Verbreitung, Verteilung und Lagerung von Lebensmitteln unter dem Aspekt von ländlichem und...

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Ruralia VIII 7th- 12th September 2009 Lorca, Spain

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Ruralia VIII

7th- 12th September 2009 Lorca, Spain

Processing, Storage, Distribution of Food - Food in the Medieval Rural Environment

Les aliments dans le monde rural medieval : Production, stockage, distribution, consommation

Verarbeitung, Lagerung, Verteilung und Verbrauch von Lebensmitteln - Lebensmittel in der mittelalterlichen bäuerlichen Welt

Ruralia VIII 71h-121h September 2009 Lorca Spain

BREPOLS

Ruralia series of peer review papers

Editors Jan Klapste - Petr Sommer

www.ruralia.cz

© 2011, Brepols Publishers n.v. , Turnhout, Belgium All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted, in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording, or otherwise, without the prior permission of the publisher.

D/2011/0095/173 ISBN (print) 978-2-503-53661-3 ISBN (electronic) 978-2-503-53962-1

Printed in the E.U. on acid-free paper

335- 357

Verbreitung, Verteilung und Lagerung von Lebensmitteln unter dem Aspekt von ländlichem und städtischem Nahrungsangebot

eine naturwissenschaftliche und archäologische Betrachtung aus dem Südwesten Deutschlands

La distri bution et le stockage alimentai re en contextes urbain et rural dans le sud-ouest de I'AIIemagne:

approche botanique et archeologique

Distri bution and storage of food in rural and urban contexts in south-western Germany

- a botanica l and archaeological approach

Susanne Arnold - Manfred Rösch

1. Einführung

Allhand des Tagungsthemas hat sich beiden Auto­ren, die im Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen und Hemmenhofen arbeiten, die Frage aufgedrängt. ob und wenn, inwieweit, sich die Verbreitung und La­

gerung von Lebensmitteln zwischen ländlichen Sied­lungen und städtischem Milieu unterscheiden. Da innerhalb der Denkmalpflege in Baden-Württemberg die glückliche Situation herrscht, dass Archäologie u nd Naturwissenschaften in einem Amt vereint sind, war die Ausgangslage für eine derartige Untersuchung günstig. So hat Manfred Rösch seine Bestände nach eindeutig zu benennenden "Vorräten" von Getreide u nd Hülsenfrüchten durchgesehen und Susanne Ar­n old die entsprechenden Grabungen bzw. die zu den botanischen Funden gehörenden Befunde zusam­mengestellt. um anschließend zu vergleichen, ob sich Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zwischen länd­lichen und städtischen Siedlungen ergeben. Da auch einige Vorräte aus baden-württembergischen Burgen­grabungen vorhanden waren, wurden diese in die ver­gleichende Betrachtung mit einbezogen.

Leider ergaben sich im archäologischen Bereich ei­nige Schwierigkeiten. Die wenigsten Grabungen, aus denen botanische Funde vorliegen, sind bisher publi­ziert oder es liegen nur Kurzberichte vor, die natürlich gerade diese spezielle Fragestellung nicht erläutern. Auch sind etliche nur anhand der Grabungsunterla­gen zu erschließen und erfuhren noch nie eine Veröf­fentlichung. Daher war es notwendig, bei den entspre­chenden Kollegen, die die Grabungen durchgeführt h ab en oder in deren Bereich diese stattfanden und die entweder als Gebietsreferenten oder ehrenamtliche

Mitarbeiter tätig sind oder an einer Auswertung sitzen, anzufragen und sie um entsprechende Auskunft zu bitten, die zumeist auch geme gegeben wurde. Dafür sei ihnen allen herzlich gedankt! 1

Eine weitere Erschwernis war die Frage, was städ­tischer Befund ist und welcher dem ländlichen Be­reich zugeschlagen werden kann. Es liegen etliche botanische Funde aus Siedlungen vor, die durchaus städtischen Charakter haben, sei es durch die Größe der besiedelten Fläche (z.B. Biberach). durch Besitz von Marktrechten (z.B. Biberach, Wiesloch) oder durch einen nennenswerten Hafen (z.B. Heilbronn, Heidel­berg). Ist denn eine Siedlung erst mit dem Zeitpunkt der Stadtemennung (wobei das Datum derselben oft nicht überliefert ist) als Stadt anzusehen oder schon dann, wenn sie stadtähnliche Strukturen aufweist? So wurde im Folgenden unterschieden in eindeutig städtisch, in stadtähnlich (=vorstädtisch in zeitlichem Sinne) und in eindeutig ländlich.

Im Folgenden werden in der Regel nur diejenigen Befunde vorgestellt. die zur Vorratshaltung aussage­kräftig sind. Diejenigen Nahrungsvorräte, die nicht im

Zusammenhang mit Lagerung bzw. Nutzung stehen können, sind den entsprechenden Diagrammen zu entnehmen (siehe unten) und lohnen im Allgemeinen nicht, beschrieben zu werden, z .T. liegen auch nur mündliche Auskünfte vor, sodass auch keine näheren Beschreibungen möglich sind.

1 Hier sind zu n ennen 0. Brenner, F. Damminger, L. Hilde­brandt, B. J enisch , A. Kottmann, H. Schäfe r, J . Sches chkewitz, B. S chmid.

Processing, Storage, Distribution of Food. Food in the Medieval Rural Environment, ed . by Jan Klapste & Petr Sommer, Ruralia , VIII (Turnhout: Brepols, 2011), Pp. 335-357.

BR.EPOLS e PUBLISHER.S . 10.1484/ M.RURALIA-EB.1.100177

Arnold - Rösch, Verbreitung und Lagerung von Lebensmitteln unter dem Aspekt von Nahrungsangebot 335- 357

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Abb. 2. Brandschicht im Bergfried der Burg von Bietigheim (frühes 13. Jh.): Neben bota­nischen Resten auch Tierknochen (v.a. Rind, Schwein, Huhn und Gans).

1. Archäologische Ergebnisse

2.1. Burgen (Abb. 1)

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Von den vier Burgengrabungen, aus denen nennens­werte Vorräte vorkommen, ist leider nur ein Befund für unsere Fragestellung aussagekräftig: Die Burg in Bietigheim (Kreis Ludwigsburg; Woebs 2000, 40f., 94f. und 148f.). Aus einer Brandschicht innerhalb des Bergfrieds (Abb. 2), die während des Brandvorgangs aus einem der oberen Geschoße herabstürzte und die in das beginnende 13. Jh. datiert werden kann, stam­men Hafer, Dinkel und Erbse. Bemerkenswert in die­sem Zusammenhang ist, dass die botanischen Reste vergesellschaftet waren mit verschiedenen Tierkno­chen wie Rind, Schwein, Huhn und Gans. Es werden wohl geräucherte Fleischprodukte gewesen sein, die hängend aufbewahrt wurden. Hier handelt es sich also eindeutig um Vorratshaltung in einem höher ge­legenen Stockwerk des Bergfrieds - ein Umstand, der auch für die Burgenforschung von Interesse ist. Die drei Vorratsfunde aus dem Alten Schloss in Stuttgart

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• Verfüllung Graben; backfill pit; remblai fasse

Bergfried; • bumt keep; donjon brule

Brandschicht; bumt layer; couche d' incendie

Planierschicht; D levelling; nivellement

Abb. 1 . Botanische Vorräte auf baden­-württembergischen Burgen und de­ren Fundplatz.

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(Kreis Stuttgart) stammen aus einer Planierschicht. einer Brandschuttschicht und einem kleinen verfüllten Graben. Die Auswertung dieser Grabung ist in Arbeit. lässt aber derzeit noch keine Zuordnung zu einem eventuellen Baubefund zu.2 Die Burg in Affalterbach­-Wolfsölden (Kreis Ludwigsburg) brachte Roggen- und Haferfunde aus einer Brandschuttschicht zutage, die mit Sicherheit keinem nachweisbaren Baubefund zugehört (Amold 2008, 67f.). Der vierte Vorrat an Ge­treide in einer Burgengrabung stammt aus Sinsheim (Rhein-Neckar-Kreis). Die botanischen Funde lagen auf einer verziegelten Hüttenlehmschicht stammen jedoch aus der Zeit vor der Erbauung der Burg und datieren ins 13. Jh. (Damminger 2005, 236f.].3 Da der Stadt Sinsheim schon 1192 die Stadtrechte übertra­gen wurden, kann dieser Vorrat als städtischer gelten und taucht somit weiter unten wieder auf.

2 Freundliche Auskunft von H. Schäfer, der derzeit an der Aus­wertung dieser Grabung arbeitet

3 Freundliche Auskunft F. Damminger.

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• Verfüllung Grube, Grubenhaus, Pfostenloch ; backfill pit, sunken hut, pos thole; remblai fasse, maison-fosse, trau depoteau

Sohle Grubenhaus; • ground Ievel sunken hut;

planeh er maisan-fas se

Abb. 3 . Botanische Vorräte in baden-württembergischen Städten und deren Fundplatz.

2. 2. Städte (Abb. 3)

Leider liegen aus Städten viele Befunde vor, die nicht eindeutig angesprochen werden können. So fällt die Unterscheidung zwischen Abfallgrube und Latrine z.B. in Geislingen oder in Schwäbisch Gmünd nicht eindeutig aus. Sie werden im Diagramm als .. Gru­b en" geführt. Eindeutig als Latrinen anzusprechende Befunde blieben unberücksichtigt. Wie aus dem Dia­gramm zu ersehen, sind Verfüllungen von Gruben, Grubenhäusern und auch von Pfostenlöchern die Be­fundgruppe, in der am häufigsten Getreidevorräte zu finden sind. D.h. hier sind die Vorräte nicht in ihrem ursprünglichen Lagerzustand erhalten, sondern in ir­gendeiner Weise umgelagert worden. Jedoch sind auch Grubenhäuser als Lagerstätte genutzt worden, wie ein Beispiel aus Sinsheim (Rhein-Neckar-Kreis) , Burggas­se aus dem 13. Jh. zeigt. An dieser Stelle ist später die Burg entstanden (Damminger 2005) . Noch ein Indiz für verlagerte Vorräte sind solche, die in Planierungen zu finden sind. Dies ist in der Kategorie lediglich einmal der Fall, und zwar in Ulm (Kreis Ulm), Neue Straße.4

Dasselbe gilt für Getreidefunde aus einer Brandschicht derselben Grabung. Die aussagekräftigsten Funde

4 Freundliche Auskunft A. Kortmann und J . Sches chkewitz.

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stammen aus den Befundgruppen, die im Diagramm

als .. Sonstige" eingetragen sind. Zum einen handelt

es sich um einen Roggenvorrat in Esslingen (Kreis

Abb. 4 . Blick auf den Holzschwellenbau als Nebengebäude eines herr­schaftlichen Hofes in Ess/ingen, in dem Vorräte gelagert wurden.

