Apotheken im Lichte des Verfassungs- und Europarechts

33
Institut für Recht der Wirtschaft Ordinariat für Privat- und Wirtschaftsrecht Kurs im WS 2014/15 „Apotheken im Lichte des Verfassungs- und Europarechts“ aus der VK RdW: Besonderes Wirtschaftsrecht LV-Nr. 040470 Erstellt von: Laura Hajnik Matr.-Nr. 1207425 [email protected] Lehrveranstaltungsleiter: Mag. Dr. Bernhard Müller

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Institut für Recht der Wirtschaft

Ordinariat für Privat- und Wirtschaftsrecht Kurs im WS 2014/15

„Apotheken im Lichte des Verfassungs- und Europarechts“

aus der VK RdW: Besonderes Wirtschaftsrecht

LV-Nr. 040470

Erstellt von:

Laura Hajnik

Matr.-Nr. 1207425 [email protected]

Lehrveranstaltungsleiter: Mag. Dr. Bernhard Müller

II

Inhaltsübersicht

1. Einführung ......................................................................................... 1

2. Erwerbsfreiheit................................................................................... 2

2.1. Schutzbereich .............................................................................. 2

2.2. Eingriff.......................................................................................... 3

2.3. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ....................................... 4

3. Apothekengesetz ............................................................................... 6

3.1. Arten von Apotheken ................................................................... 7

3.2. Antrittserfordernisse ................................................................... 19

3.3. Ausübungsschranken................................................................. 13

3.4. Apotheken im Lichte des Verfassungsrechts .............................. 14

4. Niederlassungsfreiheit ..................................................................... 16

4.1. Schutzbereich ............................................................................ 17

4.2. Beeinträchtigungen .................................................................... 19

4.3. Rechtfertigungsgründe ............................................................... 20

4.4. Rechtfertigungsschranken ......................................................... 21

4.5. Apotheken in Lichte des Europarechts ....................................... 22

5. Abschluss ........................................................................................ 25

III

Darstellungsverzeichnis

Abbildung 1: Prüfungsschema ................................................................ 6

Tabelle 1: Anzahl der Apotheken nach Bundesländern in 2013 .............. 7

IV

Abkürzungsverzeichnis

ABl. Amtsblatt der Europäischen Union

Abs. Absatz

AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

AMG Arzneimittelgesetz

ApG Apothekengesetz

Art Artikel

ASVG Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

BGBl Bundesgesetzblatt

bzw beziehungsweise

et al et alia, und andere

EU Europäische Union

EUV Vertrag über die Europäische Union

EWR Europäischer Wirtschaftsraum

f, ff und folgende

GewO Gewerbeordnung

leg.cit. legis citatae, des zitierten Gesetzes

lit litera, Buchstabe

S Seite

StGG Staatsgrundgesetz

VfGH Verfassungsgerichtshof

VfSlg Sammlung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes

VwGH Verwaltungsgerichtshof

VwSlg Sammlung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes

Z Zeile

z.B. zum Beispiel

1

1. Einführung

In Österreich wird das Apothekenwesen hauptsächlich durch das Apothekengesetz, die

Apothekenbetriebsordnung und das Arzneimittelgesetz geregelt. Das österreichische

Apothekensystem gilt als stark reguliert, das heißt, dass in Österreich viele gesetzliche

Vorschriften gelten, die entweder den Antritt zum Beruf oder die Ausübung des Berufes

regeln.1

Da der Apothekerberuf in so vielen Bereichen geregelt und dadurch begrenzt ist, kommt

es erwartungsgemäß zur Kollisionen sowohl mit der österreichischen Verfassung als auch

mit dem Unionsrecht. In beiden Bereichen werden die zum Schutz der Staats- oder

Unionsbürger errichteten Grundrechte oder Grundfreiheiten verletzt.

In Österreich sind solche, den Grundfreiheiten verletzenden Regelungen als

verfassungskonform anzusehen, wenn sie verhältnismäßig sind, das heißt, dass sie durch

das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet und erforderlich, sowie

auch adäquat sind.2

Im Fall des Apothekengesetzes kann man Verstöße gegen die freie Erwerbsausübung

vermuten. Als öffentliches Interesse eignet sich die gewünschte flächendeckende

Arzneimittelversorgung.

Die Frage ist, ob das Apothekengesetz tatsächlich in das verfassungsgesetzlich

geschützte Recht auf Erwerbsfreiheit eingreift. Wenn diese bejaht wird, wie gravierend

sind dann die Eingriffe und mit welchen öffentlichen Interessen kann man sie begründen.

Eine weitere Frage ist, ob die Eingriffe gerechtfertigt werden können, und somit

verfassungskonform sind, oder die Rechtfertigungskontrolle bei solchen Eingriffen

scheitert und sie daher als verfassungswidrig definiert werden.

In der Europäischen Union (EU) haben die Mitgliedstaaten unterschiedliche Grade an

Regulierung des Apothekengesetzes. Österreich, aber auch Dänemark, Spanien und

Finnland gehören zu den Ländern mit einem regulierten Apothekensystem. Dagegen

gelten in der Hinsicht England, Irland, Schweden und die Niederlande als eher

liberalisiert.3

Österreich muss den Vertrag über die Europäische Union und den Vertrag über die

Arbeitsweise der Europäischen Union einhalten. Deswegen kommt es, wie auf

österreichischer Ebene, auch auf der Unionsebene zur Kollisionen mit Grundfreiheiten.

Hauptsächlich verstößt das Apothekengesetz gegen die Niederlassungsfreiheit, aber

auch die Warenverkehrsfreiheit wird von österreichischen Regelungen betroffen. Bei

1 Vgl. Vogler/ Arts/ Sandberger (2012), S 82 f 2 Vgl. Raschauer (2012), S 97 3 Vgl. Vogler/ Arts/ Sandberger (2012), S 3

2

Eingriffen in europäische Grundfreiheiten wird zwischen diskriminierenden Maßnahmen

und nicht diskriminierenden Maßnahmen unterschieden. Die zwei Eingriffstypen können

durch unterschiedliche Rechtfertigungstypen gerechtfertigt werden, und müssen

verhältnismäßig sein.4

Die Frage ist, ähnlich wie im Zusammenhang mit der österreichischer Verfassung, ob das

Apothekengesetz gegen die Grundrechte verstößt. Um welche Art von Eingriffen handelt

es sich dabei und welche Rechtfertigungsgründe eignen sich, um diese zu begründen?

Können die Eingriffe tatsächlich gerechtfertigt werden und wären damit mit dem

europäischen Recht vereinbar?

Am Anfang der Arbeit wird das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf

Erwerbsfreiheit umfangreich beschrieben. Anschließend wird im zweiten Absatz die

Zusammensetzung des Apothekengesetztes veranschaulicht und die Kollisionen mit der

Verfassung behandelt. Die europarechtliche Niederlassungsfreiheit wird im dritten Absatz

vorgestellt, und auch hier werden die Problematiken, die im Zusammenhang mit dem

Apothekengesetz entstehen, näher beschrieben. Letztendlich wird im vierten Absatz alles

zusammengefasst und es werden Schlussfolgerungen gezogen.

2. Erwerbsfreiheit

Die Erwerbsfreiheit ist ein Bürgerrecht, das im Artikel 6 Absatz 1 im Staatsgrundgesetz

(StGG) geregelt ist. Artikel 149 Absatz 1 der Verfassung sagt aus, dass das

Staatsgrundgesetz von 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger einen

Verfassungsrang hat. Die Erwerbsfreiheit ist damit ein in der Verfassung verankertes

Recht. „Jeder Staatsbürger kann an jedem Orte des Staatsgebietes seinen Aufenthalt und Wohnsitz nehmen, Liegenschaften jeder Art erwerben und über dieselben frei verfügen, sowie unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbszweig

ausüben.“ Art 6 Abs. 1 StGG

2.1. Schutzbereich

2.1.1. persönlicher Schutzbereich

Auf dieses Grundrecht können sich generell inländische natürliche und

inländische juristische Personen berufen. Laut der Formulierung des Gesetzes

sollte dieses Grundrecht nur Staatsbürgern zustehen, nicht aber Ausländern. So

eine Benachteiligung ist aber wegen des Verbots der Diskriminierung, aufgrund

der Staatsangehörigkeit im Artikel 18 im Vertrag über die Arbeitsweise der

Europäischen Union, gar nicht zulässig. Somit wird auch Bürgern aus EU- bzw.

4 Vgl. Raschauer (2012), S 43

3

EWR-Mitgliedstaaten gleichermaßen das Recht auf freie Erwerbsbetätigung

erteilt.5

2.1.2. sachlicher Schutzbereich

Sachlich geschützt ist jede selbstständige und unselbstständige

erwerbsorientierte Beschäftigung. Das heißt, dass Bürger nicht nur freiberufliche

und gewerbliche Tätigkeiten (im Sinne der Gewerbeordnung) frei ausüben

dürfen, sondern jegliche auf wirtschaftlichen Erfolg gerichtete Tätigkeit steht

ihnen frei zu (außer gesetzlich verbotene Tätigkeiten). Der Antritt und ebenso

auch die Ausübung einer Erwerbsbetätigung werden vom Grundrecht erfasst.6

2.2. Eingriff

Jedes staatliches Handeln, das in belastender oder beschränkender Weise die

geschützte Sphäre des Grundrechtsträgers beeinträchtigt, wird als

Grundrechtseingriff bezeichnet. So ist jeder staatliche Akt, der dem Bürger den Antritt

oder die Ausübung einer Erwerbstätigung einschränkt, ein Eingriff in die

Erwerbsfreiheit. Ausnahmen sind Beschränkungen, die für alle Bürger, unabhängig

von der erwerbsorientierten Tätigkeit, gleich einzuhalten sind (z.B. das Erfordernis

einer Baubewilligung für eine Fabrikhalle trifft alle gleich).7

Je nach Eingriffsintensität kann man bei den Eingriffen in die Erwerbsfreiheit zwei

Typen erkennen.8

2.2.1. Antrittsschranken

Antrittsschranken sind Beschränkungen, die den Marktzugang regeln. Sie sind

eher eingriffsintensiv im Gegensatz zu Ausübungsschranken, die in der Regel

weniger eingriffsintensiv sind.8

2.2.1.1. objektive Zugangsbeschränkungen

Objektive Zugangsbeschränkungen stellen die intensivsten Eingriffe in die

Erwerbsfreiheit dar. Solche Erfordernisse sind von der Person unabhängig

und können somit aus eigener Kraft nicht überwinden werden (wie z.B.

