Taufe zwischen Familienfest und Policey-Ordnung
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KerunrN Er-L'oqeRDr
Täufe zwischen Familienfest und Policey-Ordnung
Drn Thurpnc,xrs voN onn rnüHnN NEuzrrr Brs rNs 19. JeunnuNoEnrru Sprncnr oBRTcKETTLICHER VonscnnrrreN
Für Theologen und Obrigkeiten der frühen Neuzeit verbindet sich mit der Täufe wie mit dem
religiösen Leben insgesamt nicht allein deren geistliche Bedeutung. Im Zusammenhang mit der
evangelischen Kirchenzucht enthalten die landesherrlichen Polizei- und Kirchenordnungen Vor-
schriften, die das sittlich-moralische Leben der Menschen reglementieren. Teilweise gibt es sogar
speziell erlassene Kindtaufordnungen, die Zeitpunkt und Ort der Täufe, Auswahl und Anzahl
der Paten, den Aufivand bei dertuffeier und die Art der Patengeschenke festlegen. Dabei haben
die Obrigkeiten durchaus das materielle wie sittliche \ü/ohl der Bevölkerung im Auge. Dass man
die Vorschriften so häufig wiederholen muss, lässt darauf schließen, dass sie regelmäßig über-
treten werden, wie aktenkundige Einzelfälle immer wieder bestätisen.
ThurrpnvrN uND TETLNEHMER
Die Kindertaufe findet in der frühen Neuzeit kurz nach der Geburt statt. Bis zum Dreißigjähri-
gen Krieg wird oft schon am ersten Täg getauft. Im späteren r7. und im r8. Jahrhundert ist
zumeist vorgeschrieben, eine Frist von drei Tägen nicht zu überschreiten. In der Kirchenordnung
der Reichsstadt Mühlhausen von rT jr heißt es beispielsweise: ,,Mit der Täufe der neugeborenen
Kinder sollen die Eltern nicht über den andern, höchstens den dritten Täg anstehen."' In der
Grafschaft Stolberg-!ü'ernigerode gilt dieselbe Vorschrift, aber es wird ein Täg zugegeben, wenn
auswärtige Paten,,gebeten" werden.'
Taufhandlungen sind keine Gemeindegottesdienste, sondern finden im kleinen Kreis statt,
unter der 'Woche gewöhnlich am frühen Nachmittag, sonntags im Anschluss an die Gottes-
dienste. Üblicherweise nehmen an der Täufe die Paten und vermutlich auch der Varer des Kin-
des teil. Da innerhalb der ersten Täge nach der Geburt getauft wird, liegt die Mutter zu diesem
Zeitpunkt noch im'Wochenbett und kann keinesfalls selbst mitkommen. Die Hebamme trägt
das Kind in die Kirche. Die Frauen, die bei der Geburt geholfen haben, werden zur Täufhand-
lung eingeladen und hinterher enrweder bei der Kindbetterin oder bei der Patin bewirtet. Der
Zulauf Neugieriger aus der Gemeinde ist in der Regel eher unerwünscht.
Nach r8oo unternehmen einzelne Pfarrer erste Versuche mit Täufen innerhalb des sonntägli-
chen Gottesdienstes. Pfarrer '$Tinzer in Oberröblingen berichtet im Februar 1816 über seine
Erfahrungen. Nachdem ,,einige aufgeklärte Haußväter" zur Täufe im Gottesdienst bereit waren,
habe die Gemeinde das ,,Feierlichrührende bey solcher öffentlichen Täufhandlung" erlebt, so
dass dort mittlerweile die meisten Täufen auf diese Art stattfinden. Es stehe hingegen jedem frei,
sein Kind ,,privatim" unter der'Woche taufen zu lassen. Der Pfarrer ist unsicher, ob die Kirchen-
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leitung mit seiner eigenmächtigen Handlungsweise einverstanden ist, doch das Konsistorium
spricht ihm sein ,,besonderes'üTohlgefallen" ftir seine Bestrebungen aus, die Täufhandlung ihrer
Bedeutung als Aufnahme des Tauflings in die christliche Gemeinde entsprechend innerhalb des
Sonntagsgottesdienstes zu vollziehen.t
Im 19. Jahrhundert muss dank verbesserter Hygiene und sinkender Säuglingssterblichkeit
nicht mehr generell auf eine sofortige Täufe gedrängt werden. Fortan gilt, dass die Kinder inner-
halb der ersten sechs 'Wochen getauft werden sollen. Laut Preußischem Kirchengesetz vom
1o. Juli r88o ist die Täufe innerhalb der ersten sechs \Tochen nach der Geburt gesetzliche
Pflicht.+ Täufuerweigerer werden nach S 3 und $ 4 des Kirchengesetzes in Kirchenzucht genom-
men. Auch die Ordnung des kirchlichen Lebens in der Kirchenprovinz Sachsen von r93r enthält
noch die Sechswochenfrist: ,,Es entspricht kirchlicher Sitte, die Kinder ohne triftigen Grund
nicht später als sechs 'Wochen nach der Geburt zur Täufe zu bringen."t
So kann die Mutter dabei sein; sie wird gleich nach der Taufe eingesegnet. Mit ihr erscheinen
zumeist nur die Paten am Täußtein. Die Väter nehmen an der Täufe gewöhnlich nicht teil. Bei
Visitationen wird ab r88o regelmäßig gefragt, inwieweit es den Pfarrern gelinge, die Väter zur
Teilnahme an der Täufe ihrer eigenen Kinder zu bewegen. Dieses Bestreben zeigt wenig Erfolg.
Einzig in tebra im Südharz, wo es r9o3 heißt: ,,Die Väter sind nicht anwesend, es soll aber ver-
sucht werden, sie zur Teilnahme zu veranlassen", kann der Pfarrer rgrz melden, die Väter seien
,,fast immer" dabei.n
Norr,turs - HeusreupE - KTRCHENTAUFE
Evangelische Nottaufen können gemäß Luthers Lehre vom Priestertum aller Gläubigen auch
von Laien durchgeführt werden, wenn das Kind sehr schwach und sein baldiger Tod zu beftirch-
ten ist. In der Regel sind es in den Städten die Hebammen, auf dem Land mitunter auch die
Schullehrer, welche die Nottaufe erteilen. Die Hebammen werden entsprechend ausgebildet und
vereidigt.T
Die Täufe ist gültig, sofern mit'Wasser im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des hei-
ligen Geistes getauft worden ist. Ob diese Bedingungen erfüllt sind, hat der zuständige Pfarrer
durch Befragung der Täufzeugen zu überprüfen. Die Täufe wird dann in der Kirche bestätigt.