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Esslingen). Denkendorfer Pfleghof. Der Holzschwel­lenbau (Abb. 4) diente offensichtlich als Nebengebäu­de einer Hofstelle und konnte dendrochronologisch in das Jahr 1192 datiert werden. Mehrere Umbauten fanden bis zum Nutzungsende des Gebäudes im fort­geschrittenen 13. Jh. statt. Laut H. Schäfer gehörte es zu einer Parzelle mit einem herrschaftlichen Hof, wie auch durch die hochwertigen Funde in unmittelbarer Nähe und in stratigraphischen Zusammenhang bestä­tigt wird (Schäfer - Grass 1990; Schäfer 2001; Fischer

1993). Auch in der unmittelbaren Umgebung wurden etliche Pflanzenreste gefunden, seien es Fruchtsteine, Weinkerne oder Reste von anderen Kultur-, Nutz- und Wildpflanzenresten, die aber nicht als Vorräte ange­sprochen werden können (Fischer 1993, 22f.). Erst im Spätmittelalter wurde an dieser Stelle ein Pfleghof des etwa zehn Kilometer von Esslingen entfernten Klosters Denkendorf errichtet. Ein besonderer ,,Vorrat" sei an dieser Stelle noch erwähnt. Es handelt sich um einen, auf den nicht zurückgegriffen werden konnte, sondern der 1495 im Weihestein der Michaelskirehe in Schwä­bisch Hall (Kreis Schwäbisch Hall) niedergelegt wurde (Rösch - Heumüller 2008, 78; Rösch 2009, 164; Hönes

2006). Kein archäologischer, sondern ein bauhisto­rischer Befund, der jedoch einen Einblick gibt in die Getreidesorten, die zu dieser Zeit für Wert befunden wurden , beim Bau der Kirche als Zeugnis der Zeit de­poniert zu werden.

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2.3 Stadtähnliche Siedlungen (Abb. 5)

Wie aus dem Diagramm zu ersehen, handelt es sich bei den Befunden der stadtähnlichen Siedlungen (De­finition siehe Einführung) um solche, die sich in der Regel gut ansprechen lassen und teilweise sehr aussa­gekräftig sind. Etliche Getreidevorräte wurden auf der Sohle eines Grubenhauses oder Kellers oder der un­mittelbar darauf liegenden Brandschicht gefunden. Im letzteren Fall kann man ebenso davon ausgehen, dass der Vorrat aus der Nutzungszeit stammt. Das sicherlich aufschlussreichste Beispiel einer Vorratshaltung wur­de in Biberach an der Riß (Kreis Biberach) ausgegra­ben und ist bereits gut publiziert (Rösch -Schmid 1992;

Abb. 6). Die Gründung Biberach geht in das 11. Jh. zu­rück und der Ort wurde in der Mitte des 12. Jh. zum Marktort erhoben - gelegen an einer wichtigen Straße zwischen den Städten Ulm und Ravensburg. 1258 ist Biberach erstmals als "civitas" genannt.

Das hier vorgestellte Grubenhaus lag im Randbe­reich des späteren staufischen Stadtgebiets. Obwohl sich von der Konstruktion wenig erhalten hat. ist sie aber trotzdem wahrscheinlich als V~erpfostenbau an­zusprechen. Von einer lehmverputzten Flechtwerk­wand haben sich im Westen noch Reste in verkohltem bzw. verziegeltem Zustand gefunden. Auf Teile der ver­stürzten Dachkonstruktion weisen mehrere am Boden liegende Bretter hin. Kleine Brettchen, die abseits und

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Sohle Grubenbaus; • ground Ievel sunken hut;

planeher maison-fosse

Abb. 5. Botanische Vorräte in stadtähnlichen bzw. präurbanen Siedlungen in Baden-Württemberg.

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Abb. 6. BiberachjRiß: Grubenhaus mit einer Konzentration von Erb­sen und den Resten eines Holzfasses im Süden (die Scherben wohl ursprünglich ein Schöpfgefäß) und einer Anhäufung von Getreide im Norden.

nahe einer Fundkonzentration von Erbsen aufgedeckt wurden, maßen etwa 8 bis 10 cm in der Breite und etwa 40 cm in der Länge und gehörten ursprünglich eindeutig zu einem Daubenfass, in dem die Erbsen aufbewahrt wurden. Scherben eines kleinen Keramik­gefäßes in unmittelbarer Nähe weisen auf ein Schöpf­gerät hin, mit dem das Gemüse entnommen wurde. Eine weitere Fundkonzentration weiter nördlich be­stand aus Getreidekörnern. Es erscheint also eindeu­tig, dass dieses Grubenhaus der Vorratshaltung diente. Nach einem großflächigen Brand, dem in der unmittel­baren Umgebung mehrere Häuser zum Opfer fielen , wurde der Brandschutt einplaniert Das Fundmate­rial wird von der Ausgräberin, abweichend von dem zitierten Aufsatz, mittlerweile in die Mitte des 12. Jh. datiert. 5 In Nussloch (Rhein-Neckar-Kreis) wurde ein in Bundsandstein errichteter Keller (3 ,10 m Breite und 3 ,0 m Länge) freigelegt (Hild.ebrandt- Gross2003),6 der mit einer Lichtnische und einer hölzernen Treppen­konstruktion ausgestattet war. Das darüber errichtete Fachwerkhaus brannte etwa um 1300 ab. Teile davon stürzten in den Keller und bildeten eine dicke Schicht aus Lagen von Schutt, verkohltem Holz und angeziegel­tem Wandlehm (Abb. 7). Auf dem Kellerboden wurden

5 Freundliche Mitteilung 8 . Schmid 6 Zudem danke ich Herrn Hildebrandt für weitere Auskünfte

und das Bereitstellen einiger Fotos!

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Abb. 7. Nuss/ach: Blick in den freigelegten Keller mit dem verbrannten Getreide rechts.

mehrere Stellen mit verbranntem Getreide angetroffen sowie einige (Vorrats-?)Töpfe, ein kleineres Reb- und ein größeres Hackmesser. Einen weiteren Hinweis auf die Tätigkeit im Haus lieferten die Reste eines Mörsers aus Sandstein (Abb. 8) im Schutt des eingefallenen Hauses, der wohl zum Mahlen des Getreides benutzt wurde. Auch hier ist die Vorratshaltung im Keller be­legt. Wiesloch (Rhein-Neckar-Kreis) wird bereits 965 zum Markt erhoben. Die Bedeutung des Ortes ist durch eine dreischiffige Pfeilerbasilika um das Jahr 1071 belegt. Als Stadt ist es erstmals 1288 genannt. Drei Baustellenbeobachtungen bzw. Notbergungen mit nennenswerten botanischen Funden sind hier zu nen­nen. Zunächst zu den Kurzdokumentationen in und um die evangelische Stadtkirche. Im Außenbereich wurde beim Abliefen eines Leitungsgrabens ein Gru­benhaus angeschnitten, das durch Feuereinwirkung stark gestört war. Die Funde datieren dieses Ereig­nis in die 2. H. des 11. Jh. In der Verfüllung fanden sich neben verkohlten Holzteilen eine größere Menge von ebenfalls verkohltem Getreide (Damminger - Hil­d.ebrandt 2002). Ein Nutzungszusammenhang besteht

Abb. 8. Nuß/och: Reste eines Mörsers aus Sandstein.

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nicht Ein weiteres Grubenhaus in der Küferstraße en­thielt einen Körnervorrat auf dem Grubenhausboden (Abb. 9; Hildebrandt 1993). Die Konstruktion bestand aus Firstpfosten und Flechtwerkwänden, der Boden aus schwarzem verfestigtem Silt, der wohl Verhüt­tungsvorgängen entstammt Direkt auf dem Laufhori­zont befand sich eine Schicht aus verkohlten Getrei­deresten. Zudem wies der Grubenhausboden einen Einbau von etwa 0,80 x 2,0 m auf, der gegenüber dem Laufniveau, auf dem das Getreide lag, um ca. 0,1 m erhöht und mit Flechtwerk von der Umgebung auge­trennt war. Seine Funktion konnte nicht geklärt wer­den, einem Speicherbau widerspricht der Vorratsfund, der auf dem unteren Niveau gefunden wurde. Eine Da­tierung des Befundes ist anband der Keramik in das 11. oder12. Jh. möglich. Ebenfalls in Wiesloch fanden sich in einem weiteren Grubenhaus in der Röhrgasse Getreideansammlungen auf dem Laufniveau (Hil.de­brandt- Grass 2005). Bruchsal (Kreis Karlsruhe)gehört ebenfalls zu den bedeutenderen vorstädtischen (im zeitlichen Sinne) Orten, nicht zuletzt, da hier auch Heinrich N. teilweise Residenz nahm. Aus der Gra­bung in der John-Bopp-Straße stammen die meisten Vorräte aus Pfostengruben bzw. einem Grubenhaus und aus zwei Feuerstellen - aber in keinem Fall sind diese in den Zusammenhang mit einer Nutzung oder ursprünglichen Vorratshaltung zu bringen. Alleine ein Befund in einem Keller scheint als "Vorrat" anzuspre­chen zu sein (Damminger et al. 2009).7 Eine Quelle in Heilbronn (Kreis Heilbronn), nämlich diejenige unter der heutigen Kilianskirche, wird 741 ersterwähnt, zu­dem erhält der Ort 1050 Marktrechte und 1140 einen bedeutenden Hafen, während die Stadterhebung erst

7 Freundliche Auskunft J. Scheschkewitz.

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Abb. 9. Grubenhaus aus Wies/ach, Kü­ferstraße: links unten der verbrannte Getreidevorrat, auf der rechten Seite der erhöhte Einbau, von Flechtwerk umgeben.

1281 erfolgt. Eine Grabung in der Kaiserstraße in Heil­

bronn brachte nur wenige archäologische Ergebnisse, da beim großen Bombenangriff am 4. Dezember 1944

die Altstadt großflächig zerstört wurde und die an­

schließenden Aufräumungsarbeiten gründlich waren.

Freigelegt werden konnte jedoch ein tief reichender

Brunnen, der dendrochronologisch in das Jahr 1087

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santer Befund kam in Heidelberg zutage. Der Ort ist

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Abb. 10. Umzeichnung der Befunde in Heide/berg, Grabengasse mit Rundbau (Silo) und angebaute Darre.

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Abb. 11. Heide/berg: Detail der an den Rundbau (Silo?) angebauten Darre.

erstmals 1196 erwähnt und zog aus seiner Lage am Neckar und der Vorgängerburg zu der heute beste­henden (aus dem 13. Jh.) eine gewisse Bedeutung. Bei den Grabungen in der Grabengasse (Damminger 2008;

2009; Seidenspinner- Brenner 2006, 42f.. 59f.). konn­te ein Rundbau freigelegt werden, den F. Damminger

Ländliche Siedlungen

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als Silo mit angebauter Darre anspricht. In ebendieser Darre wurde verkohltes Getreide gefunden (Abb. 10, ll). Dieses Gebäudeensemble, das eindeutig auf eine landwirtschaftliche Nutzung hinweist, datiert etwa um 1200 und gehörte wohl zu einem präurbanen Hof, der wenig später im 13. Jh. in der Stadt aufging. Die Funde bezeugen wohlhabende Bewohner, deren Grundstück später durch einen Teil der Stadtbefestigung geschnit­ten wurde.

2.4 Ländliche Siedlungen (Abb. 12)

Das Diagramm zeigt deutlich, dass die durch Gra­bungen nachgewiesene Vorratshaltung auf dem Land vor allem in Grubenhäusern und in einem Keller, in einem Fall in einem unterirdischen Gang stattfand (Rot am See, Kreis Schwäbisch Hall). Der Rest der bota­nischen Funde findet sich in vier Fällen in aufgefüllten Befunden, einmal an einer Feuerstelle.