Erfordernisse einer Bedarfsprüfung).8

5 Vgl. Grabenwarter/ Holoubek (2009), S 208 6 Vgl. Baumgartner et al (2010), S 106 7 Vgl. Raschauer (2012), S 97 8 Vgl. Raschauer (2012), S 101

4

2.2.1.2. subjektive Zugangsbeschränkungen

Subjektive Zugangsbeschränkungen sind nicht so gewichtige Eingriffe in die

verfassungsrechtlich geschützte Sphäre, wie objektive

Zugangsbeschränkungen. Sie können aber trotzdem eine gewichtige

Schranke für die Betroffenen darstellen. Solche Schranken können

Interessenten aus eigener Kraft überwinden. Derartige Beschränkungen sind

zum Beispiel Ausbildungserfordernisse oder Erfordernisse an technische

Ausrüstungen.9

2.2.2. Ausübungsschranken

Ausübungsschranken beschränken die Ausübung der Erwerbsbetätigung und

nicht den Zugang zum Beruf. Somit sind sie weniger gravierende Eingriffe in die

Erwerbsfreiheit. Solche Vorschriften regeln „wie“ man eine erwerbsorientierte

Tätigkeit ausüben muss. Regeln, wie zum Beispiel Werbungsverbote für

Zigaretten oder Vorschriften über Ladenschlusszeiten sind Beispiele von

Ausübungsschranken.9

2.3. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Die Grundfreiheit der freien Erwerbsbetätigung ist nicht absolut garantiert. Nicht jeder

Eingriff in die Erwerbsfreiheit ist verfassungswidrig. Ein Eingriff, wenn gerechtfertigt,

ist verfassungsmäßig. Denn generell steht die Erwerbsfreiheit unter

Gesetzesvorbehalt („unter den gesetzlichen Bedingungen“ Art 6 StGG). Das heißt,

dass die Erwerbsfreiheit unter bestimmten Bedingungen eingeschränkt werden kann.

Der Gesetzgeber muss jeden Eingriff nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

prüfen. Dieser Grundsatz wird in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs oft

verwendet10 und im VfSlg. 16.222/2001 folgendermaßen beschrieben:

„Eine gesetzliche Regelung, die eine Erwerbsbetätigung beschränkt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn das öffentliche Interesse sie gebietet, sie zur Zielerreichung geeignet und adäquat ist und sie auch sonst sachlich

gerechtfertigt werden kann“.

Das heißt, dass die Verhältnismäßigkeit erfüllt ist, wenn folgende Punkte realisiert

werden:

- öffentliches Interesse,

- Geeignetheit,

- Erforderlichkeit,

- Adäquanz. 11

9 Vgl. Raschauer (2012), S 101 10 zB.: VfSlg. 11.483/1987; 13.725/1994; 14.259/1995; 15.509/1999; 16.222/2001 11 Vgl. Baumgartner et al (2010), S 107 f

5

2.3.1. öffentliches Interesse

Das Ziel der die Erwerbsfreiheit einschränkenden Regelung muss im öffentlichen

Interesse liegen. Bei der Prüfung des Verfassungsgerichtshofs, ob ein Eingriff in

ein öffentliches Interesse vorliegt, kommt es zu einer sogenannten

'Vertretbarkeitskontrolle'.12 Im VfSlg. 13.023/1992 wird es näher beschrieben.

„Dem Gesetzgeber werde innerhalb der verfassungsrechtlichen Schranken ein relativ weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt. Der Verfassungsgerichtshof trete dem Gesetzgeber nur dann entgegen, wenn er Ziele verfolge, die keinesfalls als im öffentlichen

Interesse liegend anzusehen seien.“

Beispiele rechtfertigender öffentlicher Interessen sind unter anderem

Arbeitnehmerschutz, Konsumentenschutz, Tierschutz, Schutz des

Gemeinwohls, Wahrung der allgemeinen Sittlichkeit, Umweltschutz,

Gesundheitsschutz oder die allgemeine Heilmittelversorgung.13

2.3.2. Geeignetheit

Die Regelung muss geeignet sein, das gesetzte Ziel zu erreichen. Hier hat der

Gesetzgeber auch einen Gestaltungsspielraum, da er selbst nur prognostizieren

kann, ob die Regelung tatsächlich zum Ziel führen wird oder nicht. Nur wenn die

VfGH schon vornherein der Ansicht ist, dass das gewählte Mittel erkennbar nicht

geeignet ist, das im öffentlichen Interesse liegende Ziel zu erreichen, wird er

entgegentreten.14

2.3.3. Erforderlichkeit

Aus den geeigneten Mitteln muss der Gesetzgeber stets die gelindesten, noch

gerade erforderlichen zum Ziel führenden Mittel wählen. Von den geeigneten

Möglichkeiten, die zum gewählten Ziel führen könnten, muss immer die gewählt

werden, die am wenigsten in die vom Grundrecht geschützte Sphäre eingreift. 15

2.3.4. Adäquanz

Die Intensität des Eingriffs in die von der Erwerbsfreiheit geschützte Sphäre und

das rechtfertigende öffentliche Interesse müssen eine adäquate Relation

aufweisen. Je höher die Eingriffsintensität, desto gewichtiger muss das zu

schützende öffentliche Interesse sein. Das heißt praktisch, dass sich der

Gesetzgeber bei Eingriffen, die die Erwerbsausübung betreffen in einen größeren

rechtspolitischen Gestaltungspielraum bewegen kann als bei Eingriffen, die den

Erwerbsantritt regeln, denn Ausübungsvorschriften sind weniger eingriffsintensiv,

12 Vgl. Öhlinger (2009), S 316 13 Vgl. Grabenwarter/ Holoubek (2009), S 209 und Raschauer (2012), S 98 14 Vgl. Öhlinger (2009), S 316 15 Vgl. Baumgartner et al (2010), S 109

6

sie greifen weniger in die vom Grundrecht geschützte Sphäre ein als

Antrittsschranken. 16

Abbildung 1: Prüfungsschema

Quelle: Baumgartner et al 2010, S. 112

3. Apothekengesetz

Das Apothekenwesen ist ein Teilbereich des Gesundheitswesens und ist hauptsächlich

im Apothekengesetz (ApG) geregelt. Da Apotheken auch kaufmännische Unternehmen

sind, kommen auch das Privat- und das Handelsrecht zur Anwendung. Vom

Geltungsbereich der Gewerbeordnung werden Apotheken im § 2 Abs. 1 Z.11 GewO 1994

ausdrücklich herausgenommen.

Das Apothekengesetz regelt unter anderem die persönlichen und sachlichen

Antrittserfordernisse zum Betrieb einer Apotheke, sowie Ausübungsvorschriften, wie

16 Vgl. Raschauer (2012), S 102

7

Betriebszeiten, Vorschriften über die Leitung der Apotheke oder Vorschriften über die

Verwendung von Fachkräften.17

3.1. Arten von Apotheken

Tabelle 1: Anzahl der Apotheken nach Bundesländern in 2013

Bundesland Apotheken insgesamt

Öffentliche Apotheken

Krankenhaus-apotheken

Hausapotheken bei Ärztinnen u. Ärzten

Filialapotheken

Insgesamt* 2261 1317 46 871 27

Burgenland 92 38 2 48 4

Kärnten 160 92 3 63 2

Niederösterreich 487 230 8 242 7

Oberösterreich 429 195 11 222 1

Salzburg 127 89 2 33 3

Steiermark 370 193 5 169 3

Tirol 191 114 1 70 6

Vorarlberg 76 50 1 24 1

Wien 329 316 13 0 0 *Fünf Apotheken sind sowohl öffentliche Apotheken als auch Krankenhausapotheken und bei beiden Gruppen angeführt.

Quelle: Statistik Austria 2014

3.1.1. öffentliche Apotheke

Öffentliche Apotheken sind private kaufmännische Unternehmen, die für die

Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zuständig sind.17

„Die für den allgemeinen Verkehr bestimmten Apotheken (öffentliche Apotheken) sind entweder konzessionierte oder Realapotheken.“ § 1 ApG

3.1.1.1. Realapotheke

In Paragraph 21 Abs. 2 wird die Gründung von Realapotheken verboten.

