Gestaltung an vorderster Front – ein Nebenschauplatz der Kunstgeschichte. Eine Analyse visuelle...

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Abb. 1: Frontseite der Zeitschrift »Das Werk«, Jg. 18, Januar 1931, 21 ×29,7 cm (DIN A4-Format).

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Abb. 1: Frontseite der Zeitschrift »Das Werk«, Jg. 18, Januar 1931, 21 ×29,7 cm (DIN A4-Format).

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Nach dem ersten Weltkrieg verzeichnete die Zeit-schriftenbranche in vielen teilen europas einen re-gelrechten boom. Nebst den Illustrierten, die auf ein Massenpublikum ausgerichtet waren, bildeten sich zahlreiche auflagenschwächere illustrierte Journale, die meist kurzlebig und thematisch ausgerichtet wa-ren sowie eine kleine leserschaft bedienten. beiden Konzeptionen war jedoch gemein, dass sie im Gegen-satz zu früheren zumeist bilderlosen blättern ihre inhaltlichen haltungen und politischen positionen mithilfe einer »visuellen strategie« [1] verbreiteten. Die Zeitschriften stützten sich auf eine einprägsame Gestaltung der Frontseite sowie auf spezifisch aus-gewählte bilder, um den lesenden ihre botschaft zu vermitteln. Auch in der schweiz entstanden in der Zwischenkriegszeit zahlreiche bebilderte Journale [2], so auch die hier untersuchten drei kurzlebigen Kunst- und Kulturzeitschriften »Fontana Martina« (1931–1932), »Das Flugblatt« (1932–1933) und »informa-tion« (1932–1934). sie standen im internationalen Kontext der deutschen und russischen Kunstavant-garden der 1920er-Jahre. Die blätter erschienen zu ei-nem Zeitpunkt, als die totalitären systeme die neuen techniken der Massenbeeinflussung übernahmen, doch »mit veränderten botschaften: propaganda statt Aufklärung. radio, bildillustrierte, Film und die An-fänge des Fernsehens gerieten überall zualler erst un-ter die Kontrolle des staates (auch in der schweiz).« [3] Für die jungen schweizer Künstlerinnen und Künstler wurde es immer schwieriger, sich Gehör zu verschaf-fen. [4] bereits Anfang der 1930er-Jahre – also noch vor der offiziellen politischen Konsolidierung für den

burgfrieden zwischen linken parteien und dem bür-gerblock, die heute als »Geistige landesverteidi-gung« [5] bekannt ist – wurde eine protektionistische, propagandistische schweizer Kunst- und Kulturför-derung unter der parole des »nationalen Kunstwol-lens« [6] betrieben. unter diesem politischen einfluss, aber auch durch viele äussere ereignisse bestimmt, waren die in den 1920er-Jahren aufgebauten Kon-takte von Kunstschaffenden aus der schweiz zum »staatlichen bauhaus« in Dessau, zur Gruppe »Ab-straction-création« in paris und zu internationalen Künstlern wie el lissitzky, Marcel breuer oder Max ernst wieder abgebrochen. [7]

»Fontana Martina« (tessin, oktober 1931), »Das Flugblatt« (bern, April 1932) und »information« (Zü-rich, Juni 1932) wurden kurz nacheinander gegründet und verfolgten alle dasselbe Ziel: sich den faschisti-schen tendenzen des »Frontenfrühlings« [8] der pro-faschistischen, nationalkonservativen Gruppierun-gen und parteien in der schweiz zu widersetzen. Aus kleinen, teils avantgardistischen Gruppierungen ent-standen, bedienten sich die Zeitschriften jedoch nicht des Konzepts der beiden führenden und institutio-nell verankerten blätter »Das Werk« und »schwei-zer Kunst« [9], deren Frontseiten lediglich über eine typografische Gestaltung verfügten (Abb. 1) und dabei oft schlicht als Werbe- oder Informationsfläche dien-ten (Abb. 2, 3). Im Gegensatz dazu wussten sie um die Macht der »schlagbilder« [10] und setzten visuelle ele-mente gezielt ein, um ihre politischen und kulturel-len Meinungen zu verbreiten. hervorragend eignete sich diesbezüglich die als eigene Werkkategorie zu

Gestaltung an vorderster Front – ein Nebenschauplatz der Kunstgeschichteeine Analyse visueller strategien in der Frontseitengestaltung dreier politischer Kunst- und Kulturzeitschriften in der schweiz zu beginn der 1930er-Jahre

Joachim sieber

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verstehende titelseite, fungiert sie doch als präg-nantes Aushängeschild einer Zeitschrift: »[es] liegt ein schwerpunkt auf den umschlägen der Zeitschrif-ten, denn in der covergestaltung konzentriert sich der gestalterische wie inhaltliche Fokus des Medi-ums – es ist das Aushängeschild des produkts, sein schaufenster, die komprimierte vorschau auf das, was den leser erwartet, und das erste, was dieser an der publikation wahrnimmt.« [11]

Im sinne einer kunsthistorischen Grundlagenfor-schung werden im Folgenden die unterschiedlichen visuellen strategien in der Frontseitengestaltung von »Fontana Martina«, »Das Flugblatt« und »information« vergleichend dargestellt. Des Weiteren liegt der Fo-kus auf der erläuterung der neu entwickelten wissen-schaftlichen Methodik, auf der die vorgenommene Analyse der Zeitschriftenfrontseite beruht.

Die Wende zum Bild

Die Frontseite einer Zeitschrift stellt eine eigene Werkkategorie dar. Durch das Aufweisen spezifischer eigenschaften des künstlerischen Ausdrucks – einer eigenen visuellen sprache, die auf der Kombination von bild und text beruht – ist sie als ein eigenstän-diges künstlerisches Werk zu verstehen. Im Gegen-satz zum Gesamtheft ist die titelseite nicht nur als ein »träger künstlerischer Information« aufzufassen, wie dies Annemarie bucher in ihrem postulat, Zeit-schriften als Werkkategorie zu betrachten, themati-siert. [12] vielmehr wird der reine Informationscharak-ter durch die künstlerische Gestaltung aufgehoben

und überhöht. Die poststrukturalistische theorie William J. t. Mitchells unterstützt diese position, in-dem er in bezug auf das in der Kunstwissenschaft grundlegende problem der Interdependenz zwischen text und bild betont, dass »selbst etwas so prosa-isches und vertrautes wie das proportionale verhält-nis von bild und text auf der titelseite einer tageszei-tung ein direkter Indikator der sozialen Klasse ihrer leserschaft ist«. [13] Die auf erwin panofskys Ikono-logie [14] aufbauende theorie hinterfragt die verwen-dung von bildern in der Alltagskultur. Dabei nimmt er stellung für eine erweiterte, kontextualisierte, nicht rein objektbezogene Kunstgeschichtsschreibung und unterstützt die egalisierung des bildhaften und des illustrierenden bildes. Insofern vermeidet er im Gegensatz zu Gottfried boehm [15], der von starken, bildhaften, als Kunstwerke zu verstehenden bildern und schwachen, allein illustrativen bildern spricht, eine hierarchisierende unterscheidung.

Aufbauend auf Mitchells methodologischem Fun-dament dienten aus Mangel an einer etablierten kunst-historischen Methode zur formalen Analyse von Front-seiten hier einerseits sozialgeschichtliche Ansätze [16], die anhand politischer und sozialer vorbedingungen aufzeigen, welche Formen von publikationen in den historischen Gegebenheiten und strukturen möglich waren, als Anhaltspunkt. Andererseits wurde Martin Warnkes Ansatz der politischen Ikonographie [17] her-angezogen, in der Absicht, die bildaussagen auf den Frontseiten der politischen und antifaschistischen Zeit schriften unter einem historisch-kritischen blick-winkel aufzuarbeiten. Ausgehend davon wurde ein

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Abb. 2: Frontseite der Zeitschrift »schweizer Kunst«, Nr. 4, september 1929, 16,2 ×23,3 cm. Die freie Fläche der offiziellen Zeitschrift der GsMbA wurde nebst textlichen Mitteilungen auch für Werbung genutzt.

Abb. 3: Frontseite der Zeitschrift »schweizer Kunst«, Nr. 9, April 1933, 16,2 ×23,3 cm. Anstelle eines bildes wird noch 1933 die freie Fläche auf der Frontseite für eine »Wichtige Mitteilung« verwendet.

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schema erarbeitet, das die Quellen- oder Werkkate-gorie »Zeit schriftenfrontseite« in einem interdiszi-plinären rahmen erschliesst (vgl. schema  1). Das schema orientiert sich an einem Modell [18] von patrick rössler, das zur Analyse von Zeitschriften im Allge-meinen vier untersuchungsdimensionen (gestalteri-sches Konzept, inhaltliches Konzept, sozialer Kontext und vermarktungskonzept) vorschlägt. Da der zent-rale Fokus der vorliegenden untersuchung auf dem Gestaltungs konzept liegt, wurde diese Dimension durch weitere methodische Überlegungen beson-ders zur layout- und plakatforschung ergänzt. [19]

Die Zeitschriften »Fontana Martina«, »Das Flugblatt« und »information«

Die halbmonatlich erschienene Zeitschrift »Fontana Martina« (1931–1932, Abb.  4–8) wurde oberhalb des lago Maggiore in der gleichnamigen sozialistischen landwirtschaftskommune und späteren Künstler-siedlung gegründet. sie lässt sich als »kulturrevolu-tionäre Zeitschrift« [20] bestimmen, in der die erneue-rung der Kunst in direktem Zusammenhang mit einer radikalen politischen umwälzung gesehen wird und deren Mitarbeiter in parteien und Komitees politisch aktiv waren. »Fontana Martina« stand ein für eine sozialistische Gesellschaft, die als teil einer politi-schen Gegenkultur zu zeitgenössischen, bürgerli-chen Gesellschaftsformen in einem neuen lebens-modell durch selbstversorgung und geistige Arbeit in der Kommune getestet und durch die Zeitschrift verbreitet wurde. Dabei wurden auch künstlerische,

kunsthandwerkliche sowie allgemein politische Fra-gen erörtert. [21] Die siedlungstheoretischen texte Fritz Jordis (1885–1938), gelernter Drucker, Anarchist und herausgeber, sowie die einflussreichen politischen linolschnitte des Gebrauchsgrafikers und Künstlers carl Meffert (1903–1988, pseudonym: clément Mo-reau) prägten das blatt und machten es zu einer anti-faschistischen Kulturzeitschrift.

