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Integration, Multikulturalismus, Inklusion.
Migrationsforschung zwischen Nationalstaat und Weltgesellschaft.
© 2013, Boris Nieswand, Universität Tübingen
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In diesem Beitrag werde ich mich mit der Beziehung zwischen Theorien und
Repräsentationen von Migrationsphänomenen beschäftigen und die theoretischen
Konsequenzen eines veränderten soziologischen Gesellschaftsbegriffs für die
Migrationsforschung anhand eines Beispiels veranschaulichen. In diesem Zusammenhang
werde ich einen kursorischen Überblick über verschiedene sozialtheoretische Ansätze der
Migrationsforschung – Assimilation, Ethnisierung, Multikulturalismus, Integration und
Inklusion – geben. Die praktischen Unterschiede zwischen unterschiedlichen
methodologischen und sozialtheoretischen Zugängen zu migrationsbezogenen Phänomenen
werden anhand des Falls von religiösen Migrantenorganisationen in Berlin veranschaulicht.
1. Assimilation und Gesellschaft
Das Ausgangsproblem, das die soziologische Migrationsforschung bis zur Mitte des 20.
Jahrhunderts beschäftigte, war die Frage nach der Assimilation bzw. die Auflösung der
ethnisch-kultureller Differenzen von Migrantinnen. Der amerikanische Soziologe Robert Park
und seine Kollegen aus der Chicago School, die den modernen sozialwissenschaftlichen
Assimilationsbegriffs geprägt haben, bezogen diesen zunächst gar nicht spezifisch auf
Migrationsprozesse. Der von Park entwickelte race relation cycle war eher ein Beitrag zu
einer allgemeinen Theorie des Kulturkontakts zwischen ethnischen Gruppen oder races, wie
es in der Terminologie der Zeit hieß.1 Für ihn war Assimilation eine Entwicklungsmöglichkeit
von Kulturkontaktsituationen zwischen ethnischen Gruppen, die keineswegs notwendig
eintreten musste und durch politische Faktoren verhindert oder verlangsamt werden konnte.2
Parks Modell war insofern einflussreich, als dass sich im Anschluss daran die Vorstellung in
den Sozialwissenschaften durchsetzte, dass Assimilationsprozesse in Stufen der Anpassung
verlaufen, die Migrantinnen notwendig durchlaufen müssen,3 um schließlich in einem oder
mehreren melting pots4 aufzugehen.
Das Stufenmodell der Assimilation, das häufig generationsübergreifend gedacht wird, blieb
ein wichtiger Topos der Migrationsforschung bis in die 1960er Jahre hinein. Seit den 1940er
Jahren rückte Assimilation stärker in einen modernisierungstheoretischen Kontext. Es wurde
angenommen, dass im Prozess der Modernisierung angeborene und kollektive Merkmale, wie
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Ethnizität, Geschlecht oder familiärer Hintergrund, an Bedeutung verlieren und individuell
erworbene Merkmale, insbesondere Bildung und Leistung im Beruf, an Bedeutung gewinnen
würden. Migrantinnen wurde in diesem Zusammenhang unterstellt, dass sie vielfach aus
weniger entwickelten Gesellschaften kämen und eine nachholende Modernisierung
durchlaufen müssten, in deren Verlauf sich ihre ethnischen Loyalitäten sukzessive auflösen
würde. Wichtige Autoren des Assimilationsansatzes, wie etwa Milton Gordon5 oder Ruby
Kennedy,6 waren sich dabei durchaus bewusst, dass die US-amerikanische Gesellschaft
keineswegs ethnisch und kulturell homogen war, allerdings wurde ethnische Heterogenität
bezogen auf die Differenz zu der als Standard gesetzten core culture der WASPs (White
Protestant Anglo-Saxons) betrachtet und implizit wohl auch bewertet.7
Es war diese Bindung an die vermeintliche oder tatsächliche core culture der WASPs, die für
die Assimilationstheorie zum Problem wurde. Dies hing mit der Beobachtung zusammen,
dass ethnische Identitäten sich nicht auflösten, sondern in den 1960er Jahren sogar regelrecht
aufblühten. Prominent kritisierten Nathan Glazer und Daniel Moynihan deshalb anhand des
Falls von New Yorks die Schmelztiegel-Metapher und formulierten den berühmten Satz: „The
point about the melting pot (…) is that it did not happen“.8 Sie argumentierten, dass in sozial
diversen Städten, wie New York, nicht davon länger auszugehen sei, dass es nur eine
sogenannte core culture gäbe, an die sich alle anderen anpassen könnten. Darüber hinaus
hoben sie hervor, dass Ethnizität nicht einfach ein schwindender Überrest aus einer
gesellschaftlichen Vergangenheit sei, sondern dass sie sich in Form und Inhalt als wandelbar
erweist und anschlussfähig an ‚moderne‘ Gesellschaften ist.9
Noch bedeutsamer für die Diskreditierung des Assimilationsansatzes als die empirische Frage
nach der Auflösung von ethnischer Differenz waren die identitätspolitischen Forderungen
ethnischer Minderheiten, wie Afro-Amerikaner oder indigener Bevölkerungen, im Rahmen
der Bürgerrechtsbewegungen in den USA.10 Den Minderheiten erschien das politische Ideal
der Assimilation als Ausdruck einer jahrhundertelang währenden politischen und ethnischen
Hegemonie, in deren Rahmen sich die dominanten ‚weißen‘ Bevölkerungssegmente zum
Maßstab der Bewertung von Differenz stilisierten, um damit ihre gesellschaftliche
Vorherrschaft zu sichern.11
Die gewachsene Skepsis gegenüber dem Assimilationsansatz drückte sich in den
Sozialwissenschaften vor allem anhand von zwei Diskurse aus, die beide nicht völlig neuartig
waren, aber aufgrund der veränderten intellektuellen „Großwetterlage“ an Relevanz
gewannen und in diesem Rahmen reformuliert wurden. Die Vertreter der ersten Kritiklinie
3
argumentierten – etwa mit Verweis auf den transatlantischen Sklavenhandel oder den Genozid
an den europäischen Juden –, dass die modernisierungstheoretische Grundannahme, dass
Ethnizität kein Merkmal moderner, sondern traditioneller Gesellschaften ist, unzutreffend sei.
Vielmehr stellten sie in den Vordergrund, dass über rassistische und/oder ethnische
Differenzen legimitierte Ungleichheiten ein wesentliches Merkmal der westlichen Moderne
bzw. westlicher Nationalstaaten sind.12 Oliver Cox argumentierte bereits 1945, dass die
Kategorie der „Rasse“ ein Produkt des modernen Kapitalismus sei:13 „Our point here is,
however, that “race relations” developed in modern times as our own exploitative system
developed.“.14
Ein Kritikpunkt am klassischen Assimilationsansatz war, dass es ihm an einem Machtbegriff
mangelt, der es ihm erlaubt, Herrschaftsstrukturen kritisch zu hinterfragen.15 Im
deutschsprachigen Raum hob vor allem Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny16 und später
Wolf-Dietrich Bukow17 die ungleichheitslegitimierende Funktion von ethnischen
Zuschreibungen hervor. Im Fall von Schulen verwiesen Frank Olaf Radtke und seine
Kolleginnen darauf, dass institutionelle Mechanismen der Diskriminierung von Bedeutung
sind, um ethnisch-kulturelle Differenzlinien zwischen Deutschen und Personen mit
Migrationshintergrund fortzuschreiben und damit zur Reproduktion bestehender
Ungleichheitsstrukturen beizutragen.18 Aus der kritischen Perspektive dieser Autorinnen
erscheint Assimilationismus als Ideologie, die gesellschaftliche Macht- und
Ausgrenzungsmechanismen verschleiert, indem sie der Kultur von Migrantinnen die
Verantwortung für deren Marginalisierung zuschreibt und deren Auflösung im Rahmen einer
modernisierungstheoretischen Teleologie temporalisiert.
