Das Museum, die Vogelfeder und der Streit ums Licht

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30 IM FOKUS: LICHT 7/2011 Jim Druzik, Molly Gleeson, Ellen Pearlstein, Christel Pesme und Renée Riedler Das Museum, die Vogelfeder und der Streit ums Licht Aktuelle Entwicklungen in der Farbmessung und künstlichen Lichtalterung von Federfarben Die Vogelfeder im Naturhistorischen Museum Federsammlungen sind in Museen in einer er- staunlichen Vielfalt vorhanden u.a. als Objekte der Taxidermie, einem Teilgebiet der Tierpräparation, der zeitgenössischen Kunst und der Ethnologie. Für jede Disziplin ist die Farbe ungefärbter Federn ein signifikantes Attribut des Objekts und spielt ei- ne bedeutende Rolle in seiner Zurschaustellung. In naturhistorischen Museen werden ganze Vö- gel – als Balg- oder Stopfpräparate – und einzelne Federn in Form von Rupfungsblättern gesammelt. Stopfpräparate (Abb. 1) sind für die naturgetreue Aufstellung in den Schausammlungen gedacht, während Bälge vorwiegend wissenschaftlichen Zwecken dienen. Vor der Erfindung der Fotografie waren Präparate die einzige Möglichkeit, den Menschen exotische Tiere vor Augen zu stellen und manch ausgestorbene Spezies ist nur noch in Form dieser Präparate dokumentiert. Der wissen- schaftliche und volksbildnerische Anspruch ist aber dann infrage gestellt, wenn sich das Erschei- nungsbild von »Natur« und »Präparat« nicht mehr zur Deckung bringen lassen. Dies ist der Fall, wenn das Präparat in seiner Substanz stark be- schädigt bzw. wenn ein starker Lichtschaden nachweisbar ist. Die gängige Praxis ist, derartige Präparate durch neue zu ersetzen, sofern es noch Ressourcen dafür gibt oder (in selteneren Fällen) stark verblichene Federfarben nachzufärben. In letzter Konsequenz müssen Präparate oft neuen Medientechnologien weichen. Die Bewahrung der Authentizität des Präparats als Träger von natur- wissenschaftlichen, kulturellen bzw. künstleri- schen Werten und damit die Akzeptanz seiner »natürlichen« Alterung sollte jedoch immer im Vordergrund stehen. Um diese Probleme einge- hender zu beleuchten, hat sich die Arbeitsgruppe »Art of Taxidermy and its Cultural Heritage Impor- tance« des International Committee for Museums and Collections of Natural History (ICOM NatHist) formiert. 1 Die Vogelfeder im Museum für zeitgenössische Kunst Die traditionelle Kunst der Präparation hatte ihre Renaissance in der zeitgenössischen Kunst als »botched taxidermy« (Baker 2008) 2 , was so viel bedeutet wie »verpfuschte Taxidermie«. In ihr re- präsentiert das Tier nicht mehr sich selbst, son- dern wird zur Schau gestellt, um seine Bedeutung in der modernen Welt zu befragen. Die Künstler vermeiden mit ihren Kreationen auf das Bekannte und Wiedererkennbare zu verweisen und der kre- ative Prozess liegt gerade in der Offenheit Dinge falsch zu verstehen (Baker 2008) 3 . Der deutsche Künstler Thomas Grünfeld re-kon- figuriert Präparate zu »möglichen« neuen. Dies führte zu seiner Serie »Misfits«, in der er Körper- teile unterschiedlicher, meist großer Tierspezies miteinander kombiniert. Seine Intention ist es, zu irritieren und die Vorstellung von ästhetischer und genetischer Identität infrage zu stellen. Ursprüng- lich platzierte er seine Objekte in Vitrinen um sie mit Schaupräparaten naturhistorischer Museen zu kontextualisieren, 4 in weiterer Folge verzichtete er Vogelfedern gehören zu den komplexesten Anhängseln der Haut und ihre ebenso vielfältigen wie physikalisch ausgeklügelten Farbmechanismen sind in der Ornithologie aber auch in der Konser- vierung ein derzeit vielbeachtetes Forschungsfeld. Während Ornithologen vorwiegend den Ein- fluss von Federfarben auf das Verhalten von Vögeln untersuchen, haben Restauratoren und Kon- servatoren das Ziel, die Authentizität des Objekts zu bewahren. 1 Das Naturhistorische Museum Wien verfügt über zahlreiche Tierpräparate, wie z. B. das unlängst angefertigte Präparat eines Feld- sperlings (Passer monatus). Foto: Renée Riedler 1