Mit der Wochenzeitschrift »Das Flugblatt« (1932–1933, Abb. 9–16) wagte der schriftsteller, Journalist und spätere Nationalrat Felix Moeschlin (1882–1969) den versuch, eine überparteiliche, nicht ideologi-sche Zeitschrift herauszugeben. Die oppositionelle Kunstzeitschrift sollte den etablierten und jungen Künstlern, der literaturszene um den schweizer schriftstellerverein und liberalen und linken Autoren als plattform dienen [22] sowie den »muffigen« [23] ver-hältnissen der berner Kulturszene der 1930er-Jahre mit neuem schwung begegnen. »Das Flugblatt«, wie nach ihr »Zeitglocke« und »Die Zeit«, spielte in der Krisenzeit nach dem Zusammenbruch der Weltwirt-schaft für die schweizerischen (holzschnitt-)Künstler sowohl als publikationsorgan wie auch als Netzwerk eine tragende rolle. [24] Die Zeitschrift war aufgrund ihres heterogenen Konzepts, das eine vielfalt von po-sitionen umfasste, nicht dezidiert antifaschistisch, doch liessen sich bei näherer betrachtung zahlreiche elemente finden, die in wirtschaftlicher, (kriegs-)po-litischer und patriotischer hinsicht darauf verwei sen. Martin lindners Kategorisierung zufolge ist »Das Flugblatt« eine »schön-geistige Kulturzeitschrift«, da sie eine eher konventionell aufgemachte, »gemässigt

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Abb. 4: Frontseite der Zeitschrift »Fontana Martina«, Nr. 1, 1931, linolschnitt (mit einem selbstbildnis)von clément Moreau sowie einem Doppelporträt von Fritz Jordi, 18,7 × 15,2 cm, 1931.

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Abb. 5: Frontseite der Zeitschrift »Fontana Martina«, Nr. 2, 1931, linolschnitt von helen ernst.

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Abb. 6: Frontseite der Zeitschrift »Fontana Martina«, Nr. 6, 1932, linolschnitt »locarno« von clément Moreau, 19,1 × 14,5 cm, 1932.

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Abb. 7: Frontseite der Zeitschrift »Fontana Martina«, Nr. 8, 1932, linolschnitt von heinz lohmar.

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Abb. 8: Frontseite der Zeitschrift »Fontana Martina«, Nr. 10, 1932, linolschnitt »hitler, der seifenbläser« von clément Moreau, 1932, 18,3 × 14,7 cm, 1931.

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progressive Zeitschrift« darstellt. [25] Mithilfe traditi-oneller akademischer und expressionistischer Kunst unterstützte sie eine ideologische pluralität und he-terogene politische positionen.

Die kleine, linksintellektuelle Zürcher Monats-schrift »information« (1932–1934, Abb. 17–23) mit an-fänglich breiter themenauslegung, die auf der Front-seite permanent mit der begriffsreihe »Wirtschaft, Wissenschaft, erziehung, technik, Kunst« benannt wurde, richtete den zentralen Fokus bald auf städ-tebauliche, kunst- und kulturkritische Artikel wie auch auf weltpolitische tagesthemen. Für die Ge-staltung zeichnete der 1927 bis 1928 am bauhaus in Dessau eingeschriebene junge schweizer Grafiker Max bill (1908–1994) verantwortlich. »Fontana Mar-tina« begriff »information« als schweizer pendant zur deutschen antimilitaristischen Zeitschrift »Die Weltbühne«. [26] Ihre breite gesellschaftliche und kul-turpolitische Ausrichtung und die Zielsetzung, eine plattform für die demokratische linke zu werden, unterstützen den vergleich. Die visuelle Gestaltung von »information« bediente sich dagegen einer an-deren – vom bauhaus beeinflussten – bildsprache. lindners Kategorisierung zufolge kann sie als »kul-turrevolutionäre Zeitschrift« eingeordnet werden, die jedoch Kunst als Zweck und nicht als Mittel der politischen veränderung wahrnimmt. Dies im sinne der Zeitschriften in Deutschland vor dem ersten Weltkrieg, deren Ziel es war, durch die revolution die erneuerung der Kunst zu erreichen. Für eine ein-ordnung nach lindner als »unmittelbar politische Zeitschrift«, wofür die verwendung von mehrheitlich

polemischen Karikaturen und appellativen bildern als direkte, politische positionen spricht, liegt der Fokus zu sehr auf themen der Kulturpolitik und kann ihre Ausrichtung auf ein intellektuelles publikum nicht im sinne einer massenwirksamen Agitations-kunst beschrieben werden.

Frontseitenanalyse – eine interdisziplinäre Methodengenese

Wie bereits oben erwähnt, umfasst das Analyse-modell für Zeitschriftenfrontseiten vier Dimensio-nen – gestalterisches Konzept, inhaltliches Konzept, sozialer Kontext und vermarktungskonzept –, die hier in ihrer unterschiedlich starken Gewichtung er-läutert werden (vgl. schema 1).

Das gestalterische Konzept umfasst das layout, dem die Zeitschrift ihr typisches erscheinungs-bild verdankt. hierbei sind folgende Komponenten massgeblich: die typografie, das Format, die Kom-position, das logo des titels und der einsatz von Farbe. Die gewählte schrift, die auf ihre zeitgenös-sische bedeutung hin untersucht wird, stellt eine grundlegende positionierung der Zeitschrift dar. [27] Die meisten Zeitschriften verfügten in der Zwischen-kriegszeit noch nicht über ein standardisiertes For-mat, gleichwohl war die Formatwahl abhängig von ideellen, technischen und finanziellen Überlegun-gen. [28] Der rein formale Aufbau der Frontseite – die Komposition – kann aufgrund ihrer Gliederung, des einsatzes von linien und Flächen sowie der symme-trie Anhaltspunkte zum Konzept geben. Der titel/das

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Gestalterisches KonzeptLayout:typografieFormatKomposition/strukturlogo Farbe

Drucktechnik

Verwendung von Bildern:Werkgattung repertoiresymbole/Attributevorbilder/Anlehnungen

Inhaltliches Konzeptpolitische liniethemenwahlAutorenjournalistische textformentitel

Lindners Kategorien: [34]

»kulturrevolutionäre Zeitschriften«»schön-geistige Kulturzeitschriften«»unmittelbar politische Zeitschriften«

Sozialer Kontextpolitische verhältnissepublizistisches umfeldkünstlerisches umfeldöffentliche resonanzgesellschaftliche tabus

VermarktungskonzeptIntention des verlegersZielgruppenorientierungvermarktung/Werbungleserbindung

Schema 1: Analysemodell für Zeitschriftenfrontseiten

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logo charakterisiert in inhaltlicher wie auch forma-ler hinsicht die Zeitschrift und verleiht ihr ein visu-ell schnell erfassbares und textuell einprägsames erkennungsmerkmal. Der einsatz von Farben dient aus werbestrategischer sicht als Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der leserschaft zu gewinnen, aller-dings sind Farben stets auch politisch konnotiert. [29]

Die Drucktechnik verbindet die zwei Kategorien layout und verwendung von bildern, da sie für beide eine grundlegende rolle spielt. unterteilt wird sie primär in hoch-, tief- und Flachdruck, wobei jede Drucktechnik unterschiedliche vor- und Nachteile bietet und somit jeweils gewissen visuellen strate-gien mehr oder weniger dienlich ist.

Das gestalterische Konzept umfasst schliesslich die verwendung von bildern. untersucht wurde, zu welcher Werkgattung die bilder gehören (Illustration, Zeichnung, Grafik, Fotografie oder Fotomontage) und welche text-bild-relation innerhalb der Front-seite vorliegt. Die bilder wurden hier zudem anhand der politischen Ikonographie von Martin Warnke auf ihre politische bildsprache hin analysiert. Die auf den Ansätzen von erwin panofsky und Aby Warburg aufbauende historisch-kritische Analyse untersucht in den bildern anhand von symbolen, Motiven und handlungen deren zeitgeschichtliche wie auch über-zeitliche Aussage und ermöglicht so, die politische Aussage der bilder zu erschliessen. Der Ansatz geht davon aus, dass sich Menschen sinnlich vor Augen geführter Argumentation gegenüber zugänglicher zeigen als rational ausgeklügelten sätzen, [30] was besagt, dass die Macht der bilder für ein publikum

eingängiger ist als die rede und deren diskursive Argumentation. es überrascht nicht, dass gerade während der 1920er- und 1930er-Jahre die politische Ikonographie avant la lettre als Forschungsgebiet in der kulturwissenschaftlichen bibliothek Warburg, heute als Warburg Institute in london bekannt, ver-mehrt betrieben wurde. [31] Die neuen visuellen Mas-senmedien übernahmen in dieser Zeit die Aufgaben der handwerklichen bildproduktion in den moder-nen Demokratien und arbeiteten gleichzeitig in iko-nographischer hinsicht mit ähnlichen Methoden, mit denen schon in früheren Zeiten die Künste erfolg-reich gewesen waren. [32] Anhand der verwendeten bilder sollte herausgearbeitet werden, welche spe-zifisch politisch aufgeladenen Motive und symbole zur Meinungsbildung herbeigezogen wurden. Neben der Analyse des Zeichenrepertoires der bildsprache wurden mithilfe einer Klassifizierung der bildele-mente politisch konnotierte symbole und Attribute der bilder festgestellt. [33] Zudem wurde versucht, spezifische vorbilder und direkte Anlehnungen der reproduzierten bilder ausfindig zu machen, um ihre politische bedeutung verorten zu können.

Das inhaltliche Konzept wurde anhand der poli-tischen linie der Zeitschrift, der themenwahl sowie der federführenden Autoren grundlegend analysiert. Der Zeitschriftentitel wurde zudem nebst seiner for-malen Gestaltung auf seine inhaltliche bedeutung hin begutachtet, und es wurde eine einteilung in lind-ners kunsthistorische Kategorien [34] revolutionärer Kunst- und Kulturzeitschriften vorgenommen. sie bie-ten eine Möglichkeit, die Zeitschriften voneinander

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abzugrenzen und die inhaltliche Dimension dem ge-stalterischen Konzept gegenüberzustellen.

Der soziale Kontext lässt sich einerseits anhand des engeren publizistischen und künstlerischen um-felds ergründen und andererseits mithilfe der histo-risch-politischen verhältnisse. Dabei wurden auch die künstlerischen, politischen und gesellschaftlichen po-sitionen der Künstler untersucht, die für die Zeitschrif-ten arbeiteten. hierbei interessierte, ob die Künstler zur Avantgarde oder zur offiziellen schweizer Kunst um die Gesellschaft schweizerischer Maler, bildhauer und Architekten (GsMbA) gehörten oder in welchen parteien oder anderen politischen Gruppierungen sie aktiv waren. Für den sozialen Kontext spielt des Wei-teren die öffentliche resonanz auf die Zeitschrift eine wichtige rolle. sie wurde anhand der rezeption in der zeitgenössischen Zeitungs- und Zeitschriftenpresse analysiert. eine weitere Kategorie stellen gesellschaft-liche tabus dar, die von den Zeitschriften entweder respektiert oder aber gebrochen wurden, um gegen bestehende verhältnisse anzugehen.

unter Vermarktungskonzept wurde den Fragen nachgegangen, welche Intentionen der verleger ver-folgte, welche Zielgruppen anvisiert und welche Mass-nahmen zur leserbindung getroffen wurden und wie die Zeitschrift durch Werbung oder kulturelle Anlässe vermarktet wurde.