Zusätzlich dürfen Realapotheken seit 1. Januar 1995 infolge der

Bestimmungen des Artikels II der ApG-Novelle 1984 BGBl 502/1984 nicht

mehr betrieben werden, außer als konzessionierte Apotheken.18

17 Vgl. Steindl (2010), S 1 18 Vgl. Serban/ Heisler (1998), S 156 f

8

3.1.1.2. Konzessionsapotheke

Die meiste Apotheken sind öffentliche Konzessionsapotheken19, die für den

allgemeinen Verkehr bestimmt sind. Öffentliche Apotheken sind somit

fundamentale Einrichtungen um das Problem der Versorgung der

Bevölkerung mit Heilmitteln zu lösen. Diese Art von Apotheken bedarf eine

Konzession, um betrieben werden zu dürfen. Die Konzession wird

grundsätzlich nur Apothekern erteilt und nur wenn genügend Bedarf

vorhanden ist.20

3.1.2. Filialapotheke

Inhabern von öffentlichen Apotheken kann eine Bewilligung zum Betrieb einer

Filialapotheke erteilt werden, wenn an der Ortschaft21 der Filialapotheke ein

Bedarf nach einer Verabreichungsstelle besteht. Dies ist nur möglich, wenn es

an der Ortschaft keine öffentliche oder ärztliche Hausapotheke gibt und die

Ortschaft selbst nicht mehr als 4 Straßenkilometer von der öffentlichen Apotheke

entfernt ist. Die Regelungen über Filialapotheken findet man in §§ 24 ff ApG. Die

öffentliche Apotheke und die damit zusammenhängende Filialapotheke müssen

von der leitenden Apotheker zusammen betreiben und geleitet werden.22

3.1.3. Hausapotheke

Durch §§ 28 ff ApG wird es Ärzten ermöglicht, unter bestimmter

Voraussetzungen, Hausapotheken zu errichten, um die Arzneimittelversorgung

der Bevölkerung zu gewährleisten.23

3.1.3.1. ärztliche Hausapotheke

Wenn in einer Gemeinde, wo weniger als zwei Vertragsstellen nach § 342

Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) besetzt sind die

Heilmittelversorgung durch öffentliche Apotheken nicht gewährleistet ist,

können Ärzte für Allgemeinmedizin, um die Arzneimittelversorgung zu sichern,

unter bestimmten Voraussetzungen einen Antrag stellen, um eine ärztliche

Hausapotheke zu eröffnen. Um einen Antrag zur Eröffnung einer

Hausapotheke stellen zu können, muss der Antragsteller selbst praktischer

Arzt sein und in einem dem § 342 Abs. 1 ASVG entsprechenden

Vertragsverhältnis stehen. In der Gemeinde darf sich keine öffentliche

Apotheke befinden und die nächstgelegene öffentliche Apotheke muss

19 Vgl. Österreichische Apothekerkammer (2015) 20 Vgl. Steindl (2010), S 2 21 „ Das ApG versteht unter dem Begriff Ortschaft eine Ansammlung von Wohnstätten samt den, den Bewohnern dienenden Einrichtungen wie beispielsweise Kirchen, Schulen, Gasthäusern und etwa einem Gemeindeamt.” (Serban/ Heisler (1998) S 171) 22 Vgl. Serban/ Heisler (1998) S 158 ff 23 Vgl. Serban/ Heisler (1998) S 167 ff

9

mindestens 6 Straßenkilometern vom Berufssitz des Arztes entfernt liegen.

Falls eine neue öffentliche Apotheke eröffnet wird, muss die Bewilligung der

Hausapotheke zurückgenommen werden, falls die neu errichtete öffentliche

Apotheke nicht mehr als 4 Straßenkilometer entfernt ist. Von der Eröffnung

einer Filialapotheke werden die Bewilligungen naheliegender Hausapotheken

nicht berührt.

Die Hausapotheken müssen von den Ärzten selber geführt werden, sie

müssen die Arzneimittel selbst dispensieren und dürfen keine Hilfskräfte für

diese Aufgabe einstellen.24

3.1.3.2. tierärztliche Hausapotheke

Paragraph 34 ApG sagt aus dass diplomierte Tierärzte für den Bedarf der

eigenen Praxis berechtigt sind tierärztliche Apotheken zu gründen. Die

Eröffnung einer tierärztlichen Hausapotheke ist nicht an eine Bewilligung

gebunden, beim Betrieb muss jedoch auf die Bestimmungen der

Apothekenbetriebsordnung geachtet werden.24

3.1.4. Anstaltsapotheke

Eine Bewilligung zum Betreiben von Anstaltsapotheken nach §§ 35 ff ApG

können öffentliche und „gemeinnützige nichtöffentliche“ Krankenanstalten

erhalten. Die Bewilligung kann nicht übertragen werden. Anstaltsapotheken sind

nicht öffentlich zugänglich, nur die in der Pflege der Anstalt befindlichen oder in

der Anstalt wohnhaften Personen dürfen bedient werden (neben

Krankenanstalten und Anstaltsapotheken). Ausnahmsweise können unter im §

36 Abs. 2 ApG beschriebenen Umständen auch an andere Personen Arzneimittel

abgegeben werden. Anstaltsapotheken werden von behördlich genehmigten

Leitern betrieben.25

In Österreich werden zurzeit 4626 Anstaltsapotheken betrieben.

3.2. Antrittserfordernisse

Um eine öffentliche Apotheke eröffnen zu dürfen, müssen mehrere persönliche und

sachliche Erfordernisse erfüllt werden. Diese im Apothekengesetz angeordneten

Vorschriften sind Eingriffe in das von der Erwerbsfreiheit geschützte freie Antrittsrecht

zur Erwerbsbetätigung. Jedoch werden diese Eingriffe vom Gesetzgeber mit

unterschiedlichen öffentlichen Interessen27 begründet.

24 Vgl. Serban/ Heisler (1998) S 167 ff 25 Vgl. Serban/ Heisler (1998) S 193 ff 26 Österreichische Apothekerkammer [Zugriff am 13. März 2015] 27 z.B. klaglose und flächendeckende Heilmittelversorgung, Vermeidung übermäßigen Wettbewerbs, oder Existenzschutz (VfSlg 15.103/1998)

10

3.2.1. persönliche Eignung

Vorschriften über die persönliche Eignung müssen von den zukünftigen

Konzessionsinhabern, sowie von eventuellen Pächtern oder Leitern selbst erfüllt

werden. Solche Vorschriften betreffenden Antragssteller persönlich und sind

daher subjektive Zugangsbeschränkungen.28

Die persönlichen Erfordernisse werden im § 3 ApG aufgelistet und in den

nachfolgenden Paragraphen näher bestimmt. Im § 3 Abs. 1 ApG werden folgende

erforderliche Eigenschaften der Antragstellers aufgezählt:

- Österreichische oder andere EWR-Staatsbürgerschaft oder

Staatsbürgerschaft der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

- Allgemeine Berufsberechtigung als Apotheker oder eine anerkannte

Berufsausbildung nach § 3c ApG. Für die Berufsberechtigung als Apotheker

braucht man das in § 3a ApG beschriebene österreichische Staatliche

Apothekerdiplom oder eine gemäß § 3c anerkannte Berufsausbildung, sowie

das Vorliegen von Zuverlässigkeit und erforderliche Deutschkenntnisse für

die Ausübung des Berufes. Apothekerdiplome aus anderen EWR-Staaten

oder aus der Schweiz können auf Antrag anerkannt werden, wenn sie die

Mindestanforderungen der Richtlinie 2005/36/EG erfüllen.

- Wenn eine neue Apotheke errichtet oder eine seit weniger als 3 Jahren

betriebene Apotheke übernommen werden soll, muss der antragstellende

Apotheker ein österreichisches Apothekerdiplom besitzen. Apotheker mit

ausländischen, in Österreich anerkannten Apothekerdiplomen können also

nur seit mindestens 3 Jahren betriebene Apotheken übernehmen.

- Leitungsberechtigung gemäß § 3 Abs. 2 ApG. Dies ist nach einer

fünfjährigen pharmazeutischen Tätigkeit in einer öffentlichen oder einer

Anstaltsapotheke in einem EWR-Staat oder in der Schweiz gegeben.

- Volle Geschäftsfähigkeit,

- Verlässlichkeit in Verbindung mit dem Betrieb einer Apotheke,

- Gesundheitliche Eignung,

- Für die Leitung einer Apotheke erforderlichen Deutschkenntnisse.29

In 2006 wurde § 3 Abs. 4 so geändert dass nun Apothekern die kein

österreichisches Apothekerdiplom besitzen die Leitung von Apotheken, die seit

weniger als drei Jahren betrieben werden, nicht gestattet ist. Vor 2006 galt die

Regelung generell für alle nicht österreichische Staatsbürger.30

Persönlich geeignet ist man gemäß § 3 Abs. 6 ApG auch nicht, wenn man länger

als drei Jahre in keiner öffentlichen oder Anstaltsapotheke gearbeitet hat und

nicht seit mindestens sechs Monaten die Arbeit wieder aufgenommen hat.

Ein Apotheker kann nur eine Apothekenkonzession haben und es müssen

mindestens fünf Jahre seit der Zurücklegung von der vorherige Konzession

vergangen sein. (§ 3 Abs. 7 ApG)

In § 2 ApG findet man das Kumulierungsverbot von Apotheken. Dieses besagt,

dass Apotheker nicht auf die Erteilung einer Konzession berechtigt sind, wenn

28 Vgl. Steindl (2010), S 1f 29 Vgl. Serban/ Heisler (1998) S 47 ff 30 Vgl. BGBl I 2006/41

11

sie bereits Inhaber einer Konzession laut § 9 ApG sind, oder wenn sie in einem

anderen EWR-Mitgliedstaat bereits eine Apotheke betreiben.29

3.2.2. sachliche Erfordernisse

3.2.2.1. Betriebsanlage und Einrichtung

Die Betriebsanlage einer neu errichteten Apotheke muss bestimmte

Vorschriften erfüllen, um den klaglosen Apothekenbetrieb zu ermöglichen

und so, die zum Betrieb notwendige Genehmigung von der

Bezirksverwaltungsbehörde zu erhalten. Auch eine spätere Änderung der

Betriebsanlage muss behördlich genehmigt werden. Im Gegensatz zu

Konzessionen haben behördliche Genehmigungen laut § 6 Abs. 4 ApG

dingliche Wirkung und sind vom Konzessionär unabhängig. Das heißt, dass

bei einem späteren Wechsel des Konzessionärs, da die Genehmigung der

Betriebsanlage sachbezogen ist, kein neuer Antrag auf Bewilligung

notwendig ist.31 Vorschriften über die Betriebsanlage oder die Einrichtung

der Betriebsräume findet man in §§ 25 ff. Apothekenbetriebsordnung 2005.