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7/2011

Jim Druzik, Molly Gleeson, Ellen Pearlstein, Christel Pesme und Renée Riedler

Das Museum, die Vogelfeder und der Streit ums LichtAktuelle Entwicklungen in der Farbmessung und künstlichen Lichtalterung von Federfarben

Die Vogelfeder im Naturhistorischen MuseumFedersammlungen sind in Museen in einer er-

staunlichen Vielfalt vorhanden u.a. als Objekte der

Taxidermie, einem Teilgebiet der Tierpräparation,

der zeitgenössischen Kunst und der Ethnologie.

Für jede Disziplin ist die Farbe ungefärbter Federn

ein signifikantes Attribut des Objekts und spielt ei-

ne bedeutende Rolle in seiner Zurschaustellung.

In naturhistorischen Museen werden ganze Vö-

gel – als Balg- oder Stopfpräparate – und einzelne

Federn in Form von Rupfungsblättern gesammelt.

Stopfpräparate (Abb. 1) sind für die naturgetreue

Aufstellung in den Schausammlungen gedacht,

während Bälge vorwiegend wissenschaftlichen

Zwecken dienen. Vor der Erfindung der Fotografie

waren Präparate die einzige Möglichkeit, den

Menschen exotische Tiere vor Augen zu stellen

und manch ausgestorbene Spezies ist nur noch in

Form dieser Präparate dokumentiert. Der wissen-

schaftliche und volksbildnerische Anspruch ist

aber dann infrage gestellt, wenn sich das Erschei-

nungsbild von »Natur« und »Präparat« nicht mehr

zur Deckung bringen lassen. Dies ist der Fall,

wenn das Präparat in seiner Substanz stark be-

schädigt bzw. wenn ein starker Lichtschaden

nachweisbar ist. Die gängige Praxis ist, derartige

Präparate durch neue zu ersetzen, sofern es noch

Ressourcen dafür gibt oder (in selteneren Fällen)

stark verblichene Federfarben nachzufärben. In

letzter Konsequenz müssen Präparate oft neuen

Medientechnologien weichen. Die Bewahrung der

Authentizität des Präparats als Träger von natur-

wissenschaftlichen, kulturellen bzw. künstleri-

schen Werten und damit die Akzeptanz seiner

»natürlichen« Alterung sollte jedoch immer im

Vordergrund stehen. Um diese Probleme einge-

hender zu beleuchten, hat sich die Arbeitsgruppe

»Art of Taxidermy and its Cultural Heritage Impor-

tance« des International Committee for Museums

and Collections of Natural History (ICOM NatHist)

formiert.1

Die Vogelfeder im Museum für zeitgenössische KunstDie traditionelle Kunst der Präparation hatte ihre

Renaissance in der zeitgenössischen Kunst als

»botched taxidermy« (Baker 2008)2, was so viel

bedeutet wie »verpfuschte Taxidermie«. In ihr re-

präsentiert das Tier nicht mehr sich selbst, son-

dern wird zur Schau gestellt, um seine Bedeutung

in der modernen Welt zu befragen. Die Künstler

vermeiden mit ihren Kreationen auf das Bekannte

und Wiedererkennbare zu verweisen und der kre-

ative Prozess liegt gerade in der Offenheit Dinge

falsch zu verstehen (Baker 2008)3.

Der deutsche Künstler Thomas Grünfeld re-kon-

figuriert Präparate zu »möglichen« neuen. Dies

führte zu seiner Serie »Misfits«, in der er Körper-

teile unterschiedlicher, meist großer Tierspezies

miteinander kombiniert. Seine Intention ist es, zu

irritieren und die Vorstellung von ästhetischer und

genetischer Identität infrage zu stellen. Ursprüng-

lich platzierte er seine Objekte in Vitrinen um sie

mit Schaupräparaten naturhistorischer Museen zu

kontextualisieren,4 in weiterer Folge verzichtete er

Vogelfedern gehören zu den komplexesten Anhängseln der Haut und ihre ebenso vielfältigen wie physikalisch ausgeklügelten Farbmechanismen sind in der Ornithologie aber auch in der Konser-vierung ein derzeit vielbeachtetes Forschungsfeld. Während Ornithologen vorwiegend den Ein-fluss von Federfarben auf das Verhalten von Vögeln untersuchen, haben Restauratoren und Kon-servatoren das Ziel, die Authentizität des Objekts zu bewahren.