Die hier vorgestellte, interdisziplinäre Methode, die das Konzept von rössler durch kunsthistorische Ansätze erweitert, bietet ein vielseitiges Instrument zur detaillierten untersuchung der komplexen Zusam-men hänge der Frontseitengestaltung von Zeitschriften.

sie generiert die visuellen strategien nicht nur aus den für die titelseiten verwendeten bildern, sondern umfasst unter einbeziehung der drei übrigen Ana-lysedimensionen den weitreichenden Kontext einer Frontseitengestaltung. Die mannigfaltige Quellenlage erforderte ein breites und eingehendes studium der Zeitschriften, ihrer zahlreichen heftnummern sowie der darin und auf den Frontseiten verwendeten vi-suellen elemente – hier zeigte sich die Kehrseite des (Massen-)Mediums Zeitschrift, deren detaillierte und systematische erforschung einen immensen Aufwand und eine stetige herausforderung darstellt.

Visuelle Strategien der Zeitschriften im Vergleich

bis auf ihre antifaschistische position unterscheiden sich die drei Zeitschriften »Fontana Martina«, »Das Flugblatt« und »information« stark voneinander. Dies zeigte sich besonders deutlich in der visuellen Ge-staltung; im layout, in der Drucktechnik sowie in der verwendung von Zeichnungen, Grafiken, Fotografien und Fotomontagen. Die Analyse unterteilte in die be-reiche text-bild-verhältnis, Medienwahl, Werkgattun-gen, Ikonographie der bilder, (un)bekannte Werke, bildthemen und Gegenständlichkeit.

Text-Bild-Verhältnis»information« verwendete wie »Das Flugblatt« im Gegensatz zu »Fontana Martina« eine serifenlose moderne typografie, die eng von den gestalterischen richtlinien des bauhaus und Jan tschichold, dem Wegbereiter der Neuen typografie, beeinflusst war

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Abb. 9: Frontseite der Zeitschrift »Das Flugblatt«, Nr. 1, 1932, reproduktion des holzschnitts »badende im Walde« von theo Glinz, original: 22 × 27,5 cm.

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Abb. 10: Frontseite der Zeitschrift »Das Flugblatt«, Nr. 3, 1932, reproduktion der Federzeichnung »schnaps« von otto baumberger, original: 21 × 26 cm.

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Abb. 11: Frontseite der Zeitschrift »Das Flugblatt«, Nr. 10, 1932, reproduktion des holzschnitts »bäuerin« von Willi Wenk, original: 29,5 × 40 cm.

Abb. 12: Frontseite der Zeitschrift »Das Flugblatt«, Nr. 12, 1932, reproduktion der pinselzeichnung »Menschen?« von Miriam brasdos, original: 33 × 40 cm.

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Abb. 13: Frontseite der Zeitschrift »Das Flugblatt«, Nr. 18, 1932, reproduktion der pinselzeichnung »henri barbusse« von Miriam brasdos, original: 30 × 25 cm.

Abb. 14: Frontseite der Zeitschrift »Das Flugblatt«, Nr. 19, 1932, reproduktion der radierung »Kampf« von hans Zaugg, original: 8 × 10 cm.

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Abb. 15: Frontseite der Zeitschrift »Das Flugblatt«, Nr. 34, 1932, reproduktion der radierung »revolution« (Ausschnitt) von reinhold rudolf Junghanns, original: 36 × 50 cm.

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Abb. 16: Frontseite der Zeitschrift »Das Flugblatt«, Nr. 50, 1933, reproduktion des holzschnitts »Mattino« von Aldo patocchi, original: 8 × 10 cm.

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und zu beginn der 1930er-Jahre in der schweiz Fuss fassen konnte. [35] Der Nutzen dieser visuellen Strate-gie der Neuen Typografie besteht mit einer reduzier-ten und klar normierten Frontseitengestaltung darin, dass mittels Farbe, Fotografien und Fotomontagen als auch durch die Nennung von Autoren, themen und Ar-tikeltiteln eine vielzahl von visuellen und textbasier-ten Informationen mit differenzierten hinweisen auf den Inhalt des hefts mit einer gleichwohl überschau-baren, der leeren, weissen Fläche genügend raum ge-währenden Gestaltung einhergehen können.

Im Gegensatz dazu unterliessen »Fontana Mar-tina« und »Das Flugblatt« auf den Frontseiten den textlichen verweis auf den heftinhalt. stattdessen verfolgten sie mit der visuellen Strategie für das Bild das Ziel, mithilfe blattfüllender »starker bilder«, mit sogenannten schlagbildern [36], die Aufmerksamkeit der potenziellen leserschaft zu gewinnen und eine visuelle botschaft über bestimmte Inhalte und Arti-kel zu vermitteln.

»Fontana Martina« verwendete ausschliesslich eine klassische gebrochene schriftart, die als reines Mittel zur textlichen Kommunikation dienen sollte. [37] Demgegenüber sah »Das Flugblatt« in der Kombina-tion von klassisch-akademischen bildern und mo-dernen typografischen Ansätzen in der Frontseiten-gestaltung die Möglichkeit, als hybrid ein breites publikum anzusprechen.

MedienwahlDie drei Zeitschriften weisen ein vergleichsweise kleines Format auf (vgl. Anhang). »information« ori-

entierte sich mit dem Format DIN A5 möglicherweise an der »Weltbühne« und damit einem literarischen Journal. [38] Die beiden anderen verfügten wohl aus finanziellen und technischen Gründen über ein nur gering grösseres Format. eindeutige strategien las-sen sich daraus nicht ableiten. Keines der Formate stand jedoch in Konkurrenz zu den meist grösseren Dimensionen von Illustrierten in der schweiz. sie sind deshalb unter der eigenen Zeitschriftenkategorie »il-lustriertes Journal« zu fassen.

Die Gestaltungsmöglichkeiten von »Fontana Mar-tina« waren zum einen durch die finanziellen eng-pässe, mit denen die Künstlersiedlung zu kämpfen hatte, in bezug auf die schriftsätze und die techni-schen reproduktionsmittel eingeschränkt. Die Äs-thetik, die sich aus dieser Not entfaltete, bot sich zum anderen jedoch auch als Gegenentwurf zu den etablierten Illustrierten der frühen 1930er-Jahre an. Die visuelle Strategie der Reduktion gilt sowohl für die manuell gedruckte Zeitschrift »Fontana Martina« als auch für »Das Flugblatt« mit ihrer einfachen Auf-machung im stile eines handzettels. [39] beide Zeit-schriften wurden zudem im hochdruckverfahren her-gestellt. Der manuelle und der industrielle hochdruck boten grundlegend dieselben Möglichkeiten zur reproduktion von Werkgattungen. ungal vanisierte linol- und holzschnittvorlagen jedoch – wie sie »Fontana Martina« verwendete – waren gegenüber den robusten Klischees von radierungen, Kupfer-stichen und lithografien nicht für eine Auflage von mehreren hundert exemplaren geeignet. ebendiese Klischees verwendete die mit über 2000 exemplaren

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auflagenstärkste Zeitschrift »Das Flugblatt« und ver folgte damit die visuelle Strategie für ein breites Käufersegment, denn mit Diversifizierung der Werk-gattungen – Druckgrafiken und Zeichnungen – beab-sichtigte sie, eine vielfältige kunstinteressierte Ab-nehmerschaft in der bevölkerung zu gewinnen.

Durch die Wahl des offsetdrucks entledigte sich »information« jeglicher einschränkungen durch vor-gefertigte Druckstöcke und Klischees. Dank der vi-suellen Strategie mit modernen Medien konnten die vorhandenen bilder in ihrer Grösse angepasst und je nach thema und gestalterischem Willen des Grafikers montiert werden. Dies führte zu einer in jeder heft-nummer wechselnden Gestaltung der Frontseite, wo-bei nebst den bildern manchmal auch die einzelnen layoutelemente der Frontseite verändert wurden. Da die bilder zumeist beschnitten und mehrheitlich auf der linken Weissfläche und nicht blattfüllend montiert wurden, sind sie nicht mehr als solitäre Kunstwerke zu betrachten, sondern als Illustrationen innerhalb der Werkkategorie »Zeitschriftenfrontseite«. Damit ist »in-formation« mit den vom bauhaus beeinflussten avant-gardistischen Zeitschriften der 1920er- und 1930er-Jahre – etwa der Zeitschrift des Deutschen Werkbunds »Die Form« (1925–1934, Abb. 24, 25) oder »Das neue Frankfurt« [40] (1926–1933, Abb. 26, 27) – verwandt.

Zu beginn der 1930er-Jahre waren weder die Front-seite der »schweizer Illustrierten« und der »Zürcher Illustrierten« noch die der deutschen »Arbeiter Illus-trierten Zeitung« mehrfarbig gedruckt. Die verwen-dung von zwei Druckfarben, schwarz und rot, war für die linksintellektuelle »information« ein weiteres

neuartiges Mittel – die visuelle Strategie der Farbe – zum Zweck einer einprägsamen politischen positi-onierung. Damit stand sie nicht alleine da, denn die Farbe rot ist wohl bis heute die »häufigste aller pla-katfarben«. [41] Dies ist einerseits biologisch erklär-bar: rot übt auf das Auge einen stärkeren reiz aus als blau oder Grün und ist daher für die visuelle vermitt-lung besser geeignet als andere Farben. Andererseits stellt die Farbe rot den stärksten Kon trast zum nor-malen schwarz, das in den Zeitschriften primär ver-wendung findet. [42] Zudem ist rot klar linkspolitisch konnotiert und ermöglichte somit der Zeitschrift, sich im Kontext der zumeist von Gewerkschaften ge-prägten, linksorientierten presselandschaft zu posi-tionieren. [43] Die beiden anderen Zeitschriften wur-den wohl aus technischen und finanziellen Gründen in schwarz-Weiss hergestellt.

Vom Genrebild bis zur KarikaturAnhand der unterschiedlichen Werkgattungen, die als Aufmacher die Frontseiten zierten, zeigte sich, dass sowohl porträts, Genrebilder und landschaf-ten als auch Fotografien und Grafiken mit Dokumen-tarcharakter sowie Karikaturen als Mittel zur poli-tischen Meinungsbildung herangezogen wurden. Dies geschah jedoch in den einzelnen Zeitschriften unterschiedlich oft. Dementsprechend lassen sich drei visuelle strategien benennen, die in allen drei Zeitschriften vorkommen: 1. die visuelle Strategie der Motive proletarischer Kunst, 2. die visuelle Stra-tegie des Genrebilds und 3. die visuelle Strategie des politischen Porträts. In »Fontana Martina« und

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»information« wurde zudem 4. die visuelle Strategie der Karikatur verwendet.

»Fontana Martina« verfolgte mit der visuellen Strategie der Motive proletarischer Kunst – zu verglei-chen mit dem »volksfront-stil« [44] – das Ziel der In-formation und Mobilisierung gegen den Faschismus. von 20 Frontseiten wiesen mehr als die hälfte Motive aus proletarischer Kunst auf (Abb. 8). Auch »informa-tion« setzte sie auf einigen Frontseiten explizit ein, während »Das Flugblatt« bis auf ein beispiel von ins-gesamt 52 titelseiten andere strategien anwendete.

