Die Geschichte des frühen Christentums im Gebiet zwischen Sirmium und Aquileia im Licht der neueren...

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Klio 72 (1990) 2 507 So könnte man auch erklären, warum Julian die alte Tradition, daß die Geburt und der Tod des Quirinus in der Zeit einer genauen Konjunktion der „Kräfte" der Sonne und des Mondes geschahen, erwähnt (154 c-d). Auch in der Unter;;eilung des Zodiakalkreises in „Kräfte" von zwölf Göttern (148 c) ist es das Wort „Kräfte", das eine astrologische Deutung der Stelle gibt, umso mehr als diese Unterteilung sich auf jedes Tierzeichen erstreckt, so daß wir schließlich 36 Teile, die sogenannte Dekanen, erhalten. Julian nennt sie nicht mit diesem Namen, aber die Bedeutung ist dieselbe. Es ist auch wahr, daß es in der alten Astrologie nur sieben Götter-Planeten gibt, deren Kräfte in den zwölf Tierzeichen in bestimmter Weise verdeutlicht werden.28 Vielleicht hat Julian eine astrologische Bedeutungs- erweiterung der schon existierenden verschiedenen Beziehungen der zwölf olympi- schen Götter mit den zwölf Tierkreiszeichen machen wollen.29 Den theoretischen Grund dieser Auffassung würde ich in den Eigenschaften des J,ichtes sehen. In denselben Bereich der Astrologie gehört der Einfluß der Aphrodite (150 b-c), ebenso auch die Behauptung, daß die Sonne die Güter, die die anderen sichtbaren Götter (d. h. die Planeten) uns geben, vollendet. Es gibt auch Götter, die die vier- fache Natur der . Elemente regieren (151 b). Es ist sicher so, daß ein argumentum ex silentio nicht sehr stark ist, doch kann ich nur an die astrologische Unterteilung des Tierkreises in vier Gruppen, nach den vier primären Elementen, denken.30 Das beste Argument für die Astrologie ist das Ende der Rede, wo J ulian wünscht, daß die Sonne ihm ,das Schicksal des sanftesten Todes zu gegebener Zeit' gebe dμocpp.tY"l)V lx 't'OÜ ßlou 7tpOCÜ't'OC't'"/)V ev XOCLP0 't'0 (158 b). Man soll nicht erwarten, daß Julian sich für die Astrologie, die seit dem. 1. Jh. ein Thema für Dispute war, klar ausspricht. Auf der einen Seite ließ man Edikte ergehen, um ihre Ausübung zu begrenzen oder sie zu verdammen, auf der anderen Seite hatten die Astrologen staatliche Unterstützung, wie z.B. durch Kaiser Severus Alexander (222- 235), der staatliche Löhne an die Professoren der Astrologie am Athenaeum, der kaiserlichen Universität in Rom, hezahlte.31 Die Tatsache allerdings, daß ein Priester des Mithras sich stolz als studiosus astrologiae bezeichnete,32 verstärkt die Meinung, daß die Astrologie ein grundlegendes Prinzip des Kultes des Mithras war,33 und entkräftet die entgegengesetzte Auffassung.34 28 Ptol. te tr. 1, 17 (pp. 78-82 Robbins). 2 9 Saloustios, Des Dieux et du monde, trad. par G. Rochefort, Bude, Paris 1960, Kap. 6, 2- 5 (S. 9-10). 3 0 Ptol. tetr. 1, 18 (pp. 82-86 Robbins). 3 1 F. H. Cramer, Astrology in Roman 1aw and politics, Philadelphia 1954, 297. 3 2 Ebd. 33 Wüst (s. Anm. 13) 2140; Beck (s. Anm. 18) X-XIII. 34 Merkelbach (s. Anm. 14) 200. ·

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So könnte man auch erklären, warum Julian die alte Tradition, daß die Geburt und der Tod des Quirinus in der Zeit einer genauen Konjunktion der „Kräfte" der Sonne und des Mondes geschahen, erwähnt (154 c-d).

Auch in der Unter;;eilung des Zodiakalkreises in „Kräfte" von zwölf Göttern (148 c) ist es das Wort „Kräfte", das eine astrologische Deutung der Stelle gibt, umso mehr als diese Unterteilung sich auf jedes Tierzeichen erstreckt, so daß wir schließlich 36 Teile, die sogenannte Dekanen, erhalten. Julian nennt sie nicht mit diesem Namen, aber die Bedeutung ist dieselbe. Es ist auch wahr, daß es in der alten Astrologie nur sieben Götter-Planeten gibt, deren Kräfte in den zwölf Tierzeichen in bestimmter Weise verdeutlicht werden.28 Vielleicht hat Julian eine astrologische Bedeutungs­erweiterung der schon existierenden verschiedenen Beziehungen der zwölf olympi­schen Götter mit den zwölf Tierkreiszeichen machen wollen.29 Den theoretischen Grund dieser Auffassung würde ich in den Eigenschaften des J,ichtes sehen.

In denselben Bereich der Astrologie gehört der Einfluß der Aphrodite (150 b-c), ebenso auch die Behauptung, daß die Sonne die Güter, die die anderen sichtbaren Götter (d. h. die Planeten) uns geben, vollendet. Es gibt auch Götter, die die vier­fache Natur der. Elemente regieren (151 b). Es ist sicher so, daß ein argumentum ex silentio nicht sehr stark ist, doch kann ich nur an die astrologische Unterteilung des Tierkreises in vier Gruppen, nach den vier primären Elementen, denken.30

Das beste Argument für die Astrologie ist das Ende der Rede, wo J ulian wünscht, daß die Sonne ihm ,das Schicksal des sanftesten Todes zu gegebener Zeit' gebe ('t~V dµocpp.tY"l)V lx 't'OÜ ßlou 7tpOCÜ't'OC't'"/)V ev XOCLP0 't'0 7tpoc;~)(.OV'tL) (158 b).

Man soll nicht erwarten, daß Julian sich für die Astrologie, die seit dem. 1. Jh. ein Thema für Dispute war, klar ausspricht. Auf der einen Seite ließ man Edikte ergehen, um ihre Ausübung zu begrenzen oder sie zu verdammen, auf der anderen Seite hatten die Astrologen staatliche Unterstützung, wie z.B. durch Kaiser Severus Alexander (222- 235), der staatliche Löhne an die Professoren der Astrologie am Athenaeum, der kaiserlichen Universität in Rom, hezahlte.31 Die Tatsache allerdings, daß ein Priester des Mithras sich stolz als studiosus astrologiae bezeichnete,32 verstärkt die Meinung, daß die Astrologie ein grundlegendes Prinzip des Kultes des Mithras war,33 und entkräftet die entgegengesetzte Auffassung.34

28 Ptol. t etr. 1, 17 (pp. 78-82 Robbins). 29 Saloustios, Des Dieux et du monde, trad. par G. Rochefort, Bude, Paris 1960, Kap. 6,

2- 5 (S. 9-10). 30 Ptol. tetr. 1, 18 (pp. 82-86 Robbins). 31 F. H. Cramer, Astrology in Roman 1aw and politics, Philadelphia 1954, 297. 32 Ebd. 33 Wüst (s. Anm. 13) 2140; Beck (s. Anm. 18) X-XIII. 34 Merkelbach (s. Anm. 14) 200. ·

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RAJKO BR.ATOZ

Die Geschichte des frühen Christentums im Gebiet zwischen Sirmium und Aquileia im Licht 'der neueren Forschungen ·

Mit diesem Beitrag haben wir die Absicht, auf einige Fragen hinzuweisen, die in den letzten drei Dezennien bei der Erforschung der Geschichte der frühchristlichen Epoche im Westbalkan- und Nordadriaraum im Vol'dergrund stehen. Für einige wurden in letzter Zeit neue Lösungen vorgeschlagen, auf andere wurde nur hingewieseli, und sie haben in der Wissenschaft ·noch keine Lösungen bzw. Erklärungen gefunden. Diese Fragen sollen unter dem Aspekt der gegenseitigen Einflüsse seitens der Hauptzentren des Christentums am Rande dieses Raumes behandelt werden, jener Hauptzentren, die in der Spätantike die Entwicklung des Christentums in diesem Raum wesentlich be­stimmt haben.

1. Die Zeit vor Konstantin

Am Rande des verhältni~mäßig schwach urbanisierten, wirtschaftlich und kulturell relativ rückständigen Westbalka;nraumes bildeten sich in der vorkonstantinischen Zeit an wirtschaftlichen Knotenpunkten mit Großstadtcharakter drei starke Zentrei1, von denen die Verbreitung des Christentums ausging: Sirmium als Zentrmn des Zweiten Pannoniens, später auch der pannonischen Diözese und der illyrischen Präfek­tur, wo im 3. und 4. Jh. der Kaiserhof oftrhals weilte; Salona als Hauptstadt Dal­matiens; und Aquileia am nordöstlichen Rand Italiens als Hauptstadt von Venetia et Histria, eine Stadt, die dank ihrer Lage zwischen Italien und illyricum eine Vermitt­lerin von Einflüssen und kirche~politischen Strömungen auf der Verbindungslinie lliyricum - Italien war.1 Während der Entstehung dieser christlichen Gemeinden und

t Die ausführlichste Darstellung d er Geschichte Sirmiums gibt M. Mirkovic, Sirmiun~ - its history from the I century A. D. to 582 A. D„ in: Sirmium 1 CBeograd 1971), 5- 60; vor allem 33ff. (ohne die Geschichte d es Christentums). Kürzer N. Duval, Sirmium "ville imperiale" ou "capitale"?, in: XXVI. Corso di cultura sull'arte Ravennate e Bizantina, Ravenna 1979, 53-90. Zur Geschichte Salonas s. J. J. Wilkes, D almatia, London 1969, 220-238 und 416ff.; Disputationes Salonitanae 1970 (Split 1975) ; Disputat iones Saloni· tanae 2 (VAHD 77 [1984]); bibliographische Angaben bei E. Marin, in: F. Bulic, Po rusevinama stare Salone ('Par les ruines del'antique Salone '), in: VAHD Suppl. 79 [1986], 182-183. Zur Geschichte Aquileias, über die eine umfangreiche Literatur vorliegt (S. Piussi, Bibliografia aquileiese, in: AAAd 11 [1978], 93ff.) s. unter den neueren Werken die Kollektivarbeit Da Aquileia a Venezia. Cultura, contatti e tradizioni, Milano 1980. Über die Beziehungen Aquileias zu den verschiedenen Teilen d es Imperium Romanum (Norditalien, Rom, Ravenna, Afrika, Gallien, Ostalpenraum, Orient , Dalmazien, Ostbal-

. kan) s. die Sammelbände AAAd 2, 4, 5, 9, 12, 13, 19, 26, 28, 30 (1972-1987) und R.

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der Mission auf dem Gebiet, das unter dem Einfluß dieser Zentren stand, machte sich der ausgesprochene Durchzugscharakter dieses Gebietes in Missionsströinungen be­merkbar, die in verschiedenen Teilen des Reiches ihren Ausgang genommen hatten: aus Kleinasien (spürbar in Sirmium), aus Syrien und Ägypten (vor allem in Salona) sowie aus dem Osten, aus Afrika und Rom (in Aquileia).2 Wiesen auch die ersten christlichen Gemeinden einen unterschiedlichen Charakter auf, so kam es in den christlichen Ge­meinden, die sich unter dem Einfluß dieser Zentren herausbildeten; zu einer interes­santen Synthese.3

Vom Anfang des 4. Jh. an, wo diese Zentren des Christentums schon relativ stark ausgeprägt waren, bis zum beginnenden 5. Jh„ wo ein allmählicher Rückgang zuerst Sirmiums und dann Aquileias einsetzte, können wir auf Grund - allerdings spärlicher -

Bratoz, Povezave med · Trakijo in severnojadranskimi dezelami v pozni antiki, 111:

ZÖ 42 [1988), 487..:._504. . 2 Über die Anfänge des Christentums in Sirmium s. neben den älteren Arbeiten (D.

Farlati- J. Coleti, Illyricum. sacrum 7, Venetiis 1817, 465ff.; J. Zeiller, Les origines chretiennes dans les provinces danubiennes de l'Empire romain, Paris 1918, 31 ff.) Duval 79ff. Über die Anfänge des Christentums in Salona s. J. Zeiller, Les origines chre­tiennes dans la province romaine de Dalmatie, Paris 1906 (Roma 21967), 6ff.; A. M. Strgaöio, Krscanstvo u rimskoj provinciji Dalmaciji do Milanskog · edikta 313 (,Das Christentum in der röm. Provinz Dalmatien bis zum Mailänder Edikt 313'), Sibenik 1941; E. Dyggve, History of Salonitan Christianity, Oslo 1951. Über die Anfänge des Christen­tums in Aquileia s. G. Cuscito, Cristianesimo antico ad Aquileia e in Istria, Trieste 1977; ders., Fede e politlca ad Aquileia: Dibattito teologico e centri di potere (secoli IV-VI), Udine 1987; S. Tavano, Aquileia, in: RAC Suppl. 1 (1986), 522-553; R. Bratoz, Krscanstvo v Ogleju in na vzhodnem vplivnem obmoöju oglejske cerkve od zacetkov do Iiastopa verske svobode ('Christianity in Aquileia and the Eastern Influential Area of the Aquileian Church fro1n Its Beginnings to ·the - Introduction of Religions Freedom'), in: Acta Ecclesiastica Sloveniae 8, Ljubljana 1986·.

3 Das Konglomerat der Einflüsse, die von Kleinasien über Syrien, Ägypten, Afrika und Rom bis nach Südgallien reichen, spiegeln die Schriften des ersten kirchlichen Schrift­stellers aus den Balkan- und Donauprovinzen wieder, des Victoi'inus von Pettau (hrsg. von J. Haussleiter, in: CSEL 49 (1916); vgl. Bratoz, Krscanstvo 276-335). Kürzere oder längere Übersichten zur Geschichte d es Christentums für die Westbalkan- und Donau­provinzen liefern neben den in Ani:n. 2 ·angeführten Werken und umfassenderen enzy­klopädischen Stichworten (H. Leclercq, in: DACL 7, 1 (1926), 89-180 s. v. Illyricum; idem, in: DACL 4, 1 (1920), 21-111 s. v. Dalmatie; A. Lippold - E. Kirsten, in: RAC 4 (1959), 147-189 s. v. Donauprovinzen) folgende Arbeiten und Artikel: für Österreich R. Noll, Frühes Christentum in Österreich, Wien 1954; P. F. Barton, Die Frühzeit des Christentums in Österreich und Südos~mitteleuropa bis 788, Wien - Köln - Graz 1975 ;R~ Pillinger, Christenverfolgung und „Tempelsturm" in der Austria Romana, in: Wellen der V erfolgung in der österreichischen Geschichte. Schriften des Institutes für

· Österreichkunde 48 [1986], 5- 17. Für das slowenische Gebiet R. Bratoz, Das Christen­tum in Slowenien in der Spätantike. Ein geschichtlicher Abriß, in: Kulturhistorische und archäologische Probleme des Südostalpenraumes in der Spätantike, hrsg. von H. Graßl, Wien - Graz - Köln 1985, 32- 54; idem, 'Krsöanstvo 167-189, 329ff.; idem, Die Entwicklung der Kirchenorganisation in den Westbal~anprovinzen (4. bis 6. Jahr­hundert), in: Das Christentum. in Bulgarien und auf der übrigen Balkanhalbinsel in der Spätantike und im frühen Mittelalter, hrsg. v. V. Gjuzelev - R. Pillinger, Wien 1987, (Miscellanea Bulgarica 5), 149- 196. Für das Gebiet Pannoniens (bes. den ungarischen Teil) s. E. B. Thomas, Das frühe Christentum in Pannonien im Liebte der archäologischen Funde, in:. Severin zwischen Römerzeit und Völkerwanderung (Katalog d er Ausstellung Enns 1982), Linz 1982, 255- 293; für das nordkroatische Gebiets. B. Viki6-Belanöic, E lementi ranog krsoanstva u sjevernoj Hrvatskoj ('Les elements du christianisme primitif en Croatie septentrioriale'), in: AV 29 [1978]~ 588- 606.

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Quellen die Beziehungen zwischen diesen Zentren verfolgen, vor allem zwischen Sirmium und Aquileia, die für die Erforschung der Geschichte des Christentums auf dem Westbalkangebiet eine wichtige Schlüsselstellung einnehmen.

Enge Beziehungen zwischen Aquileia und Salona lassen sich schon in der vorkon­stantinischen Zeit verfolgen; sie bestanden wahrscheinlich seit den ersten Anfängen der Mission im Adriagebiet, 4 besonders deshalb, weil die Städte an demselben Handels­und vermutlich auch Missionsweg lagen, der vom Osten her führte .5 Persönliche und kirchenpolitische Beziehungen zwischen den beiden christlichen Gemeinden sind für die Zeit der Tetrarchien durch zwei Quellen belegt: erstens durch die Legende über den hl. Anastasius aus Aquileia, der im August 304 zum Märtyrer von Salona wurde ;6 und zweitens durch einen Bericht aus ziemlich späten Quellen, denen zufolge unge­fähr zur gleichen Zeit (November 303 n in Aquileia der Bischof Chrysogonus II., ge­bürtiger Dalmatiner, gemartert wurde.7 Berücksichtigen wir die Tatsache, daß in der Zeit vor Konstantin Salona die einzig bekannte organisierte christliche Gemeinschaft in Dalmatien war, so können wir annehmen, daß der Bischof von Aquileia aus der christlichen Gemeinde Salonas stammte, aus der auch zu jener Zeit erstmals ein Papst, Gaius (283-296), hervorging.8

Die Verbindungen zwischen Sirmium und Salona waren zu dieser Zeit nicht be­sonders intensiv. Sie zeigen sich in zwei Tatsachen: Fast sicher besteht ein Zusammen­hang zwischen dem Bau der Liciniusthermen in Sirrnium und den Steinbrüchen auf der Insel Brac in der Nähe Salonas, wo capitella columnarum ad t(h)errna8 Licinian(a)8 in Sirmium (?) hergestellt wurden.n Auf Grund der Erzählung der pa88io 88. qulittiior

4 Bratoz, Krscanstvo 40 f. 5 G. U ggeri, Relazioni marittime tra Aq uileia, la Dalmazia e Alessandria, in: AAAd 26 [ 1985 ],

159-182; G. Fedalto, Dalla predicazione apostolica in Dalmazia ed Illirico alla tradizione marciana aquileiese. Considera.zioni e problemi, in: AAAd 26 (1985], 237-259.

6 AA SS Sept. III, 1868, 22- 23; eine Analyse der Legende und der ander en Quellen geben Zeiller, Les origines (Dalmatie) 55-64; R. Egger, Forschungen in Salona 3, Wien 1939, 131-148; Strgacic 40-48; Bratoz, Krsöanstvo 229-233; A. Niero, Sant i aquileiesi e veneti in Dalmazia., in: AAAd 26 [1985], 264-275 (mit Zweifeln über die aquileische Her­kunft des Märtyrers); D. Rendic-Miocevic, Anastasio "aquileiese", martire a Salona, e il ciniitero ehe da lui prende nome, in: AAAd 26 [1985], 315-329; V. Saxer, Les saints de Salone. Examen critique de leur dossier, in: U sluzbi covjeka ('Im Dienst des Menschen'), Zbornik F. Franica, Split 1987, 293-325, bes. 309ff.

7 Chronicon Venetum. (vulgo Altinate), ed. H. Simonsfeld, in: MGH Script. 14 (1883), 37 ( =Ürigo civitatum Italiae seu Venetiarum, ed. tertia, ed. R. Cessi, Roma 1933, 162); Dandulus, Chronica per externmm descripta, aa. 295 ss. (ed. E. Pastorello, Rerum Ital. script. 12, 1, Bologna 1938, 27f.). Während die angeführten Quellen zwei Chrysogoni erwähnen, den einen aus Thrakien, den anderen aus Dalmatien stammend, ist jedoch nur der Kult e ines Märty rers Chrysogonus, eher der des Dalmatiners , bekannt. Über d en Kult des hl. Chrysogonus in Aquileia s. A. Niero, I martiri aquileiesi, in: AAAd 22 (1982], 158ff.; G. Cuscito, II culto di S. Crisogono fra Aquileia e Roma , in : AAAd 30 (1987], 255-274; Bratoz, Krscanstvo 214-221; idern .. Povezave (s. Anm. 1), 494ff.

8 Liber Pontificalis 1, ed. L. Duchesne, Paris 21955, 161. Die christliche Gemeinde von Aquileia soll schon Mitte d~s 2. Jh. ihren ersten Papst gestellt haben (Pius I., 141-155; s. Lib. Pont. 1, 132f.). Pius und Gaius waren in der Antike die einzigen Päpste aus dem behandelten Gebiet; der nächste war erst der Dalmatiner Johannes IV. (640-642; Lib. Pont. 1, 330). Zu Gaius vgl. auch F. Bulic, Sv. Kajo, papa i konfesor ('Der Hl. Gaius, P·apst und Confessor'), in: Izabrani spisi, Split 1984, 393-402 (kroatische Übersetzung des ital. Artikels in: Bulletino di archeologia. e storia dalmata 39 [1916], 91 ff.); zu Pius I. vgl: Bratoz, Krscanstvo 80ff.

9 CIL III 10107 (=Dessau, ILS 3458); vgl. Mirkovic, Sirmium (s. Anm. 1), 37; V . Popovic,

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coronatorum besteht ebenso die Möglichkeit einer Verbindung zwischen den panno­nischen Steinbrüchen in der Nähe Sirmiums und dem Bau des Diokletianspalastes in Split (Aspalathos) in der Nähe Salonas.10

Für die Zeit der Christenverfolgungen werden wir die Fragen der ein~elnen Märtyrer oder Märtyrergruppen außer Betracht lassen 11 und nur die allgemeinen Probleme auf­werfen: die Zahl der Opfer, die Frage nach den Verfolgern, die Datierung der Verfol­gung und besonders deren Ende.

Die Zahl der aus dem behandelten Gebiet bekannten Märtyrer ist nicht besonders groß. Für Aquileia sind nur elf Opfer unter den Christen nach verläßlicher Überlie­ferung auszumachen.12 Diese Zahl ist praktisch gleich für Salona (neun, bzw. mit den möglichen weiteren zwölf)13 und mindestens zwei Mal so groß für Sirmium (vierund­zwanzig).ili Aus den diesen Metropolen administrativ unterstellten Gebieten sind an Märtyrern bekannt: Aus Istrien einschließlich der Region um Ernona mindestens sieben

A survey of the topography and urban organisation of Sirmium in the Late Empire, in: Sirmium 1 (1971), 129; D. Boskovic - N. Duval - P. Gros - V. Popovic, Recherches archeologiques a Sirmium, in: MEFRA 8ß (1974), 608; Duval, Sirmium. (s. Anm. 1) 72.

10 F. Bulic, Proviene qualche cosa nel Palazzo di Diocleziano a Spalato, per es. qualche colonnf!-, qualche pezzo architettonico od ornamentale, qualche statua, da.He lapidicine di Sirmium (Fruska gora nella Slavonia ?), in: Bulletino di Archeologia e Storia Dalmata. 31 [1908), 111-127, bes. 124 glaubte nicht, daß in den Steinbrüchen der Fruska gora die Säulen und Statuen für den Diokletianspalast in Split hergestellt worden sind, gab aber die Möglichkeit zu, daf3 dorther kleinere dekorative Elemente gekomm.en seien; ähnlich Zeiller, L es origines (prov. danub.) 92 Anm. 3. Über die Legende und bes. den Kult der Mä1·tyrer s. J. Guyon, Les quatre couronnes et l'histoire de leur culte des origi­nes au milieu du 1xe siecle, in: MEFRA 87 [1975], 505-561 (mit reichen Literaturan­gaben).

1J Die speziellen Fragen d er vorkonstantinischen Zeit (wie z. B. die Hermagoraslegende und die Anfänge des Christentums in Aquileia, die ältesten Bischofsverzeichnisse, ein­zelne Märtyrer bzw. Märtyrergruppen) behandelten für Aquileia und Istria in letzter Zeit G. Cuscito, Cristianesimo antico (s. Anm. 2), 19'--151; idem, Il primo cristianesimo nella Venetia et Histria. Indagini e ipotesi, in: AAAd 28 (1986], 259- 309; idem, La tradizione marciana aquileiese com.e problema storiografico, in: Universita degli studi di Tl'ieste, Facolta di Magistero III/21, Miscellanea 7 (Trieste 1988), 9- 44; Bratoz, Krscanstvo 41- 267; idem, The developrnent of the early Christian research in Slovenia. and Istria between 1976 and 1986, in: Actesdu Xle Congr. intern. d'archeol. chretienne(Lyon, 1986), in; Collection de l'Ecole fran~aise de Rome 123 [1989], 2345-2388, bes. 2382ff. Ausführliche Abhandlungen wurden auch dem hl. Quirinus, den ss. quattuor coronati, dem hl. Demetrius, dem hl. Anastasius und anderen salonitanischem Märtyrern gewid­met: C. Roncaioli, S. Quirino di Siscia e la sua traslazione o. Roma. Analisi e critica d elle fonti, in: Quaderni dell 'Istituto di Lingua e Letteratura Latina (Univ. di Roma) 2-3 [1980- 1981 (1983)], 215-249; Guyon (s. Anm. 10); P. Lernerle, Les plus anciens recueils des Miracles de Saint Demetrius 1 (Le texte), 2 (Le commentaire), Paris 1979/ 1981; V. Popovic, Die süddanubischen Provinzen in der Spätantike vom Ende des 4. bis zur Mitte des 5. J ahrhunderts, in: Die Völkei· Südoste uropas im 6. bis 8. J ahrhun­dert, hrsg. von B. Hänsel (Südosteuropa-Jahrbuch 17, 1987), 95- 139; Bulic, Izabrani spisi (s . Anm. 8), 333-391, 54 7- 553; für den hl. Demetrius vgl. auch V. Tapkova­Zaimova, Le culte de saint Demetrius a Byzance et aux Balkans (Proble mes d'histoire et de culture), in: Miscellanea Bulgarica 5, Wien 1987, 139-146.

12 Bratoz, Krscanstvo 41ff. 152ff. 203-235; Cuscito, Il primo c ristianesimo (s. Anm. 11), 270-276; S. Tavano, in: RAC Suppl. 1 (1986), 540f. s. v. Aquileia.

13 Zeiller, L es origines (Dalmatie) 8 ff.; Strgacic, Krscanstvo (s. Anm. 2) 5- 70 ;. Bulic, Izabrani spisi (s. Anm. 8) 333- 391; V. Saxer, Les saints de. Salone (s. Anm. 6) . .