1 Das Naturhistorische Museum Wien verfügt über zahlreiche Tierpräparate, wie z. B. das unlängst angefertigte Präparat eines Feld-sperlings (Passer monatus).

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aber darauf und erlaubte den »Misfits« entspann-

tere Positionen im Museumsraum einzunehmen.

Die britische Künstlerin Polly Morgan arbeitet vor

allem mit kleinen fragilen Vogelpräparaten, wobei

die Ästhetik des Tierkörpers zwischen Tod und

Zerfall angesiedelt ist (Abb. 2). Für eines ihrer Ob-

jekte benötigte sie eine größere Anzahl von selte-

nen orangen Federn des Kanarienvogels (Serinus

canaria forma domestica). Mangels vorhandener

Ressourcen beschloss die Künstlerin, Federn als

Teil des Produktionsprozesses zu färben.5

Die Feder wird in der zeitgenössischen Kunst als

Rohmaterial ohne Bedeutungsaufladung gesehen,

das in Form und Farbe beliebig verändert werden

kann. Zwar ist die farbliche Entsprechung der Fe-

der mit der Farbe der jeweiligen Vögel bis zu ei-

nem gewissen Grad notwendig um eine wiederer-

kennbare Form zu gewährleisten, aber erst die

künstlerische Intention entscheidet über die Signi-

fikanz der Federfarbe – diese kann unter anderem

mit Schönheit, Tod, Irritation oder auch Natur in

Zusammenhang stehen. Ein Verblassen der Feder-

farben wird den ästhetischen und monetären

Wert des Objekts mindern, nicht jedoch seinen

künstlerischen und symbolischen Wert infrage

stellen.

Die Vogelfeder im Ethnologischen MuseumDie vermutlich komplexesten Federobjekte sind

im ethnographischen Kontext zu finden. Sie sind

Zeugnis des materiellen und immateriellen Aus-

drucks der jeweiligen Kultur und Gesellschaft. In

Nordamerika wurde 1990 ein Bundesgesetz unter

dem Titel »Native American Graves Protection and

Repatriation Act« (NAGPRA) verabschiedet. Eine

der damit verbundenen Auflagen für staatlich ge-

förderte Institutionen, ist es, deren Sammlungsin-

ventare zugänglich zu machen sowie die Koopera-

tion mit staatlich anerkannten Nachkommen von

Indigenen bzw. Stämmen zu suchen, wodurch ei-

ne neue Dimension der Konsultation und Wert-

schätzung in diese Sammlungen Eingang gefun-

den hat. Die Einbeziehung indigener Standpunkte

erschloss der Interpretation von Museumssamm-

lungen neue Bedeutungsdimensionen. Durch die-

se erneute Verknüpfung der Objekte mit ihren im-

materiellen Werten werden sie zum Gegenstand

einer Re-Evaluierung. Farbe kann dabei eine be-

deutende Rolle spielen. Die Auswahl der Feder

und ihre Verarbeitung für die in zeremonieller Ver-

wendung stehenden Federobjekte ist nämlich von

Stamm zu Stamm unterschiedlich (Abb. 3). Den-

noch gibt es Ähnlichkeiten innerhalb einer Kultur

2 Federobjekte spielen auch in der zeitgenössischen Kunst eine Rolle. Polly Morgan arrangiert immer wieder Tierpräparate, so z. B. mit »To Every Seed, His Own Body« (2006, Courtesy Polly Morgan).

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bzw. geographischen Lage. Wie die jeweiligen Vo-

gelmythen die Wahl der Feder zur Verfertigung

von zeremoniellen Objekten beeinflusst haben

könnten, ist noch immer nicht vollständig geklärt.

Evident ist, dass die Selektion auf der kulturellen

Bedeutung des Vogels, seines Wertes, seiner Far-

be und dem zu kreierenden Objekttypus basiert.

