Migrationsforschung zwischen Nationalstaat und Weltgesellschaft

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1 Integration, Multikulturalismus, Inklusion. Migrationsforschung zwischen Nationalstaat und Weltgesellschaft. © 2013, Boris Nieswand, Universität Tübingen **** In diesem Beitrag werde ich mich mit der Beziehung zwischen Theorien und Repräsentationen von Migrationsphänomenen beschäftigen und die theoretischen Konsequenzen eines veränderten soziologischen Gesellschaftsbegriffs für die Migrationsforschung anhand eines Beispiels veranschaulichen. In diesem Zusammenhang werde ich einen kursorischen Überblick über verschiedene sozialtheoretische Ansätze der Migrationsforschung – Assimilation, Ethnisierung, Multikulturalismus, Integration und Inklusion geben. Die praktischen Unterschiede zwischen unterschiedlichen methodologischen und sozialtheoretischen Zugängen zu migrationsbezogenen Phänomenen werden anhand des Falls von religiösen Migrantenorganisationen in Berlin veranschaulicht. 1. Assimilation und Gesellschaft Das Ausgangsproblem, das die soziologische Migrationsforschung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts beschäftigte, war die Frage nach der Assimilation bzw. die Auflösung der ethnisch-kultureller Differenzen von Migrantinnen. Der amerikanische Soziologe Robert Park und seine Kollegen aus der Chicago School, die den modernen sozialwissenschaftlichen Assimilationsbegriffs geprägt haben, bezogen diesen zunächst gar nicht spezifisch auf Migrationsprozesse. Der von Park entwickelte race relation cycle war eher ein Beitrag zu einer allgemeinen Theorie des Kulturkontakts zwischen ethnischen Gruppen oder races, wie es in der Terminologie der Zeit hieß. 1 Für ihn war Assimilation eine Entwicklungsmöglichkeit von Kulturkontaktsituationen zwischen ethnischen Gruppen, die keineswegs notwendig eintreten musste und durch politische Faktoren verhindert oder verlangsamt werden konnte. 2 Parks Modell war insofern einflussreich, als dass sich im Anschluss daran die Vorstellung in den Sozialwissenschaften durchsetzte, dass Assimilationsprozesse in Stufen der Anpassung verlaufen, die Migrantinnen notwendig durchlaufen müssen, 3 um schließlich in einem oder mehreren melting pots 4 aufzugehen. Das Stufenmodell der Assimilation, das häufig generationsübergreifend gedacht wird, blieb ein wichtiger Topos der Migrationsforschung bis in die 1960er Jahre hinein. Seit den 1940er Jahren rückte Assimilation stärker in einen modernisierungstheoretischen Kontext. Es wurde angenommen, dass im Prozess der Modernisierung angeborene und kollektive Merkmale, wie

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Integration, Multikulturalismus, Inklusion.

Migrationsforschung zwischen Nationalstaat und Weltgesellschaft.

© 2013, Boris Nieswand, Universität Tübingen

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In diesem Beitrag werde ich mich mit der Beziehung zwischen Theorien und

Repräsentationen von Migrationsphänomenen beschäftigen und die theoretischen

Konsequenzen eines veränderten soziologischen Gesellschaftsbegriffs für die

Migrationsforschung anhand eines Beispiels veranschaulichen. In diesem Zusammenhang

werde ich einen kursorischen Überblick über verschiedene sozialtheoretische Ansätze der

Migrationsforschung – Assimilation, Ethnisierung, Multikulturalismus, Integration und

Inklusion – geben. Die praktischen Unterschiede zwischen unterschiedlichen

methodologischen und sozialtheoretischen Zugängen zu migrationsbezogenen Phänomenen

werden anhand des Falls von religiösen Migrantenorganisationen in Berlin veranschaulicht.

1. Assimilation und Gesellschaft

Das Ausgangsproblem, das die soziologische Migrationsforschung bis zur Mitte des 20.

Jahrhunderts beschäftigte, war die Frage nach der Assimilation bzw. die Auflösung der

ethnisch-kultureller Differenzen von Migrantinnen. Der amerikanische Soziologe Robert Park

und seine Kollegen aus der Chicago School, die den modernen sozialwissenschaftlichen

Assimilationsbegriffs geprägt haben, bezogen diesen zunächst gar nicht spezifisch auf

Migrationsprozesse. Der von Park entwickelte race relation cycle war eher ein Beitrag zu

einer allgemeinen Theorie des Kulturkontakts zwischen ethnischen Gruppen oder races, wie

es in der Terminologie der Zeit hieß.1 Für ihn war Assimilation eine Entwicklungsmöglichkeit

von Kulturkontaktsituationen zwischen ethnischen Gruppen, die keineswegs notwendig

eintreten musste und durch politische Faktoren verhindert oder verlangsamt werden konnte.2

Parks Modell war insofern einflussreich, als dass sich im Anschluss daran die Vorstellung in

den Sozialwissenschaften durchsetzte, dass Assimilationsprozesse in Stufen der Anpassung

verlaufen, die Migrantinnen notwendig durchlaufen müssen,3 um schließlich in einem oder

mehreren melting pots4 aufzugehen.

Das Stufenmodell der Assimilation, das häufig generationsübergreifend gedacht wird, blieb

ein wichtiger Topos der Migrationsforschung bis in die 1960er Jahre hinein. Seit den 1940er

Jahren rückte Assimilation stärker in einen modernisierungstheoretischen Kontext. Es wurde

angenommen, dass im Prozess der Modernisierung angeborene und kollektive Merkmale, wie

2

Ethnizität, Geschlecht oder familiärer Hintergrund, an Bedeutung verlieren und individuell

erworbene Merkmale, insbesondere Bildung und Leistung im Beruf, an Bedeutung gewinnen

würden. Migrantinnen wurde in diesem Zusammenhang unterstellt, dass sie vielfach aus

weniger entwickelten Gesellschaften kämen und eine nachholende Modernisierung

durchlaufen müssten, in deren Verlauf sich ihre ethnischen Loyalitäten sukzessive auflösen

würde. Wichtige Autoren des Assimilationsansatzes, wie etwa Milton Gordon5 oder Ruby

Kennedy,6 waren sich dabei durchaus bewusst, dass die US-amerikanische Gesellschaft

keineswegs ethnisch und kulturell homogen war, allerdings wurde ethnische Heterogenität

bezogen auf die Differenz zu der als Standard gesetzten core culture der WASPs (White

Protestant Anglo-Saxons) betrachtet und implizit wohl auch bewertet.7

Es war diese Bindung an die vermeintliche oder tatsächliche core culture der WASPs, die für

die Assimilationstheorie zum Problem wurde. Dies hing mit der Beobachtung zusammen,

dass ethnische Identitäten sich nicht auflösten, sondern in den 1960er Jahren sogar regelrecht

aufblühten. Prominent kritisierten Nathan Glazer und Daniel Moynihan deshalb anhand des

Falls von New Yorks die Schmelztiegel-Metapher und formulierten den berühmten Satz: „The

point about the melting pot (…) is that it did not happen“.8 Sie argumentierten, dass in sozial

diversen Städten, wie New York, nicht davon länger auszugehen sei, dass es nur eine

sogenannte core culture gäbe, an die sich alle anderen anpassen könnten. Darüber hinaus

hoben sie hervor, dass Ethnizität nicht einfach ein schwindender Überrest aus einer

gesellschaftlichen Vergangenheit sei, sondern dass sie sich in Form und Inhalt als wandelbar

erweist und anschlussfähig an ‚moderne‘ Gesellschaften ist.9

Noch bedeutsamer für die Diskreditierung des Assimilationsansatzes als die empirische Frage

nach der Auflösung von ethnischer Differenz waren die identitätspolitischen Forderungen

ethnischer Minderheiten, wie Afro-Amerikaner oder indigener Bevölkerungen, im Rahmen

der Bürgerrechtsbewegungen in den USA.10 Den Minderheiten erschien das politische Ideal

der Assimilation als Ausdruck einer jahrhundertelang währenden politischen und ethnischen

Hegemonie, in deren Rahmen sich die dominanten ‚weißen‘ Bevölkerungssegmente zum

Maßstab der Bewertung von Differenz stilisierten, um damit ihre gesellschaftliche

Vorherrschaft zu sichern.11

Die gewachsene Skepsis gegenüber dem Assimilationsansatz drückte sich in den

Sozialwissenschaften vor allem anhand von zwei Diskurse aus, die beide nicht völlig neuartig

waren, aber aufgrund der veränderten intellektuellen „Großwetterlage“ an Relevanz

gewannen und in diesem Rahmen reformuliert wurden. Die Vertreter der ersten Kritiklinie

3

argumentierten – etwa mit Verweis auf den transatlantischen Sklavenhandel oder den Genozid

an den europäischen Juden –, dass die modernisierungstheoretische Grundannahme, dass

Ethnizität kein Merkmal moderner, sondern traditioneller Gesellschaften ist, unzutreffend sei.

Vielmehr stellten sie in den Vordergrund, dass über rassistische und/oder ethnische

Differenzen legimitierte Ungleichheiten ein wesentliches Merkmal der westlichen Moderne

bzw. westlicher Nationalstaaten sind.12 Oliver Cox argumentierte bereits 1945, dass die

Kategorie der „Rasse“ ein Produkt des modernen Kapitalismus sei:13 „Our point here is,

however, that “race relations” developed in modern times as our own exploitative system

developed.“.14

Ein Kritikpunkt am klassischen Assimilationsansatz war, dass es ihm an einem Machtbegriff

mangelt, der es ihm erlaubt, Herrschaftsstrukturen kritisch zu hinterfragen.15 Im

deutschsprachigen Raum hob vor allem Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny16 und später

Wolf-Dietrich Bukow17 die ungleichheitslegitimierende Funktion von ethnischen

Zuschreibungen hervor. Im Fall von Schulen verwiesen Frank Olaf Radtke und seine

Kolleginnen darauf, dass institutionelle Mechanismen der Diskriminierung von Bedeutung

sind, um ethnisch-kulturelle Differenzlinien zwischen Deutschen und Personen mit

Migrationshintergrund fortzuschreiben und damit zur Reproduktion bestehender

Ungleichheitsstrukturen beizutragen.18 Aus der kritischen Perspektive dieser Autorinnen

erscheint Assimilationismus als Ideologie, die gesellschaftliche Macht- und

Ausgrenzungsmechanismen verschleiert, indem sie der Kultur von Migrantinnen die

Verantwortung für deren Marginalisierung zuschreibt und deren Auflösung im Rahmen einer

modernisierungstheoretischen Teleologie temporalisiert.

