So wird man(n) zum hegemonialen Mann Eine intersektionale Analyse der hegemonialen...

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So wird man(n) zum hegemonialen Mann Eine intersektionale Analyse der hegemonialen Managermännlichkeit im Wirtschaftsmagazin Bilanz Bachelorarbeit Soziologie eingereicht bei Dr. Charlotte Müller am Institut für Soziologie an der Wirtschaft- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern am 20. August 2011 Frühlingssemester 2011 Adrian Michael Durtschi Murtenstrasse 30 3008 Bern 079 223 46 17 [email protected] 05-100-748 BA Soziologie

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So wird man(n) zum hegemonialen Mann

Eine intersektionale Analyse der hegemonialen Managermännlichkeit im Wirtschaftsmagazin Bilanz

Bachelorarbeit Soziologieeingereicht bei

Dr. Charlotte Mülleram Institut für Soziologie

an der Wirtschaft- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät

der Universität Bernam 20. August 2011

Frühlingssemester 2011

Adrian Michael DurtschiMurtenstrasse 30

3008 Bern079 223 46 17

[email protected]

BA Soziologie

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung........................................................................................................................... 1 2 Theorie............................................................................................................................... 6

2.1 Kapitalismus und Manager......................................................................................... 6 2.2 Patriarchat und Männlichkeit...................................................................................... 8 2.3 Zusammenspiel und Intersektionalität......................................................................10 2.4 Hegemoniale Männlichkeit....................................................................................... 12

2.4.1 (Ideal-)Typen der Männlichkeit..........................................................................13 2.4.2 Veränderung und Sozialisierung....................................................................... 15

2.5 Pierre Bourdieus Habitustheorie...............................................................................16 2.5.1 Klassenhabitus.................................................................................................. 17 2.5.2 Männlicher Habitus............................................................................................19

2.6 Synthese zur hegemonialen Managermännlichkeit.................................................21 2.6.1 Idealtyp hegemoniale Managermännlichkeit.....................................................22 2.6.2 Thesen...............................................................................................................25

3 Methoden-, Datenauswahl und Methodenkritik .............................................................. 26 3.1 Auswahl des Datenmaterials.................................................................................... 26 3.2 Methodenauswahl Mehrebenenanalyse...................................................................27

3.2.1 Theoretischer Hintergrund.................................................................................28 3.2.2 Funktionsweise der Mehrebenenanalyse..........................................................29 3.2.3 Anwendungsbeispiele und kritische Auseinandersetzung................................30 3.2.4 In dieser Arbeit angewandte Methode ..............................................................34

4 Ergebnisse Mehrebenenanalyse..................................................................................... 36 4.1 Hegemoniale Managermännlichkeit......................................................................... 36 4.2 Ebene Identitätskonstruktionen................................................................................ 37 4.3 Ebene symbolische Repräsentation.........................................................................39 4.4 Ebene (Sozial)-Struktur............................................................................................ 41 4.5 Wechselwirkungen zwischen den Ebenen............................................................... 43

5 Fazit..................................................................................................................................46Bibliographie........................................................................................................................ 51Selbstständigkeitserklärung................................................................................................. 57Anhang................................................................................................................................. 58

A Interview Viktor Vekselberg.......................................................................................... 58B Interview Carsten Schloter........................................................................................... 62C Interview Daniel Vasella............................................................................................... 66

Einleitung 1

1 EinleitungUnd es sind zwei Sprachen oben und untenUnd zwei Masse zu messenUnd was Menschengesicht trägtKennt sich nicht mehr. […]Die aber unten sind, werden unten gehaltenDamit die oben sind, oben bleiben.Bertold Brecht1

In der Schweiz und weltweit gibt es nach wie vor beachtliche soziale Unterschiede. Es

gibt Menschen, die aufgrund dieser Ungleichheiten verlieren und solche die davon pro-

fitieren. Diese sozialen Unterschiede nehmen entgegen anders lautender Meldungen

stetig zu. Erst kürzlich hat eine Reichtumsstudie von Ueli Mäder et al. (2010: 50-60)

aufgezeigt, dass rund 1 % der in der Schweiz wohnhaften Personen rund 59 % des ge-

samten Vermögens besitzen. Diejenigen, welche „oben“ sind, haben immer mehr und

die „unten“ immer weniger. Die Ungleichheit bezieht sich nicht nur auf die Vermögens-

verteilung. Im Jahr 2010 nahm in den 41 wichtigsten Schweizer Unternehmen die

Lohnschere in den Betrieben stark zu. Die Differenz zwischen dem Spitzenverdienst

und dem niedrigsten Verdienst betrug in diesen Unternehmen 1:43 (Unia 2011: 1f).

