Essentiell „keltisch“? Zum Sinn der Fragen was „die Kelten“ kennzeichnet und woher sie...

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95 Essentiell „keltisch“? 1 Zum Sinn der Fragen was „die Kelten“ kennzeichnet und woher sie kommen Raimund Karl Zusammenfassung Seit Beginn der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den „Kelten“ stellten wir, und stellen immer noch, die Fragen: Was ist es, das jemanden, das etwas wirklich „keltisch“ macht, und woher kommt das, was wir „keltisch“ nennen? Abhängig von der Antwort, die jeder einzelne Wissenschafter darauf gibt, behauptet er dann, dass „die Kelten” dies oder das, hier oder dort waren und spricht über sie als ob ihre Existenz selbstverständlich vorausgesetzt werden könnte oder – falls er zu einer negativen Antwort gelangt – dass es sie niemals gab und es daher sinnlos ist über sie zu sprechen. Die grundlegende Prämisse, von der alle diese Antworten abhängen, ist jedoch die, dass um sinnvoll über etwas sprechen zu können es auch existieren muss und um die Existenz eines Dinges annehmen zu können es durch bestimmte, charakteristische Eigenschaften gekennzeichnet sein muss, die in allen seinen Teilen gegenwärtig sind. In diesem Beitrag wird argumentiert, dass diese Prämisse grundsätzlich falsch ist und daher die auf ihr beruhende Frage samt allen möglichen Antworten darauf sinnlos sind: es handelt sich dabei um nicht mehr als einen sophis- tischen Streit um Worte. Denn diese Prämisse zwingt uns zu einer aristotelischen Definition; dazu „die Kelten“ durch eine Beschreibung ihres „wirklichen Wesens“, ihrer „Essenz“ zu definieren: „Wir können ein Ding nur kennen, indem wir sein Wesen kennen” (Aristotles, Metaphysik 1031b7). Das macht erforderlich, dass wir die Definition als Grundprämisse akzeptieren: eine unmittelbare Wahrheit, die sich nicht bezweifeln lässt (Aristotles, Zweite Analytik 1, 3), die wir intuitiv erkennen können und die nicht aus Erfahrungen oder Beobachtungen her- geleitet werden muss. Doch das ist offensichtlich unmöglich und daher ist es uns bis heute nicht gelungen zu einer allgemein anerkannten Definition zu gelangen, was essentiell „keltisch” ist, denn letztendlich handelt es sich dabei um eine Glaubensfrage, die außerhalb der Reichweite vernünftiger wissenschaftlicher Diskussionen liegt. Und von diesem Glauben hängt in weiterer Folge auch ab, wo wir die Herkunft der Kelten suchen. Die Antwort auf diese Fragen wird daher stets dogmatisch bleiben, die einander widersprechenden Meinungen inkommensurabel. Daher wird vorgeschlagen diese unsinnige Sophistik zu beenden, eine nominalistische Definition des Begriffs „keltisch” anzunehmen und statt zu fragen, woher „die Kelten“ kommen, zu fragen, wie das entsteht, was wir „keltisch“ nennen.Verstehen wir das Wort „keltisch“ als beliebiges Etikett, als Signifikand, vermeiden wir die Not- wendigkeit darüber zu reden, was es bedeutet. Das erlaubt uns endlich das zu diskutieren, worüber wir eigentlich reden sollten, das, was sich auch zu vernünftiger wissenschaftlicher Diskussion eignet: das Signifizierte.

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Essentiell „keltisch“?1 Zum Sinn der Fragen was „die Kelten“ kennzeichnet und woher sie kommen

Raimund Karl

Zusammenfassung

Seit Beginn der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den „Kelten“ stellten wir, und stellen immer noch, die Fragen: Was ist es, das jemanden, das etwas wirklich „keltisch“ macht, und woher kommt das, was wir „keltisch“ nennen? Abhängig von der Antwort, die jeder einzelne Wissenschafter darauf gibt, behauptet er dann, dass „die Kelten” dies oder das, hier oder dort waren und spricht über sie als ob ihre Existenz selbstverständlich vorausgesetzt werden könnte oder – falls er zu einer negativen Antwort gelangt – dass es sie niemals gab und es daher sinnlos ist über sie zu sprechen. Die grundlegende Prämisse, von der alle diese Antworten abhängen, ist jedoch die, dass um sinnvoll über etwas sprechen zu können es auch existieren muss und um die Existenz eines Dinges annehmen zu können es durch bestimmte, charakteristische Eigenschaften gekennzeichnet sein muss, die in allen seinen Teilen gegenwärtig sind.

In diesem Beitrag wird argumentiert, dass diese Prämisse grundsätzlich falsch ist und daher die auf ihr beruhende Frage samt allen möglichen Antworten darauf sinnlos sind: es handelt sich dabei um nicht mehr als einen sophis-tischen Streit um Worte. Denn diese Prämisse zwingt uns zu einer aristotelischen Definition; dazu „die Kelten“ durch eine Beschreibung ihres „wirklichen Wesens“, ihrer „Essenz“ zu definieren: „Wir können ein Ding nur kennen, indem wir sein Wesen kennen” (Aristotles, Metaphysik 1031b7). Das macht erforderlich, dass wir die Definition als Grundprämisse akzeptieren: eine unmittelbare Wahrheit, die sich nicht bezweifeln lässt (Aristotles, Zweite Analytik 1, 3), die wir intuitiv erkennen können und die nicht aus Erfahrungen oder Beobachtungen her-geleitet werden muss. Doch das ist offensichtlich unmöglich und daher ist es uns bis heute nicht gelungen zu einer allgemein anerkannten Definition zu gelangen, was essentiell „keltisch” ist, denn letztendlich handelt es sich dabei um eine Glaubensfrage, die außerhalb der Reichweite vernünftiger wissenschaftlicher Diskussionen liegt. Und von diesem Glauben hängt in weiterer Folge auch ab, wo wir die Herkunft der Kelten suchen. Die Antwort auf diese Fragen wird daher stets dogmatisch bleiben, die einander widersprechenden Meinungen inkommensurabel.

Daher wird vorgeschlagen diese unsinnige Sophistik zu beenden, eine nominalistische Definition des Begriffs „keltisch” anzunehmen und statt zu fragen, woher „die Kelten“ kommen, zu fragen, wie das entsteht, was wir „keltisch“ nennen. Verstehen wir das Wort „keltisch“ als beliebiges Etikett, als Signifikand, vermeiden wir die Not-wendigkeit darüber zu reden, was es bedeutet. Das erlaubt uns endlich das zu diskutieren, worüber wir eigentlich reden sollten, das, was sich auch zu vernünftiger wissenschaftlicher Diskussion eignet: das Signifizierte.

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Abstract

Since the beginning of scholarly research into ‘the Celts’ we were, and still are asking: What is it that truly makes someone, or something, ‘Celtic’, and where does this ‘Celtic’ come from? Depending on the answer each scholar arrives at, he would argue for ‘the Celts’ being this or that, having been here or there and talk about them as if their existence was self-evident, or – if the answer was in the negative – that they never existed at all, making it meaningless to talk about them. The fundamental premise upon which all these answers are based, however, is that to be able to meaningfully talk about something, it must exist, and for something to exist, it must be characterised by unique characteristic features ubiquitous in all of its parts.

In this paper it will be argued that this premise is fundamentally flawed and that, therefore, the question and any answer to it are meaningless: they are nothing but a sophistic game of words. The premise requires us to come up with an Aristotelian definition; to define ‘the Celts’ by describing their ‘true nature’, their ‘essence’: ‘there is knowledge of each thing only when we know its essence’ (Aristotle, Metaphysics 1031b7). This requires that we accept this definition as a primary premise: an immediate truth which cannot be questioned (Aristotle, Posterior Analytics Book 1, 3), which we thus must identify intuitively, not by means of demonstration. Yet, this is evidently impossible, and as such, we have not arrived at an agreed definition of what is, essentially, ‘Celtic’, because this ultimately is a matter of belief, beyond the limits of any reasoned scholarly debate. The answers to the two central questions we have been pursuing thus will always remain dogmatic, the opposed views incommensurable.

I thus propose to stop this silly sophistry, adopt a nominalist definition of the ‘Celtic’, and ask how that which we call ‘Celtic’ emerged, rather than trying to find out where it originated. If we treat the word ‘Celtic’ as an arbitrary label, a signifier, the need to discuss what it means is removed. This will allow us to finally discuss what we ought to discuss, that which can actually be subjected to reasoned scholarly debate: the signified.

Teil der Frage nachgegangen werden soll, weshalb wir uns überhaupt mit der Frage nach der Herkunft „der Kelten“ und mit der Frage, was „die Kelten“ über-haupt zu „Kelten“ macht, beschäftigt haben und im-mer noch beschäftigen. Der Überblick ist vor allem deshalb notwendig, weil derzeit insbesondere im deut-schen Sprachraum, aber auch generell in weiten Be-reichen der ur- und frühgeschichtlichen Forschung, die Meinung vorherrscht „die Kelten“ seien ein Phä-nomen, das insbesondere oder sogar ausschließlich mit der (mittel- und west-) europäischen Eisenzeit in Verbindung zu bringen sei – obgleich bereits Ludwig Pauli (1980: 18–20) in seiner Kritik der Herkunfts-frage deutlich ausgeführt hat, dass die Herkunft „der Kelten“ keineswegs von allen Wissenschaftern, die sich zu dieser Frage geäußert haben, in eben dieser ge-sucht wurde. Zwar ist die Vorstellung einer eisenzeit-lichen Herkunft „der Kelten“ zweifellos dominant,

Schon 1980 schrieb Ludwig Pauli anlässlich der Austel-lung „Die Kelten in Mitteleuropa“ im Keltenmuseum Hallein im Ausstellungskatalog über Sinn und Unsinn der alten Frage nach der Herkunft der Kelten (Pauli 1980). Diese Frage stellt seit den Anfängen der wissen-schaftlichen Beschäftigung mit den Kelten, und damit verbunden auch der Auseinandersetzung mit der Ar-chäologie der europäischen Eisenzeit, eine der, wenn nicht sogar die, zentrale Frage dar, der wir nachgehen, die wir zu beantworten versuchen. Klarerweise ist da-mit auch eng die Frage verbunden, wer oder was „die Kelten“ denn nun eigentlich sind, bzw. was jeman-den zu einem „Kelten“ oder etwas zu etwas „Kelti-schem“ macht.

Um sich diesem Fragenkreis anzunähern soll zuerst ein Überblick gegeben werden, welche Antworten bisher auf die Frage nach der Herkunft „der Kelten“ vorgeschlagen wurden, ehe in einem grundlegenderen

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aber andere Datierungsvorschläge existieren ebenso, von denen viele wenigstens ebenso seriös sind wie das „herkömmliche“ Modell der Herkunft „der Kelten“ aus der Eisenzeit.

Alternative Theorien zur Herkunft „der Kelten“

Die Vorschläge, auf welche Zeit die Herkunft „der Kelten“ zu datieren sei, erstrecken sich derzeit über einen Zeitraum, der vom Spätpaläolithikum bis in die jüngere Eisenzeit reicht. Ludwig Pauli (1980: 18–20) und John Collis (2003: 27–160) haben bereits zahl-reiche dieser Vorschläge zusammenfassend dargestellt, weshalb hier keine Gesamtdarstellung notwendig er-scheint, sondern spezifisch einige von diesen noch nicht erwähnte Versuche die Herkunft „der Kelten“ zu bestimmen hervorgehoben und bereits bekannte Vor-schläge nur soweit notwendig kurz zusammengefasst werden sollen. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die Argumentation zu legen, die diesen Vorschlägen zu Grunde liegt, die nämlich fast durchgehend dem glei-chen Muster folgt – und zwar unabhängig davon, ob es sich bei den Vorschlägen um „wissenschaftliche“ oder (wenigstens heute) nicht (mehr als) „wissenschaft-liche“ (betrachtete) Versuche handelt. Darüber hinaus sind selbstverständlich alle Vorschläge jeweils „Kinder ihrer Zeit“, also stark von allgemeinen Vorstellungen über die Geschichte geprägt.

Von Babylon in die Bretagne – frühe Versuche

Frühe Versuche die Herkunft „der Kelten“ oder von Teilen „der Kelten“ zu bestimmen zeigen diese Ab-hängigkeit von allgemeinen Vorstellungen der Zeit, in der sie geschaffen wurden, für den modernen Be-obachter besonders deutlich: antike Erklärungen sind in pseudohistorischen Kontexten der Frühgeschichte der Welt angesiedelt, so z. B. bei Timaios die Abstam-mung der Galater von Galates, dem Sohn des Kyklo-pen Polyphem und der Nereide Galateia (Hofeneder 2005: 56–8), oder bei Parthenios die Abstammung der Kelten von Keltos, dem Sohn von Herakles und dem Mädchen Keltine, Tochter des Bretannos (Hofeneder 2005: 161–2).

Mittelalterliche irische Texte hingegen sprechen z. B. von der Abstammung der Iren von Magog, Sohn

des Iafeth, Sohn des Noah (MacAlistair 1938: 21–3), postulieren also eine biblische Abstammung der Iren. Die Briten hingegen stammen laut Geoffrey of Mon-mouth von Brutus, Sohn des Silvius, Sohn des Ascia-nus, Sohn des aus Troja nach Italien geflohenen Aeneas ab (Thorpe 1966: 54–75), sind also von „klassischer“ Abstammung.

All diese Beispiele entsprechen im Wesentlichen einer genealogischen Abstammungsidee, nach der di-verse Bevölkerungsgruppen der jeweiligen Gegen-wart des Autors durch eine Herkunftserklärung mit mythologischen oder pseudohistorischen Figuren der mythischen Vorgeschichte der Bevölkerung des Autors verbunden werden, wie sie in Antike, Mittelalter und auch früher Neuzeit charakteristisch waren.

In diese Tradition reiht sich auch die „Gründungs-sage“ der modernen, „wissenschaftlichen“ Beschäfti-gung mit „den Kelten“ ein, die vom bretonischen Abbé Paul-Yyves Pezron (1703) veröffentlichte Abhandlung über die biblische Abstammung der Bretonen, die er als die Nachfahren der bei Caesar erwähnten antiken Kelten betrachtete. Pezron versuchte in diesem Werk zu zeigen, dass das „Keltische“ eine der Sprachen ge-wesen sei, die bei der babylonischen Sprachverwir-rung entstanden sei und deren Sprecher anschließend in komplizierten Wanderungen von Babel bis letzt-endlich in die Bretagne gewandert seien.

Derartige Erklärungen werden zwar heute abgelehnt, entsprachen aber jeweils den Chronologie- und Ge-schichtsvorstellungen ihrer jeweiligen Zeit, waren also damals ernst zu nehmende, „wissenschaftliche“ Erklä-rungen der Herkunft „der Kelten“. Die jeweils gewähl-te Argumentationsstruktur (soweit man, insbesondere bei den sehr kurzen antiken Erklärungen, von einer sol-chen Struktur sprechen kann) ist jene, dass von der Ab-stammung „der Kelten“ von einer bestimmten Person, also von einem bestimmten Punkt in Raum und Zeit, ausgegangen wird, von dem eine quasi-biologische, stammbaumhafte Entwicklung ausgeht, die letztend-lich dazu führt, dass eine mehr oder minder große Be-völkerung als „Kelten“ bezeichnet werden kann.

Die Probleme mit solchen Erklärungsversuchen sind zwar bis zu einem gewissen Grad offensicht-lich, sollen aber dennoch wenigstens in aller Kürze erwähnt werden. Das vielleicht größte Problem mit diesen Erklärungen ist, dass sie nicht durch unabhän-

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gige Evidenzen gestützt werden, sich also jedweder Überprüfbarkeit und damit auch Nachvollziehbarkeit entziehen. Man kann sie also entweder glauben oder nicht. Darüber hinaus sind sie auch nicht selten in sich inkohärent, vor allem aber mit moderneren Chonolo-gien und aus diesen abgeleiteten „großen historischen Erzählungen“ nicht vereinbar. Deshalb lehnen wir sie heute als falsch ab.

