Sonnenstrahlung im Erdinnern. Glauber und die Geowissenschaften

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Abb. 1: Titelblatt von Johann Rudolph Glaubers „Opus Minerale, Teil II“ (Quelle: SLUB Dresden, http:// digital.slub-dresden.de/ id27797433X) 178

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Abb. 1: Titelblatt von Johann Rudolph Glaubers „Opus Minerale, Teil II“(Quelle: SLUB Dresden, http://digital.slub-dresden.de/id27797433X)

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Sonnenstrahlung im Erdinnern Glauber und die Geowissenschaften Rainer Werthmann

Die Sulfur-Merkur-TheorieDie von der Elementenlehre des Aristoteles ausgehende Sulfur-Merkur-Theorie war zu

Glaubers Zeit die vorherrschende Theorie zur Entstehung der Metalle und zur Herleitung ihrer Eigenschaften. Sie ist darauf gegründet, dass die Metalle einerseits in ihrer Schmied-barkeit eine plastische, fl üssigkeitsähnliche Komponente aufweisen, andererseits einen ge-wissen Energieinhalt, ein verborgenes feuriges Element, das z. B. im Schmelzofen den Erzen bei ihrer Verwandlung in Metalle mitgegeben wird. Aristoteles argumentiert in seinem Werk über die Meteorologie, die Metalle entstünden im Innern der Erde durch die Vermischung einer feuchten mit einer trockenen Ausdünstung, bevor sie sich zum festen Zustand konden-sierten 1. Wie im Laufe der Zeiten verschiedene Alchemisten mit diesem Thema bezüglich der Eigenschaften der Metalle umgegangen sind, wird in einem gesonderten Beitrag behandelt.

Gedanken zum Inneren der ErdeGlauber stellt seine mit der Sulfur-Merkur-Theorie verknüpften Vorstellungen über die Vor-

gänge im Inneren der Erde, die Ausbreitung von Energie und die Bildung von Lagerstätten vor allem im zweiten Teil seines Buches „Opus Minerale“ 2 dar. Zur besseren Einschätzung von Glaubers Ausführungen hier zunächst ein paar Anmerkungen zu den Überlegungen sei-ner Vorgänger: Aristoteles’ Gedanken zu den Verhältnissen im Inneren der Erde sind denk-bar allgemein und knapp. Er konstatiert an der erwähnten Stelle in seiner „Meteorologie“ die Existenz einer trockenen und einer feuchten Ausdünstung, sagt aber nicht, wie er sich deren Ursprung vorstellt. Der Alchemist Michael Sendivogius (1566–1636), 38 Jahre älter als Glau-ber, löst das Problem dadurch, dass er im Innern der Erde einen vom Schöpfer dorthin ge-setzten Archæus, eine Urkraft annimmt, die diese Ausdünstungen verursacht. 3 Sendivogius’ Zeitgenosse Michael Maier (1569–1622) nimmt an, von Anfang an habe der Schöpfer eine gewisse Menge Schwefel (für das feurige Element) und Quecksilber (für das wässrige, fl üssige Element) im Innern der Erde verborgen, die im Laufe der Zeit aufsteigen und zu den Metallen reagieren. 4

Glauber macht sich sehr viel konkretere Gedanken. Für ihn herrscht im Zentrum der Erde eine große Hitze, entstanden durch die Auswirkung konzentrierter Sonnen- und Sternen-strahlen. Grundlage für diese Denkweise ist ein vom Empfi nden her immer noch geozent-risches Weltbild: In der Schöpfung hätten sich nach dem ursprünglichen „verwirrten Chaos“ die klassischen Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer nach ihrer Schwere voneinander ge-trennt und übereinander angeordnet: zuunterst die Erde, darüber das Wasser, darüber die Luft und ganz oben das Feuer in Form von Sonne, Planeten und Sternen. Auf diese Weise wird der ganze Weltraum mit seinen Sternen der Erde als seinem Zentrum zugeordnet. Bei dieser Zentralperspektive erscheint es dann ganz selbstverständlich, wenn die Strahlen aller Himmelskörper sich im Mittelpunkt der Erde verdichten und eine ungeheure Hitze entsteht

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wie im Brennpunkt eines Hohlspiegels. Derartige Hohlspiegel aus polierter Arsenbronze hat Glauber selbst hergestellt und wusste genau, wie groß sie sein müssen, um mit dem einfal-lenden Sonnenlicht welches Metall zu schmelzen.