Ein zweiter Strang der Kritik am Assimilationismus gipfelte in der Multikulturalismus-

Diskussion der 1990er Jahre. Hier ging es vor allem um die Frage, inwieweit indigene oder

zugewanderte Minderheiten Rechte auf kollektive kulturelle Selbstbestimmung gegenüber der

Mehrheit geltend machen können. In diesem Zusammenhang hat Charles Taylor prominent

argumentiert, dass das Verhältnis von Mehrheit und Minderheit sich zu einem der

maßgeblichen Konfliktfelder moderner Gesellschaften entwickelt hat, welches liberale

Demokratien vor politische Herausforderungen stellt. Vor einem identitätstheoretischen

Hintergrund argumentiert Taylor, dass öffentliche Missachtung und strukturelle

Ungleichbehandlung von ethnisch-kulturellen Minderheiten zusehends als Form symbolischer

Gewalt wahrgenommen wird:

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Die These lautet, unsere Identität werde teilweise von der Anerkennung oder Nichtanerkennung,

oft auch von der Verkennung durch die anderen geprägt, so dass ein Mensch oder eine Gruppe von

Menschen wirklichen Schaden nehmen, eine wirkliche Deformation erleiden kann, wenn die

Umgebung oder die Gesellschaft ein einschränkendes, herabwürdigendes oder verächtliches Bild

ihrer selbst zurückspiegelt. Nichtanerkennung oder Verkennung kann Leiden verursachen, kann

eine Form von Unterdrückung sein, kann den anderen in ein falsches, deformiertes Dasein

einschließen.19

Assimilationsaufforderungen oder -erwartungen verletzen, gemäß Taylor, grundsätzliche

Gleichheitsgebote zwischen Mehrheits- und Minderheitskultur, weil die Mehrheitskultur

darin als beständig und Minderheitskulturen als im Verfall begriffen verstanden werden. Um

den Minderheiten die Möglichkeit zu geben, ihre Identitäten, die an die Bewahrung einer

kollektiven Kultur gekoppelt sind, gleichberechtigt auszuleben, müssen sie, nach Taylor,

durch eine Politik der Anerkennung in die Lage versetzt werden, den Erhalt ihrer Kultur zu

gewährleisten. Taylors Argument steht in der Tradition liberalismusskeptischer Positionen,

die betonen, dass der Austausch zwischen freien Individuen nicht unbedingt zu einer

Maximierung des Allgemeinwohls führt. Im freien Spiel der Kräfte erweisen sich

Minderheitskulturen aufgrund der existierenden Machtasymmetrien und

Mehrheitsverhältnisse als besonders verwundbar in Situationen eines freien

Kulturaustausches. Dies rechtfertigt in den Augen der Multikulturalisten besondere

Schutzmaßnahmen, die über die Gewährung individueller Freiheitsrechte und Schutz vor

Diskriminierung hinausgehen. Im Rahmen multikulturalistischer Politiken können

Minderheiten besondere Förderung und Sonderrechte zugestanden werden (z.B. eine Quote

im Parlament) sowie individuelle Freiheitsrechte von Mitgliedern der Mehrheit aber auch der

Minderheiten selbst mit Verweis auf den Schutz des Kollektivguts Kultur eingeschränkt

werden. So wurde es Frankokanadiern in Quebec beispielsweise untersagt, ihre Kinder auf

englischsprachigen Schulen zu schicken, obwohl dieses Recht anglophonen Bewohnern

Quebecs zugestanden wird. Vor dem Hintergrund der Annahmen, dass die

französischsprachige Kultur Quebecs von dem Assimilationssog der englischsprachigen

Mehrheitsgesellschaft Kanadas bedroht wird, wurde der Wert der Reproduktion der an die

Sprache gebundenen Kultur höher bewertet, als das individuelle Recht französischsprachiger

Eltern, die Schule für ihre Kinder frei zu wählen

Dabei schwebt den Vertretern des Multikulturalismus aber kein kulturelles Zwangsregime

vor, sondern letztlich nur eine Modifikation eines auf Grundrechten basierten Liberalismus,

5

innerhalb dessen das spannungsreiche Verhältnis zwischen individuellen Freiheitsrechten und

kollektiven Kulturgütern verhandelt werden kann.1

Die in dieser Diskussion wichtige Unterscheidung zwischen rezenten Migrantinnen und

etablierten nationalen Minderheiten wurde von dem, stärker als Taylor, auf Basis des

Liberalismus argumentierenden Will Kymlicka in die Diskussion eingeführt.2 Für Kymlicka

können indigene und etablierte nationale Minderheiten legitimerweise Formen politischer und

territorialer Autonomie gegenüber Nationalstaaten geltend machen, weil sie als

‚einheimische‘ Gruppen prinzipiell vergleichbare Rechte auf kollektive Selbstbestimmung

wie nationale Mehrheiten haben, während die Ansprüche von rezenten Migrantengruppen

weniger weitgehend ausfallen können. Bei ihnen stellt sich eher die Frage nach den Modi der

Inklusion in die politischen und sozialen Strukturen des Zuwanderungslandes. Dabei handelt

es sich in der Regel um weitaus bescheidenere Forderungen als die der nationalen

Minderheiten, wie die Unterstützung von kulturellen oder religiösen Institutionen, bessere

Partizipationsmöglichkeiten, muttersprachlicher Sprachunterricht, Anerkennung von

alternativen Rechtstraditionen (etwa im Familienrecht)3, öffentliche Formen der

Anerkennung, Diskriminierungsschutz oder rechtliche Ausnahmen im Fall von kulturellen

Praktiken, die nach dem Recht der Einwanderungsländer illegal sind (z.B. das Schächten von

Tieren bei Muslimen und Juden oder die Helmpflicht bei Sikhs).4

Der Multikulturalismus, sowohl im Sinne Talyors als auch Kymlickas, führt dabei aber über

konventionellen Diskriminierungsschutz hinaus und stellt die Frage, inwieweit Staaten

indigene bzw. zugewanderte Minderheiten dabei aktiv unterstützen können bzw. müssen,

deren kollektive politischen und kulturellen Selbstbestimmungsrechte wahrnehmen zu können

und differenzsetzende kollektive kulturelle Güter zu erhalten.5

Von Beginn an war der Multikulturalismus starker Kritik ausgesetzt. Diese reichte von eher

immanenten Einwänden, wie zum Beispiel, dass Gleichstellungs- und Minderheitspolitiken

keineswegs im Widerspruch zum klassischem Liberalismus stehen und deshalb auch keinen

1 Will Kymlicka, Multicultural citizenship. A liberal theory of minority rights (Oxford: Clarendon Press, 2003 [1995]), 37-44. 2 Will Kymlicka, Multicultural citizenship. A liberal theory of minority rights (Oxford: Clarendon Press, 2003 [1995]). 3 Shachar, A. 2001. Multicultural jurisdictions: cultural differences and women's rights. Cambridge: Cambridge University Press. 4 Will Kymlicka, Multicultural citizenship. A liberal theory of minority rights (Oxford: Clarendon Press, 2003 [1995]), 30-31. 5 Joppke, Christian, and Steven Lukes, eds. 1999. Multicultural Questions. Oxford: Oxford University Press., S.13-14.

6

neuen Politikentwurf benötigen,6 bis hin zu Fundamentalkritiken, die dem

Multikulturalismus vorwarfen, wichtige Errungenschaften von Aufklärung und politischen

Emanzipationsbewegungen zugunsten eines kulturellen Kollektivismus zu opfern. In diesem

Zusammenhang wurde eingewandt, dass, der Multikulturalismus insbesondere nachteilig für

benachteiligte Gruppen innerhalb von Minderheiten ist, wie z.B. Frauen oder Homosexuelle.7

In Europa haben sich in den letzten zehn Jahren wissenschaftliche und die politische

Einschätzungen des Multikulturalismus auseinander entwickelt. Die sozial- und

kulturwissenschaftliche Diskussion ist eher gelassener geworden ist, weil viele eingesehen

haben, dass Staaten sich im Hinblick auf den Umgang mit und die Anerkennung von

kultureller Differenz in einem Dilemma befinden8, in dessen Rahmen es praktisch unmöglich

erscheint, sich grundsätzlich für oder grundsätzlich gegen multikulturalistische Formen der

Migrations- und Minderheitenpolitik zu entscheiden. Im Gegesnsatz dazu wurde von

bedeutenden europäischen Politikerinnen, wie Angela Merkel oder David Cameron, das Ende

des Multikulturalismus ausgerufen. Steven Vertovec und Susanne Wessendorf9 stellen in

diesem Zusammenhang heraus, dass allerdings die Ironie dieser Verkündigung des Endes des

Multikulturalismus ist, dass sich auf einer praktischen Ebene viele der im Rahmen

multikulturalistischer Politiken erdachten Maßnahmen einfach weitergeführt wurden. In

Deutschland wurden zum Beispiel in den letzten Jahren sogar neue Maßnahmen zur Inklusion

von Muslimen eingeführt, die problemlos unter dem Begriff des Multikulturalismus

subsumiert werden könnten. In einigen Bundesländern (z.B. Hessen und Niedersachsen)

sowie einzelnen Städten und Schulen (z.B. in Erlangen in Bayern) wurde sunnitischer und

alewitischer Islamunterricht eingeführt, der von Vertretern des Islams selbst mitgestaltet

wird.10 Obwohl dabei auch staatliche Kontrollinteresse eine Rolle spielten, handelt es sich

dabei, wie der konfessionelle Religionsunterricht in Deutschland insgesamt11, um eine Politik

6 Habermas, Jürgen. 1996. 8. Kampf um Anerkennung im demokratischen Rechtsstaat. In Die Einbeziehung der Anderen, edited by ders. Frankfurt/Main: Suhrkamp. 7 Okin, Susan Moller. 1999. Is multiculturalism bad for women?: Princeton University Press. 8 Z.B. Joppke, Christian, and Steven Lukes, eds. 1999. Multicultural Questions. Oxford: Oxford University Press, Shachar, A. 2001. Multicultural jurisdictions: cultural differences and women's rights. Cambridge: Cambridge University Press. Strasser, Sabine, and Elisabeth Holzleithner, eds. 2010. Multikulturalismus queer gelesen. Zwangsheirat und geschlechtliche Ehe in pluralen Gesellschaften. Frankfurt: Campus. 9 Vertovec, Steve, and Susanne Wessendorf. 2010. Introduction. Assessing the Backlash Against Multiculturalism. In The Multicultural Backlash. European Discourses, Policies and Practices, edited by S. Vertovec and S. Wessendorf. London: Routledge. 10 In Deutschland wird der Islam hauptsächlich von muslimischen Migranten und deren Nachkommen ausgeübt. 11 Vgl. Shachar, A. 2001. Multicultural jurisdictions: cultural differences and women's rights. Cambridge: Cambridge University Press., S.151-166. Shachar versteht den bekenntnisorientierten christlichen Religionsunterricht in Deutschland, der in Kooperation zwischen den Religionsgemeinschaften und den

7

der Anerkennung und eine Form multikulturalistischer Inklusion, in deren Rahmen staatliche

Institutionen Rechte an Institutionen, die Minderheiten vertreten, zum Zweck kollektiver

(religiöser) Selbstbestimmung abgeben.

