Die La Couronne Richelieus neu betrachtet (Teil 1)

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S eit Jahrzehnten ist bekannt, dass die in den „Souvenirs de Marine“ als LA COURONNE gezeigte Grafik nicht dieses Schiff repräsentiert [1]. An diesem Punkt wird meist der Weg verfolgt, welches Schiff der Flotte Richelieus es denn dann zeigen würde. Diesmal soll ein anderer Weg beschritten werden. Welche Informationen lassen sich finden, um sich der histo- rischen LA COURONNE in ihrer äußeren Ansicht anzunähern [2]. Das vergleichende Bildrepertoire aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges ist allerdings gegenüber den Jahr- zehnten von Willem van de Velde, Vater und Sohn, oder auch Pierre Puget in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts deutlich schwieriger und dünner, bietet aber einige Anhaltspunkte. Jacob Loefs Darstellung eines großen französischen Zweideckers zeigt als Galionsfigur Neptun mit Dreizack auf einen von Seepferden gezogenen Wagen. Damit kann das Vorbild weder das selbe wie in Fourniers Grafik noch das der LA COURONNE sein. Denn diese trug laut der Beschreibung von Charles Fournier einen die Hydra besiegenden Herkules [3]. Loef zeigt uns also einen weiteren französischen Zwei- decker aus der Zeit Richelieus. Die Figur deutet auf den Namen Neptun hin. Ob aber das Schifflein NEPTUNE mit 200 tonneaux, 16 Geschützen unter Kapitän Duquesne gemeint ist, ist zu bezweifeln. Die Galionsfigur bei Abraham Willaerts ist leider nicht erkennbar, dafür zeigt es uns das Heck eines französischen Zweideckers der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die gesamte Silhouette wirkt deutlich anders als bei Pâris und ist zeitgenössischen niederländischen Schiffen ähnlicher. Die Seitengalerie zeigt zwei unterschiedlich große Türme und am Heck das bekannte große Heckbild. In dem hier gezeigten Gemälde wird das Schiff auch als Flottenflaggschiff mit französischen Flaggen gezeigt. Die Führung der Flaggen und Wimpel entspricht niederländischem Muster. Etwas weni- ger bekannt ist eine Arbeit von Bonaventura Peeters im Schloss Oranienburg bei Berlin. Leider ist die im rechten Hintergrund erkennbare Küstenstadt nicht definierbar, aber die datierte Signatur, sollte aufhorchen lassen: BP 1636! Egal welches Schiff es letztendlich zeigt, die Breite des Hecks im Verhältnis zur Höhe ist deutlich verschieden zur Rekonstruktion von Pâris. Die Beflaggung zeigt uns ein Flaggschiff der Vorhut nach niederländischem Muster. Die LA COURONNE war konzipiert für Admiral de Launay-Razilly, der stets als Vizeadmiral fungierte und in Flottenaufstellungen wird sie auch stets als Vizeadmiralsschiff geführt. Die LA COURONNE neu betrachtet 92 DAS LOGBUCH 49. Jg. 2013 H. 3 Die LA COURONNE Richelieus neu betrachtet (Teil 1) Marko Richter, Berlin Abb. 1: „Ein königliches Schiff“ aus der Hydrographie von Georges Fournier (1595-1652), Wikimedia Commons cc-by-2.0

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Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass die in den „Souvenirs deMarine“ als LA COURONNE gezeigte Grafik nicht dieses

Schiff repräsentiert [1]. An diesem Punkt wird meist der Wegverfolgt, welches Schiff der Flotte Richelieus es denn dannzeigen würde. Diesmal soll ein anderer Weg beschritten werden.Welche Informationen lassen sich finden, um sich der histo-rischen LA COURONNE in ihrer äußeren Ansicht anzunähern[2].

Das vergleichende Bildrepertoire aus der Zeit desDreißigjährigen Krieges ist allerdings gegenüber den Jahr-zehnten von Willem van de Velde, Vater und Sohn, oder auchPierre Puget in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts deutlichschwieriger und dünner, bietet aber einige Anhaltspunkte.