3.2.2.2. Konzession

Öffentliche Apotheken können nur mit einer Konzession betrieben werden. Die

Konzession kann nicht auf andere übertragen werden, da es ein persönliches

Recht ist. Die Konzession ist eine behördliche Bewilligung, die eine bestimmte

Person, die persönlich geeignet ist berechtigt, eine öffentliche Apotheke an

einem bestimmten Standort zu betreiben.32

3.2.2.2.1. Konzession für eine bestehende Apotheke

Für die Übernahme von bestehenden Apotheken braucht der Apotheker

eine neue Konzession, da die alte Konzession als höchstpersönliches

Recht bei der Übergabe des Unternehmens erlischt. Um die Konzession

zu erhalten, braucht er gemäß § 46 Abs. 2 ApG nur den Nachweis, dass

die Übernahme des Apothekenunternehmens erfolgt ist, den Nachweis

über die persönliche Eignung und, falls die Apotheke als

Personalgesellschaft betrieben wird, den Nachweis über die „rechtliche

und wirtschaftliche Verfügungsmacht“.33

Über einen Antrag auf eine Konzession für eine bestehende Apotheke

wird im „verkürzten“ Verfahren entschieden, was unter anderem bedeutet,

dass keine Bedarfsprüfung durchgeführt wird. Wenn keiner der benötigten

Nachweise einen Hinderungsgrund aufweist, wird die Konzession erteilt.32

31 Vgl. Serban/ Heisler (1998) S 158 ff 32 Vgl. Steindl (2010), S 2 33 § 46(2) ApG

12

3.2.2.2.2. Konzession für eine neu zu errichtende Apotheke

Bei neu zu errichtenden Apotheken ist das Konzessionierungsverfahren

komplexer als bei der Übernahme von bestehenden Apotheken.

Zusätzlich zu den oben genannten zur Antragstellung notwendigen

Punkten (außer der Nachweis über den Übergang des

Apothekenunternehmens) müssen auch die sachlichen Erfordernisse der

Konzessionierung gemäß § 10 ApG erfüllt werden. Um dies zu prüfen,

wird eine Bedarfsprüfung gemacht. Der Bedarfsprüfung ist eine subjektive

Eintrittsschranke und somit ein sehr gravierender Eingriff in die

Schutzsphäre der Erwerbsfreiheit. Dieser Eingriff wird unter anderem mit

der im öffentlichen Interesse liegenden flächendeckenden

Arzneimittelversorgung der Bevölkerung begründet.34

Die Bedarfsprüfung Generell kann nach § 10 Abs. 1 ApG nur in den Gemeinden eine neue

öffentliche Apotheke errichtet werden, wo ein Bedarf besteht und wo ein

Arzt seinen ständigen Berufssitz hat. In Absatz zwei steht, dass ein Bedarf

dann nicht besteht, wenn entweder in der Gemeinde, wo die Apotheke

errichtet werden soll, schon eine ärztliche Hausapotheke betrieben wird

und weniger als zwei Ärzte für Allgemeinmedizin ihren Berufssitz dort

haben, oder wenn die Entfernung zur nächstliegenden öffentlichen

Apotheke zur geplanten Betriebstätte der neuen Apotheke, weniger als

500 m beträgt, oder wenn durch die Neuerrichtung der Apotheke, die Zahl,

der von einer umliegenden öffentlichen Apotheke zu versorgenden

Personen, unter 5500 sinkt.

Zu versorgende Personen laut § 10 Abs. 4 ApG „sind die ständigen

Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der

Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der

örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke

weiterhin zu versorgen sein werden.“

Die in § 10 Abs. 2 Z. 2 ApG genannte Mindestentfernung von 500 m darf

gemäß Absatz 6 unterstritten werden, wenn die ordnungsgemäße

Arzneimittelversorgung der Bevölkerung, wegen besonderen örtlichen

Verhältnisse, nur so gewährleistet werden kann.35

3.2.2.3. Rechtsform

Apotheken müssen sich in Österreich im Besitz von Apothekern befinden.

Solche Regelungen nennt man Fremdbesitzverbot.

Nach § 12 Abs. 1 ApG müssen Apotheken generell in der Form eines

Einzelunternehmens des Konzessionsinhabers betrieben werden. In Absatz

zwei wir es jedoch ermöglicht, die Apothekertätigkeit in der Rechtsform einer

34 Vgl. Steindl (2010), S 3 f 35 Vgl. Serban/ Heisler (1998) S 79 ff und Steindl (2010), S 2

13

Personengesellschaft auszuüben. Zulässig für den Betrieb einer Apotheke

sind somit Kommanditgesellschaften (nur mit einer natürlichen Person als

persönlich haftender Gesellschafter), Offene Gesellschaften, Gesellschaften

nach bürgerlichem Recht und Stille Gesellschaften. Der Konzessionsinhaber

muss aber generell über mehr als die Hälfte des gesamten Unternehmens

verfügen. Die Anfangsbeteiligung muss nach Absatz 2 Zeile 2 mindestens

25% betragen und muss innerhalb von zehn Jahren unbedingt auf mehr als

50% aufgestockt werden. Zusätzlich muss der Apotheker alleinige

Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis haben und muss „sämtliche für

die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung notwendigen

Maßnahmen“36 durchführen können.

Der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft ist für Apotheken nicht zugelassen.37

3.3. Ausübungsschranken

Ausübungsschranken der Apothekertätigkeit regeln „wie“ die Apotheke betrieben

werden muss. Da solche Regelungen nicht den Antritt sondern die Ausübung

beschränken, sind sie weniger belastende Eingriffe in die Erwerbsfreiheit.38

3.3.1. Betriebspflicht

In § 13 ApG wird ein Betriebspflicht vorgeschrieben. Demnach müssen Inhaber

und Leiter von öffentlichen Apotheken dafür sorgen, dass der Betrieb der

Apotheke ununterbrochen aufrecht gehalten wird. Auch eine eventuelle

Schließzeit wegen Urlaub, Krankheit oder Umbau, oder eine

Betriebsunterbrechung wegen der Übernahme der Apotheke durch Dritten,

bilden keine Ausnahme von der Betriebspflicht.39

Nach Absatz zwei muss der Inhaber, wenn er den Betrieb einstellen will,

mindestens zwei Monate vorher die Anheimsagung der Konzession bei der

Behörde anzeigen. So hat die Behörde Zeit Entscheidungen über die Eröffnung

einer neuer öffentliche Apotheke, oder eventuell die Eröffnung einer neuen

ärztlichen Hausapotheke zu treffen, um so die flächendeckende

Arzneimittelversorgung sichern zu können.40

In einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs von 13. Dezember 2010

steht, dass „§ 13 Abs. 1 ApG öffentliche Apotheken zu einem ununterbrochenen

Betrieb, aber keineswegs zu einem ununterbrochenen Offenhalten verpflichtet.

(…) Schon wegen dieses unterschiedlichen Regelungsgehaltes steht § 13 Abs.

1 ApG einer Anwendung der in § 8 leg. cit. enthaltenen Regelungen über die

Zeiten, während derer die Apotheke für den Kundenverkehr offenzuhalten ist,

nicht entgegen.“39

36 § 12 Abs. 2 Z. 1 ApG 37 Vgl. Serban/ Heisler (1998) S 115 ff und Steindl (2010), S 4 f 38 Vgl. Raschauer (2012), S 100 und 102 39 Vgl. VwGH 2009/10/0251, VwSlg. 18005 A/2010 40 Vgl. Prinz zu § 13 ApG

14

3.3.2. Betriebszeiten und Bereitschaftsdienst

In § 8 ApG über Betriebszeiten und Bereitschaftsdienst von öffentlichen

Apotheken steht, dass die Bezirksverwaltungsbehörde die Betriebszeiten unter

Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse festlegt. Die festgelegte

wöchentliche Betriebszeit darf 48 Stunden nicht überschreiten und muss eine

tägliche Mittagspause von ungefähr zwei Stunden beinhalten. In einem Ort, wo

mehrere öffentliche Apotheken tätig sind, müssen für alle die gleichen

Betriebszeiten festgelegt werden. In Orten, wo mehrere öffentliche Apotheken

betrieben werden, muss die Bezirksverwaltungsbehörde einen

Bereitschaftsdienst festsetzen. In Orten, wo nur eine öffentliche Apotheke

betrieben wird, muss der Apothekenleiter oder ein berufsberechtigter Apotheker

auch außerhalb der Betriebszeiten zur Arzneimittelausgabe in dringenden Fällen

rasch erreichbar sein.41

3.3.3. Zustelleinrichtungen und Fernabsatz42 von Arzneimitteln

In einem Umkreis von 6 Straßenkilometern dürfen gemäß § 8a ApG öffentliche

Apotheken dringend benötigte Arzneimittel an Patienten durch „apothekeneigene

Zustelleinrichtungen“ ausliefern. Falls der Lieferungsort mehr als 6 km von der

Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke entfernt ist, darf die Apotheke die

Medikamente nicht ausliefern. Auch alle übrigen Zustelleinrichtungen zur

Lieferung von rezeptpflichtigen Medikamenten sind unzulässig.