In einer neueren Publikation hebt Will Kylimicka12 noch einmal hervor, dass das zentrale

Anliegen des Multikulturalismus-Ansatzes war, die Rechte nationaler Minderheiten zu

stärken. Die Minderheitspolitiken der meisten Länder in Westeuropa – in Deutschland betrifft

das zum Beispiel die dänische und die sorbische Minderheit – wurden aber im Rahmen der

jüngeren Multikulturalismusdiskussion keineswegs als gescheitert repräsentiert, sondern

gelten als ein zivilisatorischer Fortschritt, der zur Befriedung Europas beigetragen hat. Im

Kern richtet sich die Kritik am Multikulturalismus daher nicht gegen Minderheitenpolitik als

solche, sondern vor allem gegen unliebsame Migrantinnen und deren Nachkommen. Seit dem

11. September sind dies in Westeuropa vor allem Muslime.13

Mit etwas Distanz betrachtet wird aber klar, dass, wie bereits angemerkt, demokratische

Staaten die Ansprüche von religiösen oder kulturellen Minderheiten auf kollektive Rechte gar

nicht vollkommen ignorieren können, nicht zuletzt weil Grundrechte auf Religionsfreiheit und

kulturelle Selbstbestimmung durch Gerichte geschützt werden und weil die kulturelle oder

religiöse Inklusion von Minderheiten, wie der Fall des Islamunterrichts zeigt, auch den

Kontrollinteressen der Nationalstaaten entgegenkommen. Ob die politischen Umgangsformen

mit den Dilemmata kultureller Differenz dann als Multikulturalismus oder einem weniger

kontroversen Begriff zusammengefasst werden, scheint der Sache nach sekundär.

2. Integration und Gesellschaft

Die oben skizzierten Kritiken am Assimilationsansatz wirkten so nachhaltig, dass dieser in

weiten Teilen der sozialwissenschaftlichen Migrationsforschung lange als diskreditiert galt.

Aber wenn Assimilation nicht mehr in Frage kam, um das Verhältnis von Migrantinnen zur

Zuwanderungsgesellschaft zu beschreiben, musste nach alternativen Begriffen Ausschau

staatlichen Schulbehörden durchgeführt wird, als ein weiterführendes Modell für einen dialogischen Multikulturalismus. 12Kymlicka, Will. 2010. The rise and fall of multiculturalism? New debates on inclusion and accomodation in diverse societies. In The Multicultural Backlash. European Discourses, Policies and Practices, edited by S. Vertovec and S. Wessendorf. London: Routledge. 13 Vgj. Strasser, Sabine, and Jelena Tošić. Im Erscheinen. Egalität, Autonomie und Integration: Post-Multikulturalismus in Österreich. In Kultur, Gesellschaft, Migration. Die reflexive Wend in der Migrationsforschung, edited by B. Nieswand and H. Drotbohm. Wiesbaden: Springer/ VS.; Mannitz, Sabine, and Jens Schneider. Ibid.Vom „Ausländer" zum „Migrationshintergrund". Die Modernisierung des deutschen Integrationsdiskurses und seine neuen Verwerfungen. Dahinden, Janine. Ibid.„Kultur“ als Form symbolischer Gewalt. Grenzziehungsprozesse im Kontext von Migration am Beispiel der Schweiz..

8

gehalten werden. In diesem Zusammenhang bot sich der Integrationsbegriff an, der nach dem

Zweiten Weltkrieg seine Karriere im Kontext der Migrationsforschung und –politik startete.

Versteht man Gesellschaften im Anschluss an Talcott Parsons als soziale Systeme, die aus

funktional aufeinander bezogenen semi-autonomen Teilen zusammengesetzt sind, wird das

Verhältnis zwischen den Systemsteilen, zum Beispiel Personen oder dem Wirtschaftssystem,

und der Einheit der Gesellschaft zu einem zentralen theoretischen Problem.20 Der

Integrationsbegriff adressiert dieses Verhältnis. Im Vergleich zum Assimilationsbegriff leistet er

dabei eine Problemverschiebung. Es steht nicht mehr die politisch brisante Frage kultureller

Identität im Vordergrund, sondern der scheinbar neutrale Zusammenhalt von Teilen. Auf

diese Weise erfährt das Ausgangsproblem – die Beziehung zwischen zugewanderten und

eingesessenen Bevölkerungen – eine eher sozialtechnologische Wendung. Ganz in diesem

Sinne hob Nathan Glazer in einem der frühen Artikel, in dem der Integrationsbegriff auf

migrationssoziologische Fragestellungen angewendet wurde, die neutrale und egalitäre

Konnotation des Begriffs hervor:

Integration, drawn from the neutral terminology of the mathematical sciences (…) suggests a more

complex process (…) one in which, conceivably, the United States, as well as the immigrants, is

changed..21

In der Soziologie wurde im Anschluss an Durkheim22 und Parsons23 vor allem Integration

durch geteilte Werte und Normen als Gegenspieler zu den Individualisierungs- und

Differenzierungsprozessen moderner Gesellschaften verstanden. Dabei wird Differenzierung

eher als robust vorgestellt und ereignet sich aus sich selbst heraus, während Integration eher

fragil erscheint und größerer gesellschaftlicher Aufmerksamkeit und Sorge bedarf. Aufgrund

dieses ungleichen Verhältnisses von Differenzierung und Integration schwingt bei letzterer

immer auch ein politisch instrumentalisierbares Szenario des Scheiterns von Gesellschaft mit.

Da sich soziologisch betrachtet alle Personen gleichermaßen in die Gesellschaft integrieren

müssen, stellen Migrantinnen erst einmal keinen integrationspolitischen Sonderfall dar. Die

exponierte Stellung von Migranten innerhalb des Integrationsdiskurses hängt vor allem damit

zusammen, dass sie aus der imaginierten Einheit von Staat, Gesellschaft, Territorium und

Kultur herausfallen. Aufgrund ihrer „unverzeihlichen Sünde des späten Eintritts“14 bleiben sie

bezogen auf nationale Zugehörigkeitssemantiken bis zu einem bestimmten Grade ein

Fremdkörper. Weil Migrantinnen dieser Zuschreibungslogik folgend vermeintlich oder auch

14 Bauman, Zygmunt. 1991. Moderne und Ambivalenz. In Das Eigene und das Fremde. Neuer Rassismus in der alten Welt?, edited by U. Bielefeld. Hamburg: Junius Verlag.

9

real andere Werte verinnerlicht haben, als die Mitglieder der Mehrheit, gelten sie als

potentielle Bedrohung für die fragil vorgestellte Sozialintegration der nationalen Gesellschaft.

Verfolgt man die gesellschaftspolitischen Debatten in Europa über Parallelgesellschaften,

Bildungsmisserfolge und die vermeintlich fremden Werte insbesondere muslimischer

Migrantinnen und deren Nachkommen veranschaulicht dies, wie der öffentliche

Integrationsdiskurs im Wechselspiel von Nichtzugehörigkeitsunterstellungen und

Anomiebefürchtungen selbstreferentiell seine zyklische Bahnen öffentlicher Empörung zieht.

Vor dem Hintergrund einer prekär gedachten Einheit der Gesellschaft können Migranten

immer dann, wenn sie von den Standards der Mehrheitsgesellschaften und ihren statistischen

Normalverteilungen abweichen, als integrationspolitischer Problemfall dargestellt werden, der

die Gesellschaft instabiler werden lässt.

3. Jenseits des Nationalstaatsparadigmas von Gesellschaft

Im soziologischen Denken über Gesellschaft hat sich allerdings in den letzten Jahrzehnten ein

Umdenken ereignet. In diesem Rahmen stellte sich insbesondere die Frage, inwiefern es im

Hinblick auf Globalisierungsprozesse noch adäquat ist, Gesellschaft selbstverständlich mit

dem Nationalstaat gleichzusetzen. Während in der soziologischen Gesellschaftstheorie sich

die Bewegung vom Nationalstaatsparadigma hin zu abstrakteren und umfassenderen

Gesellschaftsmodellen bereits seit den 1970er Jahren beobachten lässt24, waren es in der

Migrationsforschung insbesondere die Vertreterinnen des Transnationalismusansatzes25, die

seit den 1990er Jahren herausstellten, dass, obwohl wichtige Aspekte der Lebenswelten und

Institutionen von Migranten – wie soziale Beziehungen, Geld, Waren, Mobilitätsmuster,

Kommunikation und Organisationstrukturen – massenhaft nationale Grenzen überschreiten,

diese von der klassischen Migrationsforschung, die sich auf Phänomene innerhalb von

Nationalstaaten konzentrierte, nicht wahrgenommen wurde.

In diesem Kontext wurde die Kritik des methodologischen Nationalismus von Andreas

Wimmer und Nina Glick Schiller formuliert. Für sie basiert der methodologische

Nationalismus auf der sozial und politisch wirkungsmächtigen Annahme, dass das Konstrukt

„Nation/Staat/Gesellschaft (..) die natürliche und politische Form der modernen Welt

[Übersetzung B.N.]“ ist.26 In einer Welt aber, die über Kommunikationsmedien und

Transportmöglichkeiten engmaschig vernetzt ist, erscheint es immer problematischer,

insbesondere in Migrationskontexten, anzunehmen, dass Gesellschaft nichts Weiteres ist als

ein Nationalstaat.

10

Die Verschiebung vom Nationalstaat als Einheit, bezogen auf die die Relevanz von

Migrationsprozessen beurteilt wird, zu einer Perspektive, die darauf abzielt, die

sozialräumliche und sozialen Zusammenhänge zu erfassen, an denen Migrantinnen faktisch

teilhaben, stellt einen Paradigmenwechsel in der Migrationsforschung dar.27 Es pluralisieren

sich auf diese Weise die möglichen sozialen Referenzeinheiten und Gegenstände der

Migrationsforschung. Dabei ändert sich auch das, was unter Integration von Migrantinnen

verstanden wird. Nimmt man an, dass „Gesellschaft“ letztlich eine sozialtheoretische

Abstraktion ist, welche „die Gesamtheit der sozialen Beziehungen, Prozesse, Handlungen

oder Kommunikationen bezeichnet [Hervorhebung B.N.]“28, und keine real-existierende

organische Ganzheit, können sich Migrantinnen (genauso wie alle anderen) gar nicht in sie

integrieren oder – was auf das Gleiche hinausläuft – können immer schon als integriert gelten.