Jacob Loefs Darstellung eines großen französischenZweideckers zeigt als Galionsfigur Neptun mit Dreizack aufeinen von Seepferden gezogenen Wagen. Damit kann dasVorbild weder das selbe wie in Fourniers Grafik noch das derLA COURONNE sein. Denn diese trug laut der Beschreibungvon Charles Fournier einen die Hydra besiegenden Herkules[3]. Loef zeigt uns also einen weiteren französischen Zwei-decker aus der Zeit Richelieus. Die Figur deutet auf den NamenNeptun hin. Ob aber das Schifflein NEPTUNEmit 200 tonneaux,

16 Geschützen unter Kapitän Duquesne gemeint ist, ist zubezweifeln. Die Galionsfigur bei Abraham Willaerts ist leidernicht erkennbar, dafür zeigt es uns das

Heck eines französischen Zweideckers der ersten Hälfte des17. Jahrhunderts. Die gesamte Silhouette wirkt deutlich andersals bei Pâris und ist zeitgenössischen niederländischen Schiffenähnlicher. Die Seitengalerie zeigt zwei unterschiedlich großeTürme und am Heck das bekannte große Heckbild. In dem hiergezeigten Gemälde wird das Schiff auch als Flottenflaggschiffmit französischen Flaggen gezeigt. Die Führung der Flaggenund Wimpel entspricht niederländischem Muster. Etwas weni-ger bekannt ist eine Arbeit von Bonaventura Peeters im SchlossOranienburg bei Berlin. Leider ist die im rechten Hintergrunderkennbare Küstenstadt nicht definierbar, aber die datierteSignatur, sollte aufhorchen lassen: BP 1636! Egal welches Schiffes letztendlich zeigt, die Breite des Hecks im Verhältnis zurHöhe ist deutlich verschieden zur Rekonstruktion von Pâris.Die Beflaggung zeigt uns ein Flaggschiff der Vorhut nachniederländischem Muster. Die LA COURONNE war konzipiertfür Admiral de Launay-Razilly, der stets als Vizeadmiralfungierte und in Flottenaufstellungen wird sie auch stets alsVizeadmiralsschiff geführt.

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Marko Richter, Berlin

Abb. 1: „Ein königliches Schiff“ aus der Hydrographie von Georges Fournier (1595-1652), Wikimedia Commons cc-by-2.0

Von den drei weiteren Darstellungen, die in einen direktenZusammenhang mit der LA COURONNE gebracht werden, zeigteines die Seeschlacht bei Guetaria 1638 [4]. Dem KünstlerAndries van Eertvelt gelingt zwar eine dramatischeDarstellung, aber eine glaubwürdige Präsentation von Detailseher nicht. Die LA COURONNE soll an diesem Ereignisteilgenommen haben. Dabei hat der französische AdmiralPhilippe Raquin des Gouttes dieses Schiff, statt für denVizeadmiral de Launay-Razilly, für sich selbst in Beschlaggenommen.

Zu Ehren de Launay-Razillys fertigte Claude Vignon eineheroisierende Darstellung des Admirals mit einem Flaggschiffund der Rückeroberung der Île de Ré von englischen Besatzernwährend der Belagerung von La Rochelle 1627 bis 1628. Dasdarauf sichtbare Schiff entspricht eher einer symbolischenDarstellung, als einer getreuen Wiedergabe. Dazu passt, dassdie LA COURONNE zum dargestellten Ereignis noch nichtfertiggestellt war. Trotzdem wurde es in der Vergangenheitals eine realistische Darstellung des Schiffes gehandelt, dadas Gemälde mit 1642 datiert ist und man sich dachte, dassda die LA COURONNE als Vorbild gedient haben könnte.Selbst wenn dies zuträfe, wäre es für eine Rekonstruktionder äußeren Ansicht wenig hilfreich und nicht ausreichenddetailliert.