Ein zweiter Strang der Kritik am Assimilationismus gipfelte in der Multikulturalismus-
Diskussion der 1990er Jahre. Hier ging es vor allem um die Frage, inwieweit indigene oder
zugewanderte Minderheiten Rechte auf kollektive kulturelle Selbstbestimmung gegenüber der
Mehrheit geltend machen können. In diesem Zusammenhang hat Charles Taylor prominent
argumentiert, dass das Verhältnis von Mehrheit und Minderheit sich zu einem der
maßgeblichen Konfliktfelder moderner Gesellschaften entwickelt hat, welches liberale
Demokratien vor politische Herausforderungen stellt. Vor einem identitätstheoretischen
Hintergrund argumentiert Taylor, dass öffentliche Missachtung und strukturelle
Ungleichbehandlung von ethnisch-kulturellen Minderheiten zusehends als Form symbolischer
Gewalt wahrgenommen wird:
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Die These lautet, unsere Identität werde teilweise von der Anerkennung oder Nichtanerkennung,
oft auch von der Verkennung durch die anderen geprägt, so dass ein Mensch oder eine Gruppe von
Menschen wirklichen Schaden nehmen, eine wirkliche Deformation erleiden kann, wenn die
Umgebung oder die Gesellschaft ein einschränkendes, herabwürdigendes oder verächtliches Bild
ihrer selbst zurückspiegelt. Nichtanerkennung oder Verkennung kann Leiden verursachen, kann
eine Form von Unterdrückung sein, kann den anderen in ein falsches, deformiertes Dasein
einschließen.19
Assimilationsaufforderungen oder -erwartungen verletzen, gemäß Taylor, grundsätzliche
Gleichheitsgebote zwischen Mehrheits- und Minderheitskultur, weil die Mehrheitskultur
darin als beständig und Minderheitskulturen als im Verfall begriffen verstanden werden. Um
den Minderheiten die Möglichkeit zu geben, ihre Identitäten, die an die Bewahrung einer
kollektiven Kultur gekoppelt sind, gleichberechtigt auszuleben, müssen sie, nach Taylor,
durch eine Politik der Anerkennung in die Lage versetzt werden, den Erhalt ihrer Kultur zu
gewährleisten. Taylors Argument steht in der Tradition liberalismusskeptischer Positionen,
die betonen, dass der Austausch zwischen freien Individuen nicht unbedingt zu einer
Maximierung des Allgemeinwohls führt. Im freien Spiel der Kräfte erweisen sich
Minderheitskulturen aufgrund der existierenden Machtasymmetrien und
Mehrheitsverhältnisse als besonders verwundbar in Situationen eines freien
Kulturaustausches. Dies rechtfertigt in den Augen der Multikulturalisten besondere
Schutzmaßnahmen, die über die Gewährung individueller Freiheitsrechte und Schutz vor
Diskriminierung hinausgehen. Im Rahmen multikulturalistischer Politiken können
Minderheiten besondere Förderung und Sonderrechte zugestanden werden (z.B. eine Quote
im Parlament) sowie individuelle Freiheitsrechte von Mitgliedern der Mehrheit aber auch der
Minderheiten selbst mit Verweis auf den Schutz des Kollektivguts Kultur eingeschränkt
werden. So wurde es Frankokanadiern in Quebec beispielsweise untersagt, ihre Kinder auf
englischsprachigen Schulen zu schicken, obwohl dieses Recht anglophonen Bewohnern
Quebecs zugestanden wird. Vor dem Hintergrund der Annahmen, dass die
französischsprachige Kultur Quebecs von dem Assimilationssog der englischsprachigen
Mehrheitsgesellschaft Kanadas bedroht wird, wurde der Wert der Reproduktion der an die
Sprache gebundenen Kultur höher bewertet, als das individuelle Recht französischsprachiger
Eltern, die Schule für ihre Kinder frei zu wählen
Dabei schwebt den Vertretern des Multikulturalismus aber kein kulturelles Zwangsregime
vor, sondern letztlich nur eine Modifikation eines auf Grundrechten basierten Liberalismus,
5
innerhalb dessen das spannungsreiche Verhältnis zwischen individuellen Freiheitsrechten und
kollektiven Kulturgütern verhandelt werden kann.1
Die in dieser Diskussion wichtige Unterscheidung zwischen rezenten Migrantinnen und
etablierten nationalen Minderheiten wurde von dem, stärker als Taylor, auf Basis des
Liberalismus argumentierenden Will Kymlicka in die Diskussion eingeführt.2 Für Kymlicka
können indigene und etablierte nationale Minderheiten legitimerweise Formen politischer und
territorialer Autonomie gegenüber Nationalstaaten geltend machen, weil sie als
‚einheimische‘ Gruppen prinzipiell vergleichbare Rechte auf kollektive Selbstbestimmung
wie nationale Mehrheiten haben, während die Ansprüche von rezenten Migrantengruppen
weniger weitgehend ausfallen können. Bei ihnen stellt sich eher die Frage nach den Modi der
Inklusion in die politischen und sozialen Strukturen des Zuwanderungslandes. Dabei handelt
es sich in der Regel um weitaus bescheidenere Forderungen als die der nationalen
Minderheiten, wie die Unterstützung von kulturellen oder religiösen Institutionen, bessere
Partizipationsmöglichkeiten, muttersprachlicher Sprachunterricht, Anerkennung von
alternativen Rechtstraditionen (etwa im Familienrecht)3, öffentliche Formen der
Anerkennung, Diskriminierungsschutz oder rechtliche Ausnahmen im Fall von kulturellen
Praktiken, die nach dem Recht der Einwanderungsländer illegal sind (z.B. das Schächten von
Tieren bei Muslimen und Juden oder die Helmpflicht bei Sikhs).4
Der Multikulturalismus, sowohl im Sinne Talyors als auch Kymlickas, führt dabei aber über
konventionellen Diskriminierungsschutz hinaus und stellt die Frage, inwieweit Staaten
indigene bzw. zugewanderte Minderheiten dabei aktiv unterstützen können bzw. müssen,
deren kollektive politischen und kulturellen Selbstbestimmungsrechte wahrnehmen zu können
und differenzsetzende kollektive kulturelle Güter zu erhalten.5
Von Beginn an war der Multikulturalismus starker Kritik ausgesetzt. Diese reichte von eher
immanenten Einwänden, wie zum Beispiel, dass Gleichstellungs- und Minderheitspolitiken
keineswegs im Widerspruch zum klassischem Liberalismus stehen und deshalb auch keinen
1 Will Kymlicka, Multicultural citizenship. A liberal theory of minority rights (Oxford: Clarendon Press, 2003 [1995]), 37-44. 2 Will Kymlicka, Multicultural citizenship. A liberal theory of minority rights (Oxford: Clarendon Press, 2003 [1995]). 3 Shachar, A. 2001. Multicultural jurisdictions: cultural differences and women's rights. Cambridge: Cambridge University Press. 4 Will Kymlicka, Multicultural citizenship. A liberal theory of minority rights (Oxford: Clarendon Press, 2003 [1995]), 30-31. 5 Joppke, Christian, and Steven Lukes, eds. 1999. Multicultural Questions. Oxford: Oxford University Press., S.13-14.
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neuen Politikentwurf benötigen,6 bis hin zu Fundamentalkritiken, die dem
Multikulturalismus vorwarfen, wichtige Errungenschaften von Aufklärung und politischen
Emanzipationsbewegungen zugunsten eines kulturellen Kollektivismus zu opfern. In diesem
Zusammenhang wurde eingewandt, dass, der Multikulturalismus insbesondere nachteilig für
benachteiligte Gruppen innerhalb von Minderheiten ist, wie z.B. Frauen oder Homosexuelle.7
In Europa haben sich in den letzten zehn Jahren wissenschaftliche und die politische
Einschätzungen des Multikulturalismus auseinander entwickelt. Die sozial- und
kulturwissenschaftliche Diskussion ist eher gelassener geworden ist, weil viele eingesehen
haben, dass Staaten sich im Hinblick auf den Umgang mit und die Anerkennung von
kultureller Differenz in einem Dilemma befinden8, in dessen Rahmen es praktisch unmöglich
erscheint, sich grundsätzlich für oder grundsätzlich gegen multikulturalistische Formen der
Migrations- und Minderheitenpolitik zu entscheiden. Im Gegesnsatz dazu wurde von
bedeutenden europäischen Politikerinnen, wie Angela Merkel oder David Cameron, das Ende
des Multikulturalismus ausgerufen. Steven Vertovec und Susanne Wessendorf9 stellen in
diesem Zusammenhang heraus, dass allerdings die Ironie dieser Verkündigung des Endes des
Multikulturalismus ist, dass sich auf einer praktischen Ebene viele der im Rahmen
multikulturalistischer Politiken erdachten Maßnahmen einfach weitergeführt wurden. In
Deutschland wurden zum Beispiel in den letzten Jahren sogar neue Maßnahmen zur Inklusion
von Muslimen eingeführt, die problemlos unter dem Begriff des Multikulturalismus
subsumiert werden könnten. In einigen Bundesländern (z.B. Hessen und Niedersachsen)
sowie einzelnen Städten und Schulen (z.B. in Erlangen in Bayern) wurde sunnitischer und
alewitischer Islamunterricht eingeführt, der von Vertretern des Islams selbst mitgestaltet
wird.10 Obwohl dabei auch staatliche Kontrollinteresse eine Rolle spielten, handelt es sich
dabei, wie der konfessionelle Religionsunterricht in Deutschland insgesamt11, um eine Politik
6 Habermas, Jürgen. 1996. 8. Kampf um Anerkennung im demokratischen Rechtsstaat. In Die Einbeziehung der Anderen, edited by ders. Frankfurt/Main: Suhrkamp. 7 Okin, Susan Moller. 1999. Is multiculturalism bad for women?: Princeton University Press. 8 Z.B. Joppke, Christian, and Steven Lukes, eds. 1999. Multicultural Questions. Oxford: Oxford University Press, Shachar, A. 2001. Multicultural jurisdictions: cultural differences and women's rights. Cambridge: Cambridge University Press. Strasser, Sabine, and Elisabeth Holzleithner, eds. 2010. Multikulturalismus queer gelesen. Zwangsheirat und geschlechtliche Ehe in pluralen Gesellschaften. Frankfurt: Campus. 9 Vertovec, Steve, and Susanne Wessendorf. 2010. Introduction. Assessing the Backlash Against Multiculturalism. In The Multicultural Backlash. European Discourses, Policies and Practices, edited by S. Vertovec and S. Wessendorf. London: Routledge. 10 In Deutschland wird der Islam hauptsächlich von muslimischen Migranten und deren Nachkommen ausgeübt. 11 Vgl. Shachar, A. 2001. Multicultural jurisdictions: cultural differences and women's rights. Cambridge: Cambridge University Press., S.151-166. Shachar versteht den bekenntnisorientierten christlichen Religionsunterricht in Deutschland, der in Kooperation zwischen den Religionsgemeinschaften und den
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der Anerkennung und eine Form multikulturalistischer Inklusion, in deren Rahmen staatliche
Institutionen Rechte an Institutionen, die Minderheiten vertreten, zum Zweck kollektiver
(religiöser) Selbstbestimmung abgeben.
In einer neueren Publikation hebt Will Kylimicka12 noch einmal hervor, dass das zentrale
Anliegen des Multikulturalismus-Ansatzes war, die Rechte nationaler Minderheiten zu
stärken. Die Minderheitspolitiken der meisten Länder in Westeuropa – in Deutschland betrifft
das zum Beispiel die dänische und die sorbische Minderheit – wurden aber im Rahmen der
jüngeren Multikulturalismusdiskussion keineswegs als gescheitert repräsentiert, sondern
gelten als ein zivilisatorischer Fortschritt, der zur Befriedung Europas beigetragen hat. Im
Kern richtet sich die Kritik am Multikulturalismus daher nicht gegen Minderheitenpolitik als
solche, sondern vor allem gegen unliebsame Migrantinnen und deren Nachkommen. Seit dem
11. September sind dies in Westeuropa vor allem Muslime.13
Mit etwas Distanz betrachtet wird aber klar, dass, wie bereits angemerkt, demokratische
Staaten die Ansprüche von religiösen oder kulturellen Minderheiten auf kollektive Rechte gar
nicht vollkommen ignorieren können, nicht zuletzt weil Grundrechte auf Religionsfreiheit und
kulturelle Selbstbestimmung durch Gerichte geschützt werden und weil die kulturelle oder
religiöse Inklusion von Minderheiten, wie der Fall des Islamunterrichts zeigt, auch den
Kontrollinteressen der Nationalstaaten entgegenkommen. Ob die politischen Umgangsformen
mit den Dilemmata kultureller Differenz dann als Multikulturalismus oder einem weniger
kontroversen Begriff zusammengefasst werden, scheint der Sache nach sekundär.