Genrebilder fanden sich bei »Fontana Martina« und »Das Flugblatt«. Zudem lässt sich auch die Foto-grafie der Arbeiter in der ersten heftnummer von »in-formation« als Dokumentar- und Arbeiterfotografie be-zeichnen (Abb. 17). Die visuelle Strategie des Genre bilds arbeitet mit Motiven, die meist in expressionis tischem und akademischem stil ausgeführt sind und teils zur schöngeistigen erbauung, jedoch auch zur politi-schen Meinungsbildung dienen. Mit sozialkritischen wie auch heimatlich idealisierenden Darstellungen scheint das Genrebild den Zweck aller drei Zeitschrif-ten erfüllt zu haben, wobei die Wahl bei »information« und »Fontana Martina« vorwiegend auf sozialkritische Darstellungen fiel (Abb. 5, 6, 8, 17). »Das Flugblatt« verwen-dete hingegen mehrheitlich die heimatlich idealisie-rende Darstellung und sprach damit ein publikum an, das sich an den bildern erfreuen wollte (Abb. 16).

»Das Flugblatt« reproduzierte auf ihren Front-seiten vornehmlich stilisierte Frauenbildnisse, port-räts von männlichen Führungskräften – Architekten, schriftsteller und Ökonomen – oder bäuerinnen in

ihrem Milieu. Die visuelle Strategie des politischen Porträts fand hier weniger Anwendung, beispiels-weise bei den porträts von bekannten politischen persönlichkeiten, wie etwa dem kommunistischen politiker henri barbusse [45] (Abb. 13), oder bei den hei-matlichen, teils sozialkritischen Grafiken, die bäue-rinnen und bauern zeigten (Abb. 11). »Fontana Martina« nutzte das politische porträt zur künstlerischen Il-lustration der siedlungstheoretischen Überlegungen von herausgeber Fritz Jordi zur heroisierung der sozialistischen Kommune, aber auch als sozialkri-tische Darstellung der im tessin ansässigen lokalen bevölkerung (Abb. 4, 5). Auf den Frontseiten von »infor-mation« wurde zweimal ein porträt von Adolf hitler und seinen politischen Drahtziehern verwendet, in-dem es mittels Fotomontage in eine politische Aus-sage eingearbeitet wurde (Abb. 19, 22).

Die visuelle Strategie der Karikatur zeigte sich in »Fontana Martina« in einer klaren, akzentuierten und teilweise vom expressionismus abgeleiteten Formen-sprache (Abb. 6), während sie bei »information« mithilfe von Fotomontagen realisierung fand (Abb. 19, 22). »Das Flugblatt« verzichtete auf diese einprägsame Möglich-keit der politischen Ausdrucksweise. Wohl weil Felix Moeschlin eher anschauliche, »blühende« [46] Werke klassischer Kunstgattungen als dezidiert politische Karikaturen auf der titelseite duldete.

Politische IkonographieDie in bezug auf die titelbilder eingesetzte politische Ikonographie erwies sich bei den drei Zeitschriften als unterschiedlich stark ausgeprägt. »Fontana Martina«,

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Abb. 17: Frontseite der Zeitschrift »information«, Nr. 1, 1. Jg., 1932.

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Abb. 18: Frontseite der Zeitschrift »information«, Nr. 2, 1. Jg., 1932.

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Abb. 19: Frontseite der Zeitschrift »information«, Nr. 3, 1. Jg., 1932.

Abb. 20: Frontseite der Zeitschrift »information«, Nr. 4, 1. Jg., 1932, mit reproduktionen der Werke von hans Arp (»bell and Navels«, 1931, bemaltes holz, höhe 25,4 / 4,2 cm × 49,3 cm Durchmesser, inklusive holzsockel, Museum of Modern Art, New York, Kay sage tanguy Fund) und George Grosz (»Der Militärarzt Dr. bautze«, 1927, tuschepinsel, Feder und spritztechnik, 48,6 x 63 cm, Dückers M vI, 5).

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Abb. 21: Frontseite der Zeitschrift »information«, Nr. 5, 1. Jg., 1932.

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Abb. 22: Frontseite der Zeitschrift »information«, Nr. 8, 1. Jg., 1933.

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Abb. 23: Frontseite der Zeitschrift »information«, Nr. 10, 1. Jg., 1933.

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»information« wie auch teilweise »Das Flugblatt« arbeiteten mit der visuellen Strategie politischer Symbole. positiv konnotierte symbole wie die 1.-Mai-Flagge [47] (Abb. 23), die Arbeitermütze [48] im linolschnitt von heinz lohmar (Abb. 7) oder der rote Keil in der titel-gestaltung von »information«, der auf das plakat »Mit dem roten Keil schlage die Weissen« [49] des russischen Künstlers el lissitzky zurückgeht, wurden ebenso ver-wendet wie negativ konnotierte symbole, etwa die Gasmaske [50] (Abb. 18) und das hakenkreuz (Abb. 22, 23). Die bedeutung der symbole wurde sodann durch die spezifischen bildhandlungen transportiert. »Fontana Martina« und »information« verwendeten zudem die visuelle Strategie der Kontrastierung, bei der mithilfe teilweise plakativer elemente Gegensätze dargestellt wurden, um die politischen und antifaschistischen positionen der Zeitschriften zu verdeutlichen. sie um-fasste bei »Fontana Martina« primär die Gegenüber-stellung von Arm und reich respektive proletarier und staatsgewalt, bürger und polizeigewalt, proletarier und hitler (Abb. 6, 8). bei »information« resultierte sie etwa in der ironisch-kritischen Gegenüberstellung der durch Gasmaske tragende soldaten symbolisier-ten tödlichen schweizer Kriegsmaschinerie und deren Qualitätsgarantie (Abb. 18). von den 52 Frontseiten der Zeitschrift »Das Flugblatt« waren 14 als politische einzustufen. [51] sie sind dabei zumeist nur implizit politisch und gesellschaftskritisch. eine Ausnahme bildet das Werk »Menschen?« von Miriam brasdos (Abb. 12). Die reproduktion einer pinselzeichnung zeigt in Frontalansicht einen soldaten, der helm und Gas-maske trägt sowie das Gewehr im Anschlag hält. Das

Fragezeichen im titel »Menschen?« suggeriert die Zweifel am menschlichen Wesen, das zu solch »ma-schinellen« Kriegshandlungen fähig ist und hinter der Gasmaske – dem Kriegssymbol [52] – nicht mehr als Mensch wahrgenommen werden kann.

(Un)bekannte Bilder – zeitgenössische und etablierte WerkeDie stirnseiten der Zeitschriften waren oftmals mit vertrauten Motiven, symbolen und Figuren bestückt. Auch wurden hierbei bilder verwendet, die bereits einem breiten publikum bekannt waren. Finanzielle und personelle ressourcen mögen ausschlaggebend gewesen sein, ob sich ein blatt für eine Abbildung aus den eigenen reihen entschied oder ob fremde, bereits publizierte Werke beschafft und abgedruckt wurden. »Fontana Martina« verzichtete auf letztere visuelle Strategie der bekannten Bilder und benutzte indes die visuelle Strategie der zeitgenössischen Bilder, indem sie auf den Frontseiten von der gesellschaftlichen, der sozialen und politischen tagesaktualität beeinflusste Werke ihrer siedlungskünstler zur politischen Mei-nungsbildung des lesers einbrachte. »Das Flugblatt« und »information« hingegen instrumentalisierten mit der entscheidung, der leserschaft prominente titel-bilder zu präsentieren, die Werkaussage der bereits publizierten Kunstwerke, um einerseits deren histori-schen Kontext zu vergegenwärtigen und andererseits einer eigenen politischen position Nachdruck zu ver-leihen – in der Überzeugung, dass die reproduktio-nen bekannter bilder in neuem Kontext eine einpräg-samere rezeption garantieren würden. Dies lässt sich

202 JoAchIM sIeber

etwa am Werk »schnaps« von otto baumberger auf-zeigen (Abb. 10). Die Komposition der 1918 geschaffenen Federzeichnung war bereits zehn Jahre zuvor, überar-beitet und koloriert, als titelblatt der satirischen Wo-chenzeitschrift »Nebelspalter« zu sehen (vgl. Abb. 28). Damals verkörperte die serviertochter als helvetia den eidgenössischen bundesstaat. Die bildlegenden »Wer sorgen hat – hat auch likör…!« und »hurra! es gibt bundesschnaps-preisabbau! Was brauchen wir da billige Kartoffeln und brot?« [53] verbinden die Ka-rikatur mit der 1922 stark umstrittenen Debatte zur eindämmung und besteuerung des Alkoholkonsums in der schweiz. [54] bei der verwendung baumbergers Zeichnung in »Das Flugblatt« entfällt die historische Kontextualisierung durch den Wegfall der helvetia-Figur. Gleichwohl schwingt die Kritik an der sozialen lage der schweizer bevölkerung mit – die Weltwirt-schaftskrise von 1929 machte sich in der schweiz ab 1932 ernsthaft bemerkbar, und die problematik des Alkoholismus betraf vor allem die wirtschaftlich schlechter gestellten bürger.

Dieselbe strategie liegt in der Gegenüberstel-lung einer skulptur von hans Arp und einer Zeich-nung von Georg Grosz (Abb. 20) auf der titelseite von »information« vor. beide Künstler waren exponenten des Dada ismus, mit ganz unterschiedlichen Wegen jedoch. Das Werk des satirikers Grosz, im original in schwarz gearbeitet, wurde hier in rot wiedergegeben und in der unteren Mitte platziert. Damit überlagert die Grafik sowohl das titelfeld als auch die Fotografie der holzskulptur von Arp. Das porträt zeigt den Mili-tärarzt Dr. bautze, protagonist eines trickfilms, der

in der pause des antimilitärischen theaterstücks »Die Abenteuer des braven soldaten schwejk« zu sehen war. Die im Film zur ärztlichen untersuchung angetre-tenen rekruten wurden, vorgeblich oder tatsächlich krank, von Dr. bautze allesamt zu simulanten erklärt. [55] Die Zeichnung stammt aus Grosz’ bekannter, gesell-schaftskritischer Mappe »hintergrund«. Der Grafiker Max bill entkoppelte das Werk von seinem Kontext und verwendete es zur Illustration der in der heftnum-mer behandelten themen schule und erziehung – das Antlitz des Dr. bautze als Negativbeispiel von päda-gogik. hans Arps aus holz gearbeitete skulptur »bell and Navels« von 1931 thematisiert die Antagonismen von Natur und Kultur und zeigt Arps Interesse an der physis der Natur als »eine fruchtbare Alternative zum rationalismus einer verdinglichten vernunft«. [56] Die sich leicht überlappenden Werke sollten in der Gegen-überstellung auf die unterschiedlichen haltungen der Künstler verweisen. hans Arps skulptur symbolisiert den in der einsamkeit arbeitenden Künstler, wogegen Georg Grosz’ Grafik einen Künstler zeigt, der die »Al-chimistenstube« verlassen hat, mitten im heutigen le-ben steht und mit politischer Wirkung das Gesicht der herrschenden Klasse zeichnet. [57] Die Kontrastierung forderte somit die zeitgenössischen Künstler dazu auf, sich von dem l’art pour l’art – von der schöngeistigen Kunst – zu verabschieden und sich mit zweckbestimm-ter, politischer Agitation zu engagieren.