Auffallend ist, dass zuweilen der Getreidevorrat in Grubenhäusern mit Webgewichten vergesellschaftet war, was den Schluss zulässt. dass diese Nebenge­bäude in ihrer Verwendung multifunktional waren (Ditzingen Bauernstraße und Herrenberg-Raistingen). Hier hat man sich den Vorrat vielleicht hängend vor­zustellen, damit die Fläche des Grubenhauses der We­berei dienen konnte und die Vorratshaltung keinen Platz der Lauffläche wegnahm. Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie das Getreide in Grubenhäusern

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Abb. 12. Botanische Vorräte aus ländlichen Siedlungen und ihrer Herkunft in Baden-Württemberg.

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und Kellern möglichst trocken und sicher vor Nage­tieren aufbewahrt werden konnte. Vielleicht war eine derartige hängende Lagerung die Regel. Das hat je­doch trotzdem keine Auswirkung auf unsere Prämis­se, dass nur Funde auf der Grubenhaussohle oder der direkt darauf aufliegenden Schicht als Vorräte in ar­chäologischem Sinne gelten dürfen, denn ein von der Decke hängender Sack fängt bei einem Brand sofort Feuer und fällt zu Boden. Es ist evident, dass er sei­nen Inhalt nicht erst in den oberen Verfüllschichten entleerte. die, wie die Keramikfunde belegen, oft später eingebracht wurden und nicht im Zuge des Brandes das Grubenhaus zur Gänze auffüllten .Von der Gruppe der ländlichen Grubenhäuser z.B. in Ditzingen (Kreis Ludwigsburg). Herrenberg (Kreis Böblingen) und in Leimen (Rhein-Neckar-Kreis) lässt dasjenige von Dit­zingen (Kreis Ludwigsburg) am meisten Rückschlüs­se zu (Untermann - Grass 1988; Sillmann 1989). Eine größere Notbergung 1987 in der Bauernstraße brachte Siedlungsstrukturen, etliche Grubenhäuser und ei­nen Keller zutage. Leider war das interessanteste Gru­benhaus für unsere Fragestellung bereits bei Ankunft der Denkmalpflege großteils gestört. jedoch lässt das Profil noch etliche Aussagen zu (Abb. 13) . Der Zugang erfolgte über eine Rampe an der Schmalseite im Os­ten. Getreide und Linsen lagen in der Brandschicht direkt auf der Sohle des Grubenhauses, nach Befund­beschreibung ausdrücklich nicht in den oberen Ver­füllzonen. Die Wände des Gebäudes waren mit Bret­tern verschalt. Auf der Zugangsrampe lag ehemals ebenfalls ein Brett auf einigen Steinen. Dicht daneben fanden sich die botanischen Reste. Auf der Rampe lag verbranntes Stroh. Auf der Kellersohle fanden sich neben dem verkohlten Getreide ebenso Webgewichte.

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Abb. 13. ln Ditzingen, Bauernstraße ein Grubenhaus mit Pflanzenresten auf der Sohle neben einer höl­zernen Rampe, auf der verkohltes Stroh lag. Zudem fanden sich Web­gewichte.

Ein Keller konnte in Gertingen (Kreis Ludwigsburg) , Bachstraße im Zuge einer Notbergung dokumentiert werden. Er war 3,8 m breit und 5,6 m lang, hatte einen Naturfußboden und die Wände waren großenteils aus Bruchsteinen in Lehm gesetzt. Sein Zugang erfolgte von Süden über eine Erdrampe. Auch er fiel einem Brand zum Opfer. Auf dem Boden erhielten sich ver­kohltes Getreide und sowie Stroh und Heu und auch Hülsenfrüchte. Seltsamerweise fanden sich sowohl in Weil im Schönbuch (Kreis Böblingen) oder auch in Un­terregenbach (Kreis Schwäbisch Hall) Konzentrationen von Körnern direkt auf einer Kulturschicht Ob diese somit in einem Speichergebäude o.ä. verwahrt wurden, entzieht sich der Kenntnis . Der sicher interessanteste Befund mit Getreidelagerung ist der Stollen aus Rot am See (Kreis Schwäbisch Hall). wobei eine Deutung sich als nicht einfach erweist. Diese Stollenanlagen. in süddeutschen und Österreichischen Gebieten sehr weit verbreitet. vereinzelt auch weiter nördlich (Arora

- Franzen 1987) , werden .. Erdställe" genannt und be­schäftigen die wissenschaftliche und auch heimatge­schichtliche Forschung seit dem 19. Jh. In jüngerer Zeit kamen aber auch Funde derartiger Anlagen aus Frankreich (siehe Beitrag von Sophie Gilotte und Sido­nie Preiss in diesem Heft) und auch Irland dazu (Clin­ton 2001).8 Neben ursprünglich kultischen Deutungen überwiegt die Überzeugung, dass diese Anlagen wohl zum Schutz bei kriegerischen Auseinandersetzungen dienten. Dabei soll nicht verschwiegen werden. dass auch diese Ansprache durchaus ihre Mängel hat (schlechte Belüftung, Menschen sitzen in der Falle, z.T. sehr enge Durchschlüpfe). Auffallend ist. dass in der

8 Ausführliche Literatur zu erhalten unter www.erdstall.de

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Längsschnitt

n•b•n drm Kirchhof in Rot am SeE:~

:Z.ichnung: K.Wieodmann nach Einmaß von Hans und Martin leitner Her~rt Schüßl~

Abb. 14. Rot am See: Stollensystem nahe von Kirche und Brunnen.

Regel keine Funde in diesen Gängen angetroffen wer­den, weshalb ihre Funktion auch weiterhin nicht ein­deutig festzulegen ist. Aber durch den Erdstall in Rot und auch demjenigen in Ascheres-le-Marche scheint nun die Deutung als Zufluchtsstätte mehr Gewicht zu bekommen. Das Tunnelsystem in Rot (Abb. 14) wurde im Zuge einer Baumaßnahme entdeckt (Amold 1991).

Der Gang ist etwa 1,4 m hoch und ca. 15 m lang. Nach jeweils zwei Verengungen, die mittels Steinen mit Lehmverfugung auf dem Boden eingebracht sind, erweitern sich die Stollen zu etwas höheren Raumtei­len mit nach oben kuppelfö,rmigen Abschlüssen. Auf­fallend ist die Lage in unmittelbarer Nähe zur Kirche und auch zu einem Brunnen. Leider wurde der Gang durch einen Einbruch im Bereich der Baugrube ent­deckt und es kann keine Aussage getroffen werden, wieweit er sich in nördliche Richtung noch erstreckte. Die botanischen Funde wurden hinter der ersten Ver­engung des Stollens in der Ecke zwischen Boden und Aufmauerung gemacht (Rösch 1994). Da sie in ihrer Gesamtheit nur einen kleinen Vorrat darstellen und zudem verkohlt sind, stellen sich mehrere Fragen: Gab es eine Feuersbrunst in diesem Erdstall? Es gibt an einigen Stellen im Gang angeziegelte Bereiche, die vielleicht auf einen Brand hinweisen, der eventuell durch mangelnde Sauerstoffzufuhr bald wieder er-

RURALIA VIII

losch. Dann hätte man aber anschließend alle Vorräte etc. aus dem Stollen geräumt und ihn nahezu .. rein" wieder hinterlassen. Alles in allem ist diese Befund­gattung zwar sehr spannend, aber dennoch sind noch viele Fragen zu ihrer Funktion zu lösen.

3. Archäobotanik

3.1. Einleitung

Verbreitung und Verteilung von Nahrung sind dy­namische Prozesse, denen sich üblicher Weise de­ren Verzehr anschließt. Somit hinterlassen sie im Normalfall keine archäologisch fassbaren Spuren.9

Vor dem Verzehr findet jedoch als statischer Prozess von zeitlich begrenzter Dauer die Lagerung statt, die durch Brandereignisse zu einem rudimentären Dau­erzustand werden kann. Im archäologischen Kontext wird Vorratshaltung in Form von Speicherbauten und Speichergruben, Grubenhäusern, Kellern fassbar. Die Reste der Vorräte selbst, sofern sie nicht verzehrt und damit der Beobachtung entzogen, sondern durch Schadfeuer verdorben wurden, sind archäobotanisch als Konzentrationen verkohlter Körner im Boden fass­bar. Eine verbindliche Definition, was ein Vorrat ist, gibt es in der Archäobotanik nicht (Jacomet - Kreuz 1999).

Wir haben als Kriterien eine Mindestkonzentration von 100 Pflanzenresten pro Liter Bodenmaterial angesetzt, eine überwiegende Beteiligung von Nahrungspflanzen und außerdem verkohlten Erhaltungszustand, um La­trinenfüllungen und Ähnliches mit Resten bereits ver­zehrter pflanzlicher Nahrung auszuschließen.

3.2. Material und Methoden

Für das Hoch- und Spätmittelalter wurden 59 der­artige Kornkonzentrationen aus 30 Orten in Baden­-Württemberg ausgewertet. Aufgrund archäologischer und landesgeschichtlicher Kriterien wurden sie in die

Kategorien Burgen, Städte, Siedlungen vorstädtischen Charakters 10 und Dörfer eingeteilt. Daraus resultieren drei Burgen, neun Städte, acht Siedlungen mit vorstäd­tischem Charakter und zehn Dörfer mit jeweils 5, 18, 17 und 19 Befunden (Tab. 1). Somitistder Forschungs­stand bei Dörfern, vorstädtischen Siedlungen und Städ­ten sehr ähnlich und fällt nur bei den Burgen ab. Die untersuchten Befunde wurden quantitativ hinsichtlich der Zusammensetzung der Getreidekörner (prozentuale Anteile an der artbestimmten Gesamt-Getreidekornzahl)

9 Dies gilt natürlich nicht für hartschalige unverdauliche Pflan­zenteile wie Fruchtsteine, die nach Verzehr und Ausscheidung unter Feuchtbodenbedingungen zum Beispiel in Latrinen unverkohlt erhalten bleiben können. Die Haupt-Kalorienliefe­ranten Getreide, Hülsenfrüchte, sowie Öl- und Faserpflanzen sind dagegen nach dem Verzehr kaum mehr nachweisbar.

10 In zeitlichem, nicht in räumlichen Sinn zu verstehen.

343

Arnold - Rösch, Verbreitung und Lagerung von Lebensmitteln unter dem Aspekt von Nahrungsangebot 335- 357

Tab. 1. Übersicht über die Fundplätze, die Größe und Zusammensetzung der abgehandelten Vorräte.