14 R. Egger, Der h eilige Herm.agoras. Eine kritische Untersuchung, Klagenfurt 1948, 47-50; A. M6csy, I~E Suppl. 9 (1962), 751- 752 s. v. Pannonia.

512 R. BRATOz, Fl'ühes Christentum zwischen Sil'mium ttt\d °Aquileia

sicher überliefert (einer in Tergeste, sechs in Parentium) 15 und einige weitere mögliche (je einer in Pola, Tergeste und Emona);iß aus der späteren Provinz Savia nur ein Märtyrer (der Bischof Quirinus aus Siscia, der in Savaria in Pannonia Prima hinge­richtet wurde) ;17 aus Noricum Mediterraneum (Südteil) · einer sicher bezeugt und möglicherweise ein weiterer (Victorinus von Poetovio, Maximilianus von Celeia) ;18 aus Dalmatien (außer Salona) keiner bzw. einer oder zwei in unsicherer Überlieferung aus der Nähe von Salona;rn aus Pannonia Secunda (außer Sirmium) sieben Märtyrer.20

Ersichtlich ist eine bemerkenswerte Konzentration der Martyrien in den alten Provinzhauptstädten; außerhalb von ihnen ist, abgesehen von Istrien (im Umkreis von Aquileia) und Pannonia Secunda (im Umkreis von Sirmium), die Zahl der Opfer sehr gering. Diese Tatsache spiegelt offensichtlich die Entwicklung des Christentums in diesem Gebiet wieder. Bedeutendere christliche Gemeinden bestanden damals nur in den großen Städten. Diese Gemeinden wurden scharf bewacht und waren den Ver­folgungen am stärksten ausgesetzt. Hier stellt sich die Frage nach jenen Opfern, die in den Schriftquellen nicht erwähnt >verden oder deren Tradition unklar oder zu allge­mein ist. Es gab sicher eine - uns unbekannte - Zahl weiterer Märtyrer, aber diese dürfte, zumindest im Hinblick auf das behandelte Gebiet, das allgemeine Bild nicht wesentlich verändern.21 .

Bei der Feststellung der Zahl der Opfer müssen wir auch die administrative Zuge­hörigkeit der einzelnen Gebiete in Betracht ziehen. Läßt man die vordiokletianische Zeit außer Betracht, aus der es sehr wenige zuverlässige Nachrichten über christliche Märtyrer gibt (einige wenige in Aquileia, je ein Opfer in Pannonia ·und Dalmi;i,tien),22

15 Bratoz, Krseanstvo 235-262. 1G Bratoz, Kr8canstvo 159-177. 17 Roncaioli, S. Quirino (s. Anm. 11); Pilling er, Christenverfolgung (s. Anm. 3) 11 f. 1s Bratoz, Krscanstvo 177-189. 276-335. 19 F. Bulic - J. Bervaldi, Kronotaksa solinskih biskupa (Chronologische Ordnung der

salonitanischen Bischöfe), Zagreb 1912-1913, 15-20; Buli6, Izabrani spisi (Anm. 11), 363-391 (dei· Hl. Venantius, der erste bekannte Bischof von Salona, hingerichtet in Delminium); St rgacic, Krseanstvo 64-70 (der Hl. Felix, hingericht et in Epetion bei Salona).

20 Egger, Der heilige H errnagoras 4 7-48; M6csy, in: RE Suppl. 9 (1962), 751 s. v. Pannonia. 21 Die Frage der anonymen Märtyrer stellt sich für Parentium, wo sich deren Zahl, mit

großer Wahrscheinlichkeit auch deren Nam.en, mit ·der Lokaltradition und den archäo­logischen Ergebnissen koordinieren 'lassen (vgl. R. Bratoz, Krseanstvo 254-263). Diese Frage ist wesentlich schwerer in1 Fall des Noricum Ripense in der Nachbarschaft des behandelten Gebietes zu beantworten. Die Passio Floriani 2. 10 (W. Neumüller,

. Der heilige Florian und seine „Passio ", in: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landes­archivs 10 [1971], 30. 35) erwähnt 40 anonyme Märtyrer von Lauriac um. Diese Zahl entspricht ungefähr dem Knochenfund im Reliquiar von Lorch, das die R este von mindestens 31 Personen enthält (vgl. Pillinger, Christenverfolgung 10 mit älteren Literaturangaben). Noch schwerer ist diese Frage im Fall der b eiden nordpannonischen Provinzen zu entscheiden, wo (mit Ausnahtne des Quirinus aus Siscia, der in Savaria hingerichtet wurdej, kein namentlich bekannter Märtyrer überliefert ist. Die Ziegel­inschrift aus Brigetio (SzÖny) beweist die Authentizität von mindestens zwei Märtyrern in dieser Stadt und . die Ziegelritzzeichnung eines Märtyrers aus einem Grab von Mucsfa (die Figur eines Menschen, der im Wasser steht und in der linken Hand den eigenen enthaupteten Kopf hält) eines weiteren. S. E . B. Thomas, lVIartyres Pannoniae, in: Folia Archaeologica 25 [1974], 131-146; ea.dern, Marty1;es Pannoniae, in: Atti del IX Congr. intern. di archeologia cristiana (Rom a 1975) 1, Citta del Vaticano 1978, 615-620; eaden:i, Das frühe Christentum in Pannonien (s. Anm. 3) 261-263.

22 Bratoz, Krscanstvo 41 ff. ; idem, Die Entwicklung der Kirchenorganisation (s. Anm. 3) 151. 1.G7f. (Anm. 19) ; Bulic, Izabrani spisi 353_:_39i.

.. Klio 172 ( 1990) 2 513

so war zu Beginn der großen Christenverfolgung die Diözese Pannonien, bestehend aus den vier pannonischen Provinzen; Dalmatien mit der Praevalitana und den beiden norischen Provinzen, dem Caesar Galerius unterstellt, das kleine italische Gebiet im ·Westen, also der Ostteil der Provinz Venetia et Histria, dem Augustus Maximianus.23 Daß die Zahl der Opfer in Sirmium größer ist als in Aquileia, ist vielleicht ein Ergebnis der größeren Härte des Galerius bei den Verfolgungen. Die Provinzstatthalter sind uns für diese Zeit größtenteils bekannt.24 Aquileia und Sirmium waren damals zeit­weilig Residenzstädte der beiden erwähnten Herrscher, die ein Mal, im Winter 304 auf 305, an unbekanntem Ort zusammentrafen; außerdem hielt sich in der ersten Hälfte des Jahres 304 Kaiser Diokletian für kurze Zeit in diesem Gebiet auf.25

Während die Rolle der Kaiser Diokletian, Maximian und Galerius bei den Christen­verfolgungen außer Frage steht, ist es wesentlich schwerer, den Anteil jener beiden Kaiser auszumachen, die in den Quellen ebenfalls unter die Christenverfolger gezählt werden: Diokletians Vorgänger N umerianus und der Kaiser der dritten Tetrarchie, Licinius.

Die Erwähnung Numerians als Christenverfolger in dem behandelten Gebiet ist in der Tat auffallend, da der Kaiser nie über jene Provinzen der Herrschaft innehatte. Die Berichte über Martyrien zur Zeit Kaiser Numerians (283-284) beziehen sich geo­graphisch auf drei Regionen: den Osten (acht Belege), Rom (sechs Belege) und das Gebiet um Aquileia, auf Istrien und das südliche Noricum (fünf Belege).26 Die Tatsache, .daß Numerianus als Christenverfolger in Quellen auftaucht, die offenbar in keiner Wechselbeziehung miteinander stehen, ist durch verschiedene Faktoren zu erklären.

Im Osten entwickelte sich die Auffassung von Numerianus als Christenverfolger im Zusammenhang mit dem Märtyrertod des Bischofs Babylas von Antiochia, sonst ein Märtyrer sub Decio, offensichtlich auf Grund einer Verwechslung mit Kaiser Valeria­nus (Namensähnlichkeit, der späteren Überlieferung zufolge auch ähnliches Schick­sal).27 In Rom spielte die Annahme einer engen Beziehung zwischen Numerianus und Diokletian bzw. die Vorstellung von einer christenfreundlichen Politik des Kaisers Carinus, des Bruders des Numerianus, eine Rolle. Sie entstand im 4. ( n oder 5. Jh. im Zusammenhang mit den politischen Kämpfen zwischen der proheidnischen und dei· christlichen Partei der Anicier. Von Rom aus wurde dieses Bild Kaiser Numerianns' als eines persecutor auch auf das Gebiet ~on Aquileia und Istrien übertragen.28

Die Auffassung, Numerianus habe die Christen verfolgt, entbehrt jeglichen histo-23··r. D. Barnes, The New Empire of Diocletian and Constantine, Cambridge (1Vlass.) -

London 1982, 195-199; J. Fitz, L'administration des provinces pannoniennes_sous le Bas-Empire romain, Bruxelles 1983 (Collection Latomus 181), 13 (mit d er zweifelhaften Meinung, daß die Diözese Pannonien schon 305 d em Galerius genommen und dem Reichs­teil des Severus angeschlossen wurde). Vgl. Anm. 31.

2'1 Für die pannonischen Provinzen s. Fitz, L'administration 49; für Venetia et Histria · s. C. Zaccaria, 11 governo romano nella Regio X e nella provincia V enetia et H istria, in:

AAAd 28 [1986], 65-103; für Dalmatia vgl. B. Saria, in: RE Suppl. 8 (1956), 42 s. v . Dalmatia; vgl. auch Barnes, Th e New Empire 140 ff.

25 Barnes, The New Empire 49- 64; lVI. Bonfioli, Soggiorni imperiali a Milano e ad Aquileia daDiocleziano a Valentiniano III„. in: AAAd 4 [1973], 130- 131; über den Rombesuch Diokletians Ende 303 und über seine Rückkehr nach dem Osten in der ersten Hälfte des Jahres 304 (Lactantius, De mort. persec. 117, 3-4; ed. J. lVIoreau, in: SC 39 [1954], 96 und Kommentar auf S. 305-:306) s. auch Bulic, Ptoviene qualche cosa. (s. Anm. 10) 111- 113; idem, Izabrani spisi 71- 85.

26 Bratoz, Krscanstvo 145- 195, bes. 150f. 27 Bratoz, Krscanstvo 149. 190ff. 2s Bratoz, Krseanstvo 189- 195.

514 R. ßRATOz, Frühes Christentum zwischen Sirrnium und Aquileia

rischen Hintergrundes und ist das Ergebnis irrtümlicher Verwechslungen bzw. poli­tischer Propaganda jener Kreise, in denen sie zuerst zu Tage tritt. Im Osten wie im Westen bildete sie sich im Laufe des 5. und 6. Jh. heraus und kann in sicher datier;.. baren Quellen etwa von der 2. Hälfte des 6. Jh. an verfolgt werden. Wir haben in den Quellen mehr als sechzig Belege hierfür registrieren können.29 Als eine historische Konstruktion ist sie in das geschichtliche Bewußtsein der byzantinischen und der westlichen Welt im Mittelalter eingegangen. .

Die Frage nach den Christenverfolgungen unter Kaiser Licinius30 steht im Zusam­menhang mit der Frage, wann die antichristlichen Aktionen in dem hier untersuchten Gebiet insgesamt ihr Ende fanden - mit Ausnahme der Provinz Venetia et Histria, wo die Verfolgungen schon mit dem Rücktritt Maximians am 1. Mai 305 endeten.31 Was also ist bekannt über das Verhältnis der Regierung zu den Christen in der pan­nonischen Diözese von der Übernahme der Herrschaft durch Licinius am 11. Novem­ber 308 bis zum Toleranzedikt des Galerius vom 30. April 311, mit dem die Christen­verfolgungen im illyrischen Raum endeten?

Aus dem Gebiet der pannonischen Diözese und der Provinz Raetia, die nach der Konferenz von Carnuntum dem Augustus Lieinius unterstellt waren, berichtet keine Quelle über Verfolgungen unter diesem Kaiser. Das jüngste Martyrium, der Tod des Bischofs Quirinus aus Siscia (4. Juni 308), geschah noch mehr als fünf Monate vor dem Regierungsantritt des Licinius.:12 Im Gegensatz hierzu erscheint Licinius, der in Sirmium residierte, als Christenverfolger in einigen der Märtyrerberichte aus dem Gebiet der mösischen und thrakischen Diözese, d. h. aus Gegenden, die unter der Herrschaft des Galerius standen (Singidunurn, Tomis).3'1

Wie kann man diesen paradoxen Befund erklären~ Es ist zwar möglich, daß die territorialen Kompetenzen zwischen Licinius und Galerius nicht streng geschieden waren und die gesamten donauländischen Provinzen von beiden Kaisern gemeinsam verwaltet wurden.3'1 Auch in der ersten Tetrarchie waren die donauländischen Pro-

29 Bratoz, Krscanstvo 150-151 (das Verzeichnis der Quellen wird vervollständigt in der stark überarbeiteten deutschen Fassung der Monographie, die jetzt im Druck ist).

30 Über Licinius s. PLRE 1 (1971), 509; H. Chantraine, ])ie Erhebung des Licinius zum· Augustus, in: Hermes 110 [1982], 477-487; Barnes, The New Empire, 43f. 80f.

31 Nach der Meinung von E. Stein, Histoire du Bas-Empire 1, Bruxelles 1959, 82 und zuletzt Fitz, L'administration 13, wurde die pannonische Diözese nach dem Rücktritt Maximians dem Westen angeschlossen und bis Frühjahr 307 von Severus beherrscht; nach der Usurpation des Maxentius im Oktober 306 sollte die pannonische Diözese sogar das Zentrum der Macht des Severus sein. Diese These ist fraglich. Die einzige Quelle, die cla.für anzugeben ist (Excerpta Valesiana I 9; edd. J. lVforeau - V. Velkov, Leipzig 1966, 3), spricht an anderer Stelle gleichermaßen dagegen (Exc. Val. I 5; vgL Barnes, The New Empire 197). Severus tritt in der christlichen Trndition nicht als Christen­verfolger auf. Wenn vom Mai 305 an in Italien keine Christenverfolgungen mehr waren, könnte man das, falls die genannte These richtig wäre, auch für die pannonische Diözese erwarten, was aber nicht der Fall ist (Märtyrertum des Quirinus aus Siscia 308 sub Galerio). Falls die Nachricht in den Exc. Vales. 1,9 zutrifft (vgl. dazu I. König, Origo Constantini, in: Trierer Historische Forschungen, Trier 1987, 81 ), könnte man der Mär­tyrertod des Quirinus so erklären, daß nach dem Fall des Severus (Frühjahr 307) die pannonische Diözese wieder zum Gebiet des Christenverfolgers Galerius kam.

32 S. Anm. 17. 33 J~ Zeiller, L es origines (prov. danub.) lOßf. (Herrn.ylus und Stratonice aus Singidunum),

171 (die Märtyrer von Tomi); s. zuletzt darüber R. Harreither, die Bischöfe von Tomi/ Constant;a bis zum Konzil von Nikaia, in: Miscellanea Bulgarica 5 (Wien 1987), 197-210.

34 Vgl. Barnes, The New Empire 198- 199.

Klio 72 (1990) 2 515

vinzen. im Bereich sowohl des Caesars Galerius als auch des Augustus Diokletian.35 Wahrscheinlicher aber scheint zu sein, in den Berichten eine bestimmte politisch-pro­pagandistische Tendenz zu suchen, wonach Licinius als dem späteren Gegner Kon­stantins und Herrscher der thrakischen Diözese auch nach dem ersten Bürgerkrieg 316 eine viel größere Härte und Grausamkeit in seiner Politik gegenüber den Christen zugeschrieben wird, als er sie tatsächlich zeigte.36 Nur die Prüfung der historischen Zu,.. verlässigkeit jener Berichte über Märtyrer sub Licinio aus Moesia Prima und Scythia Minor vermag die Frage zu klären, welche EinsteHung Kaiser Licinius tatsächlich den Christen in der pannonischen Diözese gegenüber in der Zeit zwischen November 308 und Ende April 311 hatte.

Neue literarische Quellen, die die Geschichte des Christentums zur Zeit der großen Verfolgungen erhellen könnten, wurden nicht entdeckt - mit Ausnahme der Predigten des Bischofs Chromatius von Aquileia (388-408), die unter anderem den Kult der ein­heimischen Märtyrer, namentlich Felix und Fortunatus, bezeugen.37 Einige Hand­schriften mit passiones, die bislang in der Wissenschaft nur wenig oder überhaupt nicht berücksichtigt wurden (z. B. ein Codex in Cividale, Museo Nazionale, cod . XXII, oder zwei Codices aus dem Kloster Sticna im Unterkrain, jetzt in Wien und in Lju­bljana)3B sind von einiger Bedeutung für die Kenntnis der mittelalterlichen Tradition; objektiv aber bringen sie für die Geschichte des Christentums in unserem Gebiet in antiker Zeit keine neuen Erkenntnisse.

Mehr an Neuem brachten frühchristliche archäologische Forschungen, durch die die Verehrung lokaler Märtyrer in der Spätantike bezeugt werden konnte. Seit etwa einem Jahrhundert sind Martyria, Friedhöfe und Inschriften mit der Erwähnung von Mär­tyrern in Salona bekannt,3\J noch länger eine Inschrift, die den Bischof und Märtyrer Maurus aus Parentium nennt,r.o dessen Reliquien im Jahre 1982 zusammen mit denen

3:; Barnes, The New EmpÜ'e 196. 3" Vgl. E. Stein, H istoire du Bas-Empire 1, 104; T . D. Barnes, Consta.ntine and Eusebius,

Cambridge (lVIass .) - London 1981, 70-77. 31 Chromatius, Sermo 7 (ed. J. Lemarie, in: SC 154 [1969], 182; edd. R . Etaix - J. Lernarie,

in ~ CCSL 9 A (1974), 31); vgl. auch J. Lernarie, La testimonianza del martil'io nei ser­moni di Cromazio di Aquileia, in: Rivista di storia e 1etteratura religiosa 5 [19ß9J, 3- 12.

38 C. Scalon, Un codice civida.lese degli inizi del X secolo (Cividale, cod. XXII), in: Forum Iulii 8 [1984], 13-24. Die Handschrift enthält unter anderen die passiones der folgenden Märtyrer: der aquileischen Märtyrers. Chrysogonus (2 Fassungen), ss. Felix und Fortuna­tus (zwei Fassungen), Cantius, Cantianus und Cantianilla (zwei Fassungen), der iatri­schen Märtyrers. J ustus von Tergeste und s. lVIaurus von Parentium (je zwei Fassungen) sowie Pelagius von Einona, der sinnischen Märtyrer Donatus, Venustus und Hennogenes und der rnailändischen Gruppe Gervasius und Protasius (zwei Fassungen). Die beiden Handschriften aus dem Kloster Sticna (jetzt eine in der Österreichischen Nationalbiblio­thek [ÖNB], die andere in der N arodna in univerzitetna knjiznica v Ljubl.iani [NUK]) enthalten eine etwas veränderte Fassung der Passio ss. mart. Hermach01'ae et Fortunati (ÖNB, Hs. 649, 226 v- 228 v; NUK, Hs. 141 (24), 94 v- 101 v; nach der letzteren veröffentlicht von Bratoz, Krscanstvo 336-351) und eine Abschrift der Passio s. Floriani (des Märtyrers von Lorch; ÖNB, Ms. 650, 192 r- v).

39 Bulic, Po rusevinama stare Salone (s . Anm. 1) 119- 175; Rendic-lVIiocevic, An~tasio „aquileiese" (s. Anm. 6) 316 ff., bes. Abb. 1. Vgl. auch die Beiträge von A. Grabar und N. Duval, in: Disputationes Salonitanae 1970 (Split 1975), 69- 74, 83- 90.

r.o Bratoz, Krscanstvo 248 f. (mit der Bibliographie bis 1982); G. Cuacito, I santi Mauro. ed Eleuterio di Parenzo. L'identita, il culto, le r eliquie, in: Atti del Centro di ricerche storiche di Rovigno 16 [ 1985/86], 33- 61, bes. 36 ff.

·516 R. BRATOz, Frühes Christentum zwischen Sirmiurn und Aquileia

des Martyrers Eleutherius durch osteologische Untersuchungen als authentisch be­stätigt wurden:H Neue Entdeckungen aus den letz.ten Jahrzehnten stammen aus Sir­mium. Neben dem schon ein Jahrhundert bekannten Martyrium,des Syneros aufdem sogenannten Nordwestfriedhof42 wurde in den Jahren 1976 bis 1977 auf dem Ostfried­hof das Martyrium des Bischofs und Märtyrers Irenaeus entdeckt, das eine Inschrift aus der Mitte bzw. der 2. Hälfte des 4. Jh. aufwies, die die Bestattung in basilica domini nostri Erenei bezeugt.43 Das Patrocinium der anderen Friedhofskirchen in Sirmium, von denen es mindestens noch zwei weitere gab, ist noch immer Gegenstand reiner Hypothesen.44

NORICUM RIPENSE

0 8ARClNSIS ECCLESIA

0BlSID(7)

OOILMIHIUM

o Ort

• Bisctofssitz im 4. Jh.

«> Bischofssitz im 5. Jh.

o Bischofssitz im 6. Jh.

9 Metropolitonsitz

Jahr (CH) d. Kirchenver 381 sornrnlung .

GrenzQfl d. ~itrn ---- gebiQte um 400

„. „ .• Veri:inderungQn im 6. Jl

41 C. Corrain, Ricognizione dei resti attribuiti ai ss. :Mauro ed Eleuterio in Parenzo, in: Atti del Centro di rfoerche storiche di Rovigno 16 [1985/86], 63-70.

42 CIL III 10232.10233 ( =Diehl, ILChV 2181. 2182); vgl. Boskovic-Duval- Gros- Po­povic, Recherches (s. Anm. 9) 622-627; Duval, Sirrnium „ville imperiale" .(s. Anm. 1) 82- 83. · "3 Duval, Sirrnium „ville imperiale" 83-84.

M Boskovi6 - Duval - Gros-Popovi6, Recherches 627-632; Duval, Sirmium „villeirnpe-

Klio 72 (1990) 2 517

Im Gebiet um Aquileia sind in San Canzian d'Isonzo, ca. 10 km östlich der Stadt; schon im 16. Jh. bzw. im Jahre 1880 Inschriften (zwei Sarkophaginschriften und eine Grabplatte p]) mit der Erwähnung der zwei aquileischen Märtyrer Protus und Chry­sogonus gefunden worden.45 Dort wurd~ auch in den Jahren 1960 bis 1969 in der Nähe der heutigen Kirche des hl. Cantianus die frühchtistliche Kirche mit dem Grab dreier Märtyrer unter dem Altar - zweifellos des Cantianus und seiner Gefährten - und mit dem Martyrium des Protus gefunden:'iß

In Istrien hat man zur gleichen Zeit (1960 bis 1969) die extra muros liegende Kirche in Tergeste (Via della Madonna del Mare) mit dem Grab im Altarraum freigelegt, in dem vermutlich eine gewisse Zeit die Reliquien des Märtyrers Iustus bestattet worden waren.47 Freilich wurden weder in San Canzian d'Isonzo noch in Tergeste Inschriften gefunden, die die Weihung der Kirchen an den hl. Cantian bzw. an den hl. Iustus un­widerlegbar bezeugen würden. Die gdechische Inschrift aus Poetovio dagegen (geforf­den 1952) ist sicher kein Epitaph d,es Bischofs und Märtyrers Victorinus, wie vermutet worden ist.48 .

II. Von Konstantin bis zum Ende der frühchristlichen Zeit

1. Die Beziehungen zwischen den kirchlichen Zentren

Die Frage nach den kirchenpolitischen Beziehungen zwischen Aquileia und Salon~ für die Zeit unmittelbar iiacn dem Toleranzedikt des Jahres 313 wird aufgeworfen, a~er nicht beantwortet durch den rätselhaften Vermerk im Verzeichnis der Teilnehmer an der Synode zu Arles am 1. August 314, an der als Vertreter des östlichsten unter den mindestens 44 Bistümern des W estreiches der Bischof Theodorus und der Diakon Aga­thon· (Agustun?) ,aus der Stadt.Aquileia in d~r Provinz DalniatieU:' teilnahihe.n .49

riale" 84-85; N. Duval- V. Popovic, Urbanisme et topographie chretienne dati:$ le~ pro­. vinces septentrionales d e l' Illyricum, in: Actes du x e Congres international d'archeo-logie chretienne (Thessalonique 1980) 1, Citta del Vaticano 1984, 543. . ·.

45 S. "ravano, Testimonianze epigrafiche del culto dei .. martiri Proto e Crisogqno a .San Canciano, in: Studi Goriziani 28 [1960], 151-'-164;· G. Cuscito, Il culto di S. Crisogono fra Aquileia e R oma, in: AAAd 30 [1987], 255-274. . .

46 M. Mirabella Roberti, La memoria di San Proto a Sa:n Canzian d'Isonzo, in: Aquileia nostra 31 [1960], 85-94; idem, Una basilica. paleocristiana a San Canzian d'Isonzo, in: Studi Goriziani 39 [1966], 43- 62; idem, La basilica pa.leocristia.na di ~an Canzian d'Isonzo, in: Aquileia nostra 38 [1967], 61-86 ; idem, Che cosa hanno dato di nuovo gli scavi a San Canzian d'Isonzo, in: .Quaderni Giuliani di storia 2 [1981], 7- 12; ·C. Corrain, Resti scheletrici uma ni dagli sca.vi di S. Canzian d'Isonzo, in : Studi Goriziani 39 [1966], 63-72. . .

47 G. Pross Gabrielli, L'oratorio e. la basilica paleocristiana di Trieste, Triest e 1969;· G. Cuscito, Cristianesimo antico (s. Anm. 2) 116-117 ~ Bratoz, Kr~öanstvo 243- 244 (beide mit weiteren Literaturangaben}. · · .

48 M. Sasel-Kos, Frag ment einer widersprüchlich interpretierten griechischen Inschrift aus Poetovio, in: Linguistica 20 (1980], 11-20; Bratoz, Krscanstvo 136. ,

49 Concilia Gallia.e a. 314-a . 506 (ed. C. Munier, l.n : CCSL 148 (1963), 14 v. 17f.;· 16v.10f. ;> 17 v. 10f.; 18 v. 10f.~ 19 v. 6f. ;. 21 v. 8f.;· vgl. Conciles Gaulois du IV6 siecle, ed. J. Gau.demet, in: SC 241 [1977], 58). Vgl. auch G. C. Menis, La cultura t eologica. del cl t}ro aquileiese all'inizio del IV secolo indagata attraverso i mosaici teodor iani ed altre fonti, in: AAAd 22 (1982], 46~-527 ,bes. 468-4 77 ;·Ch. P ietri, Roma christiana. Recherches aur l'Eglise d e Rome, son organisation, aa politique, son ideologie de Miltiade a Sude .III. (311-440) 1, Roma. 1976, 168-172.