Allerdings mit der dritten hier vorzustellendenDarstellung sieht es ganz anders aus. Zum einen ist siedatiert und beschriftet, zum zweiten ist der KünstlerAugenzeuge und als Teilnehmer einer Inspektionstourdurch französische Häfen auch in offizieller Mission

unterwegs gewesen. Auf einer detaillierten Grafik mit einerVogelflugansicht von Brest und der nächsten Umgebung liegtdirekt an der Festung ein besonders groß dargestelltes Schiff.Die Beschriftung bezeichnet es als LA COURONNE. Leider wirdsie hier im aufgelegten Zustand von 1640 gezeigt. Mehr, als dases ein Zweidecker mit einer Galerie und drei Masten ist, istnicht zu erkennen. Sie muss aber einen so großen Tiefganghaben, das noch ein Fahrzeug zwischen ihr und dem Ufer sichervertäut werden kann. Aber es ist die einzige gesicherteWiedergabe dieses Schiffes.

Da wir mit den gesammelten zeitgenössischen Darstel-lungen nur ein allgemeines Bild entwerfen können, müssenandere Quellen herangezogen werden. Die von CharlesFournier in seiner „Hydrographie“ mitgeteilten Angabenwerden meist skeptisch betrachtet oder auch als übertriebenabgelehnt. Allerdings werden ähnliche Angaben in einer

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Abb. 3: Adam Willaerts – Ein ablegendes Schiff(Ausschnitt). Wikimedia Commons.

Abb. 2: Jacob Gerritz. Loef: Ein französisches Kriegsschiff begleitet von einem niederländischen Schiff auf ruhiger See. WikimediaCommons.

anderen unabhängigen Quelle gemacht. Ein Herr Degorris [5}war ebenfalls Teilnehmer jener Inspektionstour und hatte dabeieine umfangreiche und detaillierte Beschreibung der LACOURONNE, auf 1636 datiert und im Stile von Fournier,hinterlassen [6]. Während Fournier für „la Pouleine ouEsperon“ 45 „pieds de Roy“ angibt, stehen bei Degorris für„son esquille d’esperon“ 40 zu Buche. Es scheinen sich also dieAngaben bei Fournier nicht als Fantasie herauszustellen.Stichproben bei Dassie 1695 als auch bei Gruchet 1681

geben keinen genauen Anhaltspunkt für Anfang und Ende desGalions [7]. Die Verwendung von „esquille“ deutet in Richtung

Scheg und die Zeichnung bei Dassie auf den Ausleger hin. Sounbestimmt der gemessene Gegenstand bezeichnet wird weistdie Messung auf einen schiffbaulichen Laien hin. Für deneigentlichen Schiffbau ist diese Angabe unwichtig und wirdmöglicherweise erst nachträglich gemessen worden sein. Wasauch auf die Zielrichtung der anderen Angaben verweist:Präsentation von Größe! Der Zahlenwert 40 bzw. 45 pieds deRoy ergibt bei 32,48 cm für den Pariser Fuß eine metrischeLänge von ca. 13 m bzw. ca. 14,6 m. Leider sind vergleichbareAngaben sehr selten. So war selbst für die VASA nur dieungenaue Information mit fast 12 Metern aufzufinden.

Allerdings erstaunt dies auch, da sie kleiner war als die LACOURONNE. Damit ist die Angabe 40 bzw 45 pieds nichtaus der Luft gegriffen. Auch in der zeitgenössischenLiteratur ließ sich ein rares Beispiel finden. RobertDudley, illegitimer Sohn des Earl of Northumberland,schrieb im italienischen Exil sein 1647 erschienenesLebenswerk Dell Arcano del Mare [8]. Darin werdenSeitenrisse von idealisierten Konzepten von Schiffenwiedergegeben. Bei einem Zweidecker kann man eineLänge von etwa 32 englischen Fuß ablesen, bei anderenMesspunkten sind kleinere Werte möglich. In diesem Fallwird die unten angegebene Maßlinie verwendet. Bei 30,48cm als englischen Fuß wäre das Galion fast 10 Meter lang.Eine andere Zeichnung des selben Werkes bietet mit 40Fuß etwas mehr als 12 Meter Länge. Es zeigt sich also, dassdie von Degorris und Fournier angegebenen Längen nicht

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Abb. 4: Bonaventura Peters – Kriegsschiffe auf bewegter See. Das Schiff in der Heckansicht stellt möglicherweise die LA COURONNE

dar. (Foto: Marko Richter)

Abb. 5: Claude Vignon – Die Rückeroberung der Insel Rédurch Claude de Razilly 1627. (Foto: Eberhard Falck)

als von einander abgeschrieben angesehen werden sollten,sondern als real zu verwenden sind. Das Pariser Marine-museum hat in seiner Modellbaumappe die Länge auf 20 Fußhalbiert, da sie den zeitgenössischen Werten nicht vertrauten[9].