Nr. Bef. Fundplatz Inhalt (vereinfacht) Fundzahl Referenz

Burgen

1 Bietigheim-Bissingen, Kelter Dinkel mit Hafer 1830 Woebs 2000

2 Affalterbach-Wolfsölden, Burg Roggen/ Hafer 4615 Rösch unpubl.

3 Stuttgart, Altes Schloss Rösch2004

a Wein mit Hafer 796

b Dinkeldrusch 329

c Hafer 1210

Städte

4 Sinsheim, Burggasse Roggendrusch 5336 Rösch unpubl.

5 Kirchheim/ Teck, Krautmarkt Roggendrusch, 5838 Rösch 1988, 1999 vermischt

6 Ulm, Donaustraße Wiethold 1993

a Roggen 689

b Gerste/ Hafer 1364

7 Esslingen, Denkendorfer Pfleghof Roggen 1224 Fischer 1993

8 Geislingen, Alte Post Rösch 2005a

a Roggenmisch 39327

b Roggen mit Gerste 68166

c Roggen mit Drusch 93

d Roggen 8654

9 Schwäbisch Hall, St Michael Roggenmisch 5250 Rösch mit Drusch & Heumüller 2008

10 Schwäbisch Gmünd, Rinderba- Hafer 1888 Rösch unpubl. chergasse 13

11 Rottweil, Kapellenhof Hafer 2926 Rösch unpubl.

12 Ulm, Neue Straße Rösch 2005b, un-publ.

a Roggen/ Hafer I Obst/ 146 Nüsse

b Einkorn/ Drusch 1461

c Drusch, Obst/ Nüsse 164

d Drusch, Roggen 98 mit Einkorn/ Gerste

e Roggen 6869

f Hafer 42856

g Roggenmisch 2256 mit Drusch

vorstädtisch

13 Biberach, Viehmarkt Rösch & Schmid 1992

a Erbsen mit Roggen 5971

b Roggen mit Gerste 9726

14 Bruchsal, John-Bopp/ Blumenstr. Rösch unpubl.

a Roggenmisch 331

b Roggen 613

c Roggen 1032

d Wein 798 mit Roggenmisch

344 RURALIA VI II

Arnold - Rösch, Verbreitung und Lagerung von Lebensmitteln unter dem Aspekt von Nahrungsangebot 335-357

e Dinkelmisch 273

f Drusch+ Körner, 958 Roggenmisch

g DinkelfRoggen 102 mit Hafer

15 Heilbronn, Kaiserstraße Roggendrusch 12338 Rösch unpubL

16 Nussloch, Lindenschule Roggen 36251 Rösch unpubL

17 Wiesloch, Küferstraße Rösch unpubL

a Roggen/ 3623 Dinkel-Drusch

b Roggen/ 1061 Dinkel-Drusch

18 Wiesloch, Evangelische Kirche Roggen/ 14069 Rösch unpubl. Dinkel-Drusch

19 Wiesloch, Röhrgasse Rösch unpubl.

a Hafer 2314

b Gerste mit Hafer 6663

20 Heidelberg, Grabengasse 7 Rispenhirse 206 Rösch unpubL

Dörfer

21 Gerlingen, Bachstraße 7 Rösch & Groß 1994

a Roggenmisch 50832

b Roggen/ Erbsen 504

22 Herrenberg-Raistingen Rösch & aL 1992

a Drusch, Roggen 262 mit Dinkel

b Drusch, Roggen 15875 mit Dinkel

c Drusch, Dinkel 165

23 Ditzingen, Bauernstraße Linsen mit Roggen 24731 Sillmann 1989

24 Rot am See, Stollen Roggendrusch 272 Rösch 1994

25 Leimen, Evangelische Kirche Roggen 371 Rösch unpubL

26 Weil im Schönbuch, Lachental Roggendrusch 201 Rösch unpubL

27 Schwieberdingen-Vöhingen Rösch & al. 1992

a Roggendrusch 426

b Hafer mit Roggen 200

c Saatweizen mit 74 Roggen

28 Werbach-Gamburg, Altekirchen Roggenmisch 184 Rösch & aL 1992

29 Bad Krozingen, Glöcklehof Rösch unpubL

a Dinkelf Saatweizen 333

b Saatweizen/ Dinkel/ 68 Roggen

c DinkeljSaatweiten/ 454 Rispenhirse

30 Langenburg-Unterregenbach, Rösch & aL 1992 Parzelle 91 / 4

a Gerste 1437

b Gerste 5347

RURALIA VIII 345

Arnold - Rösch, Verbreitung und Lagerung von Lebensmitteln unter dem Aspekt von Nahrungsangebot 335- 357

100%

90%

80%

70%

Abb. 15. Zusammensetzung der Vorräte auf Burgen nach Nutzungsgruppen. 1) Bietigheim-Bissingen, Kelter 2) Affalterbach-Wolfsölden 3a) Stuttgart, Altes Schloss Bef. 126 3b) Stuttgart, Altes Schloss Bef. 326 3c) Stuttgart, Altes Schloss Bef. 691 .

60% • Wildpflanzen

50% • andere Nahrungs­

pflanzen

0 Druschreste

40% 0 Getreidekörner

30%

20%

10%

0%

2 3a 3b 3c

100%

90%

80%

70%

60% D Triticum monococcum

50% •

Triticum aestivum/ durum/turgidum

40% • Hordeum

30%

20%

D Triticum spelta

r.:::J Avena ~

Abb. 16. Artenspektren von Getreidevorräten auf Bur­gen. 1) Bietigheim-Bissingen, Kelter

10% ~ Secale cereale 2) Affalterbach-Wolfsölden 3a) Stuttgart, Altes Schloss Bef. 126 3b) Stuttgart, Altes Schloss Bef. 326 3c) Stuttgart, Altes Schloss Bef. 691.

0% 2 3a 3b 3c

und hinsichtlich der Zusammensetzung nach den Funktionsgruppen Getreidekörner, Druschreste, an­dere Nahrungspflanzen und Wildpflanzen (prozentua­le Anteile an der Gesamtsumme bestimmter Ptlanzen­reste) ausgewertet.

Chronologische Aspekte blieben unberücksichtigt, auch deshalb, weil viele Grabungen noch unpuhUziert sind und eine exakte Datierung oft schwierig ist. Die Masse des Materials datiertjedoch ins Hochmittelalter, mit Ausgriffen ins späte Früh- und ins Spätmittelalter. Die Pflanzenreste liegen durchweg in verkohltem Zu­stand vor. Reine Körnervorräte sind selten. Meist sind Druschreste, andere Nahrungspflanzen und Wildpflan­zen, vor allem Unkräuter beigemengt. Auch bei den Ge­treidekörnern sind artenreine Funde die Ausnahme. Treten andere Getreidearten hierbei in Anteilen von je­weils unter 10% auf, so ist das mit hoher Wahrschein­lichkeit auf unreines Saatgut und auf Vorfrucht im Zuge des Fruchtwechsels in der Dreifelderwirtschaft zurück zu führen. Bei höheren Anteilen anderer Getrei­de bis hin zu Gemengen von zwei Getreidearten ist von

346

gemischtem Anbau oder von postfunktionaler Vermi­schung auszugehen. Handelt es sich um Mischungen von typischen Winterfrüchten wie Roggen oder Dinkel mit typischen Sommerfrüchten wie Gerste oder Hafer, so scheidet Gemengeanbau aus.

3.3. Burgen

Nur von drei Burgen liegen aus insgesamt fünf Be­funden Nahrungspflanzenvorräte vor. Dabei ist das Stuttgarter Alte Schloss mit drei Befunden vertreten. Dort überwiegen in einem Befund verkohlte Weintrau­ben-Reste (Vitis vinifera) ,11 in einem anderen Drusch-

11 Da neben den Traubenkernen au ch Fragmente der Ris penäste gefunden wurden , geh t der Fund vermutlich auf Weintrau­ben-Trester zurück . Die funktionale Deutung ist schwierlg. Da die Weinbereitung früher m eist in Feldkeltern erfolgte. s tellt sich die Frage. wozu der Trester hierher gelangte und warum er verkohlte. Eine Erklärungsmöglichkeit wäre eine Destille. bei der nach dem Brennen des Tresters die Rücks tände als Heizmaterial verwendet wurden.

RURALIA VIII

Arnold - Rösch, Verbreitung und Lagerung von Lebensmitteln unter dem Aspekt von Nahrungsangebot 335- 357

100%

I'" 111 I"'" I f-

90%

80%

f-70%

60% f-

50%

40%

30%

I!!! I

• Wildpflanzen

Abb. 17. Zusammensetzung der Vorräte in Städten nach Nutzungsgruppen. 4) Sinsheim, Burggasse 5) Kirchheim, Krautmarkt 6a) Ulm, Donaustraße, Bef. 299 6b) Ulm, Donaustraße, Bef. 400 7) Esslingen, Denkendorfer Pfleghof Ba) Geislingen, Alte Post, Bef. 112 Bb) Geislingen, Alte Post, Bef. 117 Be) Geislingen, Alte Post, Bef. 125 Bd) Geislingen, Alte Post, Bef. 177 9) Schwäbisch Hall, St. Michael 10) Schwäbisch Gmünd, Rinderbachergasse 13 11) Rottweil, Kapellenhof

r-20% • andere Nahrungs-

pflanzen

12a) Ulm, Neue Strasse, Bef. 3062 12b) Ulm, Neue Strasse, Bef. 3423 12c) Ulm, Neue Strasse, Bef. 2241 12d) Ulm, Neue Strasse, Bef. 2229 12e) Ulm, Neue Strasse, Bef. 2246 12f) Ulm, Neue Strasse, Bef. 7566 12g) Ulm, Neue Strasse, Bef. 7953 12h) Ulm, Neue Strasse 102.

10% 0 Druschreste

0% 4 5 6a 6b 7 6a 6b Be 8d 9 10 11 12a 12b 12c 12d 12e 121 12g

100%

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ 2 I 2 I I ~ ..

2 ~ ~ ~ ~ ~ ~

i,: ~ t: ~ ~

8 ~ 8 ~ .. ~ ~ 8 ~ 8 ~ ~ ~ ~ ~ ~-

~ 8 ~ ~ ~ ~

~ .. ~ ~ 2 X ;'8 ~ -5? ..

90%

80%

70%

60%

50%

40%

30%

20%

10%

0% 4 5 6a 6b 7 Ba Sb Sc Sd 9 10 11 12a 12b 12c 12d 12e 121 12g

reste des Dinkels (Triticum spelta) (Abb. 15) . Beide Befunde sind also nur als Vorräte im weiteren Sinne aufzufassen. Es bleiben eill Hafer (Avena)-Vorrat in Stuttgart (3c) . ein Dinkelvorrat mit Haferbeteiligung in Bietigheim (1) . und ein Roggen (Secale cereale)-Ha­fer-Mischvorrat in Wolfsölden (2. Abb. 15, 16). Die Da­tenbasis ist als schlecht zu bezeichnen.