Das derzeitige „Standardmodell“

Das in den letzten Jahrzehnten dominante Modell der Erklärung der Herkunft „der Kelten“ kann als hinrei-chend bekannt vorausgesetzt werden um hier nicht genauer dargestellt werden zu müssen. Auch wurde es bereits deutlich inhaltlich kritisiert (z. B. Collis 2003), es genügt an dieser Stelle also sich auf die Argumen-tationsstruktur zu konzentrieren, die zum „Standard-modell“ geführt hat, sowie einige Probleme mit diesem kurz darzustellen.

Das derzeitige „Standardmodell“ geht davon aus, dass „die Kelten“ in Mitteleuropa entstanden seien und, in der engsten Auslegung, die Herkunft „der Kel-ten“ mit der Entstehung der Latènekultur gleichzu-setzen sei oder in dieser wenigstens ihren Ausdruck finde (z. B. Urban 2007: 607). In weniger engen Aus-legungen werden diesen „Kelten im engeren Sinn“ noch „frühe Kelten“ vorangestellt, die im Wesent-lichen mit der westlichen Hallstattkultur gleichzuset-zen seien (z. B. Krausse 2006; Spindler 2007).

Die Struktur der Argumentation ist bei diesem Mo-dell (gleichgültig welcher Fassung) im Wesentlichen die, dass historische Nachrichten die Existenz von „Kelten“ etwa zu der Zeit und etwa in dem Raum belegen würden, in dem bestimmte archäologische Kulturen (eben die westliche Hallstatt- und/oder die Latènekultur) ebenfalls verbreitet wären und in dem auch keltische Sprachen nachgewiesen wären. Die-se Daten werden anschließend in die alte Kossinna-Formel „Für alle Zeiten t1-tn gilt: jeder beliebige Raum Rx (gekennzeichnet durch Eigenschaften a, b, c) entspricht dem Verbreitungsgebiet eines bestimmten Volkes Vx“ (Karl 2010a: 98) eingesetzt und zum „Ursprungspunkt“ der ältesten nachweisbaren Eigenschaft zurückverfolgt, der mit der „Ethnogenese“, also der „Herkunft“ des ge-suchten „Volkes“, gleichgesetzt wird.

Abgesehen davon, dass dieses Modell auch am Pro-blem leidet, dass sich mit Ausnahme einer wenigs-tens als fraglich zu betrachtenden frühen Nennung „der Kelten“ in Mitteleuropa bei Herodot (Histo-rien II, 33) alle frühen Belege für „die Kelten“ und für „Keltisches“ auf Regionen außerhalb Mitteleu-ropas beziehen (Hekataios, die anderen Nennungen in Herodot Historien II, 33 und IV, 49, die Nach-weise für Lepontisch in Norditalien und neuerdings – wenn man der Interpretation von Koch 2009 fol-gen möchte – für Tartessisch im Südwesten der iberischen Halbinsel), leidet es auch an ganz grund-sätzlichen Problemen. Diese sind in erster Linie, dass die von Kossinna (1920: 3) kodifizierte Gleichsetzung von Ethnizität und Materialkultur nicht notwendiger-weise gegeben sein muss, dass daher natürlich auch die Rückverfolgung von Ethnizität auf Basis der (mate-riellen) Kultur nicht zulässig ist, aber auch und ganz besonders daran, dass ihm ein viel zu simplistisches Verbreitungsmodell von Kultur zu Grunde liegt: Kul-tur verbreitet sich gemäß dieses Modells nur in einer Richtung, nämlich von den „Überlegenen“ zu den „Unterlegenen“. Schon allein aus diesen Gründen ist es heutzutage nicht mehr haltbar.

Gleichzeitig illustriert dieses Modell auch ganz deut-lich ein von Pauli (1980) andeutungsweise identifi-ziertes Problem: was bedeutet es eigentlich „keltische“ Geschichte zu schreiben? Das derzeitige „Standard-modell“ versteht „die Kelten“ als ein Ding, dessen Ge-schichte geschrieben wird (die konkrete Vorstellung ist wohl am ehesten als eine „Nation“, deren Ereignisge-schichte geschrieben werden soll), ähnlich als wenn man eine Biografie schreiben wollte, z. B. einer his-torischen Person oder aber eines Objekts wie eines Tisches oder eines Stuhls. Dies entspricht übrigens wenigstens grundsätzlich den Vorstellungen, die auch den frühen Erklärungsversuchen zu Grunde liegen, in denen der mythische Ahnherr der jeweiligen Er-klärung letztendlich auch als Platzhalter für alle seine Nachfahren dienen kann.

Das Palaeolithic Continuity Paradigm (PCP)

Die frühen Versuche und das „Standardmodell“ sind aber keineswegs die einzigen Vorschläge, die in Bezug auf die Herkunft “der Kelten” gemacht wurden. Ein

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weiteres Modell, das etwa seit den 1990ern von eini-gen Kollegen, insbesondere in Italien, vertreten wird, kommt zu ganz anderen Ergebnissen (Alinei 2010; Alinei & Benozzo 2008): das von seinen Proponenten als „paläolithisches Kontinuitätsparadigma“ bezeich-nete Modell geht davon aus, dass keltische Sprachen bereits im Spätpaläolithikum im Bereich ihrer späteren Verbreitungsschwerpunkte gesprochen wurden und die Entstehung „der Kelten“ daher ebenfalls in dieser Zeit anzusetzen ist (Alinei & Benozzo 2008: 20–5).

Die Argumente, die hierfür ins Feld geführt werden, müssen hier nicht im Detail besprochen werden, denn diese habe ich erst zuletzt (Karl 2010b) anhand eines Beispiels dargestellt, aber die Grundstruktur ihres Ar-guments, das die Proponenten des PCP selbst in ihrer veröffentlichten Einleitung zu ihrem Paradigma dar-stellen, verdient eine genauere Betrachtung:

“If the demonstration of continuity, as James Mallory has had to admit, is ‘the archaeologists’ easiest pursuit” (Mallory 1989, 81), then it follows:(1) that also for the question of European origin, the easi-est working hypothesis is the continuity model, and no other alternative;(2) that consequently the burden of proof now lies on the (Chalcolithic or Neolithic) invasionist’s shoulders, and not on the anti-invasionist’s;(3) that as long as no alternative theory provides irrefutab-le counter-evidence, the Paleolithic Continuity can be consi-dered as the winning theory.” (Alinei 2010)

Auf den ersten Blick wirkt dieses Argument nicht unattraktiv – Kontinuität ist in der Archäologie am leichtesten nachzuweisen, daher kann sie vorausgesetzt werden. Muss sie aber tatsächlich immer dann vor-ausgesetzt werden, wenn kein unwiderlegbarer Ge-genbeweis geführt werden kann? Wohl kaum, denn bekanntermaßen sollte die Absenz (vor allem eindeu-tiger) Evidenz niemals als Evidenz für Absenz bewertet werden. Und noch bedeutender, warum sollte archä-ologische Evidenz in irgendeiner Weise aussagekräftig sein, was Sprachkontinuität betrifft?

Das PCP leidet also, noch stärker als viele andere Herkunftsmodelle, am Problem der Koppelung von Sprache und Archäologie, die in der dem Modell zu Grunde liegenden Art keinesfalls vorausgesetzt werden kann. Selbst wenn sich archäologisch tatsächlich eine Kontinuität vom Spätpaläolithikum bis ans Ende der

Eisenzeit nachweisen lassen sollte, sagt das nichts über die Kontinuität von Sprachen im gleichen Zeit-Raum aus – einmal davon abgesehen, dass sich archäologisch stets nicht nur Kontinuität, sondern ebenso stets auch dauernder Wandel nachweisen lässt – das Kontinui-tätsmodell kann also überhaupt nur dann halten, wenn man Kontinuität (so wie das PCP tut) a priori größere Bedeutung zuschreibt als Wandel. Damit wird jedoch das Kontinuitätsmodell zur selbsterfüllenden Prophe-zeiung (Watzlawick 1999), der Schluss des PCP er-weist sich als klassischer Zirkelschluss.

Schließlich ist es noch wert zu bemerken, dass sich auch die dem Modell des PCP zu Grunde liegende Vorstellung letztendlich wenig von anderen bisher vorgeschlagenen Herkunftsmodellen unterscheidet: das PCP versteht „die Kelten“ ebenso sehr als ein „Ding“ bzw. als eine „Person“, deren Biografie ge-schrieben werden kann, quasi als „organische Ein-heit“, bei der jedes einzelne Element (jeder einzelne „Kelte“) als Platzhalter für das Ganze (alle „Kelten“) stehen kann, wie die frühen Erklärungsversuche und das „Standardmodell“.

Die neolithische Variante – wandernde Bauern aus dem Osten

In den späten 1980ern entwickelte Colin Renfrew (1989) ein neues Modell zur Herkunft „der Indoger-manen“, die gemeinhin als (mehr oder minder ferne) „Vorfahren“ der „Kelten“ betrachtet werden. Dieses Modell kennzeichnet sich in erster Linie durch drei Kernaussagen:

Erstens schlägt Renfrew eine weit frühere Ent-stehungszeit des Indogermanischen vor als vom dominanten Modell der „Indogermanisierung“ ange-nommen. Das „Standardmodell“ der Herkunft „der Indogermanen“ geht von einer Entstehung der indo-germanischen Sprachen und der damit herkömmli-cherweise verbundenen kulturellen Eigenheiten im Zeitraum zwischen ca. 4500–2500 v.Chr. aus (Mallory 1989: 127). Renfrew (1989: 266) hingegen geht von einer Entstehung der indogermanischen Sprachen spätestens im 7. Jahrtausend v.Chr. aus.

Zweitens schlägt Refrew einen anderen als von „Standardmodell“ der Herkunft „der Indogermanen“ angenommenen Entstehungsort vor: geht das „Stan-

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dardmodell“ der „Indogermanisierung“ von einer Herkunft „der Indogermanen“ in der Region nörd-lich von schwarzem und kaspischem Meer aus (Mal-lory 1989: 186–221), schlägt Renfrew (1989: 266–73) eine Entstehung dieser Sprachfamilie im östlichen Anatolien vor.

Drittens, und für uns am bedeutendsten, schlägt Ren-frew einen anderen als den „herkömmlichen“ Verbrei-tungsmechanismus für die indogermanischen Sprachen vor: statt der vom „Standardmodell“ der „Indoger-manisierung“ bevorzugten Modell der frühen Aus-breitung durch „nomadisierende Kriegerverbände“, hauptsächlich während der Bronzezeit, will Renfrew (1989: 145–77) stattdessen die Verbreitung der indoger-manischen Sprachen mit der Neolithisierung Europas koppeln (etwas, das später zum universellen frühen Sprachverbreitungsprinzip erhoben werden sollte, vg. Bellwood & Renfrew 2002). Dies hat gemäß Renfrew (1989: 266) den Vorteil die Sprachverbreitung an einen wohldefinierten demographischen Prozess zu koppeln, der diese leichter zu erklären erlaubt als herkömm-liche Modelle. Dem Modell Renfrews zufolge errei-chen damit die indogermanischen Sprachen (mit der Neolithisierung) etwa im 5. Jahrtausend v.Chr. West-europa (Renfrew 1989: 159–65, 225–49), wo sich aus ihnen vor Ort (d. h. in ihrem später historisch belegten Verbreitungsgebiet) in weiterer Folge die keltischen Sprachen entwickeln.

In seiner Struktur unterscheidet sich Renfrews Mo-dell damit allerdings nur sehr wenig sowohl vom „Stan-dardmodell“ der Herkunft „der Kelten“ als auch vom Herkunftsmodell des PCP: es werden nur andere Orte und Zeiten eingesetzt und ein anderes archäologisches Phänomen zum „maßgeblich“ die Sprachentstehung und -verbreitung anzeigenden Phänomen erklärt. Tat-sächlich gesteht das sogar Renfrew (1989: 266) selbst bis zu einem gewissen Grad ein, sieht jedoch einen maßgeblichen Unterschied zu früheren Erklärungs-versuchen in der besseren „demographischen“ Erklä-rung, die seinem Modell zu Grunde liegt – etwas, das sicherlich nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist (siehe dazu auch seine Ausführungen zu Sprachwan-del in Renfrew 1989: 120–44).

Wenngleich auch Renfrews Modell sicherlich eines der besten Modelle ist, die uns derzeit zur Verfügung stehen, leidet auch dieses Modell an zahlreichen Män-

geln und Problemen, nicht zuletzt daran, dass es, dem PCP sehr stark vergleichbar, großteils auf einer ur-sprünglichen Einwanderung von Sprechern „vor-keltischer“ Sprachen beruht, die sich später lokal in keltische Sprachen verwandeln, und damit ein sehr sta-tisches Modell ist.

Wodurch sich Renfrews Modell allerdings wohl-tuend von den anderen derzeit vorliegenden Vorschlä-gen für die Herkunft „der Kelten“ unterscheidet, ist sein Rückgriff auf eine Idee von Christopher Hawkes (1973), die der „kumulativen Keltizität“. Wie Hawkes sieht Renfrew (1989: 246) eine „Akkumulation“ kel-tischer Eigenschaften und schließt daraus, dass es nicht eine eindeutig lokalisierbare Herkuft „der Kelten“ geben muss, sondern das „Herkunftsland der Kel-ten“ der gesamte Bereich sei, in denen keltische Spra-chen gesprochen wurden. Dies stellt meiner Meinung nach einen Schritt in die richtige Richtung dar, auch wenn die Modelle Hawkes‘ und Renfrews letztend-lich meiner Meinung nach nicht weit genug gehen, sondern weiterhin davon ausgehen, dass diese Akku-mulation letztendlich zu einem „Ding“ führt, dass „keltisch“ ist. Dazu aber erst später.

„Keltisch“ aus dem Westen – ein neuer Vorschlag?

Das meines Wissens neueste Modell zur Herkunft der Kelten wurde hauptsächlich in den 2000ern von John T. Koch und Barry Cunliffe entwickelt und wird in den jüngsten Publikationen, in denen es vor-gestellt wird, als radikal neues Paradigma dargestellt: das „Keltische“ entstand im fernen Westen Europas (Koch 2010; Cunliffe 2010), nicht wie vom „Standard-modell“ postuliert in Mitteleuropa. Damit unterschei-det es sich in seiner Herkunftsbestimmung allerdings eigentlich kaum, und schon gar nicht maßgeblich, von Renfrews (1989) Modell, das ja bereits ebenfalls die lokale Entstehung der keltischen Sprachen im Gebiet ihrer späteren Verbreitung postuliert hatte.

Cunliffe hängt seine Überlegungen auch tatsäch-lich mehr oder minder explizit an Renfrews Modell an bzw. an genauere Ausformungen dieses Modells von Seiten der historischen Sprachwissenschaft (Cun-liffe 2010: 34), beschäftigt sich jedoch genauer mit dem Ausbreitungsmechanismus, der keltische Spra-chen in der Zeit zwischen ca. 5000–1300 v.Chr. über

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den Raum ihrer später historisch bezeugten Verbrei-tung verbreitet haben soll: er schlägt vor, dass eine sich eventuell bereits vor 3000 v.Chr. ausgeprägt habende „keltische“ Sprache als lingua franca in den prähisto-rischen Kontaktnetzwerken entlang der europäischen Atlantikküste gedient haben und sich somit verbrei-tet haben könnte (Cunliffe 2010: 34–5; aber siehe für Gegenargumente bereits Isaac 2004). Die „Hauptaus-breitungsphase“ des „Keltischen“ vermutet Cunliffe in den altantischen Glockenbecherkulturen, in de-nen er archäologisch einen besonders hohen Grad an, ja nachgerade eine „Explosion“ von, Mobilität zu er-kennen glaubt (Cunliffe 2010: 27–31).

