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Universität Zürich Seminar Strenger Stil
Archäologisches Institut SS 2001
Prof. Dr. H. P. Isler Michael Habicht
15. Mai 2001
Überarbeitet 1.Nov. 2007
Die Tyrannenmörder
von Kritios und Nesiotes
Einleitung
Der Historische Hintergrund und die politische Bedeutung
Beschreibung
Die Gipsabgüsse von Baiae
Das Rätsel der beiden Gruppen
Einordnung in den Strengen Stil
Zusammenfassung
Einleitung zu den Tyrannenmördern Das Thema Tyrannenmörder wurde hier schon mehrmals behandelt.
Christian Schinzel behandelte im Proseminar die Tyrannenmörder als Portraits
historischer Personen. Eliane Egger behandelte in ihrer Akzessarbeit die Tyrannenmörder
als einzelnes Kunstwerk. Auch wenn die Tyrannenmörder etwas als „abgenagter Knochen“
erscheinen mögen, ist das Thema immer noch hochinteressant und beschäftigt die
Forschung entsprechend.
Die Literaturliste ist daher auch sehr lang.
Als wichtigste Arbeit darf die Monographie von Sture Brunnsaker von 1971 gelten.
Mein Schwerpunkt liegt auf der Einordnung in die Entwicklung des Strengen Stils und der
Vergleich mit anderen Werken dieser Zeit.
Es ist das einzige Referat, bei dem nur römische Kopien vorhanden sind. Es sind aber
antike Abgüsse vom Original erhalten.
Das Referat ist so aufgebaut, dass ich zuerst den historischen Hintergrund, der zur
Aufstellung der Tyrannenmörder führte, darstellen werde.
Die Beschreibung der Statuen werde ich in der Abgusssammlung vorstellen.
Anschliessend werde ich die Gipsabgüsse von Baiae besprechen, da sich diese dem
Original am stärksten annähern.
Das Rätsel der beiden Gruppen und die Datierung bildet den Übergang zum Vergleich mit
anderen Werken des Strengen Stils.
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Der Historische Hintergrund und die politische Bedeutung der
Tyrannenmörder Zunächst soll hier die Geschichtsschreibung sprechen, die zur Schaffung der
Tyrannenmörderstatuen führte. Etliche Geschichtsschreiber berichten davon.
Der älteste Bericht stammt von Herodot (ca. 484 – 442 v. Chr.). In seinem 5. Buch, Kapitel
5.55- 5.58 berichtet er kurz davon. Er sagt, dass Aristogeiton und Harmodios den
Hipparchos, den Bruder des Tyrannen Hippias töteten.
Wesentlich wichtiger ist Thukydides (er lebte ca. 455 – 400 v.Chr.). Er erwähnt die
Tyrannenmörder gleich zweimal. In seinem Buch 1, Kapitel 20,1-2 und wesentlich
ausführlicher berichtet er im 6. Buch, Kapitel 53,3 – 6.59. Er berichtet, dass der Sturz der
athenischen Tyrannen von Sparta eingeleitet wurde. Aristogeiton und Harmodios sollen
aus rein persönlichen Motiven gehandelt haben. Die beiden waren ein Liebespaar und
Hipparchos soll ein Auge auf Harmodios geworfen haben. Dieser wies ihn ab und
berichtete dies dem Aristogeiton. Nach einen Exkurs über die vernünftige
Tyrannenherrschaft berichtet Thukydides, dass der abgewiesene Hipparchos die
Schwester von Harmodios schwer beleidigte, weil er ihr nicht erlaubte, Korbträgerin bei
den Panathenäen zu sein. Dies habe die beiden weiter erzürnt und sie schritten zur
Verwirklichung ihres Planes. An den Panathenäen, als alle Waffen trugen, wurde die Tat
ausgeführt. Einer ihrer Mitverschwörer war im Gespräch mit Hippias und Aristogeiton und
Harmodios fürchteten daher, verraten zu werden. Sie fanden Hipparchos beim Leokoreion,
einem Kultgebäude an der Nordecke der Agora, und töteten ihn. Harmodios wurde sofort
getötet, Aristogeiton entkam. Er wurde später gefasst, gefoltert und dann getötet.
Hier setzen die modernen Historiker ein. Denn Aristogeiton und Harmodios konnten ja
nicht mit Sicherheit wissen, ob sie Hipparchos wirklich am Leokoreion finden würden.
Wollten sie nur Hipparchos aus einem privaten Rachemotiv heraus töten? Eventuell
wollten sie auch beide töten. Hippias, weil er Tyrann war und Hipparchos, weil er sie
beleidigte.