3.4. Städte

Von den 20 Konzentrationen aus neun Städten handelt es sich in 14 Fällen um echte Getreidevorräte (Abb. 17). In fünf Fällen überwiegen Druschreste, in einem (Ulm, Neue Straße. 30a) andere Nahrungspflan­zen, hauptsächlich Obst und Nüsse. In Sinsheim und Kirchheim/ Teck dominiert Roggendrusch, und auch bei den Getreidekörnern ist Roggen (Secale cereale)

RURALIA VIII

0 Getreidekörner

• Triticum dicoccum

D Triticum rronococcum

• Triticum aesti\/Um I durum'turgidum

. Hordeum

D Triticum spelta

f.::::J Avena l:;:;:;j ~ Secale cereale

Abb. 18. Artenspektren von Getreidevorräten aus Städten. 4) Sinsheim, Burggasse 5) Kirchheim, Krautmarkt 6a) Ulm, Donaustraße, Bef. 299 6b) Ulm, Donaustraße, Bef. 400 7) Esslingen, Denkendorfer Pf/eghof Ba) Geislingen, Alte Post, Bef. 112 Bb) Geislingen, Alte Post, Bef. 117 Be) Geislingen, Alte Post, Bef. 125 Bd) Geislingen, Alte Post, Bef. 177 9) Schwäbisch Hall, St. Michael 10) Schwäbisch Gmünd, Rinderbachergasse 13 11) Rottweil, Kapellenhof 12a) Ulm, Neue Strasse, Bef. 3062 12b) Ulm, Neue Strasse, Bef. 3423 12c) Ulm, Neue Strasse, Bef. 2241 12d) Ulm, Neue Strasse, Bef. 2229 12e) Ulm, Neue Strasse, Bef. 2246 12f) Ulm, Neue Strasse, Bef. 7566 12g) Ulm, Neue Strasse, Bef. 7953 12h) Ulm, Neue Strasse 102.

am häufigsten. Auch bei den drei Ulmer Funden mit überwiegend Druschresten ist Roggen (Secale cereale)

am häufigsten. Mit den Mengenverhältnissen bei den Körnern stimmt das beim Fund aus der neuen Stra­ße 102 (Abb. 18, 12 g) gut überein, weniger gut bei den Befunden 12c und d, was den dortigen geringen Fundzahlen (Tab. 1) geschuldet sein mag. Unter den .. echten" Vorräten sind drei reine Roggenvorräte, aus Esslingen, Schwäbisch Hall und Ulm. Der Schwä­bisch Haller Fund ist allerdings kein zum Verzehr bestimmter Vorrat, sondern Teil eines Grundsteins vom Umbau der Michaelskirehe im Jahre 1495, also eine bewusste Niederlegung für die Nachwelt (Rösch

- Heumüller 2008, 78f.). Schwache Beimengungen an­derer Getreide haben die Roggenvorräte von Ulm Do­naustraße (6a) und Geislingen (Sc und d), wobei im zweiten Fall Dinkel (Triticum spelta) mit um 20% Anteil

347

Arnold - Rösch, Verbreitung und Lagerung von Lebensmitteln unter dem Aspekt von Nahrungsangebot 335-357

90%

100%

· ·~· II "" -

80%

70% - -

-60%

50%

40%

30%

-11 1 - ~

'-

-

I Abb. 19. Zusammensetzung der Vorräte aus proto­städtischen Siedlungen nach Nutzungsgruppen. 13a) 8iberach, Viehmarkt, 8ef. 3104 13b) 8iberach, Viehmarkt, 8ef. 3189 14a) 8ruchsal, John-8opp-j8/umenstr., 8ef. 1115 14b) 8ruchsal, John-8opp-/ 81umenstr., 8ef. 1468 14c) 8ruchsal, John-8opp-j8/umenstr., 8ef. 1516 14d) 8ruchsa/, John-8opp-j8/umenstr., 8ef. 377 14e) 8ruchsa/, John-8opp-j 8/umenstr., 8ef. 790 14f) 8ruchsal, John-8opp-j8/umenstr., 8ef. 827 14g) 8ruchsal, John-8opp-j8/umenstr., 8ef. 1482 15) Heilbronn, Kaiserstraße 16) Nussloch, Lindenschule

20% . Wildpftartlen

17a) Wiesloch, Küferstraße, 8ef. 4 17b) Wiesloch, Küferstraße, 8ef. 5 18) Wiesloch, Evangelische Kirche 19a) Wies/ach, Röhrgasse, 8ef. 35 19b) Wiesloch, Röhrgasse, 8ef. 15 20) Heide/berg, Apothekergasse.

f-

10%

0%

r-r-

.andere Nahrungspftart2en

O oruschreste

0 Getreidekömer

1~1Th1~1~1~1~1~1M1~15 16 1h1Th18 1~1~W

als Nebenkomponente aufzufassen ist. Geislingen hat zwei weitere Roggenmischvorräte aufzuweisen, bei de­nen Roggen zwar die Hauptkomponente ist, aber mit nur rund 60% Anteil (Ba und b).12 Erheblichen Anteil haben hier Gerste (Hordeum) und Dinkel (Triticum

spelta). Der zweite Fund von der Donaustraße in Ulm ist ein Gemenge aus Hafer (Avena) und Gerste (Horde­um). Auch hier ist ein Gemengeanbau zur Erhöhung der Ertragssicherheit denkbar, weil Gerste in nassen Jahren Ertragseinbußen hat oder gar ausfällt, Hafer in trockenen. Schwäbisch Gmünd (10) ,13 Rottweil (11) und Ulm, Neue Straße (12f) lieferten fast reine Hafervorräte. Die geographische Lage der vorgestellten Befunde in Südwestdeutschland zeigt zunächst eine starke räum­liche Ungleichverteilung (Abb. 25): Die Funde massie­ren sich im mittleren Neckarraum sowie östlich und südlich angrenzenden Gebieten, sowie am nördlichen Oberrhein und im Kraichgau. In der südlichen Landes­hälfte gibt es nur Material aus Ulm und Biberach im Osten und aus Rottweil und Bad Krozingen im Westen. Aus dem Schwarzwald und von der Schwäbischen Alb liegt nichts vor, kaum etwas aus dem Alpenvorland. Das kann nur teilweise durch die traditionell dichtere Besiedlung und die daher größere Grabungsaktivität in den gut belegten Landschaften erklärt werden. Inner­halb des gut belegten Raumes zeichnet sich eine recht einheitliche Getreidelandschaft mit Roggen als dem am häufigsten eingelagerten Getreide ab. Möglicherwei­se ist nach Westen und vor allem Südwesten, also vor allem am Oberrhein, eine stärkere Beteiligung von Din­kel und Freidreschendem Weizen erkennbar, doch fehlt für eine sichere Beurteilung gerade dort das Material.

12 Nach Auffassung des Ausgräbers handelt es sich bei dies em Befund um eine Latrine, vgl. Kap. Archäologie.

13 Auch hier liegt eventuell eine Latrin e vor.

348

3.5. Stadtähnliche Siedlungen14

Von den 17 Konzentrationen sind zwölf als echte Ge­treidevorräte anzusprechen (Abb. 19). Hinzu kommen ein Erbsenvorrat (Pisum sativum) mit starker Beteili­gung von Roggenkörnern (Secale cereale) aus Biber­ach, und eine Konzentration von Traubenkernen (Vitis vinifera), ebenfalls vermengt mit Getreide, aus Bruch­sal. Da hier, anders als in Stuttgart, Rispenfragmente fehlen , handelt es sich wohl nicht um einen Trester­rückstand, sondern um einen echten Vorrat, mögli­cherweise von getrockneten Weinbeeren. Druschabfäl­le überwiegen in drei Fällen, nämlich in Bruchsal (14f) , Heilbronn und Wiesloch, Küferstraße (17a). Da b ei al­len dreien auch Körner beteiligt sind, handelt es sich, wie bereits ausgeführt, dennoch um bevorratetes Ma­terial. Wie bei den Körnern (Abb. 20) überwiegt auch b eim Drusch der Roggen, in Wiesloch mit starker Be­teiligung des Dinkels. Da Roggen freidreschend ist und nach dem Drusch Körner und Ährenspindelglieder leicht zu trennen sind, handelt es sich, wenn beide ge­meinsam auftreten, entweder um die Reste ungedro­schener Garben oder um Feinsieb- oder Worfelabfäl­le, b ei den en die Körner nicht vollständig abgetrennt werden konnten. Was davon zutrifft, lässt sich anhand des Verhältnisses von Körnern zu Ährenspindelglie­dern, anhand der Anwesenheit von Strohfragmenten und anhand der Korngröße entscheiden. Geht das Ma­terial auf ungedroschene Garben zurück, so müssten Strohreste häufig und die Korngröße normal sein. Bei Feinsieb- oder Warfelabfällen wären Stroh selten und die Getreidekörner klein.15 Unter den echten Körner-

14 Ländliche Siedlungen mit vorstädtischem Charakter, a uf der Schwelle zur Stadtwerdung befindlich .

15 An den Produktionsorten wurden Garben eingelagert und im Laufe von Herbst und Winter gedroschen und durch Sieben und Worfeln gereinigt. Diese Arbeiten s ind b ei manueller Aus-

RURALIA VIII

Arnold - Rösch, Verbreitung und Lagerung von Lebensmitteln unter dem Aspekt von Nahrungsangebot 335-357

100% • I Abb. 20. Artenspektren von Getreidevorräten aus

- ~ I protostädtischen Siedlungen.

90% ... 13a) 8iberach, Viehmarkt, 8ef. 3104

2 ~ • Setaria italica

13b) 8iberach, Viehmarkt, 8ef. 3189 80% .. ~ 14a) 8ruchsal, John-8opp-j8/umenstr., 8ef. 1115

t::: 2 ~ • Panicum millaceum 14b) 8ruchsal, John-8opp-j8/umenstr., 8ef. 1468 70% .;. ~ 2 14c) 8ruchsal, John-8opp-j8/umenstr., 8ef. 1516 ·.· :X ~ • Triticum dicoccum 14d) 8ruchsal, John-8opp-j81umenstr. , 8ef. 377 ~ 2 60% 2 14e) 8ruchsal, John-8opp-j8/umenstr. , 8ef. 790 :X ~ D Triticum monococcum

50% ~ ill

14f) Bruchsal, John-8opp-j8/umenstr., 8ef. 827

~ ~ • Triticum aestivum I 14g) 8ruchsal, John-8opp-j 8/umenstr., 8ef. 1482

40% durum'turgldum 15) Heilbronn, KaiserstraBe

~ ~ . Hordeum 16) Nuss/och, Lindenschule

~ .. 17a) Wiesloch, Küferstraße, 8ef. 4 30% D Triticum spelta 2 2

17b) Wies/och, Küferstraße, 8ef. 5 20% [JAvena 18) Wies/och, Evangelische Kirche

~ . 19a) Wiesloch, Röhrgasse, 8ef. 35 2 10% ~ Secale cereale 19b) Wiesloch, Röhrgasse, 8ef. 15 ~ ;; 20) Heide/berg, Apothekergasse. X 0%

1~1~1~1~1~1~1~1~1~15 16 17a 17b 18 19a 19b 20

vorräten sind drei reine Roggenvorräte (Secale cereale) (Bruchsal, l4b und c, Nussloch). Roggen-Mischvorräte gibt es vier, einen in Biberach mit starker Beteiligung von Gerste (Hordeum), einen in Bruchsal mit fünf wei­teren Getreidearten, zuvorderst Dinkel (Triticum spel­

ta) und Hafer (Avena) , einen in Wiesloch, Küferstraße, wo ebenfalls vier weitere Getreide beigemengt sind, vor allem Freidreschender Weizen (Triticum aesti­vumj durum) und Dinkel (Triticum spelta), und einen in Wiesloch, evangelische Kirche mit allerdings schwä­cherer Beteiligung von ebenfalls vier weiteren Arten. Aus der Röhrgasse in Wiesloch stammen ein - spät­mittelalterlicher - Hafervorrat (Avena) mit Gerstenan­teil (Hordeum) und ein Gerstenvorrat (Hordeum) mit Haferanteil (Avena) . Schließlich gibt es aus Bruchsal zwei Vorräte mit annähernd gleicher Beteiligung von Dinkel (Triticum spelta) und Roggen (Secale cereale)

mit Spuren anderer Getreide, vor allem Hafer (Avena) und Freidreschendem Weizen (Triticum aestivumj du­rum). Dahinter verbirgt sich möglicherweise der frü­her mancherorts übliche Gemengeanbau von Dinkel und Roggen im Winterfeld, der beispielsweise für das obere Gäu unter der Bezeichnung "Rauhmischleten" überliefert ist (Borcherdt 1987).

