–(2014) Rassifizierte Subjekte und die Sprache der Toleranz. Die Deutsche Islamkonferenz (DIK) und...

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2 LU IS M A N U E L HE AND EZ AGUILAR Rassi fizierte Subjekte und die Sprache der To le ran z Die Deutsche Islam KonIerenz und die Institutionalisierung des Islam in Deutschland 1 .T oleranz ist zunachst Mildtatigkei). Eine christliche Mildtiitigkeit also, auch dann , wenn [ud en oder Muslime diese Spracheanzunehmen scheinen. Toleranz steht immer auf der Scite der ,Verll/mft des Starkeren' , sic ist ein zusiitzliches Zeichen der Souveranitdt; sic ist das gute Gesicht der Souveranitiit, die von oben herab dem anderen bed eutet: l ch lasse dich leben, du bist nicht unertraglich, ich lasse dir eiflen Platz bei mit, aber vcrgiss uicht, ich bin bei mtr z u Hause." Jacques Derrida/ Dieser Beitrag setzt sich mit de rn Begri ff der Toler an z, seine n ve rschi ede n en Bedeutun gen, seinen Gebrauchsweisen un d seiner politischen lnstrurnentali- ierung du rch die Deutsche Islam Konferenz (DIK) auseinander, Zunachst wird herausgearbeitet, wie mittels Melaphern und anderen sprachlichen Bildern diskursiv zwischen Muslirnen - "den Anderen" - und der definierten gesell- ..chaftlichen Mehrheit - "den Dcutschen" - als zwei uuvereinbarcn Gruppen hzw. Kulturen unterschieden wird. Politische Debatten verwend en zahlreiche Reprasentationsforrnen, wie etwa die Rede von del' "Integration", die die Existenz ein er homogenen, mo nok ulturellen gesellschaftlichen Einhe it implizieren und zugleich verschleiern. Gleichzeitig wird davon ausgegangen, dass Parallelgesell- schaften existieren, die genau diese imagiuare Ei nbe it und Sicherheit des gesell- chaftlichen Organisrnus bedrohen. Dar uber hinaus zielen diese Disk urss trange Der vorhegende Beitrag basier t auf rneinern Promoti onsprojckr zurn Th erna .J slamo- phobie, Neo-Rassismus oder einfach nur Rassrsmu s? Ei ne kr it ische Diskursanalyse del' Repr asentation des .Muslimen' in del' Dcutschen Islam Kon lercnz und in den Print mcdicn", Gesprach von Giovanna Borr ador i mit Jacques Derrida kurz nach dem 11. Sept emb er, in : Iurgen Habermas/Iacques Derrida, Philosophie in Zeiten des Terrors. Zwei Cesprache, gefuhrt, eingeleiret und kommentiert von Giovann a Borradori. Au. dern Englischen und Franz osischen ubersetzt von Ulrich Muller-Schell. Berlin/ Wicn 2004. S. 168.

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L U IS M A N U E L HE A N D EZ A G U I L A R

Rassifizierte Subjekte unddie Sprache der Toleranz

Die Deutsche Islam KonIerenz und die Ins titutionalisierung des Islam in Deutschland 1

.Toleranz ist zunachst Mildtatigkei). Eine christliche Mildtiitigkeit also, auch

dann , wenn [ud en oder M uslim e diese Sprache anzunehm en scheinen. Toleranz

steht immer aufder Scite der ,Verll/mf t des Starkeren' , sic ist ein zusiitzliches

Zeichen der Souveranitdt; sic ist das gute Gesicht der Souveranitiit, die von oben

herab dem anderen bedeutet: l ch lasse dich leben, du bist nicht unertraglich, ich

lasse dir eiflen Platz bei mit, aber vcrgiss uicht, ich bin bei mtr zu Hause."

Jacques Derrida/

Dieser Beitr ag setz t sich mit de rn Begri ff der Toler an z, seine n ve rschi eden en

Bedeutungen , seinen Gebrauchsweisen un d seiner politischen l nstr urn en tali­

ieru ng du rch d ie Deutsche Islam Konferen z (DIK) ausein ander, Zunachs t wird

herausgear beitet, wie m ittels Melaphern und an deren sprachl ichen Bildern

disk ursiv zwischen Musli rnen - "den Anderen" - und der defin ier ten gesell­

..chaftlichen Meh rheit - "den Dc utsc hen" - als zwei u uvereinba rcn G ruppen

hzw. Ku lturen u nterschieden wird . Politische De bat ten ver wenden zahlreiche

Repr asen tationsforrn en, wie e twa d ie Rede von del' "Int egrat ion", die d ie Ex istenz

einer homogenen, mo nokul tu rel len gesellschaftl ichen Einheit implizieren und

zugleich vers chleiern . Gleichzeitig wir d davon ausgegangen, dass Parallelgesell­

schaften existieren, d ie genau d iese im agiuare Einbeit und Sicherheit des gesell­

chaftlichen O rgan isrnus bed rohen . Daruber hin aus zielen diese D isk ursstran ge

Der vorhegende Beitrag basier t auf rneinern Promotionsproj ckr zurn Th erna .Jslamo­

ph ob ie, Neo -Rassismus ode r einfach nur Rassrsmu s? Ei ne kr it isch e Di skursana lyse

del' Repr asen tat ion de s .M uslimen' in del' Dc utschen Islam Kon le rcn z und in den

Print mcdic n",

Gesp rac h von Giovanna Borrador i mit Jacques Derrida kurz n ach dem 11. September, in :

Iurgen Ha bermas/ Iacques Derrida, Ph ilosophie in Zeiten des Terro rs. Zwei C esprache ,

gefu hr t, eingeleiret und kom mentiert von Giovann a Borr ad ori. Au. dern Englischen und

Franz osischen uberset zt von Ulrich Muller-Sche ll. Berlin/ Wicn 2004. S. 168.

266 Luis Ma nuel Hernandez Aguilar

politi ch auf eine Um form ung de r "mll lim ischen" Subjektposi tion en, di e als

(noch) nicht kompatibel mit de r sogenan nten I eitk ultu r angeseben werden.:' Im

Ansch luss daran steht d ie Annah rne, class durch einen disku rsiven Prozess der

subtilen rassisti chen S ereoty pi ierung Unterschi de produzier t un d klas ifiziert

werd en , die in sbe ondere au f al: "m u lim isch" markierte Indi idue n und Bevel­

kcrungen angewandt werd en. H ierbe i r ichter si h der Fokus auf die Arbeit der

Deut chen Islam Konferenz (DIK), die als biopolitische In st ituti 0 auf die egu­

lier ung und Kontro lle eines Tells der deutschen Bevolk erung hinarbeitet. D bei

wird d i kursiv eine rassistische Zasur geschaffen, d . h. die nwe enheit von Mus­

lirnen wird, basierend auf einer lang en Tradition von Stereoty isierungen, als

Br uch in der Z I ammense tzu ng der deutschen Bevolkeru ng dargestellt. Mu slirne

werden zuru inner n Fein erk lart, was sodann ein aktives Eingreifen des Staates

zum Schu z der irnagi naren nationalen Gemeins chaft erforderlich machr, So soli

der Zus am men b ng zwischen Orien tal rnus als rassi tis hem Disk urs einer eits

und dem Prozess der Etablieruug eines inst itutionalisierten Set t ings, der I ,

an dererseits beleu htet w rde n."

Urn diesen Zusammenhang zu verdeu rlichen, wird zun achst die Einbe­

rufung der DIK in den Kontext einge ordnet . Dafur sollen die Struktur der D IK,

ih re Aufga en und Arbeitsweisen ski zziert und schliefslich der Zusam me nbang

zwischen der GrUnclung der In sti tution und der .Problernatisler ng" de r rnus­

lim ischen Prasenz in D utsch land und dem Prozess der rassistischen Stereotypi­

sierung iskutie rt verden. Michel Fouc au lt und Ann L. Stoler folgend, verst ehe

i h Rassismus Is d iskursi e Bricolage, als einen unabgeschlossenen Prozess, in

dern sich ein alter Di kur s des Rassism us in neuen ormen und neuen Aussagen

reaktlviert , verander t und nell eran kert, Ra sismus wird 0 als dynarnisches

3 Worter wie "Muslime" , "Islam" lind .Kultur" set ze ich in Autu hrungszeichen, urn zu un­

ter st reich en, dass wir es hier m il der d i kursiven Reprasentati on soleher Katego rien zu

lun hab en. So versuche ich jeden on tologi chen Cha rak ter aufzuheben. Ich in teressiere

rn i h fur die Art und Weise. in der ene Iisierungen konstru ier t, geformt und dan n zur

Kategorie gemacht werden. Diesc sind bedeut sarn fur da s Vers tehen und Klassifizieren

von Menschen und menschlichen Vcrha ltensweisen. Der vorliegende Beitrag uruersuch t

d ie Repr asentation on in Deu tschland lebend cn " Musli men" und kon zentriert sich auf

den Zeitr aum von 200 6 bis 2012. Oberd ies sind nicht al le Men sch en , die unr er d iescm

Terrninu zusam mengcfasst werden , Muslirne. Auch die Gruppe der jenigen, d ie sich a is

"Muslime·' bezeichnen, ist sehr heterogen.

4 Michel Foucau lt- defin ler t iopolit ik als Machtrnechanisrnus, der d ie Kontrolle und die

R gulation J er Bevol ("r un g Ien kt. Biopoli tik um fasst auch di e Kontrolle der Beziehung

zwischen den men sch lid en .Rassen". Vgl. Michel Foucault, Society mu st be defende d,

ew ork 1997; ders., Security, Territory, Population, New York 2007; ders. , The Birth of

Biopo litics , ew York 2008.