Formulare für Nottaufen und Bestimmungen über die spätere Befragung der Zeugen sowie die
Einsegnung des Kindes in der Kirche sind in den Kirchenordnungen enthalten.s
Die Täufe soll grundsätzlich in der jeweils zuständigen Pfarrkirche stattfinden. Ausnahmen
gelten bei Lebensgefahr des Kindes, auf dem Land auch bei kaltem 'Winterwetter. Kinder auch
ohne Not im Haus taufen zu lassen statt öffentlich in der zuständigen Pfarrkirche, ist von jeher
ein Privileg des Adels, in Städten auch der Honoratioren. Da hiermit ein erhebliches Prestige ver-
bunden ist, wünschen ab dem r7. Jahrhundert zunehmend auch bürgerliche Familien die Haus-
taufe. Obwohl in den Kirchenordnungen immer wieder festgeschrieben wird, dass die Kinder
grundsätzlich in der Kirche zu taufen sind, ausgenommen bei Lebensgefahr, steigt die Zahl der
Haustaufen im r8. und frühen r9. Jahrhundert stetig an. In Mühlhausen wird r73r sogar geklagt,
auswärtige Familien ließen ihre Kinder im'$7'irtshaus taufen.e
-9t-
Die Kirchenbehörden sehen sich veranlasst einzugreifen. Um die Haustaufe zu erschweren,
wird die vorherige Dispensation durch den Superintendenten oder gar das Konsistorium ver-
langt, außerdem gelten für Haustaufen weitaus höhere Stolgebühren.'o In Erfurt hat die Heb-
amme die Haustaufe anzumelden und den Erlaubnisschein zu holen. r8o3, nach der preußischen
Inbesitznahme der Stadt, fallt das Privileg der Adeligen zu Haustaufen weg. Fortan dürfen Haus-
taufen auch bei Adeligen nur noch mit Dispensation stattfinden. Im zweiten Viertel des 19. Jahr-hunderts gibt es in der Stadt Erfurt durchschnittlich vierzig Haustaufen pro Jahr. Unter den
Vätern der Täuflinge finden sich Honoratioren, Geschäftsleute und einige Handwerksmeister."
FrNontxtNnEn
Bei Findelkindern stellt sich ein Problem, das in Kirchenordnungen seit der Reformation immer
wieder angesprochen wird: \Wie hat sich ein Pfarrer zu verhalten, wenn nicht bekannt ist, ob ein
Kind bereits getauft ist oder nicht? Da man die Lehren der Viedertäufer verwirft und sich scharf
davon abgrenzt, will man vermeiden, dass ein Mensch zweimal getauft wird. Abzuwägen ist nun
gleichsam, was das geringere Üb.l irt, eine zweifache Täufe oder die Nachteile, die einem Men-
schen ohne Täufschein entstehen, sowohl in geistlicher Hinsicht als auch bezüglich seiner gesell-
schaftlichen Anerkennung, seiner schulischen und beruflichen Möglichkeiten, weil das Täuf-
zeugnis als Nachweis der Geburt und Herkunft vorgelegt werden muss. Meistens wird trotz aller
Skrupel doch zugunsten einer erneuten Täufe entschieden, sogar dann, wenn bei dem Kind ein
Zettel liegt, der besagt, das Kind sei bereits getauft - so geschehen beispielsweise 16o8 im mans-
feldischen Leimbach.''
Am 24. Oktober r8o3 wird in Halle im Haus des Geheimen Rats Klein ein erwa drei bis vier
Monate alter Junge gefunden. Nachdem der Rat der Stadt zunächst angeordnet hat, das Kind
lediglich in das Täufregister einzutragen, bestimmt das Konsistorium schließlich, es sei in aller
Stille zu taufen. Da das Baby im Flur des Hauses in einer Nische abgelegt war, erhält es den
Namen Johann Nischekind." Alnlich einfallsreich bei der Namensgebung erweist sich das W'ei-
ßenfelser Stadtgericht ry44, als auf der Tieppe im Schulhaus ein Säugling deponiert wird: Das
kleine Madchen bekommt den Namen Anna Tieppin.'a
Viele Falle werden dadurch gelöst, dass man dem Kind vorsichtshalber so bald wie möglich
die Taufe erteilt. Schwieriger liegen die Dinge bei einem Mädchen, das ry23 oder r7z4 in Elxle-
ben bei Erfurt gefunden worden ist und laut einem beiliegenden Zettel Maria Catharina heißt.
Das Kind, das auf Kosten der Gemeinde bei einer Familie im Dorf aufwächst, hat schon das
Alter von elfJahren erreicht, als der zuständige Pfarradjunkt sich endlich bemüht zu klären, wie
er bezüglich einer eventuellen Täufe zu verfahren hat. Die Pflegefamilie und der Rest des Dor-
fes sind einmütig der Ansicht, Maria Catharina könne nicht getauft sein, denn sie habe sich ,,bey
der Auferziehung sehr hartnäckigt erwiesen, und sich von niemandem wollen lencken lassen".
Als der Geistliche das Mädchen während einer Krankheit besucht, äußert es selbst den dringen-
den'Wunsch, getauft zu werden. Die endgültige Entscheidung der Behörden in diesem Fall ist
nicht überliefert. Ausführlich wird erörtert, ob das ellahrige Kind, bevor es die Täufe erhält,
zunächst unterrichtet werden müsse oder ob es nicht sinnvoller sei, damit bis zu dem ohnedies
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bevorstehenden Konfirmandenunterricht zu warten." Vielleicht hat der Pfarrer die seelische Not
dieses Mädchens, das durch die Täufe aus seiner Außenseiterrolle herauszukommen hoffte, nicht
gesehen.