Für diese Theorie sprechen folgende Indizien:
Wenn sie beide töten und so die Tyrannenherrschaft auslöschten, bestand weniger Gefahr
selbst auch sofort getötet zu werden. Dies würde zudem erklären, warum sie zuerst
Hippias suchten. Als sie vermuteten, von einem Mitverschwörer verraten zu werden,
handelten sie wohl in Panik. Eine sofort ausgeführte Blitzaktion hätte wohl, trotz
drohenden Verrats, zum Erfolg geführt. Stattdessen entflohen sie und töteten Hipparchos.
Indirekt führten sie aber doch das Ende der Tyrannenherrschaft herbei. Denn Hippias
löste eine Jagd auf alle vermeintlichen Verräter aus. Unzählige sollen getötet worden sein.
Dies machte ihn nun zum blutrünstigen Tyrannen im Verfolgungswahn. Schliesslich wurde
Hippias vom Spartaner Kleomenes ins Exil gezwungen.
Die Tyrannenmörder wurden schon bald offiziell geehrt. Eventuell schon um 509/8 v. Chr.
Sie wurden auf dem öffentlichen Friedhof im Kerameikos beigesetzt und jährliche Opfer
veranstaltet. Sie galten als Helden der Demokratie und wurden sowohl von Demokaten als
auch von den Aristokraten, wenn auch aus anderen Gründen verehrt. Beide hatten zu den
nobelsten Familien gehört.
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Das erste Bildnis der Tyrannenmörder wurde vom Bildhauer Antenor geschaffen. Als die
erste Gruppe von den Persern verschleppt wurde musste schnell ein Ersatz hergestellt
werden. Die zweite Gruppe wurde 477/6 v. Chr. von Kritios und Nesiotes hergestellt.
Die Tyrannenmörder waren lange Zeit die einzigen Statuen auf der Agora, die keine
kultische Funktion hatten. Andere Statuen durften nur in Ausnahmefällen neben ihnen
stehen.
In hellenistischer Zeit wurde die erste Gruppe nach Athen zurückgebracht und stand nun
neben der Gruppe von Kritios und Nesiotes. So beschreibt es Pausanias. Er nennt auch den
Namen Antenor, liefert aber keine Beschreibung oder Hintergrundsgeschichte.
Die Kopien der Tyrannenmörder stammen nach Meinung einiger Forscher aus der
Spätrepublikanischen Zeit, als Brutus und Cassius Julius Caesar ermordet hatten. Denn
Athen liess Statuen von Brutus und Cassius auf der Agora aufstellen. Sie galten als neue
Tyrannenmörder.
Aber auch unter Kaiser Augustus und seinen Nachfolgern waren die Tyrannenmörder
Harmodios und Aristogeiton öffentlichkeitswürdig. Die Tyrannenmörder wurden offenbar
nicht als subversive Anspielung gegen den Kaiser verstanden. Die Datierung ist daher
umstritten.
Beschreibung der Statuen Die Tyrannenmörder sind uns in Form römischer Marmorkopien überliefert.
Darstellungen auf Münzen und Vasenbildern geben uns auch eine Vorstellung, wie sie
aufgestellt waren.
Lange galten die Tyrannenmörder als Statuen die Gladiatoren darstellen. Als
Tyrannenmörder wurden sie 1837 von Stackelberg auf einer attischen Tetradrachme
identifiziert. 1859 wurden von Friedrichs die Neapeler Kopien als Tyrannenmörder
erkannt.
Die 2 Statuen in Nationalmuseum Neapel stellen die vollständigste Überlieferung dar.
Daneben gibt es etliche weitere Stücke, meist Fragmente. Von dem Original besitzen wir
Fragmente von Gipsabgüssen, gefunden in Baiae.
Aristogeiton, im Nationalmuseum Neapel, Inv. Nr. 6010 Die Statue wurde zusammen mit Harmodios in der Hadriansvilla in Tivoli gefunden.
Aristogeiton wurde ohne Kopf gefunden. Laut Brunnsaker gibt es aber keinen Hinweis auf
die Herkunft. Die älteste Darstellung der Tyrannenmörder ist eine Zeichnung von Marten
von Heemskerck aus dem Jahr 1535.
Die Replik ist gut erhalten. Der Körper und beide Beine sind erhalten. Der Linke Arm war
abgebrochen, wurde jedoch später wieder angefügt.
Es fehlt der rechte Arm und der Kopf.
Zunächst wurde, so zeigen es alte Photographien, ein anderer Kopf aufgesetzt. Er ist nicht
zugehörig und gehört auch in eine andere Zeit. Später wurde ein Gipsabguss des echten
Aristogeiton aus dem Vatikan aufgesetzt.
