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HAUSGESCHICHTEN
Bauen und Wohnen im alten Hall und seiner Katharinenvorstadt
herausgegeben von Albrecht Bedal und lsabella Fehle
Eine Ausstellung des Hällisch-Fränkischen Museums, des städtischen Hochbauamtes und des Stadtarchivs Schwäbisch Hall
Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen
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Vierhundert Jahre gelagert: Pflanzenreste in Decken und Wänden
Botanische Dokumente zu Ernährung, Landwirtschaft und Landschaft aus der Langen Straße 49
von Manfred Rösch, Sabine Karg und Marion Sillmann
Als im Jahre 1988 das Kleinhaus lANGE STRAssE 49 baugeschichtlich-archäologisch untersucht wurde, entdeckte man zahlreiche Pflanzenreste. Sie lagerten in Fehlböden- den Hohlräumen zwischen den Decken des unteren und den Dielenbrettern des oberen Geschosses und zwischen den tragenden Deckenbalken (Abb. 1) -oder in Wandfüllungen, oder waren um Wellerhölzer in _den Wänden gewickelt. Das Haus Nummer 49 wurde 1470 erbaut und später mehrmals umgebaut und erweitert. Das pflanzliche Material stammt also aus einem Zeitraum, der vom ausgehenden Spätmittelalter bis in das 18. Jahrhundert reicht. Pflanzenteile, die im Erdboden zurückgeblieben sind, werden unter Witterungseinfluß rasch mikrobiell abgebaut, lediglich verkohlte Teile bleiben erhalten; unverkohlte Teile wie hartschalige Früchte und Samen halten sich nur bei ständiger Wasserbedeckung im Grundwasserbereich. in den Decken und Wänden der lANGEN STRASSE 49 jedoch lagen ganz andere Bedingungen vor: Das bei der Einlagerung bereits getrocknete Material blieb, da es den Witterungseinflüssen entzogen war, in getrocknetem Zustand und ohne mechanische Zerstörung durch Bodenbewegungen erhalten. Mikrobieller Abbau unterblieb vollständig. Damit lagen optimale Erhaltungsbedingungen vor, die mit denen in einem Heuschober oder in einem botanischen Herbarium vergleichbar sind. Die wissenschaftliche Bedeutung der Qualität und Aussagefähigkeit des geborgenen Materials kann daher nicht hoch genug eingeschätzt werden. Aufgrund ihrer Reichhaltigkeit ist eine umfassende botanische Bearbeitung dieser Funde aber ein sehr aufwendiges Unterfangen, das bislang nicht durchgeführt werden konnte. Die nachfolgenden Ausführungen stützen sich daher nur auf eine vorläufige Durchsicht eines Teils der Proben, der im Labor für Archäobotanik des Landesdenkmalamts Baden-Württemberg in Hemmenhafen lagert. Eine Artansprache derjenigen Pflanzenreste, die schwierig und nur durch Herbarvergleiche oder aufwendige Untersuchungen zu bestimmen sind, mußte vorläufig unterbleiben. Dennoch konnten aus dem gefundenen Material bereits rund 100 Arten nachgewiesen werden, was wiederum die hervorragende Beschaffenheit und die herausragende Bedeutung des Materials unterstreicht.
1 Fehlboden im Haus Lange Straße 49 in Schwäbisch Hall zu Beginn der Untersuchung. Die Dielen des Fußbodens wurden abgenommen; darunter ist deutlich die aus Pflanzenteilen bestehende Gefachfüllung zwischen den Deckenbalken zu erkennen.
Die sieben gesichteten Proben stammen alle aus dem gleichen Fehlboden (Abb. 2) und zwar aus unterschiedlichen Gefachen. Nach Auskunft von Herrn Christian Schaetz, der die Untersuchungen vor Ort leitete, erfolgte die Füllung des Fehlbodens aufgrunddatierender Funde und baugeschichtlicher Hinweise im späten 16., allenfalls im frühen 17. Jahrhundert (vergleiche dazu den entsprechenden Katalogbeitrag ,,zur Geschichte eines •Schandflecks<«.). Vermutlich wurde bei einer Erneuerung der Dielenbretter an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert der in dem Raum lagernde Kehricht und Abfall in den Fehlboden geworfen. Dabei handelte es sich offenbar großenteils um Reste von Nahrungs- und Nutzpflanzenvorräten. Ein nachträgliches Eindringen einzelner, vor allem kleinerer Teile durch die Ritzen zwischen den Dielenbrettern istjedoch ebensowenig mit Sicherheit auszuschließen wie stärkere, jüngere Verunreinigungen im Zuge nicht bekannter Reparaturarbeiten am Fußboden. Die Masse der Pflanzenreste ist jedoch mit einiger Sicherheit rund vierhundert Jahre alt. Neben dem Material aus der lANGEN STRASSE 49 werden im Labor für Archäobotanik des Landesdenkmalamtes derzeit noch Pflanzenreste von der Ausgrabung in der ZoLLHOTTENGASSE 18 in Schwäbisch Hall untersucht. Es handelt sich um Überreste von menschlichen Fäkalien
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2 Detailaufnahme der Fehlbodenfüllung vor dem Beginn des schichtweisen Abbaus.
und Abfällen aus einer Latrine, die Hinweise zur pflanzlichen Ernährung liefern können; die Bearbeitung ist noch im Gange. (Siehe dazu auch den Beitrag von Uwe Gross »lrdenware und grünes Glas in der Latrine« in diesem Katalog.) Als dritte Haller Fundstelle, von der zur Zeit Pflanzenfunde untersucht werden, ist der Platz >>Hinter der Post« zu erwähnen. Dort wurde im Herbst 1993 Material aus Siedlungsschichten des Mittelalters und aus keltischer Zeit durch Bohrungen und Aufschlüsse geborgen. Die nachfolgende vorläufige Auswertung der momentan aus der LANGEN STRASSE 49 vorliegenden Pflanzenreste verzichtet auf eine befundbezogene oder chronologische Differenzierung des Materials. Die gefundenen Pflanzenarten wurden in funktionale Gruppen eingeteilt (Tabelle im Anhang). Diese Einteilung bezieht sich auf die übliche Verwendung oder die Herkunft der Arten. Wenn eine Art in einer der sieben untersuchten Proben gefunden wurde, dann ist das in der Tabelle durch ein Kreuz vermerkt. Eine quantitative Auswertung unterblieb bisher aus zeitlichen Gründen.
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Die wichtigsten Getreidearten: Roggen und Dinkel
Die erste Funktionsgruppe sind Getreidesorten. Mengenmäßig spielen sie im Material eine große Rolle: Acht Getreidearten wurden gefunden. Davon sind Roggen und Dinkel mit weitem Abstand am häufigsten. Bei den Stückzahlen ist das noch deutlicher als bei den Stetigkeiten (sie entspricht der Anzahl der Kreuze in Tabelle 1 ). Roggen lag in Form von ausgedroschenen Ähren vor, Dinkel in Form von ausgedroschenen Veesen (Ährchen) (Abb. 3). Vom Dinkel wurden außerdem einige wenige Körner gefunden. Diese Unterschiede erklären sich aus der unterschiedlichen Behandlung des Ernteguts: Roggen wurde in der Frühen Neuzeit mit der Sense bodennah geerntet und zu Garben gebunden. Beim Dreschen fielen die reifen Körner aus, wurden abgesondert und bis zur Weiterverarbeitung gelagert. Die leeren Ähren verblieben ganz am Halm und waren Bestandteil des Roggenstrohs, eines früher sehr begehrten Rohstoffs: Roggenstroh ist sehr lang und zäh. Vermutlich blieben die leeren und mehr oder weniger nutzlosen Ähren auf dem Boden zurück, nachdem man K~rner und Stroh entfernt hatte. Da keine Roggenkörner gefunden wurden, ist anzunehmen, daß die Ähren wohl noch am Halm, aber ausgedroschen eingelagert waren (Abb. 4). Dinkel zerfällt beim Dreschen in die Ährchen, welche noch die Körner enthalten. Die Lagerung des Dinkels erfolgte bis zum Mahlen in diesen Ährchen- so war das Korn vor Parasitenbefall geschützt. Erst beim Mahlen werden die Spelzen von den Körnern getrennt. Das erfolgt durch einen der Mühle vorgeschalteten Gerbgang. Für effiziente Verarbeitung von Dinkel sind also Mühlen mit Gerbgang erforderlich. Die dabei abfallenden leeren Ährchen stellten ehemals einen wertvollen Rohstoff dar; er wurde beispielsweise zur Füllung des Spreuersacks benutzt, der vielen Generationen unserer Vorfahren als Schlafunterlage diente- und dies nicht nur bei der einfachen Bevölkerung. So ruhte der Kopf eines frühverstorbenen Kleinkindes in der Gruft der Grafen von Sulz in Tiengen am Hochrhein im frühen 17. Jahrhundert auf einem Kissen, das mit Dinkeldrusch gefüllt war. ln Schwäbisch Hall wurden die leergedroschenen Dinkelährchen vermutlich in dem Raum über dem Fehlboden gelagert; Reste davon gelangten in den Fußboden. Körner von Saatweizen (Abb. 5) und Ährchen des Saathafers traten nur sporadisch auf. Noch seltener waren Gerste (Abb. 6) und Rispenhirse. Von der Kolbenhirse und vom Mais wurde je ein Korn gefunden. Aus dieser Rangfolge läßt sich nur bedingt auf die wirtschaftliche Bedeutung der Getreidearten schließen- aber immerhin scheinen die Wintergetreide Roggen und Dinkel die Haupt-Brotgetreide gewesen zu sein.