Koch (2010: 192) hingegen akzeptiert, dass aus lin-guistischen Gründen „östliche“ Elemente im „Kel-tischen“ vorkommen, die eine Nahebeziehung von wenigstens einer Vorform der keltischen Sprachen zu ostindogermanischen Sprachen wie Indo-Iranisch und Griechisch nahelegen (z. B. Isaac 2004), wenn auch wenigstens einige Jahrhunderte vor ca. 1650 v.Chr., ja vermutlich sogar im 3. Jahrtausend vor Christus. Wenn man Renfrews Modell der Verbreitung der indoger-manischen Sprachen folgte, käme man eventuell sogar bis ins 5. Jahrtausend vor Christus zurück (Koch 2010: 193). Es wäre daher vorstellbar, dass eine Gruppe von (vergleichsweise frühen) Indogermanen als Seefah-rer das Mittelmeer in westlicher Richtung überquer-ten, bis sie die europäische Atlantikküste erreichten, wo sich anschließend ihre Sprache zum „Keltischen“ entwickelte und sich mittels der von Cunliffe vorge-schlagenen Mechanismen verbreitete. Das von Koch (2009; 2010) als „keltisch“ identifizierte, ab dem 8. Jahrhundert v.Chr inschriftlich belegte, Tartessisch im Südwesten der iberischen Halbinsel lege ein solches Modell wenigstens insofern nahe, als die herkömm-liche Identifikation der „Kelten“ mit der europä-ischen Eisenzeit auf Grund dieser frühen Datierung der nunmehr ältesten „keltischen Sprache“ nicht mehr haltbar sei (Koch 2010: 190–2). Cunliffe (2001) fol-gend argumentiert Koch daher für eine Verbreitung des „Keltischen“ als lingua franca der atlantischen Spätbronzezeit.

Trotzdem Cunliffe und Kochs Vorschlag (bzw. viel-leicht besser: Vorschläge) weit komplexer ist als man-che frühere Modelle inklusive des „Standardmodells“ der Herkunft „der Kelten“, leidet ihr Modell an den

gleichen Problemen wie bisherige Vorschläge und stellt daher meiner Meinung nach, wie ich auch bereits an-dernorts ausgeführt habe (Karl 2010c), keineswegs ein neues Paradigma dar. Immer noch wird versucht die Sprachentstehung an einem bestimmten Ort in Raum und Zeit zu lokalisieren von dem sich diese Sprache und ihre Nachfolgesprachen dann verbreitet hätten (cf. Cunliffe & Koch 2010: 7), und diese Sprachver-breitung dann auch archäologisch zu zeigen versucht, indem man bestimmte archäologische Phänomene mit angeblich mit ihnen verbundenen linguistischen Phänomenen zu koppeln versucht. Das grundle-gende Argumentationsmuster bleibt also das Gleiche, es unterscheidet sich dieses Modell von anderen nur dadurch, mit welchen konkreten archäologischen Phä-nomenen die Verbreitung der betreffenden Sprachen zu koppeln versucht wird und die Herkunft „der Kel-ten“ anschließend mit der (postulierten) Herkuft der „keltischen Sprache“ gleichgesetzt wird.

„Die Kelten“ – Das Volk das aus dem Dunkel kam?

Neben diesen „wissenschaftlichen“ Erklärungen der Herkunft „der Kelten“ gibt es auch eine Reihe an-derer, heutzutage nicht (mehr) als „wissenschaftlich“ betrachteter, Erklärungen, die aber dennoch – insbe-sondere in der Öffentlichkeit – einigermaßen weit verbreitet sind. Ohne genauer auf diese eingehen zu wollen kann man zusammenfassend sagen, dass ihnen gemein ist, dass „die Kelten“ jeweils als ein „Volk“ verstanden werden, das neuerlich als „Objekt“ bzw. „Person“ quasi-biografisch behandelt werden kann. Als Einheit verstanden gehen diese Erklärungen ge-wöhnlich davon aus, dass Sprache, immaterielle Kultur (Glaubens- und andere gemeinsame Vorstellungen, so-ziales Verhalten, politisches Verhalten und gemeinsames politisches Handeln) und seltener auch materielle Kultur und biologische Abstammung aneinander ge-koppelt sind und somit eine Herkunft „der Kelten“ in bestimmten, mehr oder minder genau lokalisierbaren, historischen Kontexten zu bestimmen erlauben.

Dabei sind diese „populären“ Vorstellungen ge-meinhin mehr oder minder deutlich von (teilweise oder gänzlich veralteten) fachlichen Vorstellungen be-einflusst: es wird entweder das herkömmliche „Stan-dardmodell“ übernommen oder „die Kelten“ mit

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den Erbauern der Megalithen gleichgesetzt, als ers-te (paläolithische) Einwohner Westeuropas betrach-tet oder auch als bronzezeitliche Einwanderer aus den östlichen Steppengebieten Europas. Darüber hinaus spielen auch (teilweise wenigstens ebenso veraltete) politische und/oder religiöse Ideologien eine Rol-le in „populären“ Antworten auf die Herkunftsfra-ge, so die Vorstellungen, dass „die Kelten“ die „echt rassenreinen“ Indogermanen (Arier) oder aber von biblischer Abstammung wären.

Konsequenterweise entsprechen die Argumenta-tionsmuster in derartigen „populären“ Theorien zur Herkunft „der Kelten“ den im Fach gängigen Argu-mentationsmustern, d. h. es wird teilweise über (pseu-do-)sprachwissenschaftliche Spekulationen, teilweise über eine Interpretation historischer Quellen, teilwei-se durch Anbindung an archäologische Quellen ein Herkunftsort und eine Herkunftszeit „der Kelten“ zu zeigen versucht. Das Spektrum an Ergebnissen ist hier naturgemäß etwas breiter als in fachwissenschaftlichen Herkunftserklärungen (so wird z. B. auch die Herkunft der Kelten aus Atlantis oder Vergleichbares argumen-tiert), aber unterscheidet sich ansonsten nur unmaß-geblich von den „seriöseren“ fachwissenschaftlichen Erklärungen.

Die Kelten vom Mars? Allgemeines zur Struktur von Herkunftserklärungen

Wenngleich sich alle diese Erklärungen der Herkunft „der Kelten“ natürlich in vielen Aspekten unterschei-den, sind sie sich alle strukturell auch in gewisser Weise ähnlich. Sie kennzeichnen sich (nahezu) alle dadurch, dass ein bestimmter, konkret bestimmbarer Herkunfts-ort und eine ebenso konkrete Herkunftszeit zu be-stimmen versucht wird, von dem „das Keltische“ seinen Ausgang genommen haben soll. Dieser wird entweder a priori postuliert oder aber von einem vor-geblich „unbestreitbaren“ Punkt in Raum und Zeit, an dem „das Keltische“ sicher existiert haben soll, auf die eine oder andere Methode bis zu seinem angeb-lichen „Anfängen“ zurückzuverfolgen versucht. Wo-durch sich die verschiedenen Modelle unterscheiden, ist in erster Linie, welche „Verfolgungsmethode“ von den jeweiligen Autoren eines Modells als „akzeptabel“ oder sogar „notwendig“ erachtet wird.

Um dies noch zusätzlich zu verdeutlichen, soll hier ein alternatives Modell entwickelt werden, das in sei-ner Argumentationsstruktur den bisher entwickelten Modellen gleicht, aber hoffentlich als ausreichend abs-trus erkennbar ist, dass es nicht als ernst zu nehmendes Alternativmodell betrachtet werden wird: ich werde zu zeigen versuchen, dass „die Kelten“ in Wirklichkeit kleine grüne Männchen von Mars waren.

Alles, was dafür notwendig ist, ist ein Ausgangspunkt, eine Annahme und ein paar mehr oder minder will-kürlich gewählte Daten (archäologische Funde):• Der „unbestreitbare“ Ausgangspunkt, von dem ich

ausgehe, ist, dass die Erzeuger der Latènekultur „sicherlich“ „die Kelten“ waren, die Gründe dafür (historische Nachrichten etc.) sind hinreichend be-kannt und bedürfen keiner weiteren Ausführung.

• Die Annahme, von der ich ausgehe, ist, dass sich nie-mand selbst in falscher Farbe und Größe darstellen würde.

• Die Evidenzen, die ich heranziehen möchte, sind die figürlichen Kleinbronzen der Latènezeit, z. B. die figürliche Fibel von Dürrnberg bei Hallein Grab 134 (Moser 2010: 75)Daraus lässt sich logisch einwandfrei entwickeln,

dass „die Kelten“ kleine grüne Männchen gewesen sein müssen (noch dazu mit sehr seltsamen Gesichts-zügen, die ganz und gar nicht menschlich wirken). Und nachdem jeder weiß, dass kleine grüne Männ-chen vom Mars kommen, muss die Herkunft der Kel-ten folgerichtig am Mars gesucht werden. Daraus ließe sich dann in weiterer Folge auch eine Datierung ent-wickeln, nämlich wenigstens unmittelbar vor dem ers-ten Auftreten solcher Kleinplastiken.

Dieses Modell ist natürlich offensichtlich absurd, zeigt aber deutlich die Argumentationsstruktur, die auch allen anderen bisherigen Modellen zur Her-kunft „der Kelten“ zu Grunde liegt: wesentlich ist für alle verschiedenen Modelle einzig und allein die zen-trale Annahme, was „die Kelten“ zu „Kelten“ macht, das heißt jene Eigenschaft(en), die als zur Bestim-mung der Herkunft „der Kelten“ maßgeblich erachtet wird. Daraus, welche Eigenschaft das ist (bzw. welche Eigenschaft ein bestimmter Autor zur Herkunftsbe-stimmung wählt), ergibt sich dann, welche „Evidenz“ verfolgt werden muss um die Herkunft „der Kelten“ bestimmen zu können.

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Das nächste Problem, dem wir uns widmen müssen, ist daher, wie man die Eigenschaft bzw. die Eigenschaften bestimmen kann, die maßgeblich sind um „die Kel-ten“ überhaupt erst als „Kelten“ bestimmen zu kön-nen. Dies ist tatsächlich auch die andere zentrale Frage, mit der sich unsere Wissenschaften seit ihrer Entste-hung beschäftigen: Was sind „die Kelten“ überhaupt?

Was sind „die Kelten“?

Bevor wir uns der eigentlichen Frage zuwenden, auch hier ein kurzer historischer Überblick um we-sentliche Gemeinsamkeiten bisheriger Vorschläge herauszuarbeiten.

Die frühen Antiquare

Als „frühe Antiquare“ bezeichne ich hier jene Per-sonen, die sich (hauptsächlich zwischen dem späten 16. und Mitte des 19. Jahrhunderts n.Chr.) vor der Entwicklung der wissenschaftlichen Spezialdiszipli-nen, die sich heute mit „den Kelten“ beschäftigen, mit der „(Vor-) Geschichte der Kelten“ beschäftigt haben. Diese gingen, aufbauend auf den historischen Nach-richten aus der klassischen Antike, davon aus, dass ein „Volk“ bzw. eine „Rasse“ namens „Kelten“ existierte bzw. in der Antike existiert hat.

Gemäß den in diesen Zeiten vorherrschenden wis-senschaftlichen Praktiken, die letztendlich der aristote-lischen Logik folgten (dazu später noch mehr), waren die frühen Antiquare in erster Linie daran interessiert die charakteristischen Eigenschaften, die diese „Kel-ten“ auszeichneten, zu beschreiben. Dass „Völker“ bzw. „Rassen“ (eine strenge Unterscheidung zwischen die-sen beiden Begriffen wurde zu dieser Zeit gemeinhin nicht vorgenommen) bzw. die Angehörigen solcher sich durch bestimmte, charakteristische Eigenschaften auszeichneten, war – der Praxis der antiken Ethnogra-phie folgend – weitgehend unbestritten, ebenso dass es sich dabei sowohl um charakteristische physische, mentale und spirituelle, aber auch um kulturelle und linguistische Eigenschaften handelte.

Um zu Ergebnissen zu kommen verließen sich die frühen Antiquare dabei durch die Bank auf ein wenig ausgeformtes Verständnis induktiver Logik, gewöhn-lich auf Basis von eigenen Beobachtungen und / oder

Beschreibungen verlässlicher Gewährsleute. Wurde eine Beobachtung eines einzelnen Elements oder Ver-treters der angenommenen Gruppe (des „Volks“ bzw. der „Rasse“) „X ist gekennzeichnet durch Eigenschaft Y“ wiederholt gemacht, wurde daraus erschlossen, dass auch die allgemeine Aussage „alle X sind gekennzeich-net durch Eigenschaft Y“ wahr sei.

Auf dieser Basis wurde der Begriff „keltisch“ bzw. die Bezeichnung „Kelten“ als eine generische eth-nische bzw. rassische Bezeichnung für alle in der west-europäischen Urgeschichte gelebt habenden Personen und deren Hinterlassenschaften verwendet. Die Ver-wendung basierte dabei in erster Linie auf biblischen Chronologien und Erklärungsmodellen (so z. B. die Wanderungen nach dem Fall des Turms zu Babel und der babylonischen Sprachverwirrung; cf. Collis 2003; Morse 2005). Erklärungen waren – wenigstens im Sinn der sich später abspaltenden Einzeldisziplinen – noch weitgehend „holistisch“, d. h. die Begriffe „kel-tisch“ und „Kelten“ wurden quer über die sich erst entwickelnden fachlichen Spezialisierungen hinweg verwendet.

Die frühen Fachwissenschafter

Als “frühe Fachwissenschafter” bezeichne ich hier jene Personen, die sich (hauptsächlich von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts n.Chr.) dar-um bemüht haben ihre sich (unter anderem auch) mit „Kelten“ befassenden jeweiligen wissenschaftlichen Spezialgebiete in eigenständige akademische Diszi-plinen zu verwandeln bzw. innerhalb der sich bereits entwickelt habenden akademischen Einzelfächer ihren jeweiligen Forschungsgegenstand präziser zu fassen.

Diese haben, manchmal zum Zweck ihre eigene Spezialdisziplin von anderen „antiquarischen“ bzw. „historischen“ Disziplinen abzuheben, öfter aber wohl rein der inneren Logik ihrer im Entstehen begrif-fenen oder bereits entstandenen Disziplin folgend, zu bestimmen versucht, was bzw. welche Eigenschaften bestimmte klassifikatorische Gruppen innerhalb ihrer jeweiligen Disziplin charakterisierten. Dabei ist die-ser „disziplinäre“ Ausformungsprozess natürlich nicht in allen Einzelfächern exakt gleichzeitig abgelaufen: die „Konkretisierung“ einer historischen Sprachwis-senschaft begann zweifellos bereits im frühen 18. Jahr-

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hundert mit Arbeiten wie jener von Lhuyd, auch wenn sie wohl erst im späten 18. und frühen 19. Jahrhun-dert zu einem Abschluss kam. Geschichte und phy-sische Anthropologie folgten hauptsächlich im frühen bis mittleren 19. Jahrhundert, die („keltische“) Kunst-geschichte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und die Archäologie gegen Ende des 19. und im frü-hen 20. Jahrhundert (cf. Collis 2003).

Bereits mehr oder minder stark dem Positivismus verpflichtet, versuchte man nun in erster Linie mittels induktiver Logik die charakteristischen Eigenschaften des „eigenen Forschungsgegenstandes“ genauer zu definieren und entfernte sich damit natürlich bis zu einem gewissen Grad voneinander. Dennoch wur-de, den antiken Zeugnissen und der antiquarischen Tradition folgend, die Existenz eines (antiken) „kel-tischen“ Volkes bzw. einer ebensolchen „Menschen-rasse“ weiterhin vorausgesetzt. Und nachdem man – ebenfalls der antiquarischen Tradition folgend, aber auch um weiterhin wenigstens bis zu einem gewissen Grad auch miteinander über entstehende disziplinäre Grenzen hinweg sprechen zu können, von jeder ein-zelnen Fachwissenschaft versucht die eigenen „diszip-linären“ Erklärungen und Klassifizierungen mit einer großen Metaerzählung der europäischen (Vor-) Ge-schichte zu verbinden.

Dennoch entwickelte jede Einzeldisziplin nun ihre eigenen – wenigstens einen, manchmal mehrere – Kel-tenbegriffe und Keltendefinitionen. In der Sprach-wissenschaft wurden nun Sprachen mit bestimmten, charakteristischen Eigenschaften als „keltisch“ klas-sifiziert, in der Kunstgeschichte ein bestimmter Stil, in der Archäologie bestimmte Materialkulturen, etc. Die jeweiligen Keltenbegriffe wurden also nun nur mehr bedingt (nämlich soweit das zur Einbindung in die Metaerzählung notwendig war) holistisch verstan-den, sondern ihre innerdisziplinäre Bedeutung stand im Vordergrund. Dennoch hatte sich daran, was ge-sucht wurde, wenig geändert: das, was charakteristisch „keltisch“ war.