4. Inklusion und incorporation

Diesem Paradigmenwechsel folgend wurden begriffliche Alternativen zum

Integrationskonzept entwickelt. Diese zielen vor allem darauf ab, auf Distanz zu dem

normativen Überbau des Integrationsbegriff mit den dazugehörigen Anomiebefürchtungen zu

gehen. Auf zwei begriffliche Vorschläge, das systemtheoretische Inklusionskonzept und das

stärker handlungs- und netzwerktheoretische Konzept der incorporation möchte ich im

Folgenden eingehen.

Inklusion ist für den Systemtheoretiker Rudolph Stichweh jede „Form der Berücksichtigung

von Personen in Sozialsystemen“29 – unabhängig davon, wie vorübergehend sie ist und als

wie vorteilhaft bzw. nachteilig sie sich für die jeweiligen Personen oder die Gesellschaft

herausstellt. Inklusion ist kein dauerhafter und ganzheitlicher Zustand, wie die Teile-Ganzes-

Beziehung der Integrationstheorie, sondern sie wird prozessual und fragmentarisch

verstanden.30 Dies bedeutet, dass sie (1) immer wieder von Neuem hergestellt werden muss

(oder unterbleibt), dass sie (2) sich nur auf jene Systeme bezieht, an die sie sich

kommunikativ richtet, und dass (3) nicht ganze Personen erfasst, sondern nur jene

Teilaspekte, die für die jeweiligen Systeme relevant sind. Andere Teilaspekte können

gleichzeitig oder zu einem anderen Zeitpunkt von anderen Systemen berücksichtigt werden.31

Obwohl Inklusionen sich jeweils an einzelne Systeme richten, sieht die Systemtheorie vor,

dass sogenannte strukturelle Kopplungen – zum Beispiel zwischen dem Erfolg im

Schulsystem und der Inklusion in den Arbeitsmarkt – von verschiedenen

Inklusionsbeziehungen und Systemen existieren;. Dabei bleibt aber zu berücksichtigen, dass

Schulen nach anderen Systemlogiken funktionieren als Unternehmen und dass daher auch

11

Inklusionen nach anderen Kriterien hergestellt werden. Da nicht ganze Personen, sondern nur

Aspekte von Personen in die Gesellschaft eingeschlossen werden, sind Inklusionen und

Exklusionen relational zu einander zu verstehen. Dadurch dass bestimmte Aspekte einer

Person inkludiert werden, werden anderen gleichzeitig exkludiert. Da auf diese Weise die

Teilhabe von Individuen an Gesellschaft nicht ganzheitlich und einheitlich gedacht wird und

deswegen auch nicht in einem physikalischen oder geografischen Sinne begrenzt ist,

vervielfältigen mit wachsender gesellschaftlicher Komplexität die Inklusions- und

Exklusionsmöglichkeiten.

Der analytische Mehrwert des Inklusionskonzepts ist, dass er differenziertere und

zielgenauere Beschreibungsformen der Beziehung zwischen Individuen,

Kommunikationsformen und Systemen erlaubt. Wenn es zum Beispiel um die Frage nach

Zugängen zum politischen System, Arbeitsmärkten, dem Sportsystem, Religion oder

wohlfahrtstaatlichen Institutionen geht, kann dies jeweils als Teilbeziehung in den Blick

genommen werden, ohne dabei die verkomplizierende Frage, wie Alles mit Allem

zusammenhängt, mitthematisieren zu müssen. Dieses größere Maß an analytischer Freiheit

wird auch dadurch erreicht, dass die Einheit der Gesellschaft für die Systemtheorie völlig

unproblematisch erscheint. Sie emergiert von selbst aus den Interdependenzen der

differenzierten Systeme und muss nicht, wie im klassischen Strukturfunktionalismus,

nachträglich durch internalisierte Werte und Normen der Gesellschaftsmitglieder hergestellt

werden.32 Wenn Integration aber nicht prekär ist, entfallen auch die Befürchtungen, dass

Migrantinnen den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden.

In der englischsprachigen Migrationsforschung wird weniger von Inklusion als von

incorporation33, embeddedness34 oder engagement35 gesprochen, um das Verhältnis von

Migrantinnen zu sozialen Kontexten und Institutionen zu beschreiben. Exemplarisch soll auf

den Begriff der incorporation eingegangen werden, den Glick Schiller, Caglar und

Guldbrandsen auf folgende Weise definieren:

Incorporation can be defined as the processes of building or maintaining networks of social

relations through which an individual or an organized group of individuals becomes linked to an

institution recognized by one or more nation-states.36

Im Gegensatz zu der kommunikationstheoretisch fundierten Systemtheorie stellen die

Autorinnen den Begriff des Netzwerks ins Zentrum. Wie die Forschungen über „soziales

12

Kapital“15, aber auch über transnationale Beziehungen gezeigt haben, sind Netzwerke in der

Migrationsforschung wichtig, um sowohl Migrationswege als auch Ressourcen- und

Kommunikationsflüsse zwischen Migrantinnen und deren sozialen Bezugspersonen zu

verstehen. Netzwerke können darüber hinaus, bis zu einem bestimmten Grad, strukturelle

Marginalisierungen und Exklusionen aus formalisierten Bereichen des Zuwanderungslandes

kompensieren (z.B. Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt, Gesundheitsversorgung). Dies wird

strukturell umso wichtiger, desto weniger Personen, in die formellen Strukturen und Systeme

des Zuwanderungslandes legal inkludiert sind.37 Auch spielen Netzwerke eine wichtige Rolle

für die soziale Sicherung von Familienangehörigen von jenen Migrantinnen aus dem globalen

Süden, die in Ländern leben, in denen wohlfahrtsstaatliche Institutionen nicht oder nur

rudimentär entwickelt sind. In diesen Kontexten spielen Verwandtschaftsbeziehungen

vielfach eine entscheidende Rolle für die Realisierung von Bildungsaspirationen sowie die

Absicherung im Alter und im Krankheitsfall. Deshalb stehen Migranten unter einem hohen

moralischen Druck, ihren sozialen Verpflichtungen nachzukommen.16

Incorporation kommt dabei im Gegensatz zum klassischen Integrationsbegriff ohne einen

starken Gesellschaftsbegriff aus. Sie erschließt analytisch die eher kleinteiligen Verbindungen

zwischen Personen, Netzwerken und Institutionen, die alltäglich zu beobachten sind, ohne

notwendig ein dauerhaftes Teilwerden an einer Gesellschaft im Blick zu haben. Der

Integration in die Gesellschaft stehen dann multiple Pfade der incorporation in

unterschiedliche institutionelle Kontext und Netzwerke mit unterschiedlicher geographischer

Zielrichtung, zeitlicher Dauer und sozialräumlicher Ausdehnung gegenüber.38 Im Verhältnis

zum systemtheoretischen Inklusionsbegriff ist incorporation nicht Teil einer umfassen Sozial-

und Gesellschaftstheorie, sondern ist eher ein theoretisch multivalenter Begriff mittlerer

Reichweite mit vor allem praxis- und netzwerktheoretischer Konnotationen.

Im Folgenden Fallbeispiel werde ich den Inklusionsbegriff benutzen. Dabei entferne ich mich

allerdings von dem systemtheoretischen Theorieumfeld und nähere mich dem weniger

voraussetzungsvollen Konzept der incorporation an. Inklusion in dem hier verwendeten Sinn

bezeichnet die direkte oder auch vermittelte Beziehung zwischen Personen und Aspekten von

Personen einerseits und Netzwerken, Organisationen und sozialen Kontexten andererseits.

15 Vgl. Espinosa, Kristin, and Douglas Massey. "Undocumented migration and the quantity and quality of social capital", Soziale Welt. Sonderband, 12(1997):S. 141-162. , Portes, Alejandro. "Social capital: Its origins and applications in modern sociology", LESSER, Eric L. Knowledge and Social Capital. Boston: Butterworth-Heinemann(2000):S. 43-67. 16 Z.B: Nieswand, Boris. 2011. Theorising transnational migration. The status paradox of migration. New York: Routledge.

13

Diese Beziehungen können formalisiert und verrechtlicht, als auch informell und alltäglich

sein. Je nach gewähltem Zeitrahmen kann Inklusion sowohl einen mittel- und langfristigen

Zugehörigkeitsstatus bezeichnen, als auch kurzfristige und abgeschlossene ggf. sich

wiederholende Beziehungsakte bezeichnen. Hervorzuheben ist aber, dass Inklusion nicht auf

einen imaginierten ganzheitlichen Zustand bezeichnen soll, sondern sich notwendig auf

beobachtbare soziale Beziehungsakte und Kommunikationen bezieht. Inklusion verweist auf

demnach in erster Linie auf Praktiken und nicht auf Identitäten.

5. Pfade der Inklusion westafrikanischer Gemeinden in Berlin

Die praktischen Unterschiede, die die Verschiebung vom Integrationskonzept zum

Inklusionsbegriff für die Beschreibung von migrationsbezogenen Phänomene implizieren,

sollen anhand eines Beispiels aus meiner ethnografischen Forschungen über von Ghanaern in

Berlin initiierte christliche Gemeinden in Berlin veranschaulicht werden.17

Insgesamt erwiesen sich Kirchengemeinden im Kontext meiner Forschung über ghanaische

Migranten in Berlin als die bedeutendsten Migrantenorganisationen für diese Gruppe. Zum

Beginn meiner Forschung im Jahr 2002 konnte ich in zwölf christliche Gemeinden

identifizieren, deren Mitglieder sich hauptsächlich oder in einem signifikanten Maße aus

ghanaischen Migranten rekrutierten. Insgesamt besuchten im Sommer 2002 zwischen 430 und

530 der offiziell 1750 Ghanaer über fünfzehn Jahren18 einen der zwölf Sonntagsgottesdienste

dieser Gemeinden.19 Da die Gemeinden eine Vielzahl von Aktivitäten anbieten, wie

Gebetstreffen, Bibelunterricht oder Chorproben, besuchten viele Gemeindemitglieder

mehrfach in der Woche die Kirche. Kein anderer Organisationtypus mobilisiert regelmäßig so

viele Ghanaer in Berlin und nimmt so viel Zeit ihrer Mitglieder in Anspruch.

Folgt man dem klassischen Integrations- und Assimilationsparadigma werden religiöse und

ethnische Migrantenorganisationen oft als defensive ethnische Rückzugsräume von

marginalisierten Migranten beschrieben.20 Je nach Position innerhalb des

Integrationsparadigmas wird eher angenommen, dass entweder Migrantinnen sich dort von

der Mehrheit bzw. auf der Suche nach sozialem und psychologischem Schutz vor den

17 Das empirische Material stammt aus einer bereits abgeschlossenen ethnografischen Forschung, die ich variierenden Intensitäten und thematischen Schwerpunkten von 2001 bis 2007 durchgeführt habe. Da es mir um die Veranschaulichung eines theoretischen Punktes geht, ist es nicht weiter von Belang, dass Daten mittlerweile nicht mehr aktuell sind. 18 Landesamt für Statistik Berlin (2004). 19 Die Zahlen beruhen meist auf mehrfachen Schätzungen bzw. Zählungen der Zahl der Anwesenden, die ich während der Sonntagsgottesdienste der einzelnen Gemeinden durchgeführt habe. 20 Glick Schiller, Nina, Ayse Caglar, and Taddeus Guldbrandsen. "Beyond the Ethnic Lens. Locality, Globality, and Born-Again Incorporation", American Ethnologist, 33, 4 (2006):S. 612-633. .

