Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

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H. Herausger/H. Herausgeber (Hrsg.), Titel der Publikation. Festschrift für Karl Schmotz. Internationale Archäologie – Studia honoraria ## (Rahden/Westf. 2013) ##–##. Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie Martin Nadler (Archäologie) Michael Schultz – Edith Oplesch – Jan Nováček (Anthropologie und Paläopathologie) Archäologie (Martin Nadler) Unter den zahlreichen „Heftln“, die der Jubilar im Laufe seiner Dienstzeit bearbeitet und herausgege- ben hat, gehörten schon sehr früh auch Zusammen- stellungen einer seinerzeit noch ungewöhnlichen und rätselhaften Denkmälergruppe, nämlich der in (offen- sichtlich) aufgelassenen Siedlungsgruben niederge- legten oder entsorgten Verstorbenen oder Skeletreste der Münchshöfener Kultur (Böhm/Schmotz 1991; Böhm 1998). Seither sind praktisch jährlich weitere derartige menschliche Überreste hinzugekommen, die es erlauben, auf einer Basis von mittlerweile weit über 50 Fundstellen mit über 120 Skeleten dahinter doch eine Art regelhafter Praxis zu erkennen. Auch über diesen Stand der Forschung ließ Karl Schmotz beim Niederbayerischen Archäologentag berichten (Meixner 2009; zuletzt Husty 2011, 140–145; dazu als Neufund: Weinig 2012). Bestattungen mit und ohne Beigaben in Silo- oder anderen Siedlungsgruben sind aber durch- aus nicht auf den Bereich der Münchshöfener Kultur beschränkt. Ausgangspunkt für die nachfolgenden Über- legungen ist eine Bestattung, die im Spätherbst 2005 bei den großflächigen Ausgrabungen am Rand der Donauhochterrasse im Regensburger Stadtteil Burg- weinting ans Tageslicht kam 1 . Befund Im Bereich eines mehr als 8 ha Hektar großen Gewerbegebietes am südlichen Stadtrand von Regens- burg (Abb. 1) fanden mehrjährige Ausgrabungen statt, die eine außerordentliche Befunddichte erbrach- ten und die nahezu lückenlose intensive Besiedlung dieses Areals zwischen Jungneolithikum und älterer Latènezeit belegen (Kirpal 2008; Zuber 2010). Auf der weiten Lößterrasse im Vorfeld des tertiären Hügel- landes wurden insgesamt bislang mehr als 70 ha Fläche zusammenhängend ergraben. Es ist damit die vermutlich größte zusammenhängend archäologisch untersuchte Fläche in Bayern und bietet optimale Voraussetzungen für die Erarbeitung einer regionalen Siedlungsgeschichte und –entwicklung. Neben dichtem Siedlungsbefund unterschiedlicher Epochen und Gräbern der Urnenfelder- und Hallstatt- zeit wurde nahe dem westlichen Rand der untersuchten Fläche (Abb. 2) auch ein Grab der Michelsberger Kultur freigelegt, das innerhalb der Grabungsdoku- mentation als Befund-Nr. 3578 geführt wird (Kirpal/ Nadler 2006; Kirpal 2008, 33–34 ). Jungneolithische Befunde und Fundansammlungen fanden sich nur in sehr lockerer Streuung und wurden durch die metall- zeitliche Nutzung gestört (Kirpal 2008, 35). Da sich beim derzeitigen Auswertungsstand ein unmittelbarer Bezug zu dem Grabfund offensichtlich in keinem Fall herstellen lässt, können sie im Folgenden außer Betracht bleiben. Der Befund 3578 wird als mit dunkel-humosem, stark sandigem Lehm mit 40–50% Kiesanteil verfüllte, rundliche Grube von knapp 2 m Durchmesser und etwa 80 cm Tiefe beschrieben 2 , die in den anstehenden, schwach-lehmigen, rot/orangebraunen Sand mit 20–40% Kiesanteil eingetieft war. Sie zeigte nach Anlage des Querprofils keinerlei Besonderheiten, wes- halb sie als ‚normale‘ Siedlungsgrube angesehen wurde. Deshalb erfolgte das weitere Ausnehmen der Gruben- füllung, wie es der auf den Rettungsgrabungen lastende Zeit- und Personaldruck häufig mit sich bringt, auch mit etwas schwererem Gerät, was offensichtlich zu den Beschädigungen im Beinbereich des unerwartet auftauchenden Skeletes und an den Beigabengefäßen führte (Abb. 3–4). Auch das Fehlen weiterer kleiner Skeletteile (vgl. Beitrag Schultz u. a. Abb. 13) kann hierin seine Ursachen haben. Fragile Knochenpartien (Wirbel, Becken, Schulterblätter) konnten offensicht- lich nur unvollständig geborgen werden. Die Bestattung lag im nordwestlichen Quadranten der Grube, die zum Zeitpunkt der Niederlegung 1 Ich danke Kollegin S. Codreanu-Windauer für die Möglichkeit, den Befund an dieser Stelle vorlegen zu können sowie U. Kirpal und M. Hilgart (Fa. Archaios) für Informationen und die Über- lassung von Abbildungsvorlagen, ferner P. Zirngibl und W Höl- lerer (BLfD Regensburg) für die Bereitstellung von Unterlagen und Auszügen aus der Grabungsdokumentation. 2 Der Beschreibung liegt der Grabungsbericht der Fa. Archaios GmbH, Grabungsleitung U. Kirpal, zugrunde.

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H. Herausger/H. Herausgeber (Hrsg.), Titel der Publikation. Festschrift für Karl Schmotz. Internationale Archäologie – Studia honoraria ## (Rahden/Westf. 2013) ##–##.

Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

Martin Nadler (Archäologie) Michael Schultz – Edith Oplesch – Jan Nováček (Anthropologie und Paläopathologie)

Archäologie(Martin Nadler)

Unter den zahlreichen „Heftln“, die der Jubilar im Laufe seiner Dienstzeit bearbeitet und herausgege-ben hat, gehörten schon sehr früh auch Zusammen-stellungen einer seinerzeit noch ungewöhnlichen und rätselhaften Denkmälergruppe, nämlich der in (offen-sichtlich) aufgelassenen Siedlungsgruben niederge-legten oder entsorgten Verstorbenen oder Skeletreste der Münchshöfener Kultur (Böhm/Schmotz 1991; Böhm 1998). Seither sind praktisch jährlich weitere derartige menschliche Überreste hinzugekommen, die es erlauben, auf einer Basis von mittlerweile weit über 50 Fundstellen mit über 120 Skeleten dahinter doch eine Art regelhafter Praxis zu erkennen. Auch über diesen Stand der Forschung ließ Karl Schmotz beim Niederbayerischen Archäologentag berichten (Meixner 2009; zuletzt Husty 2011, 140–145; dazu als Neufund: Weinig 2012). Bestattungen mit und ohne Beigaben in Silo- oder anderen Siedlungsgruben sind aber durch-aus nicht auf den Bereich der Münchshöfener Kultur beschränkt.

Ausgangspunkt für die nachfolgenden Über-legungen ist eine Bestattung, die im Spätherbst 2005 bei den großflächigen Ausgrabungen am Rand der Donauhochterrasse im Regensburger Stadtteil Burg-weinting ans Tageslicht kam1.

Befund

Im Bereich eines mehr als 8 ha Hektar großen Ge werbegebietes am südlichen Stadtrand von Regens-burg (Abb. 1) fanden mehrjährige Ausgrabungen statt, die eine außerordentliche Befunddichte erbrach-ten und die nahezu lückenlose intensive Besiedlung dieses Areals zwischen Jungneolithikum und älterer Latènezeit be legen (Kirpal 2008; Zuber 2010). Auf

der weiten Lößterrasse im Vorfeld des tertiären Hügel-landes wurden insgesamt bislang mehr als 70 ha Fläche zusammenhängend ergraben. Es ist damit die ver mutlich größte zusammenhängend archäologisch untersuchte Fläche in Bayern und bietet optimale Voraussetzungen für die Erarbeitung einer regionalen Siedlungsgeschichte und –entwicklung.

Neben dichtem Siedlungsbefund unterschiedlicher Epochen und Gräbern der Urnenfelder- und Hallstatt-zeit wurde nahe dem westlichen Rand der untersuchten Fläche (Abb. 2) auch ein Grab der Michels berger Kultur freigelegt, das innerhalb der Grabungsdoku-mentation als Befund-Nr. 3578 geführt wird (Kirpal/Nadler 2006; Kirpal 2008, 33–34 ). Jungneo lithische Befunde und Fundansammlungen fanden sich nur in sehr lockerer Streuung und wurden durch die metall-zeitliche Nutzung gestört (Kirpal 2008, 35). Da sich beim derzeitigen Auswertungsstand ein unmittelbarer Bezug zu dem Grabfund offensichtlich in keinem Fall herstellen lässt, können sie im Folgenden außer Betracht bleiben.

Der Befund 3578 wird als mit dunkel-humosem, stark sandigem Lehm mit 40–50% Kiesanteil verfüllte, rundliche Grube von knapp 2 m Durch messer und etwa 80 cm Tiefe beschrieben2, die in den an stehenden, schwach-lehmigen, rot/orangebraunen Sand mit 20–40% Kiesanteil eingetieft war. Sie zeigte nach Anlage des Querprofils keinerlei Besonderheiten, wes-halb sie als ‚normale‘ Siedlungsgrube angesehen wurde. Deshalb erfolgte das weitere Ausnehmen der Gruben-füllung, wie es der auf den Rettungsgrabungen lastende Zeit- und Personaldruck häufig mit sich bringt, auch mit etwas schwererem Gerät, was offensichtlich zu den Beschädigungen im Beinbereich des unerwartet auftauchenden Skeletes und an den Beigabengefäßen führte (Abb. 3–4). Auch das Fehlen weiterer kleiner Skeletteile (vgl. Beitrag Schultz u. a. Abb. 13) kann hierin seine Ursachen haben. Fragile Knochenpartien (Wirbel, Becken, Schulterblätter) konnten offensicht-lich nur unvollständig geborgen werden.

Die Bestattung lag im nordwestlichen Quadranten der Grube, die zum Zeitpunkt der Niederlegung

1 Ich danke Kollegin S. Codreanu-Windauer für die Möglichkeit, den Befund an dieser Stelle vorlegen zu können sowie U. Kirpal und M. Hilgart (Fa. Archaios) für Informationen und die Über-lassung von Abbildungsvorlagen, ferner P. Zirngibl und W Höl-lerer (BLfD Regensburg) für die Bereitstellung von Unterlagen und Auszügen aus der Grabungsdokumentation.

2 Der Beschreibung liegt der Grabungsbericht der Fa. Archaios GmbH, Grabungsleitung U. Kirpal, zugrunde.

2 Martin Nadler – Michael Schultz– Edith Oplesch – Jan Nováček

Abb. 1: Regensburg-Burgweinting. Lage der Grabungsfläche „Rathenaustraße“ (rote Fläche) am Rande der Donau-Südterrasse (Vorlage: Fa. ARCHAIOS; Bearbeitung: N. Bößl).

bereits etwa 40–50 cm hoch wieder verfüllt war, an den Grubenrand angelehnt in rechter Hockerlage mit dem Kopf in Richtung Westen weisend. Der Blick ging also nach Süden. Die Arme waren eng an den Oberkörper angezogen, auch die Beine waren, soweit noch feststell-bar, ursprünglich stark angehockt.

In etwas erhöhter Position rund um den Kopf und Oberkörper befanden sich fünf Beigabengefäße (Abb. 7): je ein großer unverzierter Becher vor der Stirn und hinter den Schultern und eine Schale, in der ein Schöpfgefäß und eine Tasse standen, über dem Hinterkopf (Abb. 5). Im Zentrum der Grube, vor den Unterschenkeln, lag noch das Bruchstück eines großen Mahlsteins, der auf einem etwas tieferen Niveau auflag (Abb. 3–6). Über die Situation im Beinbereich ist wegen der geschilderten Umstände der Freilegung

keine Angabe möglich; zu den wenigen Funden aus der zuerst abgegrabenen Grubenhälfte gibt es keine nähe-ren Lageangaben.

Fundkatalog:

Aus der Grube „Objekt 3578“ liegen demnach insge-samt folgende Funde vor (zur Lage der Gefäße 1–5 und des Mahlsteins s. Abb. 5).

Gefäß 1 (Abb. 8,1):Tulpenbecher; Höhe: 17,3 cm; mittlerer Randdurch-messer: 17,3 cm. Vollständig erhalten, (durch Erddruck oder von Haus aus etwas oval verzogen, hart gebrannt; Farbe außen: mittel- bis dunkelbraun geflammt;

3Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

Abb. 2: Regensburg-Burgweinting, Rathenaustraße, Lage des Befundes 3578 (roter Stern) im Grabungsareal (Vorlage: Fa. ARCHAIOS; Bearbeitung: N. Bößl).

Abb. 3: Regensburg-Burgweinting, Rathenaustraße 2005, Befund 3578; Ansicht von Osten (Foto: Fa. ARCHAIOS).

Abb. 4: Regensburg-Burgweinting, Rathenaustraße 2005, Befund 3578; Ansicht von Osten (Foto: Fa. ARCHAIOS).

4 Martin Nadler – Michael Schultz– Edith Oplesch – Jan Nováček

Abb. 5: Regensburg-Burgweinting, Rathenaustraße 2005, Befund 3578; Planum und Profil, M 1:20 (Vorlage: Fa. ARCHA-IOS; Bearbeitung: N. Bößl).

Abb. 6: Regensburg-Burgweinting, Rathenaustraße 2005, Befund 3578; Veranschaulichung der Fundniveaus (Foto: Fa. ARCHA-IOS).

Farbe innen: dunkelbraun; Kern nicht einsehbar, da voll ständig ergänzt und nachkoloriert; Magerung: Schamotte, wenig Quarzgrus bis ca. 3 mm Größe; Ober flächen: uneben geglättet, größere Magerungs-komponenten als flache Buckelchen hervortretend.

Gefäß 2 (Abb. 8,2):Konischer Topf mit Arkadenrand; Höhe: 17,6 cm; rek. Randdurchmesser: 22,2 cm. Als einziges Gefäß im Auffindungszustand stärker zerdrückt, schräg gekappt, der in Fundlage nach oben weisende Teil fehlt, teilweise mit Gips ergänzt; Farbe außen dunkel- bis graubraun gefleckt; Farbe innen: dunkel graubraun; Farbe Kern: mittelbraun; Magerung: Schamotte, kleine Quarzkörner bis 1 mm Größe, Silexgrus bis 7 mm Größe; Oberfläche außen: unregelmäßig gut geglättet; Oberfläche innen: nur flüchtig geglättet, sehr uneben, größere Buckel über den Magerungs-komponenten.

5Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

Abb. 7: Regensburg-Burgweinting, Rathenaustraße 2005, Befund 3578; Beigabengefäße (Foto: M. Nadler).