Rnssifizierte Subjekte II lld die Sprache der Toleranz 267

Konzept begriffen, das unterschiedliche historische Auspragungen und Formen hat.s Zuletzt werde ich auf das Verhaltni s zwischen der longue duree und der Ras­

sisierung von Muslimen im spezifischen Kontext der "Sprache der Toleranz" der

DIK ein gehen. Wle De rrida verd eutlicht, ist das Konzept der Toleranz urn einiges

komplexer als das - positiv konnotierte - der Koexisten z. Tatsachlich gehen di

religiosen und biologischen Ursprunge des Toleran zkonzepts mit Macht einher,

der Macht derer, die tolerieren konnen.f Darnit ist Toleranz ein Gegens tand der

Machthabenden - etwas, das "der andere" nicht besitzt. In diesem Sinne produ­

ziert die Anwendung von Toleranz Unterschiede un d eine H ierarchie zwischen

den zu Unterscheidenden.

Die Deutsche Islam Konferenz

Die Grundun g der DIK muss . wie der Islamwissenschaftler Frank Peter gezeigt

hat, vor dem Hintergrund eines veran derten Umga ngs mit der Integration von

Muslimen in der deutschen Politik , der insti tutionellen Ink orporation des Islarns,

verstanden werden. Das Besondere an der Konstituierung der DIK ist, dass die

Regierung mit ihr den Islam als Tell von Deutschland offi ziell anerkann te, ein

Aspekt, der bis dah in groBtenteils vern achlassigt bzw. uberaus polemisch behan­

delt worden und um stritte n war. Peter betont, dass die DIK trotzdem noch imrner

den gleichen Denkmustern folgt , die schon in den 1970er-Jahren die deutsche

Politik besti rnrnten, etwa "its refu sal to consider migrants as a nat ural part of the

population'?

5 Foucault, Society m ust be defended ; Ann 1. Stoler, Race and the Ed ucation of Desire.

Foucault 's Histor y uf Sexuality an d th e Colonial O rder of Th ings, Durham/L ondon

1995.

6 Jacq ues Derr ida dekon struicr t das Kon zept der Toler anz : Ers tens an a lysier t er di e religio­sen Wu rzeln der Toleranz im Ch risten tum . zweitens untersuch t er die biologischen Kon ­

notat ionen, di e in der poli tischen Debat te in l-ra nk reich auf M igra nten bezogen wurden:

"In Fra nce, the phr ase ' th reshold of tolerance ' wa s u sed to descr ibe the Iimi t beyond whi ch

it is no longer dec ent to ask a nati onal com m unity to welco m e a ny more for eigners, immi ­

grant workers, and th e like [.. .J. But the word 'tolerance' t here ra n lip agains t its li m it; we

accept th e fore igner, the other, the fore ign body up to a cer tain poin t, and so n ot witho ut

res triction s. Toler anc e is a cond itional, circumspect, car eful hospitality". Derrida , Autu­

immunity; Real and Sym boli c Suici des, S. 128.

7 Frank Peter, Welc oming Musli ms into t he Nation. Toleran ce, Poli t ics and Int egration in

Germ an y, in; Jocelyne Cesari (Hrsg.), Mu sli ms in the West Alt er 9/11. Religion, Poli t ics

a nd Law, London 2010, S. 119-144, hier S. 122.

26R Luis al lll el Hernandez Aguilar

cit der Grundung del' IK ist del' Di skurssrrang libel' die Zugehorigkeit des

.J slam s" und del' "Mllsl ime" zu Deuts hland vorherrschend, Entweder b sta­

tigen Regierungs ert reter in ih reri Reden, d· s d I' "T lam" und die "Muslime" in Deutschland ein en PI tz hatten , oder sie kniipf n diesen Platz an Bedingun­

gen,oder ie erweig rn Ihnen die en mit dern erweis auf historisehe Gru nde.

In einem Intervie aufs erte sich d I' Ini tiator der Islam-Konfer nz, Wolfgang

Schauble, wie foigt zu dieser Frage: .Dcr Islam ist Teil Deutschlands und Teil

Europ as, er ist Teil u nserer Geg enwa rt und er ist Teil unserer Zuk unft. Mu lim

sind in eut chland willkommen. Sie sollen ihr T lente cntfalten un d sie sollen

unser Land it weiter voranbringen".s

Ah nlich d ruckte sich del' darn alige Bund sprasi cnt hristian Wulfr in sei­

ner Rede zum 20. Iah r tag der Deuts chen Einheit au : "Abel' del' Islam gehort

inzwischen auch zu Deutschland."? er arntierende Bunde prasident Joachim

iauck distanziert e sich zwar zunach t on der Einschatzung seines Vorgangers ­

die en Satz Ronne er so nicht ubernehrnen, I diglieh seine Intention anne hrnen - ,

um scdaru zu erklarcn: "lc h harte einfach gesagt, ie Muslime, die hier leben, gehoren zu eutschland."" Innenrni n i ter Ham -Peter Friedrich wider prach del'

Au sa e Wulffs auf einer Pressekon terenz kurz n ch seinem Arntsanrritt: .Dass

der I lam zu Deutschland gehcrt, i. t eine Tatsache, d ic sich auch aus del' l Iistor ie nirgends belegen lasst." I

Anlasslich del' Gr undung del' DIK agte der damalige Innenrn ir ister Wolf­

gang Schauble, del' d ie Konferenz am 27. Sept rnber 2006 in einer Rede auf de l'

54. Sitzung des Deur: chen Bundestage . in Leben rief:

8 Wolfgang Schauble. Reg ieru ngserk la rung zu r Deutschen I slam konfereriz: 28. cpternber

2006.

9 Bu nd esprasidcntChr istian Wulff,Rede ZlIJ11 2U. Iah restugde r Deutschen Einheit.hrtp.z/www, bund sp racsidcnt .del iha red Oocs/ Red en/ DEICh r istia 11-Wu Iffl Reden/ 20I0/10/20 I01003_

Rede.htm l (3. I l. 2013); vgl. auch Siob ha n Do l ing, Should Muslims Be Treated on an Equal

Footi ng' , it . Sp iegel On line, 8. 10. 2010, h ttp:// www spieg d. dcl ink rn ationa llgerma ny/t be­

worid -from-berl i n-shouId -musliIII s-be -t reaIed -on-a n-cqual-1'00 ting-a-7220 65.htrn1 (3. 12.

2013).

10 Ga uck ruckt von Positio ne n Merk els u nd WlIIffs abo in : Zeit Online, 31. 5. 2012, http://

www zeit.d e/ olit ik /d euts ' hIa nd / 2012-0S/bu ndesprac:sident-gauck-in lerv iew (2. I!. 20 13);

vgl. auch Bernhard.Za 11d, A Mecca in Eu rope W h Isla m Is an Integral Part of Ger m a ny,

in : Spiegel Online, 8. 6. 2012, hll p:llw ww.spiegel.de/ internation allger m an y/ger l11 an-po liti ­

c ian s-weiuh -in -on-i lam-s-rol e-in -germa n '· <). -83756 .htrnl (2. I!. 2013).

1l Zit iert nach o Fur Fried r ich geho rt del' Isla m nicht zu Deuts chl a nd. in: Zei t O nline,

3. 3. 20 II , http :// w\\'w.zeit defpo lit ikfdeutsch la nd/20! 1-03/innenm in isler'- isla rn-fr ied r 'ch

(3. 11. 2013); vgl. auch Jess Smce, A Lesson from th e Right -Wing Populist s' Book. in : Sp ie­

gel Online, 7.3 . 2011, ht l p : llwww.~pic gel.d elil1tern ationa l /germa l1 y/the-wo rld- from-ber­

lin-a-lesson -from -the - righ t-w ing ]1opuli sts -boo k-a-749449.htm l (2. 11. 2013).

R(1 .i'<I/iz ierle Suil)ekf,· uud die Spruche der lolrranz 269

"vill Perspek tiven fu r die gerneinsarne Zukun ft zu sch affe n , mussen wir

versuchen , di e Prob lem e zu Ibsen, di e das Zusam rnen leben m it Muslimei in uns crern La nd belasten: Religionsuntcr r icht in Koran schulen und a n

staatlichen Schulen, Kopftuch, Jmam ausbild ung, d ie Rolle del' Frauen lind

Mad chen, das Scha chten - um our ein paa r Stichworte zu ne n nen . Nicht

nur der Bu ndesregierung bereite t d ie hohe Ar beitslosigkeit in sbesondere der

Mus lime der zweiten und d r it ten Gene ration , ha ufig als Folge eines zu n ied­

rigen Q ualifikat ionsn iveaus, Sorge. Nebe n solchen AJltag sproblem en fu hrt

de r islami stische Terr or zu Angsten und Argwoh n in del' Bevolkeru ng , Viele

M uslim e findcn sich zu Unrecht unter eiu cn Gene ra lverdacht gesteIlt , ausge­

grenzt und n icht vall in di e deutsche Gesellschaft all fgeno rnm en".l1

Schauble erk lart also, dass die Grundung de r DIl< vor dern H in tergrund

einer Probl em atisie.r ung von " Mu slim en" in De uts ch la nd zu sehen ist. Die ange­

sp rochenen Fragen sind recht breit und reichen von Bild ung bis hm 7.U natio­

naler Sicherheit . Was der da rnalige lnnen rnin ister d am it letztend lich impliziert ,

ist , dass d ie Koe xistenz von .Deutsch en" und ..M usli rnen" zu Komplikatione n

fu h re. An di eser Stelle wird schon di e Essent ialisier ung - d. h. d ie Festsch reibu ng

de s Anderen auf seine Andersart igkeit bzw. des Eigene n au f sein e u rspru ngl ich c

We sen heit (Essenz) , wobe i in nere D ifferen zen nivel lier t werde n - von zwei koha ­

ren ten Gruppen deutlich , die eine wird du rch Religion ko nstr u ier t u nd die andere

durch N ation ali tat . Selbs t wen n der Disku rs auc h den Anteil des Staates lin d der

Meh rheitsbevolkeru ng th ernatisier t , wie d as M isstr auen gegenuber "Musli men"

un d deren hohe Arbe itslosigke it , wird ihnen doch d ie Ha up tverantwortung ange­

lastet un d d am it Voru rteilen tiber di e "musli m ische" Prasenz in Deutschland

Vo rschub geleister ,

In d iesem Sin ne ist d ie Grundung de r D I K vor de rn H inte rgru nd de r Pro ­

blem atisier ung von M igr ation - insbesondere yon "Muslimen" in D eutschland ­

und so im Kontext der gegenwar tigen D iskussion tiber Einwander ung und In te­

gr at ion zu sehen, Diese wurde in den letzten zwei Iah ren besonders von der soge­

nann ten Sar razin-D ebat te befeuer t, in de r Vorur te ile gegenuber "Muslimen" un d

an deren Minderheiten offen debat t iert wu rden . Andere Beispiele sind D ebatt en

uber das Tragen von Kopft uchern , uber de n Bau vo n Moscheen sowie d ie Gefah r

ftir d ie Demok rat ie, die von dern islamischen Fu ndamentalismus un d Terror is­

runs ausgehe. D iese Debau en d ienen irn mer auch d azu, den Platz und di e SteJlu ng

12 Wolfgang Schauble, "Deutsche Islam Kon fer enz - Pcr spek tiven fu r cine gcm clIlsame

Zuku n tt '', h ttpJ /w ww.brn i.bund. dclSh ared DocsfReden/DEf2006f09/ bm_ btJcgieru11gS­

erklacrung_ztJr_ isb m kon fcrcnz.htm J (2. II. 2013).