518 R. BRATOz, Frühes Christentum zwischen Sirmium und Aquileia

Diese Bezeichnung wurde sehr verschieden interpretiert. Schließen wir die wenig wahrscheinliche Annahme einer Lücke in den Handschriften aus, der vor der P1;ovinz­bezeichnung Dalmatien der Name eines Bischofs als Vertreter dieser Provinz zum Opfer gefallen wäre, so können wir immerhin sagen, daß dieser Eintrag auf eine außerge­wöhnlich enge kirchliche Beziehung Aquileias zum dalmatinischen Gebiet hinweisen dürfte, die damals vielleicht durch die prokonstantinische Stellung der Kirche von Salona gefördert wurde. Der genannte Eintrag berechtigt aber nicht zu der Folge­rung, Aquileia hätte einen kirchlich-administrativen Einfluß auf Dalmatien ausgeübt und Salona sei kirchenpolitisch ihr untergeordnet gewesen; noch weniger aber beweist sie das Gegenteil, eine gegenüber der dalmatinischen Hauptstadt zurückgesetzte Stellung Aquileias.50

so Gegen die These, vor der Bezeichnung provincia Dalmatia sei der Name des Bischofs ausgelassen (die These wurde von L. Duchesne aufgestellt; dafür P. Paschini, Storia del Friuli 1, Udine 21953, 40 Anm. 8) spricht die Tatsache, daß die handschriftliche Überliefe­rung keinen Zweifel läßt~ alle sechs Handschriften, die uns das Teilnehmerverzeichnis in verschiedenen Fassungen vermitteln (einmal steht an erster Stelle der Vertreter, danach die Herkunft, ein anderes Mal umgekehrt), erwähnen Aquileia als Stadt in Dalmatien. Wäre die These richtig, müßte auch die Bezeichnung der Provinz hinter dem Namen Aquileias (mit Ausnahme der gallischen und zum Teil der spanischen sind alle Bischofssitze mit den Namen der Provinz angeführt, der sie zugehörten) sowie ein N am.e der dalmatinischen Stadt (Salona?) vor der Bezeichnung provincia Dalmatia entfallen sein, zumal kein Bischof nur durch den Namen der Provinz bezeichnet ist. Zu der Auffassung, eine solche Bezeichnung bedeute eine Erweiterung des Einfluß­gebietes der aquileischen Kirche auf Dalmatien und das gesamte lllyricum, neigt G. C. Menis, Storia del Friuli, Udine 31976, 94; im Gegensatz dazu aber meint R. Rogosi6, Veliki Ilirik (284---395) i njegova konaöria dioba (396-437) (,Großillyricum ... und seine endgültige Teilung .. .'), Zagreb 1962, 30, daß im Falle der Anwesenheit eines Bischofs aus Dalmatien dies nur der Bischof von Salona gewesen sein könnte. Schließen wir die Möglichkeit aus, der Eintrag des Teilnehmerverzeichnisses bedeute eine kirchenpolitische Unterordnung der einen oder der anderen Kirche, was auch durch die Tatsache, daß die Teilnehmer der Synode nicht a.ls Metropoliten auftreten, bestätigt wird (vgl. A. V. Rossi, Considerazioni intorno alla formazione dei diritti metropolitici ed all'attribuzione del titolo patriarcale della chiesa· di Aquilefä (sec. IV-VI), in: Memorie storiche forogiuliesi 43 [1958/59], 61-143, bes. 81-84; G. C. Menis, Le giuris­dizioni metropolitiche di Aquileia e di Milano nell' antichita, in: AAAd 4 [1973], 271 bis 294, bes. 281f.), so können wir die Formulierung auf verschiedene Weise deuten:

A) Dahinter stehe die Vorstellung, daß Aquileia, sonst eine italische Stadt, durch seine Lage an der Grenze Illyricums gewissermaßen nach Illyricum ·„verlegt" wird. Diese Vorstellung finden wir bei einer Reihe heidnischer Schriftsteller; unter d en christlichen wird sie um 369 von Basilius, epist. 91 (PG 32, 4 76) vertreten, der den Bischof Valerianus von Aquileia „Bischof der Illyrer" nennt (vgl. Y. M. Duval, Aquilee et Sirmimn durant la crise arienne (325-400), in: AAAd 26 [1985], 331-379, bes. 366).

B) Die Formulierung spiegele die engen Beziehungen zwischen Aquileia und Dalmatien wider. Da Norditalien auf der Synode vom Mailänder Bischof de provincia Italia vertre'ten wurde, ist es möglich, daß Theodorus als der östlichste italische Bischof an der Grenze Illyriens Dalmatien vertrat (P. Paschini, La chiesa aquileiese ed il periodö delle origini, Udine 1909, 13). Vgl. Rossi, Considerazioni 84, mit der Meinung, daß der Bischof von Aquileia ein vorläufiger Vertreter der dalmatinischen Kirche war, ohne formal die Kirchengewalt auf sie auszudehnen;. Ch. Pietri, Rome et Aquilee: deux eglises du IV0

au Vle siecle; in: AAAd 30 [1987], 225-253, bes. 226ff. mit der Meinung, daß diese Be­zeichnung „la zone de l'influence qu'exer<;a Aquilee ... jusqu'a lllyricum" beweise. Auf die V ~rbindungen der aquileischen Kirche mit Dalmatien zeigt auch die {wahrscheinliche) dalmatische Herkunft des Bischofs Chrysogonus II„ Theodorus' Vorgänger (vgl. Bratoz, Poveza.ve med Trakijo [s. Anm. 1] 494ff.).

Klio 72 (1990) 2 519

Abgesehen von diesem Faktum finden wir im 4. Jh. keine Nachrichten über engere Beziehungen zwischen den Zentren Aquileia und Salona in den Quellen. Als Aquileia und besonders Sirmium zu führenden Zentren des Christentums im Abendland auf­stiegen, sank Salona kirchenpolitisch auf das Niveau einer zweitrangigen Stadt herab, die nur wenig in das kirchenpolitische Geschehen außerhalb der Stammprovinz ein­griff.51 Während der religiösen Auseinandersetzungen des 4. Jh. fand hier keine einzige kirchliche Synode statt. Salona stand im 4. Jh. im Schatten der Ereignisse, die sich auf der Linie Sirmium - Aquileia - Mediolanum bewegten.

C) Vielleicht spiegelte eine solche Formulierung auch die tatsächlichen augenblick­lichen politischen Verhältnisse wider. Auf der Synode versammelten sich Bischöfe aus dem Gebiet unter Konstantin, der damals d en gesamten Westen beherrschte (Gallien, Hispanien, Afrika, Italien), während Licinius Illyricum und den Osten in der Hand hatte. Die Grenze verlief so, daß Aquileia mit Venetien und Histrien auf dem Gebiet Konstantins, Salona mit Dalmatien, ferner N oricum und die pannonischen Provinzen auf dem des Licinius lagen (vgl. Barnes, The New Empire 198-200). Berücksichtigen wir, daß die Synode im August 314 zusammentrat, in einer Zeit zunehrn.ender Spannun­gen zwischen den beiden Kaisern, die sich 315 noch steigerten und im Herbst 316 zu den Ereignissen von Emona (J. Sasel, Senicio auctor insidiarum [Kommentar zu Exc. Val. I 13-15], in: . Lebendige Altertumswissenschaft (Festgabe H. Vetters), Wien 1985, 262-264) und zu einem Angriffskrieg Konstantins gegen Licinius führten (V. Neri, Un miliario liciniano ad Aquileia. Ipotesi sui rapporti tra Costantino e Licinio prima d el conflitto del 314, in: Rivista storica dell'antichita 5 [1975], 79-109; Barnes, Constantine and Eusebius 65f.; idem, The New Empire 71ff.) dann können wir uns die Tatsache so erklären, daß der Bischof von Salona an der Synode nicht teilnehmen konnte und seine Interessen durch den ihm nächsten Bischof von Aquileia v ertreten ließ. Deshalb spiegelt dieser Eintrag in den Synodalakten wahrscheinlich auch die Anibitionen d er Partei Konstantins am Vorabend des Krieges im Illyricum wider. Zur Datierung des Krieges vgl. zuletzt König (s. Anm. 31), 119ff. (314 stat t bisher 316).

51 Tatsachen, die darauf hinweisen, daß Salona zur Zeit der religiösen Kämpfe im 4. Jh. eine gewisse Bedeutung hatte, allerdings unvergleichlich geringer als die Sirmiums und auch die Aquileias, sind folgende:

A) Bischof Maximus von Salona wird als einer der sieben Adressaten der Enzyklika erwähnt, die von dreiundsiebzig arianischen Bischöfen des Ostens unterzeichnet und vom Konzil in Serdika (bzw. dessen arianischer Fraktion in Philippopolis) veröffentlicht wurde; sie enthielt scharfe Angriffe auf Marcellus aus Ancyra und Athanasius sowie auf die nicäische Partei überhaupt. Der Bischof von Salona wird an letzter Stelle erwähnt (Hilarius , Collectanea Antiariana Parisina A IV 1 [ed . A. Feder , in: CSEL 65 (1916), 48 v. 14- 15]; als territorial der nächste wird von den Unterzeichnern an letzter Stelle der Bischof Valens aus Mursa genannt: Hilarius, Collectanea A IV 3 (Nr. 73) [p. 78 v. 7]). Den n eu est en Stand der Forschung zum Konzil enthalten : I. Opelt, Die westliche Par ­tei auf dem Konzil von Serdica, in: Spätantike und früh byzantinische Kultur Bulga­riens zwischen Orient und Okzident, hrsg. von R. Pillinger (Wien 1986), 85- 92; V. Rus­siµov, The canons of Serdica and the B alkan clergy, in: Miscellanea Bulgarica 5 (Wien 1987), 211-214; H. Ch. Brennecke, Hilarius von P oitiers und die Bischofsopposition gegen Konstantius II„ in : P atristische T exte und Studien 26 (Berlin 1984), 17-46.

B) B ischof Martinus von Salona sollte an d er römischen Synode unter P apst Julius 341 t eilnehmen , Bischof Theodor an d er Synode in Rimini 359 (Zeiller, L es origines (Dal­m atie) , 107f.; Buli6-Bervaldi, Kronotaksa (s . Anm. 19) 20 f. zweifeln an der H istorizität der b eiden Bischöfe, über die praktisch nichts bekannt ist).

C) Einige Jahre vor dem Konzil in Aquileia 381 wurde der arianophile ( ?) Bischof Leontius von Salona unter unklaren Umständen vom Bischofsstuhl entfernt . Er wurde später von Papst Damasus rehabilitiert (Scholia Arriana in concilium Aquileiense 82, ed'. R . Gryson, in: CCSL 87 (1982), 188f. = Scolies arienn es sur le concile d'Aquilee 125- 126, ed. R. Gryson, in: SC 267 [1980], 308 ff.). Vgl. M. Meslin, L es Ariens d'Occident 335- 430, in: Patristica Sorbonensia 8 (Paris 1967), 64; Ch. Pietri, Roma christiana l, 783f.

520 R. BRATOz, Frühes Christentum zwischen Sirmium und Aquileia

Die Beziehungen zwischen den christlichen Gemeinden von Aquileia und Sirrpium lassen sich anhand von Quellen näher bestimmen, die zwischen der Mitte des ·4. und dem Anfang des 5. Jh. verfaßt wurden, uns aber auch Einsichten in frühere Zeit -etwa von der 1. Hälfte bzw. der Mitte des 3 . Jh. an-gewähren, in der diese Gemeinden entstanden sind. Das etwa in der 1. Hälfte des 3. Jh. entstandene Glaube~sbekenntnis von Aquileia,52 wie es uns in einem umfangreichen Kommentar des Rufinus aus dem Jahre 404 überliefert ist, und die drei Formeln der Synoden von Sirmium aus der Blütezeit des Arianismus (nach der Mitte des 4. Jh„ allerdings mit einigen älteren Elementen)53 weisen gemeinsame Züge auf, die gleichgeartete Strukturen des frühen Christentums im Gebiet der nördlichen Adria und in Pannonien erkennen lassen. Diese gehen offensichtlich auf die alten gemeinsamen Missionswege und die wechselseitigen Einflüsse in der 1. Hälfte des 3. Jh. zurück.

Dogmengeschichtlich nicht klar ist die Stellung des Attributs unicus bzw·. unigeni­tus bzw. µovoye:v·h~ vor filius (und nicht danach) in den symbola, womit eindeutig hervorgehoben werden soll, daß sich das Attribut auf Christus und nicht al,if. Gott Vater bezieht, ein Merkmal der Theologie des Johannes.54 Die Wortstellung kommt sehr selten nur in den verschiedenen Glaubensbekenntnissen vor.55 Wir begegnen ihr allerdings im Glaubensbekenntnis von Aquileia sowie in den Formeln d:er 't uhd 2. Synode von Sirmium IJ,US den Jahren 351bzw.357,56 und sie wird auch in der for?nula der 4. Synode von Sirmium 359 reflektiert.57 Eine gegen den Patripassianismus gerich­tete Tendenz enthält die Bezeichnung Gott Vaters mit dem Attribut invisibilis et impassibilis, die wir im Glaubensbekenntnis von Aquileia sowie in der Formel der 2. Synode von Sirmium 357 vorfinden.58

52 Tyrannius Rufinus, Exp. symb. (ed. M. Simonetti, in: CCSL 20 (1961), 125-182);· kommentierte Ausgaben: J. N. D. Kelly, Rufinus. A Commentary on the Apostles' Creed, London 1955; M. Sirnonetti, Rufino, Spiega.zione del credo, Roma. 1978. Ei~ige Darstellungen des a.quileischen Glaubensbekenntnisses: F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol 1, Leipzig 1894, 100ff.; F. X. Murphy, Rufinus of Aquileia (345-411). His Life and Works, Washington 1945, 179-185; G. Bia.sutti, Otto :rigbe di Rufino, Udine 1970; J. N. D. Kelly, Altchristliche Glaubensbekenntnisse, Berlin 1971, 172 f. und passim;· Cuscito, Cristianesimo antico, 4 7-54; 'idern, Fede e politica. (s. Anm. 2) 17-25; l3ra.toz, Krscanstvo 92-104.

53 A. Hahn, Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln der alte.Q. Kirche, Breslau 31897, 1.60 (S. 196ff.), 161(S. 199f.), 163 (S. 204f.); Kelly, Altchristliche Glaubensbekenntnisse 278 f„ 282 ff. '

54 G. Kittel-:-- G. Friedrich, Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament 4 (Stuttgart 1942),-747 f.; vgl. Computer - Konkordanz zum Novum Testamentum Graece„Berlin-New York 1980, 1275. , .,

55 Bratoz, Krscanstvo 94f. 66 Rufinus, Exp. symb. 6-7 (CCSL 20, 141-144). Rufinus sieht in einer solchen ~tellung

nichts besonders Bedeutendes oder Außergewöhnliches; vgl. Hahn, Bibliot.I:iek · 160 (S. 196), 161 (S. 200).

57 Hahn, Bibliothek 163 (S. 204); hier steht µovoyey~~ vor ut6~ (filius), wobei dominus nicht-folgt. Eine solche Formulierung finden wir auch im aquileischen (?) Glaubens­.bekenntnis des 6. Jh., daa uns Venantius Fortunatus überliefert (Hahn, l3ibltothek 38 [S. 45]), vorher aber in der Formel d er Synode in Rimini im Jahre 359 (ebd. 166 [S. 2Q8]) und bei Leporius von Ma.ssilia (ebd. 214 [S. 299]). ,

58 Rufinus, Exp. symb. 5 (OCSL 20, 140f„ v. 30ff.;. vgl. Biasutti, Otto righe [s. Anm. 52] . 53 ff.);-Hahn, Bibliothek 161 ( S. 201): ... patrem ... invisibilem esse ... impa_ssibi~~m . ·, esse ... In diesem Sinne erklärt den Zusatz auch Nicetas de Remesiana, Instructio ad · competentes 5, 1, 8 (ed. K. Gamber, Textua patristici et liturgici 1 [Regensbu~g 1964],

104). Vgl. auch Brennecke, Hilarius von Poitiers (s. Anm. 51) 312ff.

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Offensichtlich hatten die beiden christlichen Gemeinden in der Gefahr patripassia­nischer Häresie geschwebt. Nach Sirmium mag sie von Aquileia her gekommen sein, wo sie von Rufinus erwähnt wird, vielleicht aber auch direkt von Kleinasien, ihrem Ausgangsgebiet, aus. Nicht auszuschließen ist die Möglichkeit, daß die gegen den Patripassianismus gerichtete Formel im Glaubensbekenntnis der Synode von Sirmium den Kampf geg1pn die Lehre des Photinus reflektiert, die ja die Hauptideen des Patri­passianismus en,.thielt.59

Die auffälligste Gemeinsamkeit zwischen dem Glaubensbekenntnis von Aquileia und der Formel der 4. Synode von Sirmium 359, hier überhaupt das erste Mal in einer Glaubensbekenntnisformel, ist der Zusatz über Christi Fahrt in die Unterwelt (descendit in inferna bzw. de; TiX xocTocz&6vtoc xocTe:A&6vTo.:), der auf eine Vorstellung zurückzuführen ist, die ohne Zweifel aus dem Osten stammt, während die Formu­lierung selbst unverkennbar von Aquileia geprägt ist.60 Dieser Zusatz spricht für die Annahme, daß der Einfluß Aquileias im 3. Jh. weit nach Osten reichte und das ge­samte pannonische Gebiet erfaßte.61 Die Vorstellung selbst wurde im 4. Jh. von den Kirchenvätern in ihrem Kampf gegen Arianismus und Apollinarismus verwendet ;62 da sie jedoch ihrer Entstehung nach älteren Datums ist, kommen als Quelle jene Häresien in Betracht, die das Göttliche der Person Christi und seine Sendung auf Erden zu leugnen suchten (Gnostizismus und Manichäismus, vielleicht auch Doketismus).63

Wir können annehmen, daß die christlichen Gemeinden von Aquileia und Sirmium sich im 3. Jh. mit einigen häretischen Lehren wie z.B. Marcionismus, Patripassianis­mus, Gnostizismus und Manichäismus konfrontiert sahen. Diese Situation fand ihren

59 S. Anm. 82. 83. 60 Rufinus, Exp. symb. 16 (CCSL 20, 152); Hahn, Bibliothek 163 (S. 204). Zweifellos ist

die aquileische Formel das älteste Glaubensbekenntnis mit diesem Zusatz. Dem Inhalt, jedoch nicht dem Wortlaut nach, begegnen wir der Vorstellung schon früher in der kop­tischen und alexandrinischen Kirche (Kattenbusch, Das apostolische Symbol 1, 320ff.: Hahn, Bibliothek 139 [S. 157]). Von der aquileischen Kirche aus verbreitete sich die Formel schrittweise praktisch im ganzen Westen. Vgl. H. Quilliet, Descente de .Jesus aux enfers, in: DTO 4, 1 (1924), 568ff.; Kelly,Altchristliche Glaubensbekenntnisse (s. Anm. 52) 371 ff.

ßi Da die sirmische Kirche den Zusatz in dieser Form nicht aus dem Osten bekommen ha­ben konnte, folgerte zu Recht schon Kattenbusch, Das apostolische Symbol 1, 398 Anm. 2, und 2, 898, daß er aus der aquileischen Formel dorthin gelangt sei. Der Verfasser des Glaubensbekenntnisses der 4. Synode in Sirmium, Bischof Marcus aus Arethusa in Syrien, übernahm sie offensichtlich aus dem alten Glaubensbekenntnis der sirmischen Kirche, das nicht erhalten ist. Aus der Formel ging sie unverändert über in das Glaubens­bekenntnis der Synode von Nike in Thrakien 359 und der Synode von Konstantinopel 360 (Hahn, Bibliothek 164 [S. 206], 167 [209]). Das Glaubensbekenntnis mit der Formel descendit in inferna wird auch von Nicetas de Remesiana, Sermo 2 a, 15 (ed. K. Gamber, in : Textus patristici et liturgici 1 (Regensburg 1964), 179) und von Hieronymus (G. Morin, Un symbole inedit attribue a saint .Jeröme, in: Revue Benedictine 21 [1904], 1- 9; PL Suppl. 1 (1958), 515-516) angeführt.

62 Quilliet (s. Anm. 60) 582, 585f. 63 Der Zusatz kann vor allem als Polemik gegen jene Häretiker verstanden werden, die die

Auferstehung der Gerechten bestritten. In diesem Sinne erklärt ihn auch Rufinus, Exp. symb. 15 (CCSL 20, 152); 28 (p. 163); 46 (p. 181). Als solche führt er die Gnostiker der Richtung des Va.lentinus und die Manichäer an, Exp. symb. 37 (p. 172), 39 (p. l 75). Kelly 376 meint, daß diese Formel gegen den Doketismus gerichtet sei. Vgl. auch E. Gutwenger, Auferstehung und Auferstehungsleib .Jesu, in: Zeitschrift für katholische Theologie 91 [1969], 44f.; G. Greshake - J. Kremer, Resurrectio mortuorum. Zum theologischen Verständnis der leiblichen Auferstehung, Darmstadt 1986, 183ff.

33 Klio 72 (1990) 2

522 R. BRATOZ, Frühes Christentum zwischen Sirmium und Aquileia .

Niederschlag im Wortlaut des Glaubensbekenntnisses von Aquileia und klingt auch später noch in einigen Schriften, die aus Aquileia, Pannonien und Binnendakien stam­men, indirekt an.64 Dies alles läßt z\var auf ähnliche Entwicklungen in den beiden Ge­meinden schließen, ist jedoch noch kein zwingender Beweis für wechselseitige Abhän­gigkeit, obwohl diese bei der Formel descendit in infona recht wahrscheinlich erscheint. Solche wechselseitigen Einflüsse sind möglich oder sogar fast sicher anzunehmen auch angesichts der Tatsache, daß wir e!nen Widerhall dieser Häresien auch im Einfluß­bereich der beiden Kirchen, z. B . in Poetovio, finden.65 Der kosmopolitische Geist, die Aufgeschlossenheit und Reife dieser Gemeinden kommt in der Tatsache zum Ausdruck, daß es zwischen ihnen nicht nur rege geistige Beziehungen, sondern auch solche perso­neller Art gab. In den 70er Jahren des 3. Jh. wurde Hilarius zum Bischof von Aquileia ernannt. Dieser war nach einigen Quellen aus Pannonien gebürtig,G6 einem Gebiet also, das gut unter dem Einfluß der Kirche von Sirmium stehen konnte.

Das Wechselverhältnis und die Beziehungen zwischen den christlichen Gemeinden von Sin:;nium und Salona dagegen waren in der Zeit vor Konstantin sowie während des 4. Jh. nur relativ schwach entwickelt, so daß sie in den Quellen keine eindeutigen Spu­ren hinterlassen haben.67 Ob charakteristische Gemeinsamkeiten des frühchristlichen

64 Rufinus, Exp. symb. 37 (CCSL 20, 172f.) verwirft im häresiologischen Exkurs die folgenden Irrlehren vor dem Arianismus: Marcionismus, Gnostizismus, Ebionitismus, Manichäismus, Paulinianismue., Donatismus, Novatianismus, em1ge Lehren des Origenes, die erst im 4. Jh. verdächtig wurden. Dieser Abschnitt des Rufinus ist ein Beweis dafür, daß solche Häresien in Aquileia bekannt waren und daß Täuflinge, für die diese Schrift des Rufinus gedacht war, vor deren Gefahren gewarnt wurden; er ist a.ber kein Beweis dafür, daß alle diese Häresien in Aquileia tatsächlich vorhanden waren. Bei einigen davon kann diese Möglichkeit jedoch nicht ausgeschlossen werden, zumal auch ein Zeitgenosse des Rufinus, der Bischof Chromatius, in seinen Schriften zwei von diesen Häresien angreift, Patripassianismus und Manichäismus : Chromatius, Tractatus in Matthaeurp. 24, 3. 35, 4 (edd. R. Etaix - J. Lernarie, in: CCSL 9 A (1974), 309 v. 21f„ 370 v. 73f.). Für die Kenntnis der älteren Geschichte des Christentums in Sirmium ist der Verlust der Schriften des Bischofs Photinus, vor allem seines Kommentars zum Glau­bensbekenntnis, den Rufinus kannte (Exp. symb. 1 [CCSL 20, 133 v. 17ff.]) sehr zu be­bedauern. In zwei verschiedenen Schrifteu aus dem letzten Viertel des 4. oder Anfang des 5. Jh„ die aus dem dakisch-mösischen Gebiet stammen, also aus der östlichen Nach­barschaft Pannoniens, werden Manichäismus, Marcionismus und Montanismus erwähnt: Nicetas de Remesiana, D e symbolo 10, ed. A. E. Burn, Cambridge 1905, 48 (in der Schrift Instructio ad competentes 1, 3, 10; 3, 1, 4-5; ed. K. Gamber (s. Anm. 58) 27, 43 f. werden noch Manichäismus und Patripassianismus angeführt ), bzw. Manichäismus, Marcionismus, Montanismus, Paulinianismus, Patripassianismus, Donatismus und Novatianismus: Scholia Arriana in concilium Aquileiense 29, ed. R . Gryson, in: CCSL 87 [1982), 162 ( = SC 267 (1980), 240; vgl. auch J. Zeiller, L e Montanisme a-t -il penetre en Illyricum ?, in: RHE 30 [1934), 847-851). Auch im Glaubensbekenntnis der 2. Synode in Sirmiurn 357 kann man eine antipatripassianische Formulierung finden (s. Anm. 58). Aus allen diesen Tatsachen können wir annehmen, daß wenigstens einige dieser Häresien im Gebiet an d er Nordadria und im W estbalkanraum verbreitet waren. Von diesen Irrlehren kann der Manichäismus für Salona nachgewiesen werden (ILJu 2245 ; die Inschrift wird datiert in die Mitte d es 4. Jh.) .

65 Victorinus von Pettau soll gegen die lVIarcioniten, Patripassian er, Gnostikern und Montanisten polemisiert haben (Optatus, D e schismateDonatistarum 1, 9(PL11, 898f.);

. vgl. Bratoz, Krscanstvo 322-329). 66 Ohronicon Venetum (vulgo Altinate}, ed . H. Simonsfeld, in: MGH Script. 14 (1883), 37

( =Ürigo civitatum Italiae seu Venetiarurn, ed. tertia, ed. R. Cessi, Roma 1933, 162); Dandulus, Chronica aa. 276 ss. (ed. Pastorello [s. Anm. 7) 25f.). Vgl. Bratoz, Krscanstvo 152-159. 67 Vgl. oben Anm. 9 und 10.