2. Integration und Gesellschaft
Die oben skizzierten Kritiken am Assimilationsansatz wirkten so nachhaltig, dass dieser in
weiten Teilen der sozialwissenschaftlichen Migrationsforschung lange als diskreditiert galt.
Aber wenn Assimilation nicht mehr in Frage kam, um das Verhältnis von Migrantinnen zur
Zuwanderungsgesellschaft zu beschreiben, musste nach alternativen Begriffen Ausschau
staatlichen Schulbehörden durchgeführt wird, als ein weiterführendes Modell für einen dialogischen Multikulturalismus. 12Kymlicka, Will. 2010. The rise and fall of multiculturalism? New debates on inclusion and accomodation in diverse societies. In The Multicultural Backlash. European Discourses, Policies and Practices, edited by S. Vertovec and S. Wessendorf. London: Routledge. 13 Vgj. Strasser, Sabine, and Jelena Tošić. Im Erscheinen. Egalität, Autonomie und Integration: Post-Multikulturalismus in Österreich. In Kultur, Gesellschaft, Migration. Die reflexive Wend in der Migrationsforschung, edited by B. Nieswand and H. Drotbohm. Wiesbaden: Springer/ VS.; Mannitz, Sabine, and Jens Schneider. Ibid.Vom „Ausländer" zum „Migrationshintergrund". Die Modernisierung des deutschen Integrationsdiskurses und seine neuen Verwerfungen. Dahinden, Janine. Ibid.„Kultur“ als Form symbolischer Gewalt. Grenzziehungsprozesse im Kontext von Migration am Beispiel der Schweiz..
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gehalten werden. In diesem Zusammenhang bot sich der Integrationsbegriff an, der nach dem
Zweiten Weltkrieg seine Karriere im Kontext der Migrationsforschung und –politik startete.
Versteht man Gesellschaften im Anschluss an Talcott Parsons als soziale Systeme, die aus
funktional aufeinander bezogenen semi-autonomen Teilen zusammengesetzt sind, wird das
Verhältnis zwischen den Systemsteilen, zum Beispiel Personen oder dem Wirtschaftssystem,
und der Einheit der Gesellschaft zu einem zentralen theoretischen Problem.20 Der
Integrationsbegriff adressiert dieses Verhältnis. Im Vergleich zum Assimilationsbegriff leistet er
dabei eine Problemverschiebung. Es steht nicht mehr die politisch brisante Frage kultureller
Identität im Vordergrund, sondern der scheinbar neutrale Zusammenhalt von Teilen. Auf
diese Weise erfährt das Ausgangsproblem – die Beziehung zwischen zugewanderten und
eingesessenen Bevölkerungen – eine eher sozialtechnologische Wendung. Ganz in diesem
Sinne hob Nathan Glazer in einem der frühen Artikel, in dem der Integrationsbegriff auf
migrationssoziologische Fragestellungen angewendet wurde, die neutrale und egalitäre
Konnotation des Begriffs hervor:
Integration, drawn from the neutral terminology of the mathematical sciences (…) suggests a more
complex process (…) one in which, conceivably, the United States, as well as the immigrants, is
changed..21
In der Soziologie wurde im Anschluss an Durkheim22 und Parsons23 vor allem Integration
durch geteilte Werte und Normen als Gegenspieler zu den Individualisierungs- und
Differenzierungsprozessen moderner Gesellschaften verstanden. Dabei wird Differenzierung
eher als robust vorgestellt und ereignet sich aus sich selbst heraus, während Integration eher
fragil erscheint und größerer gesellschaftlicher Aufmerksamkeit und Sorge bedarf. Aufgrund
dieses ungleichen Verhältnisses von Differenzierung und Integration schwingt bei letzterer
immer auch ein politisch instrumentalisierbares Szenario des Scheiterns von Gesellschaft mit.
Da sich soziologisch betrachtet alle Personen gleichermaßen in die Gesellschaft integrieren
müssen, stellen Migrantinnen erst einmal keinen integrationspolitischen Sonderfall dar. Die
exponierte Stellung von Migranten innerhalb des Integrationsdiskurses hängt vor allem damit
zusammen, dass sie aus der imaginierten Einheit von Staat, Gesellschaft, Territorium und
Kultur herausfallen. Aufgrund ihrer „unverzeihlichen Sünde des späten Eintritts“14 bleiben sie
bezogen auf nationale Zugehörigkeitssemantiken bis zu einem bestimmten Grade ein
Fremdkörper. Weil Migrantinnen dieser Zuschreibungslogik folgend vermeintlich oder auch
14 Bauman, Zygmunt. 1991. Moderne und Ambivalenz. In Das Eigene und das Fremde. Neuer Rassismus in der alten Welt?, edited by U. Bielefeld. Hamburg: Junius Verlag.
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real andere Werte verinnerlicht haben, als die Mitglieder der Mehrheit, gelten sie als
potentielle Bedrohung für die fragil vorgestellte Sozialintegration der nationalen Gesellschaft.
Verfolgt man die gesellschaftspolitischen Debatten in Europa über Parallelgesellschaften,
Bildungsmisserfolge und die vermeintlich fremden Werte insbesondere muslimischer
Migrantinnen und deren Nachkommen veranschaulicht dies, wie der öffentliche
Integrationsdiskurs im Wechselspiel von Nichtzugehörigkeitsunterstellungen und
Anomiebefürchtungen selbstreferentiell seine zyklische Bahnen öffentlicher Empörung zieht.
Vor dem Hintergrund einer prekär gedachten Einheit der Gesellschaft können Migranten
immer dann, wenn sie von den Standards der Mehrheitsgesellschaften und ihren statistischen
Normalverteilungen abweichen, als integrationspolitischer Problemfall dargestellt werden, der
die Gesellschaft instabiler werden lässt.
3. Jenseits des Nationalstaatsparadigmas von Gesellschaft
Im soziologischen Denken über Gesellschaft hat sich allerdings in den letzten Jahrzehnten ein
Umdenken ereignet. In diesem Rahmen stellte sich insbesondere die Frage, inwiefern es im
Hinblick auf Globalisierungsprozesse noch adäquat ist, Gesellschaft selbstverständlich mit
dem Nationalstaat gleichzusetzen. Während in der soziologischen Gesellschaftstheorie sich
die Bewegung vom Nationalstaatsparadigma hin zu abstrakteren und umfassenderen
Gesellschaftsmodellen bereits seit den 1970er Jahren beobachten lässt24, waren es in der
Migrationsforschung insbesondere die Vertreterinnen des Transnationalismusansatzes25, die
seit den 1990er Jahren herausstellten, dass, obwohl wichtige Aspekte der Lebenswelten und
Institutionen von Migranten – wie soziale Beziehungen, Geld, Waren, Mobilitätsmuster,
Kommunikation und Organisationstrukturen – massenhaft nationale Grenzen überschreiten,
diese von der klassischen Migrationsforschung, die sich auf Phänomene innerhalb von
Nationalstaaten konzentrierte, nicht wahrgenommen wurde.
In diesem Kontext wurde die Kritik des methodologischen Nationalismus von Andreas
Wimmer und Nina Glick Schiller formuliert. Für sie basiert der methodologische
Nationalismus auf der sozial und politisch wirkungsmächtigen Annahme, dass das Konstrukt
„Nation/Staat/Gesellschaft (..) die natürliche und politische Form der modernen Welt
[Übersetzung B.N.]“ ist.26 In einer Welt aber, die über Kommunikationsmedien und
Transportmöglichkeiten engmaschig vernetzt ist, erscheint es immer problematischer,
insbesondere in Migrationskontexten, anzunehmen, dass Gesellschaft nichts Weiteres ist als
ein Nationalstaat.
10
Die Verschiebung vom Nationalstaat als Einheit, bezogen auf die die Relevanz von
Migrationsprozessen beurteilt wird, zu einer Perspektive, die darauf abzielt, die
sozialräumliche und sozialen Zusammenhänge zu erfassen, an denen Migrantinnen faktisch
teilhaben, stellt einen Paradigmenwechsel in der Migrationsforschung dar.27 Es pluralisieren
sich auf diese Weise die möglichen sozialen Referenzeinheiten und Gegenstände der
Migrationsforschung. Dabei ändert sich auch das, was unter Integration von Migrantinnen
verstanden wird. Nimmt man an, dass „Gesellschaft“ letztlich eine sozialtheoretische
Abstraktion ist, welche „die Gesamtheit der sozialen Beziehungen, Prozesse, Handlungen
oder Kommunikationen bezeichnet [Hervorhebung B.N.]“28, und keine real-existierende
organische Ganzheit, können sich Migrantinnen (genauso wie alle anderen) gar nicht in sie
integrieren oder – was auf das Gleiche hinausläuft – können immer schon als integriert gelten.
4. Inklusion und incorporation
Diesem Paradigmenwechsel folgend wurden begriffliche Alternativen zum
Integrationskonzept entwickelt. Diese zielen vor allem darauf ab, auf Distanz zu dem
normativen Überbau des Integrationsbegriff mit den dazugehörigen Anomiebefürchtungen zu
gehen. Auf zwei begriffliche Vorschläge, das systemtheoretische Inklusionskonzept und das
stärker handlungs- und netzwerktheoretische Konzept der incorporation möchte ich im
Folgenden eingehen.
Inklusion ist für den Systemtheoretiker Rudolph Stichweh jede „Form der Berücksichtigung
von Personen in Sozialsystemen“29 – unabhängig davon, wie vorübergehend sie ist und als
wie vorteilhaft bzw. nachteilig sie sich für die jeweiligen Personen oder die Gesellschaft
herausstellt. Inklusion ist kein dauerhafter und ganzheitlicher Zustand, wie die Teile-Ganzes-
Beziehung der Integrationstheorie, sondern sie wird prozessual und fragmentarisch
verstanden.30 Dies bedeutet, dass sie (1) immer wieder von Neuem hergestellt werden muss
(oder unterbleibt), dass sie (2) sich nur auf jene Systeme bezieht, an die sie sich
kommunikativ richtet, und dass (3) nicht ganze Personen erfasst, sondern nur jene
Teilaspekte, die für die jeweiligen Systeme relevant sind. Andere Teilaspekte können
gleichzeitig oder zu einem anderen Zeitpunkt von anderen Systemen berücksichtigt werden.31
Obwohl Inklusionen sich jeweils an einzelne Systeme richten, sieht die Systemtheorie vor,
dass sogenannte strukturelle Kopplungen – zum Beispiel zwischen dem Erfolg im
Schulsystem und der Inklusion in den Arbeitsmarkt – von verschiedenen
Inklusionsbeziehungen und Systemen existieren;. Dabei bleibt aber zu berücksichtigen, dass
Schulen nach anderen Systemlogiken funktionieren als Unternehmen und dass daher auch
11
Inklusionen nach anderen Kriterien hergestellt werden. Da nicht ganze Personen, sondern nur
Aspekte von Personen in die Gesellschaft eingeschlossen werden, sind Inklusionen und
Exklusionen relational zu einander zu verstehen. Dadurch dass bestimmte Aspekte einer
Person inkludiert werden, werden anderen gleichzeitig exkludiert. Da auf diese Weise die
Teilhabe von Individuen an Gesellschaft nicht ganzheitlich und einheitlich gedacht wird und
deswegen auch nicht in einem physikalischen oder geografischen Sinne begrenzt ist,
vervielfältigen mit wachsender gesellschaftlicher Komplexität die Inklusions- und
Exklusionsmöglichkeiten.