Die Statue des Aristogeiton misst 1,85 Meter. Er ist nackt, mit einem Mantel über dem
linken Arm. Es ist ein etwas älterer Mann mit Bart. Er blickt nach vorne. Der linke Arm ist
fast waagrecht nach vorne ausgestreckt, in der Hand hält er eine Schwertscheide.
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Der Körper ist zur Seite gedreht. Trotz der ausgreifenden Bewegung ist er daher blockhaft.
In der Rechten hält Aristogeiton ein Schwert. Dies kann sicher ergänzt werden, aufgrund
von Darstellungen. Aristogeiton ist in einem grossen Ausfallschritt mit dem linken Bein
nach vorne dargestellt. Das rechte Bein ist fast gerade nach hinten gestellt. Diese auffällige
Körperhaltung erlaubt es, auch stark fragmentierte Teile als Aristogeiton zu identifizieren.
Dem antiken Betrachter war es alleine schon aufgrund des Körperschemas möglich, die
Tyrannenmörder zu erkennen.
Harmodios kämpft todesmutig mit erhobenem Schwert, sein sofortiger Tod nach dem
Mord ist schon vorhersehbar, da er seien Körper nicht schützt. Aristogeiton kämpft anders.
Sein Schwert ist tief geführt, für einen Stich in den Unterleib- Brustbereich.
Aristogeiton im Museo Capitolino Rom, Inv. Nr. 2404 und der Kopf Mus.
Vaticano, Inv. 906 Der Torso wurde 1938 bei Ausgrabungen nahe von San Omobono in Rom gefunden. Der
Kopf fand sich im Vatikan, Inv. 906.
Torso und Kopf passen bruchgenau aufeinander. Seit 1957 sind sie miteinander vereint.
Dieser Kopf gibt uns einen recht gute Information über das Gesicht, obwohl der Kopf recht
stark an der Oberfläche beschädigt ist.
Beim Kopf entsteht ein etwas eigentümlicher Eindruck, weil die Bearbeitung von Bart und
Kopfhaar verschieden ist. Der Bart ist in teigigen Strähnen gearbeitet und in feinere
Strähnen unterteilt. Er endet in gekräuselten Locken. Die Haare sind kappenartig und die
Strähnen sind nur angedeutet. Sie wirken rückständiger.
Harmodios im Nationalmuseum Neapel, Inv. 6009 Der Kopf und der Körper sind in einem Stück erhalten. Der Kopf ist bemerkenswert gut
erhalten. Die Oberfläche der Statue kaum beschädigt. Ein Band das von der Schulter zur
Hüfte läuft, und wohl von einem Schwertband verdeckt war, zeigt sogar die Originalfarbe
des Marmors.
Bei Harmodios sind beide Arme und das rechte Bein unterhalb des Oberschenkelansatzes
und das linke Bein unterhalb des Knies ergänzt. Harmodios ist ebenfalls nackt dargestellt.
Im Gesamtaufbau ist er dem Aristogeiton ähnlich, nur spiegelverkehrt. Auch er blickt nach
vorne.
In der rechten Hand hält er ein Schwert, welches er über den Kopf bis fast zum rechten
Ohr hält.
Bei der Replik Neapel ist der Arm zuwenig gebogen dargestellt. Der linke Arm ist nach
hinten ausgestreckt, die Handfläche offen dargestellt. Auch Harmodios ist in einem
Ausfallschritt dargestellt, allerdings weniger stark als Aristogeiton und wieder
spiegelverkehrt. Das rechte Bein ist vorgestellt. Auch Harmodios wirkt blockhaft. Der Kopf
ist sorgfältig gearbeitet. Die Schneckenlockenfrisur erinnert aber stark an die Zeit der
Archaik. Auch die Schamhaare von Harmodios sind noch der Archaik verbunden.
Harmodios wirkt noch altmodischer, erinnert mehr an eine Kurosstatue. So sind die Augen
scharf begrenzt und beim Mund kann man einen leichten Anflug eines Lächelns entdecken.
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Bei beiden Statuen kann eine Vereinfachung der Darstellung von Brustwarzen und
Bauchnabel festgestellt werden, beide werden einfach mit einem Kreis dargestellt. Jedoch
ist die Muskulatur bei beiden recht sorgfältig und fein dargestellt. Auch Adern und Sehnen
werden sehr naturgetreu wiedergegeben.
Es gibt noch etliche weitere Repliken, meist Fragmente. Sie bringen jedoch kaum neue
Erkenntnisse, sie stützen nur das richtige Aussehen der Neapeler Kopien. Der Bart des
Aristogeiton ist bei der Kopie Museo Capitolino Inv. 2312 noch teigiger dargestellt.