14

Ausgrenzungen und Zumutungen der Aufnahmegesellschaft in eine religiös und/oder ethnisch

integrierte Gemeinschaft flüchten.21 Für ethnische Gemeinschaftsbildung im Allgemeinen

argumentierte Georg Elwert22, dass die Binnenintegration von Migrantengruppen Katalysator

für gesellschaftliche Integration und Dialog zwischen Minderheit und Mehrheit sein kann.

Seiner Meinung nach werden innerhalb von ethnischen Netzwerken und Gruppen Ressourcen

zugänglich gemacht, zu denen die Migrantinnen in der Mainstream-Gesellschaft oft nur

schwer Zugang fänden, die aber hilfreich für deren Integration sein können (z.B.

Informationen, praktische Hilfe, moralische Solidarität). Portes und seine Kollegen stellten

heraus, dass ethnische Formen der Integration Nachkommen von Migrantinnen vor allem vor

einer Abwärtsdynamik schützen können, von der sie bedroht sind, wenn diese sich nicht – wie

im konventionellen Assimilationsmodell vorgesehen - an die Mittelschicht, sondern an die

lokale Unterschicht anpassen. Nach Portes ist es sozioökonomisch vorteilhafter, wenn sich

beispielsweise afrokaribische Haitianer, die in ihrem Herkunftsland der Mittelschicht

angehörten, sich ethnisch von ihren afroamerikanischen Nachbarn aus der Unterschicht zu

segregieren, weil ihre Nachkommen sonst in Gefahr liefen, sich bezüglich ihres

Bildungsverhaltens und ihrer sozioökonomischen Stellung an diese zu assimilieren. Im

Gegensatz zu diesen Ansätzen versteht Hartmut Esser ethnische Vergemeinschaftung vor

allem als eine soziologisch negative zu bewertende Form der Segregation.23 Er sieht darin vor

allem eine „Mobilitätsfalle“.24 Segregation mag zwar, nach Esser, zunächst einmal ein

bestimmtes Maß an Stabilität und sogar einen gewissen sozialen Aufstieg innerhalb der

ethnischen Strukturen versprechen, stößt aber schnell an ihre Grenzen, weil die in ethnischen

Milieus erworbenen Handlungsressourcen nicht genügend Anerkennung im Mainstream der

Gesellschaft genießen. Insgesamt schadet Segregation deshalb, laut Esser, mehr als sie nützt.

21 ter Haar, Gerrie. 1998. Halfway to Paradise. Cardiff: Cardiff Academic Press, Adogame, Afe. "The Quest for Space in the Global Spiritual Marketplace. African Religion in Europe", International Review of Mission, 89, 354 (2000):S. 400-409. , Gerloff, Roswith. "Religion, Culture and Resistance. The Significance of African Christian Communities in Europe", Exchange. Journal for Missiological and Ecumenical Research, 30, 3 (2001):S. 276-289. ; Munzul, Assal. 2005. A Source of Difference or a Repository of Support. Islam and the Lives of Somalis and Sudanese in Norway. In Religion in the Context of African Migration, edited by A. Adogame and C. Weißköppel. Bayreuth: Bayreuth African Studies.; Jach, Regina. 2005. Migration, Religion und Raum. Ghanaische Kirchen in Accra, Kumasi und Hamburg in Prozessen von Kontinuität und Kulturwandel. Münster: Lit Verlag.: 326-332 ; Simon, Benjamin. 2005. Preaching as a Source of Religious Identity. African Initiated Churches in the Diaspora. In Religion in the Context of African Migration, edited by A. Adogame and C. Weißköppel. Bayreuth: Eckhard Breitinger.: 286-289. 22 Elwert, Georg. "Probleme der Ausländerintegration. Gesellschaftlich Intergration durch Binnenintegration?", Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 34(1982):S. 717-731. 23 Esser, Hartmut. "Kulturelle Pluralisierung und strukturelle Assimilation. Das Problem der ethnischen Schichtung", Schweizerische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 7, 2 (2001):S. 97-109. . 24 Wiley, Norbert F. "The Ethnic Mobility Trap and Stratification Theory", Social Problems, 15, 2 (1967):S. 147-159.

15

Als Konsequenz aus dieser Debatte bleibt die Repräsentation von religiösen

Migrantenorganisationen oft ambivalent, sie changiert zwischen einem Segregations- und

Abschottungsszenario einerseits und einem über ethnische Vergemeinschaftung vermittelten

Integrationsszenario andererseits. Versucht man die Frage nach Segregation oder Integration

im Rahmen einer empirischen Untersuchung von migranten-initiierten religiösen Gemeinden

anhand des Inklusionsbegriffs nachzuzeichnen, fällt auf, dass die Frage nach Integration und

Segregation sich gar nicht ohne Weiteres durch Beobachtungen beantworten lässt. Dies liegt

vor allem daran, dass die empirischen Inklusionsmuster dieser Organisationen weitaus

komplexer und variabler sind, als die binäre Gegenüberstellung von

„Zuwanderungsgesellschaft“ und „ethnischer Gemeinschaft“, von Integration und Segregation

suggeriert.25 Auch scheint es in die Irre zu führen, Herkunftslandorientierung mit ethnischer

Segregation bzw. Vergemeinschaftung gleichzusetzen, weil es sich dabei um zwei theoretisch

voneinander unabhängige Aspekte handelt. Herkunftslandbeziehungen müssen sich

keineswegs an ethnischen Kriterien orientieren und nicht alle Formen ethnischer

Vergemeinschaftung, wie zum Beispiel die Forschung zu Diasporas gezeigt hat26, gehen mit

spezifischen Herkunftslandbeziehungen einher.

Tabelle 1: Kirchen und Gemeinden mit ghanaischen Mitgliedern in Berlin

Name Besucher Sonntags-

gottesdienst

Gründung (Berlin)

Denomination Organisationsform Nationalitäten Sprache

Christian Church Outreach Mission

(CCOM) 100-150 1994 Neo-

Pentekostal Int. Kirche, Zentrale in

Hamburg (Deutschland)

Afrikaner unterschiedlicher

Nationalität Englisch

Gospel Believers Centre 80-100 Early

1990s Neo-

Pentekostal Unabhängige Gemeinde Afrikaner und Europäer

unterschiedlicher Nationalität

Englisch/ Deutsch

Word of Faith Outreach Mission 80-100 2002 Neo-

Pentekostal Unabhängige Gemeinde Ghanaer, Kameruner, Nigerianer, Deutsche etc.

Englisch/ Deutsch

Church of Pentecost (CoP) 50-70 1995 Pentekostal Int. Kirche, Zentrale in

Hamburg (Deutschland) Ghanaer (mit wenigen

Ausnahmen) Twi/

Englisch

7th Day Adventists 50-70 1988 Adventistisch Int. Kirche mit Zentrale in Silver Spring (USA) Ghanaer Twi

Trust in Faith Ministries 40-50 99/00 Spiritual

2I Pentekostal

Unabhängige Gemeinde Ghanaer (mit wenigen Ausnahmen)

Englisch/ Twi

Ghanaian Catholic Community 40-50 2000 Katholisch Int. Kirche, Zentrale in

Rom (Vatikan) Ghanaer Englisch/ Twi

Bethel Faith 30-40 1988 Spiritual/ Pentekostal Unabhängige Gemeinde Ghanaer Twi/

Englisch

Presbyterian Church of Ghana 20-30 2001 Protestantisch Ehem. Missionskirche,

mit Zentrale in Ghana- Ghanaer Twi/ Englisch

25 Levitt, Peggy, and B. Nadya Jaworsky. "Transnational migration studies. Past developments and future trends", Annual Review of Sociology, 33(2007):S. 129-156. 26 Vgl. Cohen, Robin. 2008. Global diasporas: An introduction: Routledge.

16

Precious Blood of Jesus Ministries 20-30 1999 Spiritual/

Pentekostal Unabhängige Gemeinde Ghanaer Twi/ Englisch

Int. Revival Church 15-25 Späte 1980er

Neo-Pentekostal

Int. Kirche, Zentrale in Berlin

Deutsche, Nigerianer, Ghanaer, Osteuropäer

Deutsch/ Englisch

Deeper Life Ministries 10 - Neo-

Pentekostal Int. Kirche, Zentrale in

Nigeria Nigerianer, Ghanaer Englisch

Wie sich Tabelle 1 entnehmen lässt, sind sowohl die sozialräumlichen Inklusionsmuster als

auch die ethnisch-nationale Zusammensetzung der untersuchten Gemeinden heterogen. Dabei

zeigen sich allerdings einige Muster. So zum Beispiel sind 9 von 12 Gemeinden dem

pentekostalen und neo-pentekostalen Segment zuzuordnen. Das globale Wachstum

pentekostaler und neo-pentekostaler Formen des Christentums27 schlug sich in den letzten

Jahrzehnten, wie dieses Resultat zeigt, auch in vielen migranten-initiierten Gründungen von

Kirchen und Gemeinden in Deutschland nieder. Diese wurden oft von Personen initiiert, die

in ihren Herkunftsländern mit diesen Formen Christentums in Berührung gekommen waren.

Die Gemeinden fügen sich aber in lokale Kontexte ein und entfalteten dort sehr

unterschiedliche Dynamiken. So unterscheiden sie sich signifikant bezüglich ihrer

Organisationsstrukturen, ihrer Größe, der im Gottesdienst verwendeten Sprachen und ihrer

ethnischen Zusammensetzung von einander.