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3 Ährenstück des Dinkels (Triticum spelta, wahre Länge 3,5 Zentimeter). Man erkennt die aus Spindelgliedern zusammengesetzte Ähre. Abwechselnd links und rechts sitzen an den oberen Enden der Spindelglieder die Ährchen; sie sind ausgedroschen und bestehen nur noch aus Spelzen. Diese weitgehend intakte Ähre ist ein Sonderfall. ln den meisten Fällen waren die Ähren an den Spindelgliedergrenzen zerbrochen, was schon beim Dreschen passiert sein dürfte. Solche leeren Dinkelährchen stellten die häufigsten Getreidereste in diesem Fund dar.
4 Roggenähren (Seca/e cereale, wahre Länge 12,5 und 6,5 Zentimeter) ohne Körner, mit kurzen Halmfragmenten. Die Länge der Ähren variiert stark. Roggenähren waren nach dem Dinkel im Material am zweithäufigsten. Roggen wurde wie Dinkel in der Dreifelderwirtschaft im Winterfeld angebaut.
Die bei der Dreifelderwirtschaft im Sommerfeld angebauten Hafer, Gerste und Rispenhirse sind wahrscheinlich untervertreten. Kolbenhirse und Mais spielten keine große Rolle; vermutlich wurden sie nicht als Feldfrüchte, sondern in den Gärten angepflanzt. Der Nachweis von Mais verweist die betreffende Probe in die Neuzeit. Mais stammt aus Amerika und gelangte im frühen 16. Jahrhundert nach Europa. Er wurde zunächst in klimatisch begünstigten Gebieten in Gärten angebaut und erlangte erst im 19. Jahrhundert in der Landwirtschaft größere Bedeutung. Immerhin sind also im Fundmaterial aus der LANGEN STRAssE 49 acht von elf in der frühen Neuzeit gebräuchlichen Getreidearten vertreten: Es fehlen lediglich Einkorn, Emmer und Reis.
01- und Faserpflanzen und die Hülsenfrüchte
Ölpflanzen spielen bei den Funden mengenmäßig nur eine untergeordnete Rolle. Drei Arten konnten erfaßt werden: der Gebaute Lein, der zugleich eine Faserpflanze ist {Abb. 9), der Schlafmohn und die Sonnenblume. Am häufigsten trat der Lein auf und zwar in Form
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5 Ähren des Saatweizens (Triticum aestivum, wahre Länge 5,5 Zentimeter). Sie waren im Fundmaterial ziemlich selten. Am linken Exemplar sind noch Reste von Grannen zu erkennen. Saatweizen spielte in Deutschland -von einigen klimatisch besonders begünstigten Gebieten wie der Oberrheinebene abgesehen - bis in die späte Neuzeit nur eine unbedeutende Rolle. Seine Anbaufläche in Baden-Württemberg überflügelte erst in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts die des Dinkels; die des Roggens wurde erst in den fünfziger Jahren übertroffen.
6 Ährenspindei-Teile der Gerste (Hordeum vulgare, wahre Länge eines Spindelglieds 3,5 Zentimeter). Vermutlich handelt es sich um eine vierzeilige Nacktgerste. Gerste wurde in Europa in historischer Zeit kaum als Brotgetreide angebaut, sondern vor allem zum Bierbrauen oder als Viehfutter. Heute wird als Braugerste ausschließlich die Zweizeilige Gerste verwendet.
leerer, ausgedroschener Kapseln. Samen waren selten. Vom Schlafmohn wurde eine leere Fruchtkapsel {Abb. 8) gefunden, von der Sonnenblume eine Achäne, ein Kern {Abb. 1 0). Während Lein und Schlafmohn seit der Jungsteinzeit gebräuchliche Kulturpflanzen sind, stammt die Sonnenblume ebenfalls aus Amerika und wurde im 16. Jahrhundert in Europa eingeführt: Sie wuchs vor allem in Bauerngärten zunächst als Zierpflanze. Der feldmäßige Anbau als Ölpflanze nahm erst im 19. Jahrhundert in Rußland einen starken Aufschwung. Hülsenfrüchte {Abb. 7 a und b) fanden sich zwar regelmäßig, jedoch in begrenzten Stückzahlen: vorwiegend in Form leerer Hülsen, zum Teil auch in Form von Samen. Dabei waren die vier Arten Ackerbohne, Erbse, Linse und Gartenbohne etwa gleich häufig. Erbse und Linse sind alte, seit der Jungsteinzeit bekannte Kulturpflanzen. Die Ackerbohne wird seit der Späten Bronzezeit in Mitteleuropa angebaut; heute verwendet man sie nur noch als Viehfutter. Dagegen ist die bei uns gebräuchliche Gartenbohne wiederum ein Neuankömmling aus Amerika und erst seit dem 16. Jahrhundert bei uns bekannt. Erbse, Linse und Ackerbohne wurden bei der Dreifelderwirtschaft im Sommerfeld angebaut: teilweise vermischt
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mit Sommergetreide, mit dem sie dann auch gemeinsam geerntet und weiterverarbeitet wurden- zum Beispiel als »Linsengerst«.