Die traditionellen Keltologen

Als „traditionelle Keltologen“ bezeichne ich, mehr oder minder der Diktion von John Collis (2010: 37) fol-gend, jene Wissenschafter, die sich (hauptsächlich zwi-

schen spätem 19. und frühem 21. Jahrhundert n.Chr.) mit „den Kelten“ in interdisziplinärer Weise beschäf-tigt haben und die dabei wenigstens bis vor kurzem vor allem das oben als „Standardmodell“ bezeichne-te Modell vertreten haben, vor allem aber ebenfalls davon ausgegangen sind, dass ein „Volk“ (moderner eventuell als „Ethnie“ bezeichnet) bzw. eine „Rasse“ namens „Kelten“ in der Antike existiert hat. Diese An-nahme beruht natürlich in erster Linie neuerlich auf den historischen Berichten aus der klassischen Antike, zusätzlich verstärkt durch die antiquarischen und frü-hen fachwissenschaftlichen Traditionen „die Kelten“ als real existierendes Objekt zu betrachten.

Als mehr oder minder interdisziplinär arbeitende Wissenschafter versuchten und versuchen diese „tradi-tionellen Keltologen“ die einzelnen disziplinären Tra-ditionen auf die eine oder andere Art zu synkretisieren und kamen dadurch zum oben genannten „Standard-modell“, das sozusagen als der „kleinste gemeinsame Nenner“ der einzelnen disziplinären Traditionen und Erklärungsmodelle angesehen werden kann. Ziel der Synthetisierung war und ist dabei die „gemeinkel-tischen“ Eigenschaften zu identifizieren, die „die Kel-ten“ überhaupt erst zu „den Kelten“ machen.

Die dem „Standardmodell“ zu Grunde liegende Snythetisierung hat sich dabei deshalb besonders an-geboten, weil sie durch eine gewisse Korrespondenz bestimmter, in den einzelnen Fachwissenschaften maßgeblicher, Eigenschaften deutlich begünstigt wird: die wenigstens in der späten Eisenzeit tatsächlich ge-benene, doch einigermaßen deutliche, wenn auch nicht exakte, Überschneidung der Verbreitungsgebiete von sprachwissenschaftlich bestimmten „keltischen Sprachen“, kunstgeschichtlich bestimmter „keltischer Kunst“, archäologisch bestimmter „keltischer Mate-rialkultur (Archäologie)“ und historisch nachweis-barer „Keltenbelege“ in antiken Nachrichten. Dass diese Überschneidung besteht, beruht zwar wenigs-tens teilweise auch darauf, dass die sich entwickeln-den Einzeldisziplinen ihre jeweiligen Fachbegriffe in antiquarischer Tradition in Hinblick auf eine „ge-meinsame“ Metaerzählung entwickelt haben, ist aber auch bei „unvoreingenommener“ Betrachtung der Evidenz tatsächlich gegeben, wenigstens im späteisen-zeitlichen Gallien. Das ermöglichte bzw. erleichterte die Anwendung (probabilistischer) induktiver Logik

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auf „die Kelten“ als Gesamtheit: wenn sich die Beob-achtung „Sprache X überschneidet sich mit Kunst X, Archäologie X und historischen Nennungen von X“ wenigstens einigermaßen oft wiederholen lässt, lässt sich daraus der wahrscheinlichkeitsinduktive Schluss „Sprache X überschneidet sich (so gut wie) immer mit Kunst X, Archäologie X und historischen Nennungen von X“ ziehen und lassen sich somit „charakteristische keltische Eigenschaften“ scheinbar identifizieren.

Annahmen und Aufgaben

Was alle diese Ansätze, seien sie die der frühen Anti-quare, der Fachwissenschafter oder der traditionellen Keltologen, verbindet, sind einige grundsätzliche An-nahmen und eine bestimmte Vorgehensweise.

Die erste grundsätzliche Annahme, die alle diese Ansätze verbindet, ist der als Grundprämisse zu ver-stehende Glaube, dass „die Kelten“ als eine ontische Entität existiert haben (oder auch noch existieren), das heißt als ein „Ding“, das eo ipso, also unabhängig von Beobachtern oder unseren Denkprozessen, existiert hat oder noch existiert. In anderen Worten: etwas, das es wirklich gab (oder auch noch gibt), etwas, das völ-lig unabhängig davon, was wir uns denken, da war oder da ist, wie ein Tisch oder ein Sessel.

Die zweite grundsätzliche Annahme, die alle die-se Ansätze verbindet, ist die ebenfalls als Grundprä-misse zu verstehende Vorstellung, dass „die Kelten“ als ontische Entität ebenso zu betrachten, zu verste-hen, zu behandeln und natürlich auch zu untersuchen sind wie alle anderen (physischen, eo ipso existie-renden) Dinge. Nachdem in klassischer westlicher Lo-gik Aristoteles und Platon folgend davon ausgegangen wird, dass Dinge eine charakteristische (eindeutige) Form haben, also Eigenschaften haben, die eindeu-tig und ausschließlich nur für das eine „Ding“ cha-rakteristisch sind, werden solche ontischen Entitäten als (intern) einheitlich und gleichförmig, also als uni-form, betrachtet. Gleichzeitig wird damit auch ange-nommen, dass ihre Ontogenese (die Geschichte des strukturellen Wandels einer Einheit ohne Verlust ihrer Organisation) der anderer (physischer) „Dinge“ ent-spricht: dass sie an einem bestimmten Punkt in Zeit und Raum entstehen, dass sie dann eo ipso existieren, dass sie sich zwar ändern können, aber wenn sie sich

ändern, dennoch ihre Uniformität bewahren (so wie ein Mensch oder ein Gegenstand zwar altern und sich dadurch verändern kann, aber dennoch weiterhin der Mensch bzw. der Gegenstand bleibt, der er früher war und auch weiterhin, wenigstens zu jedem konkreten Zeitpunkt innerhalb seiner Ontogenese, intern ein-heitlich und gleichförmig bleibt), und dass sie gegebe-nenfalls auch aufhören können zu existieren, also z. B. sterben oder zerstört werden.

Daraus leiten sich dann die Aufgaben ab, die man als in der oben ausgeführten Tradition „keltologisch“ forschender Wissenschafter erfüllen muss um „das Kel-tische“ auch korrekt identifizieren zu können: man muss die Eigenschaften finden, die wiederholt beob-achtet werden können (also die einander ähnlich oder gar gleich sind) und die einzigartig für „die Kelten“ sind, die also „das Keltische“ eindeutig charakteri-sieren. Hat man diese „eindeutig charakteristischen“ Eigenschaften erst einmal gefunden, dann erweist sich alles, was diese Eigenschaften ebenfalls aufweist, als „keltisch“. Indem man diese Eigenschaften dann in die Vergangenheit zurückverfolgt, kann man sich zum „Ursprung“ des „Keltischen“ zurückhanteln und somit die Frage nach der Herkunft „der Kelten“ beantworten.

Die essentialistische Methode von Aristoteles (384–322 v.Chr.)

Diese Vorgehensweise geht letztendlich auf einen jener Autoren zurück, dem wir auch einige antike Nach-richten zu „den Kelten“ verdanken, nämlich auf den bekannten griechischen Philosophen Aristoteles. Die Bestimmung dessen, was „die Kelten“ nun wirklich zu „den Kelten“ macht, beruht nämlich letztendlich auf Aristoteles Erklärung, wie man zu „wahrem Wissen“ über die Welt gelangen kann, also auf seiner Epistemo-logie. Aristoteles hat dazu eine Methode entwickelt, die auf sogenannten essentialistischen Definitionen be-ruht. Er unterscheidet nämlich zwischen zwei Arten von Wissen: demonstrativem und intuitivem Wissen.

Demonstratives Wissen ist solches Wissen, das be-wiesen werden kann, indem man auf Prämissen auf-bauend logische (induktive, abduktive oder deduktive) Schlussfolgerungen zieht: sind die Prämissen richtig, ist, so kann man verkürzt sagen, auch die Schlussfolge-

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rung richtig. Nun besteht jedoch ein ernstes logisches Problem mit demonstrativem Wissen: nachdem de-monstratives Wissen stets auf Prämissen aufbauen muss, können wir nicht alles Wissen beweisen, denn die Prämissen würden wiederum selbst bewiesen wer-den müssen, was jedoch weitere Prämissen voraussetzt, die ihrerseits wieder bewiesen werden müssten, ad infi-nitum. Der Versuch alles Wissen zu beweisen führt also in einen unendlichen Regress.

Daher, sagt Aristoteles, müssen wir die Existenz von Grundprämissen annehmen. Grundprämissen sind sol-che Prämissen, deren Wahrheit nicht bezweifelt wer-den kann und die daher keines Beweises bedürfen (Popper 1980: 16). Nachdem ihre Wahrheit nicht ge-zeigt (demonstriert) werden muss, ja gar nicht de-monstriert werden soll oder kann, kann ihre Wahrheit nur intuitiv erfasst werden. Aristoteles schreibt dazu: „das Wissen um ein Ding besteht in der Kenntnis seines Wesens“ (Aristoteles, Metaphysik 1031b20; zitiert bei Popper 1980: 16). Dieses Wesen, so nimmt Aristote-les an, kann man erkennen, indem man die ontische Wirklichkeit beobachtet.

Was ist nun aber dieses nur intuitiv zu erfassende „Wesen“ eines Dinges? Es ist dies eine Beschreibung der wesentlichen, der essentiellen, einzigartigen Eigen-schaften eines Dinges, seine Definition: „Eine Definition ist ein Satz, der das Wesen eines Dinges beschreibt“ (Aris-toteles, Topica I 5, 101b36; zitiert bei Popper 1980: 359) und: „Die Grundprämissen von Beweisen sind Defi-nitionen“ (Aristoteles, Post. Analytik II 3, 90b23; zitiert bei Popper 1980: 16, 359). Dabei ist es natürlich von eminenter Bedeutung, dass solche Definitionen tat-sächlich die essentiellen, und nicht etwa nur akziden-tielle, d. h. nicht wesentliche, Eigenschaften des intuitiv erkannten Dinges beschreiben: ein Satz wie „Ein Foh-len ist ein Tier mit vier Beinen“ ist zwar an sich „wahr“, aber es gibt auch zahlreiche andere Tiere mit vier Bei-nen, die Eigenschaft vier Beine zu haben ist also für die „Fohlenheit“ nicht wesentlich. Der Satz „Ein Fohlen ist ein junges Pferd“ hingegen beschreibt eine (die) we-sentliche Eigenschaft der „Fohlenheit“, weil ein junges Pferd zu sein eben die einzigartige, charakteristische Eigenschaft ist, die ein Fohlen zu einem Fohlen macht (Popper 1980: 17).

Daraus folgt, dass letztendlich alles Wissen in den Grundprämissen bereits enthalten ist (Popper 1980:

16) und dass, wenn wir nur unsere Definitionen rich-tig wählen, die Antwort auf jede Frage, die Lösung eines jeden (wissenschaftlichen) Problems sich nahe-zu ganz von selbst ergibt: es muss nur mit stringenter Logik aus den Grundprämissen die Antwort bzw. Pro-blemlösung abgeleitet werden.

Darum ist der Bestimmung der Grundprämisse, was nun „die Kelten“ zu „den Kelten“ macht, was ihre essentiellen Eigenschaften sind, in den bisherigen Beschäftigung mit den Kelten derart maßgebliche Be-deutung zugemessen worden. Um nur ein Beispiel dafür zu bringen, dass den Definitionen bis heute solch eminente Bedeutung zugemessen wird, ein Zi-tat aus einer jüngeren Arbeit von Otto H. Urban zu einer Methode der keltischen Archäologie: „Am An-fang jeglicher Methode stehen – insbesondere in der Tradition deutschsprachiger Wissenschaften – Definitionen bzw. Wort-erklärungen, welche den Rahmen abstecken sollen.“ (Urban 2007: 595).

Die „neuen Keltologen“

Als „neue Keltologen“ bezeichne ich, wiederum mehr oder minder der Diktion von John Collis (2010: 34–9) folgend, jene Personen, die sich (hauptsächlich im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert n.Chr.) kritisch gegen das „Standardmodell“ und generell den Ansatz der „traditionellen Keltologen“ geäußert haben. Die-se wurden in der Vergangenheit (auch von mir selbst) oft, hauptsächlich einem Artikel von Patrick Sims-Williams (1998) folgend, als „Keltoskeptiker“ bezeich-net, ein Begriff der jedoch inzwischen auch meiner Meinung nach eine Fehlbezeichnung ist (cf. Collis 2010: 34).

Abgesehen von wissenschaftsgeschichtlichen und -politischen Überlegungen, die aber hier von geringerer Bedeutung sind, kennzeichnet sich das Kernargument der „neuen Keltologen“ in erster Linie dadurch, dass diese (auf methodisch stringentere und auf wesentlich detaillierterer Beobachtung der Evidenz beruhender Weise) gezeigt haben, dass die von den „traditionellen Keltologen“ (angeblich oder tatsächlich) angenom-mene „Uniformität“ der „antiken Kelten“ keineswegs so „uniform“ ist, wie (angeblich oder tatsächlich) von den „traditionellen Keltologen“ behauptet.

Um dies zu erreichen haben sich die „neuen Kelto-

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logen“ in erster Linie darauf konzentriert darauf hin-zuweisen, dass die angebliche Überschneidung der Verbreitung von „keltischen Sprachen“, „keltischer Kunst“, „keltischer Archäologie“ und von „Keltenbe-legen“ in historischen Nachrichten nicht vollständig ist, sondern eben nur in gewissen Gebieten zu gewis-sen Zeiten besteht, in anderen Regionen der „tradi-tionellen keltischen Welt“ hingegen nicht (cf. Collis 2003). Ein klassisches und nahezu mantraartig wie-derholtes Argument ist dabei insbesondere in Bezug auf die (angeblichen) „Kelten“ der britischen Inseln, dass diese weder in irgendwelchen antiken Nachrich-ten als „Kelten“ bezeichnet wurden (zuletzt wieder Collis 2010: 33), aber dennoch von den „traditio-nellen Keltologen“, Edward Lhuyd folgend, stets als „Kelten“ bezeichnet und betrachtet werden. Für das „Standardmodell“ und die (angeblichen oder tatsäch-lichen) Argumente der „traditionellen Keltologen“ noch problematischer haben die „neuen Keltolo-gen“ (wenigstens teilweise) auch gezeigt, dass sogar eine „keltische Sprache“ nicht gleich beliebige andere „keltische Sprachen“ ist, eine „keltische Archäologie“ nicht gleich beliebige andere „keltische Archäolo-gien“, ja sogar „Keltenbelege“ in einer historischen Nachricht keineswegs mit „Keltenbelegen“ in an-deren historischen Nachrichten übereinstimmen (cf. Collis 2003).

Daraus haben die „neuen Keltologen“ dann abgelei-tet, dass es die (angeblich notwendige) „Uniformität“ der „Kelten“ der „traditionellen Keltologen“ nicht gibt und daher die von diesen als „essentielle“ Eigen-schaften „der Kelten“ bestimmten bzw. betrachteten Eigenschaften keine „essentiellen“ Eigenschaften „der Kelten“ sein könnten – und daraus gefolgert, dass es „die Kelten“ der „traditionellen Keltologen“ nicht gab bzw. gibt.

Immer noch die gleiche essentialistische Denk-weise

Trotz dieses scheinbar maßgeblichen Unterschieds zwischen „traditionellen“ und „neuen Keltologen“ hat sich jedoch an der zu Grunde liegenden Denk-weise kaum etwas geändert.

Für die „traditionellen Keltologen“ war die logische Formel zur Bestimmung der „Keltizität“ einer be-

stimmten Region, Zeit oder eines bestimmten Unter-suchungsgegenstandes die Folgende: „X (das Keltische) ist charakterisiert durch die Koinzidenz (das gemeinsame Auftreten) von Eigenschaften a (z. B. Sprache), b (z. B. Latènekunst), c (z. B. Latènekultur), etc.“. Nachdem sich die „traditionellen Keltologen“ tatsächlich traditio-nellerweise auf die Beobachtung von Ähnlichkeiten konzentriert haben, sind sie normalerweise zum glei-chen Ergebnis gekommen, eben (großteils) zum oben beschriebenen „Standardmodell“ und der Vorstellung einer weitgehend einheitlichen „keltischen“ Kultur.