Oder anders ausgedrückt: Eine Arbeiterin oder ein Arbeiter der niedrigsten Lohnstufe

muss ihr/sein ganzes Erwerbsleben arbeiten, um gleich viel zu verdienen wie die Best-

verdienenden in einem Jahr. Der Verteilungsbericht des SGB zeigt eine immer stärkere

Umverteilung von unten nach oben. Für die unteren Einkommen hat das real verfügba-

re Einkommen zwischen 1998 und 2008 abgenommen. Sie haben weniger Geld zum

Ausgeben. Das verfügbare Einkommen des obersten Drittels nahm im selben Zeitraum

zu (Lampart und Gallusser 2011: 19-25).

Während die Reichen vor allem Männer sind, sind bei den Armen die Frauen über-

durchschnittlich stark vertreten. So sind beispielsweise 280'000 Frauen in der Schweiz

von Tieflöhnen unter 4'000 Franken betroffen (Schärer 2011: 1). Doch auch in anderen

Bereichen sind die Frauen massiv benachteiligt. So sind in Kaderpositionen Frauen

stark untervertreten (BASS 2010: 41-44). Auch in der Politik sind die Frauen massiv in

der Minderheit (EKF 2011). Selbst bei der Hausarbeit zeigt sich klar eine Dominanz der

Männer über die Frauen (BfS 2010). Frauen haben trotz beruflicher Tätigkeit immer

noch mehrheitlich die Hauptverantwortung bei der nicht-bezahlten Reproduktionsarbeit.

Soziale Ungleichheiten lassen sich sowohl zwischen Arbeit und Kapital als auch zwi-

schen Männern und Frauen finden. Die erwähnten Fakten zeigen deutlich, wie die

beiden herrschenden Gesellschafts- respektive Herrschaftssysteme Kapitalismus und

1 Brecht, Bertolt. 1962. Die heilige Johanna der Schlachthöfe. Berlin: Verlag Suhrkamp. S. 143f.

Einleitung 2

Patriarchat in der Schweiz und weltweit Ungleichheiten schaffen. Es greift zu kurz, Dis-

kriminierungen und soziale Ungleichheit einzig anhand von einigen „bösen“ Reichen

erklären zu wollen. Die ungleiche Kapitalakkumulation erklärt zwar die Zunahme des

Vermögens der Reichen, nicht aber, wieso fast alle Reichen Männer sind und die

Armen mehrheitlich Frauen. Sie erklärt ebenfalls nicht, wieso es nur eine geringe

soziale Mobilität gibt. Insbesondere die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern

darf nicht als Nebenwiderspruch von Arbeit und Kapital verstanden werden. Die beiden

Ungleichheitssysteme sind nicht voneinander getrennt. Die Herrschenden sind auch in

beiden Fälle die gleichen, eine kleine Elite von Männern, welche die anderen Men-

schen kontrolliert und von den unterschiedlichen sozialen Ungleichheiten profitiert.

Soziale Ungleichheiten haben mehrere Ursachen. Es gibt verschiedene Unter-

drückungs- oder Ungleichheitsmechanismen. Zwei der wichtigsten sind die Diskrimi-

nierung aufgrund der Klasse (classism) und des Geschlechts (sexism). Neben ihnen

existieren noch weitere Diskriminierungskategorien beispielsweise „Rasse“ oder

Körper. Diese werden jedoch in dieser Arbeit nicht weiter behandelt.

Die erwähnten Herrschaftssysteme Kapitalismus und Patriarchat schweben nicht im

leeren Raum. Sie werden getragen von den Herrschenden (z.B. ManagerInnen2,

PolitikerInnen, mächtige und unterstützende Männer), aber auch von ihren Unter-

drückten (z.B. ArbeiterInnen, Frauen im Allgemeinen). Der Kapitalismus und das Patri-

archat wirken auf diese Personengruppen ein. Die Herrschaftsformen bestimmen ihr

Handeln, aber ihr Handeln prägt wiederum auch diese Formen der Herrschaft. Dies ist

möglich, da die Herrschaftssysteme Bestandteil ihrer TrägerInnen geworden sind.