Politische BildthemenDie drei Zeitschriften setzten auf den Frontseiten bilder zu »allen Zeitthemen: Krieg, Arbeitslosigkeit

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[und] Faschismus«. [58] Mit den bildern versuchten sie die leserschaft – meist Freischaffende sowie Kunst- und Kulturinteressierte, jedoch auch Angestellte und Arbeiter – über die zeitgenössischen politischen und gesellschaftlichen probleme aufzuklären. Die bildthemen der drei Zeitschriften müssen auch in engem Zusammenhang mit der Arbeiter- und Ge-werkschaftspresse gesehen werden. In der schweiz bemühten sich besonders die Gewerkschaften im lauf der 1930er-Jahre darum, dem Arbeitervolk das verständnis für Kunst näher zu bringen. sie organi-sierten Wanderausstellungen von originalgrafik oder publizierten billig zu erwerbende sammelmappen. [59]

Die politisch konnotierten bilder auf den Zeit-schriftenfrontseiten lassen sich in die zwei bereiche Gesellschaftskritik und Gewalt- und Kriegskritik glie-dern. Während die Werke des ersten bereichs das so-ziale Milieu der bauern und Arbeiter darstellen und die soziale und wirtschaftliche lage der bevölkerung in der schweiz kritisieren, fokussieren die bilder der Gewalt- und Kriegskritik polizeigewalt gegen Demon-stranten und emigranten sowie die militärische Auf-rüstung der Grossmächte. Zur Gesellschaftskritik ge-zählt wird zudem der Aspekt, die Kultur als politisches Instrument zu verwenden – wobei entsprechende vi-sualisierungen nur auf den Frontseiten von »informa-tion« vorzufinden waren.

bei den gesellschaftskritischen Darstellungen spielten Abbildungen von Arbeitslosen, bauern und ländlichen Alltagsszenen eine wichtige rolle. »Fonta na Martina« kritisierte etwa die verhältnisse der unter-schicht im tessin, indem sie diese nicht idealisierte,

sondern ihre prekäre lage darstellte oder den aufkom-menden tourismus, unterstützt von staat und Kirche, ka rikierend als Kontrapunkt setzte (visuelle Strategie des Genrebilds, visuelle Strategie der Karikatur, Abb. 5, 6). Die an ein intellektuelles publikum gerichtete »infor-mation« präsentierte in der ersten programmatischen Nummer eine Gruppe von Arbeitslosen auf der titel-seite und illustrierte damit die parteinahme für das prekariat der Massenarbeitslosigkeit (visuelle Strate-gie des Genrebilds, Abb. 17). »Das Flugblatt« oszillierte zwischen einer kritischen Darstellung vom prekären leben der bauern und einer verklärenden Darstel-lung von heroisierenden heimatbildern (Abb. 11, 16). Die strategie von »Fontana Martina« zur sozialen Frage ist stark verbunden mit den siedlungstheoretischen Überlegungen des herausgebers Fritz Jordi. sein Dop pelporträt [60] (Abb. 4) im bildhintergrund des linol-schnitts von clément Moreau, das auf der Frontseite der ersten heftnummer abgedruckt wurde, lässt sich als visualisierte programmschrift für eine lösung der sozialen und gesellschaftlichen probleme lesen, da er selbst die Mehrheit aller siedlungstheoretischen beiträge beisteuerte (visuelle Strategie des politi-schen Porträts). Die berner und tessiner Zeitschriften unterschieden sich jeweils durch eine implizite und explizite Kritik an den sozialen verhältnissen. obwohl die »traditionellen« Künstlerinnen und Künstler in der schweiz der Zwischenkriegszeit die Welt nicht nur als verklärte Idylle darstellten, sondern durchaus ein düsteres, pessimistisches bild vermittelten, zeigte sich dies in der Zeitschrift »Das Flugblatt« nur am rande und dabei nie explizit. [61] Denn in Werken wie

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Abb. 24: Frontseite der Zeitschrift »Die Form«, heft 1, Jg. 1, 1925, 21 × 29,7 cm (DIN A4).

Abb. 25: Frontseite der Zeitschrift »Die Form«, heft 5, Jg. 5, 1930, 21 × 29,7 cm (DIN A4).

Abb. 26: Frontseiten der Zeitschrift »Das Neue Frankfurt«, heft 1, Jg. 1, 1926, 24 × 26 cm.

Abb. 27: Frontseiten der Zeitschrift »Das Neue Frankfurt«, heft 1, Jg. 2, 1928, 24 × 26 cm.

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dem porträt von barbusse oder der radierung »re-volution« (Abb. 13, 15) lässt sich die politische Absicht dahinter erst durch Kenntnisse der porträtierten, der künstlerischen umsetzung sowie der Kontextualisie-rung der Werke und ihrer urheber erkennen (Strate-gie der passiven Anklage). Dies stellte für die liberale und heterogene Zeitschrift eine Möglichkeit dar, im-plizit eine politische position durch die bilder auf den Frontseiten zu vermitteln.

»information« benutzte zudem als einzige Kunst und Kultur als politisiertes Instrument (visuelle Stra-tegie politisierter Kunst und Kultur). hierbei wurden in der Absicht einer Förderung der politischen Agitation der leserschaft künstlerische positionen einander gegenübergestellt; so etwa, wie bereits erwähnt, die Werke von Georg Grosz und hans Arp (Abb. 20). Dem-selben Muster folgend setzte ein anderes titelblatt zwei bilder aus dem Filmbereich untereinander, die zum einen einer populären produktion des damals zeitgenössischen westlichen Mainstreams und zum anderen einem politischen Aufklärungsfilm über die Arbeiterschaft in der sowjetunion entstammen, um damit dem betrachter die gegensätzlichen Ausrich-tungen der Filmindustrie vor Augen zu führen (Abb. 21). Während die Fotografie einer Arbeiterszene aus dem erzieherischen sowjetischen Film »Weg ins leben« [62] in der unteren seitenhälfte über die gesamte breite läuft und damit die vielzahl der abgebildeten Men-schen in ihrer Masse erkennbar wird, befindet sich darüber das bild der erfolgreichen sängerin und schauspielerin lilian harvey, freigestellt und links platziert. Mit visuellen Mitteln wird somit auf dem

titelblatt in einem vorgriff auf die folgenden themen der abgedruckten Artikel Kritik geübt an den populä-ren theater- und Filmproduktionen der Zeit, die auf exklusiven starkult abzielten und damit eindeutige Klassifizierungen vorantrieben, im Gegensatz zu poli -tisch motivierten projekten, die der einzelperson keine bedeutung beimassen, sondern vielmehr dem Kollek-tiv die Machtposition zuschrieben.

Die bildthemen des zweiten bereichs – Gewalt- und Kriegskritik – lassen sich weiter in drei the-men auffächern: Antifaschismus, Aufrüstungs- und Kriegskritik und Kritik an polizei- und staatsgewalt. »Fontana Martina« bediente sich dabei vor allem der visuellen Strategie der Motive proletarischer Kunst und der visuellen Strategie der Kontrastierung. sie verwendete jedoch auch die visuelle Strategie der politischen Symbole mittels der symbole der Macht und der damit verbundenen direkten Kritik an ihren Mechanismen (Abb.  7). treffend realisierte dies clé-ment Moreau in »Der seifenbläser«; während sich eine person um hilfe bittend an Adolf hitler wendet, werden ihr eine seifenblase mit eingeschriebenem hakenkreuz vorgesetzt – ein symbol für den nicht realwirtschaftlichen Aufschwung oder für die mas-senwirksame propagandamaschinerie der National-sozialisten – und zugleich hinterrücks die taschen geleert (Abb. 8). explizit antifaschistische Werke lies-sen sich auf den Frontseiten von »Das Flugblatt« nicht finden, jedoch implizit antifaschistische, pa-zifistische und politisch konnotierte Werke. Dabei bediente sich die Zeitschrift einer auf den aktuellen politischen Kontext gemünzten visuellen Strategie

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der christlichen Ikonographie, wie beispielsweise mit der heldengestalt des Drachentöters im Werk »Kampf« (Abb. 14). oder es wurde mit der visuellen Stra-tegie der passiven Anklage ein expressives porträt im Werk »revolution« (Abb. 15) reproduziert, das ohne den einbezug einer expliziten bildsprache mit symbolen und politischer Ikonographie dennoch eine pazifis-tische revolutionskritik transportierte. Gerade »Das Flugblatt« mit ihrer gestalterischen heterogenität griff also auf ein erweitertes repertoire an visuellen strategien für implizit politische bilder zurück.

Gegenständlichkeit – kunsttheoretische HaltungenAllen drei Zeitschriften ist des Weiteren gemein, dass sie bis auf ein abstraktes Werk von hans Arp und die verwendung des politisch konnotierten roten Keils in der titelgestaltung von »information« für die Frontsei-ten ausschliesslich gegenständliche bilder verwende-ten. Die Zeitschriften wollten ihre politischen Anliegen bei der leserschaft mithilfe einfach verständlicher und schnell lesbarer bilder vermitteln. Dies erforderte eine zugängliche bildsprache, was zur visuellen Strategie des Gegenständlichen führte. Gleiches beobachtete auch pierre Gaudibert in einem Artikel zur Ausstellung »realismus. Zwischen revolution und reaktion, 1919–1939«: »Die aktuellen sozialen themen auf nationaler wie internationale ebene führten zu einer rückkehr zum realen, zum Gegenstand und zu der tradition, die in den 1920er Jahren begonnen hatte.« [63]

Die kunsttheoretischen haltungen, die in die visu-ellen strategien einflossen, sind sehr unterschiedlich.

»Fontana Martina« sah Kunst als Mittel zum Zweck einer nationalen und internationalen politischen veränderung – linol- und holzschnitte als politi-sche, visuelle Waffe im Kampf für eine sozialistische Gesellschaft. Mit der verwendung von Motiven der proletarischen Kunst versuchte sie die leserschaft einerseits über die Missstände der zeitgenössischen sozialen und politischen lage in der schweiz und in europa zu informieren und durch die künstlerische Agitation andererseits zu mobilisieren. »Das Flug-blatt« positionierte sich als eine heterogene liberale bis konservative Kulturzeitschrift. Gleichzeitig ge-lang es ihr, durch die politische offenheit und Kritik-fähigkeit an der sozialen und politischen lage in der schweiz mit ihren politischen Grafiken und Zeichnun-gen den leserinnen und lesern eine pazifistische und antifaschistische haltung zu vermitteln, wenngleich diese auch mit stark heimatverbundenen politischen position einherging. »Fontana Martina« und »Das Flugblatt« standen zu beginn der 1930er-Jahre, wenn auch in unterschiedlicher Ausführung, exemplarisch für die Kombination von gegenständlicher und poli-tischer Kunst.