Die „neuen Keltologen“ haben sich hingegen bei ihren Beobachtungen auf Unterschiede zwischen diesen Regionen, Zeiten etc. konzentriert und die-se „Unterschiede“ in die gleiche Formel eingesetzt. Nachdem sie durch das Einsetzen von Unterschieden nicht zu einer Koinzidenz der als „essentiell“ postu-lierten Eigenschaften gelangen, schließen sie daraus, dass die „traditionelle Definitionsformel“ für „das Keltische“ eben nicht die essentiellen Eigenschaften „des Keltischen“ erfasst und daher „die Kelten“ nicht in der von den „traditionellen Keltologen“ postulier-ten Form existiert haben können.

Die grundsätzliche Suche nach der „essentiellen“ Eigenschaft „der Kelten“ haben aber auch die „neuen Keltologen“ keineswegs aufgegeben, ganz im Gegen-teil: es wird nur eine andere Eigenschaft gewählt und zur essentiellen Eigenschaft „der Kelten“ erklärt, näm-lich ihre „Ethnizität“.

Ist Koinzidenz das Kernproblem?

Tatsächlich ist der Unterschied hier zwischen den „traditionellen“ und den „neuen Keltologen“ be-stenfalls marginal: das „Problem“ der nicht gegebe-nen (bzw. bloß unvollständig gegebenen) Koinzidenz ist seit langem auch den „traditionellen Keltologen“ nicht nur bekannt, sie haben es auch (durch ihre Vor-gehensweise gezwungener Maßen) schon seit langem dadurch zu lösen versucht, dass sie einfach eine be-stimmte Eigenschaft als „primär essentiell“ hervor-gehoben, die anderen (teilweise mit der als „primär essentiell“ überlappenden) Eigenschaften hingegen als von nur „sekundärer“ Essentialität, oder sogar als nur akzidentielle Eigenschaften, betrachtet haben. Ein ak-tuelles Beispiel dafür:

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„Of the various possible definitions of Celtic, a proven affiliation with the Celtic languages or (for non-lingu-istic evidence) a demonstrable close connection with them holds the advantages of detailed scientific precision and a remarkable theoretical stability since the Celtic linguistic family was discovered by the Oxford Welshman Edward Lhuyd over 300 years ago.” (Cunliffe & Koch 2010: 1–2)

Für Cunliffe und Koch ist also die “essentielle” Eigenschaft, die “die Kelten” erst zu “den Kelten” macht die Affiliation mit keltischen Sprachen, alle anderen Eigenschaften sind für sie akzidentiell, d. h. letztendlich nicht maßgeblich. Kurz zusammenge-fasst könnte man ihre Definition (d. h. ihre Grundprä-misse) wie folgt ausdrücken: „Ein Kelte ist, wer keltisch spricht“.

Die „neuen Keltologen“ folgen in dieser Beziehung aber dem exakt gleichen Prinzip, setzen bloß eine an-dere Eigenschaft als „primär essentielle“ Eigenschaft der „Keltizität“ ein. Sie gehen sogar, wie die folgenden Beispiele zeigen sollen, so weit ganz explizit die Exis-tenz von Kelten zu behaupten:

“Despite constant repetition by the Megaws, especially verbally, we have never claimed that the Celts, either Anci-ent or Modern, did not exist. My own simple definition of ethnicity is that ‘people are what they believe they are’ and secondly can be ‘what other people think they are’” (Collis 2010: 34; cf. Collis 2003: 228) sowie “As we have seen, ‘Celtic’ is a genuine term in the context of ancient continen-tal Europe, although its exact meaning, and the geographical extent of the Celts, are disputed.” (James 1999: 34–5) und “Currently, the concept of the ‘ethnic group’ has been adopted as an acceptable alternative to the more loaded terms used to describe human groupings: we have seen that words like ‘race’ or ‘culture’ are seriously compromised. The key change is that the definition of such groups now depends not on outsiders such as anthropologists, but on self-definition, by the group in question. It expresses the recognition that other people’s own views of their identity and affiliations should be given pro-minence. On this definition, true ethnic groups must have an ‘ethnonym’, a self-name: names imposed by outsiders do not count, unless they are taken up by those who are labelled.” (James 1999: 67).

Wo also Cunliffe und Koch “keltische Sprachen” als Grundprämisse bzw. Definition einsetzen, setzen Collis und James “keltische Ethnizität“ ein. Kurz zu-sammengefasst könnte man diese Definition (d. h. die

Grundprämisse der „neuen Keltologen“) so ausdrü-cken: „Ein Kelte ist, wer sich für einen Kelten hält oder von seinen Zeitgenossen für einen Kelten gehalten wird“.Das Problem ist also nicht die Koinzidenz von Ei-genschaften, das Problem ist, welche Eigenschaften als wirklich „essentiell“ betrachtet werden.

Das Problem mit intuitivem Wissen

Das eigentliche Problem, das “traditionelle” und “neue Keltologen” sowohl trennt als auch vereint, ist, dass beide Lager ihre Argumente auf intuitivem Wissen im aristotelischen Sinn aufbauen. Weder die einen noch die anderen fragen sich, was denn „die Kelten“ aus-macht, sondern wissen es, ganz wie Platons Philo-sophen-König (cf. Watzlawick 2001: 102), bereits a priori, wissen es intuitiv – und werfen sich dann gegen-seitig vor, dass die jeweils anderen „die Kelten“ falsch definieren.

Für die „traditionellen Keltologen“ können das ver-schiedene Eigenschaften sein: so „weiß“ zum Beispiel John Koch (2007: 3; Cunliffe & Koch 2010: 1–2) in-tuitiv, dass „keltische Sprache“ essentiell für die Be-stimmung „des Keltischen“ ist. Vincent und Ruth Megaw hingegen „wissen“ ebenso intuitiv, dass „kel-tische Kunst“ bzw. „keltische Archäologie“ (Megaw & Megaw 2001: 11–12) essentiell für die Bestimmung „des Keltischen“ ist. Ludwig Pauli (1980: 21–3) und Otto Urban (2007: 600, 607) „wissen“ hingegen in-tuitiv, Richard Pittioni (1959) folgend, dass es die „keltische Kunst“ in Verbindung mit „historischen Keltennennungen“ ist, die „die Kelten“ überhaupt erst zu „den Kelten“ macht.

Für die “neuen Keltologen” ist es hingegen mehr oder minder exklusiv die „keltische Ethnizität“ bzw. die „Selbst- oder Fremdbezeichnung als Kelten“: so „weiß“ John Collis (2003; 2010), dass es die „Ethnizi-tät“ ist, die „die Kelten“ überhaupt erst zu „den Kel-ten“ macht, und so „weiß“ auch Simon James (1999) intuitiv, dass nur diese Definition akzeptabel und jede andere inakzeptabel (James 1999: 81) ist.

Ob „traditioneller“ oder „neuer Keltologe“, es wird also die gleiche Logik verwendet, es wird bloß von anderen (Grund-)Prämissen ausgegangen. Unter die-ser Voraussetzung ist es nicht nur wenig überraschend, dass man bei unterschiedlichen Ergebnissen anlangt, es

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zeigt auch das grundsätzliche Problem, dass der ganzen Diskussion zu Grunde liegt: ganz offensichtlich ist das Problem, dass intuitives Wissen nicht besonders ver-lässlich ist (oder eigentlich, um es etwas deutlicher zu formulieren, dass intuitives Wissen komplett unverläss-lich und nicht Wissen, sondern reiner Glaube ist).

Einige Gedanken von Karl R. Popper (1902–1994) zum Thema Definitionen

Karl R. Popper hat sich bereits vor geraumer Zeit recht ausführlich zu dem Problem – wenn auch nicht im Zusammenhang mit der Keltendiskussion, sondern ganz allgemein – geäußert: „Die Entwicklung des Den-kens seit Aristoteles läßt sich, wie mir scheint, so zusam-menfassen: Jede Disziplin, die die aristotelische Methode des Definierens verwendet hat, blieb in einem Stadium leerer Wortmacherei und in einem unfruchtbaren Scholastizismus stecken, und das Ausmaß, in dem die verschiedenen Wissen-schaften fähig waren, Fortschritte zu machen, hing ab von dem Ausmaß, in dem sie fähig waren, sich von dieser essenti-alistischen Methode zu befreien. (Das ist der Grund, warum ein so großer Teil unserer ‚Sozialwissenschaften‘ noch immer im Mittelalter steckt.)“ (Popper 1980: 15).

Genau das machen wir seit Jahrhunderten für die Bestimmung der Frage, was „die Kelten“ denn nun wirklich seien: wir versuchen die „richtige“ aris-totelische Definition zu finden, die die essentiellen Eigenschaften „der Kelten“ intuitiv richtig erfasst – und scheitern damit kläglich. Dennoch beharren wir darauf, dass es unsere Definitionen sind, die wir besser, schärfer fassen müssen, damit wir endlich weiter kom-men: so argumentiert John Collis, dass die Unschärfe und Ungenauigkeit, die Mehrdeutigkeit der von uns verwendeten Definitionen eines der hauptsächlichen Probleme ist, mit denen wir zu kämpfen haben (cf. Collis 2003: besonders 223–9), dass diese schon in der Antike zu vieldeutig sind, und dass klarere, schärfer gefasste Definitionen notwendig wären. In die glei-che Kerbe schlägt das Argument von Barry Cunliffe und John T. Koch (2010: 1–2): die Definition über die Sprache hat angeblich den Vorteil der wissenschaft-lichen Genauigkeit.

Dabei bringen uns aber genauere, eindeutigere, weniger vieldeutige Definitionen keinesfalls weiter: wie ebenfalls Popper (1980: 24–9) schon vor geraumer

Zeit gezeigt hat, führen genauere Definitionen eben-falls bloß in einen unendlichen Regress. Denn letzt-endlich besteht auch eine noch so genau bestimmte Definition nur aus Begriffen, die – um den definierten Begriff genau erfassen zu können – ihrerseits wieder definiert werden müssen, was aber neuerlich nur durch weitere Worte geschehen kann, die ihrerseits wieder definiert werden müssen, neuerlich ad infinitum. Dar-aus hat Popper den folgenden zwingenden logischen Schluss gezogen: „Daraus folgt, daß in der Wissenschaft alle wirklich notwendigen Begriffe undefinierte Begriffe sein müssen.“ (Popper 1980: 26).

Epistemologischer Keltoskeptizismus

Das angebliche Fehlen einer „facheigenen“ Epistemo-logie oder die Notwendigkeit die Wissenschaftstheo-rie zu bemühen um besser zu verstehen, wie wir den Keltenbegriff schaffen, ist etwas, das zuletzt bereits von mehreren an der Debatte beteiligten Kolleginnen und Kollegen angemerkt wurde (z. B. Collis im Abstract zu seinem Tagungsbeitrag in Hallein; Rieckhoff 2007: 35). Ich bin jedoch der Ansicht, dass wir einen solchen erkenntnistheoretischen Ansatz – eben einen essentia-listischen Ansatz – seit Anbeginn unserer wissenschaft-lichen Beschäftigung mit „den Kelten“ verfolgen und die Debatte in erster Linie deshalb in leeren Wortge-fechten stecken geblieben ist, weil wir uns eben nicht mit den erkenntnistheoretischen Grundlagen des-sen, was wir tun, beschäftigt haben, oder wenigstens nicht ausreichend beschäftigt haben – ein Problem, das übrigens insbesondere auch die deutschsprachige Archäologie betrifft (cf. Karl 2010). Ernsthafte Ver-suche die Debatte in dieser Richtung voranzutrei-ben sind allerdings bisher ausgeblieben (aber cf. Karl 2004).

Nominalistische statt essentialistische Definitionen

Ein möglicher Weg zur Lösung unseres „Keltenprob-lems“ ist meiner Meinung nach der unseren (bisher weitgehend unerkannten und vor allem nicht disku-tierten) erkenntnistheoretischen Ansatz zu ändern und von einem Keltoessentialismus weg zu einem echten, epistemologischen Keltoskeptizismus zu wechseln. Der erste Schritt dazu ist die aristotelische Methode des

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essentialistischen Definierens endlich aufzugeben und stattdessen nominalistische Definitionen zu verwenden (Popper 1980: 21–2). Nominalistische Definitionen unterscheiden sich insofern von essentialistischen De-finitionen, dass Letztere eine Antwort auf die Frage „Was ist X?“ geben sollen, während Erstere nur die Frage „Wie sollen wir X nennen?“ beantworten.

In einer nominalistischen Definition ist das Defini-endum (z. B. das Wort „keltisch“) ein beliebiger Signi-fikand, also ein Code, der nicht notwendigerweise auf irgendetwas Bezug nimmt, das tatsächlich eo ipso exis-tiert. Im Gegensatz zu einer essentialistischen Definiti-on, die die ontische Existenz des Definiendums als ein unabhängig vom Beobachter tatsächlich existierendes Objekt, als etwas, das einem physischen Gegenstand entspricht, voraussetzt, können mittels einer nomina-listischen Definition auch Abstrakta beschrieben wer-den, also auch Konzepte, die ausschließlich in unserer Vorstellung existieren, die wir sozusagen „erfunden“, nicht „gefunden“ haben. Das Definiendum in einer nominalistischen Definition ist nicht mehr als ein Eti-kett, ein kurzes Wort, das wir benutzen um nicht je-desmal, wenn wir über das, worüber wir sprechen, sprechen wollen, eine lange Definitionsformel sagen zu müssen, die das Definiens ausmacht, also das, was das Signifikat ist, die Beschreibung dessen, was wir mit diesem kurzen Wort bezeichnen. Es ist das Definiens, das Signifizierte, nicht das Definiendum, worüber wir eigentlich reden wollen und das Definiendum dient ausschließlich dem Zweck ein lange Rede kürzer zu machen.

Das Definiendum ist letztendlich nicht mehr als eine Beschreibung dessen, worüber wir tatsächlich re-den wollen, z. B. eine klassifikatorische Zusammen-fassung bestimmter Daten, eine einschließende (nicht ausschließende) Liste von Eigenschaften, die etwas miteinander zu tun haben können, aber nicht not-wendigerweise etwas miteinander zu tun haben müs-sen. So zum Beispiel benutzt man im Englischen das Wort „chair“ als bezeichnendes Etikett, als Definien-dum, für eine Art von Sitzmöbel (den „Stuhl“), aber auch als Bezeichnung für eine Universitätsprofessur (den „Lehrstuhl“) und die leitende Position z. B. in Sit-zungen („the chair of a meeting“). Das gleiche Beispiel funktioniert, wenn auch etwas anders, in der deut-schen Sprache, in der das Wort Stuhl sowohl für das

schon genannte Sitzmöbel als auch für bestimmte Aus-scheidungen des Menschen verwendet werden kann. Zwar lässt sich in beiden Fällen die Polysemie dieser Begriffe historisch erklären (so zum Beispiel bei der Bedeutung „Universitätsprofessor“ dadurch, dass Uni-versitätsprofessoren – wenigstens bis vor einiger Zeit – sich dadurch ausgezeichnet haben, dass sie einen Sitz – und damit natürlich auch einen Stuhl – in den Lei-tungsgremien ihrer jeweiligen Universität hatten), ein direkter Zusammenhang zwischen den verschiedenen Bedeutungen besteht jedoch (wenigstens heute) nicht (mehr) und schon gar nicht ist das eine das Gleiche wie das andere (ich persönlich würde mich zum Bei-spiel normalerweise dagegen wehren, wenn mich je-mand als Sitzmöbel benutzen wollen würde).

In ähnlicher Weise kann auch der Begriff „Kelten“ nominalistisch definiert werden z. B. als: „Das Wort kel-tisch benutze ich für eine bestimmte Sprachfamilie oder einen bestimmten Kunststil oder bestimmte archäologische Mate-rialkulturen oder für ethnische Identität(en) in der Antike oder (eine) andere ethnische Identität(en) in der Gegenwart etc.“ (cf. Karl 2010: 47). Wichtig ist dabei auch zu ak-zeptieren, dass dies als nominalistische Definition eine einschließende, keine ausschließende Definition ist: sie nennt nicht die einzigartigen, charakteristischen, das Definiendum von allen anderen Definienda eindeu-tig unterscheidenden, Eigenschaften, sondern nennt die Eigenschaften oder Dinge, die wir – aus welchen Gründen auch immer – (auch) mit dem von uns ver-wendeten Begriff bezeichnen (wollen).