Besondere Bedeutung dürften aber auch ästheti-

sche Maßstäbe für die Auswahl der Federn ge-

habt haben, da z. B. Hersteller von Regalia und Fe-

derkörben in Nord-Kalifornien gewisse Farbkombi-

nationen während des Herstellungsprozesses an-

deren vorzogen (Bradley Marshall, Interview vom

20. Juli 2019 und Sherrie Smith-Ferri, Interview

vom 26. April 2010). Zusammenfassend lässt sich

sagen, dass Federn und Federfarben sowohl Trä-

ger symbolischer und spiritueller Informationen

sind als auch ästhetische und dekorative Funktio-

nen erfüllen.

Präsentation von FedernDie Bewertung der Relevanz und Signifikanz von

Federfarben fällt für die jeweilige Sammlung – ob

nun naturhistorische, zeitgenössische oder ethno-

logische – unterschiedlich aus. Ausstellungen

bzw. Zurschau-Stellungen können die ästheti-

schen Qualitäten des Objekts in den Vordergrund

rücken oder aber die wissenschaftlichen, kulturel-

len, historischen Werte betonen. Diese Unter-

scheidung bestimmt über das erforderliche bzw.

gewünschte Beleuchtungsdesign wie z. B. theat-

ralische Beleuchtung, Beleuchtung mit dynami-

schen Bewegungseffekten oder Tageslichtbe-

leuchtung um die Präsentation des Objekts zu be-

fördern. Maßgeblich werden Beleuchtungsent-

scheidungen auch davon beeinflusst, ob das

Objekt eine singuläre Kreation eines Künstlers

bzw. einer Kultur ist, ob es einzigartig ist, weil die

natürlichen Ressourcen versiegt sind oder ob es

als weniger bedeutsam erscheint, weil es sich et-

wa um eine Reproduktion handelt oder weil es als

austauschbar angesehen wird.

Das Risikomanagement innerhalb der Präventi-

ven Konservierung, das die Aufgabe übernommen

hat, die gerade noch akzeptierbare, dem Objekt

zumutbare Beleuchtungsstärke und -dauer zu defi-

nieren, ist dafür verantwortlich, allgemein gültige

Richtlinien aufzustellen. Der Balanceakt besteht

darin, die farbliche Erscheinung des Objekts zu be-

wahren, da jede Veränderung der Farbe mit einer

Bedeutungsveränderung einhergeht, und gleich-

zeitig dem Besucher zu ermöglichen, dieses in ei-

ner angemessenen Art und Weise zu betrachten.

Durch die rasante Entwicklung in der Lichttechno-

logie im letzten Jahrzehnt sowie der Forderung

nach energieeffizienter Beleuchtung, die kosten-

sparend und ökologisch sein soll, stehen große

Änderungen und Herausforderungen in der Muse-

umsbeleuchtung bevor. Eine Risikoeinschätzung,

die bereits im Vorfeld zu etablieren wäre, könnte

diesen Neuerungen mit fundiertem Wissen und

Daten begegnen.

Beleuchtungsrichtlinien für FedernDie Mannigfaltigkeit von Farben und Farbmecha-

nismen ist überwältigend und nur ein geringer Teil

der Farbsysteme aller bekannten Vogelspezies

wurde bislang identifiziert. Die meisten Federfar-

ben stellen eine Kombination aus Bio-Pigmenten

und Strukturfarben dar und der wahrgenommene

Farbton ist abhängig von der spezifischen Kombi-

nation und entsprechenden Gewichtung der ein-

zelnen farbproduzierenden Mechanismen. Die

Komplexität der Federfarben außer Acht lassend,

wurde zu Beginn der 1980er-Jahre die generelle

Empfehlung von 50 Lux bei maximaler ultraviolet-

ter Strahlung von 75 µW/Lumen ausgegeben. Pu-

blikationen von David Saunders (Saunders 1987)6

und dem Canadian Conservation Institute regten

daraufhin an, die generell zulässige UV-Strahlung

auf 10 µW/Lumen herabzusetzen. Die Lux-Emp-

fehlungen basierten auf den Arbeiten von Robert

Feller und Ruth Johnston-Feller, die in den 1970er-

Jahren die Lichtempfindlichkeit pflanzlicher Natur-

3

3 Im ethnologischen Kontext finden sich einzelne Vogelfedern bzw. Skalps, wie z. B. am Hupa Brush Dance Kopfschmuck (Inv.-Nr.-S1194.52) aus Filz, Fell und Federn von Helmspecht, Goldspecht, Stockente, Westlicher Lerchen-stärling, Kolibri?, (California State Indian Museum, Sacramento, USA).