Gefäß 3 (Abb. 8,3):Beckenförmige Schüssel; Höhe: 7,5 cm; mittlerer Rand-durchmesser: 18,8 cm; unzerbrochen erhalten, nur kleine randliche Beschädigung und sekundäre Spannungsrisse, von Haus aus etwas verdrückt (s. Abb. 7), Randlippe unregelmäßig nach außen umgeschlagen, Boden leicht nach innen gedrückt; Farbe außen: schwarzbraun mit hellbraunen Flecken; Farbe innen: dunkelgrau-schwarz; Magerung, soweit feststellbar: Schamotte und kleine Quarzkörner bis 2 mm Größe; Oberflächen: gut geglättet, innen am Rand deutliche horizontale Glättriefen.

Gefäß 4 (Abb. 8,4):Schöpfer mit breitem Grifflappen; Erhaltene Höhe: 4,4 cm; Durchmesser: 11,4–11,7 cm; im Fundzu-stand zerbrochen angetroffen, Grifflappen nach Bruch-bild rezent verlorengegangen; Farbe außen: rotbraun; Farbe innen: dunkelbraun; Farbe Kern: grau; im Bruch ist an Außen- wie Innenseite eine deutliche Brenn-haut erkennbar; Magerung: Schamotte und winzige Kieselchen; der Schöpfer weist am Boden starke Abplatzungen und seitlich Spuren stärkerer sekundärer Feuereinwirkung auf, die bei der Restaurierung leider weitgehend übergipst wurden.

Gefäß 5 (Abb. 8,5):Doppelkonische Tasse mit scharf abgesetztem Rand und bandförmigem Henkel; Höhe: 6,7 cm; Rand-

durchmesser: 7,8 cm; unzerbrochen erhalten, nur Henkel und größere Abschnitte der Randpartie fehlen, nach Bruchbild rezent verloren gegangen; Farbe außen, innen, Kern: dunkelgrau-schwarz; Magerung: feine Schamotte und viel feinster Quarzgrus; Oberfläche außen: gut und gleichmäßig geglättet; Oberfläche innen: sichtbare Riefen und Glättfacetten;

Randlippe stellenweise deutlich kantig abgestrichen.

Mahlstein (Abb. 10–11): Größte Abmessungen 37x25x19,5 cm; Gewicht: 22,6 kg; massiver Block mit unregelmäßigem, ver-mutlich nur geringfügig überarbeitetem Umriss; leicht gesattelte Reibfläche. Hellroter, feinkörniger, wenig poröser Granit mit auffällig großen Glimmerkompo-nenten, genaue Herkunft ohne nähere mineralogische Untersuchung nicht möglich, in Frage kommen Lager-stätten im Bayerischen bzw. Oberpfälzer Wald, in jedem Fall in einiger Entfernung jenseits der Donau.

Aus der Grube stammen ohne nähere Lageangabe:

Gefäß 6 (Abb. 9,1):Aus mehreren Bruchstücken zusammengesetztes gerundetes Gefäßunterteil mit kleinem, nach innen gewölbtem Standboden; erhaltene Höhe: 5,7 cm; größter Bauchdurchmesser: 10,0 cm; Farbe außen: mittel-dunkelbraun gefleckt; Farbe innen: mittelbraun;

6 Martin Nadler – Michael Schultz– Edith Oplesch – Jan Nováček

Abb. 8: Regensburg-Burgweinting, Rathenaustraße 2005, Befund 3578; keramische Beigabengefäße, M 1:3 (Zeichnung und Montage: N. Bößl).

Abb. 9: Regensburg-Burgweinting, Rathenaustraße 2005, Befund 3578; Funde aus der Grubenfüllung. 1 Keramik, M 1:3; 2 Silex, M 1:2 (Zeichnung und Montage: N. Bößl).

7Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

Farbe Kern: dunkelbraun; Magerung: feine Schamotte, hoher Anteil an sehr feinem Sand; Oberfläche außen: gut regelmäßig geglättet; Oberfläche innen: etwas unregelmäßig geglättet; nach oben hin Spuren sekun-därer Hitzeeinwirkung.

Silexklinge (Abb. 9,2)Unmodifizierte Silexklinge; Reste der Schlagflächen-präparation; Länge: 41 mm; gebänderter hellbrauner Jurahornstein.

(ohne Abb.)8 unverzierte, zeichnerisch nicht orientierbare Wand-scherben von verschiedenen Gefäßen, 2–6 cm groß; Wandstärken 4–10 mm; überwiegend feinsandiger Glimmerton; einmal mit gestoßenen Spat- und Glim-merplättchen bis ca. 1 mm Größe gemagert; ver-schiedene Brandfarben.

Rekonstruktion

Der Bestattungsvorgang lässt sich wie folgt rekon-struieren: im Zentrum der etwa zur Hälfte wieder verfüllten Grube wurde das große Mahlsteinfrag-ment positioniert, an diesen angelehnt anschließend

der stark gehockte Körper niedergelegt. Die Lage der Gefäße in erhöhter Position über Kopf und Schulter zeigt an (Abb. 6), dass sie erst abgestellt wurden, als die Leiche bereits etwas mit Erde abgedeckt war. Wir wollen nicht ausschließen, dass sie eventuell auch erst im Rahmen einer nachträglichen Öffnung des Grabes eingebracht wurden. Inwieweit die fehlenden Partien bei den Gefäßen 2, 4 und 5 im Zuge einer möglichen weiteren Manipulation verschwunden sind oder – wie schon ausgeführt – ausschließlich ein Grabungsartefakt darstellen (vgl. Abb. 4 und 6), kann leider nicht mehr entschieden oder beantwortet werden. Am Skelet sind keine Spuren einer sekundären Manipulation feststell-bar (s. a. Beitrag Schultz u. a.).

In der Grabungsdokumentation wird ausgeführt, dass der Mahlstein aufgrund seiner etwas tieferen Lage nichts mit der Bestattung zu tun haben dürfte. Dem möchten wir uns nicht anschließen, denn auch bei anderen Michelsberger Bestattungen sind im Fuß-/Beinbereich Mahl- oder Reibsteine beobachtet worden. Insbesondere die Bestattung von Rosheim-„Saint-Odile“ (structure 419) lässt sich nach der Art der Niederlegung gut mit dem Grab aus Burgweinting ver-gleichen (Jeunesse 1992, 64–65; Nickel 1998a, 161). Die aufgrund der Beifunde in die Stufe MK III datie-rende Hockerbestattung von Oberderdingen-Groß-

Abb. 10: Regensburg-Burgweinting, Rathenaustraße 2005, Befund 3578; Mahlstein in mehreren Ansichten (Foto: M. Nadler).

Abb. 11: Regensburg-Burgweinting, Rathenaustraße 2005, Befund 3578; Mahlstein, Aufsicht und Querschnitt, M 1:4 (Zeichnung: N. Bößl).

8 Martin Nadler – Michael Schultz– Edith Oplesch – Jan Nováček

villars, Kreis Karlsruhe, war mit dem Beckenbereich auf einem auf der Grubensohle deponierten Mahlstein aufgelegt worden3.

Eine vergleichbare Situation findet sich auch bei den elsässischen Siedlungsbestattungen in Marlenheim (Hofstatt), St. 109, Rosheim (Leimen), St. 104 oder Rosheim (Sablière Metz), emplacement 74. In diesem Zusammenhang ist die Münchshöfener Silobestattung von Altdorf-Aich von Interesse, wo auch unterhalb des Skeletes ein Mahlstein deponiert wurde (Böhm 1982; Meixner 2009, 99–100).

Es deuten sich also gewisse Verbindlichkeiten an, vor allem, wenn man in Betracht zieht, dass auch die Verfüllungen und Deponate unterhalb der Skelete Bestandteil des Beisetzungsrituals waren. Eine systema-tischere Untersuchung dieses Phänomens steht noch aus, da man dazu auch die Mahl- und Reibsteinfunde im Zusammenhang mit unvollständigen Skeleten und Skeletresten betrachten müsste (s.a. Nickel 1998a, 77 –78). Meist wird dieser Fundgattung in den Vor-berichten und Vorlagen aber nur randlich Beachtung geschenkt. Dabei war der Mahlstein (nicht nur) in dem Burgweintinger Grab das materiell möglicher-weise wertvollste Stück in der Grube, und zwar wegen des aufgrund des Gewichtes hohen Beschaffungs- und wegen der Härte auch Herstellungsaufwandes. Vor Ort produzierbare Keramik kann diesen Wert und diese Wertschätzung sicher nicht erreicht haben. Zudem könnte der Mahlstein die anthropologische Analyse stützen, die mit einer gewissen Präferenz für ein weib-liches Individuum spricht.

Chronologie

Da wir uns mit dem Burgweintinger Grab deutlich außerhalb des Michelsberger Kerngebietes befinden und es auch sonst im regionalen Umfeld ohne Ver-gleich dasteht, lohnt es sich, die keramischen Funde etwas näher zu betrachten.

Der Tulpenbecher (Gefäß 1) gehört zu der varian-tenreichen Gruppe der gegliederten Tulpenbecher vom Typ 2 nach Lüning und entspricht am ehesten der Variante 2,2 in der Einteilung nach Koch und Seidel (Lüning 1968, 22; Koch 2005, 48–49; Seidel 2008, 414). Becher dieses Typs gelten als charakteri-stische Vertreter der Stufe MK II. Gefäß Nr. 2 ist ein Vertreter der Gruppe konischer Töpfe in der Variante 1 nach Lüning (1968, 54). Für diese Form gilt eine Laufzeit in den Stufen MK II-III. In den gleichen Zeitabschnitt gehören auch die beckenförmigen Schüsseln der Variante 2 nach Lüning, der unser Gefäß 3 angehört (Lüning 1968, 48). Chronologisch

weniger eng zu fassen ist der Schöpfer (Gefäß 4). Er repräsentiert Lünings Typ 1, eine in vielen Varian-ten über fast die gesamte Laufzeit der Michelsberger Kultur vor kommende Form (Lüning 1968, 59). Diese Gefäße bieten bei näherer Betrachtung hinsichtlich Machart, Ton qualität und Brandfarbe ein durchaus heterogenes Erscheinungsbild. Die fleckig-geflammten Außen flächen könnten auf ein offenes Brennverfahren hindeuten.

Im Gegensatz dazu bietet die Tasse (Gefäß 5) ein ganz anderes Bild. Sie ist auch im geläufigen Formen-repertoire nicht so ohne weiteres unterzubringen. Leider fehlen charakteristische Partien, um zu ent-scheiden, ob ein randständiger oder überrandständiger Henkel vorhanden war. Auch der ausgeprägte Flach-boden entspricht nicht Michelsberger Formwillen. Die deutlich abgesetzte konische Randpartie und der markante Bauchknick lassen sich aber, wenn auch selten, in Michelsberger Komplexen wieder finden, etwa in Ilsfeld ‚Ebene‘, Bef. 73 (Seidel 2008, Taf. 29,7.9) oder auch in dem großen Gruben komplex aus Hopferstadt (Gimperlein/Rosenstock 1982; Geb-hard 2006, Abb. 20). In beiden Fällen liegt die rela-tivchronologische Einordnung wieder in der Stufe MK II (Seidel 2008, 128; Gimperlein/Rosenstock 1982, 340). Diese Funde sind aber zu fragmentarisch erhalten beziehungsweise zu stark überrestauriert, um zu entscheiden, ob sie unter Umständen auch Henkel besaßen.

Mit etwas gutem Willen mag man in der Schulterge-staltung auch Bezüge zur Münchshöfener Formgebung erkennen5. Das Gefäß ist das fertigungstechnisch beste Stück und wirkt in dem Grabensemble auf jeden Fall fremd. Es entspricht auch nach Machart und Ober-flächenbehandlung am ehesten der regionalen und lokalen Münchshöfener Keramik. Dies gilt uneinge-schränkt auch für die Einzelscherben aus der Gruben-füllung wie auch das zusammengesetzte Gefäßunterteil (Gefäß 6). Bei diesem könnte es sich nach Profilverlauf und Abmessung am ehesten um das Fragment eines sog. „Pollinger“ Fläschchens handeln6, ähnlich einem Gefäß aus Hagelstadt im südlichen Lkr. Regensburg7.

Für die Siedlungsgeschichte und im Hinblick auf kulturelle Bezüge kann man somit die Aussage tref-fen, dass es am Ort eine Nutzung/Besiedlung durch Menschen mit Keramik vom Münchshöfener Typ gab. Deren Hinterlassenschaften gelangten in Gestalt der Einzelscherben vor oder während des Bestat-tungsvorganges in die Grubenfüllung. Da sie keine Verwitterungsspuren zeigen, können sie nicht lange

5 Beispielsweise ein auch in der Größe gut vergleichbares Gefäß aus dem eponymen Fundkomplex von Münchshöfen (Böhm 1994, 167, Abb. 28,3).

6 Wir schließen uns hier gerne einem Vorschlag von Ingo Bürger an, dem wir als ausgewiesenen Kenner der Materie an dieser Stelle auch für stete Diskussionsbereitschaft danken möchten.

7 Koch u. a. 1989, 272, Nr. 44 mit Abb. 6,5. Zum eponymen Fundort Polling s. insbes. Müller-Karpe 1961, Taf. 13, 20.

3 Wieland 2001, 39-40. Siehe vor allem die ausführliche Fundvor-lage und Auswertung bei Stauch/Banghard 2002, 373 und 385 mit Abb. 8–9.

4 Lefranc u. a. 2010, 98 (Nr. 18), 100 (Nr. 24), 102 (Nr. 27); Lefranc u. a. 2011, 31–33.

9Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

an der Oberfläche ge legen haben, bevor sie einge-bettet wurden. Daraus lässt sich folgern, dass es sicher keinen großen zeitlichen und damit auch räumlichen Abstand zu der Bestattungsgemeinschaft gegeben hat, der die Gefäße Michelsberger Formgebung und Machart gehörten8. Ob das in größeren Partien über-lieferte Gefäß 6 nicht vielleicht auch zum Graben-semble gehörte oder anderweitig (s.u.) im Zuge des Be stattungsvorganges in die Füllung gelangte, kann nicht mehr entschieden werden.

Relativchronologisch lässt sich der Vorgang in der Stufe MK II verorten, was nach derzeitigen Vor-stellungen im niederbayrisch/oberpfälzer Donauraum einem entwickelten bis späten Münchshöfen entspre-chen dürfte (Matuschik 1992, 16–19). Leider sind die vorliegenden Münchshöfener Funde nicht hinreichend sicher formenkundlich einzuordnen, um sie für Aus-sagen hinsichtlich einer Synchronisierung nutzen zu können.