»information« sah die Kunst als Zweck, der durch politische veränderung erreicht wird. Dies ist auf den der avantgardistischen modernen Kunst und dem Neuen bauen verpflichteten Intellektuellenkreis »baumwollhof« zurückzuführen. [64] Die daraus her-vorgegangene Zeitschrift setzte mithilfe des jungen Grafikers Max bill ihre inhaltlich kunstavantgar-distische und moderne haltung auf der Frontseite anhand von politisierten Dokumentarfotografien,

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Abb. 28: Zeitschrift »Nebelspalter«, Nr. 28, Jg. 48, 11. Juli 1922, 23,6 × 33,6 cm. Frontseite mit reproduktion der kolorierten Federzeichnung »schnaps« von otto baumberger.

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beispielsweise den Arbeitslosen (Abb.  17), oder poli-tisch aufgeladenen Gegenüberstellungen von künst-lerischen Werken der bildenden Kunst (Abb.  20) oder des Films (Abb.  21), ebenso wie durch Fotomontagen und Karikaturen (Abb. 19, 22) gekonnt um.

Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen

In diesem beitrag wurde aufgezeigt, dass durch die technische entwicklung nebst den verbreiteten Illus-trierten auch die kleinen, alternativen Zeitschriften bezüglich der eingesetzten typografie, Drucktechnik und verwendung von Farbe und bildern nicht nach-stehen wollten.

»Die Wirkung eines bildes war besser als 100 ge-sprochene Worte.« [65] Mit diesem Zitat aus einer politi-schen Zeitschrift zu beginn der 1920er-Jahre aus berlin lassen sich die ergebnisse der vorliegenden Frontsei-tenanalysen bündig zusammenfassen. sie zeigen auf, dass aufgrund der seit Mitte der 1920er-Jahre populä-ren Illustrierten auch zumeist textbasierte politische Kunst- und Kulturzeitschriften vermehrt bilder inst-rumentalisierten, um damit ihre politische Meinung kundzutun. Die »zweite transmedialisierung« [66], die vervielfältigung der technisch reproduzierten bilder, fand also schnell eingang in den bereich der politi-schen Kunst- und Kulturzeitschriften und veränderte das verhältnis der Masse zur Kunst. [67]

Die untersuchung der titelseitengestaltung hat mehr Überschneidungen zutage gefördert, als zu be-ginn erwartet wurde. In den bereichen Ikonographie, bildthemen und Gegenständlichkeit nutzten die drei

Zeitschriften vorwiegend dieselben visuellen strate-gien. In den übrigen bereichen text-bild-verhältnis, Medienwahl, Werkgattung und (un)bekannte Werke kamen jedoch gegenläufige visuelle strategien zur Anwendung. Die Analyse zeigte nicht nur, dass »in-formation« und »Fontana Martina« im Gegensatz zu »Das Flugblatt« dezidierter mit explizit agitatorischen Werken und Illustrationen ihre politischen positionen vermittelten, sondern auch, dass gleichzeitig »Das Flugblatt« als teilweiser hybrid der anderen Zeit-schriften fungierte. so verwendete die Zeitschrift so-wohl die visuelle Strategie für das Bild wie auch die visuelle Strategie der Neuen Typografie. sie nahm sich der herkömmlichen und etablierten akademischen und expressionistischen Kunstformen an, erreichte damit nur eine abgeschwächte, zumeist implizite po-litische Agitation, erschloss sich dadurch wohl aber ein breites Käufersegment.

Des Weiteren konnte festgestellt werden, dass es in der Anwendung von visuellen strategien Gemein-samkeiten und unterschiede gibt, die nicht auf die jeweilige politische Ausrichtung der Zeitschriften zurückzuführen sind, sondern vielmehr auf sozial-geschichtliche, technikgeschichtliche und kunsthis-torische entwicklungen der Zeit. Wolfgang Welsch unterstützt diese beobachtete heterogenität. In sei-nem standardwerk »unsere postmoderne Moderne« postuliert er, dass bereits in den 1930er-Jahren eine »Gleichzeitigkeit des ungleichzeitigen« vorgeherrscht habe. [68] so kann bestätigt werden, dass für eine pub-lizistische Mobilisierung gegen den Faschismus ganz unterschiedliche Wege gewählt wurden.

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Anhang

Datenblätter der Zeitschriften

titel: Fontana Martina. halbmonatsschriftherausgeber: Fritz Jordi und heinrich vogelererscheinungsdauer: Jg. 1931, Nr. 1 (oktober)–Nr. 5 (Dezember); Jg. 1932, Nr. 6 (Januar)–

Nr. 19 (August) und Nr. 20/21 (November) Die Zeitschrift erschien halbmonatlich bis auf die zweite Aprilnum-mer von 1932, die als 1.-Mai-Ausgabe produziert wurde. Im Juni 1932 erschien aufgrund der »Feld- und Gartenarbeit« [69] nur eine Nummer. Anfang August 1932 erschien die letzte reguläre Ausgabe, und nach einer pause von fast einem vierteljahr wurde die letzte Nummer 20/21 nachgereicht. [70]

verlag: bergpresse ronco s. Asconaperiodizität: halbmonatlichAuflage: 250 exemplarepreis: 50 centimes/rappen pro heftnummer; vierteljährlich: 3 schweizer

Frankenumfang: 12 seiten (Nr. 1–3); 16 seiten (Nr. 4–19); 32 seiten (Doppelnr. 20/21),

inkl. Front- und rückseiteFormat: 16 × 23,5 cmredakteur: Fritz JordiAutorinnen und Autoren: Werner Ackermann, paul Adolf brenner, hugo buchholz, Jakob bührer,

casimir, helen ernst, Fjodor Gladkow, Max Jahr, Fritz Jordi, e. r. loewenwarter, heinz lohmar, Joseph lukas, carl Meffert, Ignaz rebosu, helmut redlow, henriette roland-holst, Karl schnog, eva schulz-Wehlau, Gertrud stern, W. thut, heinrich vogeler

Grafische beiträge: Yoshida blenk, p. eidenbenz, helen ernst, eugen Früh, Max Jahr, peter Jordi, else lohmar, heinz Ma(h)r (pseudonym von heinz lohmar), clément Moreau (pseudonym von carl Meffert), heinz otto

Fotografen: keine

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titel: Das Flugblattherausgeber: Felix Moeschlinerscheinungsdauer: Nr. 1, 2. April 1932–Nr. 52, 25. März 1933verlag: Feuz, bernperiodizität: wöchentlichAuflage: mindestens 2000 [71]

preis: 20 rappenumfang: 16 seiten (Nr. 1–31, 33–52); 24 seiten (Nr. 32), inkl. Frontseite und

Werbe-rückseiteFormat: 17 × 24,5 cmredakteur: Felix MoeschlinAutorinnen und Autoren: Werner p. barfuss, Anna baumann, Konrad bänninger, paul Ad.

brenner, Jakob bührer, sophie Jacot des combes, Albert ehrismann, robert Faesi, Ida Frohnmeyer, Max Geilinger, peter Kilian, Guido looser, hans Mühlestein, cécile lauber, Willy stockar, traugott vogel, Albin Zollinger

Grafische beiträge: ruth baumann, otto baumberger, hanni bay, Giovanni bianconi, Karl bickel, erna Yoshida blenk, paul bösch, Miriam brasdos, Fritz buchser, elisabeth Marie bürgin, emil burki, J. c. clerc, helen Dahm, heinrich Danioth, Fritz Deringer, Walter eglin, Ignaz epper, Marguerite Frey, Willy Fries, eugen Früh, Max r. Geiser, robert Gessner, theo Glinz, Werner hartmann, ernst huber, Max hunziker, Gustava Iselin-heger, rudolf robert Junghanns, oskar lüthy, elsa Moeschlin, eugen Niederer, Aldo patocchi, Fritz pauli, eugen pünterer, Gregor rabinovitch, J. ruland, Alfred schuhmacher, Fred stauffer, eduard stiefel, victor surbek, emil tschudi, Walter Kurt Wiemken, hans Zaugg, emil Zbinden (Auswahl der wichtigsten Künstlerinnen und Künstler)

Fotografen: keine

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titel: information. Wirtschaft – Wissenschaft – erziehung – technik – Kunstherausgeber: Genossenschaft für literarische publikationen, Zürich 1, rämistrasse 5erscheinungsdauer: 1. Jg.: Juni 1932, Nr. 1–Juli 1933, Nr. 12; 2. Jg.: August 1933, 

Nr. 1–Februar 1934, Nr. 6. Insgesamt 18 Nummern erschienenverlag: bücherstube und verlagsbuchhandlung Dr. oprecht & helbling AG,

Zürich 1, rämistrasse 5periodizität: monatlichAuflage: 500Druck: Genossenschaftsdruckerei Aaraupreis: 60 centimes/rappen pro heftnummerumfang: 32 seiten (1. Jg.: Nr. 1, 7–10; 2. Jg.: Nr. 1–5), 40 seiten (1. Jg.: Nr. 2, 4–6,

11, 12; 2. Jg.: Nr. 6), 48 seiten (1. Jg.: Nr. 3), exkl. ganzer bogen der Frontseite und Werbe-rückseite

Format: 14,8 × 21 cm (DIN A5-Format)redakteur: Ignazio silone [72] (pseudonym von secondino tranquilli)Autorinnen und Autoren: sigfried Giedion, Georg schmidt, J. (Ignazio) silone, Jean-paul samson,

Max raphael (pseudonym: M. r. schönlank), die Architekten hans schmidt, rudolf steiger und die schweizer schriftsteller rudolf Jakob humm und Jakob bührer. – Gelegentlich auch hans Mühlestein [73], ernst emmenthaler (pseudonym von Georg schmidt) [74], ernst toller, p. suter, henri barbusse, r. und Y. Allendy, Marsus (pseudonym von Ignazio silone) [75], J. Jerachimowitsch, charles Mackenzie; gemäss strahlberger 1970: Jakob bührer, valentin Gitermann und als anonym oder mit pseudonym schreibende Autoren: Alfred Kantorowicz, Franz leschnitzer und stefan pollatschek. [76]

Grafische beiträge: Max bill (layout, typografie, Illustrationen und Werbungen), clément Moreau, emil burki; reproduktionen von hans Arp und Georg Grosz

Fotografen: Fotoagenturen und unbekannte Fotografen

213GestAltuNG AN vorDerster FroNt – eIN NebeNschAupl At Z Der KuNstGeschIchte

Dank

Für die Ausleihe der originale der Zeitschrift »information«: Antiquariat peter petrej, 8006 Zürich, http://www.buch-antiquariat.ch.