Die besterhaltene Kopfreplik des Aristogeitonkopfes ist in Madrid, Prado Inv. Nr. 78E. Der
Kopf gehört zu einer Herme. Hier kann man die doch wenig individuell wirkenden
Gesichtszüge gut beobachten. Mit einem wirklichkeitsgetreuen Portrait hat Aristogeiton
wenig zu tun.
Der Kopf in Madrid gilt als stark vom Original abweichend. Insbesondere die Barthaare,
die nur rudimentär dem Vorbild nachempfunden sind.
Die Kopfrepliken von Harmodios verstärken den Eindruck, dass Harmodios weniger
entwickelt ist. Ohne den Körper erinnern die Köpfe im Metropolitan Museum New York,
Inv 26.60.1 und der Kopf im Museo Nazionale in Rom, Inv. Nr. 80722 stark an die Archaik.
Harmodios und Aristogeiton durchbrechen, gemäss ihrem Ausfallschritt, die Grenze
zwischen Archaik und Strengem Stil. Auch ohne historische Datierung müssten sie aus rein
stilistischen Gründen nur wenig nach 480 v. Chr. datiert werden.
Die Gipsabgüsse von Baiae 1954 wurden von Professor Mario Napoli in einem Kellergewölbe der Sosandrathermen in
Baiae etliche Gipsfragmente gefunden. Die Fragmente waren Abgüsse von griechischen
Bronzeoriginalen. Darunter waren auch einige Fragmente die sicher den
Tyrannenmördern zugewiesen werden konnten.
Das wichtigste Fragment ist das Gesicht von Aristogeiton. Es ist 21,6 cm hoch. Es handelt
sich um einen Feingips, der mit Grobgips verstärkt ist. Die Oberfläche ist etwas
angegriffen. Die Oberlippe ist leicht verrieben. Um Hinterschneidungen beim Abguss zu
vermeiden, wurden die Lockenkringel am Bartende gefüllt, und die Wimpern überzogen.
Mit diesem Abguss können wir uns dem Aussehen des Originals nähern.
Der Bart ist in feinen Locken aufgereiht. In der oberen Reihe liegen hakenförmige Locken.
Die darunterliegenden Bartlocken sind weich und gerundet modelliert. Sie liegen dicht
neben und übereinander. Die Locken sind fein ziseliert. Diese Feinarbeit ist mit grösster
Sorgfalt durchgeführt worden. Der Schnurrbart ist fein geschwungen und läuft in einem
feinen Schwung aus. Aristogeiton hat recht kräftige und volle Wangen. Dadurch wirkt er
jünger als auf Marmorkopien, insbesondere beim Kopffragment aus Rom.
Die Nase ist recht kurz und einfach. Die Augenbrauen sind stark gewölbt und gehen bis
zum Aussenwinkel des Auges hinab. Die Augen sind markant vom Gesicht abgesetzt, was
allerdings auch von der Abgusstechnik her bedingt ist.
Die feinen Bronzewimpern wurden mit Wachs überzogen, um sie nicht zu beschädigen.
Aber auch die Marmorkopien zeigen scharf geschnittene Augenlider. Das Auge hat einen
wenig ausgebildeten Tränenkanal.
Was bei den Kopien auffällt ist ein Unterschied bei der Gestaltung des Augenlids.
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Alle Kopien haben einen deutlich erkennbaren Tränenkanal. Der Gips aus Baiae hat diesen
nicht. Auch das Oberlid, das bei den Kopien das Unterlid überschneidet ist beim Gips nicht
so gestaltet.
Bei den Kopien in Marmor ist eine Form der Lidbildung gewählt die mit klassischen
Werken zu vergleichen ist. Die starke Vorwölbung des Auges ist jedoch archaisch.
Die Repliken vermischen also alte und neue Elemente recht frei.
Die anderen Gipsfragmente aus Baiae stellen einzelne Partien des Mantels und der Körper
dar. Das Fragment des Mantels von Aristogeiton unterscheidet sich von den Kopien wenig.
Die Neapeler Kopie hat aber eine abwechslungsreichere Kurfung und die Falten sind
kräftiger aufgeworfen. Statt einer gleichmässigen, ruhigen Führung ist bei der Kopie eine
Bewegung hineingebracht.
Auch hier werden also von den Kopisten neue Elemente hineingetragen, die nicht
vorgesehen waren.
Wie weit sind die Kopien vom Original entfernt?
Am weitesten entfernt ist die Herme in Madrid. Aristogeiton wirkt jugendlicher und die
Detailgestaltung lassen ihn als Chronologisch jünger erscheinen.