Aufgrund der guten Knochenerhaltung bot es sich an, die archäologische Einordnung durch ein naturwis-senschaftliches Datum abzusichern beziehungsweise zu präzisieren. Hierfür wurde eine Probe aus dem linken Femurschaft dem Erlanger AMS-Labor übergeben. Die Messung ergab ein Alter von 5216 BP + 50 Radiocar-bonjahren (Abb. 12). Im 2-Sigma-Bereich ergibt sich

eine erhöhte Wahrscheinlichkeit in der 2. Hälfte des 41. und der ersten Hälfte des 40. Jahrhunderts, wobei insbesondere das Ende des Intervalls von Bedeutung ist. Es deckt sich gut mit den momentan geltenden Daten für das Ende von MK II, das überregional um oder kurz vor 4000 v. Chr. angenommen wird9.

Michelsberg in Ostbayern

Die Anzahl von Fundstellen mit Michelsberger Kera-mik in der südlichen Oberpfalz und im Gäuboden hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich ver-mehrt. Der Burgweintinger Befund steht also nicht isoliert da. Es ist auch nicht die erste Michelsberger Bestattung in der Region. Im nur 14 km entfernten Teugn im Lkr. Kelheim wurden schon im Jahr 1980 zwei flache, runde Gruben gesichert, deren eine zwei übereinanderliegende, teils maschinell modern gestörte Skelete in gehockter Lage enthielt. Nach keramischen Beifunden ist eine Datierung in eine ältere Stufe der MK möglich (Engelhardt 1981; Nickel 1998a, 156 mit Taf. 22,2). In zwei Fällen fanden sich mensch-liche Knochen im Zusammenhang mit Michelsberger Keramik im Gemeindegebiet von Mintraching (Nickel 1998a, 155).

Abb. 12: Regensburg-Burgweinting, Rathenaustraße 2005, Befund 3578; Ergebnis der 14C-Datierung des gemessenen Knochenfragments. Mit 95,4 % Wahrscheinlichkeit (2 Sigma): 4229–4197 BC (7,0 %); 4172–4087 BC (16,6 %), 4084–3952 BC (71,9 %), (Vorlage: AMS-Labor Erlangen; Kalibrierungsdatensatz aus: Reimer et al., Intcal09 Terrestrial Radiocarbon Age Calibration, 0–26 cal kyr BP, Radiocarbon 46, 3, 2004, 1029–1058).

8 Ein vergleichbares Nacheinander von Münchshöfener und Michelsberger Nutzung wird auch für Grubenbefunde von Teugn, Lkr. Kelheim, beschrieben (Engelhardt 1981).

9 Seidel 2008, Bd. 1, 37–40, 104–105. S. a. die synoptische Dar-stellung bei Schier 2010, 33.

10 Martin Nadler – Michael Schultz– Edith Oplesch – Jan Nováček

Aus der unmittelbaren Nachbarschaft, aus Ober-traubling, stammt ein kleines Keramikensemble der älteren MK (Koch u. a. 1989, 276 mit Abb. 9; Matuschik 1992, 28, Nr. 6). Die Fundstelle gehört zu einer Konzentration solcher Plätze im südlichen Land-kreis Regensburg, die sich immer weiter verdichtet10. Die älteren Michelsberger Stufen sind hier mittlerweile mit einem guten Dutzend Fundpunkten vertreten. In den jüngeren Michelsberger Stufen ist ein Ausgreifen in das niederbayerische Hügelland zu beobachten, sofern die wenigen Belege diese Aussage zulassen11. Ein aktueller Fund aus der Nähe von Neufahrn/ Niederbayern sei hier stellvertretend genannt. Eine kleine, runde Grube mit zwei vollständigen Tulpen-bechern und kalzinierten Knochensplittern macht hellhörig, doch sollen diese von nicht näher benann-ten Säugetieren stammen (Gschlössl 2010). Unweit davon fand sich ein Ensemble offensichtlich kopfüber de ponierter Gefäße.

Bei einzeln und isoliert, womöglich noch unzer-scherbt, auftretenden Gefäßen oder Gefäßdepo-nierungen in kleinen Gruben besteht immer der Ver-dacht, dass es sich um die Überreste ehemaliger Bestat-tungen handeln könnte, insbesondere wenn aufgrund der örtlichen Bodenverhältnisse keine Knochener-haltung möglich ist. Aus diesem Grund hat Verf. selbst einen kleinen Befund aus Grundfeld am Obermain, der eine Flasche der Stufe MK III enthielt, als mög-liches Michelsberger Grab vorgestellt (Nadler 1994). Wir möchten dasselbe deshalb inzwischen auch für die Ösenleistenflasche aus Nürnberg-Mögeldorf (Feist/Mühldorfer 1994) oder zumindest zum Teil auch für die Gefäße aus Altensittenbach im Nürnberger Land annehmen (Mühldorfer 1980), die aus sandigem Sub-strat stammen. Für die oberpfälzischen und nieder-bayerischen Funde wäre das im Detail noch zu über-prüfen, mit weiteren bislang nicht erkannten Gräbern ist zu rechnen.

Damit wäre die zeitliche und räumliche Stellung des Fundes hinreichend beleuchtet. Dies erlaubt uns, auf die eingangs angerissene Situation zurück zu kommen und den Befund in seiner kulturhistorischen Stellung und Aussagekraft zu behandeln.

Bestattungen im Bereich der Michelsberger Kultur

Als eine der Besonderheiten der Michelsberger Kultur wird der sehr spezielle Umgang mit ihren Toten her-vorgehoben. Es ist eine „Kultur ohne Friedhöfe“12. Die breit angelegte Diskussion zu diesem Thema zeigt, dass wir noch weit davon entfernt sind, die Praxis von Bestattung und Totenversorgung in dieser Periode

wirklich zu verstehen. Es zeichnet sich ab, dass von sehr komplexen und aus heutiger Sicht fremd anmutenden Praktiken auszugehen ist13.

Dies gilt in besonderem Maße für die zahlreichen menschlichen Überreste oder Teilskelete aus den Gräben der großen Erdwerke. Erosions-, Verbiss- und Verlagerungsspuren wie auch die Deponierung im Kontext von teils enormen Mengen an Keramik und Steingerät zeigen komplizierte und vielfältige taphonomische Prozesse und Praktiken an, daneben gibt es auch Hinweise auf rituelle Manipulationen, insbesondere an Schädelteilen. Häufig sind Gewalt-einwirkungen unterschiedlicher Art als Todesursache auszumachen. Dieses weite Feld soll hier nicht weiter beackert werden14. Interessant in unserem Zusammen-hang ist nur, dass es mittlerweile mit dem Erdwerk von Riedling im Landkreis Straubing-Bogen einen Befund im Gäuboden gibt, der ganz ähnliche Erscheinungen zeigt (Husty/Meixner 2008; dies. 2009; Husty 2011, 139–140). Diese spektakuläre Entdeckung ist ein Beleg mehr für eine gewisse kulturelle Durchdringung von ‚Michelsberg‘ mit dem ausgehenden ‚Münchshöfen‘.

Auf der anderen Seite gibt es eine mittlerweile beträchtliche Anzahl vollständiger Skelete in Form von Einzel- oder Mehrfachbestattungen in sogenann-ten Silogruben15. Schon seit längerem wird überlegt, ob nicht diese Siedlungs- und Einzelbestattungen das eigentliche Totenritual der Michelsberger Kultur dar-stellen (Lichardus 1998, 267). Insbesondere in ihrem westlichen Verbreitungsgebiet sind, vor allem aus Freilandsiedlungen im Elsaß, mittlerweile genügend Befunde bekannt geworden, die diese These unter-mauern und es erlauben, eine gewisse Systematik und verbindliche Bestattungspraxis zu erkennen16. Auch Beigaben von Gefäßen oder einzelnen Gerätschaften sind hierbei immer häufiger zu beobachten. Die Ähn-lichkeit in der Niederlegungspraxis mit den eingangs erwähnten Münchshöfener Bestattungen ist dabei nicht zu übersehen17.

Bei einem Teil dieser Gräber handelt es sich um „reguläre“ Hockerbestattungen, die keine Zeichen nachträglicher Störungen oder Manipulationen

10 S. die Kartierungen bei Matuschik 1992, Abb. 4 und Nawroth 1999, Abb. 4.

11 S. wiederum Matuschik 1992, Abb. 4; Nawroth 1999, Abb. 4.12 Zum Stand der Diskussion s. Jeunesse 2010.

13 Zu allgemeinen Problemen der Erkenntnismöglichkeiten und Aussagewert der Quellengattung ‚Grab‘ sei Fischer 1999 zur Lektüre empfohlen.

14 Zur Thematik und weiterer Lit. s. Nickel 1998b; Wahl 1999; Wahl 2008; Regner-Kamlah 2009, 80–87; Orschiedt 2011, 57–58; Seidel 2013.

15 Nickel 1998a, 54–58; Seidel 2004, 131, 146–147; Grund 2008, 175 mit Tab. 2; Lefranc u. a. 2010.

16 Jeunesse 2010, 91. S. im Gegensatz dazu: Nickel 1998b, 158. Auf die in der letzten Redaktionsphase erschienene, in eine ähn-liche Richtung wie unsere Überlegungen gehende Studie von A. Alterauge (2013) konnte hier leider nur noch sehr randlich Bezug genommen werden.

17 Meixner 2009, Husty 2011, 140–144; im Vergleich zu den Aus-führungen bei Nickel (1998a, 126) zeigt sich hier der Material-zuwachs besonders deutlich.

11Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

zeigen. Diese Hocker können noch am ehesten als regelhafte Beisetzung angesehen werden, vor allem weil ihnen noch am häufigsten eindeutige Beigaben zugeordnet werden können18. Bestattungen, denen gleich mehrere Gefäße beigestellt wurden, sind indes eher selten. Ob der Umstand von Bedeutung ist, dass ausgerechnet in dem am weitesten von der Michels-berger Kernzone entfernten Grab, in Burgweinting, das bislang umfangreichste Gefäßset aufgetaucht ist, wagen wir nicht zu beurteilen – einen Zusammen-hang mit dem überdurchschnittlich hohen Sterbeal-ter19 der bestatteten Person zu sehen, ist aber vermut-lich genauso spekulativ.

Es gibt eine durchaus ernst zu nehmende Diskussion darüber, ob sich hinter den unterschiedlichen Über-lieferungsformen menschlicher Skelete und Skeletreste soziale Differenzierungen erkennen lassen, möglicher-weise sogar im Sinne eines Gefolgschaftswesens oder mit Hinweisen auf Sklaverei20. Natürlich ist gut vor-stellbar, dass besonders angesehenen oder verehrten Personen im Zuge mehrstufiger Bestattungsriten durch sekundäre Behandlung oder Manipulation an den Skeletresten eine besondere Aufmerksamkeit wider-fuhr21. Auch die Frage von Beigaben oder erkennbaren und erhaltenen Trachtbestandteilen spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Andererseits können aber auch unterschiedliche gruppenspezifische Traditionen ein allzu einheitliches Bild verunklären.

Es ist unseres Erachtens auch eine zu einfache Betrachtungsweise, wegen der angenommenen Ablage der Leichen in bereits bestehenden Gruben (oder Gräben) auf einen geringen bis gar keinen Arbeitsauf-wand für die Bestattung zu schließen (Lichter 2010, 258; Alterauge 2013, 189).

Möglicherweise zeigen uns die unterschiedlichen Erscheinungsformen nämlich nur verschiedene Stadien ehemals sehr komplexer Vorgänge an. Wir möchten den geläufigen Interpretationen deshalb ein modifi-ziertes Szenario entgegenstellen und legen hierbei gerne die von Jan Lichardus schon vor längerer Zeit durch-geführte Analyse des Michelsberger Bestattungsbrauchs zugrunde (Lichardus 1986, 350–351 ): Soweit es sich nach dem Publikationsstand beurteilen lässt, sind die Körper häufig nicht auf der Grubensohle niedergelegt worden, sondern erst, als die Gruben teilweise, manch-mal bis zur Hälfte, wieder verfüllt waren22. Gemeinhin

wird dies mit einer sekundären Nutzung funktionslos gewordener Vorratsgruben erklärt (s. o.). Wir halten es aber durchaus für denkbar, dass diese Silogruben spezi-ell für den Bestattungsvorgang angelegt wurden23 und die unterschiedlichen Einfüllungen Teil des Rituals waren. Auf jeden Fall findet nach der Bestattung keine anderweitige Nutzung der Objekte mehr statt. In den tieferen Füllschichten wurden mehrfach, wie oben schon ausgeführt, vollständige oder fragmentierte Mahlsteine positioniert. Auch die Deponierung von Tierskeleten oder Teilen davon ist wiederholt belegt (Lefranc u. a. 2010, 74, 81–82, 87–89; Alterauge 2013, 193). Man wird auch die in diesen Bereichen vor handenen keramischen Fragmente nicht ohne wei-teres nur als intrusives Material abtun können. Ins-besondere bei größeren zusammenhängenden Gefäß-partien wird man an nehmen dürfen, dass es sich hier-bei nicht um beiläufig in die Grube gelangtes Mate-rial, sondern um Niederschläge einer Abfolge gezielter Deponierungsvorgänge handelt. Deshalb dürfen beim Blick auf das Ritualgeschehen auch die Befunde ohne erkennbare oder erhaltene(?) Skeletteile nicht außer Betracht bleiben (Mandera 1999, bes. 474–475).

Es ist ferner denkbar und sogar wahrscheinlich, dass die Gruben in irgendeiner Form überdacht oder über-baut waren. Nehmen wir einmal an, dass der offene Raum über den Bestatteten nur geringfügig oder gar nicht verfüllt wurde, also eine Art „Gruft“ bildete, denn viele Detailbeschreibungen kann man in diese Richtung interpretieren. Die Leichen blieben damit während des Skeletierungsvorganges für die ver-schiedenen festgestellten Manipulationen, für spätere Umbettungen wie auch die Entnahme oder Verlage-rung von Knochen durch Mensch und Tier zugänglich. Auch „atypische“ Skeletlagen lassen sich so als Ergeb-nis postmortaler Leichenbewegungen erklären. Durch mehrmalige Belegung können schließlich, je nach zeit-lichem Abstand, die oft scheinbar beziehungslos und ungeregelt übereinander liegenden Mehrfachbestat-tungen, aber auch Etagengräber entstehen24. Daneben gibt es jedoch auch Kollektivgräber wie das in Hei-delberg-Handschuhsheim (Wahl/Höhn 1988; Nickel 1998 a, 151–152), das hier stellvertretend angeführt sei, für die eine gleichzeitige Niederlegung plausibel gemacht werden kann.

Es deutet immer mehr darauf hin, dass die Silogru-ben der Münchshöfener und Michelsberger Kultur tat-sächlich eine ähnliche Funktion erfüllt haben könnten wie die Kammergräber und Totenhütten im nördlichen West- und Mitteleuropa (Lichardus/Lichardus-Itten 1993, 91–92; Jeunesse 2010, 91), die als Zwischensta-tion im Zuge eines mehrstufigen Totenrituals fungier-ten. Die in den häufig im Siedlungsbereich gelegenen

18 Jeunesse 2010, 91; Regner-Kamlah 2009, 82.Vgl. dazu auch Meixner 2009, 101 mit Abb. 9.

19 S. Beitrag Schultz u.a. Zur Lebenserwartung Michelsberger Populationen s. Wahl 2008, 830–831; ders. 2010, 98.

20 Jeunesse 2010, 94–95. Zur Problematik, aus den Überresten mehrstufiger oder kollektiver Bestattungen soziale Aussagen zu gewinnen, s. Müller 1991.