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Lebens möglicherweise auf Grund von unmittelbaren wechselseitigen Einflüssen ent­standen sind, das ist im Einzelfall schwer zu ergründen.68 Die Existenz des Manichäis­mus in Salona ist ein für den gesamten Balkanraum allgemein charakteristisches Merk­mal der kirchlichen Geschichte; vielleicht geht bis auf diese Wurzel die Blüte der mani­chäisch orientierten Häresie der Bogomilen im hohen Mittelalter zurück.69 Auch für die Zeit der religiösen Auseinandersetzungen im 4. Jh. liegen keine Beweise für engere Beziehungen zwischen den kirchlichen Gemeinden von Sirmium und Salüna vor, denen beiden als Zentren des Arianismus ein ähnliches Schicksal beschieden war. In beiden liquidierte nach 375 der Mailänder Bischof Ambrosius die Gefahr dieser häretischen Irrlehre durch persönliche Intervention.10 Nach dem Untergang Sirmiums suchten Flüchtlinge aus dem Gebiet der Stadt in der sichereren Hauptstadt Dalmatiens Zu­flucht.71 Die Metropolitankirche von Salona erweiterte bis spätestens zum Anfang des 6. Jh. ihre Jurisdiktion auf Teile der Provinz Savia.12

Die kirchlichen Beziehungen zwischen Sirmium und Aquileia fanden im 4. Jh. vor allem auf zwei Gebieten ihren Ausdruck: im Bereich des christlichen Dogmas und in der kirchlichen Organisation. Während sie in Fragen des Dogmas ungefähr ein halbes Jahrhundert lang ziemlich intensiv waren und verhältnismäßig gut dokumentiert sind, waren sie auf dem Gebiet der Kirchenorganisation, obwohl in den Quellen kaum belegt, durch ihre Auswirkungen dauerhafter und auch bedeutender.

Auf dem Gebiet der christlichen Dogmengeschichte erscheint Sirmium als einer der lebhaftesten Brennpunkte theologischer Auseinandersetzung und kirchenpolitischer Entscheidungen im Reich. In der Zeit, da der Arianismus im Zenit stand, war die Stadt ungefähr ein Jahrzehnt lang, zwischen 351 und 360, in gewisser Hinsicht das Zentrum der christlichen Welt. Die Theologen von Sirmium treten in dieser Zeit in der Nachfolge kleinasiatischer Theologen verschiedener, vor allem arianischer Richtungen hervor. Auf ein sehr reges kirchenpolitisches Leben in der Stadt weist die Tatsache hin, daß zwei hiesige Bischöfe des Landes verwiesen wurden und ihr Amt nicht bis zum Ende ihres Lebens ausüben konnten: Domnius (ca . 325-335) und Photinus (ca. 345 bis 351). Zwei Bischöfe, und zwar die aktivsten, stammten aus Kleinasien, dem damals in theologischer Hinsicht bewegtesten Gebiet der christlichen Welt, Photinus aus Ancyra und Germinius (351-ca. 376) aus Kyzikos.73 Während Sirmium unter Ger-

68 Vgl. N. Duval, Mensae funeraires de Sirmium et de Salone, in: VAHD 77 [1984], 187 bis 226.

69 Vgl. D. Dragojlovic, Bogomilstvo na Balkanu i u Maloj Aziji (,Der Bogomilismus auf dem Balkan und in Kleinasien') 1, B eograd 1974, lOff.

70 Vgl. Anm. 51 C) und 102. 71 Das beweisen einige Inschriften: das Epitaph der Domnica, quae a Sirmio Salona[s a]d­

ducta est (ILJu 2563; die Inschrift entstand nach 582), das Epitaph der aus Sirmium stammenden Äbtissin Johanna, eher aus dem Jahr 506 oder 551 als 612 (ILJu 2567; B. Gabricevic, Question d e la datation du sarcophage de l'abbesse J eanne, in: Disputationes Salonitanae 1970 (Split 1975), 96-101;. vgl. Duval, Mensae funeraires 189 Anm. 6) und das Epitaph einer clarissima femina civis Pannonia, gefunden in Split, aus d er Zeit um 425 (J. J. Wilkes, A Pannonian Refugee ofQuality at Salona, in: Phoenix 26 [1972], 377-393).

72 Vgl. Anm. 157. 73 Über die religiösen Kämpfe im Illyricum steht eine umfang1·eiche Literatm; zm· Verfü.

gung; vgl. Zeiller, Les origines (prov. danub.) 143ff., 228- 343; Rogosic, Veliki Ilirik (s. Anm. 50) 30- 46, 82- 94; M. Meslin, Les Ariens d'Occident (335-430), Paris 1967, 59-99, 253-299; M. Simonetti, La crisi ariana nel IV secolo, Roma 1975, 161- 552;· G. R. Palanque - G. Bardy - P. de Labriolle, Storia della Chiesa 3, 1: Dalla pace costan·

33*

524 R. BRATOZ, Frühes Christentum zwischen Sirmium und Aquileia

minius eines der stärksten Zentren antinicänischer Bewegungen war, spielte Aquileia in dieser Zeit eine viel geringere Rolle. Bischof Fortunatianus (ca. 340-ca. 368), aus Afrika stammend, der sich der Gunst des Papstes Liberius erfreute, war keine Persön­lichkeit von Format; als theologischer Schriftsteller war er schwach, in der Politik · bewies er keinen festen Charakter, zumal er zu Kompromissen bereit war und, obwohl anfänglich strenger Katholik, Zugeständnisse an den Arianismus machte.74

Die Gemeinden von Sirmium und Aquileia hatten anfänglich das gleiche Schicksal zu erleiden, da sie beide arianischem Druck ausgesetzt waren. Sirmiums Bischof Domnius, der als Antiarianer am Konzil zu Nicaea 325 teilnahm,75 wurde um das Jahr 335 das erste Opfer der arianischem Offensive. Er wurde abgesetzt und des Landes verwiesen,76 möglicherweise durch die Intrigen des jungen und eifrigen, arianisch gesonnenen Bischofs Valens aus Mursa (neben Ursacius aus Singidunum der wichtigste Repräsentant des Ariani~mus im Illyricum),77 der es auf den Stuhl des Bischofs von Sirmium abgesehen haben soll. Die Bestrebungen der Arianer waren freilich nur zum Teil erfolgreich, da der katholische Euterius neuer Bischof von Sirmium wurde. Noch vor dem Konzil zu Serdica, um das Jahr 340, versuchte Bischof Valens aus Mursa die Wahl des neuen Oberhirten von Aquileia für sich zu entscheiden. Der Versuch schei­terte - offensichtlich wurde damals der katholische Fortunatianus zum Bischof gewählt -, doch kam es in der Stadt zu Auseinandersetzungen, denen der sonst nicht weiter bekannte, katholisch eingestellte Bischof Viator zum Opfer fiel.78

tiniana alla morte di Teodosio (313-395), Torino 1977 (3. ital. Ausg.), 105-171 (141 bis 218), 247-312 (301-378); R. Gryson, Scolies ariennes sur le concile d'Aquitee. Introduc­tion, in: SC 267 [1980], 101-172; Brennecke, Hilarius von Poitiers (s. Anm. 51) passim;

, Y. M. Duval, Aquilee et Sirmium dura.nt la crise arienne (325-400), in: AAAd 26 [1985), 331-379.

74 Die Kommentare des Fortunatianus zu den Evangelien, die als Fragmente erhalten geblieben sind (edd. A. Wilmart:. - B. Bischoff, in: CCSL 9 (1957), 365-370), zeugen von keinem großen Denker und Stilisten. Auch Hieronymus hatte keine gute Meinung über ihn (De viris illustribus 97 [PL 23, 697]). Über Fortunatianus als Kirchen.politiker s. L. Duchesne, Libere et Fortunatien, in: Ecole frarn;iaise de Rome. Melanges d'archeologie et d'histoire 28 [1908], 31-78; A. L. Feder, Studien zu Hilarius von Poitiers 1, in: SBAk. Wien, Phil.-hist. Klasse 162, 4 (Wien 1910), 157f., 161, 165; Y. M. Duval, Les relations doctrinales entre Milan et Aquilee durant la seconde moitie du rve siecle. Chro­mace d'Aquilee et Ambroise de Milan, in: AAAd 4 [1973], 171-234, bes; 176ff.; Simo­netti, La crisi ariana 220 ff.; Cuscito, Cristianesimo antico 168 ff.; Brennecke, Hilarius von Poitiers 265-301.

75 E. Honigmann, Une list:.e inedite des peres de Nicee: Cod. Vatic. Gr. 1587, fol. 335r_357v, in: Byzantion 20 [1950], 67 Nr. 186; vgl. Bra.toz, Die Entwicklung der Kirchenorga.ni­sa.tion . (s. Anm. 3) 170 Anm. 30; vgl. auch Pietri, Roma christiana 1, 174f. Anm. 3, mit der Lokalisierung des Bischofs Domnus in Stridon, wie einige Handschriften berich­ten, was unserer Meinung nach unrichtig ist. Vgl. Mansi II, Paris - Leipzig 21901, 696 (Domnus Stridonensis), 702 (Domnus Pannoniensis).

76 Athanasius, Historia Arianorum ad monachos 5 (PG 25, 700 B) ;vgl. Opelt, Die westliche Partei (s. Anm. 51) 90; Duval, Aquilee et Sirmium (s. Anm. 73) 335f.

77 Zeiller, Les origines (prov. danub.) 216f.; Bratoz, Die Entwicklung der Kirchenorgani­sation 172 Anm. 44ff.

78 Hilarius, Collectanea Antiariana Pa.risina B II 2, 4 (12) [in Anm. 51 angeführte Ausgabe 129]. Vgl. Cuscito, Cristia.nesimo antico 170; idem, Fede e politica 36; Pietri, Rome et Aquilee (s. Anm. 50) 229. Da der Bericht im Brief der Synode von Serdica an Papst Julius enthalten ist, es um Ereignisse unmittelbar vor· der Synode in Serdica geht und bekannt ist, daß der Bischof Fortunatianus aus Aquileia an der Synode teilnahm (s. folg. Anm.), können wir annehmen, daß diese Information vom Bischof von Aquileia selbst

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Im Jahre 343 nahmen die Bischöfe Fortunatianus von Aquileia und Euterius von Sirmium, die sich für das Nicaenum erklärten, an der Synode zu Serdica teil, ohne daß einer von ihnen in dieser Versammlung eine wichtige Rolle gespielt hätte.79 Der Bi­schof Maximus von Salona beteiligte sich nicht an der Synode, doch bekam er von den dort anwesenden arianischen Bischöfen einen Brief zugesandt ;80 das berechtigt zu der Annahme, daß der Bischof ein Anhänger der arianischen Lehre war, die sich demnach in der dalmatinischen Hauptstadt früher durchgesetzt hätte als in Sirmium und Aqui­leia. Von den anderen Bischöfen aus dem hier behandelten Gebiet, die Teilnehmer an der Synode zu Serdica waren, war Valens aus Mursa einer der führenden Arianei', während Marcus aus Siscia und Aprianus aus Poetovio zur westlichen katholischen Partei gehörten. Über das Auftreten der beiden auf der Synode und später ist nichts bekannt.81

Die Beziehungen zwischen Sirmium und Aquileia kamen in eine neue Phase, als nach dem Tod des katholischen Bischofs .Euterius der hochgebildete Photinus aus Ancyra Bischof von Sirmium wurde. Mit ihm setzte eine neue häretische Bewegung ein, die wesentliche Elemente des Ebionitisrnus, Sabellianismus und der Lehre des Pau ... Jus aus Samosata enthielt und sowohl von den Katholiken als auch von den Arianern verurteilt wurde.82 Die Irrlehre des Photinus hinterließ bleibende Spuren im Illyri­cum, zumal sie sich in modifizierter Form bei den Bonosianern bis in das 6. Jh. hinein erhielt.83 Daß sie in Aquileia verbreitet war, geht besonders aus den Schriften des

stammt, der bei diesen vVahlen wahrscheinlich KonkwTent d es Valens war. Dadurch, daß V alens relicta ecclesia ecclesiam aliam invadere voluisset, verging er sich gegen c. 2 der Synode in Arles 314, c. 15 des Konzils in Nicaea 325 und c. 21 der Synode in Antiochia 341 (Ch. J. Hefele, Histoire des conciles 1, Paris 1907, 281, 597ff„ 720f.).

79 Hilarius, CollectaneaAntiariana Parisina B II 4 (Nr. 37, 40) [angeführte Ausgabe 137]; A. L. Feder, Studien zu Hilarius von Poitiers 2, in: SBAk. Wien, Phil.-hist. Kl. 166, 5 (Wien 1911), 38- 39. Etwas aktiver war Fortunatianus, der höchstwahrscheinlich die Synode über die Tätigkeit des Valens aus JVIursa in Aquileia informiert hat. Vgl. auch Pietri, Rome et Aquilee 231.

80 S. Anm. 51 A.; .Meslin, Les Ariens d'Occident 64. 81 Über Valens von JVIursa s. W. Ensslin, in: RE VII A, 2 (1948), 2141- 2146 s. v. Valens

Nr. 21; 1\farcus aus Siscia wird in den Quellen nur zweimal erwähnt (Hilarius, Collec­tanea Antiariana Parisina B II 4 (Nr. 52; angeführte Ausgabe 138); Athanasius, Epist. ad Mareoticas eccleaias (PL 56, 852 A), ebenso Aprianus aus Poetovio (Athanasius, Epist. ad Mareoticas eccl., PL 56, 850 D und 852 A). Vgl. auch Bratoz, Die Entwicklung

' der Kirchenorganisation 154f., 189 f. · 82 Hilarius, Collecta.nea Antiariana Parisina B II 5, 4 (19). B II 9, 1- 3. B IV 2, 1 (ange­

führte Ausgabe 142, 146f„ 158). Über Photinus und seine Lehre vgl. M. Simonetti, Studi sull'arianesimo, Roma 1965, 135-159; idem, La crisi ariana 202- 206; Duval, Aquilee et Sirmium 339 f. ·

83 Die Häresie d es Photinus wurde auf mehreren Kirchenversammlungen verurteilt (vgl. Hefele 1, 841ff.), endgültig auf d em 2. Ökumenischen Konzil in Konstantinopel 381, c. 1 (Hefele 2, 20) und ausdrücklich durch kaiserliche Gesetzgebung verboten [Cod. Theod. 16, 5, 6, 1 (381); 16, 5, 65 (428); Cod. Theod. L eges Novellae 3, 9 (438)]. Trotzdem bestand die Häresie in Sirmium und in dessen Einflußbereich noch weiter, was die fol­genden Quellen bezeugen:

A) Die Häresie erwähnen Nicetas de Remesiana, Instructio ad cornpetentes 3, 1, 5 (ed. Gamber [s. Anm. 58] 44) und Scholia Arriana in conciliurn. Aquileiense 29 [ed . R. Gryson, in: CCSL 87 (1982), 162 ( =SC 267 [1980], 240)], ebenso Altercatio Heracliani laici cum Germinio episcopo Sirmiensi (PL Suppl. 1 [1958], 346). .

B) Sie wird erwähnt im Brief der Synode von Aquileia 381 an die Kaiser Gratianus, Valentinianus II. und Theodosius (Gesta episcoporum Aquileiae adversus haereticos

526 R. BRATOZ, Frühes Christentum zwischen Sirmium und Aquileia

Bischofs Chromatius (388-408) hervor, der ihr besondere Aufmerksamkeit widmete und sie sogar für eine größere Gefahr als den Arianismus hielt.84 Auch Rufinus, der mit Sicherheit zumindest einige der Schriften des Photinus gekannt hat, warnte vor den Lehren des Bischofs von Sirmium.85 Daß der Häresie des Photinus in Schriften aquileischer Autoren Erwähnung getan wird, unterstreicht zwar, daß diese in Aqui­leia bekannt war, beweist jedoch nicht, daß sie sich dort jemals fest etablieren konnte.

In jener Zeit, da die Irrlehre des Photinus entstand, bemühte sich der Bischof Fort unatianus von Aquileia, dutch Vermittlung eine Aussöhnung der arianischen Partei mit der katholischen herbeizuführen. In seiner Neigung zu Kompromissen und seiner Inkonsequenz ging er schließlich so weit, daß er im Verlaufe von zehn Jahren aus dem katholischen ganz in das arianische Lager übertrat.

Noch nach der Synode von Serdica hielt sich die führende Persönlichkeit der katho­lischen Seite, der alexandrinische Bischof Athanasius, in Aquileia bei Fortunatianus auf. Er war aus Serdica über Naissus nach Aquileia gekommen, wo sich zu jener Zeit auch der Kaiser Constans aufhielt. Hier feierten alle drei das Osterfest des Jahres 345, und hier erreichte Athanasius der Brief Kaiser Constantius' II. mit der Nachricht, er dürfe nach Alexandria zurückkehren.86 Doch schon zwei Jahre später (347) lud Fortunatianus die Jführer der arianischen Partei, Valens aus Mursa und Ursacius aus Singidunum, nach Aquileia ein. Die beiden hatten zuvor zusammen mit ihm als dem Bischof von Aquileia an der Synode in Mailand teilgenommen, wo die Lehren des Photinus verurteilt worden waren. Von Aquileia aus schrieben die zwei arianischen Bischöfe, deren Stand nach der Synode in Serdica unsicher geworden war, einen Ver­söhnungsbrief an Athanasius nach Alexandria.87

Arrianos, Epistula 2, 12 (ed. lVI. Zelzer, in: CSEL 82/III (1982), 324-325)], ebenso in den Synodalakten. Der Bischof Valerianus von Aquileia behauptete in der Synode, daß der Bischof Palladius aus Ratiaria a Fotinianis est ordinatus et cum istis est clamnatus (Acta concil. Aquil. 49; S. 356). .

C) Der Brief von Papst Innocentius an den sirmischen Bischof Laurentius aus dem Jahr 409 [Epistula 4J (PL 20, 607-608)]. Pietri, Roma christiana 2, 919-920 nimmt als Sitz dieses Bischofs (Seniensis, Siniensis, Symiensis) Siena an, erklärt aber den Inhalt des Briefes mit der Anwesenheit der Photinianer in Etrurien, wohin sie sich aus Rom ge­flüchtet haben. Die Lokalisierung der Ereignisse nach Sirmium, wie Zeiller, Les origines (prov. danub.) 146 und 345 vorgeschlagen hat, scheint uns richtiger zu sein. Im gleichen J ahi· schrieb nämlich dei· Papst wegen der Häresie der Bonosianer (die der Häresie der Photinianer sehr ähnlich war und mit dieser oftmals verwechselt wird) dein Bischof Martianusvon Naissus [Epist. 16 (PL 20, 519); vgl. auch Ph. Jaffe, ~egesta pontificum Romanorum 1, Leipzig 1885, 299].

D) Die Häresie wird erwähnt von den Kirchenhistorikern Socrates Rist. eccl. 5, 2, (PG 67, 568 B) und Sozomenos, Hist. eccl. 7, 1, 3 (ed . J . Bidez, Berlin 1960, 302); vgl. Cod. Theod. 16, 5, 6 (H81).

E) Cod. Just., Novelht 11, 5 (535) erwähnt das Bonosiacorwn scelus, verbreitet auf dem Gebiet der Dacia Ripensis. Vgl. auch Anm. 198; zu den Bonosianern s. K. Schaeferdiek, Bonosus von N aissus, Bonosus von Serdika und die Bonosianer, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 96 [1985], 162-178.

8" Alle Stellen sammelte und analysierte Duval, Les relatio.ns doctrinales (s. Anm. 7 4) 202 ff. Vgl. auch Cuscito, Cristianesimo antico 188f.

85 Rufinus, Exp. symb. 1. 37 (COSL 20, 133, 172). . 86 Athanasius, Apologia ad Constantium imp. 3. 15 (PG 25, 579ff., 613 [ = SC 56 (1958), 91,

104]). VgLDuval, Aquilee et Sirmium (s. Anm. 73) 341. 87 Hilarius, Collectanea Antiariana Parisina B II 8 (angeführte Ausgabe 145); vgl. Duval,

Aquilee et Sirmimn 342f.; Cuscito, Fede e politica 38.

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Der Kampf gegen Photinus und die dramatischen Ereignis~e im Reich-der Bürger­krieg tobte zwischen Magnentius und Constantius Il.88 - schoben für einige Jahre den Streit zwischen Arianern und Katholiken in den Hintergrunq'-Dw._~~ den Sieg Kaiser Constantius' II. und besonders durch die entscheidende ~crel;- Bischofs Valens während der Schlacht bei Mursa89 war die Macht für ein Jahrzehnt in den Hän­den der arianischen Partei. Valens aus Mursa und Ursacius aus Singidunum wurden die engsten Berater des arianisch gesinnten Kaisers Constantius II. Die erste Synode von Sirmium 351 bekräftigte in Anwesenheit der arianischen Bischöfe das Dogma des Arius und vertrieb nach einigen mißlungenen Versuchen auf den Synoden von Mai­land 345 und 347, Sirmium 347 und Rom 349 Photinus aus seinem Amt als Bischof von Sirmium ;!JO an seiner Stelle wurde durch den Kaiser unter Anwendung militäri­scher Gewalt der Arianer Germinius (351-ca. 376) eingesetzt. Dieser bildete zusammen mit Valens und Ursacius das Dreigestirn der großen arianischen Bischöfe im Illyricum, wobei er jedoch durchaus im Schatten der beiden anderen blieb.Ot

Die Rolle Aquileias und seines Bischofs Fortunatianus war in diesem Zeitabschnitt sehr delikat und in gewisser Hinsicht entscheidened. Nachdem man den Vorschlag des Papstes Liberius und dei· katholischen Bischöfe aus dem Jahre 353, die Synode solle in Aquileia tagen, abgelehnt hatte,92 berief der Kaiser die Kirchenversammlung nach Arles ein und zwei Jahre später (355), unter noch größerer Beteiligung, eine weitere nach Mailand. Diese bedeutete eine Wende in der Kirchenpolitik Aquileias. Bischof Fortunatianus gab dem Druck der arianischen Partei nach und unterzeichnete die Verurteilung des Athanasius, wodurch er offen in das Lager der Arianer übertrat.93 Sein Parteienwechsel war um so verhängnisvoller, da er einige Jahre später den des Papstes Liberius nach sich zog. Als dieser nach der Synode von Mailand in das thra­kische Beroea vertrieben wurde, vertrat Bischof Fortunatianus als sein Freund die

ss J . Sasel, The Struggle between lVIagnentius and Constantius II for Italy and Illyricum, in: Ziva antika 21 [1971], 205-216; über die Bedeutung des Bfü·gerkrieges für die Kirchengeschichte s. Brennecke, Hilarius von Poitiers 65-90.

89 Sulpicius Severus, Chronica 2, 38 (PL 20, 150). 90 Brennecke,Hilarius von Poitiers 91-107; Duval, Aquilee et Sirmium 343-345. 91 Germinius nahm 355 an der Synode in Mailand teil, an der er sich als arianischer Bischof

gegen Athanasius entschied ; er war auch einer der Abgesandten der Synode a n das katholische Oberhaupt, den Bischof Eusebius aus Vercellae (Epist. ad Eusebium. o Concilio Mediolanensi 1, 1 [ed. V . Bulhart, in: CCSL 9 (1957), 119]). Als Gastgeber wohnte er der 2. und 3. Synode von Sirmium in den Jahren 357 und 358 bei (Hilarius, De synodis 11 [PL 10, 487]). E r nahm an der Synode von Rimini 359 und der Gesandt· schaft in das thrakische Nike im selben Jahr teil (Hilarius, Collectanea Antiariana Parisina A V 1, 2; A V 3, 1; AIX 3; B VIII 1 (S. 82f., 86, 97, 174). In den Quellen wird er unter den arianischen Kirchenführern aus dem Illyricum immer an dritter Stelle er· wähnt, hinter Valens und Ursacius, die durchaus die führende Rolle spielten, obwohl sie in der "Wür de d es Bischofssitzes dem sirmischen Bischof nachstanden (so außer in den angeführten Quellen auch im Brief des Papstes Liberius aus seiner Verbannung an die arianischen Bischöfe d es Illyricums, Hilarius, Collectanea B VII 10 [S. 170]). Über die­Rolle der drei arianischen Bischöfe"'s, auch l\'Ieslin, Les Ariens d'Occident 67- 84; R. K lein, Constantius II. und die christliche Kirche, Darmstadt 1977, 86ff.

92 Hilarius, Collectanea Antiariana Parisina B VII 2, 6 (angeführte Ausgabe 167). 9:l Athanasius, Apologia ad Constantium imp. 27 (PG 25, 629 [ = SC 56 (1958), 119]). Die

Behauptung, er hätte später das arianische sirmische Glaubensbekenntnis unterschrieben (S. Tavano, Aquileia cristiana, in: AAAd 3 [1972], 26) ist logisch, doch auf Grund der erschlossenen Quellen nicht sicher zu belegen. Vgl. Brennecke, · Hilarius von Poitiers 292f., mit der Behauptung, daß es rnn die Formel der 2. Synode von Sirmium (357) geht.

528 R. BRATOZ, Frühes Christentum zwischen Sirmium und Aquileia

Interessen des Papstes sowohl beim Kaiser als auch bei der arianischen Partei und brachte den Papst zum Einlenken, d. h. zur Unterzeichnung des Glaubensbekennt­nisses der 2. (oder 3. ?) Synode von Sirmium 357 bzw. 359. 94 Diesem tiefsten Fall der katholischen Partei folgte das Konzil von Rimini 359, auf dem die katholischen Bi­schöfe des Westens überstimmt und gedemütigt wurden.95

Mit dem Tode des Kaisers Constantius II. setzte eine Wende in der Kirchenpolitik ein, die nach zwei Jahrzehnten zu einer vollständigen Niederlage des Arianismus im Illyricum führte . Diese Wende ist nicht nur auf die veränderten Verhältnisse auf dem Kaiserthron und auf die Initiative der katholischen Bischöfe Norditaliens zurückzu­führen,96 sondern a.uch auf die Tatsache, daß nicht die gesamte Bevölkerung des Illyricums und vor allem auch Sirmiums selbst vom Arianismus durchdrungen war,97 und ferner, daß es in der adanischen Partei im illyrischen Raum zu einer Spaltung gekommen war, die Bischof Germinius von Sirmium durch seine Abwendung von der bisherigen arianischen Politik ausgelöst hatte.98

9~ Hieronymus; De viris illustribus 97 (PL 23, 679); Hilarius, Collectanea Antiariana Pari­sina B VII 8, 2 (S. 169f.). Fortunatianus überbrachte dem Kaiser die Verkündung der Verurteilung des Athanasius durch den Papst (Hilarius, Collect. B VII 8, 1 [S. 168, v. 13-16]) und war auch sonst Vertreter des Papstes (Hilarius, Collect. B VII 10, 2 (9) [S. 171]; vgl. auch Collect. B III 2 [S. 156]). Über die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Fortunatianus und Papst Liberius (diese auch belegt durch Epist. ad Eusebium a Liberio papa datae 3, 2, 1 [ed. V. Bulhart, in: CCSL 9 (1957), 123]) und über die Rolle des Fortunatianus beim Fall des Liberius s . Duchesne, Libere (s. Anm. 74); Pietri, Roma chris~iana 1, 238ff.; idem, Horne et Aquilee (s. Anm. 50 B) 232ff.; Cuscito, Cristianesimo antico 174ff.; idem, Fede e politica 40ff.; Klein, Constantius II. und die christliche Kirche 141 ff.; Duval, Aquilee et Sirmium 34 7 f.; Brennecke, Hilarius von Poiters 278-297.