Der analytische Mehrwert des Inklusionskonzepts ist, dass er differenziertere und
zielgenauere Beschreibungsformen der Beziehung zwischen Individuen,
Kommunikationsformen und Systemen erlaubt. Wenn es zum Beispiel um die Frage nach
Zugängen zum politischen System, Arbeitsmärkten, dem Sportsystem, Religion oder
wohlfahrtstaatlichen Institutionen geht, kann dies jeweils als Teilbeziehung in den Blick
genommen werden, ohne dabei die verkomplizierende Frage, wie Alles mit Allem
zusammenhängt, mitthematisieren zu müssen. Dieses größere Maß an analytischer Freiheit
wird auch dadurch erreicht, dass die Einheit der Gesellschaft für die Systemtheorie völlig
unproblematisch erscheint. Sie emergiert von selbst aus den Interdependenzen der
differenzierten Systeme und muss nicht, wie im klassischen Strukturfunktionalismus,
nachträglich durch internalisierte Werte und Normen der Gesellschaftsmitglieder hergestellt
werden.32 Wenn Integration aber nicht prekär ist, entfallen auch die Befürchtungen, dass
Migrantinnen den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden.
In der englischsprachigen Migrationsforschung wird weniger von Inklusion als von
incorporation33, embeddedness34 oder engagement35 gesprochen, um das Verhältnis von
Migrantinnen zu sozialen Kontexten und Institutionen zu beschreiben. Exemplarisch soll auf
den Begriff der incorporation eingegangen werden, den Glick Schiller, Caglar und
Guldbrandsen auf folgende Weise definieren:
Incorporation can be defined as the processes of building or maintaining networks of social
relations through which an individual or an organized group of individuals becomes linked to an
institution recognized by one or more nation-states.36
Im Gegensatz zu der kommunikationstheoretisch fundierten Systemtheorie stellen die
Autorinnen den Begriff des Netzwerks ins Zentrum. Wie die Forschungen über „soziales
12
Kapital“15, aber auch über transnationale Beziehungen gezeigt haben, sind Netzwerke in der
Migrationsforschung wichtig, um sowohl Migrationswege als auch Ressourcen- und
Kommunikationsflüsse zwischen Migrantinnen und deren sozialen Bezugspersonen zu
verstehen. Netzwerke können darüber hinaus, bis zu einem bestimmten Grad, strukturelle
Marginalisierungen und Exklusionen aus formalisierten Bereichen des Zuwanderungslandes
kompensieren (z.B. Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt, Gesundheitsversorgung). Dies wird
strukturell umso wichtiger, desto weniger Personen, in die formellen Strukturen und Systeme
des Zuwanderungslandes legal inkludiert sind.37 Auch spielen Netzwerke eine wichtige Rolle
für die soziale Sicherung von Familienangehörigen von jenen Migrantinnen aus dem globalen
Süden, die in Ländern leben, in denen wohlfahrtsstaatliche Institutionen nicht oder nur
rudimentär entwickelt sind. In diesen Kontexten spielen Verwandtschaftsbeziehungen
vielfach eine entscheidende Rolle für die Realisierung von Bildungsaspirationen sowie die
Absicherung im Alter und im Krankheitsfall. Deshalb stehen Migranten unter einem hohen
moralischen Druck, ihren sozialen Verpflichtungen nachzukommen.16
Incorporation kommt dabei im Gegensatz zum klassischen Integrationsbegriff ohne einen
starken Gesellschaftsbegriff aus. Sie erschließt analytisch die eher kleinteiligen Verbindungen
zwischen Personen, Netzwerken und Institutionen, die alltäglich zu beobachten sind, ohne
notwendig ein dauerhaftes Teilwerden an einer Gesellschaft im Blick zu haben. Der
Integration in die Gesellschaft stehen dann multiple Pfade der incorporation in
unterschiedliche institutionelle Kontext und Netzwerke mit unterschiedlicher geographischer
Zielrichtung, zeitlicher Dauer und sozialräumlicher Ausdehnung gegenüber.38 Im Verhältnis
zum systemtheoretischen Inklusionsbegriff ist incorporation nicht Teil einer umfassen Sozial-
und Gesellschaftstheorie, sondern ist eher ein theoretisch multivalenter Begriff mittlerer
Reichweite mit vor allem praxis- und netzwerktheoretischer Konnotationen.
Im Folgenden Fallbeispiel werde ich den Inklusionsbegriff benutzen. Dabei entferne ich mich
allerdings von dem systemtheoretischen Theorieumfeld und nähere mich dem weniger
voraussetzungsvollen Konzept der incorporation an. Inklusion in dem hier verwendeten Sinn
bezeichnet die direkte oder auch vermittelte Beziehung zwischen Personen und Aspekten von
Personen einerseits und Netzwerken, Organisationen und sozialen Kontexten andererseits.
15 Vgl. Espinosa, Kristin, and Douglas Massey. "Undocumented migration and the quantity and quality of social capital", Soziale Welt. Sonderband, 12(1997):S. 141-162. , Portes, Alejandro. "Social capital: Its origins and applications in modern sociology", LESSER, Eric L. Knowledge and Social Capital. Boston: Butterworth-Heinemann(2000):S. 43-67. 16 Z.B: Nieswand, Boris. 2011. Theorising transnational migration. The status paradox of migration. New York: Routledge.
13
Diese Beziehungen können formalisiert und verrechtlicht, als auch informell und alltäglich
sein. Je nach gewähltem Zeitrahmen kann Inklusion sowohl einen mittel- und langfristigen
Zugehörigkeitsstatus bezeichnen, als auch kurzfristige und abgeschlossene ggf. sich
wiederholende Beziehungsakte bezeichnen. Hervorzuheben ist aber, dass Inklusion nicht auf
einen imaginierten ganzheitlichen Zustand bezeichnen soll, sondern sich notwendig auf
beobachtbare soziale Beziehungsakte und Kommunikationen bezieht. Inklusion verweist auf
demnach in erster Linie auf Praktiken und nicht auf Identitäten.
5. Pfade der Inklusion westafrikanischer Gemeinden in Berlin
Die praktischen Unterschiede, die die Verschiebung vom Integrationskonzept zum
Inklusionsbegriff für die Beschreibung von migrationsbezogenen Phänomene implizieren,
sollen anhand eines Beispiels aus meiner ethnografischen Forschungen über von Ghanaern in
Berlin initiierte christliche Gemeinden in Berlin veranschaulicht werden.17
Insgesamt erwiesen sich Kirchengemeinden im Kontext meiner Forschung über ghanaische
Migranten in Berlin als die bedeutendsten Migrantenorganisationen für diese Gruppe. Zum
Beginn meiner Forschung im Jahr 2002 konnte ich in zwölf christliche Gemeinden
identifizieren, deren Mitglieder sich hauptsächlich oder in einem signifikanten Maße aus
ghanaischen Migranten rekrutierten. Insgesamt besuchten im Sommer 2002 zwischen 430 und
530 der offiziell 1750 Ghanaer über fünfzehn Jahren18 einen der zwölf Sonntagsgottesdienste
dieser Gemeinden.19 Da die Gemeinden eine Vielzahl von Aktivitäten anbieten, wie
Gebetstreffen, Bibelunterricht oder Chorproben, besuchten viele Gemeindemitglieder
mehrfach in der Woche die Kirche. Kein anderer Organisationtypus mobilisiert regelmäßig so
viele Ghanaer in Berlin und nimmt so viel Zeit ihrer Mitglieder in Anspruch.
Folgt man dem klassischen Integrations- und Assimilationsparadigma werden religiöse und
ethnische Migrantenorganisationen oft als defensive ethnische Rückzugsräume von
marginalisierten Migranten beschrieben.20 Je nach Position innerhalb des
Integrationsparadigmas wird eher angenommen, dass entweder Migrantinnen sich dort von
der Mehrheit bzw. auf der Suche nach sozialem und psychologischem Schutz vor den
17 Das empirische Material stammt aus einer bereits abgeschlossenen ethnografischen Forschung, die ich variierenden Intensitäten und thematischen Schwerpunkten von 2001 bis 2007 durchgeführt habe. Da es mir um die Veranschaulichung eines theoretischen Punktes geht, ist es nicht weiter von Belang, dass Daten mittlerweile nicht mehr aktuell sind. 18 Landesamt für Statistik Berlin (2004). 19 Die Zahlen beruhen meist auf mehrfachen Schätzungen bzw. Zählungen der Zahl der Anwesenden, die ich während der Sonntagsgottesdienste der einzelnen Gemeinden durchgeführt habe. 20 Glick Schiller, Nina, Ayse Caglar, and Taddeus Guldbrandsen. "Beyond the Ethnic Lens. Locality, Globality, and Born-Again Incorporation", American Ethnologist, 33, 4 (2006):S. 612-633. .
14
Ausgrenzungen und Zumutungen der Aufnahmegesellschaft in eine religiös und/oder ethnisch
integrierte Gemeinschaft flüchten.21 Für ethnische Gemeinschaftsbildung im Allgemeinen
argumentierte Georg Elwert22, dass die Binnenintegration von Migrantengruppen Katalysator
für gesellschaftliche Integration und Dialog zwischen Minderheit und Mehrheit sein kann.
Seiner Meinung nach werden innerhalb von ethnischen Netzwerken und Gruppen Ressourcen
zugänglich gemacht, zu denen die Migrantinnen in der Mainstream-Gesellschaft oft nur
schwer Zugang fänden, die aber hilfreich für deren Integration sein können (z.B.