21 Zu den verschiedenen Erscheinungsformen mehrstufiger Be stattungsriten s. aktuell Schwarz 2013.

22 Nickel 1998a, 66. Für den elsässischen Bereich s. Denaire/Mau-duit 2010, 9–14 mit Abb. 7oben; Lefranc u. a. 2010, 76–82; Lefranc u. a. 2011, 31–32; Vgl. für den Münchshöfener Bereich die Zusammenstellung bei Meixner 2009, 104, 131–144.

23 Implizit deutet dies auch U. Veit in seiner Analyse der jung-neolithischen Siedlungsbestattungen an (Veit 1996, 311 und 328–329).

24 S. dazu Nickel 1998a, 54-62; weitere Beispiele Lefranc u. a. 2010.

12 Martin Nadler – Michael Schultz– Edith Oplesch – Jan Nováček

Gruben aufgefundenen menschlichen Überreste sollten daher nicht mehr als Sonderbestattungen bezeichnet werden, die Statistik spricht eine andere Sprache. Sie sind Zeugnisse einer regulären rituellen Praxis (Veit 1996, 292–296).

Verf. hatte bereits bei der Vorstellung des mutmaß-lichen Grundfelder Grabes (s.o.) dargelegt, warum es sich bei den Michelsberger Mehrfachgräbern, wozu als Sonderform auch zumindest ein Teil der Skelete aus der Jungfernhöhle bei Tiefenellern25 zu zählen ist, um Äquivalente zu den Kollektivgräbern in künstlich errichteten Grabräumen handeln dürfte, wie sie im Chalcolithikum Europas weit verbreitet sind, und dass es sehr verwunderlich wäre, „wenn diese Idee gerade an der Michelsberger Kultur spurlos vorbei gegangen sein sollte“ (Nadler 1994, 58–59). Sie setzt sich in der Art des Umgangs mit ihren Toten als eigenständiges Zeichensystem gerade auch durch die deutliche Anbin-dung an die Siedlungsbereiche klar von den vorange-henden mittelneolithischen Gruppen ab, weist aber beispielsweise viele Gemeinsamkeiten mit den Prak-tiken im Trichterbecherkreis auf26.

Ohne die Betrachtung allzu sehr auszuweiten, sei noch darauf verwiesen, dass sich die beschriebenen Totenbehandlungen im Bereich der Altheimer Kultur fortsetzen. Dies gilt sowohl für die Funde aus Erd-werksgräben27 als auch für Kollektivgräber wie das alt-bekannte Grab von Inningen im Lkr. Augsburg (Maier 1965; Nickel 1998a, 156–157). Auch die Bestattung beziehungsweise Deponierung von Skeletteilen in Silogruben scheint weiterhin geläufige Praxis gewe-sen zu sein, wie die in der Diskussion meist zu wenig be achteten Befunde vom Goldberg im Nördlinger Ries zeigen (Bersu 1930, 138; Schröter 1975, 108).

Grundsätzlich und anders als bei der Interpreta-tion von aus heutiger Sicht befremdlichen Befunden oft leichthin angenommen, wird man einen generell respektvollen Umgang mit den Toten annehmen dürfen (Strahm 2013, 60-62). Es gibt unter dem Strich eigent-lich nur wenige Beispiele, bei denen man mit einiger Berechtigung aussagen kann, dass die – in diesen Fällen dann ganz offensichtlich im Zuge kriegerischer oder gewaltsamer Ereignisse – Getöteten definitiv unversorgt blieben. Dies gilt für Befunde wie in dem bandkeramischen Grabenwerk von Schletz (Teschler-Nicola u. a. 1996, 56–57; Windl 2009), vielleicht für einen Teil der Skeletreste in Bruchsal-Aue (Seidel 2013, 210–212 ) oder aber Einzelpersonen wie den sattsam bekannten „Ötzi“ oder ein jüngst bekannt gewordenes Mordopfer aus Michelsberger Zeit im nordwestlichen Mittelfranken (v. Heyking/Beigel 2013).

Ausblick

Es gehört zu den Eigenarten der archäologischen Forschung, dass periodisch bestimmte Themen und Fragestellungen aus verschiedenen Blickrichtungen im Fokus erhöhten Interesses und verstärkter Beschäfti-gung stehen. Im Zuge dieser Wellenbewegungen ist nach vielen Jahren einer gewissen Vernach lässigung derzeit nicht nur im süddeutschen Raum das 4. vorchristliche Jahrtausend in den Blickwinkel von Forschungsvorhaben und von Einzelbeschäftigungen geraten28. In diesem Fragenkomplex spielen die eigen-artigen Toten- und Bestattungsrituale dieser Epoche eine zentrale Rolle. Wir möchten die hier vorge tragenen Überlegungen als Diskussionsbeitrag in diesem Kom-plex verstanden wissen. Die hinter dem vorgelegten und diskutierten Grabfund auf scheinenden Ver bindungen und Vernetzungen wie auch die aufgeworfenen chro-nologischen und kultur historischen Fragen weiter zu klären, ist eine Aufgabe, die es noch zu be wältigen gilt. Wir werden uns aber mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass es – wahrscheinlich bis weit in die Metall-zeiten hinein – eine große Nähe zwischen Lebenden und Toten gab, dass der für unser heutiges Verständ-nis ungewohnte Umgang mit den Verstorbenen und ihren Überresten zum alltäglichen Leben gehörte, da sie, möglicherweise über Generationen hinweg, zumindest bis zum völligen Abschluss des Verwesungs-prozesses, noch als Teil der Gemeinschaft galten und Gegenstand vielfältiger Fürsorge und Aufmerksamkeit waren29. ‚Ähnlich, wie das auch in den heutigen west-lichen Gesellschaften nach dem Ende der Belegungszeit auf einem zeitge nössischen Friedhof der Fall ist‘, spielte möglicherweise irgendwann die Pietät keine Rolle mehr (Schlenker/Stecher 2013, 305) und die menschlichen Überreste konnten sich im profanen ‚Abfall‘ wieder-finden, wo sie dann auch unterschiedlichen taphono-mischen Prozessen einschließlich dem oft beobachteten Tierverbiss ausgesetzt waren.

28 Genannt seien die große internationale Fachtagung „Salzmünde – Regel oder Ausnahme?“ im Oktober 2012 in Halle/Saale (Meller 2013) und Teilaspekte der Tagung zum Thema „Gewalt und Gesellschaft –Dimensionen der Gewalt in ur- und frühge-schichtlicher Zeit“ im März 2013 in Würzburg.

29 Veit 1996, 355–359; hingewiesen sei an die in diesem Zusam-menhang häufig zitierten und Ende der 1970er Jahre in Wort und Bild dokumentierten, für den aufgeklärten Mitteleuro-päer vielleicht befremdlichen, Exhumierungspraktiken in dem nordgriechischen Dorf Potamia, wo sich bis in den christlichen Bereich die Vorstellung erhalten hat, dass die Seele bis zur end-gültigen Dekomposition der Leiche am Leben der Gemeinschaft teil hat und der Tod erst nach Umbettung der völlig reinen Knochen manifest wird. Wobei ein Zeitraum von bis zu sieben Jahren und auch Mehrfachexhumierungen zwischen den beiden Bestattungsvorgängen beschrieben werden (Danforth 1982, 9–22, 47–53. – in geraffter Form s.a. Panagiotopoulos 2003, 18 mit Abb. 1 und 17).

25 Nickel 1998a, 173; zu jüngerneolithischen Daten s. Orschiedt 1997, 187–188; zur aktuellen Forschung und weiterer Lit. s. Seregely u. a. 2013, 30–34.

26 Dazu ebenfalls bereits Lichardus 1986, 352–354.27 Für das eponyme Altheim s. Nickel 1998a,154–155 und jüngst

Saile 2013.

13Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

Anthropologie und Paläopathologie(Michael Schultz, Edith Oplesch und Jan Nováček)

Archäologische Skeletfunde, Mumien und Moorleichen repräsentieren biohistorische Urkunden, da sie häufig aus einer Zeit berichten, in der es noch keine schrift-liche Überlieferung gab oder aus der keine schriftlichen Quellen auf uns gekommen sind (Schultz 1982). Die Physische Anthropologie ist die klassische Disziplin für die Untersuchung archäologischer Skeletfunde. Ihr Hauptziel ist – zumindest bei einem Einzelfund wie dem hier vorgestellten Skelet der Michelsberger Kultur aus Regensburg-Burgweinting – die Erstellung des Personalstatus. Hierzu gehören vor allem die Bestim-mung des Geschlechts, des erreichten Lebensalters, der Körperhöhe, des Konstitutionstypus, der Händig-keit, des „Lokomotionstyps“ (z. B. Hinweise auf mög-liche, berufsbedingte Bewegungsmuster, die sich über muskuloskeletale Stressmarker wie Enthesiopathien, Verschleißmuster der Gelenke und ähnliches äußern können) und eventuell auch die Bestimmung der geo-graphischen Herkunft, die sich bisweilen anhand der Schädelmorphologie durchführen lässt30.

Paläopathologie ist ein relativ neues wissenschaftliches Arbeitsgebiet, das interdisziplinär zwischen Medizin, Anthropologie und Archäologie angesiedelt ist. Die Paläopathologie beschäftigt sich vor allem mit den Pro-zessen, die im Laufe eines Lebens Spuren am Knochen der Menschen vergangener Zeiten hinter lassen haben. Dazu gehören Verrichtungen des täglichen Lebens (z. B. Hausarbeit, Beruf, Sport, Kampf), aber auch Krankheiten, die ja maßgeblich die Lebensqualität herabsetzen können31. Häufig können aufgrund eines schlechten Erhaltungszustandes oder einer bereits teil-weise stattgefundenen Abheilung keine genauen Dia-gnosen gestellt werden, sodass nur Hinweise im Sinne unspezifischer Stressmarker möglich sind. Aber auch unspezifische Stressmarker tragen zur Kenntnis dama-liger Lebensbedingungen bei. In besonderen Fällen lässt sich anhand einer differenzierten Untersuchung eine biographische Beschreibung über einen Verstor-benen abfassen (Schultz 2011a; Schultz/Kunter 1999; Schultz/Walker 2013). Da sich nicht alle Spuren eines ganzen Lebens am Skelet manifestieren können, sind einer „Paläobiographie“ zwangsläufig gewisse Gren-zen gesetzt. Ziel paläopathologischer Untersuchungen ist es, die Art (i. S. Kasuistik), die Ursachen (Ätiologie) und die Häufigkeit sowie die Verbreitung (Epidemio­logie) von Krankheiten in der Vergangenheit zu erfor-schen (Schultz 2011a) und letztlich eine Geschichte der Krankheiten zu schreiben.

Untersuchungsgut und Methoden

Im Jahre 2010 übergab der Leiter der Dienststelle Nürnberg des Bayerischen Landesamtes für Denkmal-pflege, Herr Martin Nadler M.A., dem Erstautor das Skelet einer Michelsberger Körperbestattung aus der Grabung Regensburg-Burgweinting (Befundnummer 3578) zur anthropologisch-paläopathologischen Bear-beitung.

Nach Feinpräparation wurden die Knochen des stark zerbrochenen Skelets makroskopisch und lupen-mikroskopisch begutachtet (vgl. Schultz 1988a). Die Nasennebenhöhlen und der Mittelohrbereich wurden endoskopisch befundet. Ein Schienbeinfragment wurde zwecks Nachweises von Linien eines verzöger-ten Längenwachstums (sogenannte Harris-Linien) mit dem Vollschutzröntgengerät FAXITRON geröntgt. Von dem mittleren Schaftabschnitt des linken Ober-schenkelbeins wurden ein kurzer Schaftzylinder für die 14C-Datierung sowie ein ganzer Querschnitt für die Anfertigung zweier Knochendünnschliffe in den Stärken 50µm und 70µm nach dem von M. Schultz und M. Brandt beschriebenen Verfahren entnom-men32. Die Dünnschliffe wurden im einfachen und polarisierten Durchlicht auf Spuren der Diagenese (d. h. der liegezeitlich bedingten Veränderungen)

32 Die Autoren danken Herrn Michael Brandt, Göttingen, für die Anfertigung der Knochendünnschliffe. Zum Verfahren: Schultz 1988b; ders. 2001; ders. 2011b; Schultz/Drommer 1983.

Abb. 13: Skeletschema über den Erhaltungszustand: „rot“ = erhal-tener Knochen, „violette Schraffur“ = nur Knochenfragmente (Abbildung: Edith Oplesch und Michael Schultz).

30 Brothwell 1981; Ferembach u. a. 1979; Sjøvold 1988; Szilvássy 1988.

31 Aufderheide/Rodríguez-Martín 1998; Brickley/McKinley 2004; Katzenberg/Saunders 2008; Ortner 2003; Roberts 2009; Roberts/Manchester 2007; Schultz 1988a.

14 Martin Nadler – Michael Schultz– Edith Oplesch – Jan Nováček

Abb. 14: Mikroskopischer Erhaltungszustand. Knochendünnschliffpräparat aus dem mittleren Schaftbereich des linken Oberschenkelbeins. Markknochennaher Bereich des kompakten Knochengewebes (endostal). Fast vollständiges Fehlen des Knochenkollagens. Erdeinschwem-mungen und Sandkristalle (Diagenese). – Schliffstärke 50µm, Vergr. 25x. Betrachtung mit dem Mikroskop a) im einfachen Durchlicht; b) im polarisierten Durchlicht unter Verwendung eines Hilfsobjekts Rot 1. Ordnung (Quarz) als Kompensator (Aufnahme: Michael Schultz).

und Systemkrankheiten33 untersucht sowie für die mikroskopische Lebensaltersbestimmung herangezo-gen: 1.) histomorphometrische Lebensaltersschätzung (HMM), 2.) histomorphologische Lebensaltersschät-zung (HML)34.

Die Körperhöhenschätzung wurde nach den üblichen Methoden durchgeführt35. Bei der Untersuchung auf Arthrose (vgl. Schultz 1988a) wurden die Arthrose-grade für den Gelenkrand und die Gelenkfläche einer Gelenkeinheit festgestellt (z. B. Kopf und Pfanne); aus den Werten einzelner Gelenkeinheiten desselben Gelenkes errechnet sich die Arthrose-Bewertungsziffer (BWZ: 0–6.0), welche die Intensität der Arthrose in einem Gelenk angibt.