In § 59 Abs. 9 Arzneimittelgesetz wird die Abgabe von Arzneimitteln durch

Fernabsatz verboten. Doch in Absatz 10 findet man eine Ausnahme, die ein

wenig Platz für den Fernabsatz schafft. In Österreich dürfen öffentliche

Apotheken ab dem 25. Juni 201543 in Österreich zugelassene, nicht

rezeptpflichtige Arzneimittel mittels Fernabsatz verkaufen, wenn sie die

Voraussetzungen des § 59a Arzneimittelgesetz (AMG) erfüllen. Nach Österreich

dürfen Apotheken aus andere EWR-Mitgliedstaaten durch Fernabsatz rezeptfreie

Medikamente liefern.

3.4. Apotheken im Lichte des Verfassungsrechts

Das Apothekengesetz verstößt mehrmals gegen die Erwerbsfreiheit. Antritts- und

Ausübungsschranken sind beide im Apothekengesetz zu finden. Generell werden sie

mit dem in Allgemeininteresse liegenden Ziel der flächendeckenden

Arzneimittelversorgung begründet. Dennoch werden einzelne Paragraphen, Absätze

41 Vgl. Serban/ Heisler (1998) S 66 ff und Prinz zu § 8 ApG 42 „Fernabsatz“ bedeutet Abschluss eines Vertrages unter ausschließlicher Verwendung eines oder mehrerer Fernkommunikationsmittel.” § 2 Abs. 7a AMG 43 Vgl. ABl. L 184 vom 25. Juni 2014 und Prinz zu § 94h AMG

15

oder Ziele immer wieder vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erklärt

und aufgehoben.44

Eine sehr stark gegen die Niederlassungsfreiheit stehende Maßnahme ist die

Bedarfsprüfung bei der Konzessionserteilung. Diese stellt eine objektive

Antrittsscharanke dar, die Apotheker aus eigener Kraft nicht überwinden können.

Solche Maßnahmen sind daher als sehr starke Eingriffe zu behandeln. Ziel der

Maßnahme ist, die in öffentlichem Interesse liegende flächendeckende

Arzneimittelversorgung. Dadurch wird verhindert, dass in Ballungszentren zu viele

Apotheken gegründet werden, und dafür in weniger bewohnten Regionen kaum noch

Apotheken betrieben werden.45

Die Zielsetzung für die Konzessionierung mit Bedarfsprüfung ist die Erreichung eines

relativ wettbewerbsfreien Zustandes und somit die Sicherstellung der

Versorgungssicherheit.

Die Beschränkung des Wettbewerbs, zum Beispiel durch Bedarfsprüfung, liegt nicht

in öffentliche Interesse. Sie kann jedoch die Wahrung von öffentliche Interessen, wie

die allgemeine Heilmittelversorgung, ermöglichen.46

Früher hatte auch die Bestattungsindustrie eine Bedarfsprüfung, doch seit der

Gewerbeordnungsnovelle 2002 ist dies nicht mehr der Fall.47

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes am 2. März 1998 dienen

die Bedarfsprüfung und die Bestimmungen zur Sicherung von der Existenz der

bestehenden Apotheken dem Ziel der flächendeckenden Heilmittelversorgung.

Regelungen aber, die bei neuen Apotheken außerhalb des Versorgungsbereiches von

bestehenden Apotheken ein Mindestversorgungspotenzial vorschreiben, sind nicht

verhältnismäßig.

„Der Verfassungsgerichtshof ist (…) der Meinung, daß Regelungen, die im Bereich der Heilmittelversorgung der Bevölkerung die Zulassung zur Erwerbsausübung (auch) von dem Umstand abhängig machen, ob eine Existenzgefährdung bestehender öffentlicher Apotheken eintritt, im öffentlichen Interesse liegen, zur Zielerreichung - nämlich der Sicherung einer bestmöglichen Heilmittelversorgung der Bevölkerung - geeignet sind und für sich allein auch nicht unverhältnismäßig in die Erwerbsausübungsfreiheit eingreifen. Die Regelungen des § 10 Abs. 2 Z.2 und 3 ApG, die den bestehenden öffentlichen Apotheken einen gewissen Existenzschutz gewähren, widersprechen daher nicht dem Art6 StGG.“48

Arzneimitteln sind Waren besonderer Art, auf die die Regeln des freien Wettbewerbs

nicht angewendet werden können. Das unternehmerische Ziel einer Apotheke darf

nicht ausschließlich ein möglichst hoher Umsatz, eventuell sogar durch die Steigerung

der Konsumtion, sein.49

Diese Vorstellung soll durch das Fremdbesitzverbot geschützt werden. In Österreich

können sich nur Apotheker mit dem Betrieb einer Apotheke beschäftigen.

44 z. B. VfGH. G33/12 (2012); G18/00 (2000); G2/92 (1992) 45 Vgl. Prinz zu § 10 ApG 46 Vgl. Raschauer (2012), S 98 f 47 Vgl. GewO Novelle 2002 48 VfSlg. 15.103/1998 49 Vgl. Steindl (2010), S 3

16

Apotheker wollen natürlich auch Gewinne erzielen. „Als Berufsapotheker ist bei ihm

aber davon auszugehen, dass er die Apotheke nicht nur aus rein wirtschaftlichen

Zwecken betreibt, sondern auch unter einem beruflich-fachlichen Blickwinkel.“50 Sein

Interesse an Gewinnerzielung wird durch seine Verantwortung und seine Leidenschaft

am Apothekerberuf gemäßigt. Zusätzlich verliert er durch gesetzeswidriges Handeln

nicht nur seine Investition, sondern auch seine berufliche Existenz.51

Weniger gravierende Eingriffe sind die, die die Ausübung der Apothekertätigkeit

beschränken.

Solche Maßnahmen im Apothekengesetz sind zum Beispiel die in § 13 beschriebene

Betriebspflicht, die in § 8 vorgeschriebenen Regeln über die Betriebszeiten oder die

in § 8 und dazu anknüpfend in § 59 AMG stehenden Vorschriften über die Zustellung

von Medikamenten.

Solche Eingriffe können leichter gerechtfertigt werden, da sie auch mit weniger

gewichtigen öffentlichen Interessen legitimiert werden können. Sie werden aber auch

auf die Verhältnismäßigkeit geprüft, und wenn zum Beispiel die gesetzten Ziele auch

mit gelinderen Mitteln erreicht werden könnten, werden auch Ausübungsvorschriften

verfassungswidrig.52

Beispiele sind die Betriebszeiten und der Bereitschaftsdienst gemäß § 8

Apothekengesetz. Am 10. März 1993 hat der Verfassungsgerichtshof entschieden,

dass Vorschriften über die Betriebszeiten im Interesse der Arzneimittelversorgung

gerechtfertigt sind. „Die Verbraucher seien an jederzeit klaren Öffnungszeiten

interessiert und die Möglichkeit des Erwerbes von Heilmitteln sei ein höherwertiges

Ziel (als die Erwerbsfreiheit)“ – steht im Entscheidungstext53.

Im Zusammenhang mit Apotheken-Bereitschaftsdienst wird das öffentliche Interesse

an einer „raschen und ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln“

verfolgt. Dieses Ziel wird nicht nur während der eigentlichen Betriebszeiten verfolgt,

da die Versorgung mit Medikamenten zu jeder Zeit notwendig ist. Um auch außerhalb

der Betriebszeiten die Möglichkeit, Arzneimittel zu erhalten, zu gewähren, wird ein

gleichmäßig aufgeteilter Bereitschaftsdienst organisiert.53

4. Niederlassungsfreiheit

Im dritten Teil des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) findet

man unter anderem die Vereinbarungen über den Binnenmarkt und die Grundfreiheiten.

Die Grundfreiheiten sind

- die Zollfreiheit (Art. 30 AEUV),

- die Freiheit des Warenverkehrs (Art. 34 ff. AEUV),

50 EuGH C-171/07 und C- 531/06 (2009) 51 Vgl. EuGH C-171/07 und C- 531/06 (2009) 52 Vgl. Raschauer (2012), S 101 f 53 VfGH. V297/91 (1993)

17

- die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45 ff. AEUV),

- die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV),

- die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs (Art. 56 ff. AEUV) und

- die Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 63 ff. AEUV).54

Wenn nicht gerechtfertigt, gilt generell im Zusammenhang mit den Grundfreiheiten

Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot.55

„Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das Gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats

ansässig sind.“ Artikel 49 AEUV

Dieser Artikel sagt aus, dass Staatsangehörige aus anderen Mitgliedstaaten sich, wie die

einheimische Staatsangehörige auch, frei niederlassen dürfen müssen. Regelungen, die

diese Freiheit beschränken sind somit generell verboten.56

4.1. Schutzbereich

4.1.1. Persönlicher Schutzbereich

Unter den persönlichen Schutzbereich fallen Staatsangehörige der

Mitgliedstaaten der Europäische Union sowie Gesellschaften57, die nach den

Vorschriften des Mitgliedstaates errichtet worden sind und ihren Sitz,

Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in der Union haben.58

4.1.2. Sachlicher Schutzbereich

In der Rechtsprechung der EuGH zur Fall Factortame59 am 25. Juli 1991 steht,

dass „der Niederlassungsbegriff im Sinne der Artikel 52 ff. EWG-Vertrag die

tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen

Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit umfasst.“

Unter selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit versteht man jede Art von

selbständiger, also nicht weisungsgebundener auf eigene Rechnung und

eigenes Risiko ausgeübter, auf Einkommenserwerb gerichteter, dauerhafter

Tätigkeit.