270 Luis Manuel Hernandez Agu ilar

des "lslam s" in Deutschla nd zu erortern und in laufende Deba ten urn eutsch­

land als Eim nder ungsgesell chart ode r das Scheitern der Integration un d de

Multikultu ra lism us inzugreifen,

In diesem Kont x t ist d ie Dl als pr ivilegierte , herausgehoben und zudem

offizielle Insti tution zu I etrachten , die dazu dient, mit "Muslimen" im Land umzu­

gehen, si zu ana lysieren und Ma fsnahmen fur del Umgang m it Ih nen auszuar­

beiten, die groflen Einfluss auf Bereiche wie (religiose) Erziehung, Stadtplanu ng

und icherheit h aben. Darnit iSI die DfK richt ungsweisend in del' Produktion de

Diskurses uber "MusH! e" in Deutschland . Sie ist seit ihr r Gr lindun g di fuh­rende In titution, die es de m Staal errn oglicht, uber, fur und mit "Muslim en" zu

spreche n. Da ruber h inaus wi rd sic als r t des Dial og pra entier t.P Dieser Dialog

ist jedoch begrenzt un d finder unter besti mten Bed in gungen star t. So in d ie

von del'DIK aufgegriffenen Themen weitge hen d vorgegeben und durch d ie gegen ­

war tig Problemat isier ung d r .musllmischen" Migran ten beein tl sst: Integra­

tion, Pravention cines islamischen Antisemitismu , Bekarn pfung patr iarchaler

St ru kturen, Them atisier ung de ' Einflusses des Islam auf die Unte dru ckung der

Frauen. Demnach begin nt del' von der DIK geleitete Dialog m it einer Rcihe von

An na hrnen - or ient al ist is hen Stereotypen - uber , Ius lime", d ie als einhe itl iche

Gruppe darge tellt werden . Dies wird weder von Regieru ngsvertretern noch von

Teilnehrn ern der Konf renz kritisier t.

D ie UIK als In stitution -versuch t auch fest zulegen, wer fur wen sprechen

da d . wom it ie du rch d ie Herstel lung von .Jegitlrnte rteu Exp r tenpo sitionen"

im Sin ne Gayatri Chak ravort y Spivaks eine Polit ik der Reprasentation betreibt."

Kurz: ie DIK ist die S hlusselinstitunon im d uts chen Staat fur den Urn ang

mit "M uslim en".

Der offiziellen Definition n ach wurde die DIK als ..d ie erste gesarntstaat liche

Reakt ion, also Bund, Lan der un Kom munen umfas end, auf die his tor isch reI ti

junge Pra s nz von Muslirnen als releva nte Bevolkerungsgru ppe in Deutschland

" gegrunde t.l' Einer ihrer Schwerp unkte ist es, auf untersch iedlic hen Ebenen als

For um fur Dialog, erhan dlu ngen und Austausch zwischen Y, rtretern der rnus­

lim ische n Gemei ndcn und des deut schen Staates zu wir ken. Ziel des Austaus h s

sei es, "den ial g zwische n Staat un d Muslimen zu verb es ern und somit einen

Beitr ag fu r d ie gesellscha ftliche und religionsrech tliche In egr ation der Muslime

13 DJ " Was ist die Deutsche Islam Konferenzr, 27. 12. 2012, h ttp://ww w.deutsche-islam­

konferenz.de/DlKr E/DIK/ UeberDI K/Waslst DIK/wasistd ik-node.htm l (3.12. 2012).

14 Gayat r: Cha ravor tv ivak , an the ub alt em Speak ], in : Patrick Will iam sfLaura Chri s­

m an (Hrsg.), Colon ia l i cour . an d Post-col onial Theor y. A Reader, N \ York 1994,

S. 66-111.

15 Dl k -Redaku on, Was bit di e Deutsch e Islam Kon ferenz ?

Rassift zierte Sul1jekte und die Sprachc der Ioleranz 271

nd den gesellscha ftlichen Zusam menhalt in Deutschland zu leisten sowie gesell ­

schaftlicher Pola ris at ion und Segregat ion entgegenzuwi rken"."

Die Entwicklu ng de r Konferenz w ird haupt sach lich durch d ie jahrlich statt ­

findenden Plenarsitzungen besti rnmt. Bislan g fanden ach t solcher Sitzungen start,

di e auf ein greBes offeutl iches u nd mediales In teresse st ieBen . Daneben gab es

versch iedene Wo rkshops un d Syrnp osien, die sich mit unte rsch iedl ich en Themen

besch aft igren , sci es di e Ein filh ru ng von Islamkursen an offentl iche n Schulen ,

Muslim en am Arbeits platz oder die Gesc hlech tergleichheit.

D ie Ent wick lung der DLK lass t sich in lwei Phasen ein te ilen: Die erste Phase

(2006 his 2010) diente del' Vorbereitun g. Die zweite Phase , die bis heute an dau­

err, ist du rch den Fok us au f d ie Praxis, die Imp lement ierung der E rgebnis se der

ersten Phase, gekennzei chnet. Die Arbeit der DIK in der erste n Phase er folgte

wiederu rn in zwei Schritt en . Erstens wurden die sch on angesprochenen Plenar­

sitz un gen durchgefuhrt, in denen d ie Grun dzuge des Prozesses festgelegt und

Empfehlu ngen tiber Arbeitsgruppen au sgesp rochen w urden. Diese Arbeirsgrup ­

pen fokussier ten sich au f spezifischere Themen u nd Dilemmata und formulierten

Zwlschenergebnisse. Irn zwei ten Schritt anderte die DIK ih ren Mo dus Operandi;

d ie jahrlichen Plenarsitzu ngen blieben , aber die Arbeitsgruppen wurden durch eine Task Force ersetzt, die sich nun hau figer, narn lich alle zwei Mo nate, tra f.

Diese Task Forc e unterscheidet sich vo n den fruheren Arbeits gr uppen durch eine

hoh e Elexibilitat ihrer Arbeitsweise , in Bezug auf d ie ausge wahlten Themen sowie

im Hi nb lick auf den engeren Kon tak t zu Entscheidu ngstragern und den da mit

verbu nde ne n gro f5eren Einflussm cglichkeiten .

Der Schwerpu nkt wu rde also auf d ie Umse tzung del' Maflna hmen LInd Emp­

fehl ungcn au s der ersten Pha se der DIK ver lagert. Die Hauptthernen dcr Kon ­

ferenz bl ieben jedoch die d rei Schlusselg ebiete : Verbesserun g der in stit ut ionel­

len Koop erat ion und In tegratio n, Forder un g von Ges chlechtergerechti gkeit lind

Abweh r von Extremismus , Radikalisierung un d sozia ler Polarisation . In d iesem

Zusam menhang reprasen tier t die Task Force auch einen Wan del im Cha rakter

del' Kon ferenz .

Im Folgen den soli gezeigt wer den, dass jedes der Schl usselgebiete, mi t denen

sich d ie Konferenz beschaftig t, m it eine r der ver schi edenen Dimensionen der

gegenwiirtigen Rassisierung von "Muslimen" in De uts chl and in Verbind ung

geb rac ht werden kan n.

16 Ebenda.

272 Luis Manuel Hernandez Aguilar

Rassismus, Islamophobie und Stereotypisierung von Muslimen

I rn letzten Jahrzehnt hab en ver chi de ne lnsti tut ionen sowie W issen ch aft lerin­

nen und W issenschaft ler innerh alb un Ju .Gerhalb Deutsch lands fes t estellt, class

st reot yp e Darstellungen yon "m uslim ischen" M ig ra nt in nen und M ig ran ten, d ie

in europaischen Stad te n leben, \ eit verbreit t sind u nd dass E inwanderu ng in

Integral ions - bz . A si rn ilat ionsdebatten stets als P rob lem diskutiert wird . D i se

Feindsel igkeit gegentiber "Muslime n" kari n in eine umfassendere D iskus sion

tiber Verander ungen de s gegenwarti gen Rassism us eingeord net werden , wob ei

in sbe sondere ein Wa ndel hin zu Y, rur t ilen , di e au f k u ltur llen Untersch ie len

ba sicren , bet nt wird . So sind Begr iffe wi ew Racism, kul t ureUer Rass ism us,

Neorassism us, assism us oh ne Ras en, D ogma-line Ras ismus oder X no -Ra ­

sism us entstan den , urn d n Obergang von de r biologis h n Argum enta t ion h in

zu ei ner kul tu rellen zu besch reiberi. Ind ividuen u nd Grupp en werden n ieh t meh r

. ussch liefshch au fgru nd ih r r ph anotypisch en Erscheinungen (z. B. aufgr u nd

von Haut , H aaren oder Knochen) rassi iert, sondern durch ih re Zugehorigkeit zu

bestirnrnten .Ku lturen", di e a ls gesch l se ne Entitaten da rgesiellt werden.' ?