3.6 . Dörfer

Von den 18 Konzentrationen aus dörflichem Kon­text sind zwölf echte Vorräte, in denen Getreidekörner, in einem Fall (Ditzingen) auch Linsen (Lens culinaris),

führung relativ zeitaufwendig. Da die freidreschenden Arten oder Formen von Weizen und Gerste wie auch der Roggen da­nach als reine Körner weiter verwendet, also auch verhandelt wurden, ist das häufige Auftreten von deren Druschresten ein klarer Hinweis auf örtliche Erzeugung. Fehlen s ie weitgehend, so deutet das eher darauf hin, dass dieses Getreide eingeführt wurde.

RURALIA VIII

überwiegen (Abb. 21) . In sechs Fällen überwiegen Druschreste. Es handelt sich dabei also nicht um echte Vorräte, sondern um Vorräte im weiteren Sinne. Ein gewisser Getreidekornanteil spricht dafür, dass diese Abfälle oder besser Nebenprodukte der Getreidereini­gung aufbewahrt wurden, weil sie einen Wert hatten, sei es als Futter, sei es als menschliche Nahrung in Notzeiten, sei es als technischer Rohstoff, beispielswei­se zur Magerung von Lehmwänden (Fischer - Rösch

2009). Meist handelt es sich um mehr oder weniger rei­ne Roggenabfälle. Nur in einem Fall überwiegt Dinkel. Wo die Körner dominieren, ist von echten Nahrungs­vorräten auszugehen. Hierbei stellt Roggen (Secale cereale) die Hauptkomponente in Gerlingen, Leimen, Werbach-Garnburg und in einem Vorrat in Schwieber­dingen-Vöhingen (Abb. 22). Aus Langenburg-Unterre­genbach stammen zwei sehr reine Gerstenvorräte (Hor­deum). die ins späte Mittelalter datieren. Die restlichen Vorräte aus Schwieberdingen und die vom Glöcklehof in Bad Krozingen sind sehr gemischt. Im Glöcklehof ist Roggen recht selten. Die Hauptkomponenten sind Dinkel (Triticum spelta) und Freidreschender Weizen (Triticum aestivumj durum) - wohl Saatweizen (Triti­cum aestivum)l6 , mit Beteiligung von Gerste (Hordeum) und Einkorn (Triticum monococcum). Da alle drei Vor­räte sehr ähnliche Zusammensetzung haben, kommt hier wohl kein Zufall, sondern eine andere Artenwahl beim Getreidebau zum Ausdruck. Das Zurücktreten der sonst besonders häufig angebauten Arten Rog­gen und Hafer weist auf fruchtbare, basenreiche Bö-

16 Die Freidreschenden Weizen sind nur anhand der selten ge­fundenen Druschreste unterscheidbar, nicht anhand der Kör­ner. Während mittlerweile geklärt ist, dass in prähistorischer Zelt in Mitteleuropa sowohl hexaploide (Triticum aestivum) wie a uch tetraploide (Triticum durum) Formen vorkamen. geht man bislang für das Mittelalter ausschließlich vom Anbau von Saatweizen (Triticum aestivum) aus.

349

Arnold - Rösch, Verbreitung und Lagerung von Lebensmitteln unter dem Aspekt von Nahrungsangebot 335-357

100% • Jlllll -1-

90%

80%

70% 1--

Jlllll I • -I-

Abb. 21. Zusammensetzung der Vorräte in ländli­chen Siedfungen nach Nutzungsgruppen. 21a) Gerfingen, Bachstr. 7, Bef. 1 21b) Gerfingen, Bachstr. 7, Bef. 6 22a) Herrenberg-Raistingen, Bef. 221 22b) Herrenberg-Raistingen, Bef. 228 22c) Herrenberg-Raistingen, Bef. 475

60% • Wildpflanzen 23) Ditzingen, Bauernstr . 24) Rot am See

50%

40% 1-

.andere Nahrungspflanzen

Ooruschreste

0Getreidekörner

25) Leimen, evangelische Kirche 26) Weil im Schönbuch, Lachental 27a) Schwieberdingen-Vöhingen, Bef. 124 27b) Schwieberdingen-Vöhingen, Bef. 1336 27c) Schwieberdingen-Vöhingen, Bef. 1931 28) Werbach-Gamburg, Altekirchen 30% I-

20% ~

10%

I-

O% 21a21b22a22b22c 23 24 25 2627a27b27c28 29a29b29c30a30b

100% 1- •I ~~ ~ I I 90%

r. ~ 80%

29a) Bad Krozingen, G/öckfehof, Bef. 165 29b) Bad Krozingen, Glöckfehof, Bef. 222 29c) Bad Krozingen, Glöckfehof, Bef. 447 30a) Langenburg-Unterregenbach, Bef. 36/ 37 30b) Langenburg-Unterregenbach, Bef. 116.

Abb. 22. Artenspektren von Getreidevorräten aus ländlichen Siedlungen.

~ 70%

g g

• Panicum miliaceum

21a) Ger/ingen, Bachstr. 7, Bef. 1 21b) Gerfingen, Bachstr. 7, Bef. 6 22a) Herrenberg-Raistingen, Bef. 221 22b) Herrenberg-Raistingen, Bef. 228 22c) Herrenberg-Raistingen, Bef. 475

• Triticum dicoccum

60% .· g g ~

23) Ditzingen, Bauernstr.

D Triticum monococcum

~~ 24) Rot am See 25) Leimen, evangelische Kirche

50%

~~ ~ • Triticum aestiwm I

durumlturgidum 26) Weil im Schönbuch, Lachental 27a) Schwieberdingen-Vöhingen, Bef. 124 27b) Schwieberdingen-Vöhingen, Bef. 1336 27c) Schwieberdingen-Vöhingen, Bef. 1931 28) Werbach-Gamburg, Altekirchen

40% . Hordeum g ~~ 30% ~ ir.:= D Triticum spelta

~ ~ ~ ~ :;: ::: 20% []Avena . ~ ~ ~ ~ 8 10% ~ 8 ~

8 ~ gr. g~

~ Secale cereale

29a) Bad Krozingen, Gföckfehof, Bef. 165 29b) Bad Krozingen, G/öckfehof, Bef. 222 29c) Bad Krozingen, Glöckfehof, Bef. 447 30a) Langenburg-Unterregenbach, Bef. 36/ 37 30b) Langenburg-Unterregenbach, Bef. 116. s~ ~ ~ ~ :X

0% 21a 21b22a22b22c 23 24 25 26 27a 27b 27c 28 29a 29b 29c 30a 30b

den und warm getöntes Klima hin. Ein weiterer Vorrat mit überwiegend Freidreschendem Weizen (Triticum

aestivumj durum) stammt von Schwieberdingen, eben­falls in einer fruchtbaren Lößlandschaft mit warmem Klima gelegen. Ansonsten ist Freidreschender Weizen selten. Das entspricht der historischen Überlieferung, wonach Saatweizen seinen Siegeszug als wichtigstes Brotgetreide in Südwestdeutschland erst im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts antrat. Hauptgrund für seine geringe Bedeutung davor ist die witterungsbe­dingte Ertragsunsicherheit seiner alten Landrassen, die natürlich in wärmerem Klima wie am Oberrhein und Neckar schwächer zu Buche schlug.

3. 7. Synthese

Häufigkeit bestimmter Vorratszusammensetzung und Unterschiede zwischen den Fundplatzkategorien: Insgesamt am häufigsten sind Roggenvorräte (mehr

350

als 80% Roggenanteil bei den Körnern), Roggen-Misch­vorräte (Roggen bei den Körnern mit weniger als 80% Anteil, aber dominierend) und Abfälle, bei denen Roggen-Druschreste vorherrschen (Abb. 23) . Roggen­vorräte sind in der Stadt häufiger als auf dem Land, fehlen aber auf Burgen. Roggen-Mischvorräte kom­men überall vor. Roggenabfälle sind in Stadt und Land gleich verbreitet, fehlen aber auf Burgen. Sie sind ein deutlicher Hinweis auf örtliche Getreideerzeugung. Demnach wurde nicht nur in den Dörfern und vor­städtischen Siedlungen, sondern auch von den Stadt­bewohnern Ackerbau betrieben, nicht jedoch von den Burgbewohnern. Gemischte Abfälle von Dörfern und vorstädtischen Siedlungen weisen in die gleiche Rich­tung. Dinkel-Mischvorräte und Dinkel-Druschabfälle finden sich in Dörfern, vorstädtischen Siedlungen und auf Burgen, fehlen aber in den Städten. Da die Masse des erfassten Materials vor dem 15. Jahrhundert da­tiert, nimmt es nicht wunder, dass Dinkelkonzentra-

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Arnold - Rösch, Verbreitung und Lagerung von Lebensmitteln unter dem Aspekt von Nahrungsangebot 335- 357

tionen viel seltener sind als die von Roggen (Fischer

- Rösch2009) . Dinkeldrusch auf der Burg ist kein Hin­weis auf örtlichen Anbau, da Dinkel meist als Veesen, also bespelzt gelagert und verhandelt, und erst kurz vor dem Verzehr entspelzt wird, weshalb - im Gegen­satz zum Roggen - die Spelzen durchaus am Ort des Verbrauchs auftauchen.