In dem Buch Furni Novi Philosophici, Teil IV, veröff entlicht er genaue Angaben zur Her-stellung solcher Spiegel 5, im hier besprochenen Werk Opus Minerale Teil II erwähnt er, wel-che Temperaturen damit erreichbar sind: Mit einem Spiegel von einer Spanne (ca. 25 cm) Durchmesser könne man brennbare Stoff e wie Holz leicht entzünden, bei zwei Spannen (ca. 50 cm) könne man Blei (Schmelzpunkt 327,5 °C), Zinn (Schmelzpunkt 232,0 °C) oder Bismut (Schmelzpunkt 271,3 °C) schmelzen, bei vier oder fünf Spannen (um 1 m) Kupfer (Schmelz-punkt 1083 °C) und Silber (Schmelzpunkt 961,9 °C) schmelzen sowie Eisen „so weich machen/ dass mans auff einem Amboß schmieden kan“. 6

Wie groß muss dann erst die Hitze im Zentrum sein, wenn praktisch die ganze Erde die Strahlen der Sonne einfängt:

„Was ist aber zehen oder zwanzig Klaff ter gegen so viel tausend Meile Wegs/ als die Sonne allein groß seyn soll/ gedenck einmal/ wann ihre Hitz/ wil geschweigen vieler andern grossen Sterne/ nur allein an einem Ort zusammen getrieben wäre/ (wie dann solches im centro terræ geschiehet) was doch für ein unaußsprechliche Hitz daselbst seyn solte? Gewißlich würde nichts so fi x seyn/ daß es dargegen bestehen möchte“. 7

Auch dafür, dass die Temperaturen an der Erdoberfl äche, also näher an der Sonne, nicht so hoch sind wie im Zentrum der Erde, hat er eine Erklärung. Denn auch wenn man auf hohe Berge steige, also der Sonne entgegen, sinke ja die Temperatur. Das liege daran, dass aus der Sonnenstrahlung umso mehr Wärme entwickelt werde, je dichter ein Medium für die Strah-lung sei 8 :

„Daher zu sehen/ daß die Sonnenstralen an denen Orten/ da sie frey und unverhin-dert mögen dadurchgehen/ keine Hitze/ sondern allein an solchen Orten/ da sie eine harte Materi fi nden/ und nicht alsbald durchgehen können/ und je härter die Materi/ je grössere Hitze sie verursachen/ und wird ein Holz/ oder ein ander schwämmicht Wesen beyweitem in der Sonne nicht so häiß/ als ein harter Stein/ und ein Stein nicht so häiß als ein Metall werden/ wann sie schon beysammen oder neben-einander in der Sonne gelegen haben ...“

So gebe es irgendwo zwischen der heißen Sonne und der warmen Erde einen kältesten Punkt. Durch die von Luft zu Wasser und weiter zum Gestein zunehmende Dichte sei es dann auf Meeresniveau wärmer als auf den Bergen, und weil die Erde praktisch ganz aus dichtem Gestein bestehe, sei es durch die Aufnahme der Sonnenstrahlung immer wärmer, je tiefer man komme. Zudem sei ja mit zunehmender Tiefe immer weniger Platz vorhanden, daher müsse sich die Sonnenstrahlung im Zentrum der Erde immer enger zusammendrängen und erzeuge so die dort herrschende enorme Hitze. Das Postulat der Erwärmung des Erdinnern durch die auf die Erde fallende Strahlung der Sonne und anderer Himmelskörper beruht auf Glaubers Vorstellung, dass die Wärme sich auch in dichteren Medien wie eine Art Strahlung