Gemüse aus spätmittelalterlichen Gärten
Die Gruppe der in Gärten angebauten Gemüse- und Salatpflanzen ist zwar nicht mengenmäßig, aber gemessen an der Zahl der gefundenen Arten besser vertreten, als dies bei Feuchtüberlieferungen aus Latrinen und Gruben üblicherweise der Fall ist. Zehn dieser Pflanzenarten wurden gefunden. Bezogen auf die Stetigkeit waren die zweistacheligen Früchte des Spinats (Abb. 11) am häufigsten. Der Spinat stammt aus Asien und wurde von den Arabern als Nutzpflanze in Europa über Spanien
Zeugnisse vom Essen und Trinken im alten Hall
Fast alle pflanzlichen Nahrungsmittel, deren Überreste im Kleinhaus Lange Straße 49 gefunden wurden, stammen aus dem Gartenanbau. Was nicht im Garten angepflanzt oder durch Viehhaltung herbeigeschafft werden konnte, kauften die Stadtbewohner - wenn sie es sich leisten konnten - auf den Märkten und in den Schrannen. Die Zollordnung von 1500 vermittelt eine Vorstellung vom damaligen Warenangebot Wein, Salz, Getreide, Nüsse, Kastanien, Quitten, Äpfel, Birnen, Butter, Schmer, Krämerei (Gewürze und Kräuter), Honig, Heringe, Brot, Rüben, Kraut und Eier. Für die verschiedenen Waren gab es vor 1728 in Hall den Fischmarkt, den Grasmarkt, den Milchmarkt und den Rindermarkt, heute als Holzmarkt bekannt. Fleisch wurde im alten Rathaus angeboten, Brot in der benachbarten Kanzlei (StAH, 5/527). Jedoch spiegeln sich auch in der Ernährung Standeszugehörigkeit und materielle Verhältnisse wieder. So war die Kost der einfachen Leute weniger abwechslungsreich als die der Reichen (vgl. Gartenbau und Ernährung im alten Hall, Katalog des Hällisch-Fränkischens Museums, Schwäbisch Hall 1987). Ihre Ernährungsgrundlage waren Getreidebreie; Fleisch, Wild und Fisch standen seltener als bei den privile-
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• ••• ' 7 a Erbsen (Pisum sativum, oben, Originalgröße 6 Millimeter). Ackerbohne (Vicia faba, Mitte, Originalgröße 13 x 9 Millimeter) und Gartenbohne (Phaseolus vulgaris, unten, Originalgröße bis 16 x 8 Millimeter)
gierten Schichten auf dem Tisch. Auch Weißbrot, für das man feingemahlenes Getreide und Treibmittel benötigte, war keine Alltagskost; üblich war dunkles Brot aus grob geschrotetem Roggen. Auskunft über die Ernährung ärmerer Bürger kann uns die Spitalordnung von 1484 (StAH, 5/1686) geben - das Hospital zum Heiligen Geist diente als städtische Einrichtung zur Armenfürsorge und Krankenpflege. Hauptbestandteile der Mahlzeiten bildeten Suppen, Brei, Roggenbrot, Gemüse und Fleisch. Weißbrot, Schons Brot- schönes Brot - genannt, Wurst und Milchprodukte gab es nur an bestimmten Tagen, Obst und Gewürze, mit Ausnahme von Pfeffer, werden gar nicht erwähnt. Einheimischer Wein und Milch waren die wichtigsten Getränke. Die Spitalordnung macht außerdem deutlich, daß die Ernährung früher sehr stark bestimmten Rhythmen unterlag: Wochen- und Feiertage sind unterschieden, der Speiseplan richtet sich nach den Jahres- und Fastenzeiten. Auch die Rechnungen des Spitals enthalten Angaben zu Nahrungsmitteln (StAH, H2). So wurden in den Jahren 1604 bis 1606 Rind-, Kalb- und Schweinefleisch, Schmalz und Fische (Barben und Grundeln) eingekauft. Außerdem werden Ausgaben für Hühnerfutter aufgeführt- man hielt also im Spital Geflügel. An pflanzlichen Nahrungsmitteln sind Hirse, Erbsen und Linsen, daneben Äpfel, Grünkraut und verschiedene Getreide (Hafer, Dinkel, »Korn«) vermerkt. Wein und Bier waren die eingekauften Getränke.
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7 b) Ackerbohne (links) und Gartenbohne (rechts), Detailaufnahme. Bei der Ackerbohne sitzt der Nabel an einem schmalen Ende, bei der Gartenbohne in der Mitte der konkaven Längsseite. Erbse und Ackerbohne wurden bei der Dreifelderwirtschaft hauptsächlich im Sommerfeld angebaut, die Gartenbohne wuchs ausschließlich in Gärten.
Gonfeet (?) und wurz, Kümmel und Salz sind noch gesondert genannt. Die Ernährungsgewohnheiten der ärmeren Schichten blieben vom Mittelalter bis zum Ende des 16. Jahrhunderts offenbar ähnlich. 1599 etwa sollte aus den Einkünften einer Stiftung den armen Internatsschülern der hiesigen Lateinschule auch morgens eine warme Mahlzeit bereitet werden, die aus Brotpfeffer, Weiß- oder Grünkraut, Erbsenbrei, Suppe, Hirsebrei, Linsen, Gerste und Dinkel bestand. (Dekanatsarchiv, Depositum im StAH, Nr. 78m). Für den Nahrungsmittelkonsum der städtischen Oberschicht liegt uns mit dem Rechnungsbuch (1468-1507) der Brüder Daniel und Gilg Senft eine Quelle vor (StAH, 4/5380). Im Vergleich mit der Ernährung der weniger Wohlhabenden bot der Speiseplan der Senfis viel mehr Abwechslung: Genannt wird frisches Obst, darunter Äpfel, Birnen, Trauben, Erdbeeren, Pflaumen und Pfirsich; Speck, Schwein und Geflügel waren die tierischen Nahrungsmittel. Außerdem sind neben einheimischen auch ausländische, teure Gewürze vertreten; sie dienten nicht nur der geschmacklichen Verfeinerung der Speisen, sondern galten als Statussymbole. Als Getränk wird -neben Milch und Wein - Bier erwähnt, das in das damalige Weinbaugebiet Hall eingeführt werden mußte. Ein 1650 erstelltes Verzeichnis des Nürnberger Warenzolls (StAH, 5/527) nennt zahlreiche Gewürze und Heilmittel, die nach Hall geliefert wurden: Safran,
eingeführt. Der Dominikanermönch und Gelehrte Albertus Magnus erwähnte ihn erstmals im 13. Jahrhundert. Im 16. Jahrhundert wurde er in Deutschland in den Gärten allgemein als Gemüsepflanze angebaut. Ebenfalls gut vertreten sind trockene Häute der Küchenzwiebel (Abb. 8 und 12) und Schoten, also die Fruchthüllen des Gartenrettichs. Die Küchenzwiebel war als Nahrungspflanze bereits im alten Ägypten bekannt und beliebt. Aus der Zeit des ägyptischen >>neuen Reiches« in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrtausends v. Chr. gibt es Funde von ganzen Zwiebelbündeln als Beigaben in Gräbern. Aufgrund schriftlicher Quellen kann man annehmen, daß die Römer die Zwiebel nach Mitteleuropa brachten. Die archäobotanische Überlieferung ist schlecht, da unter normalen Erhaltungsbedingungen nur minimale Nachweischancen bestehen. So lag aus Europa für die Küchenzwiebel bisher nur ein Nachweis
Pfeffer, Ingwer, Alaun (ein Salz), Galgant (getrocknete Wurzelstücke von lngwergewächsen), Mandeln, Pariskörner (?), Rhabarber, Johannisbrot (Hülsenfrucht aus Asien), Feigen, Kalmus (würziges Aaronstabgewächs), Kümmel, Lorbeer, Majoransamen, Rosinen und Zwetschgen. Die Rechnungen des nahe Hall gelegenen Chorherrenstifts Comburg geben ebenfalls Aufschluß über den Lebensstandard privilegierter Gruppen. Um 1600 fällt auch hier vor allem die große Vielfalt der Nahrungsmittel auf (StAH, H 1/1, H1/2, H 1/3). Sie kam vor allem durch exotische Importe zustande: allerley Gewürz und Confecten, Mandeln, Zimt, Koriander, Lebküchlein, Ingwer und Zibeben (Rosinen). Die fleischliche Kost bestand aus Schwein, Rind und Kalb, aus Hammel und Spansäulin. An Geflügel sind alte und junge Hühner, Gans und Kapaun genannt. Anläßlich der Bewirtung eines Domprobstes wurden neben Bückling auch Hammel-, Kalb- und Rindfleisch und Geflügel, außerdem Holländischer Käse und Eierkuchen aufgetragen. Käse, Fisch, Zucker und Mandeln besorgten sich die Stiftsherren beim Tücher und Krämer; in der Apotheke wurden etliche arzneiung medicorum und die Gewürze Pfeffer, Ingwer, Zimt, Safran, daneben Oliven, Olivenöl (Baumöl genannt), Weinbeeren, ebenfalls Mandeln und sogar Zitronen (Lemonien) erstanden.
Claudia Scheller-Schach
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8) Von links nach rechts: Kapsel des Schlafmohns (Papaver somniferum, wahre Länge 3 Zentimeter). Schlafmohn wurde seit der Jungsteinzeit als Ölpflanze angebaut. Da aus dem Milchsaft der unreifen Kapseln Opium gewonnen werden kann, fällt sein Anbau unter das Rauschminelgesetz. Knoblauchzehe (A/Iium sativum, wahre Länge 24 Millimeter). Knoblauch war als Gewürz oder Gemüse schon in den alten Hochkulturen des Orients bekannt.
9 Bruchstücke von Leinkapseln (Linum usitatissimum) ohne Samen (Originalgröße: 6 Millimeter). Lein wird seit der Jungsteinzeit angebaut. Man unterscheidet zwei Formen: den Öllein, der heiße, trockene Klimata bevorzugt, und den Faserlein, dem ein gemäßigtes Klima wie das mitteleuropäische gut bekommt. Auch bei dem letzteren sind die Samen zu Nahrungszwecken und zur Ölgewinnung nutzbar.