PetnNscrrerr
Die Paten werden formell durch das Überbringen eines Gevatterbriefes ,,gebeten". Das Paten-
amt gilt als Ehrenverpflichtung, die nicht ohne triftigen Grund abgelehnt werden darf. Aus
kirchlicher Sicht beschränkt sich die Aufgabe der Paten ausschließlich auf die Sorge für die reli-
giöse Erziehung des Kindes, sollten die Eltern früh sterben. Sie haben darauf zu achten, ,,daß
ihre Bathen / so bald sie hierzu tauglich / zur Schulen gehalten / vnd in warer Gottesfurcht / vnd
andern Christlichen Tirgenden embsig vnterrichtet werden mögen." Im engeren Sinne ist darun-
ter nicht mehr zu verstehen, als dass das Kind die Zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis und
das Vaterunser zu lernen hat.'6 Dass ein Gevatter sein verwaistes Patenkind in seinen Haushalt
aufnimmt, kommt zwar bisweilen vor, gehört aber streng genommen nicht zu seinen Pflichten.
Möglichst viele Gevattern zu haben, ist der'Wunsch vieler Täufeltern. Dahinter stehen Eitel-
keit und Statusdenken, aber auch der tWunsch nach den damit verbundenen Geldgeschenken.
Besonders höhere Stände neigen dazu, ihren gesellschaftlichen Rang durch ein großes Aufgebot
an Paten zu zeigen. So sind in den Täufbüchern der Naumburger 'Wenzelskirche aus dem
17. Jahrhundert bei einigen Kindern städrischer Honoratioren bis zu z5 Täufpaten eingetragen.
Fast alle Kirchenordnungen limitieren daher die Anzahl der Täufpaten. Zumeist - so im Her-
zogrum Magdeburg, der Grafschaft Mansfeld, der Stadt Halle, der Graßchaft Henneberg, im
albertinischen Sachsen und in der Reichsstadt Nordhausen, in Salzwedel und Stendal - sind
höchstens drei Paten gestarrer, ftir uneheliche Kinder zwei. In Erfurt hingegen erlauben sämt-
liche Polizeiordnungen von t6zz bis ryy nur einen einzigen Paten; erst ab ry6o ist es zulässig,
zwei Gevattern zu nehmen.'z In Nordhausen, wo drei Paten üblich sind, müssen für einen Jun-
gen zwei männliche und eine weibliche Person Pate stehen, ftir ein Mädchen hingegen zwei
weibliche und eine männliche.'8 In Mtihlhausen entspinnt sich ry6 eine heftige Auseinander-
setzung darüber, ob eine Frau die einzige Patin für einenJungen sein darf.'n
Für uneheliche Kinder gelten schärfere Bestimmungen. In der Regel sind höchstens zwei
Paren erlaubt, die Taufhandlung geschieht ohne Glockengeläut und Gesang, ohne Danksagung,
und die Einsegnung der Mutter unterbleibt. In der Grafschaft Mansfeld ist es im r7. und
18. Jahrhundert hingegen lJsus, dass der Pfarrer einem,,unehrlichen" Kind ftinf Paten zuweist,
,,und arar allezeit vier ledige und r. verehlichte Person; diese 5 Personen ersiehet sich der Predi-
ger; zu welchen er nemlich das Vertrauen hat, daß Sie dieses Geistliche \7erck willig werden über
Sich nehmen."'o Auch in Mühlhausen hat ein eheliches Kind nur einen, ein uneheliches hinge-
gen drei Gevatrern." Offenbar sind manche geistliche und weltliche Obrigkeiten der Ansicht,
ein ,in Sünde geborenes' Kind bedtirfe einer besonderen Außicht.
In den koniglich sächsischen Gebieten am südlichen Harzrand gibt es hingegen von alters her
die Thadition, ftinf oder gar sechs Paten zu wählen. In der Altmark sind ebenfalls fünf, in Hal-
berstadt und im Ziesarschen Kreis sechs Paten die Norm. Als diese Besitzungen nach dem'S7ie-
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ner Kongress an Preußen kommen, aufdessen Staatsgebiet höchstens drei Paten zugelassen sind,wird eine Sonderregelung für diese Gebiete eingeführt, die maximal ftinf paten erlaubt. Dasganze 19. Jahrhundert hindurch berichten die Pfarrer bei den Visitarionen jedoch darüber, dassauch die Zahlvon fünf Paten regelmäßig überschritten wird. Durch die Patenordnung von rg56wird schließlich eine Gebthr von //. Silbergroschen ,,ftir jeden über die Zahl funf zugelassenenTäufpathen" eingeführt, die von den Pfarreien an soziale Fonds wie die Armenkasse oder die pre-
digerwitwenkasse abzuführen ist."" Durch Strafgebühren ftir überzählige paten kommen imHerzogtum Magdeburg, in der Altmark sowie in Halberstadt mit dem Ziesarschen Kreis ;eweilsrund rzoo bis r5oo fl. pro Jahr ein.'r Der Pfarrer von Epschenrode im Südharz gibt 1859 zu, dasser wegen der zusätzlichen Einnahmen die überzähligen Paten - der Rekord steht bei 14 - nichtabweisen mag. Unter diesen Umständen ist es für die tufeltern nicht mehr lukrativ, wegen derCeldgeschenke möglichst viele Paten einzuladen. Das muss auch der Epschenröder Handarbei-ter Bockelmann einsehen, der ,,hofft seine sehr dtirftige Lage durch eine zahlreiche Gevarter-schaft zu erleichtern, indem er zehn paten angegeben hat...
Die ausgewählten Paten sind dem pfarrer vorher zu benennen, damit, ,,wenn etwas darbey zuerinnern ist / dasselbe zu rechter Zeit beobachtet werden könne." Die paten müssen, so dieErfurter Kindtaufordnungen, ,,Ehrbare Gottesfürchtige Personen" sein, die bereits zum Abend-mahl gehen, also konfirmiert sind.'+ ry37 wird ein Mindestalter von 14 Jahren festgelegt.,r Kin-der sollen vom Patenamt ausgeschlossen bleiben, ebenso Dienstboten.