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fortpfl anzt, also gerichtet („nicht hinter sich, sondern allzeit vor sich“) von der Erdoberfl ä-che bis zum Zentrum durchgeht, sodass sich allein aus der Kugelgeometrie der Erde eine Art „Brennglaseff ekt“ ergibt. Entsprechend interpretiert er die Erwärmung eines dicken Blechs durch eine aufgelegte und nach einiger Zeit wieder weggenommene glühende Kohle :

„... laß solches Blech ein wenig ligen/ und fühle darnach wieder auff beyde Seiten/ so wirst du befi nden/ daß die Hitze ist fortgangen/ und auff der untersten Seite das Blech viel häisser ist als oben/ darauff die Kole gelegen hat. Also kanst du genugsam spüren und sehen daß es wahr ist/ daß die Hitze nicht hinder sich/ sondern allzeit für sich gehe. Wann deme nun also ist/ so mußt du auch gestehen/ daß solche nicht auff Erden bleibe/ sondern durch dieselbe bis zum centro dringe.“ 9

Das Zentrum der Erde sei hohl, denn nichts könne dieser Temperatur standhalten. Von dort steige die Hitze wieder auf, dringe von unten in ein besonderes, dickes Tiefenwasser ein und erzeuge darin die Erze, zunächst in Form von Schlämmen.Das ungeheuer heiße Zentralfeuer der Erde diskutiert er nachfolgend unter verschiedenen Aspekten: - Seine Beziehung zur Hölle: Hier argumentiert er diplomatisch geschickt, er zweifl e zwar nicht an der Existenz der Hölle, wie die Kirche sie lehre, sie könne sich auch durchaus im Zentrum der Erde oder in seiner Nähe befi nden. Er halte sich aber aus religiösen Fragen heraus und überlasse das den theologischen Fachgelehrten: „Diesen Ort, davon ich allhier schreibe/ gibt uns die natürliche Philosophia zu erkennen; jenen aber die H(eilige) Schriff t/ welche ich den Th eologis befehle“. 10 - Seine Beziehung zu den Vulkanen: Hier lehnt er eine Verbindung des Zentralfeuers zu den Vulkanen im Allgemeinen ab und lässt nur gewisse Ausnahmen zu. Die Vulkane seien ja nur sporadisch aktiv, während das Zentralfeuer andauernd und so lange brenne, wie die Sonne und die Sterne schienen. Als Wärmequelle der Vulkane nimmt er brennenden Schwefel an, der auch aus dem Inneren der Erde immer weiter nachgeliefert werden könne. Die Geräusche, die man vor einem Ausbruch in der Nähe eines Vulkans hören könne, seien nicht das Heulen verdammter Seelen, sondern würden vom Feuer verursacht, „welches mit Gewalt durch die enge Gänge und harte Felsen und Klüff ten streichet/ und also ein Gethön oder grewlich Geleut machet/ welches die Inwohner geheulet nennen“. 11 Berichte über Geisterbegegnungen in der Nähe von Vulkanen sieht er pragmatisch: „dann in der Erden sonsten auch vielerhand Geister gefunden und gesehen werden/ welches den Bergleuten nichts frembds oder ein ungewohntes Ding ist“. 12

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Gedanken zur Lagerstättenbildung Glauber bekennt sich, wie vor ihm auch Sendivogius und Maier, in der Sulfur-Merkur-The-

orie zum Konzept des „allgemeinen Samens“. Das heißt, dass er die einzelnen Metalle nicht als unveränderliche Substanzen betrachtet, sondern als graduell ineinander übergehende Entwicklungsstufen ein und desselben allgemeinen Metallischen. Das bedeutet für ihn al-lerdings nicht, wie es etwa Michael Maier sieht, dass das erste Vorprodukt immer die ver-schiedenen Erze des Bleis seien 13, des Metalls, das man für das „unterentwickeltste“ hielt. Für Glauber entstanden gleich die Erze der verschiedenen Metalle, je nach dem Ort, an dem die Metallbildung stattfand. Es beginnt nach seiner Ansicht alles im Wässrigen, die Erze zeigen sich zuerst als Schlämme, und mit zunehmender Reife verfestigen sie sich immer mehr und werden metallähnlicher:

„So bald nun ein sulphurischer Geist sich mit dem Wasser vermischt/ so ist es kein ge-mein Wasser/ sondern allbereit ein Anfang metallischer Gebärung/ und erlanget von den Philosophis den Namen Mercurium, aber nicht solchen zu verstehen, welcher lauff t und allbereit metallisch ist/ sondern an Gestalt eines viscosischen Wassers/ von den Bergleuten Gur genant/ welcher/ so er in einem bequemen Ort ligt/ und mit gebührlicher centrali-scher Wärme und Feuchtigkeit erhalten/ in ein Metall durch lange Zeit geboren wird“. 14

So stellen die verschiedenen Verfestigungsstufen von Erzen die Stadien einer Art „Emb-ryonalentwicklung der Metalle“ dar. Ist die Stufe des Metalls erreicht, ist die Frucht reif und kann geboren werden. Doch genau wie Früchte von Bäumen auch überreif werden können und dann zerfallen, so können auch „reife“ Erze sich wieder zersetzen. Glauber spielt dabei off ensichtlich auf die Oxidationszone bzw. Auslaugungszone von Lagerstätten im Grundwas-serbereich an. Als „Same“ der Metalle betrachtet Glauber Licht und Wärme, die von der Sonne und den anderen Himmelskörpern auf die Erde strahlen. Etwas weiter ausholend, gibt er dem Leser einen Einblick in die zu seiner Zeit herrschenden Fortpfl anzungstheorien 15 :

Die höheren Tiere pfl anzen sich durch ihren Samen fort. Auch bei den Pfl anzen geht die Vermehrung über das, was Samen genannt wird, die Entsprechung zum weiblichen Tier wäre dann allerdings die Erde. Wenn sogar ohne Säen aus der Erde Kräuter sprießen, sei dies

„auß Eigenschaff t der Elementen; welche noch Macht haben auß eygener Kraff t die leere Erden zu schwängern/ und auß ihr Kräuter herfür zu bringen; Gleichwie sie auch dieselbe von Anfang der Welt durch solche Weiß gezeuget und herfür gebracht hat. Ebe-ner Massen haben auch die animalien zweyerley Herkommen/ als erstlich ihren ange-bohrnen Saamen/ dardurch sie fortgepfl anzet werden/ und gleichwol auch viel kleine Gethierlein durch die Putrefaction (= Fäulnis) ohne Saamen/ und allein durch Wirkung der Elementen/ gleich von den Vegetabilien gesagt“. 16

Analog würden auch die Metalle auf zweierlei Weise entstehen: „Nemlich die erste allgemeine Schwängerung/ welche im Anfang der Welt durch die

Astra (= Sterne) geschehen; die andere aber, welche noch täglich geschiehet.“ 17 Und auch das lässt er nicht gelten, dass man den Samen der Metalle nicht sehen könne:

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der Same der Metalle sei eben geistig, so wie bei der Urzeugung von Pfl anzen und Tieren aus den Elementen:

„Und ist gleichsam der Geist an statt deß Saamens/ und das subjectum (= Gegenstand) an statt der Erden oder Mutter/ in welcher der Saame oder Geist zu einem begreifl ichen Wesen/ nach seiner Art und Gestalt/ außgebrütet und gezeitiget wird.“ 18