Abbildungsnachweis

© 2013, prolitteris, Zürich, für die Werke von hans Arp, otto baumberger, Georges Grosz© 2013, die Künstlerinnen oder Künstler oder ihre rechts-inhaber bzw. -nachfolgerAbb. 1: © 2013 werk, bauen + wohnen, repros: swiss electronic academic library service, eth-bibliothek Zürich (http://retro.seals.ch)Abb. 2, 3: © 2013 visarte, repros: schweizer National-bibliothek (sNb), bernAbb. 4–8: repros: Joachim sieberAbb. 9–16: Foto: staatsarchivs bernAbb. 17–23: © 2013 angela thomas schmid/prolitteris, Zürich, für die Werke von Max bill, repros: Joachim sieberAbb. 24, 25: © Werkbundarchiv – Museum der Dinge, repros: Werkbundarchivs, berlinAbb. 26, 27: © bpk - bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte 2013, repros: staatsbibliothek zu berlinAbb. 28: © Nebelspalter, repro: schweizer Nationalbibliothek (sNb), bern

literatur

primärquellen

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218 JoAchIM sIeber

Der vorliegende text basiert auf meiner lizenziatsarbeit »visuelle strategien der Frontseitengestaltung politischer und antifaschistischer Kunst- und Kulturzeitschriften in der schweiz zwischen 1931–1934. eine Analyse am beispiel der Zeitschriften Fontana Martina, Das Flugblatt und informa-tion«, betreuung prof. Dr. Wolfgang F. Kersten, Kunsthistori-sches Institut, universität Zürich 2011.

[1] unter »visueller strategie« wird in diesem beitrag die Anwendung formaler und gestalterischer Mittel zur vermittlung des jeweiligen inhaltlichen, gesellschaft-lichen und politischen programms einer Zeitschrift verstanden. Der begriff findet seit einigen Jahren ein-gang in die kunsthistorische Forschung. so verwendete ihn etwa horst bredekamp in einer 1999 erschienenen publikation »thomas hobbes visuelle strategien« über die Darstellungen des leviathan oder Antje Krause-Wahl und Änne söll in der einleitung zum themenheft »Künstlerzeitschriften« der kunsthistorischen Zeitschrift »Kritische berichte« dezidiert im Zusammenhang mit der Gestaltung von Zeitschriften (vgl. bredekamp 1999; Krause-Wahl/söll 2012).

[2] Die erste Illustrierte als Massenmedium, die »schweizer Illustrierte«, entstand in der schweiz bereits 1911, später kamen die »Zürcher Illustrierte« (1925–1941), »sie+er« (1929–1945) und nach dem hier untersuchten Zeitraum »Föhn« (1935–1939) als wichtigste stark bebilderte Zeitschriften hinzu. Des Weiteren entstanden zahlreiche Kunst- und literaturzeitschriften wie »les tablettes« (1917–1919), »Abc – beiträge zum bauen« (1924–1928), »schweizer spiegel« (1925–1933; seither »Weltwoche«), »l’art en suisse«/»Die Kunst in der schweiz« (1926–1933, seither »Das Werk«, vgl. Fussnote 9), aber auch nationalsozialistische und konservative blätter wie »Der eiserne besen« (1931–1933, später von 1933 bis 1943 »Die Front«) und »Die Neue schweiz« (1933–1937) sowie Gewerkschaftspresse wie etwa »Der öffentliche Dienst« (1924–1950), »Die rote revue« (1921–1966), »le réveil anarchiste« (1926–1960; 1969–1983) und diverse exilzeitschriften wie die »büchergilde« (1925, ab 1933 in Zürich bis 1964), »Die neue stadt« (1925, ab 1933 in Zürich bis 1934) und »Die neue Weltbühne« (ehemals »Die Weltbühne«, 1933–1939 in Zürich, prag, paris).

[3] Magnaguagno 1981, 59.

219GestAltuNG AN vorDerster FroNt – eIN NebeNschAupl At Z Der KuNstGeschIchte

[4] Die kunsthistorische Forschungslage zur Zwischen-kriegszeit in der schweiz ist umfangreich. Zu beginn der 1980er-Jahre wurden durch das Ausstellungsprojekt »Dreissiger Jahre schweiz« die widersprüchlichen positionen der unterschiedlichen Akteure des damaligen Kunstbetriebs ausführlich erläutert. Am Ausstel-lungsprojekt beteiligten sich folgende Museen mit spezifischen Ausstellungen und Katalogpublikationen: Kunstgewerbemuseum Zürich, Aargauer Kunsthaus Aarau, Kunstmuseum Winterthur, Kunsthaus Zürich (vgl. Kat. Zürich 1981a; Kat. Aarau 1981; Kat. Winterthur 1981; Kat. Zürich 1981b). eva Korazija, langjährige Konservatorin der Graphischen sammlung der eth Zürich (1978–2001), untersuchte zudem die schweizer Künstlergrafik (vgl. Korazija 1987; Korazija 2005; Korazija 2009). Die schweizer Grafik wurde grundlegend von richard hollis (vgl. hollis 2006) aufgearbeitet, und einen epochenüberblick der entwicklungsstränge der schweizer Kunst der Zwischenkriegszeit bieten die publikation von hans A. lüthy und hans-Jörg heusser sowie der sammelband »Kunstschaffen in der schweiz« vom schweizer Institut für Kunstwissenschaft (vgl. lüthy/heusser 1985; sIK-IseA 2006). In den genannten publikationen werden Kunst- und Kulturzeitschriften immer wieder gestreift, jedoch nie ausführlich besprochen. es fehlt also bis heute eine grundlegende und breite Analyse der in der schweiz publizierten (politischen) Kunst- und Kulturzeitschriften, wie sie etwa Yves chevrefils Desbiolles für paris zwischen 1905 und 1940 vorgelegt hat (vgl. chevrefils Desbiolles 1993. Zur rolle der (französischen) Zeitschriften im 20. Jahrhundert siehe auch: Froissart pezone/chevrefils Desbiolles 2011). Im bereich der schweizer Medien- und Kommunikationsgeschichte liegt einzig die Aufarbeitung der ringier-Zeitschriften (»schweizer Illustrierte«, »sie+er« u. a.) in den Krisen- und Kriegs- jahren vor (vgl. Meier/Gysin 2003, 13–14). Darin wird der Mangel an einer breiteren Aufarbeitung der Zeitschriften sowohl im Fachgebiet der Kunstgeschichte,

der Geschichte wie auch der publizistikwissenschaft hervorgehoben. In der Kunstgeschichte nimmt das Forschungsgebiet der Zeitschriftenanalyse keine zentrale position ein. Indes wurde der kunsthistorische untersuchungsrahmen vonseiten der sich seit den 1990er-Jahren akademisch etablierenden Fotografie-geschichte durch Analysen von illustrierten Zeitschriften erweitert. Dies führte zu publikationen wie etwa der in Frankreich 1995 erschienenen Analyse der Inter-aktion von bild und text in der Avantgardezeitschrift »document« von Georges Didi-huberman, die seit 2010 als deutsche Übersetzung vorliegt, oder der gleichen orts publizierten, zentral auf die Fotografien und Fotomontagen fokussierten untersuchung der pariser Illustrierten »vue« von Michel Frizot (vgl. Didi-huberman 2010; Frizot/veigy 2009).

[5] erst am 9. Dezember 1938 erliess der bundesrat eine von bundesrat philipp etter verfasste »Kulturbot-schaft«, worin die »Geistige landesverteidigung« zur offiziellen Doktrin erklärt wurde. Damit sollte sich die Ausstellungs-, Ankaufs- und Förderungspolitik auf bundesebene nur noch auf schweizer Künstler beschrän-ken. Jedoch förderten bereits ab 1933 das parlament, Intellektuelle und Medienschaffende Massnahmen zur stärkung der nationalen kulturellen Werte in der schweiz (vgl. ueK 2001, 68; Jorio 2006).

[6] vgl. locher 1996, 285–294; Zwischen 1.  Mai 1935 und 9. Februar 1954 bestand in der schweiz eine offizielle einfuhrbeschränkung für ausländische Kunstwerke (vgl. Kraut 1991, 40–71). Zur Kunstpflege des bundes vgl. den historischen Überblick von brigit blass (blass 1981, 50–54); sowie zur rolle der offiziellen schweizer Kunstförderung in den 1930er-Jahren am beispiel der schweizer beteiligung an der biennale in venedig vgl. sieber 2013.

220 JoAchIM sIeber

[7] Magnaguagno 1981, 59.[8] vgl. ibid.; Wolf 2006.[9] Die Zeitschrift »Das Werk. schweizer Monatshefte für

Architektur, freie Kunst, angewandte Kunst« (1914–1976) war das offizielle organ des bundes schweizer Archi-tekten (bsA) und des schweizerischen Werkbundes (sWb) und vertrat während der 1930er-Jahre eine aufgeschlos-sene position zur modernen Architektur, unterstützte jedoch die abstrakte und surrealistische schweizer Kunstavantgarde nicht explizit. Die Zeitschrift »schweizer Kunst« (seit 1899), offizielles organ der Gesellschaft schweizerischer Maler, bildhauer und Architekten (GsMbA), war das sprachrohr der »offiziellen« gegen-ständlichen Kunst der 1930er-Jahre (vgl. sIK-IseA 2006, 395–397).

[10] Michael Diers wählt den begriff »schlagbilder« für die öffentlichen bilder des politischen Alltags als visuelles pendant zu den schlagwörtern und den schlagzeilen in den textbasierten Medien (vgl. Diers 1997, 8).

[11] vgl. Kat. stuttgart 1998, 22.[12] »Auch wenn die traditionellen Kategorien der Kunst

nicht grundsätzlich angefochten werden, so ist doch im Medium der Zeitschrift als träger künstlerischer Information ein Ansatz zu einer neuen Werkkategorie zu erkennen.« (bucher 1990, 10–11).

[13] Mitchell 2008, 147–148.[14] vgl. panofsky 1978 [1935].[15] vgl. boehm 1999, bes. 216, 226–227; Frank/lange 2010,

18; Diers 1997, 10–11.

[16] vgl. brettell 1999, 155–180; breckner 2010; bredekamp 1975; hauser 1990 [1953].

[17] vgl. Warnke 1993.[18] vgl. Kat. stuttgart 1998, 14–17.[19] vgl. brielmaier/Wolf 1997, 172–225; Kämpfer 1985, 48–60;

Kat. stuttgart 1998; pedersen 1992; strassner 1997.[20] Martin lindner untersuchte mehrere illustrierte Kunst-

und Kulturzeitschriften der expressionisten zu Zeiten der Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland, die eine progressive künstlerische oder weltanschauliche tendenz aufweisen, wobei die Grenzen zu konservativen strömungen häufig unklar sind. In seiner Analyse unterscheidet er anhand der politischen position, dem verständnis der rolle der Kunst und ihrer politisierung innerhalb der Zeitschrift zwischen »kulturrevolutionären Zeitschriften«, »schön-geistigen Kulturzeitschriften« und »unmittelbar politischen Zeitschriften« (vgl. lindner 1993, 73–83).