54 Vgl. Frenz (2011), S 61 55 Vgl. Frenz (2011), S 67 f 56 Vgl. Frenz (2012), S 776 57 „Als Gesellschaften gelten die Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts einschließlich der Genossenschaften und die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts mit Ausnahme derjenigen, die keinen Erwerbszweck verfolgen.” Art. 54 AEUV 58 Vgl. Raschauer (2012), S 41; Frenz (2011), S 88 f und Art 54 AEUV 59 EuGH C-221/89 (1991)

18

Gemäß Artikel 49 AEUV „umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und

Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung

von Unternehmen (…)“59

4.1.2.1. Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit

Geschützt werden einerseits die Aufnahme der Erwerbstätigkeit, also die

Einrichtung und Inbetriebnahme der Niederlassung, und anderseits die

Ausübung der Erwerbstätigkeit, was den Aufenthalt im Mitgliedstaat mit sich

bringt. Geschützt wird somit der Aufbau des Betriebes, der zum Beispiel ein

Immobilienkauf, um Büro oder Werkstätte einzurichten, die Anschaffung von

Produktionsmitteln oder das Einstellen von Mitarbeitern beinhalten kann. Auch

der Zugang zum Beruf ist im Schutzbereich. Der Zugang kann zum Beispiel

die Anerkennung von ausländischen Berufsausbildungen beinhalten.60

4.1.2.2. Gründung und Leitung von Unternehmen

Zur Gründung und Leitung von Unternehmen gehört beispielsweise die

Errichtung, Unterhaltung und Abwicklung des Unternehmens. Die Gründung

des Unternehmens kann von der Planung bis zu der tatsächlichen

gesetzlichen Gründung alle erforderlichen Schritte beinhalten. Unter die

Leitung des Unternehmens versteht man den Geschäftsführungs- und

Vertretungsbefugnis, aber auch eine eventuelle Übergabe oder Liquidation

des Unternehmens.61

4.1.3. Räumlicher Schutzbereich

In Artikel 52 EUV werden alle Länder aufgelistet für den die Verträge gelten.

Absatz zwei verweist zusätzlich auf Artikel 355 AEUV bei Fragen über den

räumlichen Geltungsbereich der Verträge, wo man zusätzlich Bestimmungen

über zusätzliche Anwendungsgebiete und eventuelle Anwendungsausnahmen

findet.62

Überdies muss auch ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegen.

4.1.4. Schutzbereichsbegrenzungen

In Artikel 51 AEUV findet man die Begrenzungen des Schutzbereiches. Von der

Niederlassungsfreiheit ausgenommen sind also Tätigkeiten die „dauernd oder

zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt“ verbunden sind. Überdies wird

in Artikel 51 noch ein Freiraum für das Europäische Parlament gelassen, um

gegebenenfalls noch weitere Tätigkeiten als Ausnahmen zu erklären.

60Vgl. Frenz (2012), S 699 und Frenz (2011), S 88 61 Vgl. Frenz (2012), S 711 ff 62 Vgl. Frenz (2012), S 156 f

19

Auch die Keck-Rechtsprechung63 könnte auf die Niederlassungsfreiheit

übertragen werden und somit eine neue Sorte von Schutzbereichsabgrenzungen

bilden. So würden unterschiedslose Maßnahmen, die die Ausübung einer

Erwerbsbetätigung regeln, auch vom sachlichen Schutzbereich der

Niederlassungsfreiheit entfallen. In diesem Fall würden nicht diskriminierende,

nur Verkaufsmodalitäten regelnde Vorschriften dem Beschränkungsverbot nie

entgegenstehen, da sie von vornehinein nicht einbezogen wären.64

Ob die Keck-Rechtsprechung tatsächlich auf die Niederlassungsfreiheit

angewendet werden kann ist jedoch strittig65.

4.2. Beeinträchtigungen

Beeinträchtigungen der Niederlassungsfreiheit sind grundsätzlich unzulässig. Das

Diskriminierungsverbot und das Beschränkungsverbot kommen zu Geltung.

Einerseits dürfen also Unionsbürger auf Grund der Staatsangehörigkeit nicht

benachteiligt werden. Anderseits darf die Niederlassungsfreiheit nicht einmal durch

unterschiedslose Beeinträchtigungen beschränkt werden. Als Beeinträchtigung der

Niederlassungsfreiheit sind gemäß EuGH „alle Maßnahmen (..), die die Ausübung

dieser Freiheiten unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen“66 ,

anzusehen.67

4.2.1. Diskriminierungen

In Art 18 AEUV findet man die Grunddefinition des Diskriminierungsverbotes aus

Gründen der Staatsangehörigkeit.

„Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.“

Es gibt zwei Arten von Diskriminierungen, offene und verstecke.

4.2.1.1. Offene Diskriminierungen

Offene, mit anderen Worten unmittelbare oder formale Diskriminierungen

differenzieren explizit anhand der Staatsangehörigkeit, somit liegt die

Ungleichbehandlung klar offen.

Formal diskriminierende Vorschriften verstoßen stark gegen das

Diskriminierungsverbot, und sind daher sehr gravierende Eingriffe in die

Niederlassungsfreiheit. Deswegen können sie nur durch die geschriebenen

63 EuGH C-267/91 und C-268/91 (1993) 64 Vgl. Frenz (2012), S 769 ff 65 z.B. bejahend: Frenz, „Handbuch Europarecht: Band 1” (2012) und verneinend: Steinke „Die Übertragbarkeit der Keck-Rechtsprechung des EuGH auf die Niederlassungsfreiheit” (2009) 66 EuGH C-439/99, (2002) 67 Vgl. Frenz (2012), S 171 ff

20

Rechtfertigungsgründe begründet werden, und auch nur wenn sie

verhältnismäßig sind. 68

4.2.1.2. Versteckte Diskriminierungen

Versteckte, mittelbare oder faktische Diskriminierung nennt man Maßnahmen,

die nicht ausdrücklich anhand der Staatsangehörigkeit diskriminieren, aber

jedoch zu demselben Ergebnis kommen.

Damit wird „nicht nur jede auf der Staatsangehörigkeit des Leistenden

beruhende offene Diskriminierung [verboten], sondern auch alle versteckten

Formen von Diskriminierung, die zwar scheinbar auf neutralen Kriterien

beruhen, tatsächlich jedoch zum selben Ergebnis führen.“69

Es reicht beispielsweise aus, wenn die Vorschriften generell von Inländern

leichter erfüllt werden können (z.B. Sprachanforderungen), um einen Vorfall

mit versteckter Ungleichbehandlung zu haben.70

4.2.2. Unterschiedslose Beschränkungen

Unterschiedslose Beschränkenden stellen begrifflich keine Art von

Diskriminierung dar. Inländische und ausländische Bürger werden rechtlich

gleich behandelt, der Ausländer ist aber im Endeffekt trotzdem schlechter

betroffen.71

4.3. Rechtfertigungsgründe

Maßgaben, die die Niederlassungsfreiheit betreffen, können abhängig von der

Eingriffsintensität, mit geschriebenen oder mit ungeschriebenen Gründen

gerechtfertigt werden. Jedoch müssen alle Maßnahmen auf die Verhältnismäßigkeit

geprüft werden.72

4.3.1. Geschriebene Rechtfertigungsgründe

Geschriebene Rechtfertigungsgründe sind vertraglich vereinbart, und sind im

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäische Union zu finden.

In Artikel 52 Absatz 1 AEUV stehen die geschriebenen Rechtfertigungsgründe

einer Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit, „aus Gründen der öffentlichen

Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit” können auch diskriminierende

Regelungen gerechtfertigt werden.72

68 Vgl. Frenz (2012), S 178 ff 69 EUGH 62 und 63/81 (1982) 70 Vgl. Frenz (2012), S 176 ff 71 Vgl. Frenz (2012), S 781 72 Vgl. Raschauer (2012), S 43 f

21

4.3.2. Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

Sonstige „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ können nur nicht

diskriminierende Maßnahmen rechtfertigten. Unter zwingenden Gründen des

Allgemeininteresses versteht man unter anderem „Gründe, die der Gerichtshof in

ständiger Rechtsprechung als solche anerkannt hat (…): öffentliche Ordnung;

öffentliche Sicherheit; Sicherheit der Bevölkerung; öffentliche Gesundheit;

Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts der Systeme der sozialen Sicherung;

Schutz der Verbraucher, der Dienstleistungsempfänger und der Arbeitnehmer;

Lauterkeit des Handelsverkehrs; Betrugsbekämpfung; Schutz der Umwelt und

der städtischen Umwelt; Tierschutz; geistiges Eigentum; Erhaltung des

nationalen historischen und künstlerischen Erbes; Ziele der Sozialpolitik und

Ziele der Kulturpolitik“73.

Mit den ungeschriebenen Rechtfertigungsgründen haben die Mitgliedstaaten

eine gewisse Flexibilität, doch rein wirtschaftliche Gründe können nicht

verwendet werden um Beeinträchtigungen der Niederlassungsfreiheit zu

rechtfertigen.74

4.4. Rechtfertigungsschranken

Beeinträchtigungen der Niederlassungsfreiheit müssen auf ihre Verhältnismäßigkeit

geprüft werden. Auch nicht diskriminierende Maßnahmen müssen auf

Verhältnismäßigkeit geprüft werden. 75

4.4.1. Zulässiger Zweck

Es muss ein zulässiger Rechtfertigungsgrund gewählt worden sein.

Diskriminierende Maßnahmen müssen mit einen Grund aus Artikel 52 AEUV

gerechtfertigt werden. Nicht diskriminierende Maßnahmen kann man auch mit

zwingenden Gründen des Allgemeininteresses begründen.76

4.4.2. Geeignetheit

Die Maßnahme muss geeignet sein, das gesetzte Ziel erreichen zu können. Bei

der Geeignetheit haben die Mitgliedstaaten grundsätzlich einen weiten

Gestaltungsspielraum. Wichtig ist nur, dass die Maßnahme nicht komplett

untauglich sein soll, um das gesetzte Ziel zu erreichen.77

73 Art. Z. 8 der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG 74 Vgl. Frenz (2012), S 809 75 Vgl. Raschauer (2012), S 44 76 Vgl. Frenz (2012), S 23 f 77 Vgl. Frenz (2012), S 212 f

22

4.4.3. Erforderlichkeit

Eine Maßnahme ist dann erforderlich, wenn das gesetzte Ziel nicht durch ein

weniger belastendes, aber genauso wirksames Mittel erreicht werden könnte.