Informationen, praktische Hilfe, moralische Solidarität). Portes und seine Kollegen stellten
heraus, dass ethnische Formen der Integration Nachkommen von Migrantinnen vor allem vor
einer Abwärtsdynamik schützen können, von der sie bedroht sind, wenn diese sich nicht – wie
im konventionellen Assimilationsmodell vorgesehen - an die Mittelschicht, sondern an die
lokale Unterschicht anpassen. Nach Portes ist es sozioökonomisch vorteilhafter, wenn sich
beispielsweise afrokaribische Haitianer, die in ihrem Herkunftsland der Mittelschicht
angehörten, sich ethnisch von ihren afroamerikanischen Nachbarn aus der Unterschicht zu
segregieren, weil ihre Nachkommen sonst in Gefahr liefen, sich bezüglich ihres
Bildungsverhaltens und ihrer sozioökonomischen Stellung an diese zu assimilieren. Im
Gegensatz zu diesen Ansätzen versteht Hartmut Esser ethnische Vergemeinschaftung vor
allem als eine soziologisch negative zu bewertende Form der Segregation.23 Er sieht darin vor
allem eine „Mobilitätsfalle“.24 Segregation mag zwar, nach Esser, zunächst einmal ein
bestimmtes Maß an Stabilität und sogar einen gewissen sozialen Aufstieg innerhalb der
ethnischen Strukturen versprechen, stößt aber schnell an ihre Grenzen, weil die in ethnischen
Milieus erworbenen Handlungsressourcen nicht genügend Anerkennung im Mainstream der
Gesellschaft genießen. Insgesamt schadet Segregation deshalb, laut Esser, mehr als sie nützt.
21 ter Haar, Gerrie. 1998. Halfway to Paradise. Cardiff: Cardiff Academic Press, Adogame, Afe. "The Quest for Space in the Global Spiritual Marketplace. African Religion in Europe", International Review of Mission, 89, 354 (2000):S. 400-409. , Gerloff, Roswith. "Religion, Culture and Resistance. The Significance of African Christian Communities in Europe", Exchange. Journal for Missiological and Ecumenical Research, 30, 3 (2001):S. 276-289. ; Munzul, Assal. 2005. A Source of Difference or a Repository of Support. Islam and the Lives of Somalis and Sudanese in Norway. In Religion in the Context of African Migration, edited by A. Adogame and C. Weißköppel. Bayreuth: Bayreuth African Studies.; Jach, Regina. 2005. Migration, Religion und Raum. Ghanaische Kirchen in Accra, Kumasi und Hamburg in Prozessen von Kontinuität und Kulturwandel. Münster: Lit Verlag.: 326-332 ; Simon, Benjamin. 2005. Preaching as a Source of Religious Identity. African Initiated Churches in the Diaspora. In Religion in the Context of African Migration, edited by A. Adogame and C. Weißköppel. Bayreuth: Eckhard Breitinger.: 286-289. 22 Elwert, Georg. "Probleme der Ausländerintegration. Gesellschaftlich Intergration durch Binnenintegration?", Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 34(1982):S. 717-731. 23 Esser, Hartmut. "Kulturelle Pluralisierung und strukturelle Assimilation. Das Problem der ethnischen Schichtung", Schweizerische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 7, 2 (2001):S. 97-109. . 24 Wiley, Norbert F. "The Ethnic Mobility Trap and Stratification Theory", Social Problems, 15, 2 (1967):S. 147-159.
15
Als Konsequenz aus dieser Debatte bleibt die Repräsentation von religiösen
Migrantenorganisationen oft ambivalent, sie changiert zwischen einem Segregations- und
Abschottungsszenario einerseits und einem über ethnische Vergemeinschaftung vermittelten
Integrationsszenario andererseits. Versucht man die Frage nach Segregation oder Integration
im Rahmen einer empirischen Untersuchung von migranten-initiierten religiösen Gemeinden
anhand des Inklusionsbegriffs nachzuzeichnen, fällt auf, dass die Frage nach Integration und
Segregation sich gar nicht ohne Weiteres durch Beobachtungen beantworten lässt. Dies liegt
vor allem daran, dass die empirischen Inklusionsmuster dieser Organisationen weitaus
komplexer und variabler sind, als die binäre Gegenüberstellung von
„Zuwanderungsgesellschaft“ und „ethnischer Gemeinschaft“, von Integration und Segregation
suggeriert.25 Auch scheint es in die Irre zu führen, Herkunftslandorientierung mit ethnischer
Segregation bzw. Vergemeinschaftung gleichzusetzen, weil es sich dabei um zwei theoretisch
voneinander unabhängige Aspekte handelt. Herkunftslandbeziehungen müssen sich
keineswegs an ethnischen Kriterien orientieren und nicht alle Formen ethnischer
Vergemeinschaftung, wie zum Beispiel die Forschung zu Diasporas gezeigt hat26, gehen mit
spezifischen Herkunftslandbeziehungen einher.
Tabelle 1: Kirchen und Gemeinden mit ghanaischen Mitgliedern in Berlin
Name Besucher Sonntags-
gottesdienst
Gründung (Berlin)
Denomination Organisationsform Nationalitäten Sprache
Christian Church Outreach Mission
(CCOM) 100-150 1994 Neo-
Pentekostal Int. Kirche, Zentrale in
Hamburg (Deutschland)
Afrikaner unterschiedlicher
Nationalität Englisch
Gospel Believers Centre 80-100 Early
1990s Neo-
Pentekostal Unabhängige Gemeinde Afrikaner und Europäer
unterschiedlicher Nationalität
Englisch/ Deutsch
Word of Faith Outreach Mission 80-100 2002 Neo-
Pentekostal Unabhängige Gemeinde Ghanaer, Kameruner, Nigerianer, Deutsche etc.
Englisch/ Deutsch
Church of Pentecost (CoP) 50-70 1995 Pentekostal Int. Kirche, Zentrale in
Hamburg (Deutschland) Ghanaer (mit wenigen
Ausnahmen) Twi/
Englisch
7th Day Adventists 50-70 1988 Adventistisch Int. Kirche mit Zentrale in Silver Spring (USA) Ghanaer Twi
Trust in Faith Ministries 40-50 99/00 Spiritual
2I Pentekostal
Unabhängige Gemeinde Ghanaer (mit wenigen Ausnahmen)
Englisch/ Twi
Ghanaian Catholic Community 40-50 2000 Katholisch Int. Kirche, Zentrale in
Rom (Vatikan) Ghanaer Englisch/ Twi
Bethel Faith 30-40 1988 Spiritual/ Pentekostal Unabhängige Gemeinde Ghanaer Twi/
Englisch
Presbyterian Church of Ghana 20-30 2001 Protestantisch Ehem. Missionskirche,
mit Zentrale in Ghana- Ghanaer Twi/ Englisch
25 Levitt, Peggy, and B. Nadya Jaworsky. "Transnational migration studies. Past developments and future trends", Annual Review of Sociology, 33(2007):S. 129-156. 26 Vgl. Cohen, Robin. 2008. Global diasporas: An introduction: Routledge.
16
Precious Blood of Jesus Ministries 20-30 1999 Spiritual/
Pentekostal Unabhängige Gemeinde Ghanaer Twi/ Englisch
Int. Revival Church 15-25 Späte 1980er
Neo-Pentekostal
Int. Kirche, Zentrale in Berlin
Deutsche, Nigerianer, Ghanaer, Osteuropäer
Deutsch/ Englisch
Deeper Life Ministries 10 - Neo-
Pentekostal Int. Kirche, Zentrale in
Nigeria Nigerianer, Ghanaer Englisch
Wie sich Tabelle 1 entnehmen lässt, sind sowohl die sozialräumlichen Inklusionsmuster als
auch die ethnisch-nationale Zusammensetzung der untersuchten Gemeinden heterogen. Dabei
zeigen sich allerdings einige Muster. So zum Beispiel sind 9 von 12 Gemeinden dem
pentekostalen und neo-pentekostalen Segment zuzuordnen. Das globale Wachstum
pentekostaler und neo-pentekostaler Formen des Christentums27 schlug sich in den letzten
Jahrzehnten, wie dieses Resultat zeigt, auch in vielen migranten-initiierten Gründungen von
Kirchen und Gemeinden in Deutschland nieder. Diese wurden oft von Personen initiiert, die
in ihren Herkunftsländern mit diesen Formen Christentums in Berührung gekommen waren.
Die Gemeinden fügen sich aber in lokale Kontexte ein und entfalteten dort sehr
unterschiedliche Dynamiken. So unterscheiden sie sich signifikant bezüglich ihrer
Organisationsstrukturen, ihrer Größe, der im Gottesdienst verwendeten Sprachen und ihrer
ethnischen Zusammensetzung von einander.
Fünf dieser Gemeinden sind unabhängig und existieren nur in Berlin. Dies könnte, wenn man
dies als Abschottung gegenüber dem Zuwanderungsland oder auch dem Herkunftsland
interpretiert, ein Hinweis auf einen Rückzug „aus der Gesellschaft“ sein. Diese Einschätzung
verändert sich aber bei näherer Betrachtung dieser Gemeinden. Insbesondere die neo-
pentekostalen Kirchen – Gospel Believers Centre und Word of Faith Outreach Mission –
erwiesen sich als sehr gut und in viele Richtungen vernetzt. Die beiden leitenden Pastoren
haben ein berufsbegleitendes Theologiestudium beim Bundesverband deutscher
Pfingstkirchen, der größten Dachorganisation von pentekostalen Kirchen und Gemeinen in
Deutschland, der auch diese migranten-initiierten Gemeinden angehören, absolviert. Darüber
hinaus gehörten sie einem Netzwerk von teils eher „deutschen“28 teils migranten-initiierten
Gemeinden an, die sich im Rahmen eines etablierten neo-pentekostalen religiösen Zentrums
in Berlin entwickelt haben, mit dem sie auch weiterhin in Kontakt standen. Sie waren
27 Anderson, Allan H. 2004. An Introduction to Pentecostalism. Global Charismatic Christianity. Cambridge: Cambridge University Press. 28 In den beschriebenen Fällen sind ethnisch konnotierte Unterscheidungen, wie „deutsch“ und „migrantisch“ von unterschiedlicher Bedeutung für die Selbstorganisation. Mir geht im Folgenden nicht darum, wie zutreffend oder wie konstruiert diese Klassifikationen sind, sondern um die Außenwahrnehmung der Gemeinden, an denen sich diese Zuschreibungen orientieren. Um den Zuschreibungscharakter deutlich zu machen, setze ich die ethnisierenden Adjektive in Anführungsstriche.