In den 1990 er-Jah ren ub ernahrnen un d ve rb reiteten ozia lwiss en sch aftler,

antirassistisch e NGOs un d der Runnymede rust , ein renom mierter br iti scher

Th in k Tan k, d n Begriff ~ l s l amoph ob i e". essen Defin it ion des Begr iifs ging

1997 in den vorn d amaligen bn t ische l nn enrn in ister Jack Str aw vo rgestellten

Ber icht lslamophobia: a challengefor us all ein und wu rd vorn European Monito­

ring Centre orl Racism and Xenophobia (f UM e ) ubernommen." och wicht iger

17 Vgl. M a rt in Bark r. b e 'lew Rac ism: Cons e vat ives an d th e Ide ology of the Tribe, Lo n­

do n 19R1 und Center fo r Con tem pora ry Cult u ral Studi es, The Em pire Str ikes Bac k.

Race an d Racism in 70s Br ita in , Lond on 1982. Vgl. zurn Beg riff k ultu reller Rassisrnus:

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1991, zu Ne orasstsm us: Etien ne Baliba r/ l rnrna n uel Wall rst ein , Rasse - Klasse - ation .

Ambi va len te Idcn tita ten , Ham bu rg u. a. 1990 . ZtI .R asstsm us ohne Ras en": Stuart H all,

Race, Ar ticu lation, and Soc iet ies Str uct ured in om ina n..e, in: _ [ SCa, Soc iolo gical

The o ries: Race and Colon ial ism, Pa ri s 19RO, S. 306- 345 und Stuar t H all, zu Rassisrn us

a ls ideologisch er Disku rs, in: Nora Rath zel (Hrsg.), Theo ri n ub er Rassism us, H amb urg

2000, S. 7-16 . zu m Dog m a-line Rassisrn us: Lee ro rn Medo vo i, Do gm a-Lin e Raci sm : Isla­

mophobia a nd the Seco nd Ax is of Race, In: Soc ial Text 30 (2012) 2, S. 43 - 74, zurn Xerio­

Rassism us: Liz Feke te, The Emergence of Xeno-Racis rn, in: Race & Class 43 (2001) 2,

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47 (200 6) 3, S. 1- 8

18 gl. lochen M uller, Di e Islam ophobie und was sie vo rn ntise rnit ismus untersch eidet. An­

rnerkungen zu eine rn Verg ieich, in: Bun desz nt ra le fur po Jit ische Bild mg, Dos sier Anti­

sern it ism us, http://www.bpb .de/p oliti k/ex tr ern ism us/antisemitism us/37969/a nri sem iti ­

Rassijizierte Subi ekte und dieSprache der Toleranz 273

wu rde di eser Begr iIf na ch den A nsch lagen des 11. Septembers 2001 - nun nicht

me hr vorrangig in der W issens chaft , sondcr n auch in de n Med ien u nd de r Poli­

11­ tik . 1m akadem ischen Kon text wurde das Konzept als Ideologie aufgefasst, d ie

SS tiber de n kulturellen Rassisrn us h in ausgeh t: So wurde hervorgehoben, da ss der

lie Kern der Islamopbobie in der Vors tellung bes teh e, dass der Islam als We lt­

in anschauu ng un d Religio n nicht m il den wesi lichen Wer ten und der westlichen

se Kult ur zu vereinbaren sei. Folglich w ird der Islam als ein Problcmfall in d er

)J1 westlichen Gesellschaft bet racht et.!? Der Terminus wurde ferner verwendet, u rn

ei den zunehrnenden Rech tspopu lismus in Os terreic h ode r aber den Kri eg gegen

~n den Terror zu an alysieren. Islamop hobie wurde ebenso aus der Persp ekt ive der

IS, Welts ystern-Theorie un tersu cht, wie auch m it ein er kultur al ist ischen For m von

s­ Rassismus sowie mi t O rient ali srnus in Verbindn ng gebracht.i" In teressante rwe ise

in w ird der Begr iff in den deutschen Mc dien und in der DI K seh r haufig verwendet.

11" Insgesamt sin d in der wissenschaft lichen De batte zwei grundlegende Ansatz e

Id hi nsichllich der gegenwar tigen Problematisi erung VOn M uslimen u nd der Feind ­

~ ,U eligkeit gegenuber Muslirnen zu identifizieren: Der erste postuliert Ra ssismus in

.r, m us-und- islum oph obicjp -eall (3. 1 2 ~ 10 1:\); Ru n ny mede Tr us t. Isla mophobia: a challe nge

er fo r us a ll , London 1997.

19 19 Mat ti Bunzl, An ti-Sem it ism an d Islamophobia. H at red s Old and New m Eur ope, Chicago :n 2007.

J - 20 VgJ. Far id Hafcz, Islamoph ober Popul ism u s. Mosc hee- und M inaret tbauverbote os rer­

~r reichischer I'arlamen tspa r te ien , W ien 2009. Fu r d ie Disku ssion uber den Kr ieg gegen

d en Terror \'5 1. Jocelyn e Cesa r: (H rsg.), M uslims in th e We st after 9111. Rel igion, Polites

and Law, London 2010: Liz Fekete, A nt i-M uslim Raci sm and the Eu ropean Sec ur ity 'sta ­,. le, in : Haec & Class 46 (2004) I, S. 3- 29; Fa rish Noor, Ho w Wash ing to n 's "Wa r on l cr

k. Tor" Becam e Ever yone's: Isla rn op h obia a nd th e Impact of September lI on th e Politi cal

s: Terr ai n of Sout h an d Sou theast Asia, in : HU111an A rchitect ure : Jou rn al of th e Soc iology

IS of Self-Knowledge 8 (2006), S. 29- 50; Yasemin Shooman / Rie m Sp ielhaus, The concep t

11. ( th e M uslim en emy in th e public di sco u rse , in: Cesar i (H rsg.), Mus lim s in the West

I. afi er 9/ 11, S. 1'lil-229; Lorr ai ne Sher ida n. ls larnophobia pre- and post-Sept em ber 11th,

al 200J, in : [o ur nal of In terpe rson al Violence 21 (2006), S. 317- 336. Z ur Isla mop ho hie au s

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'g and C olon ial Soc ial Scien ce s, in : Hu m an Arch itectu re : Jour nal of th e Sociology of Self­

Know ledge 8 (2010) 2, S. 29- 38; Er ic Mi ela nt s/Ramon Grosfog uel, The Lo ng-Du ree Ent­

t· anglement Between Islam ophobia and Raci sm in the Mo dern /Colonia l Cap ita list / Pat r i­

? ar chal W orld-System . An Introd uction , in: Hu man Arch itect ure: Journ al at t he Sociology

of Sel f-Knowled ge I (2006), S. 1- 12. Zu Isla rnophobi e als ku lt urcl lern Rassisrn us: P ni na

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A nt hropology To da y 21 (2005) S. 5-9. Z u ls lamop hobie als Orientali srn us vg l. E rik Bleic h,

W hat is Islamophobia an d ho w m uch is th ere? Th eor izin g and Mea sur ing an Em erging

Compa rat ive Co ncep t , in: Amer ica n Beha vioral Scient is t 55 (20J1) 12, S. 1581- 1600 .

274 Luis Manuel HernandezAguilar

sein er ku lt ure llen Form, der zweite h ins ichtlich der Isla mophobie. Iedoch w rden

Konstruktionen on R sse schon immer m it Kultur, "Hautfa rbe" und Relig ion in

Verbindung gebracht ."

Der Terminus Islam ph bie wird aus verschi den en Perspekuve n krit isier t.P

wobei u. a. seine Ungenaui gkeit und begrenzte Reichwe ite rhernati iert wer den ,

cia er sich haup t achlich auf Religio n bezieh un d - wle der W r tbau l in phobia ausdruckt - m it einer rnenta len Krank heit asso ziiert werden kon ne.P An die ­

ser Stelle soli Jedoch nicht d ie Moglichkeit einer Anwend ung de r Begri Ie "new

rac i m", "kultur lIer Ra. sism us" oder .Jsla mo pho bie'' angezweifelt werden. Eine

gelaufige VorsteJlung des g genwartigen Rassisierungsprozesses ist, dass eine

fixi r te und ontologische Vorstcllung von Kultu r inst rumenta l! iert lind mit

Dom inanz un d Exklusion verknii pft wi rd . Stattde en behaupte ich, das cine

fl iblere und p olyvalentere I< nzep tualisier ung von Rassismus hilfreich sein

ko n nte, u rn die intri nsischen, sich wandelnden Formen des Phanornen s zu erfas­

sen . Zudem interes ier t mich die nalyse der h istorischen WUIzeJn des Rassis­

mus, seine Wandl un gen owie Relikte und Verkni.ipfunge n m it den unt rs hied ­

li chen Proze en der I ol nisalion .

In diesem Sin ne un tersuche ich die nw ndung po tkolo n ialer Kr itik un d

lege de n Fokus auf die Kon t ru ktion von stereo typen Reprasentationen von "Mus­

limen" in Deutschland . Hi~r ist Edwa rd Saids These des Orienlalismu entsc hei­

de nd, urn den la ngen Prozess der Stereorypisierung de Orien ts und d ie Verb in­

du ng d ieses Prozesses m it Macht- und Erkenntnisbeziebungen zu erstehen.i"

ach Said wir d Orienta li mus al eine stereoty pi ierende Praxis verstan den,

J. It. aJ Di. kurs, der mith ilfe von Strategien der Reduktion und ixierung de n

Orient und ra si tisc he Kenntnis e uber eine Einwohnerinnen und Einwohne r in

cia politische europarsche Proj k t des lmperialisrnus einbettet. Reprasenta ti n ist

dar um auch ein Mittel Jer K ntroll , d nn im Defin ieren ad Domest izieren des

exoti chen " nde ren" durch ein beg ren ztes Vokabular und Vorstel lung ver rnogen

21 Vgl. Fra ntz Fa non, Racis m and Culture, in: ders., Toward th e African Revolu t ion. Political

Essays, New o rk t9 67, S. 30- 44; Paul "ilroy. Between Camps. N tions, Cult ure and the

Al lure of Race, New York 2004; Stoler, Race and the Educat ion of de ire; Nora Rat hzel

(Hrsg.), Theorien uber Rassismus, Hamburg 2000.