Wenn Collis (2010: 37–8) also argumentiert, dass die „Bausteine“, die meiner Meinung nach viele (wenngleich nicht unbedingt alle) „keltische“ Gesell-schaften (von Antike bis Mittelalter) im Aufbau ihrer sozialen Organisation benutzen (Karl 2006), wie z. B. ein „Königtum“ (auch wenn ich dieses eher als Pro-dukt der sozialen Prozesse betrachte, die ich als die eigentlichen „Bausteine“ der „keltischen“ sozialen Systeme ansehe), nicht „einzigartig für ‚keltische Ge-sellschaften‘“ seien, sondern „weltweit auftreten“ wür-den (Collis 2010: 38), so hat er nicht verstanden, dass ich nicht behauptet habe, noch behaupten möchte, dass das „Königtum“ eine einzigartige, wesentliche, d. h. essentielle Eigenschaft „keltischer“ Sozialstruk-turen sei (was auch absurd wäre), durch die sich diese von allen anderen Sozialsystemen dieser Welt unter-

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scheiden würden, sondern vielmehr sage, dass „Kö-nigtümer“ auch in vielen keltischen Sozialsystemen auftreten würden. Eine Unterscheidung zwischen „keltischen“ und nicht „keltischen“ „Königstümern“ erfolgt nicht etwa dadurch, dass „Königtümer“ ein-zigartig „keltisch“ sind und daher nur bei „Kelten“ auftreten, sondern dadurch, dass manche „Königtü-mer“ (z. B. zum Beispiel solche, die zur Bezeichnung der Funktion „König“ Worte aus „keltischen Spra-chen“ benutzen) aus bestimmten Gründen als „kel-tisch“ bezeichnet werden können, andere hingegen nicht (z. B. weil diese für die Bezeichnung der Funk-tion „König“ Worte aus nicht „keltischen“ Sprachen benutzen). Unter einem nominalistischen Verständnis von Definitionen ist dies auch überhaupt kein Pro-blem, nur wenn man Definitionen essentialistisch ver-steht, spielt es eine (dann allerdings entscheidende) Rolle, dass Königtümer nicht nur bei „Kelten“ auf-treten, sondern auch im Rest der Welt.

Ebenso ist es bei derartigen nominalistischen Defi-nitionen zwar vielleicht von wissenschaftsgeschicht-lichem Interesse, aber keinesfalls in Bezug auf die Sache, das eigentlich zu Diskutierende, wichtig, wie und warum wir den Begriff „Kelten“ für dies oder das, für diese oder jene Eigenschaft benutzen (im Gegen-satz zur Meinung von Sabine Rieckhoff 2007: 34–5). Zwar ist es sicherlich richtig und wichtig sich sowohl der Abhängigkeit der eigenen Vorstellungen von be-stehenden Traditionen bewusst zu sein als auch die Methoden und Begriffe, die man verwendet, ständig (auch wissenschaftsgeschichtlich und -theoretisch) zu hinterfragen und zu reflektieren (cf. Karl 2010), sowie sich bewusst zu sein, dass unser akademisches Wis-sen stets (auch) vom Zeitgeist abhängig ist. Aber in der Sache ist es unmaßgeblich, wie und warum wir unsere „Keltenbegriffe“, wie und warum wir dieses oder jenes Etikett erfunden haben, wichtig ist nur, dass wir uns klar sind, dass es sich bei allen diesen Be-griffen eben um nicht mehr als Etiketten, um arbit-räre Signifikanden handelt, die nicht eo ipso irgendein Wissen oder auch nur eine Meinung beinhalten, son-dern bloß „eine lange Geschichte auf abgekürzte Weise“ darstellen (Popper 1980: 22). Im Zweifelsfall muss man eben diese „lange Geschichte“ ausschrei-ben, sagen, worüber man spricht, die langwierige und komplizierte Definitionsformel explizieren, statt nur

den verkürzenden Begriff zu benutzen. Die Diskus-sion über die Herkunft unserer Begriffe, so interes-sant und wichtig sie auch in mancher Hinsicht sein mag, ist, nicht anders als die Diskussion dieser Begriffe selbst, eine Diskussion über unsere Worte, nicht über unseren Untersuchungsgegenstand.

Die „Kelten“ gab es nie!

Der zweite und ebenso bedeutende Schritt ist end-lich die Idee, die Vorstellung, aufzugeben, dass unser Untersuchungsgegenstand, „die Kelten“, tatsächlich genau so existiert haben oder existieren wie ein phy-sisches Objekt. Denn bei dieser Vorstellung handelt es sich um einen klassischen Kategorienfehler: ein Ab-straktum wird als etwas Reales, als ein ontisch existie-rendes Ding betrachtet, eine Klasse als Sache.

Die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher ist unter anderem für einen vielkritisierten Einzeiler berühmt, der gewöhnlich aus dem Zusam-menhang gerissen zitiert wird, eine Sünde, die ich hier ebenfalls begehe. Thatcher sagte in einem Inter-view für das Magazin Women’s Own, veröffentlicht am 31.10.1987: „And you know, there is no such thing as society. There are individual men and women ...”. Obgleich ich die darin verklausuliert enthaltene politische Ein-stellung zutiefst verabscheue, ist die Aussage wenigstens in einem Punkt nicht von der Hand zu weisen: Gesell-schaft ist nicht ein Ding, das eo ipso existiert, sondern vielmehr der Begriff, den wir dazu verwenden die vielfältigen, flüchtigen, großteils immateriellen und oft sogar unausgesprochenenen Beziehungen (Assoziatio-nen im Sinne von Bruno Latour 2005) zwischen ein-zelnen Individuen (sozialen Akteuren) zu bezeichnen, Beziehungen, die im stetigen Wandel sind und ihren Ausdruck in erster Linie in den emergenten Mustern individuellen und kommunalen Verhaltens finden (die dann wiederum materielle Spuren hinterlassen kön-nen, aber keineswegs müssen).

Das Gleiche gilt meiner Meinung nach für „die Kelten“ und „das Keltische“: „die Kelten“ gab es nie, weder in der Antike noch gibt es sie heute, noch gab oder gibt es etwas wie „das Keltische“. „Die Kelten“ und „das Keltische“ sind ein Konstrukt (cf. Karl 2004; Rieckhoff 2007), sind nicht mehr als Etiketten, die wir als abgekürzten Begriff für (tatsäch-

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lich oder angeblich signifikante) Assoziationen in der Evidenz, die wir untersuchen, verwenden.

Eine dieser Assoziationen ist zum Beispiel die der zwar nicht exakten, aber doch signifikant erschei-nenden, teilweisen Überschneidung (Koinzidenz) der Verbreitungsgebiete einer bestimmten Sprachfami-lie, bestimmter Kunststile, bestimmter archäologischer Evidenz, historischer Nennungen von „Kelten“ und (vielleicht auch) einiger antiker Ethnizitäten. Eine andere derartige Assoziation ist die ebenso nicht exakte, aber dennoch signifikant erscheinende, teil-weise Überschneidung der Verbreitungsgebiete einer bestimmten Sprachfamilie, gewisser Kunststile und ei-niger ethnischer Selbstidentifikationen, die als zu einer „größeren“ ethnischen Selbstidentifikation gehörend betrachtet werden, in der Gegenwart.

Diese Assoziationen sind allerdings nicht etwa des-halb signifikant, weil sie eine „Uniformität“ aller, oder auch nur einiger weniger, kulturellen Eigenschaften implizieren würden – denn das tun sie keineswegs – sondern vielmehr deshalb, weil kulturelle Eigenschaften miteinander wenigstens bedingt zusammenhängen und sich daher wenigstens teilweise gegenseitig be-einflussen. Nachdem diese gegenseitige Beeinflussung häufig für das Verständnis einzelner kultureller Eigen-schaften relevant ist, ist die Assoziation signifikant: zum Beispiel bedarf eine Erklärung irischer Volksmusik we-nigstens teilweise eines gewissen Verständnisses irischer Sprache, weil die irische Sprache eines (wenngleich keineswegs das einzige) der Elemente ist, die irische Volksmusik von anderen Arten von Volksmusik unter-scheiden. Ebenso kann die Assoziation alleine dadurch signifikant sein, dass ein Aspekt von Kultur ein Medi-um ist um andere Aspekte von Kultur zu transportie-ren: ein Fernsehapparat in Wales, auf dem Programme in walisischer Sprache gesehen werden (können), ist signifikant für den Transport walisischer Kultur, selbst wenn das Gerät zur Gänze „made in Taiwan“ ist. Und die Assoziation kann auch deshalb signifikant sein, weil ein Aspekt in einem Bereich der Kultur zu Entwick-lungen in anderen Bereichen von Kultur führen kann: wird zum Beispiel eine neue Technologie im Bereich der Materialkultur eingeführt und verwendet, dann kann dies zu lokalen Veränderungen in sozialer Praxis, Sprache oder anderen Bereichen kultureller Produk-tion führen.

Sicheres Wissen gibt es nicht, alles Wissen ist konstruiert

Als dritten Schritt müssen wir uns von der Vorstel-lung verabschieden, dass es sicheres Wissen gibt oder auch nur geben könnte, vor allem sicheres Wissen über die Vergangenheit. Wir müssen nicht nur – wie das in letzter Zeit ohnehin häufig geschieht – sagen, son-dern tatsächlich akzeptieren und verinnerlichen, dass die Forderung von Rankes (1824: vi), die Aufgabe der Geschichtswissenschaften sei es herauszufinden, „wie es eigentlich gewesen ist“, nicht erfüllbar ist. Alles, was wir tun können, ist mehr oder minder gute Vermutungen anzustellen, wie es eventuell gewesen sein könnte, und diese Vermutungen sind niemals mehr als unse-re Konstruktionen der Vergangenheit, niemals eine tatsächliche Entsprechung dessen, was in der Vergan-genheit war (oder nicht war).

Das bedeutet einerseits zu akzeptieren, dass Wissen niemals auf „wahren“ Grundprämissen (wie z. B. auf „exakten“ Beobachtungen oder „Definitionen“), son-dern stets auf (mehr oder minder willkürlich gewähl-ten, gesetzten) Annahmen bzw. Hypothesen2 aufbaut. Die „Wahrheit“, oder, um es richtiger zu sagen, die „Brauchbarkeit“ (von Glasersfeld 1998: 14–31, insbe-sondere 30) dieser Annahmen bzw. Hypothesen kann niemals a priori oder intuitiv bestimmt werden, sondern ausschließlich dadurch, dass man die Ergebnisse, die sich aus den Annahmen ableiten lassen, an der Evidenz überprüft: „there is no need for these hypotheses to be true, or even to be at all like the truth; rather, one thing is sufficient for them – that they should yield calculations which agree with the observations“ (Andreas Osiander, Vorwort zu Koper-nikus‘ De revolutionibus, zitiert bei von Glaserfeld 1998: 15). Es gibt keinen logisch haltbaren Weg, mittels des-sen von Beobachtungen – gleichgültig wie „genau“, „wissenschaftlich präzise“ oder angeblich „korrekt“ diese definiert sind – auf die Wirklichkeit geschlossen werden kann, logisch haltbar ist nur der Schluss aus Annahmen auf Beobachtungen (cf. Karl 2010).

Daraus folgt, dass wir unser Verständnis von Wahr-heit, Richtigkeit und wissenschaftlicher Vertretbar-keit maßgeblich umstellen müssen: ein Thema, das bei Diskussionen bei der Tagung in Hallein angeschnit-ten wurde, war das der „Richtigkeit“ bzw. „Vertret-barkeit“ von Rekonstruktionen, z. B. von „keltischen“

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Häusern, und ob es z. B. akzeptabel ist nicht belegtes Mobiliar in die architektonischen Rekonstruktionen zu stellen. Aus erkenntnislogischer Perspektive gibt es hier nur zwei Möglichkeiten: wenn wir annehmen wollen, dass z. B. eisenzeitliche Häuser am Dürrnberg gänzlich unmöbliert gewesen sind, dann dürfen wir keine Möbel in diese Rekonstruktionen stellen. Wenn wir hingegen annehmen, dass es am eisenzeitlichen Dürrnberg auch nur irgendein Mobiliar gegeben hat, dann müssen wir unbedingt Möbel in die Rekons-truktionen stellen, weil leere Häuser unter dieser An-nahme sicherlich falsch sind, möblierte Häuser jedoch – und zwar gleichgültig wie sie jetzt genau möbliert sind, wenn es nicht gerade moderne IKEA-Möbel sind – möglicherweise nicht. Die direkte Evidenz aus den Grabungsbefunden gestattet übrigens beide Annah-men, die wissenschaftlich vertretbarste Rekonstruk-tionsvariante wäre also, das gleiche Haus wenigstens zweimal zu rekonstruieren und einmal mit Mobiliar auszustatten, einmal hingegen nicht – und Besucher der Rekonstruktionen deutlich darauf aufmerksam zu machen, dass wir bei unserer derzeitigen Quellenlage zwischen den beiden Varianten nicht unterscheiden können (cf. Karl 1999; 2010d).

Andererseits bedeutet es zu akzeptieren, dass Wis-sen immer notwendigerweise das ist, was wir heute denken, was wir aus den uns zu Verfügung stehenden Daten und Beobachtungen machen, dass alles Wissen stets im Beobachter verortet ist und niemals das „wi-derspiegelt“, was „wirklich ist“, geschweige denn „ikonisch“ mit der (beobachteten) Wirklichkeit über-einstimmt. Das Wissen, selbst das Wissen, das wir über Dinge haben, die wir selbst mit unseren eigenen Sin-nen wahrnehmen können, ist nicht identisch mit dem beobachteten, dem wahrgenommenen Ding eo ipso, mit der ontischen Wirklichkeit, sondern ist immer ein Konstrukt, meistens sogar ein klassifikatorisches Kons-trukt oder erklärendes bzw. prognostizierendes Modell unseres Denkens (von Glasersfeld 1998). Wissen ist da-her immer ausschließlich demonstrativ, niemals intuitiv – zweiteres ist nämlich Glaube, nicht Wissen.

Es gibt daher kein „wahres“ Wissen und auch kein „richtiges“ Wissen, ja man könnte sogar sagen, dass es nicht einmal „falsches“ Wissen gibt, sondern nur brauchbares und unbrauchbares Wissen, nützliche und nutzlose Argumente. Brauchbares bzw. nützliches Wis-

sen ist dabei solches, das unsere Evidenz, unsere Be-obachtungen erfolgreich zu erklären vermag bzw. mit diesen Evidenzen bzw. Beobachtungen nicht im Wi-derspruch steht, das die Überprüfung an der Evidenz überlebt, weil es durch unsere Beobachtungen nicht widerlegt wird (von Glasersfeld 1998: 29–31; Popper 1994). Unbrauchbare bzw. nutzlose Argumente sind hingegen jene, die an den „Hindernissen“, die unse-re Beobachtungen, die unsere Evidenz Erklärungsver-suchen in den Weg legen, scheitern – und somit als mögliche Erklärungen dessen, was wir zu erklären ver-suchen, ausscheiden.

Warum ein epistemologischer Keltoskeptizismus notwendig ist

Ein typisches Beispiel, weshalb eine solche Änderung unseres Ansatzes notwendig ist, findet sich im Text eines der Poster, das John Collis bei der Tagung in Hallein präsentiert hat. Ich zitiere daraus die meiner Meinung nach relevante Stelle im englischen Originaltext3:

“From the time of Pezron, the modern ‘Celts’ have been defined as speakers or descendants of speakers of Celtic languages. This cannot be applied to the ancient world. Though all people called Celtae or Keltoi in the ancient world seem to have spoken Celtic languages, there were also other Cel-tic speakers who were not called Celts: the Leponti of nor-thern Italy, the Ligues (Ligures) of Provence, the Vettones of Spain, the Belgae of northern Gaul and southern Bri-tain, the Britanni of the British Isles, and some Germani like the Treveri.”