ThurcescrrENKE - perENcuo uND NATURALTEN
Die Kirchenordnung der Grafschaft Stolberg-Vernigerode von r7z9 verbietet, öfter als dreimalpro Jahr Personen aus demselben Haus als Paten zu bitten.'6 Da hiermit ein Geldgeschenk ver-bunden ist, sollen die Haushalte vor gar zu häufigen Ausgaben dieser Art geschützt werden.Besonders gern werden nämlich die Honoratioren des Ortes und Angehcirige höherer Schichtengeladen, weil man von ihnen ein entsprechendes Geschenk erhofft und sie dem Fest mehr Glanzverleihen. Unter Umständen sind dies Personen, zu welchen die Familie bis dahin praktischkeine persönliche Beziehung hatte. In einigen Täufordnungen findet sich deswegen ein passus,
die Gevattern hätten dem gleichen stand anzugehören wie die Täufeltern.'zDie Patengeschenke, bestehend aus einer Geldsumme und Sachgeschenken, ufern so sehr aus,
dass viele Paten überzogenen Erwartungen enrsprechen, obwohl der\7ert der Gaben ihre finan-ziellen Mc;glichkeiten übersteigt. Für die Höhe des Geldgeschenks geben so gut wie alle obrig-keitlichen Verordnungen ein Limit an. Für Überschreitungen sind Geldstrafen fallig. \7ährendder Rat der Stadt Naumburg auf die Einsicht seiner Bürger setzr, dass jeder sich ,,selbstbescheide / daß mit einbinden des Bathengelds / kein excess von ihm begangen / und andernhiedurch ein beschwerliche einführung zur nachfolge gemacht werde"'8, wird überall sonst einHöchstbetrag fixiert' Je nach Stand der Paten und Empfänger gelten unterschiedliche Sätze. DieStadt Erfurt lässt sogar spezielle ,,Patenpfennige" prägen, die bei der Kämmerei in drei Größenzu kaufen sind: ,,Die grösseste Sorte von solchen Pathenpfennigen / so bey den fürnehmbstenGevatterschafften einzubinden verordnet / soll mit dreyssig Groschen; die andere / vor den mitt-
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r*.tt:i.
Holzschnittblatt aus Stolberg zum Einwickeln des Patengeldes, 1694.
Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Magdeburg, Rep. H Stolb.-Stolb. B, )CüX Nr. I Bl. I.
*-4,4-
-99-
lern stand / mit einem Reichsthaler i und die dritte vor gemeine Leute / mit Ein und zwantzig
groschen bezahlet" werden.'e In Halberstadt werden 169r und rTor sogar alle Patengeschenke
gänzlich verboten.r"
Das Geld wird ,,eingebunden", d. h. in einer sorgfd.ltigen, oft kostbaren Verpackung über-
reicht. Die zahlreichen Verbote über die Gestaltung des ,,Eingebindes" lassen Rückschlüsse
darauf zu, auf welche'Weise versucht wird, den festgesetzten Geldbetrag einzuhalten und trotz-
dem den'!ü'ert des Geschenks zu steigern: Das Geld wird in kostbare Stoffe wie Samt, Seidenat-
las oder Doppeltaft gewickelt, das Gebinde mit Perlen und Korallen oder sogar Gold und Silber
besetzt. Die haufige \üiederholung gerade in der wohlhabenden Handelsstadt Erfurt lässt ver-
muten, dass derart luxuriöse Geschenkverpackungen trotz des Verbots der Normalfall bleiben.r'
Aus Stolberg ist ein Holzschnittblatt erhalten, das eine tußzene zeigt, umgeben von Emble-
men und Bibelversen, die sich auf die Taufe beziehen. Der gedruckte Vers, der sich auf das
Geschenk bezieht, enthdlt Segenswünsche für das Patenkind. Darunter hat die Patin eigenhän-
dig unterschrieben: ,Änna Cattarina Hoffmanin E.E. Hochw. Raths Haußmutter im Rathhauß.
Anno 1694 den 27. November." Die Knicke und Abdrücke im Papier belegen, dass in dieses Blarr
ein Geldstück eingewickelt war. (siehe nebenstehende Abb.):'
Hinzu kommen die Naturalien. Es ist weithin üblich, dass die Gevattern den Täufeltern Ku-
chen, Marzipan und Konfekt, ferner Lebensmittel und'Wein für das Täufessen schicken. Zudem
erhdlt die Mutter Geschenke ,,aufs Bett". Unnötig zu betonen, dass die Täufordnungen solche
Gaben untersagen. Lediglich ,,gegen arme dürftige Leute Barmherzigkeit zuerweisen" und ihnen
einen Kuchen nebst erwas'Wein zu senden, wird den wohlhabenden Erfurter Bürgern erlaubt.l
In Nordhausen schenken die Paten neben dem festgelegten Geldbetrag ein Gebet- oder
Gesangbuch, das bei Vornehmeren ,,htibsch verguldet" sein darf,, Die Namen des Täuflings und
der Täufpaten werden von dem Pfarrer, der das Kind getauft hat, in das Buch eingetragen.ra
Im Cegenzug erhdten auch die Paten Gaben von den Täufeltern. Kuchen oder Eierkuchen wer-
den ins Haus der Paten geschickt, in der Graßchaft Henneberg sogar ,,lebendige Hüner oder
Gänse / Fische und andere Victualien", mit denen der Gevatter am dritten Täg nach der Täufe eine
Mahlzeit ausrichtet.rt In Naumburg hat es sich um die Mitte des r8. Jahrhunderts eingebürgert,
dass ,,unter denen Gevatters-Leuthen, allerhand Geschencke, an Citronen, Confect, süßer Kanne,
Bändern, Schnupftüchern, Servietten, Kraußen, Hemden und dergleichen, ausgerheilet, hier-
durch aber zu nicht geringen Auffivande und Verschwendung Anlaß gegeben werden."r6
PerpNcnscnENr(E rN spArER-EN JennnN
Mit den Geschenken am tuftag selbst ist es jedoch nicht getan. Mindestens bis zur Konfirma-
tion, wenn nicht gar bis zur Verheiratung erwartet man Geschenke fur das Patenkind. Hemden
und Kleidung schenken die Paten sowohl bei der Täufe als auch in späteren Jahren, ferner Geld
und Geschmeide, ,,Puppenwerck" und dergleichen. Stirbt ein Kind, so stellt sein Pate das Toten-
hemd.,t
Typische Anlässe fiir Geschenke an die Patenkinder sind'Weihnachten, Neujahr und Osrern.