22 Vgl. Fred a lliday, Islarnop hobia Recon sidered , in : Ethn ic and Racial St ud ies 22 (1999)

5, S. 892- 902; Brian Klug, Islarnophobia: A Concept .ornes of Age, in: Ethn icit ies 12

(2012) , S. 665-681; [avier Rose n Lore nte, Discrep nc ies Around the Us of the Term

.Jslamophobia'', in: Hum an Arch itectu re: Journ al of the Sociok gy of Self-Knowledge 8

(2010) 2, S. 11--128 . 23 Lorente, Discrepan cies Around th e se of rhe Ter m "Islamophobia", S. 120.

24 Edwa rd Sa id, O riental ism, London 1978.

Rassijizien e Subjekte lmd die Spracheder TolerattZ 275

wi rd die Reduzier ung deutlich . So dienen Stereotypisier ungsprakt iken im Orien­

talismus als Mittel , u rn die "and ere" Region , Religion, Kultu r un d das "andere"

Subjekt zu konst rui eren . Sie basieren Ierner au f einer Macht bzw. Wissensbezie­

hung, die sich dadurch ausdruckt, dass das "Andere" als or ientalisch ma rkier t und

dadurch begrenzt wird , Daruber hina us spielen Vorstellungsver rnogen , Fantasie

und Verla ngen in diesem P rozess der Herstellung einer rassistischen Reprasen ­

ration des "Anderen" eine ent scheidende Rolle. Weiterh in halte ich Saids Orien­

ta lism usthese fur pa ssend, urn die gegenwar tigen Prozesse der Stereotypisrerung

yon .Muslimen" in Deutschland zu ana lysieren. Besonders hi lfreic h ist sic auch,

wen n die Verbind ung zwischen Wissen, das urn die Kaiegor ie "Muslime" und ih re

Subjektivierung herum produziert wird, einerseits un ci Machtbeziehungen und

-rnechan isrnen an der ersei ts in den Blick genorn m en werden solI. Davon abgese ­

hen sollte zur Kenntni s genom m en werden, dass Orientalism us nicht nur als cine

textuelle Haltung gesehen wu rde, sondern aueh als Verwaltungsapparat , der ein e

Institution des Managemen ts und der Kontrol le etablier te. Weiter erlaubt das Ken­

zept des Orien talisrnus, dass nicht nur die diskursive Prod uktion der Kategorie de r

"Muslime", sondern auch d ie Konstru ktion der "deutschen Identitat" hi nterfragt

wird, denn es zeigt, cl ass Reprasentanonen imm er relationale Pro zesse sind,

Im deutschen akademischen Kontext haben einige Autorin nen und Auto­

ron die Anwendungsmoglichkeiten des Orientalismuskonzepts fur die An alyse

der sozialpolitischen Realitar der Bundesrepublik Deutsch land nach dem Zwei­

en Weltk rieg erforscht . Zum Beispiel greift Iman Atria das Kon zept des Ori ents

als soziales Produkt, genauer gesagt : als eine westliche Konstruktion, auf. Solche

Konstruktionen unterliegen einem Wandel, zugleich aber ist es auch moglich, Kon ­

tinuitaten aufzuze igen, wie etwa Said in seinem Konzept des laten ren Orientalis­

n1U~ . Said folgend, argumentiert auch Atria: "Orien t- unci Islambilder geben jedoch

nicht nur Auskunft uber ,das Pr emde', sondern defin ieren un d verpflichten auf .das

Eigene' - im deutschen Kontext geschieht dies zunehrn end in der Selbstreprasenta­

tion als ,Wertegemeinschaft'."25In ih rer Analyse der Konstr ukt ion des .Anderen"

in De utschland hat Atria betont, da ss .Kultu r" als line ares Entw icklungsmodelI

organ isiert ist, in dern sich del' Westen selbst als Verko rperung der Gerechtigkeit,

del' Freiheit und der Rationa litat sieht, wah rend der Islam und da her auch die

"Mushm e" in einem fruheren Entwicklungsstadium vero rtet werden . l-olglich wird

in solch einem dom inanten Diskurs uber den O rien t un d den Islam in Deutschland

eine ma rgi nalisierte Position geschaffen, die als . muslimisch" ma rkiert wird .

25 Irn un Atria, Kultu rrassism us und Gesellschaftskrit ik. in : d ies. (H rsg.), O rient- und Islam­

bilder , Interd isziplina re Beitr age zu Or ien talismus und ant im uslimischern Rassismus,

Munster 2007, S. 5- 28, hier S. II.

276 Lu is Manu el Hcrmindez J,gll ilar

Diskursive Strange der gegenwart igen Rassisierung von Musllmen in Deutsc hland

Irn Fvlg nden sollen ein ige der haufigsteu und relevantesten Dim ensionen des

gegenwartigen Proz esses de r Stereo typisier ung von "Muslimen" aufgegriffen

werde n.

Patriarchalismus

Mit Bezu g auf das gegenwar tige D ut schland identi fiziert Att ia26 Jr i Dimen ­

sionen der Rassisicr un g von ,) vlustimen" - drei wiederkehrende Argument ations­

gr uppen , nach d nen "Mu slim " und ihr Verhalten dargestellt un d reprasentier t

werden: Patr iarchalisrnus, rnusli m ischer Antisemit ism us und po lit ischer Islam .

Die erst Argumentation, d ie de 1 Diskur s tiber "Muslime" m it dem Gend rd is­

kurs verschra nk t, basier t auf der weitve rbreiteten Vorst Hun g, "M uslime" un d

der "Isla m" se ien patr is rchal gepra l. Dabei erscheinen "orien talis he" Frauen

me ist als "M uslima", unabhangig von ih rer eigenen Posi tio nier ung zum Islam

oder zu Religion im Aligemei nen. Sornit enthalt dieser Diskursst rang ernen ersten

Prozess der General isieru ng un d Stereotyp isieru ng, in dern zugleich der Ka rp r

der "or ienta lis hen Fra u" durch da s, was als kult urelle u nd biolog ische Zei hen

versta nden wird , gelesen wird. So wi rd u. a. das Kop ftuch als ein M rkm al fu r

islamische Religiositat interpret ier t, aber auc h die Hautfarbe.

Helma Lutz hat daruber hi haus Stereotypi ieru ng prozesse un tersucht , in

denen -rauen aus dem Orient als die "an deren" Fra uen p roduziert und als O pfer

ihrer Kultu r, als ein sich fugende Subjekt , als in harent schuchtern, pa ssi und

unterdruckt beschri ben werdenY Auch hier werden korperliche Ma d ieru n gen

ben utzt, urn sie al d iff rent und abweichend darzust !len .

Unci noch zwei weitere Str ange hinsichtlich der diskursiven Prod ukuon der

"or ientalischen Frauen" hat Lutz h rausgearbeitet: Der ers te bezi eht sich au f d ie

erotischen Qualitaten der Frauen aus de m Orient, ihre " in lichkeit", "Willig­

keit" un d Exotik, er wu rde versta rkt irn 19. Iahrhundert in der Literatur, Ge rnal­

den und Reisctagebuchern im Kontext der histor ischen Entwicklun g des Orien ­

tali mus (re-jproduziert.i"

De r zwe ite Di .ku rs tra ng, der im Kontext der achkr iegszeit relevant war,

zeich net ein BUd der "musli m! 'che n ~ rauen" , die von ihren Fam ilien nd deren

26 Ebenda, S. 12 .

27 Vgl. Helma Lu tz , Un sichtbar e Schat ten ? D ie .orie nra lisc he " Frau in westli chen Di sk u rsen.

Zu r Kon ze p t ua lisie r u ng eine r Op e r figur, in : Pcripheri e (1989) 37, S. 1- 65.

28 Vgl. ebe nda .

Rassifizierte Subiektc und die Sprache der Toleranz 277

patriarchalen We rten unterd ruckt werden. So wird ein D iskurs uber m uslirnische

Frauen als Opfer eta blier t und dabei eine .,soziale Wunschvorste llu ng als Wirk­

lich keit prasent iert , del' Or ient. del' Isla m bilden den fiktiven Gcgenpol, die Folic

auf de r un sere Wirk iichk cit besch rieben wil'd".29 Aufserdem wird del' islarnische

Orient c1 iskursiv a ls inharen t sexistisch und pat r iarchali sch pr odu ziert un d so

als exakt es Gege nb ild zur .west lichen Ku ltur" entworfen, die aus sich heraus

geschleeh terg ereeht sei. Atti a er gan zt, dass del' D iskrim in ier ungsprozess gegen

nMuslime" in Deutschland heutzu tage auf del' Repr asen tation "m uslim ischel"

Genderr ollen basiere, wo bei davon ausgegangell werde, class diese inkompatibcl

. seien m it ch ri stlich- deutschen We rten . Diese Dimension ist zentral in den von

del' DrK produzierten Reprasentation en von "Muslimen". So ist z. B. ein von

del' Institution zu un tersuehender Bereich m it "Geschlech tergerechl igkeit als

gemeinsamen Wert leben" 3o ub erschri eben. Der Titel implizier t, da ss Geschlech ­

tergerecht igk eit irn deutschen Wertesystem verankert sei, jedocb noch nicht von

den in Deu tschland lebend en "M uslimen" getei lt werde, sodass erk lart wird: "W ir

e llen in der DlK gern einsarn na eh pr akti schen Wegen suchen, wie betroffene

m uslim ische Fraue n und Madchen ih re Rechte 110ch st arker erk ennen und gel­

len d machen kon nen." D iese Aussage betont die angebl iche Abwcsenheit solcher

Werte bei "Mu slime n" sow ie ihre Existenz bei .Deutschen"

Homophobe "M uslime" oder: wie Homophobie zu einem Thema

von Migranten wird

Irn Zuge de l' Kon zeptualisier ung von "Muslimen" als Angehor tge ein er tradi­

tione llen und patri ar chal ischen Kultur hat sieh ein relati v neuer Diskursstrang

herau sgebildet, del' in den letzten jahrzehnten noeh intensiver wurde. In del'

Logik diesel' Argu mentation werden "Muslime" als hornophob beschrieben oder

en tworfen (f ram ed , wie Fatima El-Tayeb es bez eichnetl.V Diese Argurnenta­

tionslin ie kon st ruiert den "Islam" und seine Angehb rigen als in toleran t gegen­

ub er sexueller Di ffere n z u nd verknup ft ihre "Kultur" di skursiv mit streng pat ri­

archali schen Genderrollen , d ie im G egensatz zu sexueller D iversitat, Offenheit

und Tolera n z stunden. Umgekeh rt repraseru iere del' "Westen" ein e Sphare del'

29 Eben da, s.59.

30 Dlk -Rcdak i ion , Deutsche Isla m Konferenz (Dl K). Schlussfol gerungen de s Plenu m s

vorn 17. Mai 20 10. Ku n ftiges Arbeitsprogramm, http ://w ww.deutsch e-islam-konferenz.

de/Share d DocslAnlage nl DIKIDEIDo wn lo ad sl D0 ku m en te PIen urn IPlen urn -ar be j tspro ­

gramm.pdf?_blob =publi cal io n File (2. 11. 20 13).