Befunde und Ergebnisse

1. ErhaltungszustandAufgrund postmortaler Verdrückung ist es wäh-rend der Liegezeit zu zahlreichen Knochenfrakturen gekommen, sodass das Skelet sich nur in einem relativ stark fragmentierten Zustand erhalten hat (Abb. 13). Dennoch ist das Skelet gut repräsentiert. Die äuße-ren wie die inneren Knochenoberflächen haben sich vergleichsweise gut erhalten, sodass weitgehend eine verlässliche Befundung durchgeführt werden konnte. Die Knochenkonsistenz ist auf den ersten Blick fest. Bei mechanischer Beanspruchung bricht der Knochen allerdings leicht. Dies ist offenbar auf den umfassenden Verlust des Knochenkollagens während der Bodenlage-rung zurückzuführen (Abb. 14, s. Abschnitt über die

36 Es ist allerdings daran zu denken, dass die Männer der Michels-berger Kultur häufig einen relativ grazilen Knochenbau auf-wiesen.

Ergebnisse der lichtmikroskopischen Untersuchung). Die Röntgenuntersuchung zeigt, dass zumindest die Langknochenschäfte in ihrem Markbereich stark dia-genetisch gestört sind (Abb. 15).

2. GeschlechtsbestimmungEs handelt sich um das Skelet eines grazilen, wohl etwa unter–mittelgroßen Individuums mit vergleichbar gut entwickelten Muskelmarken. Das kompakte Gewebe der langen Röhrenknochen ist – unter Berücksichti-gung des eigentlich relativ grazilen Knochenbaus – ver-hältnismäßig dick. Am relativ langen Schädel ist die Stirn vergleichsweise gerade ausgebildet; die Glabella ist kaum prominent angelegt, während der Überaugen-bogen (Arcus superciliaris) zwar gut erkennbar, aber doch nur schwach entwickelt ist. Es liegen gut geformte Stirnhöcker vor, die den Gesamteindruck einer eher runden Kugelstirn unterstützen. Im Scheitel beinbereich sind beidseits deutliche Höcker ausgebildet. Das große Fragment des rechten Jochbeins ist ebenfalls grazil und sein Hinterrand scharfkantig geformt. Die Muskel-marken am Hinterhaupt sind vergleichsweise schwach ausgebildet. Alle diese Merkmale deuten eher auf weibliches als auf männliches Geschlecht36. Allerdings ist der Oberrand der Augenhöhle relativ dick gerun-det; die sehr gut pneu matisierten und deshalb wohl auch ausgesprochen langen Warzenfortsätze sind zwar nicht sehr breitbasig, aber dafür in der Frontalebene in ihrem freien Bereich vergleichsweise dick ausgebildet. Diese beiden Merkmale sprechen für das Vorliegen des männlichen Geschlechts. Auch die nicht sehr großen Oberkiefer, die in ihren Proportionen gut zu dem gra-zilen Schädel passen, weisen in ihrer Gesamtheit einen kräftig gerundeten Bogen auf und deuten somit in die-selbe Richtung. Der Unterkiefer hingegen besitzt nur

33 Schultz 1997; ders. 2001; ders. 2003; ders. 2011b.34 Kerley/Ubelaker 1978; Nováček 2012; Nováček u. a. 2008;

Schultz 1986; ders. 1997; Schultz/Nováček 2012, Schultz u. a. 2003; Wolf 1999.

35 Bach 1965; Breitinger 1937; Černý/Komenda 1982; Pearson 1899.

15Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

Abb. 15: Röntgenbild des unteren Schaftendes des rechten Schienbeins im anterior-posterioren Strahlengang. Ausgeprägte diagenetische Veränderungen (Erdeinschwemmungen; Verlust von Bälkchen des Schwammknochengewebes), (Röntgenbild: Edith Oplesch).

◄ Abb. 16: Kompaktes Knochengewebe in mäßig gutem Er haltungszustand. Knochendünnschliffpräparat aus dem mitt-leren Schaftbereich des linken Oberschenkelbeins. Kompaktes Knochengewebe aus dem mittleren bis markknochennahen Bereich. Reste von Knochenkollagen. – Schliffstärke 70µm, Vergr. 100x. Be trachtung mit dem Mikroskop a) im einfachen Durchlicht; b) im polarisierten Durchlicht; c) im polarisierten Durchlicht unter Verwendung eines Hilfsobjekts Rot 1. Ordnung (Quarz) als Kompensator (Aufnahme: Michael Schultz).

16 Martin Nadler – Michael Schultz– Edith Oplesch – Jan Nováček

das Geschlecht bei diesem Individuum nicht sicher bestimmen lässt; allerdings besteht anscheinend – bei der Summation aller Merkmale – eine sehr schwache Tendenz zum weiblichen Geschlecht.

3. Altersbestimmung

A) makroskopischDie Abkauung der Zähne ist vergleichsweise weit fort-geschritten und belegt ein Alter von älter als 40 Jahre.

Die Verknöcherung der Schädelnähte ist ausge-prägt. Die Pfeil- und die Kranznaht (beidseitig) sind auf der Schädeldachinnenfläche vollständig geschlos-sen (BROCA Grad 4). Dies gilt auch auf der Außen-fläche für die Kranznaht (BROCA Grad 4), während die Pfeilnaht auf der Schädeldachaußenfläche in ihrem zweiten und vierten Viertel (S2 und S4) noch in sehr wenigen Resten schemenhaft zu erkennen ist (BROCA 3–4). Hingegen ist die gesamte Lambdanaht (beid-seitig) auf der äußeren und inneren Schädeldachfläche vollständig offen (BROCA 0). Die Schuppennaht, die in der Regel erst mit 70–75 Jahren verknöchert, ist ebenfalls noch offen (beidseitig). Zusammenfassend spricht der Nahtbefund für ein erreichtes Lebensalter von etwa 60 Jahren ([55] 60 [65] Jahren).

Die relativ große Dichte des kompakten Knochenge-webes in den Röhren der Langknochen sowie die Zahl und die Stärke der Knochenbälkchen des Schwamm-knochengewebes in den Wirbeln und den Gelenkab-schnitte des oberen Oberschenkelbeinbereichs lassen auf ein biologisches Alter (!) von etwa 50–55 (60) Jahre schließen. Das heißt, dass dieses Individuum zu Lebzeiten – also auch noch in seinem letzten Lebens-abschnitt – seinen Bewegungsapparat physisch sehr gut belastet hat, also körperlich offenbar noch sehr aktiv war. Eine solche aktive Nutzung des Bewegungsappa-rates – und hier besonders des Skeletsystems – kann durchaus ein jüngeres biologisches Alter bedingen, als es das chronologische vorgibt.

B) mikroskopischAnhand zweier Dünnschliffe wurde mittels der histomor-phometrischen (HMM) und der histomorphologischen Lebensaltersbestimmung (HML) bei zwei Durchgängen das erreichte Lebensalter geschätzt. Die Erhaltung der Knochensubstanz auf dem mikroskopischen Niveau ist schlecht, da infolge der Dia genese das Knochen kollagen fast vollständig abgebaut ist (Abb. 14). Zwar lassen sich im Schliffbild der Compacta die Kanäle der Osteone erkennen; die fragmentierten Osteone („Schaltlamellen“) sind hingegen – aufgrund der Kollagenzerstörung – kaum sichtbar (Abb. 16). Eine bessere Kollagenerhaltung weist lediglich ein dünner Saum von Knochengewebe auf, der entlang der äußeren Oberfläche verläuft sowie etwa das innere Drittel der Compacta nahe der Markröhre. Diese Zone ist jedoch für die Auszählung der fragmentierten Osteone nicht geeignet. Die ursprüngliche, das heißt die originale Knochenoberfläche ist offenbar nur wenig ero-diert. Aufgrund des geringen Kollagengehaltes war der dickere Schliff (70µm) besser für die Auszählung geeignet als der dünnere (50µm).

leicht angesetzte, eng beieinander liegende Kinnhöcker, die nahezu vollständig durch den großen, dreieckigen und fast spornartig ausgebildeten Mittelteil der Kinn-region verdrängt werden; der Unterkieferunterrand ist massiv gerundet, weist aber sehr gut entwickelte Digast-ricusmarken auf, die als deutliche Impressionen promi-nieren, ohne dass es zu einer plattenartigen Abflachung des Unterkieferrandes kommt. Somit finden sich am Unterkiefer mehr weibliche als männliche Merkmale. Es ist zu ergänzen, dass beide Unterkieferastwinkel geringgradig nach außen gekippt sind (Eversion). Dieses morphologische Merkmal, das durch einen Kaumuskel (M. masseter) bedingt ist, wird bisweilen als männlich verstanden, ist in der Regel funktionellen Ursprungs und dürfte in diesem Fall zusätzlich auch in kausalem Zusammen hang mit dem Zahnbefund zu sehen sein (s. u.: intravitale Molarenverluste). Die mittelgroßen Zähne können nicht zur Geschlechtszuordnung heran-gezogen werden. Am Postcranium ist ebenfalls keine zweifelsfreie Geschlechtsbestimmung möglich. Dies liegt vor allem in dem schlechten Er haltungszustand des Beckens. Zwar besteht der Eindruck, dass beid-seitig der große Einschnitt am Sitzbein (Incisura ischi­adica major) eine Größe von gut 90° aufweist; dies spricht in diesem Fall deutlich für das Vorliegen des weiblichen Geschlechts. Allein, auch diese Bestimmung ist nicht sicher, da der untere Schenkel des Einschnitts beidseits fast vollständig fehlt. Allerdings hat sich der obere Schenkel dieses Einschnitts, der unterhalb der Gelenkfläche des Kreuzbein-Darmbeingelenks liegt (Facies auricularis der Articulatio sacroiliaca), vollständig erhalten, sodass der Bereich vor dieser Gelenkfläche gut befundbar ist. Bei Frauen findet sich an dieser Stelle in der Regel eine gut ausgebildete und relativ breite Rinne (Sulcus praeauricularis), die als Bandmarke zu verstehen ist. In der Tat ist an diesem Skelet beid seitig eine Struk-tur zu erkennen, die stark an eine solche Rinne erin-nert. Offenbar finden sich also am Becken überwiegend weibliche Formmerkmale, die allerdings nicht ein deutig sind. Bei der Bewertung des restlichen Post craniums ist noch hervorzuheben, dass die beiden Schlüsselbeine – auch wenn sie sich nicht ganz vollständig erhalten haben – als ausgesprochen grazil anzusehen sind. Am oberen Drittel beider Oberschenkelbeine ist der sagittale Schaftdurchmesser im Vergleich zum frontalen Schaft-durchmesser nicht so klein, dass der Schaft in diesem Bereich abgeplattet wirkt; somit ist dieses Merkmal als indifferent zu bezeichnen. Für die Geschlechtsdiagnos-tik sind auch die Durch messer der Oberarm- und Hüft-köpfe von einer gewissen Re levanz. Für den nur rechts-seitig erhaltenen Oberarmkopf ergibt sich ein sagittaler Durchmesser von 39 mm und ein frontaler von 41 mm; an dem rechten Hüftkopf (linksseitig schlecht messbar) kann sagittal ein Durchmesser von 44 mm und fron-tal von 41 mm gemessen werden. Auch hier liegen die Daten etwa im Mittelbereich zwischen Mann und Frau. Da es sich aber um ein relativ graziles Skelet handelt, tendieren diese zuletzt angeführten Werte wohl doch eher zum männlichen Geschlecht.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass sich – bei Zugrundelegung der hier besprochenen Merkmale –

17Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

a) Histomorphometrische Berechnung des Alters (am 50µm und 70µm Schliff, Abb. 17)

HMM Berechnung des Alters: 48,0–51,3 ± 6 Jahre (42–57,3 Jahre)

b) Histomorphologische Berechnung des Alters (am 70µm Schliff)

Von der ursprünglichen äußeren Generallamelle, die den Knochen zur Knochenhaut hin abschließt und im jugendlichen und jungerwachsenen Lebensalter die periostale Oberfläche bildet, ist in diesem Fall offenbar kaum etwas erhalten (Abb.18). Nur an ganz vereinzel-ten Stellen sind an der äußeren Schaftoberfläche flache, aus sehr wenigen parallel angeordneten Lamellen aufgebaute Strukturen zu erkennen, die direkt in der Außenzone des kompakten Knochengewebes liegen. Unter Umständen könnte es sich hier um kleinste, noch nicht umgebaute Reste der ursprünglichen äußeren Generallamelle handeln. Sehr wahrschein-lich ist dies aber nicht. Differentialdiagnostisch kann auch die Präsenz kleinster Tangentiallamellen nicht ausgeschlossen werden. Stellenweise ist im Bereich der äußeren Oberfläche eine Schicht besser er haltener kollagener Fibrillenbündel zu beobachten, die im pola-risierten Durchlicht an Reste einer ursprünglichen General lamelle erinnern. Unter der Annahme, dass es sich bei den hier beschriebenen Strukturen tatsäch-lich um Reste der äußeren Generallamelle handelt, können diese bis zu etwa 0–5% bewertet werden; ein Zustand, der auch bei Individuen, die älter als 40–50 Jahre sind, gelegentlich angetroffen werden kann. Die innere Generallamelle ist nicht mehr nachweisbar. Auf der inneren, der Mark röhre zugewandten endostalen Knochenoberfläche befinden sich einige „Spongiosa-bälkchen“, die auf eine geringgradige Vergrößerung des Knochenmarkraumes hindeuten. Die Bälkchen dieses Schwammknochens (Spongiosa) liegen stellenweise der

Osteone Fragmentierte Osteone Nich t -Have r s s che Kanäle Äußere Generallamelle Alter

Schliff 50 µm Zahl Alter Zahl Alter Zahl Alter Zahl Alter Durch-schnitt1 24 9,6 38n.a. (50,0) 2 51,0 0-5% 64,6-75,0 50,1(50,0)2 33 13,3 29n.a. (37,6) 2 51,0 0-5% 64,6-75,0 51,0(48,3)3 32 12,9 25n.a. (32,0) 1 54,6 0-5% 64,6-75,0 51,8(47,8)4 35 14,3 31n.a. (40,3) 2 51,0 0-5% 64,6-75,0 51,2(49,0)durch-schnitt-liches Alter 51,0(48,8)

Schliff70 µm1 30 12,0 28n.a. (36,2) 2 51,0 0-5% 64,6-75,0 50,7(47,8)2 29 11,6 33n.a. (43,1) 0 58,4 0-5% 64,6-75,0 52,4(50,5)3 28 11,2 26n.a. (33,4) 1 54,6 0-5% 64,6-75,0 51,4(47,8)4 34 13,8 35n.a. (45,9) 1 54,6 0-5% 64,6-75,0 52,0(50,8)durch-schnitt-liches Alter 51,6(49,2)

Abb. 17: Tabelle zur histomorphometrischen Berechnung des Alters (am 50µm und 70µm Schliff).