Fünf dieser Gemeinden sind unabhängig und existieren nur in Berlin. Dies könnte, wenn man

dies als Abschottung gegenüber dem Zuwanderungsland oder auch dem Herkunftsland

interpretiert, ein Hinweis auf einen Rückzug „aus der Gesellschaft“ sein. Diese Einschätzung

verändert sich aber bei näherer Betrachtung dieser Gemeinden. Insbesondere die neo-

pentekostalen Kirchen – Gospel Believers Centre und Word of Faith Outreach Mission –

erwiesen sich als sehr gut und in viele Richtungen vernetzt. Die beiden leitenden Pastoren

haben ein berufsbegleitendes Theologiestudium beim Bundesverband deutscher

Pfingstkirchen, der größten Dachorganisation von pentekostalen Kirchen und Gemeinen in

Deutschland, der auch diese migranten-initiierten Gemeinden angehören, absolviert. Darüber

hinaus gehörten sie einem Netzwerk von teils eher „deutschen“28 teils migranten-initiierten

Gemeinden an, die sich im Rahmen eines etablierten neo-pentekostalen religiösen Zentrums

in Berlin entwickelt haben, mit dem sie auch weiterhin in Kontakt standen. Sie waren

27 Anderson, Allan H. 2004. An Introduction to Pentecostalism. Global Charismatic Christianity. Cambridge: Cambridge University Press. 28 In den beschriebenen Fällen sind ethnisch konnotierte Unterscheidungen, wie „deutsch“ und „migrantisch“ von unterschiedlicher Bedeutung für die Selbstorganisation. Mir geht im Folgenden nicht darum, wie zutreffend oder wie konstruiert diese Klassifikationen sind, sondern um die Außenwahrnehmung der Gemeinden, an denen sich diese Zuschreibungen orientieren. Um den Zuschreibungscharakter deutlich zu machen, setze ich die ethnisierenden Adjektive in Anführungsstriche.

17

Mitglieder mehrerer lokaler Vernetzungsgruppen in Berlin, die teils multiethnisch, eher

integrationspolitisch orientiert und ökumenisch motiviert waren, teils afrikabezogen, religiös

motiviert und pentekostal waren. Gleichzeitig verfügten wichtige Gemeindemitglieder,

insbesondere die Pastoren, über transnationale Netzwerke zu anderen Predigern und Pastoren

innerhalb Deutschlands, aber auch in Westeuropa, den USA und Westafrika. Einige dieser

befreundeten Pastoren waren afrikanischer Herkunft, andere nicht. Diese Netzwerkstrukturen,

die gleichzeitig lokal, national und transnational sowie ethnisch, interethnisch und

transethnisch waren, widerlegen den ersten Eindruck von ethnisch segregierten Gemeinden

genauso wie die multiethnische Zusammensetzung der Mitglieder und die bilingualen

Gottesdienste in Englisch. Es handelt sich eher um eine kosmopolitische Form des Neo-

Pentekostalismus als um eine ethnische Form der Segregation.29

Am anderen Ende des „Vernetzungskontinuums“ fanden sich unabhängige Gemeinden –

insbesondere die Precious Blood of Jesus“ Gemeinde – die relativ wenig in soziale Netzwerke

eingebunden waren. In dieser Gemeinde wurde vorwiegend Twi, eine vor allem im Süden

Ghanas verbreitete Sprache, gesprochen und sie entsprach eher dem Bild einer ethnisch

segregierten Gemeinde. Der Pastor hatte keine formelle Ausbildung und die Gemeinde war

nicht Teil eines ökumenischen Organisationszusammenhangs oder eines nationalen

Dachverbandes. Dies heißt zwar nicht, dass es sich bei dieser Gemeinde um einen völlig

abgeschotteten Mikrokosmos handelte, zumal sie ja auch nur einen Aspekt des Lebens der

Gemeindemitglieder ausmachte, allerdings zeichnete sich ihr Pfad der Inklusion eher durch

eine geringe Einbindung in über die Gemeinde hinaus reichende Kontexte aus.

Neben diesen unabhängigen Gemeinden existieren zwei Gemeinen, die Katholiken und die

Adventisten, die institutionell Teil weitverzweigter globaler Kirchen sind. Während die

unabhängigen Gemeinden ihre Mitglieder neu rekrutieren mussten, handelte es sich bei den

Mitgliedern dieser beiden Kirchen sowie der Gemeinde der Presbyterian Church of Ghana,

der Church of Pentecost und der Deeper Life Church überwiegend um Personen, die bereits in

ihren Herkunftsländern diesen Kirchen angehörten. Trotz ihrer Einbindung in vergleichbare

Organisationsstrukturen folgten die Gemeindegründungen unterschiedlichen Pfaden. Bei den

Katholiken und den Presbyterianern war die Gemeindegründung reaktiv. Einige untereinander

bekannte Personen, die in Ghana Mitglieder dieser Kirchen gewesen waren, fühlten sich von

29 Vgl. Nieswand, Boris. 2008. Wege aus dem Dilemma zwischen Transnationalismus- und Integrationsansatz. Simultane Inklusion von migranten-initiierten charismatischen Gemeinden in Berlin. In Migration und religiöse Dynamik. Ethnologische Religionsforschung im transnationalen Kontext, edited by A. Lauser and C. Weißköppel. Bielefeld: Transcript.

18

der Dominanz der (neo-)pentekostalen Kirchen im öffentlichen Raum der Westafrikanerinnen

in Berlin marginalisiert und strebten deshalb die Gründung einer eigenen, aus ihrer Sicht,

weniger radikalen Gemeinden an. Die Katholiken konsultierten dazu einen „deutschen“

Ordensbruder, der mehrere Jahrzehnte in Ghana als Missionar tätig war. Nachdem dieser sich

trotz anfänglichen Zögerns überreden ließ, wurde eine rein ghanaische katholische Gemeinde

gegründet. Über den deutschen Priester, der Mitglied eines global tätigen Missionarsordens

war, und durch Gemeindemitglieder, die vorher teilweise katholische „Mainstream-

Gemeinden“ in Berlin besuchten, war die Gemeinde sowohl lokal als auch transnational

vernetzt. Darüber hinaus nahm der Priester als Vertreter einer „ghanaischen“ Gemeinde an

überkonfessionellen Treffen afrikanischer Pastoren in Berlin teil.30

Während der katholische Priester aus integrationspolitischen Erwägungen zunächst zögerlich

war, eine „ethnische Gemeinde“, die parallel zu den katholischen „Mainstream-Gemeinden“

existierte, zu gründen, verfolgen die Adventisten in Berlin31 eine multikulturalistische

Akkomodationsstrategie und ermutigten die Bildung von Migrationsgemeinden in Berlin. So

gibt es neben der ghanaischen noch eine ganz Reihe anderer Migrationsgemeinden, wie z.B.

eine englische, spanische, portugiesische, russische, koreanische und eine polnische

Gemeinde. Diese bleiben allerdings in die Strukturen der Adventistischen Kirche in

Deutschland eingebunden, erhalten aber innerhalb dieses Rahmens Freiheiten,

Gemeindeaktivitäten nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. So wurde zum Beispiel eigens

ein adventistischer Pastor aus Ghana für diese Betreuung der ghanaischen Gemeinde nach

Berlin entsandt, der von der deutschen Seite bezahlt wurde. In Berlin treten die ghanaischen

Adventisten unter anderem als ein multikulturelles Element innerhalb der adventistischen

Kirche auf, das deren globalen Charakter veranschaulichen soll. Auf der Seite der

ghanaischen Öffentlichkeit in Berlin sind die Adventisten Teil eines bei festlichen Anlässen

zur Schau gestellten religiösen Pluralismus. In der Außenwirkung kommt dem Gemeindechor

eine besondere Bedeutung zu. Durch diese Strukturen entsteht wiederum eine

Mehrfachinklusion, die sowohl Institutionen und Kontexte in Berlin, Deutschland als auch in

Ghana umfasst. Bemerkenswert ist, dass diese Inklusionsstrategie zwar innerhalb einer

deutschen „Mainstream-Organisation“ geschieht und von dieser unterstützt wird, aber zu einer

national homogenen Gruppe geführt hat. Die Einbettung in die „deutschen“ Kirchstrukturen

30Dies war zum Beispiel der Fall bei der Vorbereitung eines ökumenischen Gottesdienstes im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit in Berlin. Vgl. ———. "Banal diasporic nationalism. Ghana@50 in Berlin ", Ethnic and Racial Studies, 35, 11 (2012):S. 1874-1892. 31 Die Siebten-Tags-Adventisten sind eine Kirche, die sowohl in Ghana als auch in Deutschland seit dem späten 19 Jahrhundert existiert. In Ghana hat sie aber etwas zehnmal so viele Mitglieder wie in Deutschland.

19

verringert im Vergleich zu den neo-pentekostalen Gemeinden die Flexibilität und Valenz,

eigenständige Beziehungen aufbauen zu können, eröffnet aber auf der Gegenseite Zugang zu

Netzwerken innerhalb der Kirche und gewährleistet, etwa durch die Bereitstellung eines

Pastors aus Ghana, stabile Strukturen.

Zwei weitere bemerkenswerte Fälle sind die Gemeinden der Church of Pentecost (CoP) und

der Deeper Life Ministries.32 Bei ihnen handelt es sich nicht, wie im Fall der Adventisten oder

der Presbyterianer, um Kirchen die durch Missionsaktivitäten europäischer bzw.

nordamerikanischer Missionare nach Ghana gekommen sind, sondern um Kirchen, die in die

entgegengesetzte Richtung, also von Afrika nach Europa, migriert sind. Die CoP ist eine der

größten Kirchen in Ghana, die seit den 1960er Jahren auch über die Ländergrenzen hinaus

expandiert ist. Seit den 1980er Jahren breitete sie sich aufgrund von Migration von

Mitgliedern auch nach Europa aus, wo sie mittlerweile europaweite Organisationsstrukturen

aufgebaut hat. Die bereits in den 1980er Jahren gegründete Zentrale der CoP in Deutschland

befindet sich in Hamburg. Darüber hinaus hat die CoP mehreren deutschen Großstädten (z.B.

Hamburg, Nürnberg, München, Stuttgart, Frankfurt, Duisburg, Berlin) Gemeinden und gehört

zu den am weitesten verbreitetsten Kirchen mit westafrikanischem Hintergrund in

Deutschland. In Berlin gründete sich die Gemeinde mit einer deutlichen zeitlichen

Verzögerung zu Hamburg. Dies wurde aktiv durch die Zentrale in Hamburg unterstützt. Die

Berliner Gemeinde befand sich allerdings zum Zeitpunkt der Forschung im Schatten der

Hamburger Zentrale und konzentrierte sich vornehmlich darauf, das wöchentliche

Gemeindegeschehen mit den fast ausschließlich aus Ghana stammenden

Gemeindemitgliedern zu organisieren. Die COP in Hamburg ist weitaus besser vernetzt. Sie

ist Mitglied des Bundesverbandes deutscher Pfingstkirchen und beteiligte sich an

Kooperationsprojekten mit der evangelischen Landeskirche in Hamburg. Gleichzeitig ist die

CoP-Zentrale ein transnationaler Knotenpunkt und eine Anlaufstelle für Kirchenfunktionäre

und Mitglieder aus Afrika und anderen europäischen Ländern. So kommen zum Beispiel

Gastprediger aus anderen CoP-Gemeinden nach Hamburg, Pastoren werden innerhalb der

Kirche über Ländergrenzen hinweg versetzt und es finden regelmäßige religiöse und

administrative Treffen von Mitgliedern und Funktionären aus ganz Europa statt. Zwar

existiert in Hamburg auch eine frankophone Gemeinde der CoP, allerdings sind die Mehrheit

der Mitglieder Ghanaer und die transnationale Organisationstruktur der Kirche ist ghanaisch

konnotiert.