31 Ebend a, S. 7.

32 Fatima El-Tayeb, Gays Who Cann ot Pr operly Be Gay : Q ueer Muslims in th e Neoliberal

European Cit y, in : E u ropea n Journal of Wo men's Studies 19 (2012) 1, S. 79- 95.

278 Luis Manuel Hernandez Aguilar

Toleranz fur Sexualitaten, die noch bis vor ur zem als "abnormal" rna rkiert

wurden.

Da neben hat El-Tayeb in Eur opa einen Trend festgestellt, den ,,!'lam" und

H mose ualitat als radikale Antagonismen zu kons ruieren. Dabei wird die

westliche M dern itat al d ie phare schlechthin darge tellt , in d r sexuellen Min­

derheiten T leranz und Respekt entgegengebracht werde. 1m Gegenzu werden

im europa ischen Raum le ende "muslim ische" Gemeind n als repressiv und sta­

gn ierend wahrgenom men. Die er Vorgang ei nach El-Tayeb in einen breiteren

f rozess der Konst rukt ion eines Gegensa tzes zwischen dern . Islam" als . Kultur"

und ideologischer Weltanschauun g und dem "Westen" ein gebettet .P

In Bezug auf den deutschen Kontext hat Iinthana Haritaworn herausgearbei­

tet , wie die Figur des "ho n ophoben Migrante n" im offentlichen Diskur: gez ich­

net wird: "We are wit nessing, then, a di rect converge nce between th enfranchise­

ment of new sexual and gende ed ibjects and the d isenfranchisement of post!

migrants, whose displacement, policing and inca rceration become synonymous

with the protection of vulnerable intimacies'l" So wird die Annahme, Toleranz

sei in der de utschen Gesellschaft immanenter Wer t, dazu benutzt, eine Gesch los­

senh eit und Ruckstan digkeit der als "MusIime" wahrgenommenen Migranten zu

behaupten. Diese Sichtweise wurde da ru ber hinaus durch p Iitische Mafsnah­

men inst itutionalisiert , wi u. a. der Einburgerungstes t zeigt, der d ie unter tellte

Homophobie unter den . muslimi chen" Migranten erfragt und dern Thema somit

eine wesentliche Bedeut ung zuweist-"

Kira Kosn ick hat weite r dar auf aufmerk am gernacht , dass der gegenwartig

dom inan te D iskurs, der Hornosexualitat als Kennzeichen der we tIichen Moder­

nitat versteht , zeigt, wie relevant die nalyse del' Verbindung zwische n Sexuali­

Hit und .Rasse" ist. Ein dementsprechender Diskursstrang erachtet "Mu lime"

a pr iori als un fah ig, mit sexueller Differenz urnzugehen, da diese intol erant

und aggre iv gegen HomosexueIIe vorgingen und sexuell Diversita innerhalb

33 Ebend a.

34 [inthan a H ar itaworn, Wounded Subjects: Sexu al Exceptionalism an d the Mora l Panic

on "m igran t Homophobia" in Germany, in : Encarn acion Gutierrez Rodriguez/Manuela

Boatca /Sergio Costa (H rsg.), Decolon izin g Eu rop ean Sociology. Trans d isciplin ary

pp roac hes, Farn ham/B urlington 2010, S. 135- 152

35 Vgl. Mar ia do Ma r astro arela/N ikita Dh awan, Q ueer mobil? Hetero nor rnativitat und

Migrationsforschu ng, in: Helma Lutz (Hrs g.), Gender Mobil? Geschlech t und Migration

in transnationa len Raurnen, M Uns ter 2009, S 102- 121; Kira Kosnick, Sexuality and Mig­

rati on Studies: The Invisible, the Ox ymoron ic and Hetero nor ma tive Otherin g, in: H lma

Lutz/Mari a Tere sa Herre ra Vivar/Lin da Supik (H rsg.), Frami ng In tersecti on ality. Deba tes

on a Multi-Faceted Concept in Gender Stud ies, Farnham / Burlingt on 2010, S. 121- 135.

Rassifizierte Subjekte und die Sprache dcr Toleranz 279

ihrer Gemeins chaft unterdruckten.l" Niki ta Dh awan bernerk t da zu, class H 0 11l0 ­

exual itat und Queer-Politik heutzutage vom westlichen Imperiali srnus als Alibi

genutzt werden, urn einerseits sexuelle Diversitat zu zelebrieren und andersen

religiose Gemeinsehaften als int olerant un d ruckstandig zu stigmatisieren. Den­

noc h 5011 dies nic ht implizieren, dass ein Mangel an Kr itik von Hornophobie und

He terosex ism us in Diaspora- und postkolon ialen Kontexten erklar t werden kann

als Reak tion auf westlichen Rassismu s oder von d iesem verursacbt. 37 Stattdessen

schlagt Dhawan , wie aucb Spivak, vor, eine komplexe und mul tid ireknonale Poli­

tik oder Kritik anzuwe nden, die sich auf das ganze Spektru m von sakular bis

religios bezieht."

..Mu slimische An tisemiten"

Der Disku rsstrang tiber .muslimische Antisernite n" siellt nach Att ia d ie zweite

Dimension der gegen wart igen Rassisierung von "M usliJl1cn" dar." Att ia

beschreibt, wie "Muslime" des Antisemitism us beschuldigt werden, indern sie

damit identifizier t werden, Ressentirnents un d Gehas sigkeit gegentib er ludell

zu versp trren. Diese Einstellungen werde n als der .J slarmschen Kultur" inharen t

behaup tet. Nach Atlia gibt dieser Disku rsst rang gleichz eitig die Position vor, die

.Deutscbe" zu erfullen habe n, nam lich "d ie Iuden" vor "den Muslirnen" schut­

zen zu rnussen, insbesondere vor jungen "musbmischen" Mann er n, Aus der

Konst ruk tion dieser Problems tellung erg ibt sich auch die d iskur sive Notwendi g­

kelt der DIK, wie etwa die Auizeich nung der Plenarsitzung vom Mai 2010 ver­

deutlicht : .Ebenso findet gerade auch un ter jungen Muslimen Antisernitismus

Verbreitu ng."?

Wie bereits fU r die Diskussion des Konzeptes Islarnophobie beschr icben,

wird das Phanomen des Antisemi tismus oftmals mi t der gegenwarti gcn Feindse­

ligkeit gegeniiher "Muslim en" verglichen, beso nders im Kontext eines Diskur ses,

der Religion als entscheidenden Marker von Kultur naturalisiert. Bei d ieser Kri­

tik werden gelegentli ch - so Leerom Medovoi - die zwei "unzhrilisier ten" Religio­

nen als m iteinander in einern kont inuierlichen Konfl ikt stehend konstru ier t und

die Fein dseligkeit und die Gehassigkeit de . "Muslime" gegenuber den "luden"

36 Kosni ck, Sex uality a nd Migra tion St ud ies, S. 122,

37 Vgl. Niki ta Dhawan, The Empire Prays Back: Religion , Secularity an d Q ueer Crit ique, in;

Boundary 2: An Intern ati onal Journ al of Literature and Cult ure 40 (2013) 1, S. 192,

J B Dhawan , The e m pire Prays Back, S. 195.

39 Atr ia , Kult urr assism us und Gesellschaftsk rit ik, S. 14,

·10 Dl K-Redaktion, Deutsche Islam Konferenz (DlK). Schl ussfolgeru ngen des Plenums vom

17, Ma i 2010, S. 10.

280 Luis Ma nuel Hern and ez Aguila r

besonders beto nt." Said , An idjar, Medovoi und Kalm ar haben dagegen gezeigt,

da noch vo nicht allzu langer Zeit Iuden und Muslime in einer offenen Katego­

rie als Sem iten und Orientale zusammengefasst wurden .V Beide Religionen und

.Rassen" wurden als dem Orient zugehorig, m it spezif chen phanotypisch n

und Verhaltenseigenschaften, kon st ruier t. Ern est Renan pragte auf de r Basis

seiner philologischen Dberlegungen die Kateg rie der em iten, die er ni ht nur

I Sprachfarn ilie, ondern auch a ls .Rasse" (Juden und M uslim e) mit an gebore­

nen Eigenschaften, m it gerneinsam er Geschichte , Kul tur, Religion und Verstand

auffasste. In diesem Sinne bern er t Said, dass in der ach kriegszeit "the trans­

ference of a popular anti-Semitic an imus from a J wish to an Ara b ta rget was

m ade smooth ly, since the figure was exac tly the same"."