17
Mitglieder mehrerer lokaler Vernetzungsgruppen in Berlin, die teils multiethnisch, eher
integrationspolitisch orientiert und ökumenisch motiviert waren, teils afrikabezogen, religiös
motiviert und pentekostal waren. Gleichzeitig verfügten wichtige Gemeindemitglieder,
insbesondere die Pastoren, über transnationale Netzwerke zu anderen Predigern und Pastoren
innerhalb Deutschlands, aber auch in Westeuropa, den USA und Westafrika. Einige dieser
befreundeten Pastoren waren afrikanischer Herkunft, andere nicht. Diese Netzwerkstrukturen,
die gleichzeitig lokal, national und transnational sowie ethnisch, interethnisch und
transethnisch waren, widerlegen den ersten Eindruck von ethnisch segregierten Gemeinden
genauso wie die multiethnische Zusammensetzung der Mitglieder und die bilingualen
Gottesdienste in Englisch. Es handelt sich eher um eine kosmopolitische Form des Neo-
Pentekostalismus als um eine ethnische Form der Segregation.29
Am anderen Ende des „Vernetzungskontinuums“ fanden sich unabhängige Gemeinden –
insbesondere die Precious Blood of Jesus“ Gemeinde – die relativ wenig in soziale Netzwerke
eingebunden waren. In dieser Gemeinde wurde vorwiegend Twi, eine vor allem im Süden
Ghanas verbreitete Sprache, gesprochen und sie entsprach eher dem Bild einer ethnisch
segregierten Gemeinde. Der Pastor hatte keine formelle Ausbildung und die Gemeinde war
nicht Teil eines ökumenischen Organisationszusammenhangs oder eines nationalen
Dachverbandes. Dies heißt zwar nicht, dass es sich bei dieser Gemeinde um einen völlig
abgeschotteten Mikrokosmos handelte, zumal sie ja auch nur einen Aspekt des Lebens der
Gemeindemitglieder ausmachte, allerdings zeichnete sich ihr Pfad der Inklusion eher durch
eine geringe Einbindung in über die Gemeinde hinaus reichende Kontexte aus.
Neben diesen unabhängigen Gemeinden existieren zwei Gemeinen, die Katholiken und die
Adventisten, die institutionell Teil weitverzweigter globaler Kirchen sind. Während die
unabhängigen Gemeinden ihre Mitglieder neu rekrutieren mussten, handelte es sich bei den
Mitgliedern dieser beiden Kirchen sowie der Gemeinde der Presbyterian Church of Ghana,
der Church of Pentecost und der Deeper Life Church überwiegend um Personen, die bereits in
ihren Herkunftsländern diesen Kirchen angehörten. Trotz ihrer Einbindung in vergleichbare
Organisationsstrukturen folgten die Gemeindegründungen unterschiedlichen Pfaden. Bei den
Katholiken und den Presbyterianern war die Gemeindegründung reaktiv. Einige untereinander
bekannte Personen, die in Ghana Mitglieder dieser Kirchen gewesen waren, fühlten sich von
29 Vgl. Nieswand, Boris. 2008. Wege aus dem Dilemma zwischen Transnationalismus- und Integrationsansatz. Simultane Inklusion von migranten-initiierten charismatischen Gemeinden in Berlin. In Migration und religiöse Dynamik. Ethnologische Religionsforschung im transnationalen Kontext, edited by A. Lauser and C. Weißköppel. Bielefeld: Transcript.
18
der Dominanz der (neo-)pentekostalen Kirchen im öffentlichen Raum der Westafrikanerinnen
in Berlin marginalisiert und strebten deshalb die Gründung einer eigenen, aus ihrer Sicht,
weniger radikalen Gemeinden an. Die Katholiken konsultierten dazu einen „deutschen“
Ordensbruder, der mehrere Jahrzehnte in Ghana als Missionar tätig war. Nachdem dieser sich
trotz anfänglichen Zögerns überreden ließ, wurde eine rein ghanaische katholische Gemeinde
gegründet. Über den deutschen Priester, der Mitglied eines global tätigen Missionarsordens
war, und durch Gemeindemitglieder, die vorher teilweise katholische „Mainstream-
Gemeinden“ in Berlin besuchten, war die Gemeinde sowohl lokal als auch transnational
vernetzt. Darüber hinaus nahm der Priester als Vertreter einer „ghanaischen“ Gemeinde an
überkonfessionellen Treffen afrikanischer Pastoren in Berlin teil.30
Während der katholische Priester aus integrationspolitischen Erwägungen zunächst zögerlich
war, eine „ethnische Gemeinde“, die parallel zu den katholischen „Mainstream-Gemeinden“
existierte, zu gründen, verfolgen die Adventisten in Berlin31 eine multikulturalistische
Akkomodationsstrategie und ermutigten die Bildung von Migrationsgemeinden in Berlin. So
gibt es neben der ghanaischen noch eine ganz Reihe anderer Migrationsgemeinden, wie z.B.
eine englische, spanische, portugiesische, russische, koreanische und eine polnische
Gemeinde. Diese bleiben allerdings in die Strukturen der Adventistischen Kirche in
Deutschland eingebunden, erhalten aber innerhalb dieses Rahmens Freiheiten,
Gemeindeaktivitäten nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. So wurde zum Beispiel eigens
ein adventistischer Pastor aus Ghana für diese Betreuung der ghanaischen Gemeinde nach
Berlin entsandt, der von der deutschen Seite bezahlt wurde. In Berlin treten die ghanaischen
Adventisten unter anderem als ein multikulturelles Element innerhalb der adventistischen
Kirche auf, das deren globalen Charakter veranschaulichen soll. Auf der Seite der
ghanaischen Öffentlichkeit in Berlin sind die Adventisten Teil eines bei festlichen Anlässen
zur Schau gestellten religiösen Pluralismus. In der Außenwirkung kommt dem Gemeindechor
eine besondere Bedeutung zu. Durch diese Strukturen entsteht wiederum eine
Mehrfachinklusion, die sowohl Institutionen und Kontexte in Berlin, Deutschland als auch in
Ghana umfasst. Bemerkenswert ist, dass diese Inklusionsstrategie zwar innerhalb einer
deutschen „Mainstream-Organisation“ geschieht und von dieser unterstützt wird, aber zu einer
national homogenen Gruppe geführt hat. Die Einbettung in die „deutschen“ Kirchstrukturen
30Dies war zum Beispiel der Fall bei der Vorbereitung eines ökumenischen Gottesdienstes im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit in Berlin. Vgl. ———. "Banal diasporic nationalism. Ghana@50 in Berlin ", Ethnic and Racial Studies, 35, 11 (2012):S. 1874-1892. 31 Die Siebten-Tags-Adventisten sind eine Kirche, die sowohl in Ghana als auch in Deutschland seit dem späten 19 Jahrhundert existiert. In Ghana hat sie aber etwas zehnmal so viele Mitglieder wie in Deutschland.
19
verringert im Vergleich zu den neo-pentekostalen Gemeinden die Flexibilität und Valenz,
eigenständige Beziehungen aufbauen zu können, eröffnet aber auf der Gegenseite Zugang zu
Netzwerken innerhalb der Kirche und gewährleistet, etwa durch die Bereitstellung eines
Pastors aus Ghana, stabile Strukturen.
Zwei weitere bemerkenswerte Fälle sind die Gemeinden der Church of Pentecost (CoP) und
der Deeper Life Ministries.32 Bei ihnen handelt es sich nicht, wie im Fall der Adventisten oder
der Presbyterianer, um Kirchen die durch Missionsaktivitäten europäischer bzw.
nordamerikanischer Missionare nach Ghana gekommen sind, sondern um Kirchen, die in die
entgegengesetzte Richtung, also von Afrika nach Europa, migriert sind. Die CoP ist eine der
größten Kirchen in Ghana, die seit den 1960er Jahren auch über die Ländergrenzen hinaus
expandiert ist. Seit den 1980er Jahren breitete sie sich aufgrund von Migration von
Mitgliedern auch nach Europa aus, wo sie mittlerweile europaweite Organisationsstrukturen
aufgebaut hat. Die bereits in den 1980er Jahren gegründete Zentrale der CoP in Deutschland
befindet sich in Hamburg. Darüber hinaus hat die CoP mehreren deutschen Großstädten (z.B.
Hamburg, Nürnberg, München, Stuttgart, Frankfurt, Duisburg, Berlin) Gemeinden und gehört
zu den am weitesten verbreitetsten Kirchen mit westafrikanischem Hintergrund in
Deutschland. In Berlin gründete sich die Gemeinde mit einer deutlichen zeitlichen
Verzögerung zu Hamburg. Dies wurde aktiv durch die Zentrale in Hamburg unterstützt. Die
Berliner Gemeinde befand sich allerdings zum Zeitpunkt der Forschung im Schatten der
Hamburger Zentrale und konzentrierte sich vornehmlich darauf, das wöchentliche
Gemeindegeschehen mit den fast ausschließlich aus Ghana stammenden
Gemeindemitgliedern zu organisieren. Die COP in Hamburg ist weitaus besser vernetzt. Sie
ist Mitglied des Bundesverbandes deutscher Pfingstkirchen und beteiligte sich an
Kooperationsprojekten mit der evangelischen Landeskirche in Hamburg. Gleichzeitig ist die
CoP-Zentrale ein transnationaler Knotenpunkt und eine Anlaufstelle für Kirchenfunktionäre
und Mitglieder aus Afrika und anderen europäischen Ländern. So kommen zum Beispiel
Gastprediger aus anderen CoP-Gemeinden nach Hamburg, Pastoren werden innerhalb der
Kirche über Ländergrenzen hinweg versetzt und es finden regelmäßige religiöse und
administrative Treffen von Mitgliedern und Funktionären aus ganz Europa statt. Zwar
existiert in Hamburg auch eine frankophone Gemeinde der CoP, allerdings sind die Mehrheit
der Mitglieder Ghanaer und die transnationale Organisationstruktur der Kirche ist ghanaisch
konnotiert.
32 Die Deeper Life Ministries wurde in Nigeria in den 1970er Jahren gegründet und hat eine vergleichbare Geschichte wie die COP, auf die ich in diesem Kontext aus Platzgründen aber nicht weiter eingehen werde.