95 Pie Konzilsakten sind nicht erhalten. Die starke Präsenz westlicher Bischöfe (mehr als 400) berechtigt zur Annahme, daß auch Fortunatianus in Rimini war (vgl.Cuscito, Cristianesimo antico 177). Die Anwesenheit des Bischofs von Sirmium, Germinius (zu­sammen mit Ursacius, Valens und Gaius, dessen Bischofssitz unbekannt ist), bei dieser Kirchenversammlung ist b ed eutsam. Diese vier Bh;chöfe waren zunächst von der katholischen Mehrheit verurteilt worden (Hilarius, Collect. A IX 3 [S. 96f.]). Dann treffen wir dieselben in d er Gesandtschaft an den Kaiser Valens, was der Brief der Synode von Seleukia an diese Gesandtschaft beweist (Hilarius, Collect. B VIII 1 [S. 174]). S. Duval, Aquilee et Sirrnium 351 f.; Brennecke, Hilarius von Poitiers 352ff.

9G Im Brief von 363 drücken die Bischöfe Norditaliens ihre Freude über die erneute Durchsetzung des katholischen Glaubens im. Illyricum aus und verurteilen Arrium Sabelliumque, cuius Fotinus partiaria hereditate damnatur. Daneben berichten sie, daß Valens, Ursacius und seine Gesinnungsgenossen schon olim condemnatos esse (Hilarius, Collect. B IV [S. 158f.]; Duval, Aquilee et Sirmium 354f.).

97 Über die öffentliche Polemik in der sirmischen Kirchengemeinde, verursacht durch das Auftreten dreier katholischer Laien am 13. 1. 366 (Altercatio Heraclif:!,ni laici cum Ger­minio episcopo Sirmiensi [PL Suppl. 1 (1958), 345-350]) s. Meslin, L es Ariens 69f., 294ff.; Duval, Aquilee et Sirmium 355-358.

98 Germinius veröffentlichte 366 seine Formel des Glaubensbekenntnisses, die zeigt, daß er von den Arianern zu den sogenannten Semiar!anern übergetreten war (vgl. Hilarius, Collect. A III [S. 4 7-48)). Um eine Spaltung zu verhindern, versammelten sich die aria­nischen Bischöfe'mit Valens und Ursacius an der Spitze auf einer Synode in Singidunum im Dezember 366, von wo aus sie dem sirmischen Bischof einen Anklagebrief schrieben (Hilarius, Collect. B V [S. 159-160)). Germiniur::. ließ von seiner Formel nicht ab, sondern begründete sie erneut in dem Brief an die acht illyrischen Bischöfe (unter den Adressaten feplen Valens und Ursacius; Hilarius, Collect. B VI [S. 160...,c,164]). Vgl. lVIeslin, Les Ariens 296ff. ; Duval, Aquilee et Sirmium 358ff.

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Die katholische Offensive gegen den Arianismus im Illyricum verbindet sich mit dem Wirken dreier Persönlichkeiten: Papst Damasus (366-384) als Nachfolger des zum Teil diskreditierten Liberius, Bischof Valerianus von Aquileia (368-388), der den politisch lavierenden Fortunatianus ablöste und mit Hilfe eifriger Kleriker den Aria­nismus in der Stadt beseitigte,99 und vor allem Bischof Ambrosius von Mailand (374 bis 397), der auf den Arianer Auxentius folgte . .

Auf der Kirchenversammlung von Rom in den Jahren 369 bis 371 unter Papst Damasus, die unter anderem die arianischen Bischöfe Valens aus Mursa und Ursacius aus Singidunum verurteilte,100 zeigte sich Bischof Valerianus von Aquileia als engster Mitstreiter des Papstes.101 In Sirmium, dem Hauptzentrum des Arianismus im Illy­ricum, wurde diese Häresie nicht durch den Papst oder den Bischof von Aquileia be­seitigt, sondern durch Bischof Ambrosius. Durch persönliche Intervention erreichte er, daß nach dem Tode des Germinius um 376 der katholische Anemius neuer Bischof wurde.102 Bald danach setzte er den möglicherweise dem Arianismus gegenüber freundlich gesinnten Bischof Leontius von Salona ab.103 Die rätselhafte Synode von Sirmium 378( ?), auf der sechs sonst weiter nicht bekannte arianische Bischöfe abge­setzt,JO'i und die Synode von Aquileia Anfang September 381, auf der die letzten zwei ariai1ischen Bischöfe im Illyricum, Palladius aus Ratiaria und Secundianus aus Singi­dunum, ihres Amtes enthoben wurden,105 bedeutete zu jener Zeit, da die a.rianische Bewegung auch durch kaiserliche Gesetze verboten wurde,J06 die endgültige Abrech­nung mit dieser Lehre im illyrischen Gebiet.

Während die Teilnehmer der eben genannten Synode von Sirrnium 378(1) unbe­kannt sind - freilich kann die Anwesenheit des Bischofs Anemius von Sirrnium und des

99 Vgl. Hieronymus, Epist. 7, 6 (ed. J. Labourt (Paris 1949), 24). 100 Diese Verurteilung selbst war wie die anderen aus dieser Zeit erfolglos (vgl. Athanasius,

Epist. ad Epictetum 1 [PG 26; 1052]~ idem, Epist. ad Afros 1 [PG 26, 1029]), aber die beiden arianischen Bischöfe starben bald nach diesen Ereignissen (vgl. Meslin, Les Ariens 84).

101 Sozom. Hist. eccl. 6, 23, 7- 15 (ed. J. Bidez (Berlin 1960), 266ff.) und Theodoretus, Rist. eccl. 2, 17 (22) (PG 82, 1052) überliefern den Brief der auf der Synode in Rom ver­samm.elten Bischöfe an die Bischöfe Illyriens. Im Brief taucht der Name des Valerianus unmittelbar nach dem des Papstes auf und wird n eben ihm als einziger ausdrücklich erwähnt ('Damasus, Valerianus und andere'). Vgl. Pietri, Roma chi-istiana 1,~33ff., 778 f.; idem, Rome et Aquilee 235-238; Duval, Aquilee et Sirmium 362ff.

102 Paulinus, Vita s. Ambrosii 11 (PL 14, 30f.). Vgl. M. Simonetti, La politica antia.riana. di Ambrogio, in: Ambrosius episcopus. Atti del Congr. intern. di studi ambrosiani (Milano 1976), 271ff.; idem, Lacrisi ariana (s. Anm. 73) 438f. ; Duval, Aquilee et Sir­mium 370f.

103 Vgl. Anm. 51 C. 104 Theodoretus, H ist. eccl. 4, 8 (PG 82, ll37ff.). Vgl. Simonetti, La crisi ariana 439ff.;·

R. Gryson, Introduction (Scolies ariennes), in: SC 267 [1980], 107-121; Duval, Aqnilee et Sirmium, 369.

105 Der dritte arianische Bischof, J ulianus Valens aus Poetovio, floh nach den dramatischen Ereignissen in der Stadt um 380 nach Mailand (Gesta episcoporum Aquileiae, Epist. 2, 9-10 [ed. M. Zelzer, in: CSEL 82/III (1982), 322f.]). Vgl. Bratoz, Das Christentum in Slowenien (s. Anm. 3) 36f., 48 Anm. 44.

100 Cod. Theod. 16, 1, 2 (380); 16, 5, 6 (381); 16, 5, 8 (381); 16, 5, 11 (383); 16, 5, 12 (383); 16, 5, 13 (384). Vgl. P. P. Joannou, La legislation imperiale et la christianisation de l'Empire romain (311- 476), Roma 1972, 79ff.; K. L. Neotlichs, Die gesetzgeberischen Maßnahmen der christlichen Kaiser des vierten Jahrhunderts gegen Häretiker, Heiden und Juden, Köln 1971, 129- 144.

530 R. BRATOZ, Frühes Christentum zwischen Sirmium und Aquileia

Mailänder Bischofs Ambrosius als fast sicher betrachtet und für Valerianus aus Aqui­leia vermutet werden 107 - geht aus den erhaltenen Akten der Synode von Aquileia 381 hervor, daß der Bischof Valerianus von Aquileia als Vorsitzender und der Bischof Anemius von Sirmium als Repräsentant des dem Range nach ersten unter den illy­rischen Bischofssitzen daran teilgenommen haben.1oa Durch vereinzelte Eingriffe in die Debatte und durch die öffentliche Verurteilung der arianischen Bischöfe am Schluß der Versammlung unterstützten sie die Linie des Bischofs Ambrosius von Mailand.109 Ihre Teilnahme und ihr Auftreten manifestierte einen Höhepunkt in der Entwicklung der intensiven Beziehungen zwischen Sirmium und Aquileia. Die letzte gemeinsame Aktion dieser beiden Bischöfe war ihre Teilnahme an der Synode von Rom 382 unter Papst Damasus.110

107 Über die Frage der Anwesenheit des Ambrosius auf dem Konzil vgl. Gryson, Introduction (s. Anm. 104) 110-115. Die Unterschrift unter den Synodalbeschlüssen ot E:rrlCl'Xo7tot 't"OU 'D,/,uptxoü schließt Teilnahme des aquileischen Bischofs V alerianus nicht aus, da er bei d en Ereignissen im Illyricum offensichtlich ziemlich engagiert war und z.B. 369 von Basi­lius als 'Bischof der I11yrer' tituliert wurde (vgl. Epist. 91 [PG 32, 4 76]; s. Anm. 50 A).

108 Die Synodalakten sind in zwei Versionen erhalten geblieben: fast vollständig in amtli­cher Version mit zwei Begleitbriefen (Gesta episcoporum Aquileiae adversus haereticos Arrianos, in: Sancti Ambrosii opera X: Epist. III [ed. lVI. Zelzer, in: CSEL 82/III (1982), 313-368]) und fragmentarisch in kommentierter arianischer Version (Scholia. Arriana in concilium Aqµileiense, ed. R . Gryson, in: CCSL 87 (1982), 14 7-196 [ = Scolies ariennes sur le concile d'Aquilee, in: SC 267 [1980], 201-327, mit franz. Übersetzung; vgl. da.zu Y. lVI. Duval, La presentation arienne du CQJlcile d'Aquilee de 381. Apropos des „Scolies ariennes sur le concile d'Aquilee" par R. Gryson, in: RHE 76 [1981], 317-331 ). Einige neuere Literatur: Atti del colloquio internazionale sul concilio di Aquileia d el 381 ( =AAAd 21 [1981]); G. Cuscito, Il concilio di Aquileia d el 381 e le sne fonti, in: AAAd 22 [1982], 189-253 (mit ital. Übersetzung der Akten und der Begleit­briefe); idem, Fede e politica 47-75; A. de Nicola, Il dibattito teologico degli Atti del

· Concilio di Aquileia del 381, in: Ricerche religiose del Friuli e d ell'Istria 2 [1983], 47-94; Duval, Aquilee et Sirmium 372-377.

109 Anemius griff nur einmal in die von Ambrosius geführte Debatte ein (sehr aktiv war auch der Bischof Eusebius aus Bononia), und zwar nach den Vertretern Galliens und Afrikas als Repräsentant der Hauptstadt d es Illyricurn.s (Gesta Hi [S. 335]: Oaput lllyrici non nisi civitas est Sirmiensis, ego igitur episcopus illius civitatis sum ... ; diese Aussage ist auch in der arianischen Version der Akten registriert. Scholia Arriana 20 [CCSL 87, 158 = SC 267, 228]). Valerianus griff in die Debatte das erste Mal mit einer sehr kurzen „technischen" Bemerkung ein (Gesta 46. [S. 354]), das zweite Mal aber mit der Anklage, Palladius sei von einer duplex blasphemia belastet, und zwar neben dem Arianismus noch vom Photinianismus (Gesta 49 [S. 356]. Im einleitenden Verzeichnis der T eilnehmer, im abschließenden Verzeichnis der Unterzeichner sowie unter den Meinungen betreffs der Verurteilung des l?alladius erscheint Valerianus an erster Stelle. In den beiden Bischofsverzeichnissen taucht Anemius an fünfter Stelle auf, bei den Meinungen zur Verurteilung des Palladius an zweite1', unmittelbar hinter Valerianus (vgl. J. lVI. Hanssens, II concilio di Aquileia del 381 alla luce d ei documenti contem­poranei, in: La scuola. cattolica 103 [197 5], 565). Daraus können wir schließen, daß Anemius zu den angesehensten Teilnehmern d er Versammlung gehörte, gleich i1ach Ambrosius und Valerianus. Vgl. auch Duval, Aquilee et Sirmium 373f.

110 Theodoretus, Rist. eccl. 5, 9 (PG 82, 1212) zitiert den Brief der östlichen Bischöfe an die in Rom versammelten Bischöfe aus dem W esten. Die Reihenfolge d er Adressaten spie­gelt Ansehen und Rang der einzelnen Bistümer im Westen zu jener Zeit wider: 1. d er Papst Damasus, 2. der Mailänder Bischof Ambrosius, 3. der Bischof Britto a us Trier, 4. Valerianus aus Aquileia, 5. Ascholius aus Thessaloniki, 6. Anemius aus Sirmiurü. Über die Synodes. G. R. Palanque - G. Rardy - P. de Labriolle, Storia della. Chiesa 3, ~ (s. Anm. 73), 310 (373); Pietri, Roma. chl'istiana 1, 867ff.

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Am Ende des 4 . und in der 1. Hälfte des 5. Jh. sind keine kirchenpolitischen Kon­takte zwischen Sirmium und Aquileia belegt. Die Situation der beiden Städte war in dieser Zeit durch gemeinsame Züge geprägt: den Kampf gegen die häretische Lehre der Photinianer in Sirmi um 111 bzw. der Pelagianer in Aquileia 112 und die Eroberung der beiden Städte durch die Hunnen (Sirmium fiel wahrscheinlich im Jahre 441, Aquileia elf Jahre später).113

2. Historische Probleme aus der Sicht neuerer literaturhistorischer Forschungen

Neue Erkenntnisse über die Geschichte des Christentums in dem behandelten Gebiet kann die weitere Erforschung der zeitgenössischen Literatur geben. Theologische Schriften sind vor allem in drei Städten entstanden: in der vorkonstantinischen Zeit nur in Poetovio (Victorinus),114 von der Mitte des 4. Jh. an in Sirmium (Photinus, möglicherweise einige arianische . Traktate, sicher eine kurze antiarianische Streit­schrift ),115 von der Mitte des 4. Jh. bis zum Anfang des 5. Jh. in Aquileia (Fortunatia­nus, Chromatins, Rufinus).116

Nur wenig berichtet uns diese Literatur über die Geschichte des Christentums in dieser Region. In den meisten Fällen handelt es sich bei diesen Schriften um Bibel­kommentare (Victorinus, Fortmiatianus, Chromatius) bzw. um Predigten exegetischen Inhalts (Chromatius). Außerdem sind viele Schriften teilweise oder gänzlich verloren­gegangen; so zum größten Teil die Werke des Fortunatianus und die arianische Literatur, vollständig Photinus. Den bedeutendsten Zuwachs erhielt man rn.it der Entdeckung der Predigten des Chromatins zwischen 1959 und 1965 (einige Texte noch später). Diese brachten für die historische Forschung wichtige neue Erkenntnisse über den Kult der einheimischen Märtyrer, ferner über die religiösen, gesellschaft­lichen und kulturellen Verhältnisse in Aquileia um das Jahr 400, die beherrscht wur­den von der Pole1nik gegen Juden, Heiden und Häretiker (hierbei besonders gegen · Arius und Photinus), über die theologischen Anschauungen des Autors und der christlichen Gemeinde von Aquileia und über die zeitgenössische Liturgie.111 111 Innocentius, epist.16; 41(PL20, 519ff„ 607f.); vgl. Duval,Aquileeet Sirmium 378-379. 112 Ouscito, Oristianesimo antico 193-195; idem, F ed e e politica 90- 93; Duval, Niceta

d'Aquilee. Histoire, legende et conjectures anciennes, in: AAAd 17 [1980], 161-206, bes. 182- 185 ;· Pietri, Rome et Aquilee 244-248.

113 Für Sirmium vgl. M. Mirkovic, Sirrnium - its history from the I century A. D. to 582 A. D„ in: Sirmium 1 (Beograd 1971 ), 4 7- 48; für Aquileia vgl. Y. M. Duval, Aquilee sur la route des invasion:s (350- 452), in: AAAd 9 [1976], 237- 298, bes. 291- 296; idem, Niceta d'Aquilee 190- 204.

114. S. Anm. 3. 115 Eine kurze Übersicht vermittelt K. Gamber, Die lateinischen liturgischen Quellen

Illyriens vom 4. bis 6. J"ahrhundert, in: Sirmium 4 (Beograd 1982), 77-85. · 116 Eine kurze Übersicht v ermittelt Ouscito, Oristianesimo antico 196-198; für Rufinus

s . F. Thelamon, Pai:ens et chretiens au rve siecle. L'apport de l'„Histoire ecclesiastique" de Rufin d'Aquilee, Paris 1981; Hiufino di Ooncordia e il suo tempo, in: AAAd 31, H. 1- 2 [1987] (Sammelband). Für die letzten Jahre des Rufinus vgl. 0. P. Hammond, The last ten years of Rufinus' life and the date of his .move south from Aquileia, in: The Journal of Theological Studies 28 (1977], 372- 429.

117 Wichtigste Ausgaben: Chromace d'Aquilee, Sermons I-II Introduction, t exte critique, notes par J. L emarie, traduction p ar H . Tardif, in : SO 154. 164 [1969. 1971]; Ohromatii Aquileiensis opera (Sermones, Tractatus in Matthaeum), edd. R . Etaix- J. Lemarie, in: COSL 9 A (1974); Spicilegimi1 ad Ohromatii Aquileiensis opera, in: CCSL 9 A Supple­mentum ( 1977). · .

532 R. BRATOZ, Frühes Christentum zwischen Sirmium und Aquileia

Die Schriften des Rufinus, vor allem die expositio symboli, erhellen im Lichte der neueren Forschungen die Besonderheiten in der Entwicklung des christlichen Dogmas in Aquileia und erklären auf der anderen Seite die Auseinandersetzungen mit den Origenisten bzw. den persönlichen Konflikt zwischen Rufinus und Hieronymus.118 In jüngeren Untersuchungen wurde auch das Verhältnis zwischen Niketas von Reme­siana und dem Bischof Niketas von Aquileia (1. Hälfte des 5. Jh.) geklärt, dem früher die Schriften des Bischofs aus Dacia Mediterranea zugeschrieben wurden.119

Erstaunlich mag vielleicht die Tatsache sein, daß Salona als ein wichtiges Zentrum der frühen Christenheit keinen theologischen Schriftsteller von Bedeutung hervor­gebracht hat. Nur von Bischof Hesychius (406-ca. 426) ist bekannt, daß er mit Papst Zosimus, dem hl. Augustinus und dem hl. Johannes Chrysostomus in brieflicher Ver­bindung stand.120

Einige frühchristliChe Versinschriften, die in Dalmatien (vor allem in Salona), in Istrien, Aquileia und Grado sowie im Süden der Provinz Noricum Mediterraneum gefunden wurden, haben literarischen Wert und lassen auf eine verhältnismäßig gute Ausbildung der Autoren schließen.J21

Ausgewählte Literatur: J. Lemarie, La testimonianza del martirio nei sermoni di Cromazio di Aquileia, in: Rivista di storia e letteratura religiosa 5 [1969], 3-12; idem, Chrom.atiana. Status quaestionis, in: Rivista di storia e letteratura religiosa 17 [1981], 64-76; der gleiche Autor behandelte verschiedene Fragen aus diesem Bereich auch in: AAAd 1 [1972], 141-152; AAAd 4 [1973], 249-270; Aquileia nostra 45/46 [1974/75], 669-700; Aquileia nostra 48 [1976], 151-176; AAAd 9 [1976], 437-465; AAAd 13 [1978], 355-373 ·~ Rivista di storia e letteratura. religio&a 16 [1980], 213-222; AAAd 19 [1981], 279-291. S. auch D. Corgnali, Il mistero pasquale in Cromazio d'Aquileia, Udine 1979; G. Trettel, :Mysterium e sacramentum in S. Cromazio, Trieste 1979; idem; Cristologia cromaziana (Appunti), in: Ricerche religiose del Friuli e dell'Istria 1 [1981], 3-86; idem, Sangue e antropologia biblica in Cromazio di Aquileia, in: Atti della Settimana Sangue e antropologia nella letteratura cristiana 2 (Roma 1983), 1301-1319; Il pane eil vino segni sacramentali del corpo edel sangue d el Signore (secondo Cromazio d'Aquileia), in: Atti della Settimana ... 3 (Roma 1983), 1313-1330; G. Cuscito, Cro­mazio di Aquileia (388-408) e l'eta sua, Aquileia 1980; idem, Fede e politica 77-86; historisch wichtige Fragen behandelten auch L. Cracco Ruggini, II vescovo Cromazio e gli ebrei di Aquileia, in: AAAd 12 [1977], 353-382; Y. :M. Duval, Les relations doctri­nales entre .Milan et Aquilee durant la seconde moitie du rve siecle. Cromace d'Aquilee et Ambroise de Milan, in: AAAd 4 [1973], 171-234; G. Cuscito, La „societas christiana" ad Aquileia nel IV secolo, in: AAAd 29 [1987], 183-210; S. Tavano, Tensioni culturali e religiose in Aquileia, in: AAAd 29 [1987], 211-245; C. Truzzi, Zeno, Gaudenzio e Cromazio. Teeti e contenuti della predicazione cristiana per le Chiese di Verona, Brescia e Aquileia (360-410 ca.), Brescia 1985.

118 Kritische Ausg.: Tyrannii Rufini opera, ed. :M. Simonetti, in: CCSL 20 (1961); kom­mentierte Übersetzungen: Rufinus. A commentary on the Apostles' creed, transl. and aimotated by. J. N. D. Kelly, in: Ancient Christian writers 20 (Westmin·ster (1VIaryland) - London 1955); Rufino. Spiegazione del credo. Traduzione introduz. e note a cura di M. Simonetti, in: Collana di testi patristici 11 (Roma 1978). Neben den Literaturangaben in Anm. 116 s. auch Y. :M. Duval, Aquilee et la. Palestine entre 370 et 420, in: AAAd 12 [1977], 263-322; Cuscito, Fede e politica 87-89; Pietri, Rome et Aquilee 240f.

119 Duval, Niceta d'Aquilee (s. Anm. 112). 120 Zosimus, epist. ad Esychium (PL 56, 571-573); Augustinus, epist. 199 (PL 33, 904 bis

925); De civ. Dei 20,5 (edd. B . Dombart - A. Kalb, in: CCSL 48 (1955), 705 v. 78ff.); Johannes Chrysostomus, epist. 183 (PG 52, 715). Vgl. Bratoz, Die Eritwicklung der Kirchenorganisation (s. Anm. 3), 17 5 f.. Anm. 57.

121 Die frühchristlichen metrischen Inschriften Dalmatiens veröffentlichte zuletzt D. Rendic-Miocevic, Carmina epigraphica„ Split 1987, Nr. 5; 6; 7; 8; 28;, 44; 61; 68; 69;

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Einzelne wichtige Nachrichten über die Geschichte des Christentums in dem behan­delten Gebiet bringt schließlich die bedeutendste Persönlichkeit der frühen christli­chen Literatur, die aus dieser Gegend stammt, der hl. Hieronymus. In diesem Zu­sammenhang wollen wir im folgenden auf einen völlig neuartigen Versuch aufmerksam machen, Strido bzw. Stridonae, den Geburtsort des großen Theologen, zu lokalisieren.

3. Die Heimat des hl. Hieronymus

Es ist in diesem Rahmen unmöglich, die bereits mehrere Jahrhunderte währende Polemik zwischen den Vertretern der verschiedenen Auffassungen zu referieren, die die Herkunft des Hieronymus in Dalmatien, Istrien bzw. in Pannonien suchen. Für diese unterschiedlichen Auffassungen gab der Autor selbst die Veranlassung. An einer ein­zigen Stelle erwähnt er seinen Geburtsort mit den rätselhaften Worten: oppido Stridonis, quod, a Gothis eversum, Dalmatiae quondam Pannoniaeque confinium /uit.122 Den wissenschaftlichen Streit um dieses Problem versuchte vor fast siebzig Jahren Don Fran/e Bulic in einer umfangreichen Abhandlung zu klären, in der er die Herkunft des Theologen aus Dalmatien zu bestätigen suchte.123 Dabei stützte er sich auf eine 1882 veröffentlichte Inschrift, an der schon bald nach ihrer „Entdeckung" Zweifel laut wurden und die nach mehrheitlicher, aber nicht einstimmiger Meinung heute als Fälschung gilt.12'• In den folgenden Jahrzehnten haben einige Historiker Bulics Lo­kalisierung des Ortes Strido beim heutigen Grahovo polje in Nordwestbosnien akzep­tiert, während andere Strido ohne überzeugende Argumente bei verschiedenen, meh­rere hundert Kilometer voneinander entfernten Ortschaften suchten~ Das alles zeigt, daß eine überzeugende Lösung dieses Problems bislang noch nicht gefunden ist.125

Einen neuen Ansatz hat jüngst der kroatische Historiker und Archäologe Mate Suic vorgestellt.126 Er geht aus von der Angabe eines mittelalterlichen Chronisten, des Archidiakons Thomas von Split, der in der Mitte des 13. Jh. gelebt hat. Der Autor be­schreibt in seiner Historia Salonitana die Lage Dalmatiens mit den Worten: nunc vero Dalmatia est regio maritima, incipiens ab Epyro, ubi est Dirachium et protenditur usque

70; 71; 72;. 73; 74; 75; 76; 82; 83. Für Istrien, Aquileia und Grado s. G . Cuscito, Gradi e funzioni ecclesiastiche nelle .epjgrafi dell'Alto Adriatico orientale (sec. IV-VI), in: AAAd 6 [1974], 211-254, bes. 245 Nr. 24; 247 Nr. 50 (es handelt sich um. die Bauin­schrift in der Kathedrale der hl. Euphemia in Grado und die Bauinschrift in der Basilica Euphrasiana in Porec; vgl. auch Cuscito, Cristianesimo antico, 261f., 318 ;. S. Ta.vano, Aquileia e Grado, Trieste 1986, 317 f. ;· M. Prelog, Die Euphrasius-Basilika von Porec, Zagreb 1986, 21). Die einzige frühchristliche metrische Inschrift aus Slowenien ver­öffentlichte zuletzt Bratoz, Das Christentum in Slowenien (s. Anm. 3), 40, 52 Anm. 90;. idem, in: Atti e Memorie della Societa Istriana di Archeologia e Storia Patria n. s. 29/30 [1981/82], 51Nr.16; 54-55.