Politischer Islam

Die dritte Dimension der Rassisierung, die Att ia beschreibt, r ichte t sich gegen

die "muslim ische Kultur" und bezieht sich auf d ie angeblich nieht vorhanden e

Tren nung zwi schen taat und Religion, auf die feh lende 'akularisieru ng in der

" islam isch n Welt" und au f die Kon eq uenz n der bwesenheit saku larer Wert e

in V rhalten und Einstellungen von "M uslim en".44 Beispie lsweise wurde in

einem der wich tigsten Dokumente der D1 K, dem Zwisch n-Resurnee von 2008 ,

behauptet: .Diese fur die deutsche Gesellschaftsord nung pni.gende wechselseilige

Begren zung anzu rk en nen und sie als vort eilhaft zu erken nen, fallt Zuwanderern

aus Landern mit anderer Ausgest altung des Verha ltni cs von Staat und Reli ion

oftmals schwer. Und doch gibt es Zl r gelebten Akzeptan z d ieser wechselseitigen

Begrenzung aus Sicht des deutschen Staates keine Altern at ive. cr echtsstaat

v rlangt von den An gehbrigen aller Religionen die unbedi ngte Einhaltung der

R chtsordn ung.r"

In Bezug auf die dom inante Konz ption von Sakulurisier ung hat Talal Asad

herausgearbeitet , wie komplex und schwierig ist es s i ,Sak ularisierung mit Mod er­

nitat gleich zuset zen und als in tegralen Bestandt i1 einer europaischen T entita t zu

prasenueren . Laut Asad werde Religion allgemein mi l lew It assoziiert . Sakula­

41 Mcdovoi, Dogma-Line Racism.

42 V,d . Sa id, Oricnta lisrn, Gil Anidjar, Semites. Race, Rel ig ion , Lite rature, Stanford , Ca li­

torn ia 2008; Medovoi , Dogm a -Line Raci sm ; Ivan Davi dson Kal ma r, A n t i-Semit ism a nd

Isla mophobia : Th e Fo rmat ion of a Secr e t, in : Human A rc h itec ture: Journal of th e Socio­

log y of Self-Kno wledge 7 (2009) 2 , S. 135- 14-1.

43 Sa id , O rien ta lism . S. 286.

44 Atr ia , Ku ltu r ras sism us un d Ge sellsc ha ftsk r it ik , S. I 7.

,15 DlKzfidit orial -Team , Zwi sch en -Resumee der A rbeitsgr uppen und des Gesprach skreises

Vorlage fu r di e 3. Plen a rsiizung der DIK, Berl in 2008, S. 6.

Rassifizierte Subjekte und die Sprache der Toleranz 281

risieru ng wu rde deswegen als Weg dargeste llt , urn aus diesem Kreislauf aus zubre­

hen . "Islam" und "Muslim e" werden ermutigt , diesen Weg einzu sch lagen . Der

Weg ZUI" Sakularisier ung ist in cine ideologische u nd linea re Kon zep tualisier ung

der Modern itat eingebettet , die ern eut als absolut europaisch irnagin iert wird.

Dar uber h inaus sind nach Asad Sakularitat und Religion , Modern itat und Tra­

d it ion als arnbiva lente und miteina nder in Verbin dung stehende Phanornene zu

verstehen, die n ieht auf ih re binare Unterscheidung reduzi er t we rden konnen .t "

Saba M ahmood hat ebenfaJls di e Kornplex itat der Kategorie Sakularisierung

u nd deren wechselnde Bedeutu ngen untersucht. Da zu gehort au ch die Art und

Weise, wie in de r gegenwarr ig dom inan ten Erz a hlu ng das Argument der feh len­

den Sakula risieru ng als Veh ikel dient , urn d ie Notwend igkeit einer Reform ier ung

de s " Islam" zu form ulieren. Nach Mahmood habe es die "westliche" (auch von

ein igen liberalen "Muslim en" vertretene) Erzahlung von Sakularisierung verfehlt ,

e durch lassige Beziehung zw ischen Staat un d Religion anzuerkennen , in dem sie

ignorieren , d ass beide mi teinander verflochten sind."? Noch wichtiger aber ist,

dass der Prozess der Sakula risierung in dieser Narration weit davon entfernt sei,

diese Trcn nu ng zu vollziehen, sondern da rau f abzielt , den Weg neu zu gestal­

ten, auf dem Religion und deren Subjekte Form annehmen; d. h. Sakularisieru ng

basiere au f der Ausu bung von Staatsmacht, "not so mu ch in tol erating difference

and diversity but in remaking certain kinds of religious subjectivities (even if this

requires the use of violence) so as to render them compliant with liberal political

ru !e".48 In diesem Sinne sei es lau t Mah m ood moglich, von einer sakula ren Nor­

rnativitat zu sprechen, die mit einem Prozess von Herrschaft verbunden sei , die

auf "Muslime" u nd "den Islam" angewandt werde und eine Disziplin ierung und

Norm alisieru ng "des Islam" verfolge.

In dieser Argument ati on gegen "Muslime" verbin den sich Ko nstr uk tio ­

nen von Funda mentalisten und Ter rori sten , in dem G ewalt au f religiose Motive

zuruckgefuh r t wird . Gerade der angebliche Mangel an Sakulari sierung und

die dar aus resultierende reli gibs motivierte Gew a!t von "Muslim en" dienen

als Arg u m ent in der Diskussion um die Verknupfung von Fundamentalismus

un d Terror ism us. Sakulare Norrnativitat erscheint dann al s di e Strategie, "den

Islam" zu reformieren und seine Anhanger zu disziplinieren . Dieser besondere

Fall von Stereotypisierung verbreitet sich durch weltweite Umsta nde, in denen

46 Talal Asad, Formations of the Sec ula r. Christiani ty, Islam, Mo dernity. Cultural Mem or y

in the Pre sent , Stanford, California 2003, S. 10.

47 Vgl. Saba Mahmo od , Secularism, Hermeneutics, and Empire: The Politics of Islamic

Reform ati on , in: Public Culture 18 (2006) 2, S. 325.

48 Ebenda, S. 328.

282 Luis Mil/IUd Hernand z Aguilar

..Muslirne" ube rwiegend al . zum indesr porenz ielle, T rroriste n dargeste llt sind.

.Der Islam" wi rd als Religion reprasentier t, d ie die Grund lage solcher Ge walt­

taten : huf

H ier wi rd erneu t die otwend igkeit der Arbeit de r DIK en tworfen.

publizier te d ie Dr Studien und etabli erte Arh itsgr uppen, urn das Prob l 111 der

religios mo tivier ten Gewalt anzugehen , das laut DIK vorwiegend unter jugend ­

li hen Migranten erbreit et sei,49

Insgesamt zeigen d ie von Atria d isk utierten Kr itiklinien sowie d ie von El­

Tayeb, Asad und Mahmood besch rieben I Prozesse, das die aktuelle ras isti ­

sche St reotyp i: ierung von ..Muslim n" ein vielseitiges Phanomen i t, das d ie sich

uberschneid nden Diskurse on Gender, exua litat und Sicherheit um fasst. Di se

lassen sich wiederum von einem ras iSlisch stereot ypisierten Port rat ableiten und

sind den Hand lungen der Sta tsapparate unter or fen. Aus dieser iskur iven

Form tion ergeben ieh zwei weitreieh nde Konsequenzen: Erstens sind staat­

li he I. ns titutionen konstituiert w rden, um relig iose und kul tu relle D ifferenzen

zu verwalten, zweiten : wird die Schaffunz solcher In titut ionen wie de r DJK als

dringlich und otwendi g dargestellt - irn Rah rn n ein es allgemeinen Rufs nach

Integr ation bzw. Ziv ilisarion - mit dem Ziel einer Refor mierung oder Europaisie­

ru ng "des I lams".

D as Kon zept d r ~ 1 ranz iiberschn idet sich mit den versc hi ede ne n Kritik ­

pu nkten gegenuber "M uslim en", wobei BUder von den to lerant n "Deut sch 0 "

vis-a-vis den intolera nten "M u limen" konstruiert werden . ah zu jede di skur­

si e eprasentation von "M uslimen" hat eine genaue Ent prechung in Ma 13nah ­

men der DIK. Dies zeigt die Notw nd igkeit cines anal.yti chen Rah rn ns , mi t de m

ras sistische Stereot -pisierungen mit der Arbeit des Staates verbunden werde n

kon nen,

Die Sprache der Toleranz

D ie Deutsche Isla m Konferenz stellt sich selbst als ein Forum der . ( lenr anz d r,

in dem ein Dialog sta tt finde. Uber die Ar beit der DIK werden der deut: he St aat

un d die deutsche GeseJlschaft in harent als tolerant reprasent iert . Exernplar isch

fur d iesen i ku rsst rang steht eine Aus age des zu der Zeit arn tierende n Innen­

m in isters, Hans-Peter Fried rich, aus dem Flyer der DTK:

49 DIK, Redak t ion , eutsche Islam Konferenz (DIK) . Schl ussfolgerungen de s Plenu ms vom

17. Ma i 2010.

Rassifizierte Subiekte lind die Sprache der Toleranz 283

"Menschen unterschi edlicher Religionen und Kulturen leben in un serern

Land fr ied lieh zusammen . Eine tolerante und weltoffene Gesellsehaft wie

Deutsch land zeich net sich ja gerade du rch den Resp ekt vor unterschi edl ichen

re ligiosen Uberzeugungen und kul turellen Traditi on en aus . [...J Ich lade alle

in Deutsch land lebenden Muslime ein : Al s Teil dies er Gesellschaft wollen wir

daran arbeiten , d ie Zu kun ft unseres Landes geme in sam zu gestalten . Die­

se ~ Zie1wird durch das Motto de r Deutscben Islam Konferen z umschrieben:

.M uslirne in Deutsch land - deutsche Muslirne.P"