Ein anderer zeitgenössischer Einwand, mit dem er sich auseinandersetzt, lautet: Da die sie-ben Metalle Silber, Quecksilber, Kupfer, Gold, Eisen, Zinn und Blei den sieben „klassischen Pla-neten“ Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn zugeordnet sind, könne doch jedes Metall durch die Strahlung des entsprechenden Himmelskörpers entstanden sein und nicht aus einer einheitlichen Strahlung. Dies lehnt Glauber ab, und er hat gleich mehrere Ge-genargumente: Es gebe ja außer den klassischen Metallen auch noch das Zink, das Bismut, das Antimon und das Kobalt, und wenn die Theorie stimmte, müsste es ja für diese auch noch Planeten geben – die aber nicht bekannt sind. Außerdem kämen die Metalle in der Erde nur selten ganz alleine, sondern meist in Begleitung anderer Metalle vor:

„Wann dann dem also wäre/ daß ein jedweder Planet sein eigen Metall generirte/ wie kommt dann das ander darzu?“ 19 „...so es also wäre/ daß ein jedweder Planet sein besonder Metall generirte/ er auch ohne zweiff el einen besondern Ort darzu erwehlen/ und nicht leiden würde/ daß ihm ein anderer in sein Nest käme/ und sein Vorhaben verhinderte.“ 20

Glauber fasst zusammen: „Bleibe derhalben darbey/ und sage/ daß alle Metallen/ und halbe Metallen oder Mineralien ihren Ursprung allein auß einem Samen oder Wurzel haben/ und ihre unterschiedliche Arten und Gestalten allein accidentaliter verursachet werden: dann/ wann die Astra ihre Kräff te zusammen in das centrum terrae werff en/ so bleiben sie nicht einsam/ sondern gehen durcheinander vermischt wieder zurück in die Klüff te der Gebirge/ suchen einen Ort da sie Ruhe haben/ und ein corpus an sich nehmen mögen; fi nden sie dann einen reinen und bequemen Ort/ so wird auch ein rein Metall generiret/ fi nden sie aber einen unreinen Ort/ so wird auch ein grob unrein Metall: und ist ein solcher Ort/ da sich die syderische Kräff te/ welche von dem centro terrae zurück gehen/ hinbegeben/ einer [Ge]Bärmutter eines Th iers zu vergleichen/ welche den Saamen von dem männlichen Th eil empfähet/ und ein corpus darauß formiret/ dasselbe nehret/ und zur Vollkommenheit außbrütet und zeitiget: Die astralische (d. h. den Sternen zuge-ordnete) Geister aber sind anstatt deß männlichen Saamens/ welcher durch zuthun einer feuchten Erden in den Klüff ten/ als seiner matrice, angenommen/ gespeiset/ und in man-cherley metallische Gestalten und greiffl iches Wesen/ nach Gelegenheit oder Reinigkeit deß Orts formiret werden: und werden also auß einem Saamen accidentaliter vielerley Gestalten der Metallen generiret.“ 21

Die Sonne scheine auch auf die Erdoberfl äche, und auch dort würden auf dieselbe Weise Metalle entstehen. Als Beispiel führt er das Gold an, das aus Flüssen und Bächen gewaschen

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wird. 22 Bei einigen solchen Lagerstätten sei zwar erkennbar, dass das Gold aus dem Gebirge stamme, es gebe aber auch Vorkommen von goldhaltigem Sand auf Hochebenen, zu denen keine Flüsse führten. Als Beispiel erwähnt er Goldlagerstätten bei den „Indianern“, aus denen das von der niederländischen ostindischen Kompanie gehandelte Gold stamme. 23 Hier kom-me nur die Sonne als Urheber der Metalle in Frage. Auch das Salz werde durch die Sonne im Wasser erzeugt 24, als erste zarte Bildung von gelöstem Feststoff . Das Meer im kalten Nord-europa (er meint wohl die Ostsee) sei schließlich relativ salzarm, das Meer im Süden schon salzreicher, am salzreichsten sei das Meer bei Indien, wo am Ufer Salz aufgesammelt werden könne. 25 Schließlich werde auch die Bildung des Torfs in der Erde von der Sonne bewirkt, dieses Heizmaterial enthält schließlich Energie. Der oberfl ächennahe Torf gebe dabei mehr Wärme als der in größerer Tiefe gestochene, nach Glaubers Ansicht wieder ein Hinweis auf die Wirkung der Sonne.