Die Gesamthöhe des Schiffes am Heck wird ebenso kriti-siert. Hier scheint Fournier mit 75 pieds gegenüber den 61 piedsund 9 pouces von Degorris tatsächlich falsche Werte anzu-geben. Bei Fournier wären es dann 24,4 m und bei Degorrisetwas über 20 m. Bei der VASA wurden 19,3 m gemessen undfür die SOVEREIGN OF THE SEAS sind nach Heywood die 76foot bei 23,2 m angesiedelt [10]. Aber dieser Wert bei Heywoodbeinhaltet ausdrücklich die Höhe der Hecklaterne mit und wirdbis zur Unterkante Kiel gerechnet. Bei Hancock wird dieDiskrepanz zwischen den Angaben von Degorris undFournier mit 12 pieds mit der Höhe der Hecklaternebegründet. Dankenswerterweise schreibt Degorris näm-lich, dass er vom Handlauf auf der Oberhütte ausgemessen habe. Im Rijksmuseum sind zwei Exemplarevon Schiffs-laternen aus dem 17. Jahrhundert erhalten.Diese haben eine Gesamthöhe von über 3 m. Zieht mandavon noch einen geschätzten Meter ab, so bleiben 7 1⁄4pieds über. Auf der LA COURONNE von Fournier müsste

die Hecklaterne über 4 m hoch sein, damit diese Diskrepanzerklärbar wäre. Und siehe da, er gibt die Höhe der mittlerengroßen Laterne mit 12 pieds an. Die beiden anderen Laternenseien etwas kleiner. Wieder zeigt sich, dass den Angaben vonFournier zu trauen ist, nur sind sie zu ungenau hinsichtlich dertatsächlich gemeinten Objekte und Längen. Die Werte vonFournier werden für den heutigen Nutzer erst im Zusam-menhang mit anderen Quellen nützlich.

Für den äußeren Eindruck des Hecks ist die Breite imVerhältnis zur Höhe relevant. Hier wird die Breite der beiDegorris genannten Räume als Ersatz der fehlenden Angaben,wie Länge des Heckbalkens, verwendet. Dabei ergeben sich imobersten Raum auf einer Höhe von 12 bis 13 m über der

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Abb. 6: P. Petit – Topographie von Brest 1640. (Source gallica.bnf.fr Bibliothèque nationale de France)

Abb. 7: P. Petit – Topographie von Brest 1640(Ausschnitt). (Source gallica.bnf.fr Bibliothèque nationale de France)

Wasserlinie eine Breite von fast 6 m. Gegenüber dem 3,2 mbreiten Abschluss bei der VASA wird die LA COURONNEwesentlich breiter gewirkt haben. Auch wird das Heck wenigerflaschenförmig ausgesehen haben, da der Unterschied zu den11 m größte Breite im Heck weniger groß war.

Bei der Anzahl und Verteilung der Geschütze herrscht diegrößte Verwirrung und Unverständnis. Fournier gibt 72Geschütze an und Degorris nennt 68 Stücke, beziehungsweisegenauer gesagt Stückpforten. Fournier nennt aber nicht dieVerteilung im Schiff, sondern erwähnt nur zweimal Stücke, diean einzelnen Stellen platziert wurden. Einmal 4 Stücke in derkleinen St. Barbara und dahinter in der großen St. Barbara zumBekämpfen von Galeeren. Im Vorschiff ist der Platz desBootsmanns und neben Kabeln sind dort auch 8 Stücke dieüber das Galion schießen. Diese Anzahl entspricht genau derMenge auf der SOVEREIGN OF THE SEAS wie man es auf der sogenannten „Morgan-Zeichnung“ und dem Stich von JohnPayne sehen kann. Allerdings wird genau diese Anordnung derGeschütze als nachträglich und nicht realistisch abgelehnt [11].Diese Zeichnung von van de Velde soll von einem späterenZeitpunkt aus, einen Zustand kurz nach dem Stapellaufrepräsentieren. Nicht nur die Positionierung der Geschütze,auch andere Ausrüstungsgegenstände entstammen anderenund eigene Vorlagen.