20
Ein letzter Fall, den ich in diesem Rahmen vorstellen möchte, ist die Christian Church
Outreach Mission (CCOM). Die CCOM wurdew, wurde wie die CoM, ebenfalls in den
1980er Jahren in Hamburg, der Stadt in Deiutschland, in der die meisten Afrikaner leben,
gegründet. Während einer der Gründer der CoP-Gemeinde, wie bereits erwähnt, die
Anbindung und Anerkennung seiner Studentengemeinde von der in Ghana etablierten
Mutterkirche suchte, schlug der Gründer der COOM einem anderen Weg ein und gründete
aus einer Studentengemeinde heraus zunächst eine unabhängige neo-pentekostale Gemeinde,
die sich stärker an Migrantinnen aus ganz Afrika richtete, und später eine Kirche mit
Gemeinden in mehreren deutschen Städten sowie in Ghana, Großbritannien, den
Niederlanden und den USA. In Ghana wurden mehrere Gemeinden von einem abgeschobenen
Asylbewerber, der in Hamburg Mitglied der CCOM-Gemeinde war, eröffnet.33 Eine der
Personen, die den Expansionsprozess der CCOM maßgeblich begleitet hat, war ein
Betriebswirt, der, damals noch als Student, in den 1980er Jahren zur CCOM stieß, und der
sich im Hinblick auf seine Aufgabe in der Kirche in seinem Studium auf
Organisationsentwicklung spezialisierte. Aufgrund von Spannungen zwischen ihm und dem
selbsternannten Bischof der Kirche, ging er zunächst in den frühen 2000er Jahren nach Berlin,
wo er zum Wachstum der dortigen Gemeinde und zur Vernetzung im lokalen Kontext in
Berlin beigetragen hat. Wie die anderen größeren neo-pentekostalen Gemeinen ist die CCOM
auch sowohl durch ihre Zentrale in Hamburg als auch durch die Gemeinde in Berlin in lokale
und nationale Dachverbänden und Vernetzungsgruppen von sowohl deutschen wie auch
afrikanischen pentekostalen Gruppen eingebunden und steht im Austausch mit Gemeinden im
Ausland und internationalen Gastpredigern, die zu besonderen Anlässen in die jeweiligen
Gemeinden kommen.
6. Religiöse Gemeinden zwischen Integration und Inklusion
Mit diesen kurzen und unvollständigen Darstellungen wollte ich vor allem zeigen, dass bei
näherer Betrachtung von religiösen Migrantenorganisationen in einer kosmopolitischen Stadt
wie Berlin, in der viele Netzwerke und Inklusionspfade zusammenlaufen, die
holzschnittartigen Unterscheidungen des Integrations- und Assimilationsdiskurs an ihre
Grenzen stoßen. Basierend auf einer vergleichbaren Ausgangssituation – der Gründung von
religiösen Gemeinden durch ghanaische Migrantinnen – entwickelt sich eine hohe Varianz
33 Vgl. Jach, Regina. 2005. Migration, Religion und Raum. Ghanaische Kirchen in Accra, Kumasi und Hamburg in Prozessen von Kontinuität und Kulturwandel. Münster: Lit Verlag.; Krause, K. "Cosmopolitan charismatics? Transnational ways of belonging and cosmopolitan moments in the religious practice of New Mission Churches", Ethnic and Racial Studies, 34, 3 (2011):S. 419-435.
21
von Inklusionsmustern. Dies wiederum lässt sich theoretisch dadurch erklären, dass „die
Gesellschaft“ in der die Gemeinden ihre Inklusionsmuster entwickeln eben nicht binär
strukturiert ist – wie die Gegenüberstellung von Integration und Segregation nahelegt34 –
sondern aufgrund ihrer komplexen Verflechtungen einen breiten Möglichkeitsraum eröffnet,
innerhalb dessen Migranten und ihre Organisationen eine Geschichte entwickeln können.
Dadurch ergeben sich Varianzen entlang multipler teilweise unabhängiger teilweise
überlappender Faktoren, wie der Organisationsstruktur, der Einbettung in lokale, nationale
und transnationale Netzwerke, die nationale und ethnische Zusammensetzung der Gemeinden
und die Sprachen, die im Gottesdienst verwendet werden. Selbst wenn man sich auf die
Reduktion der empirisch beobachteten Komplexität unter integrationstheoretischen
Vorzeichen einlässt, erscheint es in den skizzierten Fällen oft unentscheidbar, inwiefern die
verschiedenen Gemeinden der Integration der Migrantinnen in die Gesellschaft förderlich
oder hinderlich sind. Dies liegt vor allem daran, dass sich in den gleichzeitig komplex
verbundenen und fragmentierten sozialen Verflechtungszusammenhängen gar nicht ohne
weiteres mehr eine Gesellschaft abzeichnet, in die man sich dann integrieren könnte.
Wie ich in den Fallbeschreibungen gezeigt habe, sind religiöse Organisationen multivalent.
Das heißt, ihre Organisationform und die Netzwerke ihrer Mitglieder ermöglicht es
multireferentielle Inklusionsmuster bezogen auf unterschiedliche sozialräumliche und
organisatorische Einheiten ausbilden. Die Strukturen können in diesem Zusammenhang eher
formell verfasst sein, wie bei den Katholiken und den Adventisten, oder eher informell und
netzwerkartig sein, wie bei den neo-pentekostalen unabhängigen Gemeinden. Dabei sind
Inklusionspfade nicht mit ethnischen oder nationalen Vergemeinschaftungsformen
gleichzusetzen. Inklusionsformen von Migrationsgemeinden können zum Beispiel national,
ethnisch, kosmopolitisch oder panafrikanisch konnotiert sein, sie können sich aber auch an
Denominationsgrenzen oder an ökumenischen Zielen orientieren. Darüber hinaus sind
Inklusionsmuster der untersuchten Gemeinden pfadabhängig. Je nachdem welcher Einstieg
gewählt wurde, konnten sich unterschiedliche Geschichten entwickeln. So war es zum
Beispiel zentral, ob Kontakt zu einer Mutterkirche in Ghana gesucht wurde, ob versucht
wurde, Kirchenstrukturen über die Gemeinde hinaus aufzubauen oder der Pfad einer
unabhängigen Gemeinde eingeschlagen wurde.
34 Vgl. Esser, Hartmut. "Kulturelle Pluralisierung und strukturelle Assimilation. Das Problem der ethnischen Schichtung", Schweizerische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 7, 2 (2001):S. 97-109. , 99.
22
Auf einer theoretischen Ebene sollten die Fallstudien die Perspektivenverschiebung vom
nationalen Integrationsparadigma zu einem globalisierungstheoretischen Inklusionsparadigma
für die Analyse von migrationsbezogenen Phänomenen illustrieren. In diesem Zusammenhang
habe ich argumentiert, dass die starken gesellschaftheoretischen Annahmen des
Integrationsparadigmas, das die imaginierte Einheit der nationalen Einwanderungsgesellschaft
zum Maßstab der Beobachtung macht, dazu führen, dass Aspekte aus dem Blick geraten, die
maßgebliche Unterschiede zwischen migrationsbezogenen Phänomenen konstituieren. Der
Inklusionsbegriff schafft Beobachtungsmöglichkeiten, die besser an die komplexen
Referenzenstrukturen, in deren Rahmen Migrantinnen und deren Organisationen agieren,
angepasst sind.
Das metatheoretische Ziel dieses Aufsatzes war zu zeigen, dass die selbstverständlichen
Vorstellungen von dem, was eine gesellschaftliche Ganzheit ist und wie diese erzeugt wird,
wesentlich zum Verständnis von Migration beitragen. Ändern sich die sozialtheoretischen
Grundannahmen, wandelt sich auch das Verständnis der Beziehungen von Migrantinnen zur
„Gesellschaft“. Das Inklusionskonzept entlastet die Migrationsforschung von der Frage nach
der Herstellung des gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalts. Jenseits von
Desintegrationsbefürchtungen wird es auf veränderte Weise möglich, sich mit den komplexen
empirischen Wechselwirkungen von Migration, sozialer Teilhabe, institutionellen Kontexten
und Netzwerken zu beschäftigen. Die Vorstellung von Integration als einem umfassenden und
linearen Prozess, der das Verhältnis des Individuums zu der der Gesellschaft hinreichend
beschreibt, wird hinfällig. Stattdessen erscheint Inklusion als ein prozessualer und
fragmentierter Prozess, der unterschiedliche Teilkontexte oder Subsysteme mit variierender
sozial-räumlicher Ausdehnung umfassen kann. Löst man sich von dem territorialisierten
Nationalstaat als quasi-natürliche Einheit der Analyse, geraten alternative oft kleinteiligere
Untersuchungseinheiten, wie Städte, Regionen oder transnationale Felder, stärker in den
Blick.39 Dabei ist der Inklusionsbegriff kein Allheilmittel, um alle Probleme der
Migrationsforschung zu lösen. Fragen der Identität, der generationsübergreifenden
Reproduktion von sozialer Ungleichheit und multikulturelle Fragen nach einer Politik der
Anerkennung kultureller Differenz lassen sich nicht ohne Weiteres mit dem Inklusionsbegriff
beschreiben. Was der Inklusionsbegriff allerdings leistet ist, dass er auf präzisiere
Beschreibungsformen der Beziehung von Personen, Netzwerken, sozial-räumlichen
Kontexten und Institutionen erlaubt. In diesem Zusammenhang schafft er neue Perspektiven
auf scheinbar vertraute Phänomene und ermöglicht alternative Beschreibungsformen.