Die Erde als Gesamtorganismus Glauber betrachtet die Erde als eine Art Lebewesen, von Pfl anzen und Tieren nicht grund-

sätzlich unterschieden, sondern nur dadurch, dass alle Lebensvorgänge sehr viel langsamer abliefen:

„Nemblich daß der ganze Erdboden anders nichts ist/ als ein grosses Th ier/ wie er dann von den alten und jüngern philosophis allzeit magnum animal ist genennet worden; und hat solches grosse Th ier/ welches auch macrocosmus genennet/ eine Vergleichung mit dem Menschen oder microcosmo; Dann alles was in dem Menschen oder kleinen Welt befun-den/ lässt sich auch in der grossen Welt sehen ... In einem Menschen befi nden sich erstlich sieben Haupt-Glieder, Als Herz/ Hirn/ Leber/ Lung etc. auch Blut und Senadern, harte und weiche Bein und vielerhand musculen und ligamenten ...; außwendig ist er mit Haar bewachsen/ darinn sich kleine Th ierlein/ als Läuß und Flöhe auff halten; welche Glieder dann in dem Erdboden (wann er ein grosses Th ier seyn soll) ebener massen seyn müssen ... dann das centralische Fewer in dem Erdboden/ welches von dem öbern Gestirn hinunter gewircket und angezündet wird/ ist wie das Herz in einem Th iere zu rechnen/ welches auch allzeit warm ist/ und durch seine warme und lebendig machende spiritus den ganzen Leib erhält; Und gleich wie sich in einem Th ier das Blut in Adern durch den ganzen Leib hin und her außtheilet/ solchen zu erhalten: Also auch die Metallen in der Erden: dann wann das centralische Herz-Fewer in der Erden nicht solche kräff tige warme Geister von sich gebe/ und den Erdboden damit erwärmete/ so würde alles todt und unfruchtbar seyn/ und ganz nichts drauff wachsen können; Nun aber solches ge-schiehet/ so ist die Erde fruchtbar/ und bringet Bäume und Hecken/ Kraut und Graß/ zu Erhaltung der Th ier/ reichlich herfür; und sind also die vegetabilia, mit all den Th ieren/ welche sich darvon nehren/ nur dem eussersten und geringsten Th eil des grossen Th iers oder ganzen Erdbodens/ die Metallen aber dem besten Geblüt desselben/ zuvergleichen: Dann eben also und auff solche Gestalt/ wie die Blut-Adern in deß Menschen Leib sich außtheilen/ zu unterst einen dicken Stamm haben/ von welchem andere Stämme neben

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auß gehen/ welche dünner seyn/ und wieder dünnere von sich geben/ und also biß zu den allerkleinsten Sprösslein oder Aederlein einem Baum gleich sich zerspreiten und außtheilen; also auch die Metallen in der Erden thun: Dann nach dem die syderische Kräff ten von oben herab durch den ganzen Erdboden unsichtbarer Weise biß zu dem centro kommen/ und wegen der grawsamen Hitze daselbsten nicht bleiben können/ brel-len sie zurück/ und gehen auß dem leeren Ort/ da nichts ruhen oder bleiben kan/ in die circumferenz/ und machen daselbst auß einer bequemen Feuchtigkeit ein solidum und compactum corpus metallicum, auß welchem dann unzehlich viel Gewächse/ den Blut-Adern oder Bäumen gleich/ rings herumb außschiessen/ fortwachsen und sich durch den ganzen Erdboden außbreiten/ also dass auch die eusserste Gipff el solcher Metallischen Bäumen oder Gewächsen bißweilen biß in das öberste Th eil der Erden sich erstrecken/ da sie sich dann den Menschen off enbahren“. 26