Auch Degorris erwähnt in seinem Manuskript 8 Stücke.Aber bei ihm ist die Verteilung der Stückpforten noch ehernachvollziehbar. 24 Stücke könnten auf dem ersten Deck und16 auf dem Oberdeck stehen. Für sechs Stücke sind auf demHalbdeck und eben jene schon erwähnten acht Stück auf derBack Platz. Weitere acht Stück finden ihren Platz im zweitenRaum der Kanoniere und 2 im ersten Raum. Für das Heckwerden vier Pforten extra gezählt. Obwohl übersichtlicher,stellen sich doch einige Fragen. Die zwei Stücke im erstenRaum der Kanoniere ist am einfachsten zu beantworten. Dadieser Raum unterhalb des ersten Decks liegt, ist hier dieabgestufte Batterie zu sehen, mit dem einzelnen Geschützunterhalb der durchgehenden Batterie. Schwieriger ist dieBeschreibung der unteren Batterie selber. Einmal werden dafür24 Stückpforten genannt, zum anderen aber auch acht Stückeim zweiten Raum der Kanoniere, der auf der Ebene des erstenDecks liegen soll. Zählen diese nun zusätzlich oder sind dieseschon in den 24 Pforten mitgezählt? Der bekannte Schifffahrts-historiker R. C. Anderson hatte 1914 die vier Pforten pro Seitehinzugefügt. Damit wären es drei Stücke pro Seite mehr als bei

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Abb. 8: Detail aus einem Seitenriss eines Zweideckers beiDassie, S. 73.

Abb. 9: Ausschnitt aus Robert Dudley – Dell’Arcano del Mare.Viertes Buch, Tafel 6.

Abb. 10: Tafel 8 aus Robert Dudleys Dell’Arcano del Mare.

der SOVEREIGN OF THE SEAS. Auch die Ausrichtung derStücke auf der Back ist undeutlich. Wie viele davonstanden nicht an den Seiten, sondern zielten nach vornoder gar nach achtern? Und wie verhält es sich mit derAngabe von Fournier, mit den 8 Stücken über demGalion? Es sind also etliche Unklarheiten vorhanden, diewohl nur mit neuen Fundstellen gelöst werden können.Es zeigt sich, dass die Rekonstruktion von Pâris in

vielen Punkten auf falschen Annahmen und Vorlagenberuht. Es ist aber gerade bei diesem Fahrzeug durch dievielen Beschreibungen und umfangreichen Maßangabenmöglich, eine neue Rekonstruktion zu wagen. Sicher wirddie Rekonstruktion des lebenden Werkes nicht möglichsein. Hier muss man sich Vorbilder „borgen“. Die Modelleder brandenburgischen Fregatte BERLIN und der FleuteDERFFLINGER sind trotz ihrer Adaption aus völliganderen Quellen immer noch akzeptierte Rekonstruk-tionen. Über angepasste Formen der VASA oder derSOVEREIGN OF THE SEAS könnte man diskutieren. Durchdie Beschreibung der einzelnen Kammern und Decks inden Quellen ist eine Rekonstruktion der Silhouettemöglich. Die Batterien zeigen eine Reihe von 12beziehungsweise 16 Stückpforten im Unterdeck undeinem einzelnen Geschütz nach unten abgesetzt. Diezweite Reihe mit deutlich weniger Geschützen wirdsicherlich an der Galerie enden, deren genaue Datenebenfalls bekannt sind. Hier überrascht die viel zu geringeAnzahl von acht Stücken pro Seite. Anderson nahm eineunbestückte Kuhl an, dem ich nicht folgen möchte. Ehervermute ich eine durchgehende Batterie von der Galerieab nach vorn einschließlich der Kuhl. Vermutlich endetediese Batterie an der Back. Die dann noch Platz findendenGeschütze in dieser Batterie könnten die bei Degorrisgenannten Geschütze der Back sein. Die sechs erwähntenStücke auf dem Halbdeck sind eindeutig und vierStückpforten im Heck lassen auch nur zwei Möglichkeitenzu: Entweder zwei Stücke unterhalb und oberhalb desHeckbalkens oder vier Pforten unterhalb des Heckbal-kens im Spiegel. Meiner Meinung nach würde ich eher für