Zentral ist hier meiner Meinung nach die Behaup-tung von Collis, der Begriff „Kelten“ im Sinn „Spre-cher einer keltischen Sprache“ könne nicht auf die antike Welt angewendet werden, in Verbindung mit seiner bereits vielfach (Collis 2003; 2010) getätigten Feststellung, dass dies für die „modernen Kelten“ sehr wohl zulässig sei. Dabei stellt sich die Frage, weshalb die Anwendung für die antike Welt nicht zulässig sei, für die Neuzeit hingegen schon? Immerhin verstan-den sich die Sprecher moderner „keltischer“ Sprachen wenigstens bis zur Zeit Lhuyds und sogar noch ge-raume Zeit danach selbst ebenfalls nicht als „Kelten“; noch verstehen sich viele Bretonen, Kornen, Iren, Schotten oder Waliser heutzutage als solche; noch ha-ben die Galizier in Spanien, von denen sich heute viele

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als „Kelten“ identifizieren, wenigstens seit der Anti-ke irgendeine (sprachwissenschaftlich als solche defi-nierte) „keltische“ Sprache gesprochen. Macht also die Tatsache, dass nicht alle selbst- oder fremdbestimm-ten Gemeinschaften, die in der Antike „keltische“ Sprachen sprachen, in der Antike auch als Kelten be-zeichnet wurden oder sich selbst als solche verstan-den haben, die Anwendung des Begriffs „keltisch“ auf die antike Welt unzulässig, dann ist die Anwendung dieses Begriffs auch in der Neuzeit aus exakt den glei-chen Gründen ebenfalls unzulässig. Ist hingegen die Anwendung des Begriffs „Kelten“ in der Neuzeit trotz dieser Tatsachen zulässig, dann ist seine Anwendung wohl auch für die antike Welt zulässig.

Hinzu kommt die Frage, warum diese Anwendung des „Keltenbegriffs“ auf die antike Welt unzulässig sei, wenn so offensichtlich viele Menschen diesen Begriff auf die antike Welt anwenden, nicht zuletzt so gut wie alle unsere Kollegen in der historischen Sprachwis-senschaft, aber auch die Mehrheit der Öffentlichkeit? Weshalb sollte eine Fremdbezeichnung durch irgend-welche antiken Autoren, von denen viele „Kelten“ bestenfalls aus zweiter oder dritter Hand kannten und von denen sicherlich keiner eine vollständige Umfrage unter allen möglichen „antiken Kelten“ durchgeführt hat, ob sich diese sich selbst als „Kelten“ identifizieren würden, oder auch die Privatmeinungen einiger we-niger antiker, sich selbst wenigstens teilweise als „Kel-ten“ identifizierender Autoren irgendwie „richtiger“ oder auch nur maßgeblicher sein als Fremdbezeich-nungen durch Wissenschafter oder Öffentlichkeit in der Neuzeit?

Nur wenn man, ob bewusst oder unterbewusst, da-von ausgeht, dass John Collis einen privilegierten, in-tuitiven Zugang zur Wahrheit hat, dass John Collis (aus welchem Grund auch immer) weiß, „wie es eigent-lich gewesen ist“ (von Ranke 1824: vi), nur dann kann man diese Behauptung von John Collis als relevant, als „wahr“ oder „richtig“ betrachten. Aber warum soll-ten wir John Collis und nicht etwa Barry Cunliffe und John T. Koch (2010: 1–2) glauben?

Der Kern des Problems ist der, dass die derzeitige „Keltizitätsdebatte“ notwendigerweise eine dogma-tische Debatte ist: sie macht es erforderlich, dass wir die Prämissen (d. h. die Annahmen, Vorurteile, Unter-stellungen) des einen oder des anderen Wissenschafters

als unanzweifelbare Wahrheit, als Grundprämisse im aristotelischen Sinn, akzeptieren; als Dogma un-seres „Glaubens“. Wenn man dem „neuen keltolo-gischen“ Glauben von John Collis anhängen will, muss man das Dogma akzeptieren, dass Ethnizität (so wie sie John Collis – großteils ad hoc – bestimmt) das es-sentielle Kriterium für „Keltizität“ ist. Will man hin-gegen dem „traditionell keltologischen“ Glauben Barry Cunliffes und John T. Kochs folgen, muss man das Dogma akzeptieren, dass Sprache das essentielle Kriterium ist. Das logisch zwingende Resultat dar-aus sind jedoch inkommensurable Ergebnisse (Kuhn 1976: 155–70, insbesondere 161, 209–16): keine ver-nünftige Debatte kann entscheiden, ob Ethnizität oder Sprache das essentielle Kriterium für „Keltizität“ ist. Daher kann diese Debatte auch kein nützliches Er-gebnis produzieren: sie ist nicht mehr als unproduk-tiver Scholastizismus (Popper 1980: 15).

Überwinden lässt sich dieser unproduktive Schola-stizismus, diese leere Wortmacherei (Popper 1980: 15) nur, wenn man akzeptiert, dass alle Annahmen, von denen wir ausgehen, eben nicht mehr als Annahmen, nicht mehr als Unterstellungen, nicht mehr als Hypo-thesen, eben Prämissen sind, von denen keine mehr oder weniger akzeptabel ist als die andere, sondern die (gegebenenfalls) für die eine oder andere Frage, die wir haben, für das eine oder andere Problem, das wir lösen wollen, nützlich, für andere Fragen oder Probleme je-doch unbrauchbar sein können. Um dies zu erreichen müssen wir jedoch echte (und nicht nur fälschlich als solche benannte) Keltoskeptiker sein, eben episte-mologische Skeptiker, die von der Annahme ausge-hen, dass ihr Untersuchungsgegenstand nicht existiert und dass sie über diesen bestenfalls Aussagen machen können, die der Evidenz nicht widersprechen, aber niemals „richtige“, niemals „wahre“ Aussagen (cf. von Glasersfeld 1998; Popper 1994).

Von Sinn und Unsinn der alten Frage

Damit kehre ich wieder zur Frage nach der Herkunft „der Kelten“ zurück: warum suchen wir eigentlich nach dieser?

Der bekannte französische Historiker Marc Bloch (1886–1944) kritisierte bereits in seinem unvollen-deten Werk Apologie pour l’histoire, ou Métier d’historien

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(Bloch 2010) heftig „die Besessenheit“ der Histori-ker mit der Klärung von „Anfängen“ und „Herkunft“ (Bloch 2010: 24). Er stellte fest, dass es dabei einer-seits um den „Beginn“ eines bestimmten historischen Phänomens gehen könne, bemerkte dazu jedoch unmittelbar, dass der „Anfang“ der meisten histo-rischen Phänomene sich als ausnehmend schwer fass-bar erwiesen habe und fraglos davon abhinge, wie man seine Definitione wähle. Andererseits könne es sich bei den Fragen um „Anfänge“ bzw. „Herkunft“ historischer Phänomene um einen Versuch einer kau-salen Erklärung bzw. Begründung eines historischen Phänomens handeln. Diese beiden Bedeutungen wür-den jedoch oft vermischt und die Klärung der Frage nach den „Anfängen“ oder der „Herkunft“ oft mit einer vollständigen Erklärung des untersuchten Phä-nomens gleichgesetzt (Bloch 2010: 25). In der Debatte um die Herkuft „der Kelten“ geht es meiner Meinung nach, wenigstens in der bisher gewählten Form, um das Letztere; die Klärung der Frage nach der Herkunft „der Kelten“ wird gemeinhin fälschlich als vollständi-ge Erklärung „der Kelten“ verstanden. Und das ist ein gravierendes Problem.

Die Vorstellung, dass die Klärung der Frage nach den „Anfängen“ bzw. der „Herkunft“ eines historischen Phänomens wie „der Kelten“ gleichzeitig eine Er-klärung dieses Phänomens darstellt, beruht auf eben der „dinghaften“ Sichtweise von Geschichte, die aus der essentialistischen Obession mit intuitiv erfassten Definitionen erwächst. In dieser Sichtweise werden historische Phänomene eben, wie schon weiter oben angedeutet, wie „Dinge“ betrachtet, also als innerlich weitgehend einheitlich und nach außen hin klar ab-gegrenzt, und als ebenso „real“ existierend wie z. B. ein Tisch oder Stuhl. Und sie werden dann natürlich auch bei Erklärungsversuchen so behandelt, als ob es sich um „real“ existierende „Dinge“ handeln würde. So wie man, wenn man weiß, wann und wo der Tisch entstanden ist, (leicht) zu erkennen können glaubt, von wem er erzeugt wurde, wie er erzeugt wurde und wo-für bzw. warum er erzeugt wurde – d. h. die Ursachen bzw. Gründe für seine Entstehung und damit auch für seine Existenz erkennen zu können – so glaubt man dies auch bei historischen Phänomenen (einigerma-ßen leicht) erkennen zu können, wenn man nur ihren „Anfang“ bzw. ihre „Herkunft“ kennt. Darum wird

auch der Frage nach der Herkunft „der Kelten“ eine so große Bedeutung zugemessen.

Das Problem dabei ist, dass das für die meisten (prä)historischen Phänomene wie z. B. die Entste-hung „der Kelten“ nicht funktionieren kann. Für reale „Dinge“ gilt im Wesentlichen, dass sie meistens (wie eben ein Tisch) relativ „uniform“ sind oder wenigstens eine kohärente Struktur bzw. Organisation aufweisen (wie z. B. ein Mensch, der zwar aus vielen verschie-denen Organen und anderen voneinander wenigstens in gewisser Weise verschiedenen Teilen besteht, aber als geschlossenes System kohärent ist, selbst wenn er sich z. B. durch Alterung verändert), meistens einen (relativ eng umgrenzten) Ursprungspunkt in Raum und Zeit haben („unigenetisch“ sind), gewöhnlich von einer (relativ eng begrenzten) Zahl von Personen geschaf-fen werden und dies zumeist aus konkreten Gründen und für bestimmte Zwecke. Für (prä)historische Phä-nomene (im Gegensatz zu Objekten) gilt hingegen all das nicht: sie sind gewöhnlich „polyform“, sind also vielfältig, oft intern stark variabel und weisen auch meistens keine kohärente Struktur oder Organisation auf, haben gewöhnlich auch keinen (eng umgrenzten) Ursprungspunkt in Raum und Zeit (sind „polygene-tisch“), es sind normalerweise auch viele Menschen an ihrer Entstehung beteiligt und, vielleicht am wichtigs-ten, sie entstehen meist völlig unbeabsichtigt und oft auch ohne konkrete Zwecke. Das eine wie das andere zu behandeln stellt also einen klassischen Kategorien-fehler dar.

Hinzu kommen noch einige weitere Probleme, teilweise praktischer, teilweise ebenfalls grundsätzlicher Natur. Eines dieser Zusatzprobleme ist die starke Defi-nitionsabhängigkeit jeder Herkunftsfrage, die wieder-um mit der Definition des Untersuchungsgegenstandes zusammenhängt, wenigstens solange man mit essentia-listischen Definitionen arbeitet, wie ja bereits oben im Detail ausgeführt wurde.

Ein ebenso bedeutendes Zusatzproblem ist allerdings auch die Quellenlage, soweit die Frage nach der Her-kunft „der Kelten“ betroffen ist: nahezu gleichgültig, welchem der bisherigen Ansätze man folgt, ist sich die Wissenschaft einig, dass die Herkunft „der Kelten“ in der Urgeschichte, also in Zeiten vor schriftlichen Auf-zeichnungen zu suchen ist. Wir reden also, wenigstens in Bezug auf die „Anfänge“, über ein prähistorisches

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Phänomen. Die bisher vorgeschlagenen Definitionen dafür, was „die Kelten“ nun überhaupt erst zu „den Kelten“ macht, beruhen aber großteils und maßgeb-lich auf Sprache oder Ethnizität.

Nun ist es jedoch so, dass sich die Existenz, geschwei-ge denn die „Herkunft“, einer bestimmten Sprache oder auch nur Sprachfamilie vor dem Beginn von schriftlichen Aufzeichnungen (also in jenen Zeiten, die ob des Fehlens solcher schriftlichen Sprachzeug-nisse überhaupt erst als prähistorisch zu klassifizieren sind) nicht wirklich datieren oder lokalisieren lässt, weil jegliche Evidenz, mittels der diese Frage beant-wortet oder ein Argument überprüft werden könnte, per definitionem fehlt. Das bedeutet nichts anderes, als dass jede mögliche Antwort auf die Frage notwendi-gerweise im Bereich der reinen Spekulation (im Sinne Kants) verbleiben muss, was die Suche nach einer Ant-wort auf die gestellte Frage müßig macht – ob Ost oder West, Süd oder Nord, Mitte oder doch ganz wo-anders, ob 1000, 3000, 5000 oder doch 10.000 v.Chr., es lässt sich immer mit der gleichen Qualität auch das Gegenteil dessen behaupten, was als Antwort auf die Frage vorgeschlagen wird, oder auch etwas beliebiges anderes.

Nicht anders verhält es sich mit der „Ethnizität“: wird diese als selbstbestimmte Zuordnung zu einem bestimmten „Volk“ verstanden, dann lässt sich die Fra-ge nach der Herkunft „des Keltischen“ in Bezug auf Tote, die keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen haben, die die Frage nach ihrer Selbstidentifikation möglicherweise zu beantworten erlauben, niemals be-antworten. Wird hingegen Fremdbestimmung durch Zeitgenossen als relevantes Kriterium betrachtet, dann lässt sich die Frage ohne schriftliche Aufzeichnungen ebenfalls nicht beantworten.

Genau aus diesem Grund versuchen auch alle wis-senschaftlichen Theorien, die eine Antwort auf die Frage nach der Herkunft „der Kelten“ zu geben ver-suchen, sich auf die eine oder andere Weise an die einzige Art von Quellen anzuhängen, die wir für prä-historische Zeiten tatsächlich zur Verfügung haben, nämlich archäologische Quellen. Sei es Sprache oder Ethnizität, alle bisherigen „wissenschaftlichen“ Ver-suche die Herkunft „der Kelten“ zu bestimmen haben sich entweder ein archäologisches Phänomen (sei es eine „Kultur“ oder ein anderes Phänomen wie die

„Neolithisierung“ oder „Güteraustauschnetzwerke“) gesucht, mit dem sie das Element, das sie als essentielles Charakteristikum „des Keltischen“ betrachten, zu ver-binden versucht haben (bzw. eine solche Verbindung zwischen archäologischem und „essentiell keltischem“ Phänomen postuliert haben), oder sich einfach auf die Position zurückgezogen zu sagen, dass wir über „Kel-ten“ erst reden können, wenn wenigstens ein antiker Autor diesen Namen verschriftlicht hat (so z. B. Pau-li 1980: 23). Und genau aus diesem Grund scheitern letztendlich auch alle: ein Versuch der Bestimmung der Herkunft „der Kelten“ auf diesen Wegen ist aussichts-los und daher auch sinnlos.

Hinzu kommt schließlich noch das schon von Marc Bloch (2010: 25) angesprochene und von Ludwig Pauli (1980: 16) am Vergleichsbeispiel der Herkunft „der Preußen“ illustrierte Grundsatzproblem: was wird durch die Bestimmung der „Herkunft“ eines Phäno-mens überhaupt erklärt?

Nehmen wir als alternatives Vergleichbeispiel die „keltische“ Sprache Walisisch. Diese wird bis heute aus verschiedenen guten Gründen als „keltische“ Sprache klassifiziert, aber: sie enthält heute zahllose englische, lateinische und Lehnworte aus anderen Sprachen, die im „ursprünglichen Walisisch“, als der Sprache zur Zeit der Herkunft „des Walisischen“, noch nicht vorhan-den waren. Aber macht das diese Lehnworte irgend-wie weniger wichtig für ein Verständnis des heutigen Walisisch als die Worte, die schon am Zeitpunkt der „Entstehung“ der walisischen Sprache in dieser vor-handen waren? Macht es diese Worte (und auch ganz allgemein das „Walisische“) weniger „walisisch“ als das „ursprüngliche Walisisch“? Könnte man das heutige „Walisisch“ ohne sie erklären? Wohl kaum!

Das Gleiche gilt auch für die Herkunft „der Kelten“ und natürlich auch für alle anderen nicht räumlich und zeitlich eng begrenzten historischen Phänomene: die Beantwortung der Frage nach ihrer „Herkunft“ er-klärt wenig bis gar nichts.