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Küchenzwiebel (AIIium cepa, Originaldurchmesser 13 Millimeter). Zwiebeln so geringer Größe wie das hier gefundene Exemplar verwendet man meist als Steckzwiebeln. Man kennt die Zwiebel bereits aus bildliehen Darstellungen und Grabbeigaben im alten Ägypten. Hagebutte (Rosa canina, wahre Länge 27 Millimeter). Hagebutten waren seit der Jungsteinzeit ein begehrtes Sammelobst. Noch heute werden sie zur Bereitung von Marmelade, Tee oder Fruchtwein verwendet.
aus der Tschechoslowakei aus dem 15. Jahrhundert vor. Anbau und Verwendung des Rettichs wurden erstmals von griechischen Autoren erwähnt. Im frühmittelalterlichen Deutschland zog man ihn in Klostergärten. Der Name »retich•• wird erstmals von Hildegard von Bingen im 12. Jahrhundert erwähnt. Die bisherigen archäobotanischen Quellen beschränken sich auf einen Nachweis für das 16. Jahrhundert in Braunschweig. Nur jeweils eine Probe wurde von Sellerie (Abb. 13), Gemüsekohl, Pastinake (Abb. 14}, Kopfsalat (Abb. 15), Gelber Rübe (Abb. 16), Schildampfer und Echtem Feldsalat gefunden. Der Sellerie stammt von den Küsten des Mittelmeeres. Belege für seine Nutzung liegen aus dem alten Ägypten vor. Neuere Funde in Ufersiedlungen am Zürichsee zeigen jedoch, daß Sellerie bereits in der Jungsteinzeit nach Mitteleuropa eingeführt wurde. Ab der Römerzeit liegen zahlreiche Funde vor, die eine intensive Nutzung belegen.
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10 Sonnenblumenkern (Helianthus annuus, Originallänge 11 Millimeter). Die Sonnenblume stammt aus Amerika und wurde zunächst nur als Zierpflanze in Gärten gezogen. Erst im 19. Jahrhundert begann, ausgehend von Rußland, ihr Aufstieg als Wirtschaftspflanze.
12 Zwiebelhäute der Küchenzwiebel (AIIium cepa, Originalgröße 6 x 6 und 10 x 3 Millimeter). Während es sich bei dem Exemplar von Abb. 8 um eine Steckzwiebel handelt, dürften diese Häute von größeren Exemplaren stammen, wie sie in der Küche verwendet wurden.
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11 Früchte des Spinats (Spinacia oleracea, Originalgröße 8 Millimeter von Stachelspitze zu Stachelspitze). Von den Arabern nach Spanien eingeführt, gelangte der Spinat von dort zu uns und war seit dem 16. Jahrhundert als Gartengemüse verbreitet.
13 Frucht des Sellerie (Apium graveolens, Originallänge 2 Millimeter). Der Sellerie war schon in den alten Hochkulturen als Kulturpflanze gebräuchlich und wurde möglicherweise in der Jungsteinzeit bei uns eingeführt. Drei Kulturformen sind heute bekannt: Beim Knollensellerie wird der Wurzelstock genutzt, beim Bleichsellerie die Blattstiele und beim Schnittsellerie - ähnlich wie bei der Petersilie - die Blätter.
14 Teilfrucht der Pastinake (Pastinaca sativa, Originallänge 6,5 Millimeter). Dieser gelbblühende Doldenblütler ist in Staudenfluren und an Wegrändern in Ortschaften verbreitet und wurde früher als Wurzelgemüse angebaut. Diesbezüglich genießt er heute im Vergleich zur Gelben Rübe nur noch geringe Wertschätzung.
15 Frucht des Kopfsalats (Lactuca sativa, Originalgröße 3,2 Millimeter). Im Gegensatz zu den Früchten des wilden Kompaßlattichs sind die des Kopfsalats etwas größer, haben mehr Rippen und eine glattere Oberfläche. Der Kopfsalat hat seinen Ursprung als Kulturpflanze im alten Ägypten.
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16 Fruchtstand (16a) und Teilfrüchte (16b) der Gelben Rübe (Daucus carota, Originalgröße 4 x 6 Zentimeter und 3 x 1,5 Millimeter). Die bei uns heimische Stammform der Wilden Möhre und die Kulturformen der Gelben Rübe sind nahe verwandt und anhand der gefundenen Fruchtstände nicht unterscheidbar.
Kohl wird heute in verschiedenen Varietäten angebaut. Der wilde Kohl ist ebenfalls eine Pflanze der Küste, hauptsächlich der des Mittelmeeres. Dort wurde die Pflanze schon früh in Kultur genommen, denn antike Autoren erwähnen sie seit dem dritten Jahrhundert v. Chr. Schon früh kannte man verschiedene Formen des Kohls: ln den Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts wurden Kohlsorten abgebildet, die etwa unserem heutigen Kopfkohl (in den üblichen Sorten Weiß-, Rot und Spitzkohl), Grünkohl, Kohlrabi und Blumenkohl entsprochen haben dürften. Die Wilde Möhre als Stammform der Gelben Rübe ist eine einheimische Pflanze, die vor allem an trockenen Ruderalsteilen vorkommt: an verhältnismäßig nährstoffreichen Standorten, die unter dauerndem menschlichen Einfluß stehen und zeitweise pflanzenarm sind. Zu den Ruderalsteilen zählen Müllhalden, Abfallhaufen, Hofplätze und Trümmerstellen, im weiteren Sinne auch Feldraine, Wegränder und Brachfelder. Da die Früchte der Wilden Möhre von denen der Gelben Rübe nicht zu
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unterscheiden sind, weiß man nicht, wann die Pflanze zuerst kultiviert wurde. Vermutlich geschah das nicht hier, sondern im Mittelmeergebiet in Vorder- und Mittelasien. Die heutigen Zuchtformen lassen sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Der Kopfsalat wurde vermutlich im alten Ägypten aus dem Kompaßlattich - einer auch bei uns wild an trockenen Ruderalsteilen vorkommenden Pflanze- gezüchtet und wohl von den Römern in unsere Breiten eingeführt. Botanische Belege sind rar, denn der Kopfsalat wird vor der Fruchtreife verspeist. So haben seine Früchte kaum Chancen, in Latrinen zur Ablagerung zu gelangen. Bislang wurde nur ein Nachweis für Kopfsalat in Dänemark für das 13. bis 14. Jahrhundert gefunden. Beim Kopfsalat
17 Wacholderbeeren (Juniperus communis, Originalgröße 5 bis 6 Millimeter). Wacholderbeeren wurden schon im Mittelalter als Gewürz verwendet. Sie mußten nicht angebaut, sondern konnten wild gesammelt werden, denn Wacholder war in den durch Beweidung und Übernutzung gelichteten Wäldern und Heiden des Mittelalters und der Frühen Neuzeit häufig. Wie die zahlreichen Wacholdernadeln zeigen, dürften die hier gefundenen Beeren mit Zweigen ins Haus gebracht worden sein und waren daher nicht unbedingt für eine Nutzung als Gewürz vorgesehen.
18 Teilfrüchte des Kümmels (Carum carvi, Originallänge 4,5 Millimeter). Kümmel als Gewürz wurde meist wild in Wiesen gesammelt. Wahrscheinlich war er schon den Römern bekannt.
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19 a Trockenstrauß der Weinraute (Ruta graveo/ens) .
19 b Detailaufnahme. Die Pflanzen wurden zur Zeit der Fruchtreife gepflückt und zum Trocknen gebündelt. Vielleicht hat man diesen Weinrautenstrauß vergessen und später als nutzlos in den Fehlboden geworfen. Bei der Weinraute werden Sproß und Blätter der blühenden Pflanze verwendet. Vermutlich war der Trockenstrauß dazu vorgesehen, Saatgut zu gewinnen.