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Abb. 11: Rekonstruktion der Raumeinteilung der LA COURONNE nach den Angaben in der Handschrift Fr. 4608 durch R. C. Anderson.

Abb. 12: Folio 483 der hier viel verwendeten HandschriftMS Fr. 4608. Hier der Anfang einer Auflistung von

Maßangaben der Takelage der LA COURONNE. (Sourcegallica.bnf.fr Bibliothèque nationale de France)

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Abb. 13 bis 16: Beispiele von Darstellungen mit Herkules im Kampf mit der Hydra. Alle Abbildungen Wikimedia Commons.(Abb. unten rechts: M. M. Minderhoud; Abb. oben rechts: Ángel Serrano Sánchez de León)

die erstere Variante plädieren, da bildliche Beispiele aus dieserZeit für die zweite Form mir nicht bekannt sind.

Das Galion ein auch kein großes Problem. Es sindgenügend Vorbilder für Anleihen vorhanden. Bei der Form derGalionsfigur ist etwas Geschick und Einfühlungsvermögengefragt. Beispiele von Skulpturen des Themas Herkules und dieHydra aus jener Zeit mögen als Beispiele dienen. Vermutlichwird die Figur eine Kombination aus Pragmatismus undSymbolik sein. So wird die Hydra mit dem Rücken auf demBoden liegen und mit ihren Köpfen gegen den mit einemAusfallschritt über ihr gebeugten Herkules angreifen. Herkuleskönnte die Nemëische Löwenhaut über den Schultern oderauch vom Kopf herab tragen. Der rechte Arm mit der Keulezum Schlag ausgeholt, könnte sich am Kopf des Herkulesangelehnt abstützen.

Für weitere Details am Achterschiff würde ich sehr für dasGemälde aus Oranienburg von Bonaventura Peters plädieren.Sicherlich wird es keine fotorealistische Wiedergabe, sondernmit künstlerischen Freiheiten versehen sein. Aber das Werkmusste schon den möglicherweise fachkundigen Betrachterüberzeugen können. Die Breite des Hecks im Verhältnis zurHöhe, die sichtbar hohe Anzahl Geschütze und die Beflaggungdeuten zusammen mit der Datierung auf das mögliche VorbildLA COURONNE hin. Auch spricht die fehlende Beschreibungder Heckverzierung bei Fournier auf die wohl unspektakuläreGestaltung dieses Teils hin. Normalerweise wird an dieser Stelleder Schiffsname verschlüsselt und mit Symbolen versehendargestellt. Betrachtet man die Schiffsnamen in RichelieusFlotte und vergleicht diese mit den erkennbaren Galions-figuren, so fällt auf, dass wohl in dieser Zeit weniger dasHeckbild den Namen symbolisiert, sondern eher dieseGalionsfigur.

In diesem Beitrag kann nur auf einzelne Aspekte der ausden Quellen bekannt gewordenen Angaben besprochenwerden. Bisher ist lediglich eine 7seitige Stelle aus derHandschrift MS Fr. 6408 aus der französischen National-bibliothek in der Literatur behandelt worden. Aber nochmindestens drei weitere Seiten, von anderer Hand geschrieben,sind darin enthalten. Diese sind bisher nirgends ausgewertetworden. Bei Pâris ist leider nicht immer ganz deutlich, welcheQuelle er für die jeweilige Aussage heranzieht. Er verwendeteeher gedruckte Werke als Handschriften. Durch die fort-schreitende Digitalisierung ganzer Bibliotheksbestände wird esauch möglich am heimischen PC Quellenwerke auszuwerten.