Saatweizenmisch- und Gerstenvorräte wurden nur in Dörfern gefunden, Gerste-Hafer-Mischvorräte nur in Städten und vorstädtischen Siedlungen, Hafervor­räte dagegen überall, gehäuft jedoch in Städten und Burgen. Von Einkorn und Rispenhirse gibt es nur je einen Mischvorrat, weshalb aus dem Auftreten in Stadt bzw. vorstädtischer Siedlung keine Regelhaftig­keit abgeleitet werden kann. Betrachtet man die pro­zentualen Anteile der einzelnen Vorratskategorien gesondert nach Siedlungstypen, so besteht zwischen Dörfern, vorstädtischen Siedlungen und Städten recht große Ähnlichkeit, wogegen sich die Burgen deutlich abheben (Abb. 24). Zwischen Dörfern und vorstädti­schen Siedlungen ist die Ähnlichkeit doch größer als

zwischen diesen beiden und den Städten. Somit ergibt sich eine deutliche Reihung: Dorf - vorstädische Sied­lung - Stadt - Burg, wobei die Sprünge zwischen Stadt und Burg am größten und zwischen Dorf und vorstäd­tischer Siedlung am geringsten sind. Hülsenfrüchte treten mit einer vorstädtischen Ausnahme nur auf dem Dorf als Hauptkomponente auf. Die größte Artenviel­falt besteht eindeutig auf dem Land. Das hängt damit zusammen, dass die Vorräte den Verbrauch wiederge­ben, nicht die Erzeugung. Die Dörfer sind vorwiegend Orte der Erzeugung, weil nur ein Teil des Erzeugten hier verbraucht wird, ein anderer Teil aber in Burgen und Städte, die vorwiegend Orte des Verbrauchs sind, abfließt Bei vorstädtischen Siedlungen dürften Er­zeugung und Verbrauch einigermaßen ausgeglichen

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Abb. 23. Häufigkeit bestimmter Artenzusammen­setzungen nach Kontext, absolut. a) Dörfer b) vorstädtisch c) Städte d) Burgen. 1) Roggenvorrat 2) Roggenmischvorrat 3) Roggenabfall 4) Roggen-/Dinkel-Abfall 5) Dinkelmischvorrat

D Dörfer 6) Dinkelabfall

C vorstädtisch 7) Saatweizen-Mischvorrat

• Städte 8) Gerstenvorrat 9) Gerste-Hafer-Vorrat 10) Hafervorrat

• Burgen

11) Einkorn-Mischvorrat 12) Hirsemischvorrat

100%

90%

80'/o (Jil Nahrull9lipflanzen gemiScht

IIJ Hirsemischvormt

70'/o D Einkom-Mischvormt

Q Hafervorrat

• Gerste-Hafer-Vormt 60'Io

• Gerstenvorrat

• Saatweizen-Mischvorrat 50'/o 0 Dinkelabfall

D Dinkelmmischvormt

40'Io § Roggen.JDinkelabfall

~ Roggenabfall

30'Io 0 Roggenmischvormt

~ Roggenvorrat

20'/o

Dörfer vorstadtisch Stadte Burgen

Abb. 24. Häufigkeit bestimmter Artenzusammensetzungen nach Kon­text, prozentual. a) Dörfer b) vorstädtisch c) Städte d) Burgen. 1) Roggenvorrat 2) Roggenmischvorrat 3) Roggenabfall 4) Roggen-/Dinkel-Abfall 5) Dinkelmischvorrat 6) Dinkelabfall 7) Saatweizen-Mischvorrat 8) Gerstenvorrat 9) Gerste-Hafer-Vorrat 10) Hafervorrat 11) Einkorn-Mischvorrat 12) Hirsemischvorrat

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Arnold - Rösch , Verbreitung und Lagerung von Lebensmitteln unter dem Aspekt von Nahrungsangebot 335- 357

sein. In Städten wurde mehr Nahrung verbraucht als erzeugt, also wurde zusätzlich zur Eigenproduktion ein beträchtlicher Teil vom Land eingeführt, und auf Burgen dürfte nur verbraucht worden sein. Die Ab­flüsse vom Land an die Orte des Verbrauchs erfolgen aber nicht gleichmäßig für alle erzeugten Produkte, sondern bevorzugt für bestimmte, besonders häufig angebaute Getreidearten, die dadurch auf dem Land in den Verbrauchsspektren abgereichert und an den Ver­brauchsorten angereichert werden. Dadurch entsteht auf dem Land größere, in der Stadt geringere Vielfalt17

Das ist kein Mittelalter-typisches Phänomen, sondern gilt für alle Epochen mit einer Differenzierung in Erzeu­gungs- und Verbrauchsorte von landwirtschaftlichen Gütern, also für Epochen, in denen Zentralisierungs­oder Urbanisierungsprozesse fassbar sind, in Mitteleu­ropa also auch für die Späthallstatt/ Früh-Latene-Zeit und die Römische Kaiserzeit (Rösch et aL 2009). In der

17 Unter Vielfalt ist hie r nicht die Zahl der Kulturpflanzen zu verstehen, sondern stärkere Gleichverteilung bei den Antei­len der vorkommenden Kulturpflanzen, wie sie mathematisch durch die Evenness a usgedrückt werden kann, vgl. Rösch et al. 2008.

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Abb. 25. Die geographische Lage der Fundplätze mit Angabe der Hauptge­treideart

ml Vitis vinifera

~ Lens culinaris

- Panicum rriliaceum

mß Pisum sativum

D Triticum monococcum

II Triticum aestivum I durum'turgidum

IIHordeum

D Triticum spelta

w.'JAvena E.:.:.:.:;3 ~ Secale cereale

Eisenzeit wurden mit Spelzgerste und Dinkel die am häufigsten erzeugten Getreide in die Zentren impor­tiert, desgleichen in der der Römischen Kaiserzeit der am häufigsten erzeugte Dinkel. Im Gegensatz dazu ge­langte im Mittelalter nicht der besonders häufige Rog­gen in die Burgen, sondern die höherwertigen Getreide Hafer und Dinkel. Das häufige Getreide Roggen wurde zunächst für den Eigenbedarf erzeugt, Überschüsse offenbar bevorzugt in Städte ausgeführt. Sehr große Vorräte sind in den Städten und auf den Burgen deut­lich häufiger als auf dem Land - ein weiteres Argument für die Differenzierung in Erzeugung und Verbrauch pflanzlicher Nahrung. Auf dem Land musste man von der Hand in den Mund leben , also von Anbaujahr zu Anbaujahr und das Risiko von Missernten durch eine möglichst breite Anbaupalette mindern. Besonders auf den Burgen war man auf die Nachlieferung von außen angewiesen, hatte aber auch die Möglichkeit, durch längerfristige Vorratshaltung Risiken zu mindern. Die Zunahme von Roggen in der Reihenfolge Burg - Dorf­vorstädtische Siedlung - Stadt kann im Hinblick auf zunehmend angespannte Ernährungslage gedeutet werden, weil Roggen von den verfügbaren Getreidear-

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Arnold - Rösch, Verbreitung und Lagerung von Lebensmitteln unter dem Aspekt von Nahrungsangebot 335-357

ten hinsichtlich der Bodenqualität am genügsamsten ist, aber hinsichtlich Geschmack und ernährungsphy­siologischer Wertigkeit vielleicht am schlechtesten abschneidetWeiterhin bleibt festzuhalten, dass sich botanische Vorräte in der überwiegenden Zahl der Fäl­le nicht mit archäologisch als Vorratsverwahrung an­zusprechenden Befunden in Zusammenhang bringen lassen. Dies ist jedoch nicht verwunderlich, da diese in der Regel verzehrt wurden und nur unbrauchbare oder durch ein Schadenereignis im Boden konser­vierte Konzentrationen auf uns kamen. Durch Brand verdorbene Vorräte wurden zudem offenbar in vielen Fällen an anderen Orten entsorgt.

4. Zusammenfassung

Vergleicht man die Diagramme der verschiedenen Siedlungskategorien (wobei die Burgen hier aufgrund der wenigen Beispiele und auch ihrer Funktion unter dem archäologischen Aspekt als Ausnahme anzuse­hen sind), so werden überall Grubenhäuser als Vor­ratsstärten genutzt - von der ländlichen Siedlung bis hin zur Stadt. Gruben haben sich im vorliegenden Material nicht eindeutig als Vorratsgruben definieren lassen und sind auch in ihrer zweifelhaften Ansprache verschwindend gering. Sicher erhaltungsbedingt sind Vorräte aus ebenerdigen (Esslingen) oder gar mittels eines Pfostengerüstes das Bodenniveau überragenden (Speicher-)Bauten so gut wie nicht vorhanden bzw. als solche zu klassifizieren (wie z.B. in Unterregenbach und Weil im Schönbuch) . Hier fehlt der stratigraphische Zusammenhang zwischen archäologischem Befund, der oft eine Ansprache als Speicherbau wahrschein­lich macht, und dem botanischen Fundkomplex. Das große Manko ist, dass leider äußerst selten Siedlungs­plätze mit dem ehemaligen Laufniveau von der Archä­ologie erforscht werden können. So stammen viele der botanischen Vorräte aus Planier- und Brandschichten, Gruben- oder Grubenhausverfüllungen (in letzterem Fall häufig auch eindeutig nicht im Zusammenhang mit der Grubenhausnutzung). Offenbar wurden ver­brannte Vorräte mit anderem Material verlagert und konnten so als Füllmaterial für ehemals eingetiefte Befunde oder als Planiermaterial zum Einebnen eines Platzes verwendet werden.

Herausragende archäologische Befunde im Zusam­menhang mit Vorratshaltung sind äußerst selten und dem Erhaltungszustand und auch dem Zufall geschul­det, wie z.B. in Esslingen, Biberach, Ditzingen oder Rot am See. Was leider eine nicht unbeträchtliche Ein­schränkung der Vergleichbarkeit von Nahrungsange­bot zwischen Stadt und Land ausmacht, ist die Tatsa­che, dass in städtischen Latrinen ein breites Spektrum des vorhandenen Nahrungsangebotes - auch solches, das nur von weit her bezogen werden konnte - ables-

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bar ist, wogegen entsprechende Befunde in Siedlungen vollständig fehlen. Hier ist also z.B. in Bezug auf das Obstangebot das im ländlichen Bereich natürlich um­fangreich vorhanden war, ein Ungleichgewicht unseres Wissens nicht zu verleugnen, da die menschlichen Fä­kalien auf dem Dorf nicht derart "gesammelt" hinter­lassen wurden wie in den Städten.

Konzentrationen verkohlter Getreidekörner oder von Hülsenfrüchten im Boden werden in der Archäo­botanik als Vorräte aufgefasst.

Archäologische Hinweise auf Vorratshaltung (Spei­cherbauten) stehen damit nur teilweise in Zusammen­hang. Offenbar wurden durch Schadfeuer verdorbene Vorräte regelhaft verlagert/ verklappt. Artenreine Vor­räte sind die Ausnahme. Es gibt sowohl Mischvorräte als auch Nebenkomponenten, die durch unreines Saatgut oder Vorfrucht zu erklären sind, bei Einkorn auch durch Nachsaat Aus der RKZ gibt es viele Vor­räte, aus VWZ/FMA keine, weil Zentralisierung und Vorratshaltung offenbar Hand in Hand gehen. In der RKZ war Dinkel das Hauptgetreide, weil das Saatgut aufgrund der Ährchengröße am besten zu reinigen war. Im HMA sind Roggen und Hafer am häufigsten, weil sie die größte Säuretoleranz haben. Erst im SMA wird Dinkel zur Haupt-Brotfrucht (Mergelung?). Große Körnervorräte sind auf Burgen und in Städten deut­lich häufiger als auf dem Land. Dort gibt es dagegen zahlreiche Getreideabfall-Funde (Druschreste, Notnah­rung). In den Burgen sind Dinkel und Hafer am häu­figsten, in den Städten Roggen und Hafer, wobei die Palette durch Gerste, Dinkel und Einkorn ausgeweitet wird. Auf dem Land überwiegt der Roggen, aber es gibt alles . Allerdings ist Hafer recht selten, Emmer tritt nur in Spuren auf, und Nacktweizen nur in klimatischen Gunsträumen. Auf dem Lande findet sich stets eine breitere Palette an Nahrungspflanzen als in Zentren, weil nicht alles, was hier erzeugt, nach dort verhandelt wurde. Die große Vielfalt ist durch Risikostreuung und Entzerren von Arbeitsspitzen bedingt.