Auch das präventive Argument Barry Cunliffes und John T. Kochs in ihrer Einleitung zu Celtic from the West greift hier nicht: “We accept the basic linguistic principal that all languages, as attributes of specific human communities, have locations in space and time” und “In our view, […] the proposition that Celtic emerged somewhere and at some time can only be denied by also denying all such propositions as

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‘Latin originated in central Italy in the 1st millennium BC’” (Cunliffe & Koch 2010: 7). Natürlich sind Sprachen als spezifische Kulturerscheinungen räumlich wie zeitlich konkret lokalisiert. Aber das bedeutet nicht, dass sie eine konkret bestimmbare „Herkunft“, einen „Ursprung“ haben: natürlich wird wahrscheinlich etwa das, was wir heute als „Keltisch“ bezeichnen, irgendwann und ir-gendwo gesprochen worden sein. Aber seine „Entste-hung“, sein „Ursprung“, seine „Anfänge“ sind in der Gegenwart gesetzt, dadurch, dass wir eine bestimm-te, kontinuierlich erfolgende und sich langsam weiter-räumig durchsetzende Änderung im Sprachverhalten vergangener Menschen in der Gegenwart zum ent-scheidenden Element für die Bestimmung der nun-mehr veränderten Sprache als „keltisch“ erklärt haben. Die „ersten“ Sprecher der Sprache, die wir heute als „keltisch“ bezeichnen, haben einfach gesprochen und vermutlich nicht im Mindesten bemerkt, dass sie jetzt plötzlich eine „neue“ Sprache gesprochen hätten. Gut, zugegeben, vielleicht haben sich ein paar Leute dar-über beschwert, dass „die Jungen“ oder „die über dem nächsten Hügel“ nicht „ordentlich“ reden, sondern die schöne althergebrachte Sprache dieser sich auf-regenden Leute verschandeln. Aber das ist völlig un-wesentlich; wesentlich ist, dass die Grenze zwischen „vorkeltischer“ und „keltischer“ Sprache von uns, und das weitgehend willkürlich, gezogen wird. Wir könn-ten diese Grenze auch an nahezu beliebigen anderen Punkten ziehen, oder auch gar nicht, denn Sprache än-dert sich ständig, sowohl räumlich als auch zeitlich. Die Bestimmung, wann und wo in der Vergangenheit die Grenze, die wir in der Gegenwart gezogen haben, zu lokalisieren ist, sagt uns nichts weiter als wann und wo in der Vergangenheit wir willkürlich eine Grenze zie-hen wollen (cf. Karl 2010c).

Die Frage nach der Herkunft „der Kelten“ ist also, wenigstens so wie sie bisher gestellt wurde, falsch ge-stellt und daher sinnlos (cf. Pauli 1980: 21).

Das bedeutet aber natürlich nicht, dass sie gänz-lich sinnlos sein muss: sie muss nur, um sinnvoll zu werden, auf andere Art gestellt werden; auf eine Art, die nicht auf die „Anfänge“ als „Ereignis“ abzielt, die (prä)historische Phänomene nicht „dinghaft“ ver-steht, die nicht schon in ihrer Form die Uniformi-tät und Unigenesis des Untersuchungsgegenstandes voraussetzt. Stattdessen sollte sie in einer Weise gestellt

werden, die auf die dauernd fortgesetzten, ununter-brochen ablaufenden Entstehungsprozesse abzielt, die unseren Untersuchungsgegenstand zu dem machen, über das wir sprechen wollen (also die Frage „wie ent-steht ein (prä)historisches Phänomen“ zu beantwor-ten versuchen), die auf ein Verständnis dieser Prozesse abzielt („warum entsteht etwas“) und die wenigstens die Möglichkeit die Polyformität und polygenetische Natur dieser Entstehungsprozesse zu berücksichtigen erlaubt.

Die Entstehung „der Kelten“, die es nie gab

Wie könnte also eine bessere Lösung für das Problem der „Herkunft“, oder genauer des Entstehungsprozes-ses, „der Kelten“ aussehen?

Zuerst einmal sollten wir jedenfalls (egal was wir be-züglich der Frage, ob es „die Kelten“ nun tatsächlich gab oder nicht, jetzt glauben mögen) von der Annah-me, d. h. der Prämisse, ausgehen, dass es „die Kelten“ nie gab, dass sie daher auch kein „Ding“ sind, das einen „Anfang“ haben könnte oder uniform und unigene-tisch sein müsste. Wir sollten das übrigens schon allein deshalb als Prämisse (und nicht etwa als Grundprämis-se), als Hypothese annehmen um nicht ein mögliches Ergebnis allfälliger Untersuchungen, die schließlich auch zum Resultat führen können sollten, dass es „die Kelten“ doch gab, vorwegzunehmen. Es soll sich da-bei eben nicht um ein Vorurteil handeln, sondern um ein Postulat, dessen Richtigkeit wir aus argumenta-tiven Gründen (vorerst) voraussetzen. Nachdem wir (trotzdem) über sie reden (wollen), nehmen wir also als Ausgangspunkt unserer Überlegungen an, dass wir die Kelten erfinden.

Um auch zu wissen, worüber wir reden (wollen), gehen wir des Weiteren (als weitere Prämisse) davon aus, dass die Begriffe „Kelten“ und alle Ableitungen davon (wie „keltisch“) frei erfundene Etiketten sind, die zur abgekürzten Bezeichnung verschiedener, teil-weise miteinander assoziierter (prä)historischer Phä-nomene benutzen wollen. Phänomene, die wir mit diesem Etikett bezeichnen wollen, sind z. B. bestimm-te, aus Antike und Gegenwart überlieferte, Sprachen (wie z. B. Gallisch, Keltiberisch, Irisch, Walisisch, Bre-tonisch etc.), bestimmte materielle Kulturerscheinun-gen (z. B. die sogenannten Hallstattkulturen; aber auch

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moderne irische, walisische etc. Materialkultur), be-stimmte ethnische Fremd- und Selbstbestimmungen (z.B. Celtae, ãti, Waliser, Iren, Kornen, Breto-nen etc.), bestimmte immaterielle bzw. ideelle Kul-turerscheinungen (z. B. die religiösen Vorstellungen der „Druiden“, irische Volksmusik etc.), und so wei-ter. Dabei ist wichtig, gleich von Beginn weg festzu-halten, dass diese teilweise miteinander assoziierten Phänomene niemals deckungsgleiche raum-zeitliche Verbreitungen aufweisen, ja sogar teilweise überhaupt nicht unmittelbar miteinander assoziiert sind (so sind z. B. die Materialkulturen der europäischen „kelti-schen“ Eisenzeit mit moderner irischer Volksmusik überhaupt nicht direkt miteinander assoziiert, sondern nur darüber, dass beide wenigstens teilweise mit „kel-tischen“ Sprachen assoziiert sind).

Das Etikett „Kelten“ wird allerdings nicht völlig beliebig verwendet, sondern die Verwendung dieses Etiketts beruht auf einer Assoziation, die ich hier als Primärassoziation bezeichnen möchte – die Assoziati-on, auf der letztendlich die Benennung der zu untersu-chenden Phänomene beruht. Diese Primärassoziation findet sich im eisenzeitlichen „Gallien“, denn dort überlappen sich verschiedene historische Phänomene, die uns überhaupt erst auf die Idee gebracht haben ir-gendetwas als „Kelten“ zu bezeichnen. Die dort mit-einander assoziierten Phänomene sind z. B. die (jeweils nachweisliche) Präsenz von Sprachen einer bestimmten (der „keltischen“) Sprachfamilie, die Präsenz bestimm-ter Materialkultur(en) (der „keltischen“ Latènekultu-ren), die Präsenz gewisser immaterieller kultureller Erscheinungen (z. B. der „keltischen“ Druiden), be-stimmter Fremd- (z. B. Kelto, Celtae) und mögli-cherweise ähnlich lautender Selbstbestimmungen (z. B. Celtillus), sowie möglicherweise einiger weiterer kul-tureller Phänomene (z. B. eventuell bestimmter Arten der Organisation von Familienverbänden, bestimm-te Vorstellungen zu sexuellen Beziehungen, Vertrags-formen etc.; cf. Karl 2006). Diese Überlappung bzw. Assoziation im eisenzeitlichen Gallien ist aus dem schon oben genannten Grund signifikant: diese kul-turelle Erscheinungen hängen ob ihrer gleichzeitigen Präsenz in diesem Zeit-Raum wenigstens bedingt mit-einander zusammen und beeinflussen einander daher wenigstens teilweise.

Die einzelnen, Teil der Primärassoziation bildenden,

Phänomene bilden dann die Basis für weitere Assozia-tionen und Assoziationsketten, z. B. die Assoziation von antiken mit modernen „keltischen“ Sprachen, und in weiterer Folge die Assoziation moderner irischer Volksmusik mit einer modernen „keltischen“ Spra-che. Die Tatsache, dass zwei historische Phänomene wie z. B. die Latènekulturen und irische Volksmusik durch eine „keltische“ Assoziationskette miteinander verbunden werden können, bedeutet dabei natürlich keineswegs, dass diese mittels einer Assoziationsket-te verbundenen Phänomene miteinander direkt zu tun haben oder Informationen vom einen Ende der Assoziationskette (z. B. der irischen Volksmusik) ans andere Ende der Assoziationskette (z. B. in die Latene-zéit) übertragen werden können: bloß weil zwei Din-ge über Umwege miteinander assoziiert sind, müssen sie noch lange nichts miteinander zu tun haben. Ein allfällig postulierter Zusammenhang zwischen nur durch Assoziationsketten verbundenen Phänomenen in unserem Untersuchungsgegenstand hat also stets unabhängig von der bestehenden Assoziation gezeigt zu werden (cf. Karl 2006; 2007).

Schon die Primärassoziation ist jedoch polyge-netisch (und alle späteren Assoziationen wenigstens ebenso), wenigstens so weit wir das auf Basis der uns zur Verfügung stehenden Quellen sagen können. Neh-men wir zum Beispiel grob vereinfachend an, dass die „keltischen“ Sprachen tatsächlich wie von Barry Cun-liffe (2010) und John T. Koch (2010) postuliert an der Atlantikküste entstehen: Die ebenfalls „keltischen“ Latènekulturen entstehen sicherlich nicht „nur“ an der Atlantikküste, sondern (wenigstens wenn wir ei-nen neuerlich polylokalen und polygenetischen Pro-zess stark vereinfachen) hauptsächlich in Mitteleuropa, und das noch dazu erst viel später als die „keltischen“ Sprachen nach Cunliffes und Kochs Modell. Und wenn wir uns entscheiden die Meinung der Gewährsleute für Caesars Bericht in dieser Beziehung für verlässlich zu halten – und es gibt keinen besonderen Grund, war-um wir das in diesem Fall nicht tun sollten – entstand das Druidentum in Britannien (b.g. 6,13.10–12), wohl neuerlich zu einer anderen Zeit. Und dabei vernachläs-sigen wir bereits, dass jedes einzelne der hier genann-ten assoziierten Phänomene ganz für sich wiederum eine mindestens ebenso polylokale und polygenetische Entstehungsgeschichte hat wie die Primärassoziation

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selbst, d. h. in Wirklichkeit die Polylokalität und Poly-genese der Primärassoziation noch viel komplexer, d. h. die Herkunft jedes der zur Primärassoziation beitra-genden Phänomene noch viel weniger klar fassbar ist als die Herkunft der Primärassoziation selbst.

Dieses „keltisch etikettierte“ Assoziationsprinzip kann und sollte selbstverständlich auch verallgemeinert werden: als „keltisch“ etikettieren wir jede beliebige Assoziation zwischen zwei oder mehreren Phäno-menen, von denen wir bereits eines auf Grund sei-ner Beteiligung an der Primärassoziation als „keltisch“ etikettiert haben (das hält allfällige Assoziationsketten auch einigemaßen kurz – wenngleich nicht unbedingt die chronologische Distanz, die durch die Assoziati-onskette überbrückt wird) und die wir (aus welchen Gründen auch immer) als (wissenschaftlich) signifi-kant erachten. Die bereits mehrfach genannte Asso-ziationskette, die vom eisenzeitlichen „keltischen“ Gallien über die „keltischen“ Sprachen zur „kel-tischen“ irischen Volksmusik führt, ist ein Beispiel da-für. Ob und inwieweit man diese Assoziationsketten noch weiter verlängern kann und möchte, kann man dann selbstverständlich noch disktutieren, ich würde allerdings grundsätzlich eher dazu neigen das nicht zu tun.

Die Herkunft bzw. Entstehung von uns als „kel-tisch“ bezeichneter Phänomene kann man sich dann kurz zusammengefasst etwa wie folgt vorstellen: die-se Phänomene entstehen großteils unabhängig von-einander zu verschiedenen Zeiten (bis heute) und an verschiedenen Orten (heute über die halbe Welt ver-streut, nachdem Sprecher „keltischer“ Sprachen heu-te nicht nur in Europa, sondern wenigstens auch in den Amerikas und in Australien leben und sich dort selbstverständlich auch kulturell weiter verändern, also neue „keltische“ Kulturerscheinungen schaffen). Die-se Kulturerscheinungen entstehen dabei, wie ich be-reits andernorts genauer ausgeführt habe (Karl 2008: 207–12), auf drei hauptsächliche Arten, nämlich ers-tens durch kreative Neuschöpfung von kulturellem

Wissen durch Personen, das von Anfang an (also schon zum Zeitpunkt seiner Neuschöpfung) mit anderem, von uns bereits als „keltisch“ bezeichnetem kulturellen Wissen, assoziiert ist, zweitens durch Diversifikation (Abwandlung) und Rekombination bereits „keltisch“ assoziierten, internalisierten kulturellen Wissens, also kulturellen Wissens, das wir schon vor seiner Abwand-lung oder Rekombination als „keltisch“ bezeichnet hätten (ein Beispiel dafür sind Veränderungsprozesse innerhalb von Sprachen, Kunststilen oder anderen ma-teriellen oder ideellen Kulturerscheinungen), und drit-tens durch Adoption und Adaption zuvor noch nicht „keltisch“ assoziierten (externen) kulturellen Wissens in „keltische“ Assoziationen (ein Beispiel dafür sind z. B. beliebige Importstücke, die in einem „keltischen“ Assoziationsbereich Verwendung finden).

Diese Entstehung ist daher ein stetig fortlaufender Prozess, ein Prozess, der bis heute nicht geendet hat und der auch nicht an einem Ort zu einer Zeit begon-nen hat – „die Kelten“ kommen daher von überall und nirgendwo (cf. Karl 2008; 2010c). Die Keltiké – der Zeit-Raum, den wir (auch) als „keltisch“ bezeichnen können (Abb. 1) – ist hingegen erst nachträglich, durch uns, als Beobachter „von außen“ konstruiert, die wir diese dauernd entstehenden und sich auch dauernd verändernden Assoziationen, die uns als signifikant er-scheinen, mit dem Begriff „Kelten“ bezeichnen.

Natürlich wird es trotzdem einen Punkt in Zeit und Raum gegeben haben, an dem „zum ersten Mal“ zwei kulturelle Erscheinungen miteinander assozi-iert wurden (denn die Wahrscheinlichkeit, dass dies genau gleichzeitig an zwei oder mehreren verschie-denen Orten geschehen ist, ist verschwindend gering), die wir nachträglich betrachtet heute als „keltisch“ be-zeichnen würden. Aber dieser Punkt ist nicht bedeu-tender als beliebige andere Punkte in Raum und Zeit, an denen ebenfalls solche Assoziationen entstanden sind. Daher ist es auch völlig unnütz und daher sinn-los diesen Punkt zu suchen.

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Anmerkungen

1 Dieser Beitrag stellt eine Verbindung aus meinen beiden Vor-trägen (Tagungsvortrag und öffentlicher Abendvortrag) bei den Interpretierten Eisenzeiten 4 in Hallein dar.

2 Hypothese ist hier nicht wie oft im umgangsprachlichen Ge-brauch vorkommend mit Theorie gleichzusetzen, sondern im Sinne des ursprünglichen griechischen UpÒYesiw als „Unter-stellung“, „Voraussetzung“, „Grundlage“ zu verstehen bzw. im Sinne der Logik als Prämisse eines Arguments, deren Wahrheit

Abb. 1: Modell der „Keltengenese“, der Ontogenese der historischen Phänomene, die wir mit dem Begriff „keltisch“ bezeichnen (Karl 2008: 211)

(wenigstens vorläufig) unterstellt bzw. vorausgesetzt wird um das Argument zuerst einmal ausführen und seine Ergebnisse anschließend gegebenenfalls überprüfen zu können.

3 Diesen Text hat mir John Collis freundlicherweise zur Über-setzung ins Deutsche für das auf der Tagung präsentierte Poster zur Verfügung gestellt. Ich zitiere hier den englischen Originaltext um mögliche sinnverzerrende Übersetzungen meinerseits auszuschließen.

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