Innenfläche der Compacta an, sodass diese Bälkchen irrtümlich als eine Restschicht der inneren General-lamelle angesehen werden könnten. Tatsächlich aber lässt sich bei genauerer Betrachtung ihre Zugehörigkeit zur altersbedingt entstandenen Spongiosa nachweisen.

Insgesamt kann die Compacta als geringgradig reduziert bezeichnet werden, da in ihrem inneren, also endostalen Drittel der kompakte Schaft knochen bereits mit vergrößerten Lakunen durchsetzt ist (Abb. 18a–c). Diese weitlumigen Blutgefäßforamina (Abb. 18b), die als „vergrößerte“ Haverssche Sys-teme bezeichnet werden können, waren zu Lebzeiten hauptsächlich mit Fettgewebe ausgefüllt. In der Linea aspera (Abb. 18a) und dem vordersten Abschnitt des quergeschnittenen Oberschenkelschaftes (Abb. 18b) ist die Reduktion der Compacta relativ deutlich zu erkennen: Die vergrößerten Lakunen reichen bei-nahe bis zur Schaftoberfläche. Prinzipiell ist offenbar der Oberschenkelschaft bei beginnender Osteopo-rose besonders häufig und auch besonders stark in seinem vorderen Bereich (ca. 10° des Gesamtumfangs des Knochens) betroffen (Nováček 2012). Die nicht vergrößerten Osteone sind in der Regel überwiegend mittelgroß bis klein und besitzen häufig sehr kleine bis kleine Lumina. Vor allem im innenseitlichen Schaft-abschnitt weist das kompakte Knochengewebe kaum eine Reduktion auf (Abb. 18c). Somit repräsentiert der Knochen noch nicht das Stadium einer fortge-schrittenen Altersosteoporose (vgl. Abb. 18c), obwohl die vorliegenden Veränderungen eine beginnende Rarefizierung des Knochens belegen (Abb. 18a–b). Als Ursache dieser Knochenreduktion kommen wohl vor allem das Alter, möglicherweise aber auch andere Faktoren in Betracht (Gesundheitszustand, physische Belastung, Hormonhaushalt).

18 Martin Nadler – Michael Schultz– Edith Oplesch – Jan Nováček

5. Bestimmung des KonstitutionstypusDa das Skelet relativ stark fragmentiert ist und sich die für eine Bestimmung des Konstitutionstyps relevanten Knochen nicht erhalten haben (z. B. Brustbein), lässt sich der Konstitutionstyp nicht mehr zuverlässig bestimmen. Das relativ vollständig erhaltene rechte Schlüsselbein misst etwa 140 mm in der Länge, ist also – gemessen an dem relativ grazilen Individuum – vergleichsweise lang: Dies deutet auf ein relativ breit-schulteriges Individuum hin.

6. Bestimmung der HändigkeitDie Größe der Muskelmarken an den Armknochen ist in etwa seitengleich. Der Verschleiß an den Gelenken der Oberextremität lässt sich nicht ausreichend ver-gleichend darstellen, da nur sehr wenige Gelenkein-heiten beidseitig vorliegen. Die beidseits erhaltenen Gelenke lassen aber keine deutlichen Unterschiede in ihrem Verschleißmuster und ihrer Verschleißintensität erkennen. Allerdings sind das rechte Daumenwurzel-gelenk sowie das rechte Ellenbogengelenk stärker von Arthrose befallen als das linke. Eine spezielle Händig-keit kann trotzdem nicht sicher nachgewiesen werden; es besteht nur eine geringgradige Tendenz zur Rechts-händigkeit (vgl. Gelenkverschleiß; Oberarmbeuger).

7. Bestimmung der KörperhöheDa sich weder an der Ober- noch an der Unterex-tremität Langknochen in ihrer vollständigen Länge erhalten haben, kann eine verlässliche Körperhöhen-bestimmung nicht durchgeführt werden. Die auf Lücken aneinander gesetzten Fragmente des Oberarm-beins und des Schienbeins, besonders aber des Ober-schenkelbeins (ca. 350–380 mm) lassen eine Schätzung auf eine etwa unter–mittelgroße Körperhöhe zu (im Fall eines Mannes ca. 147–157 cm, im Fall einer Frau ca. 141–157 cm).

8. SchädelmorphologieDer relativ große, aber grazile Schädel lag stark fragmen-tiert vor und ließ sich auch nach dem Zusammen setzen aufgrund des Fehlens wichtiger Knochenabschnitte und den Folgen einer postmortalen Ver drückung nicht zuverlässig vermessen (Abb. 19). Deshalb konn-ten nur sehr wenige Maße genommen werden: größte Schädellänge 181 mm, größte Schädelbreite circa 146 mm, kleinste Stirnbreite 94 mm, größte Stirn-breite 111 mm.

Das Individuum besitzt sehr prominente, das heißt fast gerade nach vorne vorspringende Nasenbeine, die der relativ kleinen, niedrigen, aber breiten Nase (Abb. 35) ein sehr individuelles Aussehen verliehen haben dürften.

9. Lokomotion/Muskuloskeletale StressmarkerEs liegen nur geringgradige Hinweise auf über mäßigen physischen Stress vor. Anzeichen von Muskel-Seh-nenzerrungen (Myotendopathien) fehlen; lediglich in wenigen Fällen ist eine Zerrung des Bandapparates zu beobachten. In der Regel sind die Muskelursprungs- ansatzmarken seitengleich und nicht über die Norm

Abb. 18: Kompaktes Knochengewebe. Knochendünnschliffpräparat aus dem mittleren Schaftbereich des linken Oberschenkelbeins. a) Bereich der großen Knochenleiste an der Schafthinterfläche: Spuren einer mittelkräftig ausgebildeten Altersosteoporose; b) Bereich der vorderen Schaftfläche: Spuren einer schwach ausgebildeten Alters-osteoporose; c) Bereich der innenseitlichen Fläche: keine Spuren einer Altersosteoporose. – Schliffstärke 70µm, Vergr. 100x. Betrach-tung mit dem Mikroskop im einfachen Durchlicht (Foto: Michael Schultz).

Der Befund am 50 µm dicken Präparat bestätigt die zuvor gemachte Auswertung.

HML Altersschätzung: (45) 50–55 (60) JahreSomit kann insgesamt auf ein erreichtes Lebensalter

von 50–55 (60) Jahren geschlossen werden.

19Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

Elle (Tuberositas ulnae) rechtsseitig sehr viel stärker ent-wickelt (Abb. 20a) als linksseitig (Abb. 20b) und zeigt eine kräftige Leistenbildung, die aber noch nicht die Norm übertrifft. Auch der Ansatz des Großen Brust-muskels (M. pectoralis major) ist am Oberarmbein (Crista tuberculi majoris) rechtsseitig (Abb. 21) durch eine kräftige Leistenbildung gekennzeichnet (links-seitig hat sich der entsprechende Knochenabschnitt nicht erhalten), während sich der Ansatz des rechten Breiten Rückenmuskels (M. latissimus dorsi) und des rechten Großen Rundmuskels (M. teres major) am Oberarmbein (Crista tuberculi minoris) in einer sehr schwachen Ausbildung präsentiert, die aber noch im unteren Bereich der Norm liegt (linksseitig fehlt der Knochen). Im unteren Schaftviertel der linken Elle lassen sich auf der Knochenhinterfläche zwar gering-gradige, aber deutliche Spuren einer Zerrung der Zwischenknochenmembran im Sinne einer Band-zerrung beobachten (der ent sprechende Abschnitt der rechten Elle hat sich nicht erhalten); die Vorderfläche desselben Knochens zeigt in derselben Region eine grobsträhnige Ober fläche, die mit einer vermehrten Muskelbelastung in Verbindung zu bringen ist. Am Bein ist der Ansatz des Großen Gesäßmuskels (M. glu­teus maximus) am Ober schenkelbein (Tuberositas glutea) seitengleich entwickelt und mit einer kräftigen Leiste ausgebildet (Abb. 22). Auch der Ursprung des Vier-köpfigen Oberschenkelstreckmuskels (M. quadriceps) für das Kniegelenk und sein Ansatz an der Kniescheibe sowie der Ansatz der Oberschenkel adduktoren sind seitengleich und mittelkräftig ausgebildet. Der Drei-köpfige Unterschenkelbeuger (M. triceps surae) besitzt seitengleich in seinem Ursprungsbereich (Linea musculi solei) eine leichte Leisten bildung (Abb. 23) und hat über seine Ansatzsehne („Achillessehne“) am Fersen-beinhöcker (Tuber calcanei) eine exostosenartige Neu-bildung (oberer Fersensporn) verursacht (Abb. 24), die

Abb. 19: Hirnschädel des Individuums von Burgweinting: a) in der Vorderansicht (Norma frontalis); b) in der linken Seitenansicht (Norma lateralis sinister); c) Vertikalansicht (Norma verticalis), (Foto: Michael Schultz).

ausgebildet. So ist beispielsweise am Arm der Ansatz des Deltamuskels (M. deltoideus) am Oberarmbein (Tuberositas deltoidea) seitengleich ausgebildet und weist eine kräftige Leistenbildung auf. Hingegen ist der Ansatz des Oberarmbeugers (M. brachialis) an der

Abb. 20: Bruchstücke der rechten (a) und der linken Elle (b) in der Vorderansicht. Sehr kräftig ausgebildete Ansatzmarken des Ober-armbeugers (M. brachialis), (Foto: Michael Schultz).

20 Martin Nadler – Michael Schultz– Edith Oplesch – Jan Nováček

Abb. 21: Bruchstück des rechten Oberarmbeins in der schrägen Vorderansicht (Ventrolateralansicht). Sehr ausgeprägter, mit Leistenbildung (Pfeile) einhergehender Ansatz des Großen Brustmuskels (M. pectoralis major), (Foto: Michael Schultz).

Abb. 22: Bruchstück des rechten Oberschenkelbeins in der schrägen Hinteransicht (Dorsolateralansicht). Sehr ausgeprägter, mit Höcker- und Grubenbildung einhergehender Ansatz des Großen Gesäßmuskels (M. gluteus maximus), (Foto: Michael Schultz).

rechtsseitig deutlich schwächer entwickelt ist als auf der linken Seite. Hinweise für eine Bandzerrung sind nur im rechten unteren Schienbein-Wadenbeingelenk (Syndes­mosis tibiofibularis distalis) zu finden (links seitig fehlen die entsprechenden Knochen): Am unteren Endes des rechten Wadenbeins haben sich auf der Innenfläche kleine exostotische Knochenneubildungen erhalten (Abb. 25a), die direkt auf diese Zerrung zurückzu-führen sind. Etwa 25 mm oberhalb dieser Läsion sind Reste einer porös- strähnigen Knochenauflagerung in einem Areal von etwa 35x10 mm Größe zu erken-nen (Abb. 25b), die einen ehemaligen, unterhalb der

Knochenhaut ge legenen Bluterguss repräsentieren, der möglicherweise in einem kausalen Zusammenhang mit der zuvor beschriebenen Schädigung zu sehen ist (Trauma). Der Ursprung der rechtsseitigen Bandver-bindung zwischen der ersten Rippe und dem Schlüssel-bein (Lig. costoclaviculare) stellt sich in Form einer klei-nen Platte mit gewulstetem Rand dar und trägt Spuren eines lokalen Entzündungsprozesses: Diese Verände-rungen deuten auf eine er hebliche physische Belastung dieses Bandes und somit des Schultergürtels hin (links-seitig können aufgrund der Fundlage diesbezüglich keine entsprechenden Aus sagen getroffen werden).

21Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

Abb. 23: Bruchstück des linken Schienbeins in der Hinteransicht. Mit leichter Leistenbildung einhergehender Ursprung des Schollenmus-kels (M. soleus), (Foto: Michael Schultz).

Abb. 24: Hinteransicht des linken Fersenbeins mit Ausbildung eines oberen Fersensporns am Ansatz der Achillessehne (z. B. M. soleus), (Foto: Michael Schultz).

10. Krankheiten

SchädelDie Außenflächen des Schädeldaches weisen keiner-lei Spuren eines Krankheitsprozesses auf. Allerdings zeigt das Grabungsfoto im linken Schädelseitenbe-reich einen Einbruch, der sich vom Stirnbein über den großen Keilbeinflügel bis weit in das Scheitelbein ausdehnt. Das eingebrochene Schädelstück ist offenbar in seiner Mitte in vertikaler Richtung in zwei Teile zer-brochen, sodass eine ungefähr keilförmige Einbruchs-stelle resultiert. Derartige Lochdefekte können post-mortaler Natur sein (z. B. bei der Grabung), entstehen aber auch bei einer perimortalen Hiebverletzung, die mit der Klinge einer Axt ausgeführt wurde. Da an den vorliegenden Schädeldachfragmenten aufgrund des Erhaltungszustandes keinerlei Spuren einer Gewaltein-wirkung sicher nachweisbar sind, kann keine verläss-liche Diagnose gestellt werden.

Auf der Schädeldachinnenfläche zeigen sich ausge-prägte Spuren eines entzündlichen und mit Blutungen (Hämorrhagien) einhergehenden Hirnhautpro-zesses, der sich zum Todeszeitpunkt bereits im fortge-schrittenen Ausheilungszustand befand. Auf dem Stirn-bein finden sich beidseits der Stirnleiste (Crista frontalis) – linksseitig etwas stärker ausgebildet als rechtsseitig – sehr flache, gelappte, konfluierende Platten (Abb. 26a–b), die als Ausdruck eines abgeheilten Ent-zündungsprozesses anzusehen sind. Rechtsseitig ist die Ausbildung kurzer Gefäßimpressionen etwas stärker entwickelt. Im Scheitelbeinbereich überwiegen eben-falls rechtsseitig deutlich die kurzen Gefäßimpressionen mit den da zwischen liegenden Gruppen kleiner glatter Platten, die – zusammen mit den kurzen Gefäßimpres-sionen und unterschiedlich großen Gefäßöffnungen – ebenfalls einen in Ausheilung befindlichen menin-gealen Entzündungsprozess belegen (Abb. 27a–b) und am wahrscheinlichsten im Sinne einer Pachymeningeo­sis haemorrhagica interna zu verstehen sind (Abb. 27b). Zwischen den zuvor beschriebenen, relativ breiten und kurzen Gefäßimpressionen liegen Bündel feiner, inten-siv miteinander kommunizierender Gefäßimpressionen,

die auf die Organisation eines mit Blutungen einherge-henden Prozesses zurückzuführen sind (Abb. 27a–b). In beiden Hirngruben (Fossa cerebralis) des Hinterhaupt-beins sowie in den hinteren Schädel gruben (Fossa cranii posterior) liegen relativ feine, bäumchenartig verzweigte Gefäßimpressionen, die – teilweise in paralleler Anord-nung – aus den Gruben in Richtung auf die venösen Hirnblutleiter hin verlaufen (Abb. 28). Auch hier handelt es sich um Gefäße, die bei der Organisation eines mit Blutungen einhergehenden Prozesses (Hämor-rhagien) beteiligt waren und deshalb in der Peripherie eines venösen Hirnblutleiters angetroffen werden (peri-sinuöser Prozess). In der mittleren Schädelgrube (Fossa

22 Martin Nadler – Michael Schultz– Edith Oplesch – Jan Nováček

Abb. 25: Bruchstück des unteren Schaftdrittels des rechten Wadenbeins: a) Innenfläche im Bereich des unteren Schienbein-Wadenbeinge-lenks: kleine exostotische Knochenneubildungen; b) wie a), aber etwas weiter oberhalb: Reste einer porös-strähnigen Knochenauflagerung (Foto: Michael Schultz).

krankhaften Prozesses, der mit der Ausbildung poröser Augenhöhlendächer (Cribra orbitalia) einherging – in Ausheilung (Abb. 32). Der Augenhöhlenboden konnte aufgrund des Erhaltungszustandes nicht befundet werden. Der Tränennasengang (Ductus nasolacrimalis) ist nur linksseitig erhalten und weist ausgedehnte Spuren eines Entzündungsprozesses in Form einer irregulär porösen Oberfläche auf (Abb. 33).