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farbstoffe untersuchten. Thomsons Empfehlun-

gen für sehr lichtempfindliche Materialien (Thom-

son 1978, 1986)7 wurden im Weiteren zum Aus-

gangspunkt für Richtlinien für naturhistorische

Sammlungen in den 1980er- bis 1990er-Jahren.

Die Empfehlungen der genannten Autoren basier-

ten auf einer strikten maximalen Lichtstärke (Lux),

die heutzutage zugunsten einer Reduktion der Ge-

samtbeleuchtung (Kiloluxstunden) verworfen

wird, um durch flexible Lichtstärken besser auf die

unterschiedlichsten Herausforderungen des Aus-

stellungswesens reagieren zu können.8

Es stellt sich die Frage, ob für alle Federn, unab-

hängig von ihrem Farbmechanismus dieselben

Lichtstärken die ursprünglich für die lichtempfind-

lichsten Naturfarbstoffe reserviert waren, gelten

und ob Federarbeiten, die aus den unterschied-

lichsten Federn gefertigt sind, immer in gleicher

Weise auf Licht reagieren.

Die ersten konservierungsspezifischen Studien

von Federfarben wurden von Horie (Horie 1990)9

und Solajic (Solajic et al. 2002)10 durchgeführt. Ho-

ries Langzeitstudie beschäftigte sich mit künstli-

cher Lichtalterung von Federn des Wellensittichs

(Melopsittaus undalutus) hinter Fensterglas, mit

und ohne UV-Strahlung. Die Federfarben wurden

mittels Reflexionsspektrometrie gemessen. Horie

stellte fest, dass sich sowohl Farbveränderungen

als auch Lichtempfindlichkeiten gegenüber UV-

Strahlung je nach Federtypus und Federfarbe un-

terscheiden, wobei jedoch die Beleuchtungszeiten

nicht einheitlich gewählt waren. Diese Untersu-

chungen in Verbindung mit Beobachtungen von

Restauratoren und Kuratoren sowie kürzlich durch-

geführte Studien am Getty Conservation Institute

in Los Angeles erlauben es nun, vorläufige Schlüs-

se über das Lichtverhalten von Federn zu ziehen.

Federn sind nicht generell lichtempfindlich, son-

dern reagieren unterschiedlich auf Licht und UV-

Strahlung, abhängig von der Vogelspezies, dem

Farbsystem und dem Zustand der Feder. Die aus-

schließlich auf Bio-Pigmenten basierenden Farben

werden durch selektive Absorption spezifischer

Wellenlängen des Lichts, das die Materialoberflä-

che erreicht, und Reflexion derjenigen, die nicht

absorbiert werden, erzeugt. Deshalb bestimmt

das lichtempfindlichste Bio-Pigment die Lichtemp-

findlichkeit der Feder in seiner Gesamtheit. Die

meisten Strukturfarben werden generell als lich-

tunempfindlich eingeschätzt: nur die Proteinstruk-

tur des Keratins wird durch UV-Strahlung geschä-

digt.

Methoden der Farbmessung in der Ornitho-logieFarben können mit Spektrometern in Reflexion

und Transmission unter Gewinnung von %-Refle-

xions- und %-Transmissionsspektren gemessen

werden. Die Umwandlung in kolorimetrische Para-

meter erlaubt die Verortung der Farbe im CIELAB-

Farbraum. Farbmessung in Reflexion ist ein relativ

neuer Gegenstand der Verhaltensforschung und

taxonomischer Studien von Vögeln in der Ornitho-

logie. Eine detaillierte Anleitung, Federfarben von

lebenden bzw. verstorbenen Vögeln quantifizieren

und qualifizieren zu können, findet sich in einer Pu-

blikation von Anderson und Prager (Anderson, Pra-

ger 2006)11. Ihre Methode, die sich der klassi-

schen Spektrometrie bedient, ist geeignet, diffus

reflektierte Farben, die auf Bio-Pigmenten basie-

ren, zu messen, bezieht aber nicht die vom Be-

trachter wahrgenommene Reflexion von irisieren-

den Strukturfarben mit ein. Federn mit Strukturfar-

ben weisen nämlich dreidimensionale Charakteris-

tika auf und verändern ihre farbliche Erscheinung

mit dem Betrachtungs- bzw. Beleuchtungswinkel.