Schon 1586 werden in Naumburg die ,,Rotten Eyer" zu Ostern verboten.rs Wiederholte Verord-
- roo-
nungen untersagen in Nordhausen, Halle, Erfurt, Halberstadt und der Graßchaft Henneberg
,,den Heil. Christ, das Neue Jahr, oder das rothe ey", also die Geschenke anlässlich dieser Feste .
\fler solche austeilt oder annimmt, muss mit einer empfindlichen Geldstrafe rechnen. Die jewei-
ligen Obrigkeiten halten es ftir ein Unding, dass die Eltern ihre Kinder an den Festtagen ,,zluver-
drüßlicher Belästigung ihrer Paten ausschicken", um dort die Geschenke abzuholen, dadurch die
Gevattern unter Druck setzen und ihnen große Unkosten verursachen.re Höchstens ein wenig
Ztcker darf den Erfurter Kindern mitgebracht werden.ao
AurweNo FüR DIE T-e.urrnrnnN
An die Täufhandlung schließt sich traditionell eine gemeinsame Mahlzeit im Haus der TäuF
familie an. Dabei ist jeder Gastgeber bestrebt, den Gästen das Bestmögliche zu bieten. Jede
Familie versucht, mit den Nachbarn, Verwandten, Freunden mitzuhalten, besser noch diese zu
übertreffen, auch wenn sie sich dadurch übernimmt. Die Obrigkeiten greifen mit mehr oder
weniger detaillierten Vorschriften ein und stecken den Rahmen, in welchem Tauffeiern stattfin-
den dürfen, recht eng. Dabei sind die Vorschriften und Privilegien je nach gesellschaftlichem
Stand (Adel, Honoratioren, Bürger, Bauern) abgestuft.
Die Frauen, die bei der Geburt dabei waren, dürfen fast überall mit einem Getränk und einem
Kuchen bewirtet werden, wenn sie mit dem Taufling aus der Kirche kommen, jedoch ohne sich
zu lange bei der Kindbetterin aufzuhalten. Für die Anzahl der einzuladenden Personen werden
regelmäßig Beschränkungen angegeben. Die älteste greifbare Vorschrift zur Zahl der Täufgäste
findet sich in den Statuten der Reichsstadt Mühlhausen von r3rr, darin wird verboten, mehr als
zwölf Frauen zur Täuffeier zu laden.a' 1474 werden in der Stadtwillkür von Burg bereits Strafen
wegen des überhand nehmenden Luxus bei Hochzeiten und Kindtaufen verhängt.a'
Einige Polizeiordnungen gehen so weit, nicht nur die Zahl der Gäste beim Festessen, sondern
sogar Anzahl und Art der servierten Gerichte vorzuschreiben. Exemplarisch folgen hier Auszüge
aus den Erfurter Ordnungen. Gemäß der Einteilung der Bürgerschaft in fünf Klassen wird 1698
differenziert: ,,Nach der Kind-Täuffe wird zwar denen tVeibern eine kleine Ehren-Mahlzeit zu
geben i einem jeden / ob er wolle / frey gestellet: Eß soll aber darzu niemand / als die allernechs-
ten Freunde / vorige Gevattern und am Hause anstossende allernechste Nachtbarinnen / und
bey der ersten Classe nicht über rz. in der andern und dritten nicht über 8. und in der vierdten
und fünfften höchstens 6. Personen geladen / in der Speisung auch eine Masse gehalten / und
bey der ersten Classe entweder nur etliche wenige Schüsseln mit gemeinen Confect und Obst /
oder höchstens 6. einfache Schüsseln mit warmen Speisen und ein Kuchen / sambt zwey Schüs-
seln Obst / bey der andern und dritten Classe aber nur 4. einfache Schüsseln und ein Kuchen
gereichet / und alles dergestalt angestellet werden / daß die gebethenen Gäste des'W'inters längs-
tens umb 7.Uhr / und des Sommers für 9 Uhren nach Hause gehen können und sollen."ar Die
Hochzeit-, Kindtauf- und Begräbnisordnung von t6zz betont: ,,Es sollen keine frembde vnd
süsse tVeine / als Malvasier / Reinfall I Nacant / Muscateller vnd dergleichen auffgesetzt / auch
zu ende der Mahlzeit kein Marcipan I Zucker / Confect, oder dergleichen / sondern allein Kese /
Kuchen vnd Obst / sofern es die Jahrzeit also bringet / zugeben erlaubt seyn."+ \Teitere ,,Cas-
- IOI_
tereyen" am folgenden Täg werden untersagt. Auch das Musizieren bei Tauffeiern wird in den
Erfurter Ordnungen wiederholt verboten.
