes Land, aus demer Einkommen hatte, war schlecht zu verkaufen.

Am Ende des Ersten Weltkrieges, ermutigt von Briefen aus der Lausitz und nach einem Vierteljahrhundert des Schweigens, riefen die Musen nach ihm. In den folgenden vierzehn Jahren wurde er Beschreibungen seines Lebens in Oklahoma im Kontrast zu den melancholischen Erinnerungen der Vergangenheit verfassen. Es waren lehrsame, religioese Gedichte, die in einem Kirchenkontext haetten Verwendung finden koennen, wenn ein solcher bestanden haette. Es waren auch nachdenkliche Ueberlegungen ueber das kommende Heim, die letzte Ruhestaette.31

ABSCHLIESSENDE GEDANKEN AUS DER NEUEN WELT

Am Schluss dieser Studie ueber den Einfluss der Umgebung auf den Kuenstler, steht ein ebenso bewegendes wie aergerliches Dilemma. Der Autor dieser Zeilen spricht zu Ihnen als jemand, der nur die wenigen in Englisch verfuegbaren Gedichte gelesen hat. Als solcher findet er es faszinierend, darueber nachzudenken, was einLiteraturwissenschaftler auf der Basis der hier vorgestellten Hintergrundrecherchen und zukuenftigen Studien aus einem solchem Thema machen koennte. Leider, solange die Gedichte nicht auf Deutsch oder Englisch uebersetzt sind, wird die Nachtigall nur fuer denjenigen singen, der ihre Sprache spricht.

31 R. Marti: Poetry: The American Periods. In: Mato Kosyk website, 2002.

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Fuer diesen Autor ist es zumindest eine troestende Ueberzeugung, dass Kosyk und alle anderen Kuenstler in dem Kontext verstanden werden wollen, der ihr Denken und Fuehlen bestimmt. Obwohl es demLiteraturwissenchaftler ueberlassen bleibt, durch harte Arbeit Naeheres ueber Kosyks Schriften herauszufinden, kann eine solche Analyze nicht statfinden, ohne diesem amerikanischen, kirchlichenund kulturellen Kontext Rechnung zu tragen. Diese Studie sollte zeigen, dass Kosyk ein risikofreudiger Mensch war, aber sich nicht haette traeumen lassen, was alles auf ihn zukommen sollte. Er hat voreilige Bildungsentscheidungen getroffen, die ihn den Rest seines Lebens im Kaefig gefangen hielten. Er schien mit grossen Augen den seltsamen Wunder der neuen Welt entgegenzutreten, ohne seine enorme Bindung an seine Herkunft undseine Ausbildung abzulegen. Sicherlich, manche Kuenstler treten neuen Umstaenden mit mehr Mut und Agressivitaet gegenueber. Das war Kosyk nicht gegeben. Vielleicht war er nur Beschreibungen undVergleichen und frommen Ueberlegungen geneigt. Vielleicht war er ein vollendeter Realist. Andererseits, ist es den Gedanken wert, das Kosyks emfindsamer Geist so ueberwaeltigt war von den Umstaenden, dass er sich frueh einen ruhigen Zufluchtsort suchte.Zu diesen Umstaenden gehoeren die religioese Diversitaet in der Neuen Welt, deren ureigene Probleme, die familienorientierte Machtverteilung in den Gemeinden, das Fehlen von Hierarchie, die Spannungen zwischen den Generationen, die wechselnden sprarchlichen Erfordernisse und die immer negativere Haltung gegenueber den Deutschen. An seinem Zufluchtsort konnte er schliesslich nach dem Verlust von Frau und Sohn seine Wunden lecken und sich darauf vorbereiten, seinem Schoepfer entgegen zu treten. Vielleicht ist es wahr dass seine charmanten Beschreibungen und sorgfaeltigen Vergleiche reine Fantasieausfluege sind aus einer zu realen Welt, die fuer ihn nicht erfassbar war, in eine surreale Welt seiner Vorstellung. Der dramatische deutsche Exodus aus Europa und die Einwanderungswelle in Amerika kamen und gingen, und mit ihnen Kosyks Sternstunden. Als die zehn Jahre des anfaenglichen Deutschtums in Amerika vorbei waren, zog er sich in die Albioner Huegel zurueck, um seinen Geist zu naehren und ueber das entgueltige Zuhause nach zu denken. Kuenstlerische Charaktere treffen eine Wahl. Leser und Literaturwissenschaftler sollten

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sich keine Gedanken darueber machen, was dabei haette heraus kommen koennen, wenn ein Dichter seine Probleme aggressiver angegangen waere. Wenn alles gesagt und getan ist, ist es am besten, die wilde Rose schaetzen zu lernen, die vielleicht nicht stark duftet, aber subtilere Farbschattierungen hat, als sie auchder empfindlichste Mensch je wird wahr nehmen koennen.32

(Mein besonderer Dank gilt Till Richter, Doktorand an der University of Texas fuerdie Uebersetzung dieses Textes ins Deutsche. )

32 Kosyk schrieb an Bogumil Swjela als Erklaerung fuer die Entscheidung, keine Autobiographie zu schreiben: “Wilde Rosen bluehen denn auch, aber sie duften nicht.” F. Metsk: Biographische Bilder, S. 106.

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