In den letzten Jahren etablierten Verhaltensfor-

scher die Verwendung multipler Winkel, um Struk-

turfarben von Federn zu charakterisieren. Zur

Quantifizierung der Federfarben wurde das ma-

thematische Modell der Bidirektionalen Reflek-

tanzverteilungsfunktion (BRDF) von Isabella San-

tos (Santos 2005)12 eingeführt (Abb. 4). Diese

Funktion beschreibt das Reflexionsverhalten einer

Oberfläche bei gegebenen Lichteinfalls- und Be-

trachtungswinkel relativ zur Orientierung. Eine op-

tische Faserlichtquelle und ein Detektor als Be-

standteile eines AFH-15 Angled Fiber Holder

(Avantes) mit Winkeleinstellungen von 15°, 30°,

45°, 60°, 75° und 90° ermöglichen die Erfassung

des gesamten Farbspektrums (Abb. 5). Schablo-

nen können der Messung unter multiplen Orien-

tierungen dienen, wobei die Orientierung mit der

maximalen Reflexion als am Aussagekräftigsten

erachtet wird. Diese Methode mit ihren unter-

schiedlichen Parametern ist aber meist sehr auf-

wändig. Die Anzahl der Messungen pro Mess-

punkt ist mit einem Faktor von zwei bis acht zu

multiplizieren. Diese Art der Farbmessung ermög-

licht es Restauratoren, eine differenzierte Studie

4 Die sog. BRDF veranschaulicht das Reflexionsverhalten einer Feder-oberfläche. Je nach Lichteinfall und Betrachtungswinkel variiert die Farbe.

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bezüglich Federfarbe und Glanz bzw. Farbverände-

rungen durch Licht oder Staubablagerungen

durchzuführen.

Methoden, um Farbveränderungen zu quantifi-zieren und zu qualifizieren – Konservierung Um Schäden, die durch bestimmte Beleuchtungs-

stärken während einer bestimmten Zeitdauer ver-

ursacht werden, einschätzen zu können, werden

Lichtdosimeter (wie der Blaumaßstab bzw. die

ISO Blaue Wolle Standard Karte oder die lichtemp-

findlicheren LightChecks®, die ebenfalls mit den

ISO Standards korrespondieren) eingesetzt. In der

derzeitigen Praxis wird die Lichtempfindlichkeit in

drei Kategorien unterteilt: empfindlich (ISO 1–3),

mittel (ISO 4–6) und stabil (ISO 7 und darüber)

(Feller, 1975)13. Die derzeitig geltenden Richtlinien

für ISO Blaue Wolle Empfindlichkeiten von Federn

werden generell in die Kategorien ISO BW 3–6

(Ashley-Smith 1999)14 bzw. ISO BW 4–615 einge-

ordnet. Es muss hervorgehoben werden, dass die-

se Kategorisierungen aufgrund von fehlenden Daten

und Studien vorwiegend auf Vermutungen beruhen.

Geräte, die in der Vergangenheit für Farbmes-

sungen in der Restaurierung/Konservierung ver-

wendet wurden, sind Kolorimeter und Spektrome-

ter. Kolorimeter sind lichtempfindliche Instrumen-

te und messen, wie das menschliche Auge reflek-

tiertes Licht wahrnimmt. Der Mensch sieht Farben

als Kombinationen von Rot, Blau und Grün. Dieses

Farbsehen nachahmend, verwenden Kolorimeter

drei Filter um das reflektierte Licht zu analysieren.

Die dadurch erzielten Tristimulus Werte (X, Y, Z)

korrespondieren mit den im reflektierten Licht ent-

haltenen Rot-, Blau- und Grün-Anteilen. Die Tristi-

mulus Werte können daraufhin in kolorimetrische

Koordinaten verwandelt werden, die präzise die

Farbe im Farbraum verorten. Der in der Konservie-

rung übliche Farbraum ist der CIELAB, mit den die

Farbe definierenden Parametern L*a*b*.

Während Kolorimeter direkt kolorimetrische

Quantitäten messen, kalkulieren Spektrometer

diese von den spektralen Daten aus (Berns

2000)16. Deshalb sind die Informationen des Spek-

trometers – sowohl L*a*b*-Werte als auch Spekt-

ren – im Vergleich vollständiger und informativer,

um Prozesse der beschleunigten Lichtalterung

nachvollziehen zu können.