Kapitalismus und Patriarchat sind nicht nur strukturell verankert in Institutionen und der

Gesellschaft. Sie scheinen auch die Identitätskonstruktionen der TrägerInnen zu beein-

flussen. Ebenso beeinflussen sie die Ideologien und Rechtfertigungen der TrägerInnen.

Eine Analyse der TrägerInnen erlaubt so Rückschlüsse auf die Herrschaftsformen

selbst. Damit lassen sich die Unterdrückungssysteme besser verstehen. Dies liesse

sich auch auf eine Vielzahl von anderen Herrschaftsverhältnisse – also nicht nur auf

Kapitalismus und Patriarchat – anwenden. Um den Rahmen der Bachelorarbeit nicht

zu sprengen, wird diese Arbeit aber nur die beiden Herrschaftsverhältnisse Kapitalis-

mus und Patriarchat behandeln. Die Betrachtung der Herrschenden und der

Beherrschten kann erklären, wieso sich die beiden Formen immer wieder reprodu-

zieren. Es gibt nach wie vor verschiedene Lebenswelten, welche von Anfang an die

2 Diese sind meist männlich. Diese Arbeit soll geschlechtergerecht geschrieben werden. Deshalb wird immer dann, wenn alle potenziellen Geschlechtsidentitäten gemeint sind, die Schreibweise mit „Binnen-I“ verwendet werden. Ansonsten bemühe ich mich um präzise Bezeichnungen.

Einleitung 3

Rollen und die sozialen Aufstiegsmöglichkeiten der Menschen bestimmen. Herr-

schende und Beherrschte lesen nicht dasselbe, essen nicht dasselbe und haben nicht

die gleichen Probleme. Ihre soziale Lage ist eine andere. Sie müssen deshalb in der

Wissenschaft als eigenständige Untersuchungsgegenstände behandelt werden.

Eine zentrale Prämisse für diese Forschung ist, dass soziale Ungleichheiten nicht

naturgegeben sind. Genauso wie die sozial konstruierte Zweigeschlechtlichkeit mit

einem „schwachen“ und einem „starken“ Geschlecht, kommen auch Reichtum und

Armut nicht aus der Natur. Sie werden vielmehr von uns Menschen konstruiert und re-

produziert. Ebenfalls sind ihre Ergebnisse, die Herrschenden und Beherrschten, sozial

konstruiert. Um zu verstehen, wie genau diese aber konstruiert und reproduziert wer-

den, müssen die Herrschenden und die Beherrschten in ihrem Verhältnis zu Kapitalis-

mus und Patriarchat analysiert werden. Denn diese prägen und bilden die Grundlagen

für ihr Wirken.

Ziel dieser Arbeit ist es deshalb, bei der Analyse der Herrschenden und Beherrschten

einen Beitrag zu leisten. Im Folgenden sollen die Herrschenden genauer beleuchtet

werden. Ich möchte mich dem Idealtyp des Herrschenden innerhalb des Kapitalismus

und Patriarchats widmen. Genauer gesagt dem Typus des männlichen Spitzen-

managers. Dieser hat als Manager (Mann und Kapitalist) innerhalb beider Herrschafts-

verhältnisse eine dominante Rolle. An ihm orientieren sich auch die nach oben Stre-

benden und versuchen so zu werden wie dieser Typus. In dieser Arbeit soll deswegen

die Frage beantwortet werden:

Welcher Idealtyp von hegemonialer Managermännlichkeit wird in der Rubrik

„Gespräche“ im Schweizer Wirtschaftsmagazin Bilanz (kurz: Bilanz) in Bezug auf die

Sozialstruktur, die symbolische Repräsentation, die Identitätskonstruktionen und ihre

Wechselbeziehungen untereinander reproduziert?

Dieser Untersuchungsgegenstand habe ich gewählt, weil mit ihm die Mächtigen im

Speziellen angeschaut werden können. In vielen Untersuchungen werden die

Verliererinnen und Verlierer angeschaut, die Beherrschten. Dies ist wichtig und richtig.

Genauso nötig um das gesamte System zu begreifen ist es aber, auch die andere

Seite, die Mächtigen, genauer anzuschauen. Dieser Idealtyp der Vorherrschaft, sowohl

im kapitalistischen System, wie auch zwischen den beiden Geschlechtern, wird in

dieser Arbeit hegemoniale Managermännlichkeit genannt. Der Idealtyp der hege-

monialen Managermännlichkeit kombiniert die Macht des Kapitalismus und des Patri-

archats. Diese Perspektive macht die Arbeit in ihrer Art besonders. Sie schaut nicht nur

Einleitung 4

auf einen Teil des verwobenen Herrschaftssystems von Kapitalismus und Patriarchat,

wie es beispielsweise die Reichtumsstudie von Mäder et al. (2010) weitgehend macht.