20 Tragblätter und Frucht des Hopfens (Humulus lupu/us, Originallänge bis 22 Millimeter). Der Hopfen diente, zunächst wild in Auenwäldern und deren Verlichtungen gesammelt, seit dem frühen Mittelalter als Bierwürze. Seit dem 9. Jahrhundert sind auch Hopfengärten urkundlich belegt. Diese gewannen mit dem Durchbruch des Hopfens als alleiniger Bierwürze in der Frühen Neuzeit an Bedeutung. Es werden nur weibliche Pflanzen angebaut, bei denen die Tragblätter der Blüten aus Drüsen die Bitterstoffe Humulon und Lupulon ausscheiden; diese Stoffe haben eine bitter-sedative, antibiotische und Östrogene Wirkung.
unterscheidet man die Varietäten Bindesalat, Schnittsalat, Pflücksalat und Kopfsalat im engeren Sinne. Die Pastinake ist eine einheimische Pflanze, die hauptsächlich an frischen Ruderalsteilen gedeiht. Als Nahrungspflanze - nämlich als Wurzelgemüse - ist sie heutzutage nur noch wenig gebräuchlich. Da die Früchte von Wild- und Kulturform nicht unterscheidbar und in den schriftlichen Quellen Verwechslungen mit anderen genutzten Doldenblütlern möglich sind, ist der Zeitpunkt der lnkulturnahme schwer festzustellen. Erst die Kräuterbücher des 16. Jahrhunderts mit ihren naturgetreuen Abbildungen liefern sichere Belege für ihre Kultivierung. Der Schildampfer wird auch Römischer oder Französischer Sauerampfer genannt. Er kommt natürlich, also unkultiviert, auf Stein-Schutthalden in Europa, West-
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asien und Nordafrika vor. Daß er bereits von den Römern als Gemüsepflanze genutzt wurde, belegen Fruchtfunde außerhalb seines natürlichen Verbreitungsgebietes in einem römischen Brunnen in Welzheim. Über seine Kulturgeschichte im Mittelalter und in der Neuzeit ist man nur unzulänglich unterrichtet. Heute ist er als Nahrungspflanze kaum mehr gebräuchlich. Der Echte Feldsalat ist eine einheimische Pflanze, die ursprünglich in Felsrasen beheimatet war. Seit der Jungsteinzeit eroberte er sich auf Äckern und an Ruderalsteilen neue Standorte, und seitdem liegen auch archäobotanische Nachweise vor. Er wurde zunächst nur auf den Feldern gesammelt und erst nach 1700 in Gärten gezogen.
Wilde und kultivierte Heil- und Gewürzpflanzen
Pflanzen, die als Gewürze genutzt wurden, sind ebenfalls durch zehn Arten vertreten. Am häufigsten ist der Wacholder (Abb. 17). Von ihm wurden Beeren, Zweige und Nadeln gefunden. Wacholder ist ein einheimisches Gehölz. ln der Späteiszeit vor der Wiederbewaldung Europas war er häufig und bildete Pioniergebüsche. ln der Nacheiszeit wurde dieser lichtbedürftige, konkurrenzschwache Strauch auf Extremstandorte wie Felsen abgedrängt und kam nur noch sehr selten vor. Nachdem die Menschen insbesondere im Mittelalter die Wälder zerstört hatten, konnte er sich wieder stark ausbreiten. So wurde er zur charakteristischen Pflanze für die Heidegebiete Nordwesteuropas und die Steppenheiden der
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21 Birnen (Pyrus communis). Die eingetrockneten Früchte sind nur 1 bis 2 Zentimeter lang, die Originalgröße in frischem Zustand dürfte etwa das Doppelte betragen haben. Das Fruchtfleisch ist sehr reich an Steinzellen. Die Früchte ähneln denen kleinfrüchtiger, alter MostbirnenSorten. Ihr Rohverzehr dürfte nicht sehr genußreich gewesen sein.
22 Kirschen-Fruchtstiele (Prunus avium). Die Süßkirsche tritt im Fundmaterial in einer Wild- und in mehreren Kulturformen auf. Die Wildform als natürlicher Bestandteil unserer Laubwälder gilt als Stammform der kultivierten Süßkirschen. Das Fehlen vorrömischer Fruchtsteine läßt allerdings den Verdacht aufkommen, daß die Vogelkirsche kein einhei-
Kalkgebiete in Mitteleuropa, da er besonders verbißresistent ist. ln der Frühen Neuzeit dürfte es keiner weiten Wege bedurft haben, um seine Beeren in Halls Umgebung zu sammeln. Die vorliegenden Beeren sind hier allerdings nicht unbedingt als Beleg für eine Nutzung als Gewürz zu werten - sie könnten auch unbeabsichtigt mit Holz und Zweigen des Wacholders eingebracht worden sein, die vielleicht als Brennmaterial gesammelt und eingelagert wurden. ln einem anderen Fehlboden, dessen botanische Untersuchung noch aussteht, waren Wacholderzweige lageweise eingeschichtet-sei es als Isolationsmaterial oder auch, um Krankheit, Unglück, Dämonen und Hexen fernzuhalten. Diesbezüglich maß der Volksglaube nämlich dem Wacholder eine große Kraft zu. Nächst dem Wacholder ist Kümmel (Abb. 18) von den Gewürzpflanzen die häufigste unter den Funden aus der lANGEN STRAssE 49. Er ist ein einheimischer Doldenblütler, der vor allem auf Bergwiesen gedieh und gesammelt wurde. Seit wann man ihn benutzte, ist unbekannt. Die antiken Autoren nennen ihn nicht, aber seine Früchte wurden bereits im Brunnen des römischen Legionslagers von Butzbach entdeckt, wo sie sich seit dem 2./3. Jahrhundert n. Chr. erhalten hatten. ln zwei Proben wurde die Gartenraute (Abb. 19 a und b) gefunden. Bei einem Fund handelte es sich um einen vollständigen, durch eine Schnur gebündelten Trockenstrauß. Dieses intensiv riechende Zitrusgewächs ist reich an ätherischen Ölen und an Gerb- und Bitterstoffen. Es war bei den Römern eine der wichtigsten Gewürz- und Heilpflanzen und gehörte auch zum Bestand der hiesigen mittelalterlichen Klöster- und Bauerngärten.
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miseher Baum ist. Vermutlich entstand sie durch Verwilderung und Einbürgerung einer von den Römern eingeführten Kulturpflanze.
23 Walnußschalen (Juglans regia, oben, Originalgröße 30 bis 35 Millimeter) und Samenschalen der Roßkastanie (Aescu/us hippocastanum, unten, Originalgröße bis 27 Millimeter). Beide Bäume haben natürliche Vorkommen auf dem Balkan und in Kleinasien. Während aber der Nußbaum bereits von den Römern zu uns gebracht wurde und sich in feuchten, nährstoffreichen Wäldern der Wärmegebiete einbürgern konnte, gelangte die Roßkastanie erst im 16. Jahrhundert in unsere Parks und Alleen und blieb hierzulande ein Fremdling.