122 De . viris illustribus 135 (PL 23, 715). 123 F. Bulic Stridone (Grahovopolje in Bosnia) luogo natale di s. Girolamo, In: Bulletino di

archeologia e storia Dalmata 40-42 [1922], 253-330; kroatische Fassung in: Izabrani spisi, Split 1984, 87-198.

t24 OIL III 9860; über den Umstand des „Fundes" Bulic, Stridone 317ff. (!dem, lzabrani spisi 165f.). Die Inschrift wird mit Vorbehalt als authentisch von J. J. Wilkes, Dalma.­tia, London 1969, 271 Anm. 5; 459; idem, Boundary stones in Roman Dalmatia, in: AV 25 [1974], 267 f. (Nr. 24), betrachtet.

125 Vgl. Bratoz, Das Christentum in Slowenien 49 Anm. 56. 126 Hijeronim Stridonjanin - gradjanin Tarsatike ('Hieronymus von Strido - Bürger von

Tarsatica'), in: Rad Jugoslavenske akademije znanosti i umjetnosti 426 [Knjiga 24: Razreda za. drustvene zna.nosti] (Zagreb 1986), 213-278.

534 R. BRATOZ, Frühes Christentum zwischen Sirmium und Aquileia

ad sinum Quarnarium, in cuius interioribus est oppidum Stridonis, quod Dalmatie Pannonieque confinium fuit . Hec fuit patria tell1ts beati Hieronymi egregii doctoris.127 Die Westgrenze des Königreiches Kroatien gibt er wie folgt an: . . . ab occidente Oarinthia; versus mare usque ad oppi'dum Stridonis, quod nunc est confinium Dalmatie et Istrie.128

Wenn diese Grenzbeschreibung, die nach Ansicht von Suic auf ein unbekanntes, wahrscheinlich verlorengegangenes Dokument zurückgeht, richtig ist, dann ist die annähernde Lage von Strido gegeben: Es geht um das Gebiet der heutigen Stadt Rijeka und Umgebung.129 Diese ungefähre Lokalisierung im Gebiet der K varnerbucht wird durch mehrere Tatsachen unterstützt. Hieronymus erwähnt an mehreren Stellen die Alpensperren, die zwischen Kärnten und der Kvarnerbucht Italien von Norden her schützen,130 er kennt also offensichtlich den nordadriatischen Raum; er kennt auch die Meeresfauna, er kennt Produkte des Meeres, kurz, er war sicher kein Mann aus dem Binnenland.131 Seine Korrespondenz zeigt enge Beziehungen zum nordadria­tischen Raum und zu Aquileia, nicht aber zu Dalmatien und Pannonien.132

Von der ungefähren Lokalisierung des Geburtsortes des großen Theologen, wie sie in der mittelalterlichen Quelle überliefert ist, ausgehend, behandelt Suic die Etymologie und die Namensform und beleuchtet die historische Entwicklung der Nordwestgrenze Italiens,133 in deren Kontext die Zerstörung des Ortes durch die Goten fällt; schließ­lich wendet er sich der topographischen Erforschung des Kvarner Gebietes zu. Weil keine neuen Quellen zur Verfügung stehen, stützt er sich auf die Ergebnisse der Orts­namensforschung, wobei er von Analogien bei der Tradierung der antiken Namen in den slawischen Gebieten des ostadriatischen Raumes an der Grenze zum romanischen Siedlungsgebiet und von entsprechenden Angaben, die Hieronymus in seiner Korres­pondenz bringt, ausgeht. Der Kirchenvater scheint seiner sozialen Herkunft nach aus . dem Kreis der Lokalaristokratie zu stammen. Die Angehörigen dieser Schicht lebten mit ihren Sklaven und Knechten auf den Gütern außerhalb der regionalen städtischen Zentren. Sie zeigten im allgemeinen eine distanzierte Haltung sowohl der bäuerlichen l3evölkerung der Umgebung als auch den in der Stadt wohnenden Schichten gegen-

127 Thomas Archidiaconus, Historia Salonitana 1 (ed. F. Racki, in: l\fonumenta spectantia historiam Slavorum meridionalium 26 (Zagreb 1894), 3).

128 Historia Salonitana 13 (angeführte Ausgabe S. 40) i vgl. auch Historia Salonitana maior, ed. N. Klai6 (Beögrad 1967), 107.

120 Vgl. scho nL. Margeti6, Tarsa.tica - izvori za pravnu povijest Rijeke ('Tarsatica - die Quellen für die Rechtsgeschichte von Rijeka'), in: Zbornik Pravnog fakulteta u Rijeci 4 [1983], 435-458, bes. 442; etwas veränderte Fassung mit ital. Übersetzung, in: Tarsatica, Dometi 21, Vol. 12 [1988], 731-746, bes. 736; 747-762, bes. 752; vgl. Suic, Hijeronim . Stridonjanin 232.

130 Suic 235; über den Verlauf der Olaustra Alpium luliarum s. J. Sasel- P. Petru (Hrsg.), Claustra Alpium Iuliarum 1 : Fontes, in: Catalogi et rnonographiae cura Musei nationalis Labacensis editi 5 (Ljubljana 1971): J . Sasel, K zgodovini Julijskoalpskega obramb­nega podrocja ('Zur Geschichte der julisch-alpinen Militärzone'), in: Situla 14/15 (Ljubl­jana 1974), 255-262; vgl. idem, in : RE Suppl. 13 (1973), 11-14.

1a1 Sui6 235-236. 132 A. Grilli, San Gerolamo: uni Dalmata e i suoi corrispondenti, in : AAAd 26 [1985],

297-314, bes. 310; Hieronymus schrieb mindestens 10 Briefe in das aquileische Gebiet, aber nur einen nach Pannonien (epist. 68 (ad. Castricianum), ed. J. Labourt, vol. 3, Paris 1953, 188ff.) und nur einen nach Dalmatien (epist. 118 (ad Iulianum), ed. J. Labourt, vol. ß, Paris 1958, 87ff., bes. 95).

133 Sui6 236-.:257.

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über und gerieten mitunter in Konflikte mit dem örtlichen Klerus.134 Im Fall des Hiero­nymus handelte es sich um eine Familie, die christlich war und griechische Namen trug, was aber nichts Bestimmtes über ihre Herkunft aussagt.135

Im nordwestlichen Hinterland von Tarsatica nahe der historischen Grenze zwischen Istrien und Dalmatien, jedoch noch auf der dalmatinischen Seite dieser Grenze, gibt es heute eine Gruppe von Ortschaften namens Sapjane, Starad, zegane und Mune. Diese kroatischen Ortsnamen sollen sich aus antiken Namen entwickelt haben. Der erstere, Sapjane, wäre die kroatische Form eines auf das Wort susurare, kroatisch 8aptati bzw. in tschaka vischen Dialekt 8apiati, zurückgehenden Ortsnamens und würde einen Ort mit starkem Wind (Bora) bezeichnen. Die gleiche Bedeutung habe der zweite Name Starad, der in ähnlicher Weise von einem lateinischen, auf das Verbum stridere zurück­gehenden Ortsnamen abgeleitet sei (stridor, stridere, davon Stridonae, also ein Ort mit pfeifendem Wind).126 Der dritte Name, Zejane, käme von Eusebiana bzw. Eusebfa­num, womit die Familie des Hieronymus ihren Familienbesitz bezeichnete; der vierte, Mune, bezeichne einen Ort, wo Nonnen lebten. Es ist bekannt, daß Hieronymus das Mönchstum unterstützte und seinen Landsleuten ein solches Leben empfahl, die sich dann als Mönche im Gebiet der nfüdlichen Adria und besonders auf den Inseln nieder­gelassen haben.137 Die Deutung dieser vier Namen, für die Suic zahlreiche Analogien aus dem ostadriatischen Raum beibringt, ermöglicht es ihm, die Lage des Geburtsortes des Hieronymus zu klären. Dieser soll ursprünglich Stridonae, nicht Strido, gelautet haben, eine auch aus sprachgeschichtlichen Gründen wahrscheinlichere Form.m

Suics Versuch der Lokalisierung ist unserer Meinung nach sehr logisch und sicher der bislang überzeugendste, weil er die Angaben des Hieronymus über sein Heimatland in ausgezeichneter Weise mit dem kombiniert, was über die antike Geschichte und Topo­graphie der adriatischen Länder bekannt ist. Trotzdem wollen wir auf einige Tatsa­chen aufmerksam machen, die sich mit der These von Suic nur schwer in Überein­stimmung bringen fassen, wenngleich sie sie im ganzen gesehen nicht ernstlich wider­legen.

FalJs die Zerstörung seines Geburtwrtes durch die Goten, von der Hieronymus im Jahre 392 schrieb, sich im Jahre 378/9 ereignet hat, d. h. im Gefolge der Schlacht bei Adrianopel, stellt sich hier eine komplizierte Frage. Ammianus Marcellinus berichtet, daß die Goten nach der Schlacht effusorie per arctoas provincias, quas peragravere licenter ad usque radices Alpium Iuliarum, quas Venetas appellabat antiquitas wan­derten)39 Wenn sie den Weg durch Pannonien nahmen, wie Ammianus mit arctoae provinciae a.ndeutet und wie es das Schicksal von Poetovio wohl zeigt, so konnten sie nur über Emona nach Stridonae vordringen; das aber liegt nahezu genau nördlich von Tarsatica, und die Anwesenheit der Goten müßte doch irgendwelche Spuren, vor allem im Hinblick auf Münzfunde, hinterlassen haben.140 Denn von Osten her mußten sie das Gebiet von Emona und seiner nächsten Umgebung bei dem nur bis ca. 1000 m breiten Paß nach Westen durchquert haben.

134 Suic 257-264. 135 Suic 268- 270. 136 Suic 238- 240. 137 Suic 263, 266-267; a uf Grund d es lokalen Patrociniums (hl. Maria Magdalena) ver­

bindet Suic die Entstehung d es Ortsnamens mit dem Schicksal der Hieronymus­Schwester, die sich von sündigem Leben zum. Mönchstum bekehrt haben soll.

138 Suic 240; vgl. Grilli, San Gerolamo (s. Anm. 132) 302. 139 Ammianus Marcellinus 31, 16, 7. 140 Nicht nur die literarischen, auch die numismatischen Quellen weisen nicht auf eine

536 R. BRATOZ, Frühes Christentum zwischen Sirmium und Aquileia

Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, wenn man annimmt, die Eroberer Stridonaes seien der jüngst bekanntgewordenen Straße, die über Westunterkrain und Innerkrain ca. 40 bis 50 km südlich an Emona vorbeiführt, gefolgt. Bis jetzt gibt es aber keine archäologischen Beweise dafür, daß die genannte Straße schon im 4. Jh. _bestanden hat.141

Eine zweite Schwierigkeit besteht darin, daß nach der oben referierten Annahme Strid~mae ca. 20 km hinter den Alpensperren lag. Die Goten müßten in diesem Fall die Alpensperren irgendwo im Südbereich überquert haben, was aber die archäologischen Forschungen nicht bestätigen und was auch der Bericht des Ammianus unwahrschein­lich sein läßt.142 Schließlich ist es schwer zu beweisen, um ein letztes Problem zu nen­nen, ob einst (quondam) die Grenze zu Pannonien in der Nähe von Stridonae verlief oder nicht. Es ist möglich, daß das Gebiet von Emona immer zu Italien zählte.143

4. Die Entwicklung der kirchlichen Organisation

Weniger merklich und im Schatten.der kirchenpolitischen Ereignisse verlief der Aus­bau der Bistümer von Sirmium, Aquileia und Salona zu Erzdiözesen. Der Fortgang dieser Entwicklung spiegelt ungefähr die Bedeutung der drei genannten Städte in den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen des 4. und 5. Jh. wider, ohne jedoch von der allgemeinen Entwicklung auf dem Gebiet der kirchlichen Organisation irn Westen abzuweichen.144 Die Pr<nesse lassen si_ch an Hand der Titulaturen der Bischöfe gut verfolgen.

Sirmium

um Irenaeus episcopus urbis 304 Sirmiensium; Irenaeus

episcopus civitatis Sir­miensium (Passio s. Iren. 1. 6 [Th. Ruinart, Acta mar­tyrurn, Ratisbonae 1859,

Aquileia

432. 434]) 314 Theodorus episcopus ... de civitate Aquilegensium provincia Dalmatia (CCSL 148 (1963), 14)

Salona

um Domnio episcopus 304 (ILJ u 2359)

Primus episcopus (ILJu 2360)

Anwesenheit der Goten auf dem-Gebiet Emonas zu dieser Zeit. Vgl. P. Kos, The mone­tary circulation in the southeastern Alpine region ca. 300 B. C. -A. D. 1000, in: Situla 24 (Ljubljana 1986), 158. .

141 S. Ciglenecki, Potek alternativne ceste Siscija-Akvileja na prostoru zahodne Dolenjske in Notranjske V easu 4. do 6. stoletja. ('Der V erlauf der Alternativstrasse Siscia-Aquileia im Raum von Westdolenjsko und Notranjsko in der Zeitspanne vom 4. bis 6. Jh.'), in: AV 36 (1985], 255-284, bes. 269f., 275f. ·

142 Archäologische Beweise für die Bedrohung der Alpensperren gibt es für die Jahre 388 und 394 (zwei Bürgerkriege d es Theodosius), nicht aber für die Zeit um 379. Vgl. Th. Ulbert (Hrsg.), Ad Pi.rum (Hrusica). Spätrömische Passbefestigung in den Julisehen Alpen, in: Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 31 (München 1981), 46f. ; Kos, The monetary circulation 204f.

143 Vgl. J. $asel, in: RE Suppl. 11 (196_8), 573ff. s. v. Emona; idem, K zgodovini Emone v rimskih na.pisih in literaturi ('Zur Geschichte Emonas in den römischen Inschriften und in der Literatur'), in: Zgodovina. Ljubljane (Ljublia.na 1984), 38.

144 G. R. Palanque - G. Bardy - P. de Labriolle, Storia della Chiesa 3, 2 (s. Anm. 73), 444ff. (639ff.), 498ff. (687ff.).

Klio 72 (1990) 2

Fortsetzung

Sirmium

325 ß6µvoc; Ila.vov(occ;; Domnus metropolitanus (E. Ronigm.ann, in: By­zan~ion 20 [1950], 67

Aquileia

Nr. 186; vgl. Patrum Ni­caenor. nomina (1898), 56)

335 Lloµv(wv ev :Etpµ(cp (sc. e7t't<JX07t'Oc;) (Athanasius, Rist. arian. 5 [PG 25, 700 B])

343 Euterius a Pannoniis 343 Fortunatianus ab Italia de Aquileia (Hilarius, Collect. B II 4 (37) [OSEL 65 (1916), 137])

(Rilarius, Oollect. B II 4 (40) [OSEL 65 (1916), 137])

3 51 <l>w't'ewoc; TI)v e\I :Etpµ(cp exxl.'ljcr(a.v em't'polteuwv ( Sozom. Rist. eccl. 4, 6, 1)

365 Germinius episcopus (Rilarius, Oollect. A III [CSEL 65 (1916), 47 v. 16])

381 capus lllyrici ... ci· vitas est Sirmiensis. (Anemius) episcopus illius civitatis (CSEL 82/III (1982), 335; CCSL 87 (1982), 158)

409 Oo1·nelius episcopus Si?-miensis urbis (Inno· centius, Epist. 16 [PL 20, 520])

417 Laurentius episcopus Seniensis (Y) (Innocentius, Epist. 41 [PL 20, 607])

369 Ouoct.epia.voc; bc[crxoTtot; 'IMupt&v (Basilius, Epist. 91 [PG 32, 476])

3 81 V alerianus episcopus Aquileiensium civitatis (CSEL 82/III (1982), 325)

406 Xpooµ&:noc; ertEcrxonoc; 'Axu'A'lj(a.c; (Ioh. Chrysost. Epist. 155 [PG 52, 702];· vgl. Palladius, Dialogus hist. 2. 3 [PG 47, 12. 15])

537

Salona

343 M aximus Salonae Dal· matiae episcopus (Rila­rius, Collect. A IV 1 [CSEL 65 (1916), 48 v. 14-15])

381 Leontius Salonitanus (sc. episcopus) (CCSL 87 (1982), 188f.)

Gaianus episcopus (ILJu 2432) Symferius episcopus (ILJ u 243 7. 2440) B esychius episcopus' Salonitanus · (ILJu 2448)

442 metropolitanus episco· pus V enetiae (Leo Mag· n us, Epist. 2 [PL 54, 597]) 510 Stepharius episcopus

34 Kiio 72 (1990) 2

538 R. BRATOZ, Frühes Christentun-:i zwischen Sirmium und Aquileia

Fortsetzung

Sirmium

535 in antiquis temporibus Sirmii ... omne juerat lllyrici f astigium tam in civilibus quam in episcopalibus causis (Cod. Iust. Novella 11,1)

Aquileia

559 Venetiarum.:. atque H istryae patriarcha (schism.) (Pelagius, Epist. 24, 1 [edd. P. M. Gass6 - C. M. Batlle (1956), 74])

579 Helias patriarcha s. Aquileiensis eccl. (Concil. Mant. 827

Salona

S alonitanus (Dionys. Exig. Codex can. eccl. praef. [PL 67, 139]; Cassiod. Inst. div. 23 [PL 70, 1137])

530 H onorius archiepiscopus und s. eccl. Salonitane 533 (Thomas arch. Hiat. Salo­

nitana ( ed. F . Racki (1894), 15. 18])

[MGH Legg. III 2 (1906), 588 v. 16])

591, 591 de.functus •.. archiepis­copus noster H elias ... archiepiscopo nostro Severo ... metropolita noster . . . metropolitana Aquileiensis ecclesia (Gregor. I. Regist. ep. 1, 16 A [MGH Epist. 1 (21957), 18-20]) .

595 Sebastianus episcopus Sirmiensis ( ?) (Gregor. I. Regist. ep. 1, 27. 5, 40 [MGH Epist. 1 (21957), 40, 330])

M aximus archiepis­copus (ILJ u 2258 I)

Der genaue Zeitpunkt der Einrichtung der Erzdiözesen von Sirmium, Aquileia und Salona ist nicht bekannt. Unter den Bischöfen von Sirmium legten sich schon in der 1. Hälfte des 4. Jh. Domnius und Euterius die Attribute IlavovEa~, metropolitanus und a Pannoniis zu. Das alles weist auf einen gewissen Vorrang des Bistums von Sirmium innerhalb Pannoniens hin, liefert jedoch noch keinen Beweis für die tatsächliche Aus­übung von Funktionen einer Metropolitankirche.145 Ebensowenig werden ihre Kolle­gen auf dem Bischofsstuhl von Aquileia, Theodorus und Fortunatianus, zu jener Zeit schon als Metropoliten bezeichnet.146 Auch der Häretiker Photinus und der Arianer

145 Die Metropolitangewalt wird unbegründet schon Domnius (bei Rogosic, Veliki Ilirik [s. Anm. 50], 83) zugeschrieben.

146 Daß zur Zeit der Synode in Serdica 343, an der Fortunatianus von Aquileia und Euterius von Sirmium teilnahmen (s. Anm. 79 und die Ta.belle), im lateinischen Westen die Metropolita.norganisation noch nicht entwickelt war, zeigt mittelbar die unterschiedliche

Klio 72 ( 1990) 2 539

Germinius hatten keine Metropolitangewalt; der letztere stand bis zum Jahre 366 ganz im Schatten der Bischöfe Valens aus Mursa und Ursacius aus Singidunum, die seine Suffragane gewesen sein müßten.147 Und obwohl in Sirmium mehrere Synoden abgehalten wurden, führte er als der Bischof von Sirmium auf keiner von ihnen den Vorsitz.

Erst der Brief des Bischofs Germinius an die illyrischen Bischöfe nach dem Bruch mit Ursacius und Valens im Jahre 366 liefert eine - allerdings recht schwache - Grund­lage für die Annahme, er habe eine Metropolitanfunktion besessen.148 Ganz bestimmt aber hatte Bischof Anemius die Metropolitanmacht über Illyricum inne; er, der mög­licherweise schon den Vorsitz auf der Synode von Sirmium 378(1) geführt hatte, nannte sich auf der Synode von Aquileia 381 selbstbewußt Bischof der Hauptstadt des Illyricurns.Jli9 Offensichtlich reflektierte Justinianus in der 11. Novelle den Vorrang dieses Bischofs und seiner Nachfolger, wenn er Sirmium die ehemalige Hauptstadt des Illyricums nennt, sowohl in weltlicher als auch in kirchlicher Hinsicht.150

Aquileia wird erst ab 442 als Sitz des Metropoliten für die Provinz Venetia (et Histria ~) sicher erwähnt, doch ist die Annahme berechtigt, daß sie diesen Vorrang schon zur Zeit des Bischofs Valerianus innehatte, d. h. bereits seit dem letzten Drittel des 4. Jh.151 Da sich im westlichen Illyricum keine weiteren Erzdiözesen herausgebil­det hatten - mit Ausnahme von Salona, das zur Zeit des Bischofs Hesychius im 1. Viertel des 5. Jh., also ungefähr ein Jahrhundert vor dem ersten ausdrücklichen ar­chiepiscopits-Titel, Metropolitankirche für Dalmatien wurde 152 - war hinsichtlich des territorialen Umfanges die Macht der sirmischen Bischöfe Ende des 4 . Jh. beträchtlich größer als die der B~schöfe von Aquileia. In diesem Zusammenhang muß die besonders unter österreichischen und deutschen Historikern viel diskutierte Frage nach der kirchlichen Zugehörigkeit der ostalpinen Länder erwähnt werden. Betrachtet man die Entwicklung der kirchlichen Organisation, so kann man annehmen, wenn auch nicht beweisen, daß das gesamte Noricum als Teil der pannonischen Diözese bzw. der illy-

Formulierung in der griechischen und lateinischen Version c. 14 dieser Synode (Hefele, Histoire des Conciles 1, 795f.); wenn ein Bischof seinen Presbyter oder Diakon ver­bannt, kann sich dieser im griechischen Osten errl. 't'ov err(crxorro11 Tij<; !J.'fl't'porr6Aw><; Tij<; otÖ't'!/j~ rnapxlot<; wenden, im lateinischen Westen aber an episcopos finitimos. Vgl. auch Rossi, Considerazioni (s. Anm. 50) 86-90; s. auch H. D. Döpmann, Zur Problematik von J ustiniana Prima, in: Miscellanea Bulgarica 5, Wien· 1987, 221-232, bes. 223.

14.7 Vgl. Anm. 91. 14.8 Vgl. Anm. 98. 149 Die Vorstellung von Mailand als „Obermetropole der italo-illyrischen Provinzen" zur

Zeit des Bischofs Ambrosius (A. Lippold - E. Kirsten, in: RAC 4 (1959), 173 s. v. Donauprovinzen) ist fraglich. Einen etwas nuancierteren Standpunkt vertreten G. R. Palanque - G. Bardy - P. de Labriolle, Storia della Chi~sa 3, 2, 506 (694) und G. C. Menis, Le giurisdizioni (s. Anm. 50) 288. Nach dem Tod des Ambrosius erlosch der Einfluß Mailands im Westbalkanraum. Vgl. dazu V. Popovic, L e dernier eveque de Sirmium, in: Revue des etud_es augustiniennes 21 [1975], 91- 111, bes. 104f.; Duval, Aquilee et Sirmium 373f.; Bratoz, Die Entwicklung der Kirchenorganisation 156, 175 Anm. 56.

1so Cod. lust., Novella 11, 1 (edd. R. Schoell - vV. Kroll, B erlin 61959, 94). 151 Leo Magnus, epist. 1. 2 (PL 54, 593 ff., 597 f.); vgl. Rossi, Considerazioni (s. Anm. 50);

Menis, Le giurisdizioni metropolitiche (s. Anm. 50); E. Cattaneo, Il govei:no ecclesiasti­co nel IV secolo n ell'Italia settentrionale, in: AAAd 22 [1982], 175- 187; Pietri, Rome et Aquilee 249.

!52 Vgl. Bratoz, Die Entwicklung der Kirchenorganisation 156, 175 Anm. 57.