Um natürliche Alterungsprozesse zu simulieren

und zu beschleunigen, kann auf Lichtkammern mit

austauschbaren Lichtquellen, die Licht bestimm-

ter Wellenlänge emittieren, zurückgegriffen wer-

den. Die jeweiligen Proben werden zusammen

mit ISO Blaue Wolle Standard Karten für eine be-

stimmte Zeit einer bestimmten Luxstärke ausge-

setzt. Die Gesamtbeleuchtung (Luxstunden), der

die Federn ausgesetzt waren, wird mit dem ge-

messenen Farbunterschied Delta E (∆E) in Bezie-

hung gesetzt und mit dem Farbunterschied der

ISO Blauen Wolle Standard Karten verglichen.

Ein Nachteil dieser Technik ist die Abhängigkeit

vom Referenzmaterial, um die Lichtempfindlich-

keit des Originals festzustellen. Die Verwendung

von Referenzmaterial setzt die Annahme voraus,

dass dieses adäquat die Lichtempfindlichkeit des

originalen Materials wiederspiegelt. Diese Annah-

me kann nur eine theoretische sein, da Material im

gealterten meist nicht wie im ungealterten Zu-

stand reagiert. Ein weiterer Nachteil ist die Not-

wendigkeit, die Probe zwischen zwei Farbmes-

sungen bewegen zu müssen. Dies kann die statis-

tischen Fehler unabhängig von der Oberfläche er-

höhen. Natürliche Farbvariationen und strukturierte

Oberflächen als Charakteristikum der Feder erfor-

dern geradezu die Kontrolle der Messpunkte durch

Schablonen, um die Reproduzierbarkeit zu ge-

währleisten.

Um diese Probleme zu lösen, wurde am Art Con-

servation Research Center an der Carnegie Mellon

Universität in Pittsburgh der Microfading Tester

(MFT) von Paul Whitmore (Whitmore 1999)17 für

die beschleunigte Lichtalterung von klassischen

Materialien entwickelt (Abb. 6). Das Gerät bietet

eine zerstörungsfreie Methode, um die Lichtemp-

findlichkeit von Museumsobjekten zeitökono-

misch festzustellen, ohne auf Referenzmaterial

angewiesen zu sein oder das Objekt bewegen zu

The Museum, a Bird‘s Feather and the Light ControversyCurrent Developments in Color Measurement and Artificial-light Aging of Feather Colors

Feather collections can be found in museums of natural history, ethnology and contempo-

rary art. Risk management uses established illumination guidelines for preventing light

damage. Regarding feather colors, these guidelines are predominantly based on presump-

tions. An interdisciplinary study at the UCLA/Getty conservation Institute (Los Angeles),

therefore, investigated the fading phenomena of certain feathers in ethnographic collections.

New lighting guidelines were to be drawn up based on adapting new methods combined

with ornithological and behavioral science research as well as artificial-light aging (micro-

fading tester).

Keywords: feathers, cultural values, color measurement, BRDF (Bidirectional Reflectance

Distribution Function), artificial-light aging, microfading, testers

Abstract

5 Der AFH-15 Angled Fiber Holder (Avantes) erlaubt die Veränderung des Beleuchtungs- bzw. Detektions-winkels. Diese Methode ist vor al-lem für die Farbmessung von irisie-renden Strukturfarben, z. B. von Pfauenfedern, bedeutsam.

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müssen. Eine an den roten Schäften des Golds-

pechts (Colaptes auratus cafer) durchgeführte

Microfading-Studie bestätigte die Eignung dieser

Methode auch für die Feststellung der Lichtemp-

findlichkeit von Bio-Pigmenten innerhalb einer Ke-

ratin-Matrix (Pearlstein 2010).18

Aktuelle Federforschung Das Gebiet der Farbmessung und wissenschaftli-

chen Untersuchung von Lichtschäden von Federn

ist in der Forschung noch immer unterrepräsen-

tiert. Um dem entgegenzuwirken, beschäftigen

sich derzeit Restauratoren sowie in der Präventi-

ven Konservierung spezialisierte Wissenschaftler

der UCLA und des Getty Conservation Institutes

(Los Angeles) mit dem Lichtalterungsverhalten

spezifischer Federn, um daraus Beleuchtungs-

richtlinien für ethnologische Sammlungen formu-

lieren zu können. Die Auswahl orientiert sich an

Federn, die nachweislich für kalifornische Federar-

beiten indigener Stämme in Verwendung waren.