Das Getreide wurde in Felderwirtschaften (meist Dreifelderwirtschaft) mit Mistdüngung erzeugt. Auf­grund des großen Nahrungsbedarfs war das Verhältnis von Ackerfläche zu Weidenflächen/ Viehbesatzj Dünger­menge sehr ungünstig und die Erträge und Ausbeu­ten niedrig (5-8 dtj ha oder 1:3 bis 1:5). Aufgrund der jährlichen Ertragsschwankungen war längerfristige Vorratshaltung zwar ein Gebot des Überlebens, aber aufgrund der geringen Erträge für die Erzeuger nicht zu verwirklichen, sondern nur für eine Oberschicht, vor allem auf Burgen und in Städten, die durch Kauf/ Tausch/ Raub oder Abgaben größere Nahrungspflan­zenvorräte als für den unmittelbaren Bedarf erforder­lich erwirtschaften konnte.

Im Umgang mit ackerbaulich erzeugter pflanzlicher Nahrung besteht ein Gradient: Dorf - vorstädtische

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Siedlung - Stadt - Burg, wobei die Unterschiede zwi­schen Stadt und Burg am größten und zwischen Dorf und vorstädtischer Siedlung am geringsten sind.

Summary1 8

The first step in our research was how to define a storage from the botanical point of view. When Manfred Rösch concluded his work about the stocks he found in all the medieval excavations in Baden-Württemberg, Susanne Arnold then provided the corresponding ar­chaeological features . It is a very striking result that most of the botanic finds are not found in a storage context. They come from levellings, burnt layers or backfillings of pits, sunken huts, cellars, wells and fire places. This fact is due to the Iack of conservation of storage buildings at ground Ievel or such that were raised from the ground. In rural settlements, our main research subject, sunken huts are partially •multifunc­tional • i.e. used as storage places for cereals and for weaving. A very special feature is a gallery system in a village, near to the church and the well. In citied Set­tlements, grain was also stored mostly in sunken huts and cellars - and also appears in levellings or backfill­ings of pits, sunken huts and cellars - not in their orig­inal context. In the citied places we had a Iook at in our research, there is only one sunken hut that contained a food storage; all the other botanical finds came from levellings or backfills. Distinguishing features are rare, but that is due to the mostly bad conservation of the excavation places, especially the rural ones - where do we have such ones with the original ground Ievel? An­

other problern is that in towns, we have latrines which contain a Iot more botanical evidence and tell us about the fruits, even exotic ones, the townspeople ate. In the rural settlements. there are no latrines which means that although the people ate fruits we can only define the cereals. One problern remains therefore: the loos are missing in the villages !

In Archaeobotany concentrations of charred cereal grains or pulses are regarded as stocks. In most cases these stocks are not connected with archaeological evi­dence for food storing such as storage buildings. Obvi­ously, after being destroyed by fire, these stocks were deposited in suitable places like pits or ditches. Pure stocks, consisting only of one species, are seldom. There are some mixed stocks and many stocks with one main species, contaminated with traces of several other species. This is perhaps a question of the seed's pureness.Whereas there are several stocks from the Roman period, no stocks were found from the Migra-

18 Für sprachliche Überprüfung und teilweise Üb ersetzung der englischen und französischen Texte danken wir Susan Geu­gis und Dr. Anne Bauchettel

354

tion and early Medieval period. Apparently centralisa­tion and the economic organization of big stocks are connected. The most common cereal from the Roman period found in stocks is speit. It was preferred be­cause, due to its big spikelets, cleaning by sieving was easier than with other cereals. From the High Medieval period, many stocks were found. Most common were then rye and oats, again because of economic reasons: they tolerate acid soils better than wheat or barley. In the late Medieval period, speit became the most impor­tant cereal, perhaps because the soils were then im­proved by soft limestone. Big stocks of cereal grains are much more frequent in towns and castles than in villages. In villages, mixed stocks with dominating chaff is more common, because these are the places of production and they also used the by-products there. In the castles, speit and oats are most common, in the towns rye and oats, supplemented by barley, spelt, and einkorn. In the villages, rye dominates, but all other cereals occur too. However, oats and emmer wheat are seldom, and naked wheat occurs only in a warm climate. The crop diversity in the villages is highest It would seem that not all products were transferred from the rural sites to the centres. The reason for the high diversity was to minimize the risk and to pro­long the time span for specific field work.The medieval crops were produced in field systems, for example the three-field-system, using animal dung as fertilizer. Due to the high demand for food, the relation between ar­able fields and pastures/ animal stock/ fertilizer was not optimal. The results were low harvests (500-800 kg/ha, or a relation from 1:3 to 1:5 between seed and harvest. The big annual differences in harvest made long-term stocks necessary for survival, but because of the low harvests, the farmers could not build up big stocks; only the upper class in towns and castles could do this because they were able to get large amounts of crops by buying, robbing or in the form of taxes. Obviously there is a gradient in handling crops from villages to proto-urban settlements, towns, and castles with the biggest differences between towns and castles and the slightest between villages and proto-urban set­tlements.

Resurne

La premiere etape de notre recherche est de defi­nir le stockage du point de vue botanique. Alors que Manfred Rösch repertoriait les stocks mis au jour sur l'ensemble des sites archeologiques d'epoque medie­vale en Bade-Wurtemberg. Susanne Arnold en recher­chait les contextes correspondants. Le resultat est tres frappant La plupart des decouvertes des stocks de cereales ne sont pas retrouvees en contexte de stoc­kage. Ceux-ci proviennent de remblais, de niveaux

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d'incendies ou de cornblernents secondaires de fosses, de fonds de cabane, de caves, de puits ou de foyers. Cela est dü a l'absence de conservation des structu­res de stockage aeriennes ou au niveau du sol. Dans Je cadre de notre corpus sur les habitats ruraux, les fonds de cabane sont en partie • rnultifonctionnels •. utilises aussi bien pour le stockage des cereales que pour le tissage. La rnise au jour d'un Souterrain, a proxirnite d'une eglise et d'un puits, constitue une de­couverte exceptionnelle en contexte rural. n en va de rnerne en rnilieu urbain. Les grains, qui etaient pour l'essentiel stockes dans des fonds de cabane et des caves, sont retrouves en position secondaire dans Je cornblernent des fosses , des fonds de cabane et des caves. lls le sont rarernent en position prirnaire, dans leur contexte initial. Dans le cadre de notre corpus de sites urbains, un seul fond de cabane a Iivre un stock de cereales in situ, tous les autres provenant de corn­blernents secondaires et de rernblais. Les decouvertes rernarquables en rnatiere de reserves de cereales sont rares, du fait de l'etat d'arasernent de la plupart des si­tes archeologiques , notamrnent en rnilieu rural, oü les niveaux de sol en place sont peu frequents. Un autre problerne pose par les villes est celui des latrines qui livrent une gamrne beaucoup plus large de plantes alirnentaires, cornposees en particulier de fruitiers , parfois rnerne exotiques, issus de contrees lointaines et que consornrnerent !es habitants des villes. Par contre, dans !es villages, les vestiges de fruitiers sont rares - faute de latrines - bien que Ia population en ait egalernent consornrnes. Le Corpus des plantes alirnen­taires est donc essentiellernent constitue de cereales. L'absence de latrines en contexte rural est un verita­ble problerne! En archeobotanique, les concentrations de grains carbonises de cereales Oll de legumineuses sont considerees cornrne des stocks. Dans la plupart des cas, ceux-ci ne sont pas en relation directe avec les vestiges archeologiques des structures de stockage, cornrne par exernple, les greniers. Manifesternent, une fois endornmages par le feu, ils ont ete jetes ; evacues dans des puits ou des fosses. Les stocks purs, consti­tues d'une seule espece, sont rares. Quelques stocks rnixtes existent, la majorite des concentrations de cereales sont cependant composees d'une espece do­minante, associee a de nornbreux autres composants secondaires. Ceux-ci peuvent provenir de sernailles irnpures Oll etre iSSUS du reliquat d'anciennes cultu­res ou encore, comme pour l'engrain, de cultures de­robees. Il existe de nombreux stocks pour l'epoque ro­rnaine, aucun pour les grandes invasions / haut Moyen Age. La centralisation et l'organisation econornique de stocks irnportants sernblent avoir ete manifestement liees. A l'epoque romaine, l'espece la plus cornmune des stocks de cereales est l'epeautre. Celle-ci semble avoir ete privilegiee du fait de la grande taille de ses

RURALIA VIII

epillets, qui rendait Je vannage plus facile compare a celui des autres cereales. Au Moyen Age central, de nornbreux stocks ont ete rnis en evidence. Les cereales les plus communes sont alors le seigle et l'avoine pour des raisons econorniques et pour leur tolerance aux sols acides, superieure a celle du ble et de l'orge. Au bas Moyen Age, l'epeautre redevient la cereale Ia plus importante, peut-etre parce que !es sols etaient main­tenant enrichis en chaux (marnage?).

Les gros stocks de grains sont plus frequents en contexte urbain et castral qu'en milieu rural. Sur ces derniers sites, les stocks mixtes, associes a de nom­breux residus de vannage, sont plus cornrnuns. 11 s'agit, en effet, des centres de production et les sous-produits y etaient aussi utilises. Dans les chäteaux, l'epeautre et l'avoine sont les cereales !es plus frequentes . En contexte urbain, Je seigle et l'avoine dominent, sup­plees par l'orge, l'epeautre et l'engrain. En milieu rural, le seigle est l'espece la plus comrnune, mais toutes les autres cereales etaient egalernent exploitees. L'avoine et l'amidonnier sont cependant rares et le ble nu re­serve aux contrees les plus chaudes. Dans les villages, la diversite cerealiere est elevee. Mais, il ne sernble pas que toutes les productions aient ete cornmercialisees vers les villes. Les raisons pour lesquelles Ia diversite cerealiere est elevee dans les campagnes sont dues a la necessite de minimiser les risques de mauvaises re­coltes et d'etaler le calendrier des travaux agricoles.

Au Moyen Age, les cereales etaient cultivees selon un systerne d'assolement (le plus souvent triennal), en utilisant le fumier anirnal cornrne fertilisant. En raison des besoins alimentaires importants, il exis­tait un desequilibre entre la superficie des charnps et celle des päturagesj la taille du cheptelj la quantite de furnure. 11 en resultait une faiblesse des rendernents (500-SOOkg j ha ou un rapport de 1:3 a 1:5 entre le sernis et la recolte). Pourtant, les fortes fluctuations annuelles des productions necessitaient la constitu­tion de stocks sur le long terrne afin d'assurer la sur­vie des populations. Mais, !es paysans ne pouvaient l'entreprendre en raison de la faiblesse de leurs ren­dernents. Cela n 'etait accessible qu'a l'elite des villes et des chäteaux, qui par l'achatj l'echangej le vol ou les redevances, etaient en rnesure de constituer des gran­des reserves alimentaires. Il existe manifesternent un gradient dans Je comrnerce des cereales entre les vil­lages, !es occupations proto-urbaines, les villes et les chäteaux, avec de fortes differences entre les villes et !es chäteaux et de plus legeres entre les villages et !es occupations proto-urbaines.

355

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Susanne Arnold, Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, Berliner Strasse 12, D-73712 Esslingen. Manfred Rösch , Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, Fischersteig 9, D-78343 Gaienhofen-Hemmenhofen, [email protected]

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