Heute ist die Raute etwas außer Mode gekommen. Allerdings ist es in Italien noch üblich, einen als Digestivum wirksamen »Grappa alla Ruta« herzustellen, bei dem eine vollständige Pflanze in die Flasche eingeführt wird und dort verbleibt wie es ähnlich mit der Birne beim Williams-Christ-Birnenschnaps geschieht. Die übrigen Gewürzpflanzen tauchten nur in jeweils einer Probe auf: Vom Knoblauch wurde eine vertrocknete Zehe gefunden (Abb. 8). Knoblauch stammt aus den Steppen Zentralasiens und gelangte schon in den alten Hochkulturen des Orients als Kulturpflanze zu
· Ehren. Auch heute ist er aus der guten Küche nicht wegzudenken. Archäobotanische Knoblauch-Funde sind selten. Der älteste wurde im Irak gemacht und stammt aus dem Jahre 1630 v. Chr. ln Mitteleuropa wurde er bisher in einem römischen Keller in Gerlingen und in Brandschichten des mittelalterlichen Städtchens Laufen bei Basel entdeckt. Der Hopfen (Abb. 20) kommt, wenn er wild wächst, als Liane vor allem in feuchten Wäldern in Gewässernähe vor. Die ältesten Funde stammen aus jungsteinzeitlichen Ufersiedlungen. Ob man seine heilsame Wirkung damals bereits kannte und nutzte, ist nicht bekannt. Spätestens seit dem Mittelalter jedoch sammelte man ihn zur Verwendung als Bierwürze. Dabei stand er in starker Konkurrenz zu anderen Bierwürzen wie dem Gageistrauch oder dem Bilsenkraut. Erst das berühmte Reinheitsgebot des bayerischen Kurfürsten Wilhelm IV. aus dem Jahre 1516, das eigentlich auf eine Verordnung des Landshuter Herzogs Georg des Reichen aus dem Jahre 1493 zurückgeht, verhalf dem Hopfen zum endgültigen Durchbruch. Möglicherweise war dieses Reinheitsgebot eine Reaktion auf gesundheitsschädigende Umtriebe
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gewissenloser Bierbrauer. Jedenfalls wurde nuri der Hopfen zunehmend auch in Gärten angebaut. Erste Hinweise auf Hopfengärten finden sich jedoch schon in Urkunden des Hochstifts Freising zwischen 859 und 883 n. Chr. ; wegen des Flurzwangs bei der Dreifelderwirtschaft war der Hopfenanbau auf den Feldern nicht möglich. in der einheimischen Flora gibt es eine ganze Reihe wilder Minzenarten, die alle als Gewürz- und Heilpflanzen nutzbar sind. Die Pfefferminze, ein Bastard zwischen der Wasser- und der Ährenminze, wird seit dem 17. Jahrhundert kultiviert und wurde auch hierzulande in Bauerngärten angepflanzt. Die in der Langen Straße gefundenen Minzenarten lassen sich anhand der vorliegenden Kelche nicht unterscheiden. Der Wilde Majoran oder Oregano ist in der heimischen Vegetation vor allem an trockenen, sonnigen Gehölzsäumen und Rainen häufig. Archäobotanische Funde gibt es seit der Jungsteinzeit. Die schriftlichen Quellen über seine Nutzung sind dagegen spärlich. Offenbar hat der Oregano erst in jüngster Zeit gemeinsam mit der Pizza von Süditalien aus seinen Siegeszug durch die ganze Weit angetreten. Die Kleine Pimpernelle, ein Doldenblütler, gedeiht in mageren, trockenen Wiesen und Weiden. Sie kann als Gewürz und Wildkraut verwendet werden und galt im Mittelalter als Heilmittel gegen Pest und Cholera. Bohnenkraut stammt aus dem Mittelmeergebiet Die Römer nahmen es in Kultur und brachten es nach Deutschland. Hier spielte es als Gewürzpflanze in den Gärten stets eine große Rolle, was nicht nur aus den
24 Buchsbaumblatt (Buxus sempervirens, Originallänge 17 Millimeter). Der Buchsbaum, ein immergrünes Gehölz, kann als Baum bis zu 20 Meter hoch und älter als 600 Jahre werden. Oft wächst er buschförmig. Ursprünglich stammt der Buchsbaum aus dem westlichen Mitleimeergebiet Seine nordöstlichsten natürlichen Vorkommen greifen entlang des Schweizer Jurasüdfußes gerade noch bis an den Hochrhein (Dinkelberg in Südbaden) aus. Seit den Römern ist der Buchs als Zierpflanze in Gärten beliebt, da er sich mit der Schere in nahezu jede Form bringen läßt.
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archäologischen Funden, sondern auch aus den schriftlichen Quellen hervorgeht: so aus der Vorschriftensammlung >>Capitulare de Villis« Karls des Großen, in der er die Bewirtschaftung der Krongüter bis in alle Einzelheiten regelt und festlegt. Auch der Gartenthymian stammt aus dem Mittelmeergebiet und war schon den alten Ägyptern als Gewürz bekannt. Vermutlich wurde er nicht von den Römern bei uns eingeführt, sondern fand erst im 16. Jahrhundertüber Frankreich kommend- seinen Stammplatz in unseren Gärten und Gewürzregalen.
Obst und Nüsse: Mitbringsel der Römer?
Reste von Obst, in Latrinen von sehr großer Bedeutung, sind auch hier vertreten: wenngleich in kleinerer Menge und teilweise anderer Erhaltungsform. Dreizehn Arten wurden gefunden. in allen Proben war die Birne (Abb. 21) in Form von eingetrockneten Früchten, Samen oder Blättern enthalten. Die Früchte haben etwa die Größe von Hagebutten- in frischem Zustand dürften sie daher kaum größer als drei Zentimeter gewesen sein. Damit entsprachen sie ungefähr den allerkleinsten Mostbirnen, die man heute noch antreffen kann. Gerade in ihrem jetzigen Zustand erkennt man sehr gut den hohen Gehalt an Steinzellen. Dieses Obst war frisch mit Sicherheit nahezu ungenießbar und deshalb nur zur Weiterverarbeitung zu Getränken oder Süßspeisen geeignet. Die Süßkirsche (Abb. 22) war ebenso wie die Zwetschge in fünf Proben durch Fruchtsteine vertreten. Von der Süßkirsche fand sich außerdem in einem Fall eine größere Menge von Fruchtstielen. Während bei der Zwetschge angenommen wird, daß sie von den Römern bei uns eingeführt und seither kultiviert wurde, gehen bei der Süßkirsche die Ansichten auseinander. Die einen nehmen an, die Vogelkirsche sei in unseren Wäldern einheimisch gewesen- aus ihr habe man die Süßkirsche gezüchtet. Andere verweisen darauf, daß vorrömische, archäobotanische Funde fehlen; diese müßten aber in den Feuchtbodensiedlungen des Alpenvorlandes eigentlich vorhanden sein, wenn die Süßkirsche bekannt gewesen wäre: Bei der Schlehe und der Traubenkirsche etwa ist das der Fall. Aus diesem Blickwinkel scheint es sich so verhalten zu haben, daß die Süßkirsche von den Römern als Kulturbaum eingeführt wurde, verwilderte und sich in unseren Wäldern einbürgerte. Das gleiche ist übrigens mit der Eßkastanie und der Walnuß geschehen. Schalen der Walnuß sind in vier Proben nachgewiesen {Abb. 23), die Pflaume und der Pfirsich in jeweils dreien. Alle drei sind mindestens seit römischer Zeit bei uns in Kultur, von allen existieren zahlreiche Kulturformen. Von der Weinrebe wurde in einer Probe ein Kern, in einer anderen eine vollständige, abgebeerte Rispe gefunden.
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25 Teilfrucht des Großblütigen Breitsamens (Or/aya grandiflora, a) Bauchseite, b) bestacheile Rückenseite, Originallänge 8,5 Millimeter). Dieses Wintergetreideunkraut kalkreicher Böden stammt aus Südeuropa und ist seit der Späten Bronzezeit im Gebiet Baden-Württembergs nachgewiesen. Als Folge veränderter Agrartechnik ist die Art in den letzten hundert Jahren hierzulande stark zurückgegangen und gilt mittlerweile als ausgestorben.