Das Verständnis der jeweiligen Federfarbenche-

mie, die Anwendung aktueller Methoden der Farb-

messung und künstlichen Lichtalterung in Licht-

kammern sowie die Anwendung des Microfading

Testers sind Bestandteile dieser Studie. Die Doku-

mentation von Federobjekten in kalifornischen

Museen und Treffen mit kulturellen Experten, mit

denen die Bedeutung der Federfarben, Selektions-

prinzipien und traditionellen Verwendungen disku-

tiert werden, sind weitere Bestandteile dieses in-

terdisziplinär ausgerichteten Projekts.19

DankGedankt sei Stephan Steiner für das Lektorat.

Anmerkungen1 Poliquin, R., The matter and meaning of museum taxidermy, museum and

society, 6/2 (2008) 123–134.

2 Baker, S., The Postmodern Animal, London: Reaktion Books Ltd. 2000.

3 Baker, S., Something’s gone wrong again, antennae 7 (2008), 4–9.

4 http://www.thieme.de/specials/netter-art-collection/kuenstler/gruenfeld/inter-

view.html (accessed 20.06.2011).

5 http://www.independent.co.uk/arts entertainment/art/features/death-becomes-

her-meet-polly-morgan-britarts-hottest-property-2027383.html. (accessed 20.06.2011).

6 Saunders, D.: Fluorescent Lamps: a Practical Assessment, National Gallery

Technical Bulletin, 11 (1987) 86–91.

7 Thomson, G.: The Museum Environment, London: Butterworths 1978, revised

1986.

8 Beschreibungen der historischen Entwicklung von Beleuchtungsrichtlinien fin-

det sich in: Pearlsteins E.: Displaying feather work, what history tells us, El vuelo

de las imágenes. Arte plumario en México y Europa (2011) Ausstellungskatalog

(Publikation in Vorbereitung).

Druzik, J., Eshøj, B.: Museum Lighting: It’s past and Future development. Museum

Microclimates, T. Padfield & K. Borchersen (eds.) National Museum of Denmark

(2007) 51–56.

9 Horie, C. V., Fading of feathers by Light, ICOM Committee for Conservation, 9th

Triennial Meeting

Dresden, Germany 26–31 August 1990: Preprints, K. Grimstad (ed.), Paris: Interna-

tional Council for Museums, Committee for Conservation (1990) 431–436.

10 Solajic, M. R., Pretzel, B., Cooper, M., Townsend, J. H., Seddon, T., Ruppel, J.,

Ostapkowitz, J., Parher, T., A collaborative examination of the colourfastness of

Amazonian featherwork: assessing the effects of exposure to light and laser radi-

ation, ICOM Committee for Conservation, 13th Triennial Meeting, Rio de Janeiro,

Brazil 22–27 September 2002: Preprints, Vol. II, R. Vontobel (ed.), London: James

and James (2002) 701–707.

11 Andersson, S., Prager, M., Quantifying Colors, Bird Coloration, Vol. I, Mecha-

nisms and Measurements, G. E. Hill and K. J. McGraw (eds.), Harvard University

Press, Cambridge, MA and London, England (2006) 41–89.

12 Santos S.I.C.O., Seeing the Invisible [Doctoral Degree]: University of Utrecht

2005; Santos S.I.C.O., Plumage colour assessment by reflectance spectrometry,

Veterinary Sciences Tomorrow, 11 December 2006, http://www.vetscite.org/pub-

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13 Feller, R., Studies on photochemical deterioration, ICOM Committee for

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Triennial Meeting Lissabon, Portugal 29–23 September 2011: Preprints (Publikati-

on in Vorbereitung).

6 Microfading Tester (MFT), von links nach rechts: Xenon-Lampe, Mikroskop mit der zu untersuchen-den Probe, Spektrometer, Strom-zufuhr (unten), digitaler Regler der Bestrahlungsstärke (Mitte) und ein Laptop mit Analysesoftware (oben).

6

Foto

: Jim

Dru

zik