32 Die Deeper Life Ministries wurde in Nigeria in den 1970er Jahren gegründet und hat eine vergleichbare Geschichte wie die COP, auf die ich in diesem Kontext aus Platzgründen aber nicht weiter eingehen werde.

20

Ein letzter Fall, den ich in diesem Rahmen vorstellen möchte, ist die Christian Church

Outreach Mission (CCOM). Die CCOM wurdew, wurde wie die CoM, ebenfalls in den

1980er Jahren in Hamburg, der Stadt in Deiutschland, in der die meisten Afrikaner leben,

gegründet. Während einer der Gründer der CoP-Gemeinde, wie bereits erwähnt, die

Anbindung und Anerkennung seiner Studentengemeinde von der in Ghana etablierten

Mutterkirche suchte, schlug der Gründer der COOM einem anderen Weg ein und gründete

aus einer Studentengemeinde heraus zunächst eine unabhängige neo-pentekostale Gemeinde,

die sich stärker an Migrantinnen aus ganz Afrika richtete, und später eine Kirche mit

Gemeinden in mehreren deutschen Städten sowie in Ghana, Großbritannien, den

Niederlanden und den USA. In Ghana wurden mehrere Gemeinden von einem abgeschobenen

Asylbewerber, der in Hamburg Mitglied der CCOM-Gemeinde war, eröffnet.33 Eine der

Personen, die den Expansionsprozess der CCOM maßgeblich begleitet hat, war ein

Betriebswirt, der, damals noch als Student, in den 1980er Jahren zur CCOM stieß, und der

sich im Hinblick auf seine Aufgabe in der Kirche in seinem Studium auf

Organisationsentwicklung spezialisierte. Aufgrund von Spannungen zwischen ihm und dem

selbsternannten Bischof der Kirche, ging er zunächst in den frühen 2000er Jahren nach Berlin,

wo er zum Wachstum der dortigen Gemeinde und zur Vernetzung im lokalen Kontext in

Berlin beigetragen hat. Wie die anderen größeren neo-pentekostalen Gemeinen ist die CCOM

auch sowohl durch ihre Zentrale in Hamburg als auch durch die Gemeinde in Berlin in lokale

und nationale Dachverbänden und Vernetzungsgruppen von sowohl deutschen wie auch

afrikanischen pentekostalen Gruppen eingebunden und steht im Austausch mit Gemeinden im

Ausland und internationalen Gastpredigern, die zu besonderen Anlässen in die jeweiligen

Gemeinden kommen.

6. Religiöse Gemeinden zwischen Integration und Inklusion

Mit diesen kurzen und unvollständigen Darstellungen wollte ich vor allem zeigen, dass bei

näherer Betrachtung von religiösen Migrantenorganisationen in einer kosmopolitischen Stadt

wie Berlin, in der viele Netzwerke und Inklusionspfade zusammenlaufen, die

holzschnittartigen Unterscheidungen des Integrations- und Assimilationsdiskurs an ihre

Grenzen stoßen. Basierend auf einer vergleichbaren Ausgangssituation – der Gründung von

religiösen Gemeinden durch ghanaische Migrantinnen – entwickelt sich eine hohe Varianz

33 Vgl. Jach, Regina. 2005. Migration, Religion und Raum. Ghanaische Kirchen in Accra, Kumasi und Hamburg in Prozessen von Kontinuität und Kulturwandel. Münster: Lit Verlag.; Krause, K. "Cosmopolitan charismatics? Transnational ways of belonging and cosmopolitan moments in the religious practice of New Mission Churches", Ethnic and Racial Studies, 34, 3 (2011):S. 419-435.

21

von Inklusionsmustern. Dies wiederum lässt sich theoretisch dadurch erklären, dass „die

Gesellschaft“ in der die Gemeinden ihre Inklusionsmuster entwickeln eben nicht binär

strukturiert ist – wie die Gegenüberstellung von Integration und Segregation nahelegt34 –

sondern aufgrund ihrer komplexen Verflechtungen einen breiten Möglichkeitsraum eröffnet,

innerhalb dessen Migranten und ihre Organisationen eine Geschichte entwickeln können.

Dadurch ergeben sich Varianzen entlang multipler teilweise unabhängiger teilweise

überlappender Faktoren, wie der Organisationsstruktur, der Einbettung in lokale, nationale

und transnationale Netzwerke, die nationale und ethnische Zusammensetzung der Gemeinden

und die Sprachen, die im Gottesdienst verwendet werden. Selbst wenn man sich auf die

Reduktion der empirisch beobachteten Komplexität unter integrationstheoretischen

Vorzeichen einlässt, erscheint es in den skizzierten Fällen oft unentscheidbar, inwiefern die

verschiedenen Gemeinden der Integration der Migrantinnen in die Gesellschaft förderlich

oder hinderlich sind. Dies liegt vor allem daran, dass sich in den gleichzeitig komplex

verbundenen und fragmentierten sozialen Verflechtungszusammenhängen gar nicht ohne

weiteres mehr eine Gesellschaft abzeichnet, in die man sich dann integrieren könnte.

Wie ich in den Fallbeschreibungen gezeigt habe, sind religiöse Organisationen multivalent.

Das heißt, ihre Organisationform und die Netzwerke ihrer Mitglieder ermöglicht es

multireferentielle Inklusionsmuster bezogen auf unterschiedliche sozialräumliche und

organisatorische Einheiten ausbilden. Die Strukturen können in diesem Zusammenhang eher

formell verfasst sein, wie bei den Katholiken und den Adventisten, oder eher informell und

netzwerkartig sein, wie bei den neo-pentekostalen unabhängigen Gemeinden. Dabei sind

Inklusionspfade nicht mit ethnischen oder nationalen Vergemeinschaftungsformen

gleichzusetzen. Inklusionsformen von Migrationsgemeinden können zum Beispiel national,

ethnisch, kosmopolitisch oder panafrikanisch konnotiert sein, sie können sich aber auch an

Denominationsgrenzen oder an ökumenischen Zielen orientieren. Darüber hinaus sind

Inklusionsmuster der untersuchten Gemeinden pfadabhängig. Je nachdem welcher Einstieg

gewählt wurde, konnten sich unterschiedliche Geschichten entwickeln. So war es zum

Beispiel zentral, ob Kontakt zu einer Mutterkirche in Ghana gesucht wurde, ob versucht

wurde, Kirchenstrukturen über die Gemeinde hinaus aufzubauen oder der Pfad einer

unabhängigen Gemeinde eingeschlagen wurde.

34 Vgl. Esser, Hartmut. "Kulturelle Pluralisierung und strukturelle Assimilation. Das Problem der ethnischen Schichtung", Schweizerische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 7, 2 (2001):S. 97-109. , 99.

22

Auf einer theoretischen Ebene sollten die Fallstudien die Perspektivenverschiebung vom

nationalen Integrationsparadigma zu einem globalisierungstheoretischen Inklusionsparadigma

für die Analyse von migrationsbezogenen Phänomenen illustrieren. In diesem Zusammenhang

habe ich argumentiert, dass die starken gesellschaftheoretischen Annahmen des

Integrationsparadigmas, das die imaginierte Einheit der nationalen Einwanderungsgesellschaft

zum Maßstab der Beobachtung macht, dazu führen, dass Aspekte aus dem Blick geraten, die

maßgebliche Unterschiede zwischen migrationsbezogenen Phänomenen konstituieren. Der

Inklusionsbegriff schafft Beobachtungsmöglichkeiten, die besser an die komplexen

Referenzenstrukturen, in deren Rahmen Migrantinnen und deren Organisationen agieren,

angepasst sind.

Das metatheoretische Ziel dieses Aufsatzes war zu zeigen, dass die selbstverständlichen

Vorstellungen von dem, was eine gesellschaftliche Ganzheit ist und wie diese erzeugt wird,

wesentlich zum Verständnis von Migration beitragen. Ändern sich die sozialtheoretischen

Grundannahmen, wandelt sich auch das Verständnis der Beziehungen von Migrantinnen zur

„Gesellschaft“. Das Inklusionskonzept entlastet die Migrationsforschung von der Frage nach

der Herstellung des gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalts. Jenseits von

Desintegrationsbefürchtungen wird es auf veränderte Weise möglich, sich mit den komplexen

empirischen Wechselwirkungen von Migration, sozialer Teilhabe, institutionellen Kontexten

und Netzwerken zu beschäftigen. Die Vorstellung von Integration als einem umfassenden und

linearen Prozess, der das Verhältnis des Individuums zu der der Gesellschaft hinreichend

beschreibt, wird hinfällig. Stattdessen erscheint Inklusion als ein prozessualer und

fragmentierter Prozess, der unterschiedliche Teilkontexte oder Subsysteme mit variierender

sozial-räumlicher Ausdehnung umfassen kann. Löst man sich von dem territorialisierten

Nationalstaat als quasi-natürliche Einheit der Analyse, geraten alternative oft kleinteiligere

Untersuchungseinheiten, wie Städte, Regionen oder transnationale Felder, stärker in den

Blick.39 Dabei ist der Inklusionsbegriff kein Allheilmittel, um alle Probleme der

Migrationsforschung zu lösen. Fragen der Identität, der generationsübergreifenden

Reproduktion von sozialer Ungleichheit und multikulturelle Fragen nach einer Politik der

Anerkennung kultureller Differenz lassen sich nicht ohne Weiteres mit dem Inklusionsbegriff

beschreiben. Was der Inklusionsbegriff allerdings leistet ist, dass er auf präzisiere

Beschreibungsformen der Beziehung von Personen, Netzwerken, sozial-räumlichen

Kontexten und Institutionen erlaubt. In diesem Zusammenhang schafft er neue Perspektiven

auf scheinbar vertraute Phänomene und ermöglicht alternative Beschreibungsformen.