Wie ähnlich sind die Marmorkopien nun dem Original?
Der Statuenkopf im Rom, Konservatorenpalast Inv. 2404, hat ein sehr ähnliches
Lockenschema, auch die Wagen sind recht voll. Der Statuenkopf ist auf eine
Übersteigerung hin gearbeitet. Der Kopf wird dadurch sehr plastisch und lebendig. Er
schiesst quasi über das Original hinaus was die Plastizität betrifft. Sture Brunsaker
bezeichnet den Statuenkopf als die getreueste Wiedergabe. Ich persönlich stimme dem bei.
Das Kopffragment in Rom, Kapitolinisches Museum, Inv. 2312 ist summarischer. Die
Locken sind teigiger und im unteren Bereich als kompakte Masse mit gebohrten Locken
gearbeitet.
Das Kopffragment gibt die altertümliche, stilisierte Bearbeitung recht genau wieder. Es
fehlt jedoch eine Präzise Ausarbeitung und die flacheren Wangen machen Aristogeiton
älter. Das Kopffragment wirkt weniger plastisch und es fehlt an Leben. Christa Landwehr
hält diesen Kopf für den getreuesten.
Die Herme in Madrid ist frei nach dem Original gearbeitet und nur in der Anlage der
Locken ähnlich. Der Schnurrbart scheint sich aber recht genau am Original zu orientieren.
So lassen sich auch die doch recht unterschiedlichen Repliken erklären. Die speziell
betonte Darstellung einzelner, ausgewählter Merkmale vom Original bewirken diese
ausgeprägte Divergenz. Es kann jedoch kaum ein Zweifel bestehen, dass alle Repliken und
der Gipsabguss auf dasselbe Originalwerk zurückgehen. Theorien, dass der Statuenkopf
oder der Gipsabguss von Baiae zum Werk von Antenor gehören, sind nicht überzeugend.
Gewiss scheint: Die Tyrannenmörder von Kritios und Nesiotes waren ein höchst
qualitätsvolles Werk.
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Das Rätsel der beiden Gruppen Die Tyrannenmördergruppe wurde zweimal erschaffen. Die erste Gruppe von Antenor, die
zweite von Kritios und Nesiotes.
Die erste Gruppe wurde 480 v. Chr. von Xerxes nach Persien verschleppt. Die Zweite
wurde als Ersatz im Jahr 477/76 v.Chr. als Ersatz geschaffen.
Später, in hellenistischer Zeit standen wieder beide Gruppen in Athen nebeneinander auf
der Agora. Die Tyrannenherrschaft endete 510 v. Chr. Daraus folgt, dass die Antenor-
Gruppe zwischen 510 und 480 v. Chr. entstanden sein muss. Dies sind die sicheren Fakten.
Nun zu den Fragen:
Sind uns die Repliken der ersten oder der zweiten oder von beiden Gruppen überliefert?
Sah die erste Gruppe wie die Zweite aus? Wann ist die Erste zu datieren?
Die Frühdatierung Für die Frühdatierung der Antenor- Gruppe in die Zeit um 510 v. Chr. sprechen folgende
Indizien:
Plinius - Historia naturalis, 34, 17 – schreibt, die Gruppe soll im dem Jahr aufgestellt
worden sein, als in Rom die Könige vertrieben wurden. Das war 510 v. Chr.
Das Datum wurde lange nicht angezweifelt, obwohl es immer Gegenstimmen gab. Damit
war die erste Gruppe archaisch und wohl noch stärker dem Schema des Kuros verpflichtet.
In diesem Fall wäre uns nur die zweite Gruppe überliefert.
Bereits auf schwarzfigurigen Vasen treten die Tyrannenmörder auf. Das ist ein gewichtiges
Argument, da die Vasen recht gut datierbar sind. Das Argument hat allerdings einen
Haken.
Die schwarzfigurige Lekythos des Emporion – Malers gehört zu den spätesten
schwarzfigurigen Vasen, die um 490 bis auf 480 v. Chr. herunter datiert werden können.
Stellt sie nun die erste Gruppe des Antenor dar oder schon die Ersatzgruppe von 477 /76
v. Chr. ? Der zeitliche Abstand ist schon so nah, dass es kritisch wird. Je nach dem ob man
die Lekythos 480, 490 v. Chr. datiert erhält man ein anderes mögliches Ergebnis. Wird
vorgeschlagene extreme Frühdatierung 510 – 500 v. Chr. verwendet¸ ist die erste Gruppe
dargestellt.
Für die Frühdatierungstheorie spricht wohl die Annahme, dass eine neue Staatsform, die
ihre Helden braucht, schnell Statuen erschafft.