Geschirr und Täfelschmuck dürfen ebenfalls nicht die Grenzen dessen überschreiten, was der
gastgebenden Familie von Standes wegen zusteht. Der Naumburger Bürger und Krämer JohannPhilipp Feilscher wird 1686 beim Rat der Stadt angezeigt, weil er bei der Täufe seines jüngsten
Kindes die Festtafel mit Silbergeschirr gedeckt hat. Solches steht nur dem Adel und den Hono-
ratioren zu, nicht aber gewöhnlichen Bürgern. 'Wegen dieser Übertretung verurteilt ihn der Rat
zu einer Geldstrafe von zwanzig Tälern. Feilscher rechtfertigt sich jedoch und bittet um Erlass
der Strafe: Er habe kein ganzes Silberservice verwendet, könne sich ein solches auch gar nicht
leisten. Auf der Täfel hatten lediglich einige Silberbecher gestanden, die er ererbt habe, und
außerdem ein Paar silberne Leuchter und ein Salzfass. Letztere Stücke habe seine Ehefrau von
ihren Eltern aus Leipzig,,auf das Bette geschencket bekommen", und er habe sie zu Ehren sei-
ner Schwiegereltern, die bei der Feier anwesend waren, auf den Tisch gesetzt.as
Kindtaufen bieten einen willkommenen Anlass zum Feiern, wobei auch Alkohol eine nicht un-
erhebliche Rolle spielt. Bei den ersten Visitationen im Hochstift Merseburg kurz nach Einftih-
rung der Reformation wird besonders aus Zwenkau über verwahrloste Sitten berichtet. Schon
r56z vermerkt der Pfarrer unter den ,,Gebrechen" des Ortes: ,,Haben die dorfschaften den brauch,
so ein kindlein in der kirchen getauft ... wirt, gehen sie allemal in radtskeller und saufen sich
mehrerstheils voll." Und zwar unter Mitnahme des wenige Tage alten Täuflings. Diese Gewohn-
heit lässt sich in den folgenden eineinhalb Jahrzehnten nicht abstellen, ,,ob man gleich exempel
weiss, das gross unrad daraus entstanden, als das sie die kinderlein uffm wege haben lassen fallen,
eins theils verloren, eins theils beschedigt oder gar umbkommen sein."r6 In der Grafschaft
Henneberg wird ß78 bei einer Geldstrafe von I fl. geboten, ,,daß hinftihro keiner von denjeni-
gen / so zu Gevatter gebeten wird / den Kindes-Vater in Brandewein / W'ein oder andern Geträn-
cken besauffen / weniger vor seine selbst Person / vor dem Tauff-Stein truncken erscheinen soll."tz
ry55 Hagr der Rat in Nordhausen, tufgesellschaften würden oft nur ausgerichtet, ,,um zu
mancherley thörigten Heyraths Kuppeleyen Gelegenheit oder Anlaß zu geben."+8 Derselbe Vor-
wurf wird ein Jahrhundert später in Eisleben laut, hier geht es vor allem um Täufen unehelicher
Kinder: ,u{ls TäuEeugen erscheinen junge, unverheirathete Personen, gewöhnlich Liebespaare,
die nach kurzem Aufenthalte im Kindtaufshause zusammen spatzieren gehen oder auswärts zu
Tänze laufen. Keusch und züchtig geht es da gewiß bei solchen Liebespaaren nicht zu. Oder: Die
Täufe wird als Gelegenheit benutzt, Liebespaare zu schmieden. Der Volksglaube sagt: Der TäuF-
stein bindet."+Y
Mit Kutschen zur Kirche zu fahren, wird nur den Angehörigen höherer Stände erlaubt, in
Naumburg etwa ,,denen Crahmern und andern personis honoratioribus". In der Stadt Halle
wird ,,denen Vornehmsten das Kind mit zwey Gutschen / denen Mitlern nur mit einer / denen
Geringen aber mit keiner Gutsche zur Tauffe nach der Kirche zu fahren verstattet."t"
Auch in Bezug aufl die Ausstattung des \Wochenbettes und der 'Sü'iege sowie die Taufldeider
versuchen die Regierenden, übermäßiger Pracht einen Riegel vorzuschieben. Die Polizeiordnung
des brandenburgischen Kurfürsten für das Herzogtum Magdeburg und die Graßchaft Mansfeld
von 1688 bestimmt: ,,Ferner wollen wir allen Pracht / der sich bey etlichen I und zwar denjeni-
gen Kind-Betterinnen / denen es am wenigsten gebühret / mit stattlichen ausgeneheten / gülden
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und silbernen / auch andern kostbaren geklöppelten weissen Spitzen / geziereten Tauff-
Tüchern / Täuff-Windeln /'Wester-Hembden / Vorhängen / Bett-Gewand / Küssen-Ziechen
und andern verderblichen Uberfluß / an kostbaren Himmel-Betten /'Wieeen und sonst bißhero
erzeiget / gäntzlich verboten ... haben."t''Während der ersten sechs 'Wochen nach der Geburt bleibt die Mutter im Haus. Ihr erster Aus-
gang ftihrt sie in die Pfarrkirche, wo sie vom Pfarrer eingesegnet wird. Tiaditionell besucht die
Gevatterin die ,,Sechswöchnerin" während dieser Zeit, was vielfach Anlass zu weiteren Festessen
und zur Übergabe weiterer Geschenke bietet. Auch hiergegen schreiten die Obrigkeiten regel-
mäßig ein - vermutlich nur mit geringem Erfolg. Die überzeugendste Begründung ftir das Ver-
bot liefert die Polizeiordnung des Naumburger Bischoß Julius Pflug von rj49t,,Veyll die Natur
ein iden vornunfftigenn Menschen selbst weiset, das eynem armen krancken'Weib, das Gott der
Almechtige itzund mit Schmertzen beratenn, ann Geschwetz vnnd Gethümmel, wenig Ergetz-
lichkeit kann haben.""
ErN;nonn NAcH sErNEu SreNo
Eine Täufe bedeutet erheblichen Aufivand, auch finanzielle Belastungen, sowohl ftir die Eltern
des Täuflings als auch für die Gevarrern. Die tufeltern zahlen die Stolgebühren an den Pfarrer,
zusätzliche Gaben an die Hebamme, den Küstet die Boten, welche die Patenbriefe überbringen.
Nicht nur am Täuftag selbst, sondern auch bei Besuchen und beim Kirchgang der Mutter nach
Ablauf der Sechswochenfrist wird eine Bewirtung erwartet. Hinzu kommen mancherorts
Geschenke an die Gevattern. Die Paten geben das Patengeld (Eingebinde) und sonstige
Geschenke an den Täufling, zudem Geschenke ,,aufs Bett" an die Mutter. Hinzu kommen Geld-
spenden für den Küster, eine Bewirtung beim Überbringen der Gevatterbriefe und Gelder für
Boten. Bis zur Konfirmation erwarten die Patenkinder traditionell Geschenke zu Ostern,'Weih-
nachten und Neuiahr.