23

1 Robert Ezra Park, „Assimilation, social“, in E. R. A. Seligman und A. Johnson (Hrsg.), Encyclopaedia of the social sciences (New York: Macmillan, 1930), S. 281-283; „Our racial frontier on the Pacific“, in Robert Ezra Park (Hrsg.), Race and culture (Glencoe (Ill.): Free Press, 1950 [1926]), S. 138-151); „The race relations cycle in Hawaii“, in Robert Ezra Park (Hrsg.), Race and culture. Essays in the sociology of contemporary man (Glencoe (Ill.): Free Press, 1950 [1937]), S. 189-195; Robert Ezra Park und Ernest Watson Burgess, „Chapter IX. Assimilation“, in Robert Ezra Park und Ernest Watson Burgess (Hrsg.), Introduction to the science of sociology (Chicago: University of Chicago Press, 1970 [1921]), S. 359-365. 2 Ebd. 3 Wenn Personen unterschiedlichen Geschlechts gemeint sind, werden abwechselnd feminine und maskuline Substantivformen verwendet. 4 Vgl. Ruby Jo Reeves Kennedy, „Single or triple melting pot? Intermarriage trends in New Haven, 1870-1940“, in American Journal of Sociology, 49 (1944), S. 331-339; Ruby Jo Reeves Kennedy, „Single or triple melting pot? Intermarriage trends in New Haven, 1870-1915“, in American Journal of Sociology, 58, 1 (1952), S. 56-59; Will Herberg, Protestant, Catholic, Jew. An essay in American religious sociology (New York: Anchor Books, 1956). 5 Milton Gordon, Assimilation in American life. The role of race, religion and national origin (New York: Oxford University Press, 1964). 6 Kennedy, „Single or triple melting pot? Intermarriage trends in New Haven, 1870-1940“; Kennedy, „Single or triple melting pot? Intermarriage trends in New Haven, 1870-1915“. 7 Vgl. Gordon, Assimilation in American life. The role of race, religion and national origin, S.72. 8 Nathan Glazer und Daniel Patrick Moynihan, Beyond the melting pot (Cambridge (Mass.): MIT Press, 1963), hier S. xcvii. 9 Glazer und Moynihan, Beyond the melting pot, hier S. 16. 10 Will Kymlicka, „The rise and fall of multiculturalism? New debates on inclusion and accommodation in diverse societies“, in International Social Science Journal, 61, 199 (2010), S. 97-112. 11 Seit den1990er Jahren kam es zu einer Wiederbelebung des Assimilationsansatzes unter anderen Vorzeichen (vgl. Alejandro Portes und Min Zhou, „The new second generation. Segmented assimilation and its variants among post-1965 immigrant youth“, in Annals of the American Academy of Political and Social Science, 530, (1993), S. 74-96; Rogers Brubaker, „The return of assimilation“, in Ethnic and Racial Studies, 24, 4 (2001), S. 531-548; Richard Alba und Victor Nee, Remaking the American mainstream. Assimilation and contemporary immigration, (Cambridge (Mass.): Harvard University Press, 2003); Alejandro Portes, Patricia Fernandez-Kelly und William Haller, „Segmented assimilation on the ground. The new second generation in early adulthood“, in Ethnic and Racial Studies, 28, 6 (2005), S. 1000-1040). Diese Ansätze, auf die ich in diesem Rahmen nicht weiter eingehen werde, versuchen den Schwierigkeiten des Assimilationsansatzes dadurch zu umgehen, dass sie empirischere und weniger gesellschaftstheoretisch voraussetzungsvolle Zugänge entwickeln. 12 Etienne Balibar, „Rassismus und Nationalismus“, in Etienne Balibar und Immanuel Wallerstein (Hrsg.), Rasse, Klasse, Nation. Ambivalente Identitäten (Hamburg: Argument, 1990), S. 49-84; Zygmunt Bauman, „Moderne und Ambivalenz“, in Uli Bielefeld (Hrsg.), Das Eigene und das Fremde. Neuer Rassismus in der alten Welt? (Hamburg: Junius Verlag, 1991), S. 23 - 49; Wolf-Dietrich Bukow, „Ethnisierung und nationale Identität“, in Institut für Migrations- und Rassismusforschung (Hrsg.), Rassismus und Migration in Europa (Hamburg: Argument, 1992), S. 133–146; Robert Miles, „The articulation of racism and nationalism. Reflections on European history“, in John Wrench und John Solomos (Hrsg.), Racism and migration in Western Europe (Oxford: Berg, 1993), S. 35-52. 13 Im Kontext dieses Aufsatzes soll, die im angelsächsischen Sprachraum gebräuchliche Kategorie der race als Variante von Ethnizität verstanden werden (vgl. Andreas Wimmer, „The making and unmaking of ethnic boundaries: A multilevel process theory“, in American Journal of Sociology, 113, 4 (2008), S. 970-1022, hier S. 973-974). 14 Oliver C. Cox, „Race and caste. A distinction“, in American Journal of Sociology, 50, 5 (1945), S. 360-368, hier S. 360. 15 Milton Gordon, „Toward a general theory of racial and ethnic group relations“, in Nathan Glazer und Daniel Patrick Moynihan (Hrsg.), Ethnicity. Theory and Experience (Cambridge (Mass.): Harvard University Press, 1975), S. 84-110. 16 Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny, Soziologie des Fremdarbeiterproblems. Eine theoretische und empirische Analyse am Beispiel der Schweiz (Stuttgart: Enke, 1973). 17 Bukow, „Ethnisierung und nationale Identität“, in Institut für Migrations- und Rassismusforschung (Hrsg.), Rassismus und Migration in Europa. 18 Isabell Diehm und Frank-Olaf Radtke, Erziehung und Migration (Stuttgart: Kohlhammer, 1999); Mechthild Gomolla und Frank-Olaf Radtke, Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule (Wiesbaden: VS Verlag, 2009).

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19 Charles Taylor, „Die Politik der Anerkennung“, in Charles Taylor (Hrsg.), Multikulturalismus und die Politik der Anerkennung (Frankfurt/Main: Fischer, 1993), S. 13-77, hier S. 13-14. 20 Burkart Holzner, „The concept 'integration' in sociological theory“, in The Sociological Quarterly, 8, 1 (1967), S. 51-62, hier S. 51. 21 Nathan Glazer, „The integration of American immigrants“, in Law and Contemporary Problems, 21, 2, (1956), S. 256-269, hier S. 256. 22 Emile Durkheim, Über soziale Arbeitsteilung (Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1977 [1893]); Emile Durkheim, Der Selbstmord (Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1985 [1897]). 23 Z.B. Parsons, The social system, hier S. 24-26. 24 Z.B. Niklas Luhmann, „Die Weltgesellschaft“, in Niklas Luhmann (Hrsg.), Soziologische Aufklärung. Aufsätze zur Theorie der Gesellschaft. Bd.2 (Opladen: Westdeutscher Verlag, 2005 [1971]), S. 63-88; Immanuel Wallerstein, The Modern World System (New York: Academic Press, 1974). 25 Z.B. Linda Basch, Nina Glick Schiller und Christina Szanton Blanc, Nations unbound. Transnational Projects, postcolonial predicaments and deterritorialized nation-states (London: Gordon and Breach, 1994); Nina Glick Schiller, „Transnationality“, in David Nugent und Joan Vincent (Hrsg.), A companion to the anthropology of politics (Malden (MA.): Blackwell, 2004), S. 448-467; Nina Glick Schiller, „Transnationale Migration in globaler und historischer Perspektive“, in Boris Nieswand und Heike Drotbohm (Hrsg.), Migration, Kultur, Gesellschaft. Die reflexive Wende der Migrationsforschung (Wiesbaden: VS Springer, im Erscheinen); Ludger Pries, Die Transnationalisierung der sozialen Welt. Sozialräume jenseits von Nationalgesellschaften. (Frankfurt/Main: Suhrkamp, 2007); Ludger Pries, Transnationalisierung. Theorie und Empirie grenzüberschreitender Vergesellschaftung (Wiesbaden: VS Verlag, 2010); Steven Vertovec, Transnationalism (London: Routledge, 2009). 26 Andreas Wimmer und Nina Glick Schiller, „Methodological nationalism and beyond. Nation-state building, migration and the social sciences“, in Global Networks, 2, 4 (2002), S. 301-334, hier 302. 27 Boris Nieswand, Theorising transnational migration. The status paradox of migration (New York: Routledge, 2011), hier S. 35-36. 28 Niklas Luhmann, Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie (Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1987 [1984]), hier S. 555. 29 Rudolf Stichweh, „Inklusion/Exklusion, funktionale Differenzierung und die Theorie der Weltgesellschaft“, in Soziale Systeme, 3, 2 (1997), S. 123-136, hier S. 123-124. 30 Stichweh, „Inklusion/Exklusion, funktionale Differenzierung und die Theorie der Weltgesellschaft“, hier S. 127-128. 31 Niklas Luhmann, „Individuum, Individualität, Individualismus“, in Niklas Luhmann (Hrsg.), Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft. Bd. 3 (Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1989), S. 149-258. 32 Nassehi, „Inklusion, Exklusion - Integration, Desintegration. Die Theorie funktionaler Differenzierung und die Desintegrationsthese“, in Heitmeyer und Anhut (Hrsg.), Integration-Desintegration. Ein Reader zur Ordnungsproblematik moderner Gesellschaften, hier S. 173-174. 33 Peggy Levitt und Nina Glick Schiller, „Conceptualizing simultaneity. A transnational social field perspective on society“, in International Migration Review, 38, 3 (2004), S. 1002-1039. 34 Peggy Levitt und B. Nadya Jaworsky, „Transnational migration studies. Past developments and future trends“, in Annual Review of Sociology, 33, (2007), S. 129-156. 35 Ralph Grillo und Valentina Mazzucato, „Africa <> Europe. A double engagement“, in Journal of Ethnic and Racial Studies, 34, 2 (2008), S. 175-198. 36 Nina Glick Schiller, Ayse Caglar und Taddeus Guldbrandsen, „Beyond the Ethnic Lense. Locality, Globality, and Born-Again Incorporation", in American Ethnologist, 33, 4 (2006), S. 612-633, hier S. 613. 37 Georg Elwert, „Unternehmerische Illegale. Ziele und Organisationen eines unterschätzten Typs illegaler Einwanderung“, in IMIS-Beiträge, 18 (2002), S. 7-20. 38 Nina Glick Schiller, Boris Nieswand, Günther Schlee, Tsypylma Darieva, Lale Yalçin-Heckmann und László Fosztó, „Pathways of migrant incorporation in Germany“, in Transit, 1, 1 (2004), http://repositories.cdlib.org/ucbgerman/transit/vol1/iss1/art50911/ [17.18.2013]; Levitt und Glick Schiller, „Conceptualizing simultaneity. A transnational social field perspective on society“. 39 Z.B. Gerd Baumann, Contesting culture. Discourses of identity in multi-ethnic London (Cambridge: Cambridge University Press, 1996); Steven Vertovec, „Super-diversity and its implications“, in Ethnic and Racial Studies, 30, 6 (2007), S. 1024-1054; Nina Glick Schiller und Ayse Caglar, „Locality and globality. Building a comparative framework in migration and urban studies“, in Nina Glick Schiller und Ayse Caglar (Hrsg.), Locating Migration. Rescaling Cities and Migrants (Ithaca: Cornell Univeristy Press, 2011), S. 60-85.