Die Spätdatierung Die Gegentheorie von Raubitschek und Moggi:
Die Basis der Agora wird von Raubbischek in die Zeit um 490 v. Chr. datiert. Daher müsse
sie zur ersten Gruppe gehören und diese folglich auch aus dieser Zeit sein.
Moggi kam zum Schluss, dass die Tyrannenmörder erst nach der Schlacht von Marathon
um 487 v. Chr. aufgestellt wurde.
Bei dieser Gegentheorie ist die Zugehörigkeit der ersten Gruppe zur Archaik nicht mehr
ganz sicher, und die Repliken könnten dann auch von der ersten Gruppe sein.
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Nur Langlotz vertrat die Meinung, dass der Aristogeitonkopf im Kapitolinischen Museum
zu altertümlich sei, und zur Antenorgruppe aus dem von Raubitschek vorgeschlagen
Datum 490 v. Chr. gehören müsse.
Archäologen bevorzugen eher die Frühdatierung, die Historiker tendieren eher zur
Spätdatierung, weil sie das Pliniuszitat gerne als Metapher sehen. Wollte Plinius eine
Verbindung von Tyrannenmord und Königsvertreibung herstellen ?
Das Aussehen der beiden Gruppen Auch in der Frage, wie die erste Gruppe aussah oder ob sich die Gruppen ähnlich sahen
gibt es stark abweichende Antworten in der Forschung.
Umstritten ist die Abhängigkeit der jüngeren von der älteren Gruppe. Erschufen Kritios
und Nesiotes die Tyrannenmörder als möglichst getreue Nachbildung des Antenorwerkes
oder übernahmen sie zwar die Komposition und gestalteten die Figuren neu ? Oder sah
das Werk von Antenor ganz anders aus und Kritios und Nesiotes erschufen etwas
vollkommen Neues ?
Herr Hafner vertritt die Ansicht, dass die jüngere Gruppe sich grundsätzlich von der
Älteren unterschieden habe.
Dafür spricht die Darstellung des Ex – Kopenhagenmalers (heute Syriskos – Maler) auf
einen Stamnos in Würzberg. Die Tyrannenmörder sind anders dargestellt. Auch
Hipparchos wird abgebildet. Der Stamnos gehört in die Zeit um 470 v.Chr. Erinnerte sich
der Maler an die Erste Gruppe, kopiert er die zweite oder erfindet er etwas
Eigenständiges?
Herr Suter hingegen kommt zu dem Ergebnis, dass die ältere Gruppe dasselbe
Kampfschema gehabt haben muss. Er greift auf Vasenbilder und Reliefs zurück die schon
Vorgängermotive des Harmodios-Kampfschemas zeigen. Um 510 v. Chr., also beim
Zeitpunkt der Frühdatierung ist das Motiv voll entwickelt. Als Vorbild muss daher die
Antenorgruppe gedient haben.
Es gibt schon schwarzfigurige Gefässe, welche die Tyrannenmörder zeigen. Das Motiv der
Schildlosigkeit, das heisst, ein Kämpfer, der sich mutig auf den Feind stürzt und dabei
ungeschützt den Tod in Kauf nimmt, ist ein Motiv, das es laut Suter seit 560 v. Chr. gebe.
Es gibt tatsächlich Darstellungen der Tyrannenmörder, die zweifelsohne auf die Erste
Gruppe zurückgehen müssen. Eine schwarzfigurige Lekythos des Emporion – Malers (ABV
584f und Haspels ABL Tf 48,4) zeigt die Tyrannenmörder. Die beiden sind in ihrer
typischen Körperhaltung eindeutig als die Tyrannenmörder zu erkennen. Die Lekythos
wird von einigen Forschern in die Zeit 510 – 500 v. Chr. datiert. Damit kann die
Darstellung nur auf die Antenor-Gruppe zurückgreifen, die ebenfalls in diesen Zeitraum
entstanden sein muss. Somit ist gesichert, dass die erste Gruppe sich nur in Details von der
Ersatzgruppe unterschied.
Die Antenorgruppe hatte das gleiche Schema. Wie sonst konnte der Betrachter die beiden
sicher als die Tyrannenmörder erkennen? Das Schema ist von der Konzeption her schon
alt, wurde aber von Antenor dramatisch gesteigert und bekam nun eine politische
Bedeutung, das Motiv wurde zum Tyrannentöten - Motiv.
Der Vergleich mit den Vasenbildern dieser frühen Zeit ergibt ein widersprüchliches Bild.