Die Nasenhöhle ist ebenfalls nur linksseitig befundbar, zeigt aber keine Spuren eines pathologischen Prozesses. Von den Nasennebenhöhlen haben sich Reste der Siebbeinzellen und der Keilbeinhöhlen beider Seiten, die linke Stirnhöhle sowie beide Kieferhöhlen erhalten. Lediglich in der linken Stirnhöhle lassen sich Spuren einer chronischen Entzündung (Sinusitis frontalis) vermuten, da die Oberfläche porös ist und Reste von sekundär gebildeten und sehr gut in die Oberfläche integrierten Platten zu erkennen sind. In den anderen Nasennebenhöhlen liegen offenbar nur Spuren postmortaler Erosion vor. Der harte Gaumen weist eine auffällig ausgebildete grobporöse Oberfläche auf: Dies deutet auf einen chronischen Entzündungsprozess im Sinne einer Stomatitis hin.

Der Zahnstatus stellt sich wie folgt dar:

Beispiel eines vollständigen Zahnstatus:18/17/16/15/14/13/12/11 // 21/22/23/24/25/26/27/2848/47/46/45/44/43/42/41 // 31/32/33/34/35/36/37/38

Zahnstatus des Individuums von Burgweinting:18/17/ v/ d/14/ v/ v/ f // f/ d/23/ f/25/26/27/28 v/47/46/ f/44/43/42/41 // 31/32/33/34/35/ f/ f/ v

v = postmortal verlorener Zahnf = intravital verlorener Zahnd = devitaler Zahn

cranii media) sind beidseits – besonders an der Schläfen-beinschuppe – kleine, sehr flache, länglich-ovale Platten mit glatter Oberfläche zu beobachten (Abb. 29), die auf eine unspezifische meningeale Entzündung hinweisen. Der vor dem großen Hinterhauptloch gelegene, zentrale Teil der Schädelbasis (Clivus) weist eine unregel mäßig vernarbte Oberfläche auf. Der Rand des Hinterhaupt-loches ist in seinem rechten Abschnitt durch sehr kleine, strähnige Neubildungen gekennzeichnet, die der ursprünglichen Knochenoberfläche aufliegen. Die Rinnen aller venösen Hirnblutleiter besitzen aufgrund eines entzündlichen Prozesses – rechts- wie linksseitig – einen porösen Grund. Zusätzlich finden sich in beiden quer verlaufenden Hirnblutleitern (Sinus transversus) mehrere kleine, rundliche bis zungenförmige Platten und einige kurze Gefäßimpressionen. Im S-förmigen Hirnblutleiter (Sinus sigmoideus) überwiegt beidseits das Auftreten der kleinen rundlichen bis zungenförmigen Platten (Abb. 30), die sich nach vorne bis auf die Pyra-midenhinterfläche umschlagen (perisinuöser Prozess).

Die äußere Ohrregion einschließlich des äußeren Gehörganges zeigt ebenso wie der innere Gehöreingang keine Krankheitsspuren; allerdings ist die Eingangs-öffnung des inneren Gehörgangs (Porus acusticus inter­nus) linksseitig etwas größer als auf der rechten Seite. Auch die Warzenfortsatzzellen weisen keine Krank-heitsspuren auf. Die endoskopische Inspektion der Mittelohren ergab hingegen linksseitig einen krank-haften Befund: Die innenseitliche Wand der linken Pauken höhle (das Promontorium der Cavitas tympani) ist durch eine leicht höckerig-wulstige Oberfläche geprägt, die offenbar einen abgeheilten Entzündungsprozess im Sinne einer Otitis media repräsentiert (Abb. 31).

Beide Augenhöhlendächer befanden sich offenbar zum Todeszeitpunkt – nach Abklingen eines

23Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

Abb. 26: Innenansicht des Stirnbeins: a) Übersicht; b) Detail: Pfeile bei „a“ = krankhaft veränderte Rinne des größten venösen Hirnblut-leiters (Sinus sagittalis superior), Pfeile bei „b“ = flache, gelappte Platten mit glatter Oberfläche als Ausdruck einer Hirnhautreaktion (Foto: Michael Schultz).

Die Erkrankungen der Zähne und knöchernen Zahnfächer (Alveolen) werden nachfolgend tabellarisch abgehandelt (vgl. Schultz 1988a). Bei der Bezeichnung der Zähne und Zahnfachregionen werden die in der Zahnmedizin üblichen Begriffe verwendet:

Parodontopathien ( = Erkrankungen des Zahnfaches und des Zahnfleisches in der Zahnfachregion): Paro­dontosis (Regionen 44: Grad I; 21–22, 24–27, 45, 36: Grad II; 37: Grad III), Parodontitis (Regionen 16, 47–46, 32–34: Grad I; 17, 23, 28, 48, 43, 35: Grad II; 38: Grad III); ein Abszess palatinal in Region 16 mit großer palatinaler Fistel (Abb. 34): Grad III, je ein Abszess in Region 15–14: Grad I, ein Abszess in Region 23 (Abb. 35), zwei Abszesse mesial und distal in Region 46 (Abb. 36). Devitale Zähne: 15 und 22; intravitale Verluste: Zähne 11–21, 24 (Abb. 35), 45

(Abb. 36) und 36–37 (Abb. 37). Zahnstein sporadisch (Grad I–III). Abrasion (= Abnutzung der Zähne durch den Kauvorgang) des Frontzahnbereichs (Grad 4+–5+ mit Sekundärdentinbildung [= nach Fertigstellung des Zahnes erfolgte Zahnbeinbildung]) und Seitenzahn-bereichs (Grad [3] 4–5+, Sekundärdentinbildung). Hyperzementose: Zähne 18–17, 15–14, 22–23, 26 (Abb. 35), 28 und 46. Karies: Zähne 18 (Grad II), 26 (Grad I), 47 (Grad II) und 46 (Grad II und III; Abb. 38). Transversale lineare Schmelzhypoplasien (= Spuren von Schmelzmangelzuständen in Form von im Zahn-schmelz quer verlaufenden Linien) an Zähnen 43–42 und 32–33 (Grad I–II): ca. 2. Lj. + 8 Mo., 3. Lj. + 12 Mo. Kiefergelenk: Arthrose (BWZ re und li 5.0; Abb. 39). Zahn 43 ist nach außen rotiert und seine labiale Wandung wurde intravital abgebaut.

24 Martin Nadler – Michael Schultz– Edith Oplesch – Jan Nováček

Abb. 27: Innenansicht der beiden Scheitelbeine: a) Übersicht: Pfeile bei „a“ = krankhaft veränderte Rinne des größten venösen Hirnblutlei-ters (Sinus sagittalis superior), Pfeile bei „b“ = kurze, verzweigte Blutgefäßimpressionen als Ausdruck einer Hirnhautreaktion; b) Detail: Pfeile bei „a“ = Impressionen der normalen Hirnhautarterien (Arteria meningea media), (Foto: Michael Schultz).

Abb. 28: Innenansicht der Hinterhauptschuppe: teilweise parallel angeordnete, feine, bäumchenartig verzweigte Gefäßimpressionen als Ausdruck eines Blutungsgeschehens (Foto: Michael Schultz).

25Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

Abb. 29: Innenansicht des linken Schläfenbeins: Pfeile bei „a“ = Rinne des S-förmigen venösen Hirnblutleiters (Sinus sigmoideus), Pfeil bei „b“ = flache, zungenförmige bis länglich-ovale Platten mit glatter Oberfläche in der Rinne des Hirnblutleiters, Pfeile bei „c“ = wulstig-strähnige Neubildungen auf der Pyramidenhinterfläche als Ausdruck eines Entzündungsprozesses (Foto: Michael Schultz).

Abb. 30: Detail aus Abb. 29: Innenansicht des linken Schläfenbeins: Pfeile bei „a“ = Rinne des S-förmigen venösen Hirnblutleiters (Sinus sigmoideus) mit flachen, zungenförmigen bis länglich-ovalen Platten mit glatter Oberfläche als Ausdruck eines mit Blutungen einher gehenden Entzündungsprozesses (Foto: Michael Schultz).

26 Martin Nadler – Michael Schultz– Edith Oplesch – Jan Nováček

◄ Abb. 31: Endoskopaufnahme der innenseitlichen Wand der linken Paukenhöhle (Mittelohr) mit Spuren eines offenbar abge-heilten Entzündungsprozesses (Foto: Edith Oplesch).

Abb. 32: Dach der linken Augen-höhle mit in Abheilung befind-lichen Cribra orbitalia (Foto: Michael Schultz). ►

◄ Abb. 33: Impression des linken Tränennasengangs (Ductus nasolacri­malis) mit Spuren eines Entzündungs-prozesses (Foto: Michael Schultz).

27Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

◄ Abb. 34: Rechter Ober kiefer in der Gaumenansicht: große Fistel an der Spitze der palati-nalen Wurzel des ersten oberen Molaren (Foto: Michael Schultz).

Abb. 35: Linker Oberkiefer in der Außenansicht: * = äußere Nasen-öffnung, Pfeil bei „a“ = devital er zweiter Schneidezahn (verkippt; mit entzündlich bedingter Zementbildung), Pfeil bei „b“ = Zahn-fach des Eckzahns mit Abdruck eines Wurzelspitzenabszesses; intra-vitaler Verlust des ersten Schneidezahns und des vorderen Prämo-laren; Spuren ausgeprägter Zahnfleischentzündungen im Molaren-bereich (Foto: Michael Schultz).

Abb. 36: Bruchstück des rechten Unterkiefers in der äußeren Seiten-ansicht (vor dem Zusammenkleben): ausgeprägte Abszedierung am ersten Molaren (zwei Abszesse); intravitaler Verlust des hinteren Prämolaren; Spuren ausgeprägter Zahnfleischentzündung am Eck-zahn und am zweiten Molaren (Foto: Michael Schultz).

Abb. 37: Linker Unterkiefer in der äußeren Seitenansicht. Intra-vitaler Verlust der ersten beiden Molaren; Spuren ausgeprägter Zahnfleischentzündung im Prämolarenbereich; sehr ausgeprägte Arthrosespuren am Kieferköpfchen (Pfeil); vgl. Abb. 39 (Foto: Michael Schultz).

Abb. 38: Rechter Unterkiefer in der Kauebenenansicht: mäßiger (Zahn 47) bis starker Zahnabrieb (Zähne 44 und 46); zwei große kariöse Defekte am ersten Molaren (Zahn 46); intravitaler Verlust des hinteren Prämolaren; Spuren ausgeprägter Zahnfleischent-zündung an allen Zähnen dieses Abschnitts (Foto: Michael Schultz).

28 Martin Nadler – Michael Schultz– Edith Oplesch – Jan Nováček

WirbelsäuleAlle Wirbelkörper haben sich sehr schlecht oder gar nicht erhalten. Dennoch kann eine Arthrose der Wirbelkörpergelenke in einigen Fällen nachgewiesen werden: In der unteren Brustwirbelsäule (Th11–-Th12) sowie in der mittleren Lendenwirbelsäule (L2–L4) finden sich Arthrosegrade von III–IV/III. Im Bereich der Wirbelbogengelenke sieht es ähnlich aus (Abb. 40): Halswirbelsäule (C7): Arthrosegrad IV/III–IV, ein linkes Bogenfragment (C5): oberer Gelenkfortsatz Arthrosegrad VI, unterer Gelenkfortsatz Arthrosegrad IV/V (Abb. 41); Brustwirbelsäule (obere und mittlere BWS): Arthrosegrade III/IV (Abb. 40); Lendenwirbel-säule (L1–L4): Arthrosegrade II–III/II–III. Aufgrund der etwas besseren Vollständigkeit können nur im Bereich der Kopfgelenke Bewertungsziffern (BWZ: krank von 2.0–6.0) vergeben werden: Im oberen Kopfgelenk (Articulatio atlantooccipitalis) nur rechts-seitig BWZ 3.0, im unteren Kopfgelenk (Articulatio atlantoaxialis) nur median BWZ 3.5 und linksseitig 3.0.

Auf den Innenflächen der Wirbelbögen von vier Brustwirbeln (Abb. 40) sowie besonders des ersten Kreuzwirbels (Abb. 42) sind unregelmäßig poröse Auflagerungen, kleine Platten, aber auch sehr eng umschriebene Einschmelzungsspuren zu erkennen, die offenbar in Zusammenhang mit einer Entzündung des Inhaltes des Wirbelkanals zu sehen sind. Der Prozess muss auf die Knochenhaut der Wirbelbögen übergegriffen und so zu den beschriebenen Neubildungen geführt haben. Auch die am rechten Rand des Hinterhauptloches zu beobachtenden, morphologisch ganz entsprechenden Veränderungen sind offenbar in einem kausalen Zusammenhang zu sehen. Es besteht der Verdacht auf eine spinale Entzündung, die möglicherweise auf eine Meningitis zurückgeführt werden kann.

BrustkorbObwohl die Rippen nur als relativ kleine Fragmente vorliegen, konnten sie ausreichend befundet werden. Krankheitsspuren (z. B. einer Rippenfellentzündung) wurden nicht nachgewiesen.

Abb. 39: Rechtes Kieferköpfchen mit Spuren einer sehr ausge-prägten Arthrose (Foto: Michael Schultz).