23
1 Robert Ezra Park, „Assimilation, social“, in E. R. A. Seligman und A. Johnson (Hrsg.), Encyclopaedia of the social sciences (New York: Macmillan, 1930), S. 281-283; „Our racial frontier on the Pacific“, in Robert Ezra Park (Hrsg.), Race and culture (Glencoe (Ill.): Free Press, 1950 [1926]), S. 138-151); „The race relations cycle in Hawaii“, in Robert Ezra Park (Hrsg.), Race and culture. Essays in the sociology of contemporary man (Glencoe (Ill.): Free Press, 1950 [1937]), S. 189-195; Robert Ezra Park und Ernest Watson Burgess, „Chapter IX. Assimilation“, in Robert Ezra Park und Ernest Watson Burgess (Hrsg.), Introduction to the science of sociology (Chicago: University of Chicago Press, 1970 [1921]), S. 359-365. 2 Ebd. 3 Wenn Personen unterschiedlichen Geschlechts gemeint sind, werden abwechselnd feminine und maskuline Substantivformen verwendet. 4 Vgl. Ruby Jo Reeves Kennedy, „Single or triple melting pot? Intermarriage trends in New Haven, 1870-1940“, in American Journal of Sociology, 49 (1944), S. 331-339; Ruby Jo Reeves Kennedy, „Single or triple melting pot? Intermarriage trends in New Haven, 1870-1915“, in American Journal of Sociology, 58, 1 (1952), S. 56-59; Will Herberg, Protestant, Catholic, Jew. An essay in American religious sociology (New York: Anchor Books, 1956). 5 Milton Gordon, Assimilation in American life. The role of race, religion and national origin (New York: Oxford University Press, 1964). 6 Kennedy, „Single or triple melting pot? Intermarriage trends in New Haven, 1870-1940“; Kennedy, „Single or triple melting pot? Intermarriage trends in New Haven, 1870-1915“. 7 Vgl. Gordon, Assimilation in American life. The role of race, religion and national origin, S.72. 8 Nathan Glazer und Daniel Patrick Moynihan, Beyond the melting pot (Cambridge (Mass.): MIT Press, 1963), hier S. xcvii. 9 Glazer und Moynihan, Beyond the melting pot, hier S. 16. 10 Will Kymlicka, „The rise and fall of multiculturalism? New debates on inclusion and accommodation in diverse societies“, in International Social Science Journal, 61, 199 (2010), S. 97-112. 11 Seit den1990er Jahren kam es zu einer Wiederbelebung des Assimilationsansatzes unter anderen Vorzeichen (vgl. Alejandro Portes und Min Zhou, „The new second generation. Segmented assimilation and its variants among post-1965 immigrant youth“, in Annals of the American Academy of Political and Social Science, 530, (1993), S. 74-96; Rogers Brubaker, „The return of assimilation“, in Ethnic and Racial Studies, 24, 4 (2001), S. 531-548; Richard Alba und Victor Nee, Remaking the American mainstream. Assimilation and contemporary immigration, (Cambridge (Mass.): Harvard University Press, 2003); Alejandro Portes, Patricia Fernandez-Kelly und William Haller, „Segmented assimilation on the ground. The new second generation in early adulthood“, in Ethnic and Racial Studies, 28, 6 (2005), S. 1000-1040). Diese Ansätze, auf die ich in diesem Rahmen nicht weiter eingehen werde, versuchen den Schwierigkeiten des Assimilationsansatzes dadurch zu umgehen, dass sie empirischere und weniger gesellschaftstheoretisch voraussetzungsvolle Zugänge entwickeln. 12 Etienne Balibar, „Rassismus und Nationalismus“, in Etienne Balibar und Immanuel Wallerstein (Hrsg.), Rasse, Klasse, Nation. Ambivalente Identitäten (Hamburg: Argument, 1990), S. 49-84; Zygmunt Bauman, „Moderne und Ambivalenz“, in Uli Bielefeld (Hrsg.), Das Eigene und das Fremde. Neuer Rassismus in der alten Welt? (Hamburg: Junius Verlag, 1991), S. 23 - 49; Wolf-Dietrich Bukow, „Ethnisierung und nationale Identität“, in Institut für Migrations- und Rassismusforschung (Hrsg.), Rassismus und Migration in Europa (Hamburg: Argument, 1992), S. 133–146; Robert Miles, „The articulation of racism and nationalism. Reflections on European history“, in John Wrench und John Solomos (Hrsg.), Racism and migration in Western Europe (Oxford: Berg, 1993), S. 35-52. 13 Im Kontext dieses Aufsatzes soll, die im angelsächsischen Sprachraum gebräuchliche Kategorie der race als Variante von Ethnizität verstanden werden (vgl. Andreas Wimmer, „The making and unmaking of ethnic boundaries: A multilevel process theory“, in American Journal of Sociology, 113, 4 (2008), S. 970-1022, hier S. 973-974). 14 Oliver C. Cox, „Race and caste. A distinction“, in American Journal of Sociology, 50, 5 (1945), S. 360-368, hier S. 360. 15 Milton Gordon, „Toward a general theory of racial and ethnic group relations“, in Nathan Glazer und Daniel Patrick Moynihan (Hrsg.), Ethnicity. Theory and Experience (Cambridge (Mass.): Harvard University Press, 1975), S. 84-110. 16 Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny, Soziologie des Fremdarbeiterproblems. Eine theoretische und empirische Analyse am Beispiel der Schweiz (Stuttgart: Enke, 1973). 17 Bukow, „Ethnisierung und nationale Identität“, in Institut für Migrations- und Rassismusforschung (Hrsg.), Rassismus und Migration in Europa. 18 Isabell Diehm und Frank-Olaf Radtke, Erziehung und Migration (Stuttgart: Kohlhammer, 1999); Mechthild Gomolla und Frank-Olaf Radtke, Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule (Wiesbaden: VS Verlag, 2009).
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19 Charles Taylor, „Die Politik der Anerkennung“, in Charles Taylor (Hrsg.), Multikulturalismus und die Politik der Anerkennung (Frankfurt/Main: Fischer, 1993), S. 13-77, hier S. 13-14. 20 Burkart Holzner, „The concept 'integration' in sociological theory“, in The Sociological Quarterly, 8, 1 (1967), S. 51-62, hier S. 51. 21 Nathan Glazer, „The integration of American immigrants“, in Law and Contemporary Problems, 21, 2, (1956), S. 256-269, hier S. 256. 22 Emile Durkheim, Über soziale Arbeitsteilung (Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1977 [1893]); Emile Durkheim, Der Selbstmord (Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1985 [1897]). 23 Z.B. Parsons, The social system, hier S. 24-26. 24 Z.B. Niklas Luhmann, „Die Weltgesellschaft“, in Niklas Luhmann (Hrsg.), Soziologische Aufklärung. Aufsätze zur Theorie der Gesellschaft. Bd.2 (Opladen: Westdeutscher Verlag, 2005 [1971]), S. 63-88; Immanuel Wallerstein, The Modern World System (New York: Academic Press, 1974). 25 Z.B. Linda Basch, Nina Glick Schiller und Christina Szanton Blanc, Nations unbound. Transnational Projects, postcolonial predicaments and deterritorialized nation-states (London: Gordon and Breach, 1994); Nina Glick Schiller, „Transnationality“, in David Nugent und Joan Vincent (Hrsg.), A companion to the anthropology of politics (Malden (MA.): Blackwell, 2004), S. 448-467; Nina Glick Schiller, „Transnationale Migration in globaler und historischer Perspektive“, in Boris Nieswand und Heike Drotbohm (Hrsg.), Migration, Kultur, Gesellschaft. Die reflexive Wende der Migrationsforschung (Wiesbaden: VS Springer, im Erscheinen); Ludger Pries, Die Transnationalisierung der sozialen Welt. Sozialräume jenseits von Nationalgesellschaften. (Frankfurt/Main: Suhrkamp, 2007); Ludger Pries, Transnationalisierung. Theorie und Empirie grenzüberschreitender Vergesellschaftung (Wiesbaden: VS Verlag, 2010); Steven Vertovec, Transnationalism (London: Routledge, 2009). 26 Andreas Wimmer und Nina Glick Schiller, „Methodological nationalism and beyond. Nation-state building, migration and the social sciences“, in Global Networks, 2, 4 (2002), S. 301-334, hier 302. 27 Boris Nieswand, Theorising transnational migration. The status paradox of migration (New York: Routledge, 2011), hier S. 35-36. 28 Niklas Luhmann, Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie (Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1987 [1984]), hier S. 555. 29 Rudolf Stichweh, „Inklusion/Exklusion, funktionale Differenzierung und die Theorie der Weltgesellschaft“, in Soziale Systeme, 3, 2 (1997), S. 123-136, hier S. 123-124. 30 Stichweh, „Inklusion/Exklusion, funktionale Differenzierung und die Theorie der Weltgesellschaft“, hier S. 127-128. 31 Niklas Luhmann, „Individuum, Individualität, Individualismus“, in Niklas Luhmann (Hrsg.), Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft. Bd. 3 (Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1989), S. 149-258. 32 Nassehi, „Inklusion, Exklusion - Integration, Desintegration. Die Theorie funktionaler Differenzierung und die Desintegrationsthese“, in Heitmeyer und Anhut (Hrsg.), Integration-Desintegration. Ein Reader zur Ordnungsproblematik moderner Gesellschaften, hier S. 173-174. 33 Peggy Levitt und Nina Glick Schiller, „Conceptualizing simultaneity. A transnational social field perspective on society“, in International Migration Review, 38, 3 (2004), S. 1002-1039. 34 Peggy Levitt und B. Nadya Jaworsky, „Transnational migration studies. Past developments and future trends“, in Annual Review of Sociology, 33, (2007), S. 129-156. 35 Ralph Grillo und Valentina Mazzucato, „Africa <> Europe. A double engagement“, in Journal of Ethnic and Racial Studies, 34, 2 (2008), S. 175-198. 36 Nina Glick Schiller, Ayse Caglar und Taddeus Guldbrandsen, „Beyond the Ethnic Lense. Locality, Globality, and Born-Again Incorporation", in American Ethnologist, 33, 4 (2006), S. 612-633, hier S. 613. 37 Georg Elwert, „Unternehmerische Illegale. Ziele und Organisationen eines unterschätzten Typs illegaler Einwanderung“, in IMIS-Beiträge, 18 (2002), S. 7-20. 38 Nina Glick Schiller, Boris Nieswand, Günther Schlee, Tsypylma Darieva, Lale Yalçin-Heckmann und László Fosztó, „Pathways of migrant incorporation in Germany“, in Transit, 1, 1 (2004), http://repositories.cdlib.org/ucbgerman/transit/vol1/iss1/art50911/ [17.18.2013]; Levitt und Glick Schiller, „Conceptualizing simultaneity. A transnational social field perspective on society“. 39 Z.B. Gerd Baumann, Contesting culture. Discourses of identity in multi-ethnic London (Cambridge: Cambridge University Press, 1996); Steven Vertovec, „Super-diversity and its implications“, in Ethnic and Racial Studies, 30, 6 (2007), S. 1024-1054; Nina Glick Schiller und Ayse Caglar, „Locality and globality. Building a comparative framework in migration and urban studies“, in Nina Glick Schiller und Ayse Caglar (Hrsg.), Locating Migration. Rescaling Cities and Migrants (Ithaca: Cornell Univeristy Press, 2011), S. 60-85.
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