Wenn also ein milderes und genauso effektives Mittel zu Verführung steht, wird

die Erforderlichkeit nicht erfüllt.77

4.4.4. Angemessenheit

Das gesetzte Ziel und die Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit, der durch

das zur Zielerreichung gewählte Mittel verursacht wird, müssen in einem

proportionalen Verhältnis miteinander stehen.78

4.5. Apotheken in Lichte des Europarechts

Wie bei der Erwerbsfreiheit laut österreichischer Verfassung, beschränkt das

Apothekengesetz auch die Niederlassungsfreiheit in mehreren Punkten.

4.5.1. Fremdbesitzverbot

Der EuGH hat in 2009 sogar in zwei Fällen das Konzept des

Fremdbesitzverbotes bestätigt. Inhalt der beiden Fälle, C-171 u. 172/07,

Apothekerkammer des Saarlandes und C-531/06, Europäische

Kommission/Italienische Republik waren nationale Regelungen, die den Betrieb

einer Apotheke nur für Apotheker zulassen. Die Frage war, ob Vorschriften

eventuell mit der Niederlassungsfreiheit unvereinbar sind.

Im italienischen Fall handelte es sich um ein Vertragsverletzungsverfahren, die

die Kommission, wegen des italienischen Gesetzes über das Fremdbesitzverbot

eingeleitet hat, um zu prüfen, ob dies zulässig ist. Im deutschen Fall wollte die

niederländische Kapitalgesellschaft, Doc Morris in Deutschland eine Apotheke

eröffnen. Im deutschen Recht dürfen aber keine Kapitalgesellschaften Apotheken

betreiben. Um die Gesetzeslage aufzuklären, hat das deutsche

Verwaltungsgericht die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt.

In Artikel 168 Abs. 7 AEUV steht, das die Mitgliedstaaten ihre Gesundheitspolitik

und die Organisation des Gesundheitswesens selbst bestimmen dürfen. Sie

müssen sich aber an die Vorschriften der Verträge halten, wie zum Beispiel das

Diskriminierungsverbot und das Beschränkungsverbot. Falls sie diskriminierende

oder beschränkende Maßnahmen einführen wollen, müssen diese gerechtfertigt

und verhältnismäßig sein.79

Der Gerichtshof hat in beiden Fällen den Schutzbereich der

Niederlassungsfreiheit eröffnet und festgestellt, dass das Fremdbesitzverbot eine

78 Vgl. Frenz (2012), S 214 79 Pressemitteilung Nr. 44/09 der EuGH (2009)

23

unterschiedslose Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt, da sie allen

Nichtapothekern, unabhängig von der Staatsangehörigkeit, das Betreiben einer

Apotheke untersagen.

Unterschiedslose Beeinträchtigungen, die in der Lage sind die Ausübung der

Niederlassungsfreiheit „zu behindern oder weniger attraktiv zu machen“ können

mit den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses rechtfertigt werden.79

„Im Einzelnen lassen sich Beschränkungen der genannten Verkehrsfreiheiten mit dem Ziel rechtfertigen, eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen.“ Diese Begründung wird in beiden Rechtsprechungen verwendet und bestätigt. Anschließend wurden die Geeignetheit und die Erforderlichkeit der Maßnahme geprüft und bejaht. Schließlich gelangt der Gerichtshof in beiden Fällen zum Ergebnis, „dass die Niederlassungsfreiheit und der freie Kapitalverkehr einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die Personen, die keine Apotheker sind, den Besitz und den Betrieb von Apotheken verwehrt.“80

Der Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien wurde somit abgewiesen, da

auch das Verbot, dass Arzneimittelgroßhändler nicht an Apotheken beteiligt

werden dürfen, gerechtfertigt sein kann.81

Das österreichische Gesetz beinhaltet auch einen Fremdbesitzverbot in Bezug

auf Apotheken (§ 12 ApG). Diese Regelung ist, im Lichte der zwei

Rechtsprechungen des EuGH, mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar.

4.5.2. Bedarfsprüfung

Das Erfordernis einer Bedarfsprüfung ist ein Punkt, wo die europarechtliche

Niederlassungsfreiheit durch das Apothekengesetz stark beschränkt wird.

Fall: Asturien

Die EuGH hat am 1. Juni 2010 ein Vorabentscheidung im Zusammenhang mit

den Bedarfsprüfungsvorschriften in Spanien ausgegeben. Im Urteil zu den

verbundenen Rechtssachen C-570/07 und C- 571/07 wurden die in der

Autonomen Gemeinschaft Asturien im Zusammenhang mit neu zu erstellenden

Apotheken geltenden Bestimmungen, auf ihre Zulässigkeit geprüft. Die

Bestimmungen beinhalten Vorschriften über die Mindestentfernung zur

nächstliegenden Apotheke, sowie Vorschriften über die

Mindestbevölkerungszahl pro Apotheke.82

Der EuGH hat festgestellt, dass solche Bestimmungen eine Beschränkung der

Niederlassungsfreiheit darstellen, weil sie den Zugang der Apotheker zu neuen

Apotheken in Asturien behindern. Der Gerichtshof hat zusätzlich auch

festgestellt, dass die beschränkenden Maßnahmen nicht diskriminierend sind, da

sie Inländer sowie Ausländer gleich betreffen.

80 EuGH. C-171 u. 172/07 (2009) 81 Vgl. EuGH. C-171 u. 172/07 (2009) 82 Vgl. EuGH C-570 und 571/07 (2010); Pressemitteilung Nr. 49/10 der EuGH (2010)

24

Unterschiedslose Maßnahmen können, wenn sie verhältnismäßig sind, mit den

ungeschriebenen Rechtfertigungsgründen legitimiert werden.

In diesem Fall wurden die Beschränkungen durch die in den zwingenden

Gründen des Allgemeininteresses liegende, sichere und qualitativ hochwertige

Arzneimittelversorgung der Bevölkerung gerechtfertigt.

Anschließend hat der Richter die Geeignetheit und die Erforderlichkeit der

Maßnahme geprüft und bejaht.

Demgemäß hat der Gerichtshof die Entscheidung getroffen, dass festgelegte

Voraussetzungen, die mit der „Bevölkerungsdichte und der Mindestentfernung

zwischen Apotheken in Zusammenhang stehen“ zwar die Niederlassungsfreiheit

beschränken, jedoch gerechtfertigt sind.82

Fall: Österreich

Auch im Zusammenhang mit der Bedarfsprüfung in Österreich hat die EuGH am

13. Februar 2014 eine Vorabentscheidung83 gefasst.

Die Fragen des Vorabentscheidungsverfahrens waren beispielsweise, ob in § 10

Abs. 2 Z. 3 ApG die Kriterien des Bedarfs hinreichend genug geregelt sind, ob

die starre Grenze der zu versorgenden Personen von 5500, keine Möglichkeit zur

Beachtung von besonderen örtlichen Verhältnisse ermöglicht, und somit nicht

EU-rechtskonform ist.

Der Gerichtshof stellt zuerst fest, dass obwohl kein grenzüberschreitender Bezug

besteht, der Schutzbereich eröffnet werden kann, da die Regelung auch auf

Angehörige anderer Mitgliedstaaten angewendet werden kann.

Der Gerichtshof befand, dass so eine unflexible Vorschrift, die nicht erlaubt, die

besonderen örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, nicht gerechtfertigt

werden kann, da sie das gesetzte Ziel selber nicht verfolgt.

Da die Vorschrift so unflexibel gestaltet ist, kann es dazu kommen, dass in den

ländlichen Regionen nicht allen ein angemessener Zugang zur

Arzneimittelversorgung zur Verfügung steht.84

Dementsprechend muss der österreichscher Gesetzgeber, wie bei der

Mindestentfernung in § 10 Abs. 6 ApG, auch bei den zu versorgenden Personen

die Möglichkeit zur Beachtung von besonderen örtlichen Verhältnisse lassen.85

4.5.3. Exkurs: Versandhandel

Der bekannte DocMorris Fall86 der EuGH von 2003 betrifft die europarechtliche

Warenverkehrsfreiheit. Die DocMorris-Entscheidung hat letztendlich geklärt, wie

fern einzelne Mitgliedstaaten die Warenverkehrsfreiheit, im Zusammenhang mit

Arzneimitteln, beschränken dürfen. Da das österreichische Apothekengesetz bis

zum 25. Juni 201587 mit der Auslegung dieser Entscheidung teilweise nicht im

Einklang war, wird hier auch dieses Urteil geschildert.

83 EuGH C-367/12. (2014) 84 Vgl. EuGH C-367/12. (2014); Pressemitteilung Nr. 19/14 der EuGH (2014) 85 Österreichische Apothekenkammer [Zugriff am 13. März 2014] 86 EuGH C-322/01 (2003) 87 siehe Fußnote Nr. 43

25

In 2000 hat die niederländische Apotheke 0800 DocMorris NV angefangen,

verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel

grenzüberschreitend über das Internet an deutsche Konsumenten zu verkaufen.

In Deutschland ist aber gemäß § 43 Abs. 1 des deutschen Arzneimittelgesetzes

der Arzneimittelversand verboten. Das Landesgericht von Frankfurt am Main

legte, um die Rechtslage aufzuklären, unterschiedliche Fragen dem EuGH vor.88

Im Zusammenhang mit der Vertreib von im betroffenen Mitgliedstaat nicht

zugelassenen Arzneimitteln hat sich der EuGH auf die Richtlinie 2001/83/E

berufen.