Wir wissen also nicht mit Sicherheit wie die Erste Gruppe aussah. Dass uns mit den
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Repliken die zweite Gruppe überliefert ist, scheint recht sicher. Die Merkmale des
Strengen Stils sind schon recht deutlich. Werden die Tyrannenmörder aber als Werk des
Antenor bezeichnet, unwesentlich, ob 490 oder 510 v. Chr. datiert, verschiebt sich die
Erfindung der neuen Kunstform Strenger Stil und Entwicklung des Kontapost zeitlich nach
oben. Die Tyrannenmörder haben dann aber kein wirkliches Vergleichsstück mehr.
Wie die Erste Gruppe aussah, können wir ebenfalls nicht sicher bestimmen. Irgendwie
musste der antike Betrachter sie ja schon als Tyrannenmörder erkennen...
Tatsache ist auf jeden Fall: Seit 470 v.Chr. gibt es viele Nachbildungen der
Tyrannenmördergruppe. Auf Münzen, Vasenbildern und den römischen Kopien erscheinen
sie immer wieder. Und sie haben immer dasselbe Kompositionsschema. Es ist davon
auszugehen, dass die Nachbildungen der klassischen Zeit auf die zweite Gruppe
zurückgeht, da nur diese zur Verfügung stand. In hellenistischer und römischer Zeit
standen beide Gruppen zur Verfügung. Die Wissenschaft geht davon aus, dass die
römischen Kopien auf die Ersatzgruppe zurückgehen.
Die Erste Gruppe scheint wirklich kurz nach 510 v.Chr. entstanden zu sein. Die Zweite
Gruppe von Kritios und Nesiotes scheint eine Ersatzgruppe zu sein. Sie war gleich im
Motiv, brachte eventuell aber Neuerungen in den Details, die dem neuen Strengen Stil
entsprachen. In Klassischer Zeit konnte nur die Zweite Gruppe kopiert werden und als
Vorbild für Darstellungen dienen.
Warum aber in Römischer Zeit offenbar nur die Gruppe des Strengen Stils kopiert wurde
ist unklar.
Einordnung der Tyrannenmörder in den Strengen Stil Die Tyrannenmörder stehen mit ihrer Datierung um 477/6 v. Chr. am Anfang des Strengen
Stils. Da sie fest datiert sind, können sie als Anknüpfpunkt für die relative Chronologie
dienen.
Bei den Tyrannenmördern mischen sich neue Elemente, wie die naturalistischen Muskeln
und Sehen, mit altmodischeren, wie der Schneckenlocken des Harmodios.
Ich möchte hier nun dem Harmodios und Aristogeiton einigen Werke des Strengen Stils
gegenüberstellen.
Von Antenor scheint uns eine Kolossalkore von der Akropolis überliefert zu sein. Sie ist
vom Töpfer Nearchos gestiftet und von Antenor signiert. Datiert wird sie um 530 – 520 v.
Chr. Es gibt auch Datierungsvorschläge, welche die Kore 520 – 515 v.Chr. datieren, also
schon nahe an die Frühdatierung der Tyrannenmörder.
Sie ist sehr qualitätsvoll und hat Bergkristallaugen. Die plastische Bearbeitung und das
Gewand sind für die Zeit sehr fortschrittlich, der Körper selbst wirkt etwas steif. Sie ist
noch rein Archaisch. Die hohe Qualität spricht aber für die Fähigkeiten des Künstlers.
Die Haarlocken sind Schneckenlocken, die denen von Harmodios recht genau gleichen.
Auch der Aufbau des Kopfes von Harmodios und der Antenor-Kore sind recht ähnlich.
Harmodios ist aber klar entwickelter. Der Kritiosknabe muss aus chronologischen Gründen vor die Tyrannenmörder von Kritios
und Nesiotes gestellt werden, da er aus dem Perserschutt stammt. Also muss er kurz vor
480 v. Chr. geschaffen worden sein. Seine Frisur, deren Locken um ein Stirnband
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gewickelt sind, gehört schon zum Strengen Stil. Die Art wie die Frisur gearbeitet ist, lässt
auf einen Bildhauer schliessen, der wohl auch in Bronze arbeitete.
Der Körperbau des Harmodios ist muskulöser und mehr nach dem Strengen Stil.
Der Kritiosknabe hat wenig Muskeln und einen feineren Körperbau. Bei Harmodios ist der
athletische Körperbau auffallend ausgeprägt.
Der Aufbau und Ausdruck des Gesichtes des Harmodios und dem des Knaben ist doch
recht nahestehend.