Kulturrebe und Weinbau wurden, wie man annimmt, ebenfalls von den Römern bei uns eingeführt. Der Weinbau hatte im Mittelalter eine viel weitere Verbreitung und der Wein als Volksgetränk eine erheblich größere Bedeutung als heute. Im Zuge der neuzeitlichen Klimaverschlechterungeri und später durch die Reblauskatastrophe des 19. Jahrhunderts verlor der Weinbau an Boden; Bier oder Most lösten ihn in seiner Rolle als Volksgetränk ab. An dieser Stelle ist ein Ausblick auf die derzeit laufenden Untersuchungen an archäologischem Pflanzenmaterial aus Schwäbisch Hall angezeigt. Da ältere schriftliche Quellen und geeignete prähistorische, archäologisch erschlossene Schichten mit Feuchterhaltung fehlen, wird der Gartenbau mit Kulturobst, Gemüse und Gewürzen in Mitteleuropa allgemein als römischer Import angesehen. Der Nachweis von Kulturobst-Arten in den keltischen Siedlungsschichten bei den Grabungen, die in Schwäbisch Hall Ende der dreißiger Jahre von dem Botaniker Karl Bertsch durchgeführt wurden, liefert
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gewisse Anhaltspunkte dagegen - ihnen fehlt jedoch wegen den damaligen Grabungsmethoden die endgültige Beweiskraft. Die jüngsten Untersuchungen >>Hinter der Post« zeigen, daß die keltischen Siedlungsschichten im Untergrund von Schwäbisch Hall die in ganz Mitteleuropa vielleicht einmalige Gelegenheit bieten, die Frage, ob nicht bereits die Kelten hierzulande den Weinstock, die Pflaume und andere Obst- und Gemüsearten kultivierten, mit modernen wissenschaftlichen Methoden wieder aufzurollen. Seitens des Landesdenkmalamtes wird man auf diese Problematik und damit auf die Bodendenkmäler der Stadt Schwäbisch Hall ein besonderes Augenmerk richten. Von den in der Langen Straße 49 jeweils nur in einer Probe gefundenen Arten sei als erster der Gewöhnliche Kürbis genannt. Er stammt ursprünglich aus Nord- und Mittelamerika. Seit dem 16. Jahrhundert besitzen wir bibliographische Hinweise, seit dem 17. Jahrhundert archäobotanische Nachweise für seine Kultur in Europa. Vom Kürbis gibt es zahlreiche Zuchtformen -wie zum Beispiel die Zucchini. Neben den häufigeren Steinobst-Arten wurden mit der Sauerkirsche, der Traubenkirsche und der Schlehe noch drei weitere nachgewiesen: Somit fehlen von der Gattung Prunus an gebräuchlichen Arten nur die Aprikose und die Mandel, deren Anbau in Schwäbisch Hall aus klimatischen Gründen nicht möglich gewesen sein dür:tte. Die Sauerkirsche ist eine Kulturpflanze, die aus Südosteuropa und Kleinasien stammt. Traubenkirsche und Schlehe kommen dagegen bei uns wild vor: die Traubenkirsche in Auenwäldern und -gebüschen, die Schlehe hauptsächlich in Feld- und Weidegehölzen. Als weitere Kernobstart konnte der Apfel durch einen Zweig ermittelt werden, als weiteres Rosengewächs die Hagebutte einer Wildrose (Abb. 8). Aufgrund der Fruchtmerkmale handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die Hundsrose, einen weit verbreiteten Bestandteil von Feld- oder Weidegehölzen. Neben all diesen Nahrungspflanzen wurden auch die Überreste einiger Zierpflanzen gefunden, die in Gärten seit jeher eine Rolle spielten. Am häufigsten vertreten waren Blätter des Buchsbaumes (Abb. 24), der ja bekanntlich nicht nur in Schloßparks, sondern auch in Bauerngärten als Beetbegrenzung diente. Der Buchsbaum ist eine submediterrane Pflanze und erreicht am nordöstlichsten Punkt seines natürlichen Vorkommens bei Grenzach gerade noch deutsches Gebiet. Auch er wurde von den Römern weit außerhalb seines natürlichen Verbreitungsgebiets angepflanzt. Zu den Zierpflanzen sei hier die Roßkastanie gestellt, wenngleich sie natürlich ebenfalls als Heilpflanze eine Rolle spielt. Sie ist in den Schluchtwäldern des östlichen Balkans beheimatet und wurde seit dem späten 16. Jahrhundert als Park- und Alleenbaum bei uns ange-
400 JAHRE GELAGERT: PFLANZENRESTE IN DECKEN UND WANDEN .. pflanzt. Vom Marstallhof in Heidelberg liegt ebenfalls ein Nachweis der Roßkastanie aus dem 17. Jahrhundert vor. Außer diesen Bäumen wurde als weiterer Vertreter der Zierpflanzen noch eine Strohblumen-Art gefunden.
Wildwachsende Pflanzen und Bäume
Bei einigen weiteren gefundenen Wildpflanzen ist eine Nutzung denk-, aber nicht nachweisbar. Die GemüseGänsedistel, ein Acker- und Ruderalunkraut, wurde, wie der Name sagt, als Wildgemüse genutzt. Der AckerSchachtelhalm ist einerseits eine Heilpflanze, andererseits verwendete man ihn zum Polieren des Zinngeschirrs- daher trägt er auch den Namen Zinnkraut. Die riesigen Blätter der Pestwurz konnte man anstelle von Papier verwenden, um Dinge wie etwa das Vesperbrot einzuwickeln. Belege dafür gibt es bereits aus hallstattzeitlichen Salzbergwerken. Die Färberscharte gedeiht auf Naß- und Moorwiesen. Mit anderen Pflanzen solcher Standorte könnte sie zufällig in den Fehlboden gelangt sein. Andererseits wurde sie früher aber auch als Heilund Färbepflanze verwendet. Sie liefert einen gelben Farbstoff. Außer den bisher behandelten Nutzpflanzen wurden eine ganze Reihe weiterer Wildpflanzen gefunden, die normalerweise nicht genutzt wurden. Sie sind eher als Begleiter von Nutzpflanzen in das Haus geraten- wie die Ackerunkräuter, die wohl in den Getreidevorräten enthalten waren. Bemerkenswert sind in dieser Gruppe der Acker-Hahnenfuß und der Großblütige Breitsame (Abb. 25) : Seide sind heute recht selten. Insbesondere der Breitsame ist hierzulande vom Aussterben bedroht und hat in der weiteren Umgebung von Schwäbisch Hall
26 Hülse der Esparsette (Onobrychys viciaefolia, Originalgröße 5,5 Millimeter). Die Esparsette wurde um 1500 in Frankreich als Futterpflanze in Kultur genommen und seit 1560 auch in Süddeutschland angebaut. Sie wächst vor allem auf Magerwiesen und an Böschungen: teils eingebürgert, teils angesät.
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keine Vorkommen. Früher war er ein häufiges Getreideunkraut auf Kalkböden. Pflanzen von Trittrasen und trockenen Magerrasen kommen nur sporadisch vor. Etwas häufiger sind Pflanzen, die von Brachäckern oder Grünland stammen. Man kann davon ausgehen, daß in der Frühen Neuzeit auch um Schwäbisch Hall gutes Wirtschaftsgrünland noch sehr spärlich war, sich aber andererseits Grünlandpflanzen durch die Brachephasen bei der Dreifelderwirtschaft auf den Äckern halten konnten (Abb. 26). Hinweise auf Naßwiesen wie diverse Sauergräser ( Carex div. spec.), die Herbstzeitlose ( Colchicum autumnale) oder das Spießmoos ( Calliergonel/a cuspidata) konzentrieren sich auf eine Probe. Reste von Büschen und Waldbäumen sind dagegen häufig und geben Hinweise auf die Zusammensetzung der Wälder. Demnach waren Waldkiefer und Fichte damals im hällischen Gebiet schon recht verbreitet. Seide sind jedoch hier ursprünglich nicht heimisch, sondern wurden in der Neuzeit angepflanzt. Die Weißtanne (Abb. 27) kommt dagegen ebenso wie die Buche zumindest im nahen SchwäbischFränkischen Wald von Natur aus vor. Die Reste dieser Holzpflanzen in der Langen Straße könnten aus der Lagerung von Brennmaterial herrühren.
Pflanzenartige Befunde bei Bauuntersuchungen stärker beachten
Eine endgültige wissenschaftliche Bearbeitung der Pflanzenreste läßt eine beträchtliche Ausweitung der jetzigen Liste erwarten. Wie schon gesagt: Die Pflanzen sind trocken und unverkohlt erhalten, der Erhaltungszustand ist viel besser als bei archäologischen Bodenfun-
27 Nadeln der Weißtanne (Abies alba, Originallänge bis 18 Millimeter). Die Weißtanne ist ein Baum der Bergwälder Mittel- und Südeuropas. ln Baden-Württemberg kommt sie im Schwarzwald, auf der Südwestalb sowie im Schwäbisch-Fränkischen Wald vor. Sie kann bis zu 50 Meter hoch und über 500 Jahre alt werden.
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den. Insgesamt handelt es sich vermutlich um die Reste von pflanzlichen Vorräten, die in dem Gebäude gelagert waren. Einerseits waren das Pflanzen, die im Garten angebaut und geerntet worden waren, andererseits Brennholz, Stroh und vielleicht Heu. Ob die Nahrungspflanzen auf Nahrungsvorräte oder auf Saatgut zurückgehen, läßt sich nicht beurteilen. Auch ist unklar, wie das
. übrige Getreide, das ja normalerweise nicht im Garten, sondern auf Feldern angebaut wird, hierher kam. Aufschlüsse geben uns die Pflanzenreste jedenfalls über die Vielfalt an Nutzpflanzen, die in einem Haller Garten des 16. Jahrhunderts wuchsen - und auch darüber, daß bereits zu dieser frühen Zeit einige ••Einwanderer« aus
LITERATUR
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Udelgard Körber-Grohne, Nutzpflanzen in Deutschland. Stuttgart 1987.
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der Neuen Weit in diesen Gärten ihren Platz gefunden hatten. Bisher steht das Haus LANGE STRASSE 49 als wichtige Informationsquelle zu Gartenbau, Ernährung und Nutzpflanzengeschichte im Land einzigartig da - es dürfte jedoch kein Einzelfall sein. Der Bestand alter Häuser reicht ja zurück bis in das 13. Jahrhundert. Durch verstärkte Beachtung entsprechender pflanzenhaltiger Befunde bei Bauuntersuchungen könnten der Wissenschaft für diese frühe Zeit Quellen erschlossen werden, die ungleich präzisere Aussagen liefern, als sie normalerweise durch archäologische Bodenfunde möglich sind.