„Ein Arzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats nach dieser Richtlinie eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde oder wenn eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 erteilt wurde“ – steht in Artikel 6 der Richtlinie.

Doch bei den zugelassenen Medikamenten hat der EuGH festgestellt, dass ein

Verbot des Versandes einen Eingriff in der Warenverkehrsfreiheit darstellt.89

Bei den zugelassenen Medikamenten muss zwischen rezeptpflichtigen und

rezeptfreien Arzneimitteln unterschieden werden. Bei den rezeptpflichtigen

Arzneimitteln fand der EuGH ein nationales Verbot des Versandes für

gerechtfertigt, da solche Medikamente generell gefährlicher sind.90

Im Zusammenhang mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln hingegen,

entschied der EuGH, dass ein solches Verbot des Versandhandels mit keinem

Rechtfertigungsgrund rechtfertigt werden kann und daher unzulässig ist.89

Ab dem 25. Juni 2015 dürfen in Österreich Apotheken rezeptfreie Medikamente

über das Internet verkaufen. Bislang durften dies nur in der EU zugelassene

nicht österreichische Apotheken grenzüberschreitend tun.

5. Abschluss

Das Apothekengesetz hat mehrere sehr starke Vorschriften über die unterschiedlichen

Bereiche des Apothekenwesens. Diese Vorschriften verstoßen oft gegen die in der

österreichischen Verfassung festgelegte Erwerbsfreiheit und gegen die im Unionsrecht

festgelegte Niederlassungsfreiheit.

Die Eingriffe in beide Rechtsgebiete müssen gerechtfertigt sein, sonst sind sie unzulässig.

Die Erwerbsfreiheit ermöglicht österreichischen Staatsbürgern, sowie Staatsbürgern aus

anderen EWR-Mitgliedstaaten und aus der Schweiz, den freien Erwerbsantritt und die

freie Erwerbsausübung. Die Bürger dürfen jede selbstständige und unselbstständige

88 Vgl. EuGH C-322/01 (2003); Pressemitteilung Nr. 113/03 der EuGH (2003) 89 Vgl. EuGH C-322/01 (2003); Pressemitteilung Nr. 113/03 der EuGH (2003) 90 Koenig/Meuer/Engelmann (2004) S 65 ff

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erwerbsorientierte Beschäftigung wählen. Jeder Eingriff in die Erwerbsfreiheit muss der

Verhältnismäßigkeit entsprechen, sonst wird er wegen Verfassungswidrigkeit

aufgehoben. Ein Eingriff ist dann verhältnismäßig, wenn er durch öffentliche Interessen

geboten, zur Zielerreichung geeignet und erforderlich, und auch adäquat ist. Je

gravierender der Eingriff, desto gewichtiger muss das öffentliche Interesse sein.

Im Apothekengesetz findet man die Regelungen die das österreichische

Apothekensystem grundlegend gestalten. Hierin finden sich Vorschiften über fast alle

Bereiche einer Apotheke. Es wird beispielsweise geregelt, wer eine Apotheke betreiben

kann, wie viele Apotheken ein Apotheker betreiben darf, welche Rechtsformen erlaubt

sind, wie Apotheken ihre Betriebszeiten gestalten müssen, wem und unter welchen

Voraussetzungen der Versand von Arzneimittel erlaubt ist. Auch die Regelungen über die

Konzession und die Bedarfsprüfung findet man hier. Eine öffentliche Apotheke darf nur

mit einer Konzession betrieben werden. Bevor eine neue Konzession erteilt werden kann,

muss unter anderem die Bedarfsprüfung zum Ergebnis gekommen sein, dass es

überhaupt genügend Bedarf für die neu zu errichtende Apotheke gibt.

Ein sehr großer Teil des Apothekengesetzes verstößt gegen die Erwerbsfreiheit. Die

Eingriffe erstecken sich von nicht so intensiven Ausübungsbeschränkungen, über

subjektive Antrittsschranken, die generell intensiver sind, bis hin zu sehr intensiven

objektiven Antrittsschranken.

Die Ziele von dieser Eingriffe sind hauptsächlich die Erfüllung der flächendeckenden

Arzneimittelversorgung, die Sicherstellung der Versorgungssicherheit oder die

Vermeidung übermäßigen Wettbewerbs.

Generell kann man davon ausgehen, dass die beschränkenden Regelungen im

Apothekengesetz gerechtfertigt sind und mit der Verfassung harmonisieren.

Der Verfassungsgerichtshof findet jedoch immer wieder neue Teile, die nicht mehr

gerechtfertigt sind, oder wo das öffentliche Interesse nicht mehr gegeben ist. In solchen

Fällen werden die veralteten Paragraphen für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben.

Das Apothekengesetz verstößt auch gegen die Verträge der Europäischen Union,

genauer bestimmt, hauptsächlich gegen die Niederlassungsfreiheit, aber auch zum Teil

gegen die Warenverkehrsfreiheit.

Die Niederlassungsfreiheit steht grundsätzlich unter Diskriminierungsverbot und

Beschränkungsverbot.

Der Freiheit zur Niederlassung ermöglicht allen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten

der Europäische Union (sowie Gesellschaften) die „Ausübung einer wirtschaftlichen

Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte

Zeit“ 91 Gemäß Artikel 49 AEUV „umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und

Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von

Unternehmen (…)“

Eingriffe in die Niederlassungsfreiheit lassen sich in zwei Gruppen teilen, diskriminierende

und nicht diskriminierende. Diskriminierende Maßnahmen sind besonders

91 EuGH C-221/89 (1991)

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eingriffsintensiv, und können daher nur mit den in Artikel 52 Absatz 1 AEUV erwähnten

Gründen gerechtfertigt werden. Wenn die Maßnahmen verhältnismäßig sind, können also

folgende Gründe zur Rechtfertigung herangezogen werden: öffentliche Ordnung,

Sicherheit oder Gesundheit.

Nicht diskriminierende Maßnahmen können auch, wenn verhältnismäßig, mit zwingenden

Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden.

Das Fremdbesitzverbot gemäß § 12 ApG ist ein Vorschrift, die auch andere

Mitgliedstaaten in unterschiedlichen Varianten in ihre Apothekengesetzgebung

aufgenommen haben.

Der EuGH hat in 2009 sogar in zwei Fällen92 den Fremdbesitzverbot für allgemein zulässig

erklärt.

„Im Einzelnen lassen sich Beschränkungen der genannten Verkehrsfreiheiten mit dem Ziel rechtfertigen, eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen.“92

Da die Urteile analog auf das österreichische Gesetz angewendet werden können, ist

auch das österreichische Fremdbesitzverbot unionsrechtskonform.

Die Bedarfsplanung von Apotheken ist ebenfalls in den nationalen Gesetze von mehreren

Mitgliedstaaten, wie auch von Österreich, bei einer Neugründung vorgeschrieben.

In 2014 hat der EuGH eine Vorabentscheidung93 im Zusammenhang mit der

österreichischen Regelung getroffen. Der EuGH hat die Bedarfsprüfung an sich für ein

zulässiges Mittel zum Schutz der flächendeckenden Arzneimittelversorgung erklärt. Die

starre Anzahl von 5500 zu versorgenden Personen, fand sie jedoch nicht gerechtfertigt.

Das Ziel der Beschränkungen, sei eine flächendeckende Arzneimittelversorgung, doch

eine so starre Vorschrift, bei der die örtlichen Besonderheiten gar nicht berücksichtigt

werden können, kann dazu führen, dass in den weniger bewohnten Gebieten genau das

Gegenteil erreicht wird. Der EuGH befand, dass dieses Mittel nicht geeignet ist, das

gesetzte Ziel zu erreichen, und daher diese starre Regelung dem Grundsatz der

Verhältnismäßigkeit wiederspricht.

Das österreichische Apothekengesetz ist also in mehreren Bereichen sehr stark reguliert.

Oft kommt es auch zu Kollisionen mit dem die Erwerbsausübungs- und

Erwerbsantrittsfreiheit schützenden österreichischen Gesetz und mit dem die

Niederlassungsfreiheit schützenden Gesetz der Europäischen Union. Die Eingriffe sind

aber in der Regel gerechtfertigt. Sie sind im Interesse der Gestaltung einer

flächendeckenden zuverlässigen Arzneimittelversorgung. Dies gelingt Österreich recht

gut. Eine Untersuchung der Gesundheit Österreich Forschungs- und Planungs GmbH in

2012 fand heraus, dass 92,6% der österreichischen Bevölkerung eine Apotheke so nah

in ihrer Umgebung haben, dass sie diese innerhalb von 10 Minuten erreichen können.94

Das österreichische Apothekengesetz ist einerseits sehr streng reguliert, mit zahlreichen

Vorschriften und Regeln. Anderseits es erreicht jedoch sein Ziel der flächendeckenden

Arzneimittelversorgung und ist daher gerechtfertigt.

92 EuGH C-171 u. 172/07 (2009) und C-531/06 (2009) 93 EuGH C-367/12. (2014) 94 Vgl. Vogler/ Arts/ Sandberger (2012), S 86

V

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sind, Pressemitteilinung Nr. 113/03, 11. Dezember 2003

Gerichtshof der Europäischen Union: Die demografischen und geografischen Begrenzungen,

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Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, Pressemitteilinung Nr. 49/10, 1. Juni

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Gerichtshof der Europäischen Union: Die in Österreich bei der Neuerrichtung von Apotheken

angewandten demografischen Kriterien sind nicht mit der Niederlassungsfreiheit

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