Abb. 2: Mutter Erde, Emblem II aus dem Buch „Atalanta Fugiens“ von Michael Maier (Quelle: SLUB Dresden)

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Einschätzung aus heutiger SichtWir lächeln vielleicht angesichts Glaubers Beschreibung der Erde als eines Gesamtorganis-

mus, aufgebaut analog einem Menschen oder einem höheren Tier, bis hinein in Details wie den Läusen, die beim Menschen zwischen den Haaren umherwandern wie die Tiere auf der Erde zwischen den Bäumen. Doch im heutigen Zeitalter der Ökologie, in dem man sich im-mer mehr bewusst ist, wie sehr alles mit allem verbunden ist, nehmen solche Vorstellungen auf anderer Ebene wieder Gestalt an. Wir wissen, dass die Lebewelten der Erde miteinander sowie mit der Wärmeverteilung und anderen Klimafaktoren in vielfältiger Hinsicht verfl och-ten sind. Dieser Organismus Erde als ganzer zeigt Verhaltensweisen, die mit Lebensprozessen verglichen werden können. Die Lebensprozesse wie die geologischen und Mineralbildungs-prozesse werden durchfl utet und bewegt von Energieströmen. Und wenn wir auch nach dem heutigen Stand der Geologie wissen, dass die Wärme des Erdinneren nicht von der heutigen Strahlung der Sonne kommt, so ist doch für Glauber wie für uns die Sonne das große Sinnbild für Licht und Wärme. In den Details der Einzelfakten hat die Menschheit seit Glauber sich einen großen wissenschaftlichen Schatz hinzu erobert. Seinen damaligen Gesamtüberblick, der auch das Gemüt mit einschließt, müssen wir heute hingegen erst wieder lernen.

1 Aristoteles, Meteorologie, z. B. herausgegeben von Paul Gohlke, Schöningh Paderborn 1955, S. 136/137

2 Glauber, Johann Rudolph: Opera Chymica, Frankfurt am Main 1658, S. 337–365

3 Von dem Rechten wahren Philosophischen Stein: Zwölff Tractätlin in einem Wercklin verfasset und begriff en … Straßburg 1613, S. 14–16

4 Maier, Michael, „Memoriale“ an Landgraf Moritz den Gelehrten, Kassel, Murhardsche Bibliothek, Handschriftensammlung, Signatur 2° MS Chem 19, Blatt 279/2

5 Glauber, Johann Rudolph: Continuatio Miraculi Mundi, in: Opera Chymica, Frankfurt am Main 1658, S. 231–237

6 Glauber, Johann Rudolph: Operis Mineralis Ander Theil, in: Opera Chymica, Frankfurt am Main 1658, S. 341/342

7 ebd. S. 342

8 ebd. S. 344

9 ebd. S. 342

10 ebd. S. 345

11 ebd. S. 346

12 ebd. S. 346

13 siehe auch Maier, Michael, „Memoriale“ an Landgraf Moritz den Gelehrten, Kassel, Murhardsche Bibliothek, Handschriftensammlung, Signatur 2° MS Chem 19, Blatt 279/2

14 Glauber, Johann Rudolph: Operis Mineralis Ander Theil, in: Opera Chymica, Frankfurt am Main 1658, S. 357

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15 ebd. S. 349/350

16 ebd. S. 349

17 ebd. S. 349/350

18 ebd. S. 349

19 ebd. S. 353

20 ebd. S. 354

21 ebd. S. 354/355

22 Zinnschlacke war für Glauber ein Ausgangsstoff für die Goldgewinnung. Der Prozess baute darauf auf, dass das Gold „nachwuchs“.

23 ebd. S. 358

24 Glauber, Johann Rudolph: De Natura Salium, in: Opera Chymica, Frankfurt am Main 1658, S. 460/461

25 ebd., S. 444/445

26 ebd., S. 350–352

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