34•

540 R. BRATOZ, Frühes Christentum zwischen Sirmium und Aquileia

rischen Präfektur 153 seit dem letzten Viertel des 4. Jh. Sirmium zugeordnet war, während es vorher kirchlich schwach strukturiert war und sich nur im Einflußbereich der sirmischen Kirche befand. Es ist aber ebenso möglich, daß Noricum nicht unter die Jurisdiktion der Kirche von Sirmium fiel.154

Mit dem Untergang Sirmiums kamen große Teile seines westlichen Metropolitan­gebietes unter die Jurisdiktion Aquileias; an Aquileia war Noricum sehr wahrschein­lich schon, wie es die ganze spätere Entwicklung zeigt,155 in der ersten Hälfte des 5. Jh. gefallen, ferner bis zum letzten Viertel des 6. Jh. (wahrscheinlich aber schon im 5. Jh.) auch der Rest der Provinz Pannonia Prima,156 während der Rest der Provinz Savia unter die Jurisdiktion von Salona kam.157 So wurden die Kirchen von Aquileia und

153 Fitz, L'administration (s. Anm. 23), 11, 35-36. 154 Entgegen der früher überbetonten Rolle Aquileias als Mittelpunkt der Mission und der

kirchlichen Organisation für die ostalpinen Länder stellte I. Zibermayr, Noricum Baiern und Österreich, Horn 21956, 32ff. die Rolle Sirmiums in den Vordergrund, be: stimmt in übertriebenem Maße. In jüngerer· Zeit setzte sich die Meinung durch, daß das anfangs Sirmium untergeordnete Gebiet später an Aquileia kam; wann und in welchem Umfang, darüber gehen die Meinungen auseinander. E. Schaffran, Frühchristentum und Völkerwanderung in den Ostalpen, in: Archiv für Kulturgeschichte 37 (1955], 18 war die Meinung, daß Sirmium bis zur Vernichtung der Stadt 582 Ufernoricum be­herrschte, während Binnennoricum im 5. Jh. Aquileia zugeordnet war; P. Stockmeier, Die spätantike Kirchenorganisation des Alpen-Donauraumes im Licht der liter·arischen und archäologischen Zeugnisse, in: Jahrbuch für altbayerische Kirchengeschichte 47 [1963], setzt den Wechsel in der kil'Chlichen Zugehörigkeit in die Zeit nach 395 (Teilung des Reiches nach dem Tod des Theodosius) und datiert die Ausbreitung der aquileischen Metropolitanj urisdiktion auf N oricum in das 5. Jh. ( S. 7 4). K. Reindel, Die Bistumsorgani­sation im Alpen-Donau-Raum in der Spätantike und im Frühmittelalter, in: Mitteil. d. Inst. füL' österr. Geschichtsforschung 72 [1964], 284ff. betont das zusammenfallen der kirchlichen und der zivila.dministrativen Organisation; auf S. 303 gibt er einen Abriß der Entwicklung, w:onach die kirchliche Suprematie von Sirmium (caput totius Illyrici) auf Mailand unter Bischof Ambrosius und dann in der ersten Hälfte des 5. Jh. auf Aquileia überging. Tatsächlich aber. läßt sich die kirchliche Gewalt Sirmiums über Noricum im 4. Jh. nicht nachweisen (die administrative Zugehörigkeit norischer Provinzen zum Illyricum reicht als sicherer Beweis keinesfalls aus; vgl. Menis, Le giW'is­dizioni 277ff.), obwohl diese im letzten Viertel des 4. Jh. möglich ist; belegt ist sie weder durch die stolze Aussage des Bischofs Anemius auf der Synode in Aquileia 381 · noch durch die Bezeichnung Sirmiums in der 11. Novelle Justinians. Vgl. dazu H. Berg, Bischöfe und Bischofssitze im Ostalpen- und Donauraum vom 4. bis 8. J ahrhun­dert, in: Die Bayern und ihre Nachbarn 1, hrsg. von H. Wolfram - A. Schwarcz, Wien 1985, 105ff.; H. Wolfram, Die Geburt Mitteleuropas. Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung 378-907, Wien 1987, 49f. ·

155 R. Bratoz, Severinus von Noricum und seine Zeit, in: Denkschriften d. Österr. Akad. d. Wiss„ Phil.-hist. Klasse 165 (1983), 22; vgl. Berg, Bischöfe, 108.

156 Der einzige, nicht ganz klare Beweis dafür ist die Anwesenheit des Bischofs Vigilius aus Scarbantia bei der Synode in Grado 579( ?) ; s. E. T6th, Vigilius episcopus Scara.­vaciensis, in : Acta archaeol. Acad. scient. Hungaricae 26 (1974], 269-275, der den Übergang von Pannonia Prima und Sa.via (vgl. folg. Anm.) unter die Jurisdiktion Aquileias in die Zeit nach der hunnischen Eroberung Sirmiums, etwa in die Mitte des 5. Jh. datiert. Menis, Le giurisdizioni 292f. datiert die Ausbreitung der aquileischen Jurisdiktion auf N oricum und die Pa.nnonia Prima. in die ersten Jahrzehnte des 5. Jh.

157 Für die kirchenorganisatorische Zugehörigkeit Siscias zu Aquileia liegen keine Beweise vor. G. C. Menis, I confini del Patriarcato d'Aquileia, in Soc. filol. friul., 41. Congr. (Trieste 1964), Tav. I, dehnt - unserer Meinung nach unberechtigt - das Gebie~ der Metropolitankirche von Aquileia im 5. Jh. auf d_ie Provinz Savia aus, in die er unrichtig auch Emona verlegt (vg. Anm. 143). Die Vorstellung einer Jurisdiktion Aquileias über

.Klio 72 (1990) 2 541

Salona im territorialen Sinne die Erben der sirmischen Kirche, von deren Erzdiözese sie im Westen und Nordwesten beträchtliche Landesteile übernahm und sich auf diese Weise vom nordadriatischen Raum bis zur Donau bzw. von Dalmatien bis nach West­pannönien ausbreiteten.158

. Die Eroberung Sirmiums durch die Hunnen und die Verlegung der Präfekturver­waltung nach Thessaloniki hatten zur Folge, daß der Bischof von Thessaloniki über das ehemalige sirmische Gebiet non sua auctoritate, sed sub urnbra.praefecturae rneruit aliquam praerogativam.159 Durch die Gründung dei· Kirchenprovinz von Justiniana Prima als Rechtsnachfolgerin der sirmischen Erzdiözese mit Schwerpunkt im mösisch­dakischen Gebiet sowie durch den Verlust der mittleren Teile Pannoniens hatten die Kirchengebiete von Sirmium und Aquileia keinen territorialen Kontakt mehr, und beide entwickelten sich unterschiedlich weiter.160

Im Zusammenhang mit der Entwicklung der kirchlichen Organisation möchten wir kurz noch auf einige weitere Fragen hinweisen. Das betrifft zunächst die Lokalisierung einiger Bischofssitze, die trotz mehrerer Versuche noch immer fraglich bleibt. Hierbei geht es vor allem um die drei istrischen Bistümer Cissa, Insula Capritana und Novas, · von denen das erste in den Jahren 579, 590 und 680, die letzten beiden erst im Jahre 599 erwähnt werden.161 Zweifel bestehen auch für einige dalmatinische Bistümer im

„Illyricum, Pannonien ... " im 5. Jh. vertrat au('h Reindel, Die Bistumsorganisation 303. Der Bischof Constantius aus Siscia nahm als einer der illyrischen Bischöfe an der Synode in Aquileia 381 teil (Gesta 61 [S. 362]), doch beteiligte sich der Bischof aus Siscia an keiner der Provinzialsynoden der Suffragane von Aquileia im letzten Viertel des 6. Jh. Wir begegnen ihm jedoch unter den Teilnehmern der 1. und 2. Synode in Salona 530 und 533 (die Bischöfe Johannes und Constantinus; s. Thomas Archidiaconus, Historia Salonitana (s. Anm. 127) 15; 18; Historia Salonitana maior, ed. N. Klaic, Beograd 1967, 81, 85). Offensichtlich hat sich Siscia nach dem Untergang Sirmiums kirchenorganisatorisch an Salona angelehnt. Vgl. J. $asel, in: RE Suppl. 14 (1974), 740 s. v. Siscia; Bratoz, Die Entwicklung d er Kirchenorganisation 159, 182f. Anm. 73-:74.

158 Beim Zerwürfnis mit dem Salzburger Erzbischof Arno behauptete der Bischof Ursus von Aquileia im Jahre 811, daß er für die Zeit vor der langobardischen Invasion in Italien mit Hilfe von Synodalakten die kirchliche Zugehörigkeit der ostalpinen Länder zu Aquileia b eweisen könne. Das ist also ein terminus ante quem für die beschriebenen kirchenorganisatorischen Veränderungen, zu denen es wahrscheinlich schon in der ersten Hälfte des 5. Jh. gekommen ist. S. MGH Diplom. Karol. I. (Hannover 1906), Nr. 211 (S. 282, v . 30-34); vgl. b. Hageneder, Die kir~hliche Organisation im Zentral· alpenraum vom 6. bis 10. Jahrhundert, in: Nationes 5 [1985], 201-235, bes. 225f.; H. Dopsch, Zur Missionstätigkeit des Patriarchats Aquileia in Kärnten, in: Symposium zur Geschichte von Millstatt und Kärnten 1986, 52-76, bes. 57f.; G. Cuscito, Aquileia e la cristianizzazione degli Slavi nei secoli VIII - IX, in: Atti e Memorie della Societa Istriana di Archeologia e Storia Patria 88, n. s. 36 [1988], 37-75, bes. 39f.

159 Cod. lust. Novella 11, 1 (535) (s. Anm. 150, S. 94 v. 12-13). 160 Cod. lust., Novella 11 (535); 131, c. 3 (545) (S. 94. 655f.). Vgl. Granic, Die Gründung

des autokephalen Erzbistums von Justiniana Prima durch Kaiser Justinian ~·im Jahre 535 n. Chr„ in: Byzantion 2 [1925], 123-140; R. A. Markus, Carthage - Prima J ustiniana - Ravenna: An aspect of J ustinian's Kirchenpolitik, in: Byzantion 49 [ 1979], 277- 302, bes. 289ff.; Bratoz, Die Entwicklung der Kirchenorganisation 159, 183 Anm. 76; H. D. Döpmann, Zur Problematik von J ustiniana Prima, in: Miscellanea Bulgarica 5 (Wien 1987), 221-232.

161 Eine Analyse der kirchenpolitischen Ereignisse zur Zeit der ersten Erwähnungen dieser Bischofssitze geben R. Bratoz, Nastanek, razvoj in zaton organizacije zgodnjekrscanske cerkve v Istri (4.-6. stoletje) (,Entstehung, Entwicklung und Unt ergang der Organisa· tion der frühchristlichen Kirche in Istrien'), in: Anticni temelji nase sodobnosti, Lju-

542 R. BRATOz, Frühes Christentum zwischen Sirmium und Aquileia

' Binnenland, die nur in den Akten der zwei Synoden von Salona 530 und 533 erwähnt werden (Mactaritana ecclesia, ecclesia Sarniensis, Sarsenter(r)um, Ludrum, Besto, Barcensis ecclesia).162 Nicht einheitlich zeigt sich die Forschung ferner hinsichtlich der Bischofssitze auf den Inseln der Nordadria und in Istrien, die erst in mittelalterlichen Quellen auftauchen, durch archäologische Forschungen jedoch mit großer Wahrschein­lichkeit als schon in der Spätantike existierend erwiesen werden (Humagum-Sipar, Veglia, Apsarus, das dalmatinische Cessa).163 Mit Zweifel wurde auch der Erwähnung des Bistums Iovia in der Provinz Sa via begegnet.HH Die kontroversen Auffassungen über diese Fragen bestehen weiter, obgleich es den Anschein hat, daß sich besonders im Falle der istrischen Bischofssitze die Forschungen einer Lösung nähern und wohl auch die Skepsis betreffs des Bischofssitzes Iovia übertrieben war. Zuverlässige Argumente für die Lokaiisierung dieser Bistümer können wir jedoch nur von weiterer archäologi­scher Erforschung erwarten.

5. Historische Probleme aus der Sicht nwer archäologischer Forschungen

Auf dem Gebiet der frühchristlichen Archäologie wurde in den letzten Dezennien ein großer Fortschritt erzielt. Wir wollen nur die Forschungen in den städtischen Zentren erwähnen, in Aquileia mit Umgebung, Tergeste, Emona und anderen Städten Istriens und der Provinz Venetia et Histria,165 Aquae Iassae und Iovia in der Provinz

bljana 1987, 13-26; L. iVfargetic, Histrica et Adriatica, Trieste 1983, 113-130; Cuscito, Cristianesimo antico 326-339; G. Fedalto, in: A. Carile - G. Fedalto, Le origini di Venezia, Bologna 1978, 315-331; idem, Il vescovado di Caorle dalle origini al Trecento, in: AAAd 33 [1988], 27-51. Nach der Meinung der ersten zwei Autoren beziehen sich die Erwähnungen der insula Oapritana und des castellu1n Novas (Gregorius I Papa, Registrum epist. 9, 152. 154. 155; edd. P. Ewald - L. NI. Hartmann, in: MGH Epist. 2 (Berlin 21957), 152ff.) auf die Städte Koper (Capris) und Novigrad (Neapolis); G. Cuscito läßt diese Möglichkeit zu, bevorzugt aber die Versetzung in die venezianische Lagune; G. Fedalto lokalisiert diese Ortschaften ebenfalls in der venezianischen Lagune (Caorle, Cittanova [Heracliana]). Den offensichtlich istrischen Bischofssitz Cessa identi­fizierte A. ~onje, L'ubicazione della sede del vescovo di Cessa, Vindemio, in: Atti del Centro di ricerche storiche - Rovigno 11 [1980/81], 85-130 mit dem dalmatinischen Cessa auf der Insel Pag, lVIargetic, Histrica et Adriatica 126-130 mit Ceneda in Venetien. Diese Lösungen scheinen uns unrichtig zu sein (vgl. Bratoz, Nastanek, razvoj in zaton 21f.; idem, in: ZÖ 41 [1987], 362). lVIit guten Argµmenten lokalisierte :M. Suic, 'Cissa. Pullaria - Baphium Cissense - episcopus Cessensis, in: J ugoslavenska akade1:iüja znanosti i umjetnosti, Arheoloski radovi i rasprave 10 [1987], 185-219 den Bischofssitz auf die Insel Brioni.

162 Vgl. Bratoz, Die Entwicklung der Kirchenorganisation 159, 182f. Anm. 73-74, 193f. 163 Die verschiedenen Meinungen dv.rüber haben Bratoz, N astanek, razvoj in zaton, 19 ff.;

idem, Die Entwicklung der Kirchenorganisation 189; und Suic, Cissa Pullaria 203f. zusammengestellt.

164 Vgl. Bratoz, Die Entwicklung der Kirchenorganisation 17 4 f. Anm. 53; Cuscito, Fede e politica 57f. Anm. 36.

165 Neuere Übersicht zu Aquileia und Grado: G. Bovini, Le antichita cristiane di Aquileia, Bologna 1972; idem, Grado paleocristiana, Bologna 1973; S. Tavano, Aquileiacri­stiana, in: AAAd 3 [1973]; idem, in: RAC SuppL 1 (1986), 522-553, s. v. Aquileia; idem, Aquileia e Grado, Trieste 1986; für Tergeste s. G. Pros Ga.brielli (s. Anm. 4 7); Cuscito, Cristianesimo antico 114-124, 239-255; G. Bovini, Antichita cristiane di S. Canzian d'Isonzo, S. Giovanni al Timavo e Trieste, Bologna 1973; für Emona s. L. Plesnicar-Gec, Starokrscanski center v Emoni (,Old Christian Center in Emona'), in: Catalogi et monographiae cura Musei nationalis Labacensis editi 21 (Ljubljana 1983); für Istrien s. B. lVIarusic; Krscanstvo i poganstvo na tlu Istre u IV i V stoljecu

Klio 72 (1990) 2 543

Savia,166 Sirmium in Pannonia Secunda,167 Salona und fader in Dalmatia.168 Diese Forschungen haben auch das Bild der historüichen Entwicklung Kfies~0tlich ergänzt. Sie erweiterten die bisher bekannte Reihenfolge der lokalen lliJ~" durch neue Namen (Tergeste, Emona) 169 und brachten die epigraphische Bestätigung schon aus literarischen Quellen bekannter episcopi (Pola, Sirmium) ;170 sie brachten neue In­formationen über den Kult lokaler Märtyrer (Aquileia und Umgebung, Istrien, Sir­mium, Salona),171 neue Ergebnisse hinsichtlich der Chronologie, hinsichtlich der Größe der Gemeinden usw.112

Auf der anderen Seite haben neuere, übergreifende archäologische Gesamtdarstel­lungen den Historikern neue Fragen und Herausforderungen gestellt. Wir wollen nur einige Themen aufzählen: mensae und piscinae als frühchristliche Grabmale m Sirmium, Salona und Aquileia ;173 frühchristliche Baptisterien auf dem Gebiet

(,Christentum und Heidentum auf dem Gebiet Istriens im 4. und 5. Jh.'), in: AV 29 [1978], 549-572 und zuletzt R. Bratoz, The development of the early Christian research in Slovenia and Istria between 1976 and 1986, in: Actes XF Congr. intern. d'archeologie chretienne (1986) [s. Anm. 11].

166 Viki6-Belanci6, Elementi ranog krscanstva u sjevernoj Hrvatskoj (s. Anm. 3). 167 D. Boskovic -N. Duval- P . Gros-:- V. Popovic, Recherches archeologiques a Sirmium,

in: MEFRA 86 [1974], 621-632 (Autor J. Guyon); Duval, Sirmium „ville imperiale" (s. Anm. 1) 79-90; N. Duval - V. Popovic, Urbanis1ne et topographie chretienne dans les provinces septentrionales de l'Illyricum, in: Actes du xe Congr. intern. d'archeol. chretienne 1, Citta del Vaticano 1984, 542-545; B. Bavant, La ville dans le nord de l'Illyricum (Pannonie, Mesie I, Dacie et Dardanie), in: Vi1les et peuplement dans l'Illy­ricum protobyzantin (Coll. de l'Ecole fran~aise de Rome 77), Roma 1984, 250-263; Popovic, Die süddanubischen Provinzen (s. Anm. 11).

168 S. die Beiträge von N. Cambi, A. Grabar, De Angelis d'Ossat, N. Duval, I. Nikolajevic, in: Disputationes Salonitanae 1970 (Split 1975), 51-95; D. Rendi6-Miocevi6, Saloni­tana christiana (II), in: Zbornik Narodnog muzeja u Beogradu 9/10 (Beograd 1979), 87-96; I. Nikolajevic, „Salona christiana" u VI i VII veku (,Salona olwistiana im 6. und 7. Jh.'), in: VAHD 72/73 [1979], 151-170; die Beiträge von B . Gabricevic, D . Rendic-Miocevic, N. Duval, N. Cambi, I. Petricioli, T. l\forasovic, in: Disputationes Salonitanae 2 (VAHD 77 [1984]), 161-263; Bulic, Po rusevinama (s. Anm. 1); N. Cambi, Salona i njene nekropole {,Salona und seine Nekropolen') in: Filozofski fakultet u Zadru - Radovi 25 (12) (1985/1986), 61-108, bes. 98f.; für Iader vgl. P. Vezic, Staro­krscanski sloj katedrale u Zadru (,Die frühchristliche Schicht der Kathedrale in Zadar'), in: Diadora 10 [1988], 165-183 (mit der älteren Literatur); für Salona s. zulet.zt E. Marin, Starokrscanska Sa.lona (,Das frühchristliche Salona'), Zagreb 1988.

169 G. Cuscito, Le epigrafi musive della basilica martiriale di Trieste, in: Aquileia nostra 44 [1973], 127-166, bes. 138-149; J. Sasel, in: L. Plesnicar-Gec, Starokrscanski center v Emoni (s. Anm. 165), 53. 57f.

110 B. Marusic, Kanoanticka i bizantinska Pula (,Das spätantike und byzantinische Pola'), Pula 1967, 9 (Bischof Antonius); Duval, Sirmiu1n „ville imperiale" 83 (Bischof und Märtyrer Irenaeus).

171 Für Aquileia und Istrien vgl. Cuscito, Cristianesimo antico 88ff„ 114ff.; Bratoz, Krscanstvo 205 ff. Für Sirmium vgl. Duval, Sirmium „ville imperiale" 82-85, für Salona Bulic, Po rusevinama stare Salone (s. Anm. 1) 119ff.; Rendic-1VIiocevi6, Anasta­sio „a.quileiese" (s. Anm. 6).

17'.! Vgl. A. Sonje, Predeufrazijevske bazilike u Porecu (, Voreuphrasianische ·Basiliken in Porec'), in: Zbornik Porestine 1 [1971], 219- 312.

173 N . Duval, Mensa.e funeraires d e Sirm.ium et de Salone, in: V AHD 7 7 [1984], 187-~26; idem, Breves observations sur l'usage des mensae funeraires dans l'Illyricmn, in: Rivi­sta di archeologia cristiana 60 [1984], 259-275; idem, Piscinae et inensae funeraires: de Salone a Aquilee, in: AAAd 26 [1985], 437- 462; N. Cambi, Salonitan pisoinae, in: V ARD 77 [1984], 227- 241.

544 R. BRATOZ, Frühes Christentum zwischen Sirmium und Aquileia

Jugoslawiens und besonders in der Provinz Dalmatien;174 frühchristliche Mosaiken mit Inschriften auf dem Gebiet des heutigen Jugoslawien;175 frühchristliche Kirchen­architektur in Istrien,176 Dalmatien (besonders im heutigen Bosnien und in der Herzegowina) ;177 und nicht zuletzt die Betrachtung der Kirchengebäude im Rahmen der spätantiken Höhenbefestigungen innerhalb des ganzen Ostalpenraumes.178 Diese Forschungen haben nicht nur die frühchristliche Archäologie außerordentlich berei­chert, sondern auch viele neue historische Erkenntnisse gebracht. Eine umfassendere historische Synthese mit Einbeziehung der neueren archäologischen Ergebnisse ist noch ein Desiderat.

Von den wichtigen Fragen, die von der frühchristlichen Archäologie der historischen

m I. Nikolajevic, Ranohriscanske krstionice u J ugosla.viji (,Frühchristliche Baptisterien in Jugoslawien'), in: Zbornik radova Vizantoloskog instituta. 9 [1966], 223-255; D. Rendic-Miocevic, Tipologia dei battisteri salonita.ni, in: XIX Corso di cultura sull'arte ra.vennate e bizantina, Ravenna 1972, 267-279; idern., Ba.ttisteri in ambienti rurali nell' Adriatico orientale, ibidem 281-296 ; idem, Salonitana christiana. 0 solinskom bap­tisterijalnom kompleksu catechunieneum iii consignatorium? (,L'ensemble ba.ptismal de Salone: catechumeneum ou consignatorium?'), in: Zbornik Narndnog muzeja u Beogra.du 8 [1975], 225-264; P. Chevalier, Les baptisteres paleochretiens de la province romaine de Dalmatie, in: Diadora 10 [1988], 111-163. Für Aquileia s. zuletzt G. C. Menis, Il complesso episcopale teodoria.no di Aquileia e il suo battistero, in: Accade­mia di scienze lettere e arti Udine, Udine 1986.

175 M. Buzov, Prilog paleografiji ranokrscanskih mozaicnih natpisa u Istri i Dalmaciji (,Beitrag zur Paläographie der frühchristlichen Mosaikinschriften in Istrien und Dal­matien'), in: Prinosi odjela za arheologiju (Centar za. povijesne znanosti sveucilista u Zagrebu), Zagreb 1983, 75-88 (mit Beilagen); eadem, Pitanje domacih mozaicnih radionica (,Die Frage der einheimischenMosaik-Werkstätten'), in: Prilozi 2 [1985], 51-58; eadem, Anticki i ranokrscanski mozaici s natpisom u Jugoslaviji (,Antike und frühchristliche :Mosaiken mit Inschriften in Jugoslavien'), in: Prilozi 3/4 (1987], 103 bis 110. Bibliographische Angaben für Slowenien und Istrien gibt Bratoz, The develop­rnent (s. Anm. 165), Anm. 15, 16, 44, 53, 54, 99; zu den frühchristlichen Inschriften Salonas s. zuletzt E. Marin, Staroln·scanska Salona (s. Anm. 168), 60ff.; idem, Staro­krscanslm epigrafija Salone - Projekt 1983-1988 (,Die frühchristliche Epigraphik Salonas - Projekt 1983-1988'), in: Relationes Polenses, Zagreb 1988, 99-103.

176 G. Bovini, Le antichita cristiane della fascia costiera istriana da Parenzo a Pola, Bo­logna 197 4; A. Sonje, Bizant i crkveno graditeljstvo u Istri (,Byzanz und das kirchliche Bauwesen in Istrien'); idem, Crkvena arhitektura zapadne Istre. Podrucje porecke biskupije of IV. do XVI. stoljeca (,Die kirchliche Architektur von Westistrien. Das Gebiet des Bistums Porec vom 4. bis zum 16. Jh.'), Zagreb - Pazin 1982.

177 N. Cambi, Neki problemi starokrscanske arheologije na istocnoj Jadranskoj obali ('Einige Problem.e der altchristlichen Archäologie a.n der ostadriatischen Küste'), in: Materijali 12 [Zadar 1976], 239-282; idem, Starokrscanska arhitektura na podrucju sa-lonilianske metropolije (,Frühchristliche Architektur auf dem Gebiet_ der salonita­nischen Metropole'), in: AV 29 [1978], 606-626 ; für das Gebiet des heutigen Bosnien und der Herzegowinas. Dj. Basler, Arhitektura kasnoantickog doba u Bosni i Hercego­vini (,Die Architektur der spätantiken Zeit in Bosnien und der Herzegowina'), Sarajevo 1972; idem, in: A. Benac - Dj. Basler - B. Covic - E. Pasalic - N. Miletic - P. And­jelic, Kulturna istorija Bosne i Hercegovine (,Kulturgeschichte von Bosnien und der Herzegowina'), Sarajevo 21984, 309-373; vgl. auch D. Rendic-lVIiocevic, Zu einem besonderen Typus frühchristlicher Sakralbauten auf norisch-illyrischem Gebiet, in:

, Kulturhistorische und archäologische Probleme des Südostalpenraumes in der Spät-antike, hrsg. von H. Graßl, Wien - Graz - Köln 1985, 119-133. ·

178 S. Ciglenecki, Höhenbefestigungen aus der Zeit vom 3. bis 6. Jh. im Ostalpenraum, Ljubljana 1987, bes. 135-139; vgl. auch die Besprechung von R. Bratoz, in: ZC 43 [1989], 283-289.

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Forschung gestellt wurden, wollen wir nur eine herausgreifen. Ist es möglich, daß es von Anfang und entschiedener noch von der Mitte des 5. Jh. an, als im größten Teil des behandelten Gebietes die städtischen Zentren vernichtet wurden, zu einer Verle..: gung auch der Bischofssitze in nahegelegene oder auch weiter entfernte befestigte Gebirgssiedlungen kam, die am Ende der Antike und bis zur awarisch-slawischen Zer-: störung um 600 die neuen kirchlichen Zentren gewesen sind 1 Entsprechende Vermu­tungen oder sogar Behauptungen wurden für zwei solcher Gebirgssiedlungen im heuti­gen Slo•venien aufgestellt, für Vranje (Südsteiermark, im Süden der Provinz Noricum Mediterraneum) und Kucar bei Podzemelj (Südostslowenien; in diesen Teil der Provinz Savia soll sich der Bischof von Neviodunum begeben haben) .179 Weil ein unbestrittener archäologischer Beweis noch immer fehlt - wir haben keine Inschrift mit der Erwäh­nung eines episcopus, und allein auf Grund der Größe und der Lage der Sakralbauten ist es schwer mit Bestimmtheit zu sagen, ob es sich um einen Bischofssitz handeln könnte oder nicht - so bleibt die Diskussion noch immer ein Abwägen der archäolo­gischen Befunde unter Berücksichtigung der bekannten Fakten aus der Kirchenge­schichte.