Hier nun m uss auf das Eingangszitat von Derrida zuruckgegriffe n werden ,

urn das Kon zept der Toleranz als Wer t, der stets m it Macht verflo ch ten ist, zu

erkennen, Im vo ranstehe nden Zitat defini ert die hochste Autoritat der Islam kon ­

ferenz, der Innenrninister, Toleran z als eine Haltung, d ie in Deutschland bereits

erreicht sei. Z udem ist d ie Idee der Toleranz in der Konstruk tion des re ligiosen

n tagonism us ver ankert. Fr ied rich hat, wie weite r oben zitiert, durch seine Ver­

ne inu ng der historischen Zugehor igkeit des Islam zu Deutsch land die deutsche

no rmat ive Ord nung als durch ch ristliche Werte gepragt besch rieb en und diese

als homogene En titat gesetzt, die "M uslim e" toler ieren korine, vorausgesetzt ,

die se integr ier ten sich in den "deutschen Wer tekonsens". Anhand dieser Aussage

kann auch di e Prod uk tion von zwei d iskursiven Subjek tivita ten gezeigt werden ,

die in einem hierarchischen Verhaltnis zueinander stehen. Irn Einsatz Fried r ichs

fu r Toleranz ist das herablassende Zuges tand n is zu erkennen , das den politischen

Willen impl iziert, "Muslime" in Deutsch land zu tolerieren. Zugleich werden

zwei antagoni sti sche Gr uppen im aginiert: die "tolera nten Deutschen" versus d ie

,,11och nicht toleran ten Muslime". Dies impliziert auch die politische Begrundung

fur die Umformung "muslimischer" Subjektivitaten - ausgedr uckt beispielsweise

im Slogan der Konferenz "M uslime in Deutschland - deutsche Muslime". Dieses

Mott o, da s als Hauptziel der Konferenz gelesen werden karin , formuliert ein poli­

tisches Ziel, das durch den langen Gedankenst rich ma rkiert ist: der Dbergan g

und die Um wandlung zu einem neuen Subjekt: den di sziplinierten und zivilisier­

ten . deurschen Mu slirnen",

Das Thema Toleranz im Konte xt der DIK hat au ch Fra nk Peter untersucht,

der ana lysier t, wie diese Toler anzvorstellungen als Gou ver nementalitatstechnik

in strumentalisiert werden. Er geht der Frage nach, inwiefern die institutionelle

Inkorporation "des Islams" in Deutschland die Umformung von "Muslimen"

50 DIK-Red aktion, Deutsch e Islam Konfe ren z, Mus lime in Deut schl and - Deutsch e Mu slime.

Flyer , Berlin 20 11, http:// www.deutsch e-islam-kon feren z.de /Sh ared Do cs/Anlagen /D1K /

DE/ Down load s/ Do ku m en tePlenum 120081101-flyer -d ik-de.pd f?__ blob= publ icat ion File.

284 LItis Mlllluel Hernandez Aguilar

zur Bedin gu ng mac hr." Peter sieh t di e Prasenz der DIK al Au d ruck eincr t ie­

f n Angst da vor, wie sieh d ie Rechte und d ie Iorm ale leichst lIu ng von Mi gran­

ten auf die soziale O rd nu ng und den Statu der Mehrheitsge sellschaft au swirken

kon nten, H ier er weist j h d s on zep t der Toleranz als entsch iderul, weil es d s

In strumen t ist, m it dern di e deutsche Regierung d ie An esenhei t von "M uslimen"

in D utseh land ancrkennt, dab i abcr au h d n Unt r chiec ~ ische d iesen un d

d n ,,1) utschen" festlegt. lelchz ' iu g wird di e Akze ptanz von ,.. Mus lirnen" in der

deu tschen Gesellscha tt begrenzt (dur ch Str tegien d r N irrna li ierung und Diszip ­

lin ierung), d . h . To leranz bel. ichne d ie an Bcd ingu ngen gek nupfte kzeptanz von

"Muslimen" du rch d ie he rrs hen de lehrhcil.sc Die gesch ieht I rch d ie we hsel­

seitige Integration zweier Prozesse: Erstens durch d ie offizielle Ane rkenn ung "des

Islarn s" als Ieil d s Land s un d zw it ns du rch da Zi I der Urnf rm ung der Sub­

jek tivitaten von all jene , d ie als " Muslime" kon struier t werden . DIe dressaten

seien dem na h ; uslirne", d ie noch 1eine volll orn rnenen Deut chen sind u nd die

in ine rn pczifischen deutsch n rnoralischen Raum vero rtet werd en.53

So kann di e Ver chiebu ng, d i dure! d ie Einmischung der Ls!, m konferenz

in die deu tsche In t grationspoJitik stat tfinde t, als foue- lit. che Vorstel lung on

Mach t ver sta nden wer 11 , als Uberga ng von einer pr im " r negati 'en , gar auf

Zwan g basier nden hi n zu einer positiven , produ ktiven usubu ng von Mac ht,

deren pr irnar e Ziel es ei, m uslim i che Subjekt ivitateu - als bjekt der Tolera nz

- urn zuro rmen und sie gIeieh zeitig in einen sta ndi gen Proz S5 der No rmalisier u ng

ein zu binderi. Di Dl K nrspr ehe Ja il it einer produk ti -en M chtausubung.r'

Eine weitere inter ssan te nmerku ng, d ie au f acques Derrid . zuruckgeht ,

betr ifft b iologische Bedeu tunge n voi Tolera nz, ie dem Begri ff ei nge schrie­

ben sin d. So arg ument iert Derrida: "M an m uss de m religiosen Sinn, an de ssen

Urspr ung wir gerad _ eri nnert haben, ein biologiosche, gen etisehe oder orga ·

n izistische Konnot ation b ifugen. In ran kreich h at man die Gre n ze, libel' d i

h ina us der nationalen Gernein chaft n icht mehr zurn utbar \ -ar, eine no eh gro­

Sere Zah l an Auslander n, ' astarb item usw. aufzu nehmen, Toleran zsch lie'

gena nnt.":" Folglich kann Tolera nz auch als Mark ierun er t anden werde n, die

den P un kt signalisier t, . n dern ein so ziop olit isch r Ke rp er bed roht wi I'd und kol­

51 VgL Peter, \Iv' Icoming Mu slims into the ' alion.

52 VgL cb end a, S. 119.

53 VgL eben da, S. 134.

54 Vgl. ebend a, S. 128.

55 Autoimmu nisierungen. wirkliche un d symbolische Selbstrnorde. E ll l Gesprach mit Jacques Derr ida, in: [urgen Haberrnas/Iacqucs Der rida, Philosophic in Zeiten des Terr ors. Zwei e­

sprache, gefuhrt, ei ngeleitet lind korn menriert von Giovanna Borra dori. Aus d . Englischeu u. Franzosi schen libel'S. von Ulri ch Muller-Scholl. Berlin n. a. 2004, S. 117- J78, hier S. 169.

Russijizsertc ~ llb}ekl e l./lld die Sprachc tier 'Iolennt: 21)5

labieren kann , als Grenze dessen , was akzep t iert / tolerie rt / integr ier t werden kann

und was h ingegen zu ru ck gewiesen bzw, ve rt rieben wer den muss. H ier sei an den

Diskurs uber .Asyla nten' u nd "Auslander" erin ner t, der in den 1990er -Jah ren ­

zvT, bis heute - vi ru lent wa r. Im Kern ging es d am als urn die Begren zung der

Au fnahm e von Ein wanderem u nd urn d ie Frage, wan n Deu tschland die Gren ze

seine r Ak zep ianz erreich t harte. Da h inter stand die Sorge urn den Verlust deu t­

scher Traditionen und Nor me n, d ie in de r Pa role "Vas Boot ist voll" gipfel te.

Ubeidies kan n d ie Verwendu ng des biologisch en Toleranzbegriffes direkt mit

Bio-Ma cht, also mi t Macht tech n ike n , d ie n ieht au f den Ei nzelnen, son dern au f d ie

ganzc Bevolkerung ziclen , in Verbindu ng gebraeht werden, und zwa r insofer n , als

das Ziel d ieser Ma cht di e Regu lat ion von Leben u nd Tod sow ie von d ern , was tole­

r iert werden kan n II nd was dagegen zuruckgewiese n we rden sollte, ist. Die Norm,

die uber Leben und Tod ent scheidet, verweist auf den verm eintlichen, ra ssisti sch

interpret ierten Bruch irn Kon tinuum del' Bevolk erung, M uslime, dargestellt als

noch n icht perfek te deut sche Sta atsbur ger, kon nen ei ncn solchen Bruch m ark ie­

ren : His 2-U einem besti mmten P unk t k6nnen sie toleriert werd en, wird d iese r ab el'

ube rsch rit ten , werden sie zur Bed rohu ng fur den politischen Ke rp er.

Zusammenfassung

Die OI K reprasentiert in ih ren Disku rsen "d ie Muslirne" als anders als "d ie Deu t­

ch en". Diese D ifferen zier ung ist in einen langen hi storischen Prozess ra ssisti­

cher Stereo t ypisier u ngen ein gebet tet, der das "m us lim ische" Subjekt gegenwar­

t ig als patr iar cbal isch , Geschlechtergerech tigkeit und sex uelle Diversitat ableh­

ne nd, in toleran t und dam it einhergeh end an tis em itisch sowie als Verkorperung

einer sta ndigen Bed roh u ng durch Ge walt un d Fun damen ta lismu s zeich net, Sol­

che rassist ischen Ste reoiypisieru n gsd iskurse ero ffne n einen Rau m, de n de utsche

Ins t itutionen - hi er VOl' a llem di e DIK - au sfullen sollen: "M llslim e" sollen tol e­

rier t werden, sofern sie sich in die no rm ative Ordn ung ini egrier en und Bere it­

sch aft zur Um for mu ng ihrer Subje kt iv itaten zeigen . Ih re Subjektiv itaten werden

dabei durch einen komplexe n und multidi m ensionalen Pro zess vo n rassistis ch er

Ste reotypisier ung ma rk iert. De r Blick auf di e rel igiosen und biologisch en Wur­

zein de s Tolcra nz-Begriffes wie auch auf seine Verknupfung m it Machtposit io­

nen cn tkleidet das Toleran z-Konzep t seiner angeblichen N eu tralitat, Das Beispiel

der De utsch en Isla m Kon ferenz zeigt, d ass Ioleranz als politisches In stru ment

gen utzt wird, urn "Muslime " als "andel'S" zu mark ieren , di e Differen z zu h ier ­

arch isieren und d ie so iden ti fizierten .And eren" der d iskursiven Vors tellung vo n

einern m on oku Itur ellen D eut schland entgegen zu setzen .