Gerade die französische Nationalbibliothek ist hier einenSchritt weitergegangen und hat auch Archivalien öffentlichzugänglich gemacht. In diesem Fall war mir deshalb dieDatenbank Gallica ein unersetzlicher und problemloser Helfer,jenseits von Google.

Anmerkungen

[1] Edmond Pâris: Souvenirs de marine. Collection de plans ou dessins denavires et de bateaux ancien et modernes, existans ou disparus, aves leséléments numériques nécessaires à leur construction, … Paris 1886, III, pl.121-123; Sollte diese oder einer der Nachdrucke und Auszüge aus demRobert Loef oder Hinstorff Verlag nicht greifbar sein, empfiehlt sich dieDatenbank Gallica der französischen Nationalbibliothek für einendigitalisiertes Original.

[2] Neben der Arbeit von Edmond Pâris sind mir bisher an Monographienbekannt geworden:

Bertrand, Emile. Historique du vaisseau „la Couronne“, par EmileBertrand,... (1er mars 1894.). Berger-Levrault, 1894.

Hancock, C. H. La Couronne, A French Warship of the SeventeenthCentury: A Survey of Ancient and Modern Accounts of This Ship. MarinersMuseum, 1973.Während ersteres weltweit in nur einem nicht-digitalisierten Exemplar in derPariser Nationalbibliothek versenkt ist, stellt das zweite Werk einenhilfreichen Einstieg ins Thema dar. Dort wurden nach einer Einleitung diewichtigsten Quellen in die englische Sprache übersetzt. Aber leider nicht allebekannt gewordenen Textstellen!

[3] Georges Fournier: Hydrographie, contenant la théorie et la practique detoutes les parties de la navigation. Paris 1643, S. 43-45.

[4] Der Lebenslauf des Schiffes muss einen anderen Artikel vorbehalten sein, dahierzu viele Fehlinformationen berichtigt werden müssen. Neben denArchivalien sind besonders die drei Bände Henri d’Escoubleau de Sourdisund Eugène Sue, Correspondance de Henri d’Escoubleau de Sourdis:archevêque de Bordeaux. Augmentée des Ordres, instructions et lettres deLouis XIII et du cardinal de Richelieu à M. De Sourdis concernant lesopérations des flottes françaises de 1636 à 1642 ... (Impr. de Crapelet, 1839)hilfreich. Auch hier sei auf den digitalen Volltext bei Gallica verwiesen.

[5] Diese Person scheint berechtigt gewesen zu sein, Aufträge auszulösen,Berichte zu empfangen und Kontrollen durchzuführen. Er wird auch Degorisoder Paul de Gorris geschrieben und taucht auch als Paul Degorris auf.

[6] Paul Degorris: „Deuis du vaisseau du Roy nomme La couronne“; in MS.Franc. 6408, fol. 469-471. In R.C. Anderson: „Particulars of the „Couronne“of 1638“, in MM 4(1914) 2, S. 206-208 transkribiert und bei Hancock alsAnhang V ins Englische übersetzt.

[7] Dassie: L’architecture navale. Paris 1695; J. Gruchet: Termes desquels onuse sur mer dans le parler, avec les pieces et parties d’un vaisseau et desmanoeuvres . Le tout par ordre alphabétique, tiré des plus habiles auteurs,pilotes et matelots. Le Havre 1681.

[8] Robert Dudley: Dell Arcano del Mare. Florenz 1646[9] Hancock, S. 9; die Modellbaumappe wurde 1938 erstellt.[10] Daniel Schmiedke: Die Vasa. Geschichte des schwedischen Prunkschiffes.

Berlin 2006, S. 55; Hendrik Busmann: Sovereign of the Seas. Die Skulpturendes britischen Königsschiffes von 1637. Bremerhaven 2002, S. 22 N49

[11] Busmann, S. 47

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Abb. 17: Die so genannte „Morgan-Zeichnung“ von Willem van de Velde dem Älteren (1611-1693) der englischen SOVEREIGN OF

THE SEAS. (Wikimedia Commons)