Ein solches Faktum ist, daß auf einige11 Kirchenversammlungen seit der Synode von Serdica die Gründung von Bischofssitzen in kleinen, unbedeutenden Orten unter­sagt wurde.J80 Das aber schließt die Mögliohkeit nicht aus, daß unter außerordent­lichen Umständen dies trotzdem durchgeführt wurde. Mehrfache Wiederholungen solcher Verbote auf den verschiedenen Synoden weisen zumindest darauf hin, daß das Verbot nicht immer eingehalten wurde und die Einrichtung neuer bischöflicher Resi­denzen ein akft\ges Problem blieb.181 Eine analoge Entwicklung finden wir am Rande des behandelten Gebietes· bzw. in dessen Nachbarschaft. Wir brauchen nur an die Verlegung des Bischofssitzes von Aquileia in das sichere Grado zur Zeit der Hunnen­gefahr im Jahre 452 und später bei der Langobardeninvasion von 568 zu denken182 oder an eine Reihe ähnlicher Verlegungen aus Städten des venetischen Festlandes in kleine Ortschaften in der Lagune,183 an die vergleichbare Entwicklung im Alpenraum auf dem Gebiet Österreichs und der Schweiz.J8'1

Leider aber gibt es für unser Gebiet keinen zuverlässigen Bericht aus dieser Zeit.

110 Ffü Vranje vgl. Th. Ulbert, in: P. Petru-Th. Ulbert, Vranjepri Sevnici. Starokrscanske cerkve na Ajdovskem gradcu (,Vranje bei Sevnica. Frühchristliche Kirchenanlagen auf dem Ajdovski gradec'), in: Catalogi et monographiae cura Musei nationalis Laba­censis editi 12 (Ljubljana 1975), 56 bzw. 65; P. Petru, Stavba A (episkopij ?) na Ajdovs­kem gradcu nad Vranjeii:1 pri Sevnici (,Gebäude A [Episkopium ?] auf dem Ajdovski gradec ob Vranje bei Sevnica'), in: AV 30 [1979], 726-731. Für Kucar vgl. S. Ciglenecki, Zgodnjelu·Söansko sredisce na Kucarju v Beli Krajini (,Ein frühchristliches Zentrum

·auf Kucar in der Bela Krajina'), in: Izdanja Hrvatskog arheoloskog drustva 10 [1986], 137- 150, bes. 145ff.; idem, Das Weiterleben der Spätantike bis zum Auftauchen der Slawen in Slowenien, in: Südosteuropa - Jahrbuch 17 [1987], 265- 286, bes. 280ff.; idem, Höhenbefestigungen 98, 139.

1so Vgl. c. 6 des Konzils in Serdica (Hefele, Histoire des Conciles 1, 2, Paris 1907, 777-782); c . 57 der Synode in Laodikeia (ibidem 1024); Leo Magnus, epist. 12, 10 (PL 54, 654: . . . inter omnia volumus canonum statuta servari, ut non in quibuslibet locis, neque in quibuscumque castellis, et ubi ante non fuerunt, episcopi consec1·entur . .. ). Vgl. Anm. 186 . .

1s1 Vgl. für den Anfang des 4 . Jh. A. v. Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, Wiesbadens. a . (Nachdruck d. Ausgabe Leipzig 1924), 477f. 1s2 Cuscito, Cristianesimo antico 200- 201, 313-315.

183 A. Carile - G. Fedalto, Le origini di Venezia, Bologna 1978, 357- 363; G. Fedalto, J esolo nella storia cristiana t r a Roma e Bisanzio. Rilettura di un passo del Chronicon Gra-

546 R. BRATOZ, Frühes Christentum zwischen Sirrnium und Aquileia

Die Akten der Synode von Grado 579(1), die als Bischofssitze noch die bekannten kirchlichen Zentren nennen, lassen keine Unregelmäßigkeiten bzw. entsprechende Veränderungen in der kirchlichen Territorialstruktur erkennen. Selten nur wird in den zeitgenössischen Quellen die Herkunft eines Bischofs aus einer befestigten Siedlung (castrum, castellwni) und nicht aus einer civitas ausdrücklich vermerkt, was freilich ein gewisser Ausgangspunkt für die Erforschung dieses Phänomens an den Grenzen des behandelten Gebietes sein sollte.185 Nicht zuletzt soll noch auf eine Nachricht hingewie­sen werden, die die Gründung von Bischofssitzen in kleineren Orten bezeugt. Es hand­delt sich um die Entscheidung der zweiten Synode von Salona 533, wonach trotz der Respektierung des Synodalbeschlusses von Serdica auf dem Gebiet des Erzbistums Salona drei neue Bischofssitze eingerichtet wurden, Sarsenter(r)um, Muc(c)urum und Ludrum. In der Begründung heißt es, daß die vorhandene Zahl der Bischofssitze nicht ausreiche, um den pastoralen Pflichten der Bischöfe in vollem Umfang nachkommen zu können.186

6. Die Beziehungen zwischen den kirchlichen Zentren in der Zeit des Unter­ganges des antiken Christentums .

Die Kirche von Aquileia wurde zur Erbin der Kirche von Sirmium, und dies nicht nur hinsichtlich der territorialen Erweiterung ihrer Jurisdiktion, sondern auch in Bezug auf die Liturgie und die christliche Kultur überhaupt. Schon lange vor der Eroberung Sirmiums 582 waren beträchtliche Teile Pannoniens durch die Hunnen verwüstet worden. Auch aus dem Gebiet von Sirmium floh die Bevölkerung in sichere Gegen­den. Die Flüchtlingsströme gingen vor allem Richtung Westen, und wir können vom 1. Jahrzehnt des 5. Jh. bis zum Fall Sirmiums diese Abwanderung in mehreren Wellen verfolgen.187 Von höchster kulturgeschichtlicher Bedeutung war die Tatsache, daß die Flüchtlinge, wenigstens solche in organisierten Zügen, Reliquien ihrer Märtyrer mit sich trugen und dadurch den Kult pannonischer Heiliger in verschiedene Teile des Kaiserreiches brachten.188

dense, in: AAAd 27 [1985], 91- 105; idem, Il vescova.do diCaorle <lalle origiü.i al Trecento, in: AAAd 33 (1988], 27-51. Für die Frage der „Übertragung" der Bischofssitze vom kontinentalen Hinterland an die istrische Küste vgl. R. Bratoz, Krscanska Emona in njen zaton (,Das frühchristliche Emona und dessen Untergang') in: Zgodovina Lju­blja.ne, Ljubljana 1984 ,64-68; idem, Nastanek, razvoj in zaton (s. Anm. 161) 23- 25; idem, Die Entwicklung der Kirchenorganisation 160, 187f. Anm. 80.

184 Vgl. H. Vetters, Zum episcopus in castellis, in: Anzeiger d . phil.-hist. Klasse d. Österr. Akad. d. Wiss. 106 (1969], 75-93.

185 Vetters 83 führt als Beispiel den Brief des Kaisers Mauricius an Papst Gregor I. a.us dem Jahr 591 an, in dem die Bittschrift episcoporum civitatum et castrorum, quos Longobardi tenere dinoscuntur erwähnt wird (Gregorius I., R egistrum epist. 1, 16 b, edd . P. Ewald -L. lVI. Hartmann, in: NIGH Epist. 1 (Berlin 21957), 22 v . 9 f. ).

18G Thomas Archidiaconus, Historia Salonitana 5 (ed. F. Raöki, Zag1•eb 1894, 16); Historia. Salonitana maior (ed. N. Klaic, Beograd 1967, 85); vgl. Anm. 162.

181 R. Egger, D er h eilige Hermagoras, Klagenfurt 1948, 55 ff.; Popovic, Le dernier evf\que (s. Anm. 149), 107 ff.

188 Den Ablauf solcher Überführungen beleuchtet für das benachbarte norische Gebiet der Bericht über die translatio d er sterblichen Überreste des hl. Severinus von Ufernori· cum. nach Italien im Jahre 488 (Eugippius, Vita s. Severini 44, 5-46; ed. R. Bratoz, Ljubljana 1982, 147ff., 293ff.). In den Quellen wird ausdrücklich die Überführung der R eliquien des hl. Quirinus nach Rom dokumentiert (Passio s . Quirini 8; Acta sanctorum Junii 1 (1867), 375; Egger 52; Roncaioli (e. Anm. 11); für die ss. quattuor coronati · vgl. Guyon (s. Anm. 10).

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Zehn Märtyrer aus Sirmium sind es, deren Reliquien damals aus ihrer Heimat gebracht wurden. Die Reliquien der Märtyrerin Anastasia kamen nach Konstantinopel (wahrscheinlich zwischen 458 und 471; um 804 wurden sie nach Zadar überführt. Den Kult dieser Märtyrerin finden wir auch in Rom und später in Aquileia); 189 die Reli­quien des Märtyrers Ursicinus gelangten ebenfalls nach Konstantinopel (auf seinen Kult treffen wir später auch in Ravenna und Mailand) 190 die des Demetrius nach Thes­saloniki.191 Die Reliquien von sieben Märtyrern gelangten um das Jahr 409 nach Aqui­leia, wo sie aufgeteilt wurden und teilweise hier verblieben (bezeugt ist der Kult der Märtyrer Donatus, Fortunatus, Venustus, Hermogenes, Romulus und Silvanus),192 teilweise in das benachbarte Cividale (dort ist die Verehrung der Märtyrer Donatus, Hermogenes, Venustus, Romulus und Silvanus belegt),193 wahrscheinlich auch nach Concordia (Donatus, Silvanus, Secundianus und Romulus) 194 und vielleicht auch nach Mailand (Venustus, Secundianus, Donatus und Fortunatus) 195 überführt wurden. Die Verehrung dieser „eingeführten" Märtyrer war im Gebiet von Aquileia ziemlich inten­siv, wenngleich sie, mit Ausnahme des hl. Donatus in Cividale, nie den Kult der ein­heimischen Märtyrer in den Schatten stellen konnte.19ß Die Annahme, aus dem Kult des singidunisch-sirmischen Märtyrers Hermogenes hätte sich die Legende vom. hl. Hermagoras, dem Begründer des Christentums in Aquileia, entwickelt, entbehrt einer festen Grundlage. rn1 .

Auf diese Weise wurden durch die Flüchtlinge aus Sirmium die Heiligenkalender der aquileischen Gemeinden bereichert, aber auch das gesamte geistige Leben in diesem Gebiet. Denn offensichtlich war Aquileia zu jener Zeit auch eine Station der Photi­nianer auf dem Weg aus ihrer sirmischen Heimat nach Westen, zumal wir Nachklänge dieser Häresie 409 in Rom und Italien, später in Afrika, Spanien und in der 2. Hälfte des 5. Jh. in Gallien antreffen. HJ3

Die Periode der engen Beziehungen zwischen den Kirchen von Aquileia und Sirmium

189 S. Ritig, Martyrologij srijem.sko-pannonske metropolije ('Martyrologium d er sirmisch­pannonischen Erzdiözese'), in: Bogoslovska smotra 2 [1911], 251- 259; vgl. zuletzt A. Niero, Santi aquileiesi e veneti in Dalmazia, in: AAAd 26 [1985], 262- 264; Bratoz, Krscanstvo 214-218.

190 Martyrologium Hieronym.ianum, Dec. 13 (Commentarius perpetuus in Ma.rt. Hier., ad recensiohem. H . Quentin ed. H . Delehaye, in: Acta sanctorum Novembris 2, 2 (1931), 646).

191 Vgl. zuletzt Popovic, Die süddanubischen P rovinzen (s. Anm. 11), bes. 99ff. 192 Acta sanctorum Augusti 4 (1867), 587-589; vgl. Egger 53; Bratoz, Krscanstvo 57 ff. 193 Acta sanctorum Augusti 4 (1867), 411- 413; R. Eggei', o. c„ 53f. 194 Egger 53; als concordische Märtyrer werden sie von P. Zovatto, L e origini del cristiane­

simo a Concordia, Udine 1975, 20ff. angesehen, der den Kern der Legende über die concordischen Märtyrer (als Beilage, S. 96- 101) als echt betrachtet.

195 Egger 53. 196 Die Anbetung der s irmisch-singidunischen Märtyrei· nahm nur einen b escheidenen

P latz im liturgischen Jahr Aquileias ein, zumal sie auf nur zwe i Tage (den 21. und 23. August) beschränkt war -im Gegensatz zu ungefähr fünfzehn bis zwanzig Tagen, die den einheimischen H eiligen Aquileias gewidmet waren. Vgl. G. B iasutti, 11 Proprium· sanct01·um Aquileiese ed Udinese e le sue variazioni, Udine 1961, 27, 34, 39, 47.

197 Bratoz, K rscanstvo 56-63. 198 Für Rom vgl. Innocentius, epist. 41 (PL 20, 607), für Italien Aponius, In canticum

canticormn (PL Suppl. 1 (1958), 830) und Filastrius, Diversarum haereseon liber 65 (ed. F. Heylen, in: CCSL 9 (1957), 244), für Gallien Conc. Arelatense · secundum, c. 16. 17 (ed. C. Munier, in: CCSL 148 (1963), 117), für Afrika Augustinus, Sermo 71, 2 (4) ; 3 (5); 244, 4; 246, 4; 252, 4 (PL 38, 447, 448, 1150 f„ 1155, 1174) ;·epist. 147, 19

548 R. BRATOZ, Frühes Christentum zwischen Sirmium und Aquileia

dauerte bis zum Anfang des 5. Jh. Sie waren wechselseitiger Natur und verliefen, ins­gesamt gesehen, in ihrer Intensität und ihren Wirkungen schwankend, abhängig von der jeweiligen Position der einen und der anderen christlichen Gemeinde zu einer bestimmten Zeit. Es gab wohl zwei Perioden, da Aquileia in dieser Beziehung die dominierende Seite war, im 3. Jh. und später zur Zeit der katholischen Offensive gegen den Arianismus im Illyricum (ca. 368 bis 381), aber ansonsten war es Sirmium, dessen Kirche in beträchtlichem Maße die christliche Gemeinde von Aquileia befruch­tete und sie in materieller und - durch die Entwicklung eigener theologischer Anschau­ungen oder die Vermittlung aus Kleinasien bezogenen Gedankengutes - geistiger Hinsicht bereicherte.

Die Verbindungen zwischen Aquileia und Salona zeigen sich im 5. und 6. Jh. auf verschiedenen Gebiet'en. Der Einfluß Aquileias auf den dalmatinischen Raum mani­festiert sich vielleicht in der Verbreitung des Kultes der aquileischen Märtyrer in Dalmatien. Der Ortsname Mogorjelo in der Herzegowina, wo ein frühchristlicher Kirchenkomplex aus dem Ende des 5. Jh. entdeckt wurde, ist möglicherweise ein Reflex der Verehrung des hl. Hermagoras in Dalmatien.199 Der Name des Bischofs Tycianus aus Arba, der an den beiden Synoden von Salona 530 und 533 teilnahm, erinnert an den aquileischen Märtyrer Tatianus.200 Nach einer späteren Quelle soll der schisma­tische Patriarch von Aquileia Probinus (569 bis 571) mit dem gleichnamigen Bischof von Salona (ca. 562-566) identisch sein ; diesen habe um 562 der Patriarch Paulinus von Aquileia geweiht und er soll um 566 bei ihm wiederum Zuflucht gefunden haben und nach dessen Tod der neue Patriarch von Aquileia geworden sein.201 Diese Überlie­ferung aber findet keine Bestätigung in der lokalen Tradition von Aquileia bzw. Grado/Venetia.202

7. Desiderata der historischen Forschung

Einige kirchengeschichtliche Themen bleiben noch als Desiderata für künftige For­schungen. 1) Das Mönchstum ist in Aquileia verhältnismäßig gut bezeugt;203 für praktisch das ganze behandelte Gebiet aber haben wir darüber nur spärliche Nachrichten. Die Anfänge mönchischen Lebens werden gelegentlich bei Hieronymus und bei den an­deren Schriftstellern erwähnt,201, doch von der späteren Entwicklung zeugen bislang nur

(PL 33, 605); De haeresibus 45 (PL 42, 34); für Hispanien s. Gennadius, De scriptoribus ecclesiasticis 14 [Audentius] (PL 58, 1068).

199 Diese Hypothese äußerte Dj. Basler, in: A. Benac - Dj. Basler (s. Anm. 177), 319; 337. Zu den frühchristlichen Bauten in l\fogorjelo s. E. Dyggve - H. Vetters, Mogorjelo. Ein spätantiker Herrensitz im römischen Dalmatien, in: Österr. Akad. d. Wiss., Schriften der Balkankommission, Ant. Abt. 13 [1966], 44-51.

200 Thomas Archidiaconus, Historia Salonitana 5 (ed. F. Racki, Zagreb 1894, 15, 18). Über Tatianus von Aquileia s. Bratoz, KrSl'.ianstvo 152- 159.

201 F. Bulic - J. Bervaldi, Kronotaksa solinskih biskupa (s. Anm. 19), 57. 202 In den Quellen aus dem aquileischen bzw. gradeosisch-venezianischen Raum wird

Probinus meistens als Römer erwähnt: ordinarius Romane ecclesie (Origo civitatum Italie seu Venetiarum, ed. prima, edR. Cessi, Roma 1933, 42 v. 10); nacione simili ter · Romanus (Origo, ed. secunda, 74 v. 15); nacione Beneventanorum, ordinarius Romane ecclesie (Origo, ed. tertia, 123 v. 5; inhaltlich gleich bei Dandulus, Chronica a. 570, ed. E. Pastorello, Bologna 1938, 76. v . 7- 8).

203 G . Spinelli, Ascetismo, monachesimo e cenobitismo ad Aquileia nel sec. IV, in: AAAd 22 (1982], 273-300. .

2or. Spinelli 289 ff.; für Sirmium vgl. Paulinus, Vita s . Ambrosii 11 (PL 14, 30 f.); Altercatio

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einige Inschriften (z. B. die Erwähnung einer abtissa in Salona) und der Hinweis auf die monasterii praesidentes in den Beschlüssen der ersten Synode von Salona 530.205 2) Der ganze Umfalig der häretischen Strömungen im behandelten Gebiet ist noch nicht genügend erforscht. Neben zwei zeitlich getrennten Phasen des Arianismus - die erste reicht von der Anwesenheit des Arius in Pannonien bis zur Synode von Aquileia 381,206 die zweite ist mit der Präsenz der Goten und anderer ostgermanischer Stämme im 5. und 6. Jh. verbunden207 - müssen wir das Auftreten einer Reihe anderer religiöser Strömungen (Photinianer, Bonosianer, Manichäer, gnostische Richtungen usw.) berücksichtigen.208 3) Die Akten der beiden Synoden von Salona 530 und 533 werden von einigen Histo­rikern ausdrücklich als mittelalterliche Fälschungen abgelehnt, von anderen aber für authentisch gehalten. Diese Akten sind uns überliefert in der Mitte des 13. Jh. ent­standenen historia Salonitana des Thomas Archidiaconus und in der anonymen historia Salonitana maior aus dem 15./16. Jh.209 Sie stellen einerseits eine Reihe von Fragen an die kirchliche Rechtsgeschichte und werfen andererseits mit den Verzeich­nissen der anwesenden Kleriker das Problem der Lokalisierung einiger Bischofs­sitze auf, die nur hier erwähnt werden.210 4) Ein bemerkenswertes Phänomen ist die Kontinuität des Christentums in fast dem ganzen behandelten Gebiet, das bekanntlich mit Ausnahme Aquileias, der westlichen Teile Istriens, einigen dalmatinischen Inseln und einigen Städten an der Küste Dal­matiens um 600 bzw. spätestens bis ca. 630, als Salona fiel, von den Slawen überflutet

· wurde.211 Olme die Erforschung dieser Problemkomplexe bleibt eine Geschichte des frühen Christentums im Gebiet zwischen Sirmium und Aquileia ein Torso.

Heraclia.ni laici cum Germinio episcopo Sirmiensi (PL Suppl. 1 (1958), 350); vgl. Anm. 71.

205 ILJu 2567; Thomas Archidiaconus, Historia Salonitana 5 [Acta synod. 6] (ed. F. Racki, Zagreb 1894, 14); Historia Salonitana maior, (ed. N. Klaic, Beograd 1967, 79).

200 S. Anm. 73 und 108. 207 H. Wolfram, Geschichte der Goten, München 1979, 178ff„ 321ff.; idem, Die Geburt

Mitteleuropas, Wien 1987, 27-81; W. Pohl, Die Gepiden und die Gentes an der mittleren Donau nach dem Zerfall des Attilareiches, in: Die Völker an der mittleren und unteren Donau im fünften und sechsten Jahrhundert (hrsg. von H. Wolfram - F. Daim), Wien 1980, 240-305; A. Schwarcz, Die Anfänge des Christentums bei den Goten, in: Miscel­lanea Bulgarica 5 (Wien 1987), 107-118.

208 Neben den relativ spärlichen und manchmal unklaren Berichten in der frühchristUchen Literatur (vgl. Anm. 52, 65, 83, 117, 118) muß man besonders einige frühchristliche Inschriften (wie z.B. ILJu 2792, Tabella. plumbea Traguriensis) berücksichtigen.

2o9 Historia Salonitana 5 (ed. F. Racki, 12- 18; Nachdruck mit Kommentar in F . $isi6, Prirucnik izvora hrvatske historije (Enchiridion fontium historiae Croaticae) 1, Zagreb 1914, 149-164); Historia Salonitana maior (ed. N. Klaic, 76- 85).

210 Vgl. Sisic, Priruönik 155ff.; Bratoz, Die Entwicklung der Kirchenorganisation 182f. (Anm. 73-74).

211 Für das Gebiet der Ostalpen vgl. H . D. Kahl, Zwischen Aquileia und Salzburg, in: Die Völker an der mittleren und unteren Donau im fünften und sechsten Jahrhundert, hrsg. von H. Wolfram - F. Daim, Wien 1980, 33-81, bes. 61-73; für Pannonien s . E. T6th, La survivance de la population romaine en Pannonie, in: Alba. regia. Annales Musei Stephani regis Szekesfehervar 1977, 107- 120; idem, Bemerkungen zur Kontinuität der römischen Provinzialbevölkerung in Transdanubien (Nordpannonien), in: Südosteuropa­Jahrbuch 17 [1987], 251- 264; für das Gebiet Sloweniens vgl. Bratoz, Das Christentum in Slowenien (s. Anm.. 3) 54 und zuletzt F. M. Dolinar, Paolino e gli Sloveni, in: Atti del convegno internazionale di studio su Pa.olino d' Aquileia ~el XII centena.rio dell'episco-

550 R. BRATOZ, Frühes Christentum zwischen Sirmium und Aquileia

pato, Udine ·1988,. 135-143; für Dalmatien vgl. z. Vinski, Kasnoanticki starosjedioci . u salonitanskoj regiji prema arheoloskoj ostavsini predslavenskog supstrata (,Die altan­

sässige Bevölkerung des Gebietes von .Salona. in der Spätantike nach der archäolo­gischen Hinterlassenschaft des vorslawischen Substrats'), in: V AHD 69 [1967], 5-86 (in gekürzter Form in: Disputationes Salonitanae 1970 .(Split 1975), 102""':110); .Z. Rapanic, Prilog proucavanju kontinuiteta naseljenosti u salonitanskom ageru u ranom

. . srednjem · vijeku (,Ein Beitrag zur Kontinuität der Besiedlung im Gebiet von Salona ,':,;.;~-~tu Frühmittelalter'), in: VAHD 74 [1980),189-217. ·

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Siglenverzeichnis

Antichita Altoadriatiche, Udine · Arheoloski vestnik, Djubljana Corpus Christianorum, Series Latina1. Turnhout Corpus inscrip'tionuin Latinarum, Berlin Corpus scriptorum ecclesiast~corum Latinorum, Wien Dictionnaire d' Archeologie Chretieririe et de Liturgie, Paris Dictionnaire de Theologie Catholique, Paris A. et J. Sa.Sel, Inscriptiones Latinae quae in Iugoslavia . .. repertae et editae sunt, in: Situla 5. 19. 25 (Ljublja.na 1963. 1978. 1986) Melanges de l'Ecole Frarn;aise de Rome, Antiquite Monumenta German1ae Historica, Berlin Migne, Patrologia Graeca, Paris Migne, Patrologia Latina, Paris A. H. M. Jones - J. R. Martindale - J. Morris, The Prosopography of the Later Roman Empire 1 (A. D. 260-395), Cambridge 21975; J. R. Martindale, The · Prosopography ... 2 (A. D. 395-527), Cambridge 1980. Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Stuttgart Revue d'Histoire Ecclesiastique, Louvain Sources Chretiennes, Paris Vjesnik za arheologiju i historiju dalmatinsku, Split Zgodovinski casopis, Ljubljana

Korrekturzusatz: Neueste Literatur zum Thema (Erscheinungszeit Mitte 1989 - Mitte 1990): A) Für das gesamte Gebiet relevante Beiträge sind publiziert in: Actes du XIe congres international d'archeologie chretienne (Lyon, Vienne, Grenoble, Geneve et Aoste 1986), in: Collection de l' Ecole franc;aise de Rome 123 (Roma 1989) [Studi di antichita cri­stiana 41]. B) Sirmium und Pannonien; N. Duval, Sirmium sur la Save. Evidences archeologiques et historiques pour les relations avec la Venetie, in: La Venetia nell'area padano -danu­biana. Le vie di communicazione, Padova 1990, 355- 366; R. Noll, Ein Ziegel als spre­chendes Zeugnis einer historischen Katastrophe (Zum Untergang Sirmiums 582 n . Chr.), in: Anzeiger der phil.-hist. Kl. der Österreich. Akad. d. Wiss. 126 [1989, erschienen 1990], 139-154. 0) Salona und Dalmatien: E. Dyggve, Izabrani spisi (,Ausgewählte Schriften'), Spfü. 1989; J.-P. Caillet, L'apport de l'epigraphie de Salone a l'histoire de la Dalmatie dans l'anti­quite ~.ardive, in: CRAI an. 1989, 449- 461; E. Marin, Salone. Un profil de Ja ville a re­nouveler: apropos de r echerches recentes, in: La Venetia ... 453-469; Sjaj zadarskih riznica. Sakralna umjetnost na podrucju Zadarske nadbiskupije od IV. do XVIII. stol­j eca (Thfl Splendour of Zadar Treasuries. R eligious Art in the ArchidioQese of Zadar 4th -18th c. ), Zagreb 1990 (Ausstellungskatalog). . D) Aquileia und sein Einflußgebiet nach Osten: Atti del Centro di ricerche storiche Ro­vigno 19 (1988- 1989]; R. Bratoz, Vpliv oglejske cerkve na vzhodnoalpski in predalpski prostor od 4. do 8. stoletja. (,Der Einfluß der aquileischen Kirche auf den Ost- und Vor­alpenraum in der Zeit ·vom 4. - 8. Jh.'), in: Zbirka zgodovinskega casopisa 8 [Ljubljana 1990].