Die Frisur von Harmodios ist dagegen stark Archaisch, muss aber später, angefertigt
worden sein. Es gibt in dieser Zeit um 480 v. Chr. allerdings diese altmodisch wirkende
Frisur noch. Ansonsten sind sich die beiden recht ähnlich. Der Kritiosknabe wirkt aber
moderner, denn Harmodios hat noch ein leichtes archaisches Lächeln. Dass sich der
Kritosknabe und die Tyrannenmörder nahestehen, ist schon durch die Zuweisung des
Kritiosknaben zumindest stilistisch in die Nähe der Künstler Kritios und Nesiotes
naheliegend.
Daher ist die altmodische Frisur des Harmodios möglicherweise als ein bewusster
Rückgriff auf die erste Gruppe des Antenor zu verstehen. Der Wagenlenker von Delphi, der 478 oder 474 datiert wird, scheint im mancher Hinsicht
weiter entwickelt als Harmodios, die Falten seines langen Gewandes gleichen in ihrer
teigigen Ausführung dem Mantel des Aristogeiton. Das Gesicht des Wagenlenkers scheint
aber entwickelter als Harmodios. Besonders die Frisur wirkt moderner. Der Vergleich
einer Bronzestatue mit einer Marmorkopie ist schwierig. Der Gipsabguss von Baiae, zeigt
bei Aristogeiton, wie fein die Details waren. Solche feine Kaltarbeit ist auch für Harmodios
anzunehmen.
Aristogeiton ist in seiner Entwicklung dem Wagenlenker näher.
Die Bewegung und die Darstellung des Körpers sind beim Wagenlenker unterschiedlich. Er
ist wenig bewegt, erinnert an eine Säule.
Ein Vergleich mit dem bewegten Kampfschema der Tyrannenmörder scheint mir nicht
angebracht, da der Wagenlenker einfach eine andere Aussage und Inszenierungsart hat.
Ein vergleichbares Auseinanderdriften von moderneren und altmodischen Elementen
finden wir noch stärker beim Jüngling von Mozia. Er wird um 470 v. Chr. datiert. Der Kopf
könnte der „Bruder“ von Harmodios sein. Auch hier hat der Künstler auf ein schon älteres
Schema zurückgegriffen. Der Körper des Jünglings ist viel weiter entwickelt. ( Der Körper
ohne anpassenden und zusammen gefunden Kopf würde wohl um 460 – 450 v. Chr.
herunterdatiert. Der Kopf alleine eher um 480 v. Chr.) Davon ist aber im nächsten Referat
die Rede.
Bei der Ersatzgruppe könnte also besonders mit Harmodios die erste Gruppe zitiert
werden. Wohingegen Aristogeiton klarer die neue Kunstform vertritt.
Ein solches Vermischen von Archaischem und typisch Strengen Stil finden wir in der Zeit
zwischen 480 und 470 v. Chr. also öfters. In dieser Zeit wird der Strenge Stil gerade erst
ausformuliert. Und die Künstler greifen auch bewusst auf die alte Zeit zurück. Bei den
Tyrannenmördern, die ja eine verlorene Gruppe ersetzen sollten, ist dies besonders
deutlich und auch verständlich.
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Zusammenfassung Die Statuengruppe der Tyrannenmörder wurde von den Bildhauern Kritios und Nesiotes
474 v. Chr. geschaffen. Sie ersetzte die von den Persern entführte erste
Tyrannenmördergruppe, welche kurz nach 510 v. Chr. von Antenor gefertigt. Es gibt auch
Vorschläge für eine Datierung um 490 v. Chr.
Die Gruppe ist uns in mehreren römischen Kopien und einen antiken Gipsabguss
überliefert. Daraus ergibt sich für die Forschung die Frage, ob die Repliken auf die Erste
oder die Zweite Gruppe zurückgehen und ob sich die Gruppen ähnlich waren. Eine genaue
Betrachtung der Repliken führt zu Schluss, dass alle Repliken auf eine Gruppe
zurückzugehen scheinen. Ob es sich um die Erste oder um die Zweite handelt ist nicht so
sicher. Die Merkmale des Strengen Stils deuten aber eher darauf, dass uns die
Ersatzgruppe überliefert wurde. Wie die erste Gruppe des Antenor aussah wissen wir
nicht. Die Ersatzgruppe greift wohl aber bewusst auf die Erste zurück. So lassen sich die
sehr altmodischen Elemente plausibel erklären, die im Widerspruch zu den modernen
stehen. Harmodios ist noch stark dem Kuros der archaischen Zeit verpflichtet. Aristogeiton
aber vertritt die neue Kunstform.
Der Strenge Stil wird gerade ausformuliert. Für diese Frühe Phase scheinen einerseits
Augen ohne richtigen Tränenkanal, sehr massige Kinnpartien und eher kurze Nasen
kennzeichnend zu sein. Muskeln und Sehen werden schon recht stark betont.
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Bibliographie:
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