E. Kost, Die Keltensiedlung über dem Haalquell im Kochertal in Schwäbisch Hall; in: Württembergisch Franken N. F. 20/21, 1940, S.39-111 .
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Anhang: Schwäbisch Hall, Lange Straße 49, Pflanzenreste-ÖkologischeListe
Angebaute Nahrungspflanzen
Probe Wissenschaftlicher Deutscher Name 3 6 7 8 9 10 11 Name
Getreide Dinkel, Drusch X X X X X X Triticum spelta, Drusch Dinkel, Körner X X Triticum spelta, Körner Roggen X X X X X Secale cereale, Ähren Saatweizen X X X X Triticum aestivum Saathafer X X X Avena sativa, Ährchen Rispenhirse X X X Panicum miliaceum Gerste X X Hordeum vukgare Kolbenhirse X Setaria italica Mais X Zea mays
Ölpflanzen Gebauter Lein, Kapseln X X X X Linum usitatissimum, Kapsel Gebauter Lein, Samen X Linum usitatissimum, Samen Schlafmohn X Papaver somniferum, Kapsel Sonnenblume X Helianthus annuus
Hülsenfrüchte Ackerbohne X X X X Vicia faba Ackerbohne, Schote X X Vicia faba, Schote Linse, Hülsen X X X Lens culinaris, Hülsen Linse, Samen X X Lens culinaris, Samen Erbse X X X Pisum sativum Erbse, Hülse X Pisum sativum, Hülse Gartenbohne X X X Phasealus vulgaris Gartenbohne, Schoten X Phasealus vulgaris, Schoten
Gemüse Spinat X X X X Spinacia oleracea Küchenzwiebel X X X Allium cepa Rettich X X X Rephanus sativus, Schoten Sellerie X Apium graveolens wohl Schildampfer X Rumex cf. scutatus Pastinak X Pastinaca sativa wohl Gemüsekohl X Brassica cf. oleracea wohl Kopfsalat X Lactuca cf. sativa Gelbe Rübe X Daucus carota Echter Feldsalat X Valerianella locusta
Gewürze Wacholder, Beeren X X X X X Juniperus communis, Beeren Kümmel X X X X Carum cavi Garten-Raute X X Ruta graveolens Hopfen X Humulus lupulus, Tragblätter Hopfen X Humulus lupulus, Früchte Knoblauch X Allium sativum Minze X Mentha sp., Kelch Oregano X Origanum vulgare, Kelche Echtes Bohnenkraut X Satureja hortensis Kleiner Pimpernell X Pimpinella saxifraga wohl Gartenthymian X Thymus cf. vulgaris, Kelch
Obst, Nüsse Birne, Früchte X X X X X Pyrus communis, Früchte Birne, Blatt X X Pyrus communis, Blatt Birne Same X P rus comminus Same y
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Deutscher Name 3 6 7 8 9 10 11 Name
Süßkirsche X X X X X Prunus avium Süßkirsche, Fruchtstiele X Prunus avium, Fruchtstiele Zwetschge X X X X X Prunus domestica Walnuß X X X X Juglans regia Haferpflaume X X X Prunus insititia Pfirsich X X X Prunus persica Weinrebe X Vitis vinifera Weinrebe, Rispe X X Vitis vinifera, Rispe Gewöhnlicher Kürbis X Cucurbita pepo Sauerkirsche X Prunus cerasus Hagebutte X Rosa cf. canina, Hagebutte Apfel X Malus domestica, Zweig Traubenkirsche X Prunus padus Schlehe X Prunus spinosa
Zierpflanzen Buchsbaum X X X X Buxus sempervirens, Blatt Strohblume X Helichrysum arenarium Amerikan. Lebensbaum X Thuja cf. occidentalis Roßkastanie X Aesculus hippocastanum
Sonstige Gewöhnliche Pestwurz X X X Petasites hybridus, cf., Blätter genutzte Gemüse - Gänsedistel · X Sonchus oleraceus Wildpflanzen wohl Acker-Schachtelhalm X Equisetum cf. arvense
Färberscharte X Serratula tinctoria
Wildpflanzen, zum Teil genutzt, nach Herkünften
Ackerunkräuter Acker-Hellerkraut X X X Thlaspi arvense Acker-Fuchsschwanz X X Alopecurus myosuroides, cf. Acker-Hahnenfuß X X Ranunculus arvensis Großblütiger Breitsame X Orlaya grandiflora Hasenklee X Trifolium arvense Viersamige Wicke X Vicia tetrasperma
Pflanzen von Großer oder Mitt. Wegerich X X X Plantaga major/media, Trittrasen Kapseldeckel
Krauser Ampfer X Rumex crispus Kleine Braunelle X Prunella vulgaris Kriechender Hahnenfuß X Ranunculus repens Weißklee X Trifolium repens, Kelchblätter
Pflanzen von Esparsette X Onobrychis viciaefolia trockenen wohl Tauben-Skabiose X Scabiosa cf. columbaria Magerrasen Sonnenröschen X Helianthemum nummularia
wohl Steppen-Lieschgras X Phleum cf. phleoides
Pflanzen von Roter Wiesenklee X X X X X Trifolium pratense, Kelche Brachäckern Hopfenklee X X X X Medicago lupulina oder Herbst-Löwenzahn X X Leontodon autumnalis frischen Rainkohl X Lapsana communis Wiesen/Weiden Knäuelgras X Dactylis glomerata, Blütenstand
Gewöhnliche Schafgarbe X Achillea millefolium wohl Gewöhnl. Hornkraut X Cerastium cf. fontanum, Blüte Gewöhnl. Wucherblume X Chrysanthemum leucanthemum
400 JAHRE GELAGERT: PFLANZENRESTE IN DECKEN UND WANDEN 491 .. Probe Wissenschaftlicher
Deutscher Name 3 6 7 8 9 10 11 Name
Pflanzen von Rasenschmiele X X Deschampsia caespitosa Naßwiesen Spießmoos X Calliergonella cuspidata
wohl Kammsegge X Carex cf. disticha Steife oder Schlanke Segge X Carex elata/gracilis Blaugrüne Segge X Carex flacca Fuchsegge X Carex vulpina Herbstzeitlose X Colchicum autumnale w. Sumpf-Vergißmeinnicht X Myosotis cf. scorpioides wohl Hirsesegge X Carex cf. panicea Blasensegge X Carex vesicaria
Gebüsche Wacholder, Nadeln X X X X X Juniperus communis, Nadeln Wacholder, Zweige X X Juniperus communis, Zweige Haselnuß X X X Corylus avellana Hängebirke X Betula pendula, Blatt
Wälder Waldkiefer, Nadeln X X X X X Pinus sylvestris, Nadeln Waldkiefer, Zapfen X X X Pinus sylvestris, Zapfen Waldkiefer, Zweig X X X Pinus sylvestris, Zweige Weißtanne, Nadeln X X X X Abies alba, Nadeln Weißtanne, Zweige X X X Abies alba, Zweige Weißt., Zapfenschuppen X Abies alba, Zapfenschuppen Hängemoos X X X X Antitrichia curtipendula Fichte, Zapfenschuppen X X X Picea abies, Zapfenschuppen Fichte, Zweig X X Picea abies, Zweige Fichte, Nadeln X Picea abies, Nadeln Rotbuche, Blätter X X Fagus sylvatica, Blätter Rotbuche, Fruchtbecher X Fagus sylvatica, Fruchtbecher Rotb., Knospenschuppen X Fagus syl., Knospenschuppen Esche X X Fraxinus excelsior Gezähntes Goldmoos X X Homalothecium sericeum Sommerlinde X Tilia platyphyllos Zypressen-Schlafmoos X Hypnum cupressiforme Mistel, Blatt X Viscum album, Blatt Eiche, Blatt X Quercus robur/petraea, Blatt Eiche, Zweig X Quercus sp., Zweig
Sonstige Eichhornschwanz X X Leucodon sciuroides Kleines Thujamoos X Thuidium delicatulum Klee X Trifolium sp., Blattfieder . Trespe X Bromus sp., Blütenstand