[21] vgl. pforte 1978, 91.[22] vgl. Korazija 1981, 235–236.[23] pauli 1981, 173.[24] Künstler wie otto baumberger, Willy Fries, Aldo

patocchi, Fritz pauli und Gregor rabinovitch publizierten in der Zeitschrift »Das Flugblatt« und ihren Nachfolgern diverse künstlerische und politisch engagierte Grafiken und Zeichnungen (vgl. Korazija 1987, 149).

[25] lindner 1993, 79.[26] vgl. Fontana Martina 1931–1932, 1932(16), 175.[27] vgl. brielmaier/Wolf 1997, 193–220.[28] vgl. strassner 1997, 34.[29] vgl. Kämpfer 1985, 58–60.[30] vgl. Warnke 1993, 11.[31] vgl. ibid., 7–12.[32] Ibid., 11.

221GestAltuNG AN vorDerster FroNt – eIN NebeNschAupl At Z Der KuNstGeschIchte

[33] vgl. Fleckner/Warnke/Ziegler 2011; Kämpfer 1985, 144.[34] vgl. Fussnote 20.[35] Im Gegensatz zu den gängigen Zeitschriften dieser Jahre

entschied sich Max bill, auf der Frontseite von »informa-tion« eine moderne Groteskschrift zu ver wenden – die von Frank hinman pierpont 1926 entworfene schrift Monotype Grotesque. Die schrift wurde von der Avantgarde der 1920er- und 1930er-Jahre oft verwendet, obwohl sie nie so populär wurde wie die um 1900 entworfene Akzidenz Grotesk und ihre modernen Zeit-genossen Futura und Gill sans (vgl. pohlen 2011, 356). Der versierte Gestalter der Zeitschrift »Das Flugblatt« benutzte die ebenfalls serifenlose Futura, die erst 1927 von paul renner entwickelt wurde. es ist anzuneh-men, dass direkte Kontakte zum deutschen typografen renner oder dessen schülern bestanden (vgl. pohlen 2011, 381).

[36] vgl. Diers 1997, 8.[37] Der titel der Zeitschrift ist in der gebrochenen schriftart

cloister black von Kingsley/AtF nach einem entwurf von Morris Fuller benton und John W. phinney gesetzt (vgl. pohlen 2011, 71). Möglicherweise griff Jordi auf die schriftsätze seiner Druckerei im Familienbesitz zurück und verwendete aus finanziellen Gründen die wenig begehrten Frakturschriftsätze. Denselben Frakturschriftsatz wie in der Zeitschrift »Fontana Martina« verwendete Jordi auch bereits für das von ihm im eigenen promachos-verlag herausgegebe-nen »Arbeiterblatt« (1917–1919).

[38] pedersen bezeichnet eine Zeitschrift mit einem kleinen Format von DIN A5 wie etwa die »Weltbühne« als »literarisches Journal«, vgl. pedersen 1992, 39.

[39] vgl. lindner 1993, 77.[40] vgl. hirdina 1984.[41] vgl. Kämpfer 1985, 127–128.[42] vgl. tschichold 1930, 8.[43] vgl. Kämpfer 1985, 58–60.[44] Der »volksfront-stil« bedient sich insbesondere elemen-

ten des expressionistischen holzschnitts (vgl. Gaudibert 1981, 422).

[45] Die ende Juli in der Zeitschrift »Das Flugblatt« publizierte porträtzeichnung lässt sich als sympathiebe-kundung für barbusses wenige Wochen früher in der französischen Zeitschrift »l’humanité« publizierten Aufruf zu einem pazifistischen, antifaschistischen »Kongress gegen den Krieg« in Amsterdam verstehen (vgl. Wirsching 1999, 557). Damit steht die Zeichnung für eine klare antifaschistische haltung der Zeitschrift »Das Flugblatt« und zeigt auf, dass in ihr heterogene politische haltungen möglich waren.

[46] Das Flugblatt 1932–1933, 1:1932(12), 18. Juni 1932, 194.[47] Die rote Fahne wurde bereits »1792 von den Jakobinern

zur Fahne der Freiheit erklärt, 1834 bei den seiden-weberaufständen von lyon zur Fahne der Arbeiterbewe-gung und nach der russischen revolution 1907 zur Fahne des sozialismus.« (vgl. Kat. linz 1998, 41–42). Die Flagge als politisches symbol, durch ihr Wehen als »beseelt« dargestellt, wird zum »ikonischen Äqui-valent politisch inspirierter bewegtheit in Zeiten von Kampf und Konflikt« (vgl. Fleckner/Warnke/Ziegler 2011, 326). Die 1.-Mai-Flagge steht also sowohl als Zeichen einer korporativen Zugehörigkeit zur gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft, als auch als Aufruf zum politischen und gesellschaftlichen engagement und dem Kampf gegen den Faschismus (vgl. ibid., 324–330).

222 JoAchIM sIeber

[48] Der elbsegler, eine schirmmütze, die von der deutschen schifffahrt stammt, war in den 1920er- und 1930er-Jahren die vorwiegend von Arbeitern getragene Mützenart und lässt sich daher wie die phrygische Mütze der Jakobiner als politische Ikonographie der Kleidung lesen (vgl. ibid., 51–57).

[49] Der rote Keil in el lissitzkys plakat »Mit dem roten Keil schlage die Weissen« steht als visuelle Waffe der revo-lution (rot) gegen die restauration (Weiss). lissitzkys verwendete suprematistische bildsprache wurde träger einer politischen Aussage und damit zur radikalen Kritik an der sozialen ordnung (vgl. beckstette 2008, 47–48). obwohl Max bill den russischen Avantgarde-Künstler erst durch seinen beitritt zur pariser Künstler- gruppe »Abstraction-création« 1932 persönlich kennen-gelernt haben mag, so ist sein einfluss auf den jungen Grafiker durch das bauhaus und die spektakuläre Ge staltung des sowjet-pavillons auf der internationalen presse ausstellung »pressa« in Köln 1928 klar ersichtlich.

[50] Die Gasmaske wurde durch den maschinell geführten Gaskrieg während des ersten Weltkriegs in den folgenden Jahrzehnten zum Inbegriff des zerstörerischen Krieges. Die Darstellungen von Gasmasken waren immer »eine Kombination von Dämonisierung und verharm-losung«. In vielen Karikaturen zu beginn der 1930er- Jahre findet sich die Gasmaske als ikonische Form für den luftkrieg. Dieser wurde »als erwarteter Gaskrieg zur vertrauten Apokalypse« (vgl. schütz 2005, 140–141).

[51] bei der Zeitschrift »Fontana Martina« sind 16 der gesamthaft 19 Frontseiten als politisch zu bezeichnen, und bei »information« trifft dies auf alle 12 Frontseiten des 1. Jahrgangs zu, die im Gegensatz zum 2. Jahrgang mit einbezug von bildern realisiert wurden.

[52] vgl. Fussnote 50.[53] Kat. binningen 1990, [47].[54] Das obligatorische referendum des bundesbeschlusses

zur revision von Art. 31 und 32bis der bundesverfassung (Alkoholwesen) wurde 1923 sodann auch mit 64.58% abgelehnt (vgl. bundesblatt vom 03.06.1923, bbl 1923 II 520, http://www.admin.ch/ch/d/pore/vr/vor_2_2_6_ 2_1901.html [18.08.2011]).

[55] vgl. Dückers 1979, 202.[56] vgl. steiner 2010.[57] vgl. information 1932–1934, 1:1932(4), rückseite der

Frontseite.[58] Korazija 1987, 111.[59] Die Gemeinschaft für Arbeiterkunst gab etwa die Folge

»proletarische Kunst« mit elf linolschnitten von clément Moreau (basel 1932) oder »15 holzschnitte jugendlicher Arbeiter« heraus (vgl. Korazija 1987, 143).

[60] Der linolschnitt von clément Moreau auf der Frontseite der ersten heftnummer von »Fontana Martina« (Abb. 4) zeigt am linken und rechten bildrand im bildhintergrund zweimal dieselbe person, die sich bei einem vergleich mit zeitgenössischen Fotografien als Fritz Jordi bestim-men lässt. Im bildvordergrund hat sich der Künstler selbst dargestellt. Dieses Werk stellt programmatisch die zwei zentralen protagonisten der Zeitschrift »Fontana Martina« dar (vgl. Mittenzwei 1977, 139; Abbildungsverzeichnis von ursula horn, tafel 21).

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[61] vgl. stutzer 2006, 67.[62] vgl. leisen 2011. Das Drehbuch des Films mit dem

russischen originaltitel »putyovka v zhizn« verfasste der einflussreiche pädagoge Anton semjonowitsch Makaenko.

[63] vgl. Gaudibert 1981, 422.[64] Im »baumwollhof« an der stadelhoferstrasse 26 in

Zürich bestand zu beginn der 1930er-Jahre bereits seit einigen Jahren ein intellektueller Kreis um den Zürcher Anwalt Wladimir rosenbaum (1894–1984) und seine Frau, die pianistin und schriftstellerin Aline valangin (1889–1986). rosenbaum war zu dieser Zeit der Anwalt der modernen Architekten und involviert in die zentralen bauten des Neuen bauens in der schweiz um 1930 (siedlung Neubühl, Zett-haus, Firma Wohnbedarf und der umbau des corsos am bellevue). Der kulturinteres-sierte, engagierte linke Anwalt hatte die »Genossen-schaft für literarische publikationen« gegründet, welche die Zeitschrift »information« herausgab (vgl. thomas 2008, 365; Kamber 2000).

[65] Zitat nach prokasky 2009, aus der Zeitschrift »Die rote Fahne« 1921.

[66] rebel 2003, 123–127.[67] vgl. benjamin 1977 [1963], 32.[68] Welsch 2002, 4. Der begriff »ungleichzeitigkeit« geht

auf ernst blochs antifaschistische publikation »erb-schaft dieser Zeit« (1935) zurück, in der beobachtet wird, dass nicht alle bereiche der Gesellschaft Fortschritts-prozesse in gleicher Weise durchlaufen und daher eine »schieflage« zur jeweiligen Modernität der Gesellschaft entsteht, vgl. bloch 1973 (1935), bes. 111–126.

[69] Fontana Martina 1931-1932, 1932(16), 175.[70] pforte 1978, 90.

[71] Annahme durch folgendes Zitat: »Weniger zu begreifen ist es, dass dieser versuch einer billigen, unabhängigen, überparteilichen, künstlerischen Wochenschrift nur das Interesse von 2000 schweizern zu erregen vermochte und darum misslingen musste.« (vgl. Das Flugblatt 1932–1933, 1:1933(52), 25. März 1933, 826).

[72] vgl. schmid 2008, beiheft zur DvD-edition, [14].[73] vgl. thomas 2008, 376.[74] vgl. stahlberger 1970, 99, Anm. 42.[75] vgl. thomas 2008, 382.[76] vgl. stahlberger 1970, 100.