Die Obrigkeiten versuchen, durch Verordnungen gegenzusteuern. Auch ärmere Familien sol-
len sich eine Tauffeier nach vorgeschriebenem Standard leisten können. Hintergrund ist die
Befürchtung, wenn nicht sogar die haufige Beobachtung, dass Eltern und Paten sich überneh-
men, nur um sich gegenseitig zu übertreffen oder überzogenen Erwartungen zu genügen. So
berichtet der Nordhäuser Stadtrat:,,... wobey noch dieser Unfug zwischen denen Gevattern
hinzu gekommen, daß mit solchen Pathen-Geschencke und übermäßig reichlichen Einbinden
es immer einer dem andern zuvor thun wollen, welches sothanen Personen zu grosser
Beschwerde, auch sogar vielmahls zum Verfall und allmählicher Abnahme ihres Vermögens
gereichet, wie dann auch manche Eltern, durch die grossen Kosten, welche sie zu der hierbey
üblich gewesenen Kind-Täuffen Schmauserey verwendet haben, solchenfals, wenn die Geschen-
cke nicht reichlich genug ausgefallen, in grosse Schulden gerathen."r;
Die obrigkeitliche Sorge, die Untertanen könnten ihr weniges Vermögen für ,,solche vbermes-
sige vnd vnnütze verthuunge"t+ ausgeben, sich gar verschulden und dadurch in Armut geraten,
führt zu derartigen Verordnungen, die nach heutiger AufFassung die Privatsphäre verletzen.
Dahinter steht auch die Absicht zu vermeiden, dass in Armut seratene untertanen der Obrie-
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keit oder sozialen Einrichtungen auf der Täsche liegen. Dem Veltbild der absolutistischen
Gesellschaft entspricht, dass die Regierung ihren ,,Landeskindern" nicht die Fäihigkeit zutraut,
darüber selbst zu entscheiden. Viele Angehörige der mittleren und unteren Stände gestalten ihre
Feiern nach dem Vorbild der Oberschicht und maßen sich so einen Prunk an, der ihnen nicht
zusteht. Bis ins 18. Jahrhundert hinein behält der alte Satz Martin Luthers Gtiltigkeit: ,,Sey und
bleibe, was du bist, und thue, was dir befohlen ist und dein Stand mit bringet."'r
AnmerkmgenI Krchenordnung der Reichsstadt Mühlhausen, r7yr. Archiv des Konsistoriums der Kirchenprovinz Sachsen, A 97o9.2 Kirchenordnung Stolberg-Vernigerode, ry29. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Magdeburg, Rep. H Stolberg-
'Wernigerode, Hauptarchiv B 43 Fach z Nr. rr.3 Carl August \7inzer, Prediger zu Oberröblingen an den preußischen König, 1816 Feb 5. landeshauptarchiv Sachsen-
Anhalt, Magdeburg, Rep. A rz Generalia Nr. 1643 b.a fuchiv des Konsistoriums der K.irchenprovinz Sachsen, Superintendentur Gommern, Nr, zo7.I Etwas lVichtiges über die heilige Täufe, in: Augustiner-Gemeindeblatt (Erfurt), 7.lahrgang, Nr. 6 / Mai t912, S. 46.6 Kirchenlceisarchiv Stidhan A / 325.7 So schreibt die Nordhäuser Hebammenordnung von 1674 vor:,,Sollet ihr bey dessen (des Kindes) großer Leibes
Schwachheit unter anderm eure Gedancken dahin richten, daß es zur Heil. Täufe schleunig befordert werde, u. soewan die höchste kbens Gefahr nicht gestanete, des Priesters Ankunft zuerwarten, sollet ihr, damit des Kindes See-ligkeit nicht versäumet werde, es entweder selbst, oder durch eine mwesende Christliche Person solches ohne Vezugmit rVaßer im Nahmen Gottes des Vaters, Gortes des Sohns, u. Gottes des Heil. Geistes tauffen, auch bey noch soviel übriger Zeit, vorher das Vater Unser, u. andere kurze Gebetlein sprechen." Stadtarchiv Nordhausen II NA 8.
8 Kirchenkreisarchiv Mühlhausen, Akten der Superintendentur, Sektion 4 Gruppe C-254.e Stadtarchiv Mühlhausen E 6 Nr. 65.
Io Z. B. Erfurt und Umland r8o4: Die Stolgebtihr an den Pfarrer liegt ftir eheliche Kinder bei 6 Groschen. ,,Die Gebüh-ren bei der Taufe unehelicher Kinder sind jedoch auf dem Lande höher. Hier bekommt der Pfarrer r rt. und derSchulmeister die Halbschied. Diese Verschiedenheit beruhet auf diesem Grunde, bey derTäufe unehelicher Knderwählet der Pfarrer selbst mehrere Täu&,eugen, und da bey der Täufhandlung mehrentheils eine Menge Menschenerscheint, so hält der Pfarrer vor der Handlung eine zweckmäßige Anrede an die Anwesenden, worin er sie besondersvor dem laster der Unkeuschheit verwarnt. Dieser mehrern Arbeit wegen ist dies Accidens aufr rt. gesetzt, welcheseine sehr lange übliche Einrichtung ist." Bericht des Ev. Ministeriums, r8o4 Mai r7. Stadtarchiv Erfurt r-r / X A IIrr. Ahnlich auch in Mühlhausen: Kirchenkreisarchiv Mtihlhausen, Akten der Superintendentur, Sektion 4 Gruppec-zsr.
" Stadtarchiv Erfurt r-r / XA II 55 Bd. r12 Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Magdeburg, Rep. A rz a, III Nr. 48r.Ir Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Magdeburg, Rep. A rz Generalia Nr. 1643 b; Marienbibliothek Halle: Täufregis-
ter der Ulrichskirche r79r-1816, S. 33o fIa Stadtarchiv Veißenfels A I ur.It Archiv des Ev. Ministeriums im Augustinerkloster Erfurt A V c a.I6 Erfurter Hochzeit-, Kindtauf- und Begräbnisordnung16zz.In: Stadtarchiv Erfurt 4-o III z8a; Kirchen-Ordnung im
Churfurstenthum der Marcken zu Brandenburg, wie man sich beide mit der Leer und Ceremonien halren sol. vonrJ4o. - In: Corps Constitutionum Marchiarum oder Königl. Preußische und Churfürstl. Brandenburgische in derChur- und Marck Brandenburg, auch incorporirten Landen publicirte und ergangene Ordnung, Edicta, Mandata,Rescripta etc. Von Zeiten Friedrichs I. Churfurstens zu Brandenburg, etc. bis ietzo unter der Regierung FriderichVilhelms König in Preussen etc. ad annum 1736. inclusive Mit allergn. Bewilligung colligiret und ans Licht gegebenvon Christian Otto Mylius. Berlin und Halle o. J. (1736).