Obere ExtremitätAn den Knochen beider Arme waren nur leichte bis mittelstarke Arthrosespuren nachzuweisen. Vom Schultergürtel konnte nur das rechte Schulterhöhen-Schlüsselbeingelenk begutachtet werden, das Spuren einer sich noch im Anfangsstadium befindenden mäßigen Arthrose aufweist (Arthrosegrad: III/III). Das rechte Schultergelenk besitzt eine Arthrose-Be-wertungsziffer (BWZ) von 2.5 (leichte Arthrose), während sich an den Knochen beider Ellenbogenge-lenke (Abb. 20) für jeweils eine Gelenkeinheit eine Teil-BWZ – rechts von 4 und links von 3 – vermerken lässt (mittelstarke Arthrose). Im Radio-Ulnargelenk gibt es keine Seitenunterschiede (Arthrosegrade: II–III/II–III). Das linke obere Handgelenk besitzt eine BWZ von 3.0 (mäßige Arthrose im Anfangsstadium). Das rechte Daumenwurzelgelenk weist einen Arthrose-grad von IV/III, das linke von III/III auf, das linke Daumengrundgelenk einen Arthrosegrad von III/ IV (rechts nicht erhalten). Diese Werte (höher als Grad III) be legen eine gewisse Bewegungseinschränkung und lassen auf Schmerzen schließen. Die übrigen kleinen Hand- und Fingergelenke sind seitengleich und nur geringgradig erkrankt: Arthrosegrade: II–III/II.

Untere ExtremitätIn den großen Beingelenken finden sich Anzeichen für einige deutlich arthrotisch veränderte Gelenk-flächen: 1) Hüftgelenk: rechts BWZ 3.5, links BWZ 3.0 (Abb. 43); 2) Kniegelenk: a) Oberschenkel-Schien-beingelenk: rechts und links Arthrosegrade III–IV/III, 2b) Oberschenkel-Kniescheibengelenk: rechts und links Arthrosegrade II–III/II–III. Für das obere Sprunggelenk liegen nur wenige Werte des rechten Beins vor: Arthrosegrade II/II, während sich für das untere Sprunggelenk rechtsseitig sogar eine BWZ von 2.7, linksseitig Arthrosegrade von III/II–III nach weisen lassen (also eine etwa seitengleich, mäßig ausgebildete Arthrose im Anfangsstadium). Die kleinen Fuß- und Zehengelenke weisen ebenfalls nur geringgradige Arthrosespuren auf: Arthrosegrade: II–III/II.

Das große Fragment aus der unteren Schafthälfte des rechten Schienbeins wurde zur Überprüfung auf das Vorhandensein sogenannter Harris-Linien geröntgt (Abb. 15). Harris-Linien gelten als unspezifische Stress-Marker, die als strahlendichte, im Knochenschaft meist quer verlaufende, plattenartig ausgebildete, verstärkte Knochentrabekel radiologisch nachweis-bar sind und Linien eines verzögerten Längenwachs-tums re präsentieren. Derartige Linien wurden in dem Schienbeinfragment der Bestattung von Burgweinting nicht be obachtet, möglicherweise auch aufgrund dia-genetischer Einflüsse (vgl. Abb. 15).

An den Oberflächen des linken Oberschenkelbeins und beider Schienbeine finden sich Blutgefäßimpres-sionen, in deren unmittelbarer Umgebung meistens feine, strähnige Knochenneubildungen zu beobach-ten sind. Im dritten unteren Viertel des linken Ober-schenkelbeins ist eine relativ lange (min. 30 mm), gewundene, doppelt angelegte Gefäßimpression (Arte-rie und Vene) zu erkennen, die auf der Schaftaußen-

29Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

Abb. 40: Innenansicht der Bogenfragmente von vier Brustwirbeln (genaue Zuordnung unsicher): a) oberer Brustwirbel (ca. Th4–7): Pfeil = Spuren eines Entzündungsprozesses; b) oberer Brustwirbel (ca. Th5–8) : Pfeile = Spuren eines Entzündungsprozesses; c) mittlerer Brustwirbel (ca. Th8–10) : Pfeil bei „a“ = Arthrosespuren am Bogengelenk; Pfeile bei „b“ = Spuren eines Entzündungsprozesses; d) mittlerer bis unterer Brustwirbel (ca. Th9–12) : Pfeile bei „a“ = Arthrosespuren am Bogengelenk; Pfeile bei „b“ = Spuren eines Entzündungsprozesses (Foto: Michael Schultz).

fläche von der großen Knochenleiste auf der Schaft-hinterfläche (Linea aspera) herkommend nach außen verläuft (Abb. 44). Am linken Schienbein liegen auf der Außenfläche des unteren Schaftdrittels drei ein-fache Gefäßimpressionen (Abb. 45a) über eine Strecke von etwa 80 mm relativ dicht beieinander. Die Impres-sionen ziehen aus der hinteren Hälfte der Außenfläche zum Schienbeinvorderrand hin. Die obere Impres-

sion ist 16 mm, die mittlere 22 mm und die untere 13 mm lang. Alle drei Impressionen werden von einer sehr flachen, saumartigen Zone neugebildeten Knochens mit strähnigem Charakter (wohl neuge-bildeter Faserknochen) begleitet (Neubildung bei der oberen Impression insgesamt 5 mm, bei der mittleren 4 mm und bei der unteren 10 mm Breite: Abb. 45b). Ganz entsprechende Veränderungen sind am rechten

30 Martin Nadler – Michael Schultz– Edith Oplesch – Jan Nováček

Abb. 41: Bruchstück des Bogens eines unteren Halswirbels (wohl C5) mit ungewöhnlich starken Arthrosespuren (Pfeile): a) Ansicht von oben: linker oberer Gelenkfortsatz; b) Ansicht von unten: linker unterer Gelenkfortsatz; * = Loch im linken Querfortsatz für Wirbelsäulen-arterie; Pfeil bei „a“ = Wirbelkörperrest (Foto: Michael Schultz).

◄ Abb. 43: Rechter Hüftkopf mit Spuren einer deutlich ausgeprägten Arthrose (Foto: Michael Schultz).

◄ Abb. 42: Innenansicht des Bogenfragments des ersten Kreuzwirbels (S1): Pfeile = Spuren eines Entzündungsprozesses (Foto: Michael Schultz).

31Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

◄ Abb. 44: Schaftaußenfläche im unteren Drittel des linken Oberschen-kelbeins: relativ lange, gewundene, dop-pelt angelegte Gefäßimpression (Foto: Michael Schultz).

Abb. 45: Schaftaußenfläche im unteren Drittel des linken Schienbeins: a) Übersicht: drei einfach angelegte Gefäßim-pressionen (Pfeile 1–3) mit fla-chen, saum artigen Zonen neu-gebildeten Knochengewebes; b) Detail: untere Gefäßimpres-sion (Pfeil 3 in Abb. 45a); Zone des neugebildeten Knochenge-webes ist mit Pfeilen markiert (Foto: Michael Schultz). ►

Schienbein – allerdings nicht in derselben starken Aus-prägung – zu beobachten. Hier liegen in etwa in der-selben Höhe auf der Schaftaußenfläche zwei einfache Gefäßimpressionen: die obere verläuft über eine Länge von etwa 18 mm; die untere kann nur über wenige Millimeter verfolgt werden, da der Knochen an dieser Stelle abgebrochen ist. Auch die obere Gefäßimpres-sion (Abb. 46) wird von einer insgesamt etwa 6 mm breiten Schicht neugebildeten Knochens strähnigen Aussehens begleitet. In allen diesen Fällen handelt es sich um eine knochenbildende Reaktion der Knochen-haut in der unmittelbaren Umgebung der Gefäße, die zu einer „Aufmauerung“ der ursprünglichen Ober-fläche geführt hat. Ursache dieses Prozesses dürfte eine Entzündung der Gefäße mit einhergehendem Blutfluss

(Hämorrhagie) durch die entzündungsbedingt durch-lässig gewordene Gefäßwand gewesen sein. Derartige Prozesse können beispielsweise bei der Entzündung tiefer Beinvenen entstehen (Varikose: „Krampfadern“). Nach Organisation der umschriebenen kleinen Bluter-güsse ist es bei dem Burgweintinger Fall offenbar zu einer knöchernen Umbildung der im Organisations-zustand entstandenen Bindegewebsstrukturen gekom-men. Aufgrund der äußeren Morphologie ist anzuneh-men, dass es sich bei diesen Knochenneubildungen um Faserknochen handelt. Dies würde – zusammen mit dem übrigen makroskopischen Befund – auch dafür sprechen, dass der Prozess zum Todeszeitpunkt nicht vollständig ausgeheilt war und als chronisches Krank-heitsbild noch bestanden haben dürfte.

32 Martin Nadler – Michael Schultz– Edith Oplesch – Jan Nováček

◄ Abb. 46: Schaftaußenfläche im unteren Drittel des rechten Schien-beins: obere Gefäßimpression mit einer Zone neugebildeten Knochengewebes (Pfeile), (Foto: Michael Schultz).

Abb. 47: Schaftaußenfläche im unteren Drittel des rechten Schienbeins: sehr flache Eintiefung (Pfeile bei „a“) mit strähnigem Grund (liegt oberhalb der in Abb. 46 vorgestellten Gefäßimpression). Pfeile bei „b“ = Spuren postmortaler Zerstörung (Foto: Michael Schultz). ►

Am rechten Schienbein befindet sich etwa 18 mm oberhalb der zuvor beschriebenen großen Gefäßim-pression (Abb. 46) eine etwa 10x11 mm große, sehr flache Eintiefung mit strähnigem Grund, die bis an die Zwischenknochenmembran heranreicht und eine Knochennarbe repräsentiert (Abb. 47). Eine zweite, morphologisch ganz ähnlich beschaffene und etwa 5x20 mm messende Läsion liegt in derselben Höhe, allerdings auf der Schafthinterfläche. Möglicherweise besteht zwischen diesen Narben, bei denen es sich offen-bar um ausgeheilte lokale Entzündungsprozesse mit Substanzverlust handelt, und den zuvor be schriebenen Gefäßveränderungen ein kausaler Zusammenhang.

Zusammenfassung

Das hier vorgestellte, etwa 50–55 (60) Jahre alte Indi-viduum, dessen Geschlecht nicht sicher zu bestimmen war (Tendenz wohl weiblich), besaß ein graziles, gut repräsentiertes Skelet mit robuster innerer Knochen-struktur. Das tendenziell rechtshändige Individuum kann als relativ breitschulterig mit einer etwas unter–

mittelgroßen Körperhöhe beschrieben werden. Im frühen Kindesalter war das Individuum wenigstens zweimal – wohl im zweiten und im dritten Lebensjahr – unspezifischen Stresssituationen ausgesetzt, die einen kurzfristigen Wachstumsstillstand bewirkten.

Generell kann von einer relativ gut ausgebildeten beziehungsweise trainierten sowie meist seitengleich entwickelten Muskulatur ausgegangen werden. An zeichen einer ausgeprägten Muskel-Sehnenzerrung liegen nicht vor. Allerdings sind Spuren traumatischer Einwirkungen, die sich offenbar zu verschiedenen Zeitpunkten ereigneten, durchaus nachweisbar. So könnten die Zerrung der Zwischenknochenmembran am linken Unterarm möglicherweise zur gleichen Zeit stattgefunden haben wie die Bandzerrung im rech-ten unteren Schienbein-Wadenbeingelenk (Unfall?). Der Zustand dieser Bandmarken lässt auf einen Ent-stehungszeitpunkt von mehreren Jahren vor dem Tode des Individuums schließen, während die porös- strähnige Knochenauflagerung am rechten Waden-beinschaft offenbar deutlich jüngeren Ursprungs sind und mehrere Monate vor dem Tode des Individuums entstanden sein könnten. Die Ausformung des links-

33Die Michelsberger Hockerbestattung von Regensburg-Burgweinting – Archäologie und Anthropologie

seitig kräftiger ausgebildeten oberen Fersensporns erfolgte sicherlich viele Jahre vor dem Tod und könnte – dafür spricht die Asymmetrie – ebenfalls durch eine chronisch einwirkende, traumatische Belastung verur-sacht worden sein. Auch die Bandmarke an der ersten Rippe spricht für ein chronisches Überlastungsge-schehen, das schon Jahre vor dem Tod stattgefunden hatte.

Trotz des fortgeschrittenen Alters ist der Zustand der Gelenke als vergleichsweise gut zu bezeichnen; eine Ausnahme machen offenbar die Bogengelenke der Halswirbelsäule, die sehr starke Veränderungen aufweisen. Spuren degenerativ-entzündlicher Prozesse im Sinne einer leichten bis mittelkräftigen Arthrose sind auch an den Extremitätengelenken – in der Regel seitengleich – ausgebildet. Die Veränderungen sind aber altersgerecht. Das Arthrosemuster und die Arthrose intensität in den einzelnen Gelenken sprechen nicht dafür, dass das Individuum ein typischer Ange-höriger einer Ackerbauernpopulation gewesen ist.

Ein besonders auffälliger Befund konnte auf den Außenflächen der Schäfte beider Schienbeine sowie des linken Oberschenkelbeins erhoben werden: Blut-gefäßimpressionen, meist begleitet von strähnigen Knochenneubildungen, deuten auf das Vorliegen einer Entzündung der tiefen Venen hin.

Die auf der inneren Schädeldachinnenfläche zu beobachtenden, gut organisierten beziehungsweise verheilten Spuren einer mit Blutungen einherge-henden entzündlichen Hirnhautaffektion, die auch alle großen venösen Hirnblutleiter befallen hatte, finden im Bereich der Schädelbasis und der Innenfläche von vier Brust- und einem Kreuzwirbel offenbar ihre

Ent sprechung: Es besteht der Verdacht auf eine Ent-zündung der Hirnhäute im Hirn-Rückenmarksbereich. Bei dieser seltenen und in der Paläopathologie bisher so noch nicht beobachteten Form einer Erkrankung des Zentralnervensystems könnte es sich eventuell auch um die Todesursache gehandelt haben.

Spuren einer floriden Mangelerkrankung – wie bei-spielsweise chronischer Vitamin-C-Mangel (Skorbut) oder Vitamin-D-Mangel (Osteomalazie), Blutarmut (Anämie) – oder auch bestimmter Infektionskrank-heiten – wie beispielsweise Erkrankung der unteren Atemwege in Form einer Rippenfellentzündung – konnten nicht festgestellt werden. Hingegen fanden sich leichte bis sehr leichte Spuren, die auf eine abgeheilte linksseitige Mittelohrentzündung, auf eine chronische Entzündung der linken Stirnhöhle sowie des linken Tränennasenganges hinweisen. Dieser Befund zeigt uns, dass das Individuum offenbar primär an einer – für unsere heutige Zeit banalen – Er kältungskrankheit gelitten hatte, die sich dann offenbar besonders links-seitig verbreitete. Die möglicherweise mit diesen Ver-änderungen in Verbindung stehende Entzündung des harten Gaumens könnte allerdings auch auf den sehr schlechten Zahnstatus zurückzuführen sein. Zu Leb-zeiten verlorene oder abgestorbene Zähne, von Karies oder starker Abrasion angegriffene Zähne und ein großer Formreichtum apikaler Prozesse charakterisieren dieses Gebiss. Die starke Abkauung der Zähne findet möglicherweise eine Entsprechung in dem starken Ver-schleiß der beiden Kiefergelenke.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass sich dieses Indivi-duum in den letzten Jahren seines Lebens in einem ver-gleichsweise guten Gesundheitszustand befunden hatte.

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