!7 StadtarchivErfurt4-ol l lz8a,4-oI l l 34ai3/oro-3Bd.ru.z;ArchivdesEv.Minister iumsimAugust inerklosterErfurtAVcr,AII Ib4
t8 Nordhäuser Polizeiordnungen 1668 und r7o8. Stadtarchiv Nordhausen II Na 3o.t9 Sradtarchiv Mühlhausen E 6 Nr. 6s.20 Bericht von Pfarrer Bencker in Gorsleben, ry4 April 26. landeshauptarchiv Sachsen-Anhalr, Magdeburg, Rep. A rz
a. II, Nr. 486.2I Kirchenordnung der Reichsstadt Mühlhausen r75r. Archiv des Konsistoriums der KPS, A 97o9.22 Kirchenlceisarchiv Stidharz A / 474.2l Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Potsdam, I1 89, 2748o,
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24 Hochzeit-, Kleider-, Kindtauf- und Begräbnisordnung Erfurt 1653. In: Stadtarchiv Erfurt 4-o III 34 a.zj Hochzeit-,Kindtauf-undBegräbnisordnungErfurtrT3T.StadtarchivErfisrt3/oro-3Bd.r.AhnlicheinMühlhäu-
ser Ratsbeschluss von 1697: Stadtarchiv Mühlhausen E 6 Nr. 65.26 KirchenordnungStolberg-\ü(ernigeroderyzg. LandeshauptarchivSachsen-Anhalt, Magdeburg, Rep. H Stolberg-\7er-
nigerode, Hauptarchiv B 43 Fach z Nr. rr.27 Besonders scharf in einem Edikt des Rates Nordhausen 1755. Stadtarchiv Nordhausen 11 A17.z8 Eines E. Raths Der Stadt Naumburgk Verneuerte Verlöbnuß- Hochzeit- KindcTauF und Kleyder-Ordnung t662.
Stadtarchiv Naumburg, geschlossenes Archiv, Loc. XIX Nr. z.29 Kindtaufordnung Erfurt 1667. Stadtarchiv Erfurt 4-o III 34 a.ro Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Magdeburg, Rep. A r2 Gen., Nr. 1632.,I StadtarchivErfurt4-oIIIz8a,4-olII 34a;ArchivdesEvangelischenMinisteriumsimAugustinerklosterErfurtAlll
b4.12 Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Magdeburg, Rep. H Stolb.-Stolb. B, )CüX Nr. r Bl. r.33 Kindtaufordnung Erfurt 1667. Stadtarchiv Erfurt 4-o III 34 a.ta Polizeiordnung Nordhausen 1668: Stadtarchiv Nordhausen II NA 3o, Hochzeit- und Kindtaufordnung r7o8: Stadt-
archiv Nordhausen II NA 83t Polizeiordnung fur die Graßchaft Henneberg, 1678. Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden rooz5: Geheimes Konsi-
lium, ehem. Magd. Rep. A z4 c, Nr. r3.16 Polizeiordnung Naumburg 1753. Stadtarchiv Naumburg, Ms 74.17 Polizeiordnung fur die Graßchaft Henneberg 1678. Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden rooz5: Geheimes Konsi-
lium, ehem. Magd. Rep. A z4 c, Nr. rj. . Vgl. auch den Außatz von Christine Lehmann, Abmärhisches ThuJbra*ch-nm und der Atlzs der deutschm Volkshunde, und den Einleitungstext zum Katalogteil E von Bettina Seyderhelm indiesem Katalog.
18 Stadtarchiv Naumburg SA 3z: M. Joh. Bürger: Annales Numburgenses de Annis :^rtt-t6ß, fol.366.19 Edikt des Rates 1755. Stadtarchiv Nordhausen lI A77.4o Hochzeit-, Kleider-, Kindtauf- und Begräbnisordnung Erfurt 1653. Stadtarchiv Erfurt 4-o III 34 a.a' Stadtarchiv Mühlhausen A 98: Consuetudines et constituta laudabilis civitatis Molhusensis, rSrr mit späteren Zusät-
zen.+z Wolter Ferdinand A.: Mittheilungen aus der Geschichte der Stadt Burg. Burg r88r, S. r88 f.a, Stadtarchiv Erfurt 4-o III 34a.aa Stadtarchiv Erfurt 4-o III z8a.at Stadtarchiv Naumburg, Geschlossenes Archiv, Loc. XIX Nr. 7.46 Die Protokolle der Kirchenvisitationen im Stift Merseburg von 156z und 1578. Bearb. v. Walter Friedensburg.
(= Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt, Neue Reihe, Band rr). Magdeburg rg3t, S. ry9!. 4zt.
47 Polizeiordnung ftir die Graßchaft Henneberg 1678. Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden rooz5: Geheimes Konsi-lium, ehem. Magd. Rep. A z4 c, Nr. 13.
+r Edikt r7ti. Stadtarchiv Nordhausen Il A 37.49 Pfarrarchiv St. Andreas Eisleben, Gruppe 4r Amtshandlungen: Pathen bei unehelichen Kindern ß57-r87o.to Polizeiordnung Naumburg 1753: Stadtarchiv Naumburg Ms 74. Churfürstl. Brandenburg. Im Herzogthum Magde-
burg und Graffschafft Manßfeld publicirte Policey-Ordnung de anno 1688: Mylius, Corpus Constitutionum, r7r4,
3. Theil No. r. Stadtarchiv Halle Dn 846ro Bd. 3.t' Stadtarchiv Halle Dn 846ro Bd. 3.t2 Stadtarchiv Naumburg Urkunde z16lr. Abschrift von Siegfried Wagner in: Julius Pflug ft499-r564). Der letzte
Bischof des Bistums Naumburg. Hrsg. v. Susanne Kröner und Siegfried Wagner. Naumburg zoor, S. z5-38 (zur
Thufe: S. 35).:3 Edict wegen der Kindtauffen, Gevatterschafften und Pathen-Geschencke. Stadtarchiv Nordhausen Il A 37.t4 Polizeiordnung Erfurt 1583. Stadtarchiv Erfurt 4-o III z8a.rr Predigt bei der Einweihung der Schlosskirche zu Torgau am 5. Oktober 1544, in: WA Bd. 49 (r9r3), S. 6o8.
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