Der Typus des hegemonialen Managers soll nicht nur auf einer Ebene angeschaut

werden, sondern gleich auf drei verschiedenen: 1. Den strukturellen Verhältnissen; 2.

den symbolischen Repräsentationen, also den Rechtfertigungsstrukturen, Diskursen,

Normen und Ideologien und 3. den Identitätskonstruktionen der Akteure. Ebenso

werden die Wechselbeziehungen zwischen den drei vorgestellten Ebenen be-

rücksichtigt.

Schliesslich erlaubt die gewählte Fragestellung zu erläutern, welche hegemoniale

Managermännlichkeit in der Gesellschaft durch eine spezifisches Zeitschrift reprodu-

ziert wird. Und wie die männlichen Spitzenmanager damit als Vorbilder für andere wir-

ken, welche nach Macht, Anerkennung und sozialem Aufstieg in unserer Gesellschaft

streben. Dies alles dient dem höheren Erkenntnisinteresse, die Funktionsweise von

Patriarchat und Kapitalismus besser zu verstehen. Die vorliegende Bachelorarbeit lässt

sich damit als Forschung im Bereich der sozialen Ungleichheit, der Sozialstruktur-

analyse, der Geschlechtersoziologie und der Machtsoziologie einordnen.

In der Arbeit soll den Managern (Kapitalismus) und der Männlichkeit (Patriarchat) ein

besonderer Blick gelten, da diese Akteure (auch in vereinigter Form der männlichen

Manager) die Profiteure der beiden Systeme sind. Das Herzstück der Theorie bilden

dazu die Arbeiten von Pierre Bourdieu und Raewyn W. Connell. Connell führte das

Konzept der hegemonialen Männlichkeit ein. Ihr Konzept erlaubt es Geschlechterunter-

schiede innerhalb des kapitalistischen Systems, Ungleichheiten zwischen Männern

und das Wirken des kapitalistischen und patriarchalischen Systems zu analysieren.

Ergänzt wird Connell durch die Habitustheorie von Pierre Bourdieu. Die Habitustheorie

erlaubt es sowohl soziale Ungleichheiten innerhalb der sozialen Klassen als auch zwi-

schen den Geschlechtern zu erklären. Beide Theorien zeigen zudem auf, wie einzelne

sozial „oben“ stehende Idealtypen zum Vorbild für breite Massen der Bevölkerung

werden.

Als Methode für die Untersuchung wird die Mehrebenenanalyse von Gabriele Winker

und Nina Degele verwendet. Es ist eine relativ neue Methode in der qualitativen Sozial-

forschung, welche darauf ausgerichtet ist Mehrfachunterdrückung auf verschiedenen

Ebenen zu untersuchen. Da es sich um eine eher unbekannte Methode handelt, werde

ich die Methode innerhalb der Arbeit ausführlicher darstellen und kritisch beleuchten.

Einleitung 5

Um die vorgestellte Fragestellung beantworten zu können, gestaltet sich der Aufbau

der Arbeit folgendermassen: Zuerst kommt ein ausführliches Theoriekapitel, welches

die wichtigsten Begriffe und Konzepte erklären soll. Das Kapitel beginnt mit einer theo-

retischen Vorstellung des Kapitalismus und des Patriarchats als vorherrschende

Gesellschaftssysteme und ihren AkteurInnen. Im Anschluss folgt eine Darstellung des

Ansatzes der Intersektionalität. Danach werden die Konzepte von Connell und

Bourdieu eingehend erläutert. Das Ganze mündet schliesslich in einer selbsterar-

beitenden Synthese des Idealtypus der hegemonialen Managermännlichkeit. Diese

Theorie erlaubt es dann, die Fragestellung empirisch zu beantworten und erste Thesen

aufzustellen.

Als Datenmaterial für die empirische Analyse stehen Interviews aus der Bilanz zur Ver-

fügung, namentlich mit den Spitzenmanagern Daniel Vasella, Viktor Vekselberg und

Carsten Schloter. Im Methodenkapital wird sowohl die Methode der Mehrebenen-

analyse vorgestellt, als auch die Auswahl des Datenmaterial (Interviews) begründet.

Die Methode wird dabei theoretisch und praktisch vorgestellt und in einem Anwen-

dungsteil kritisch beleuchtet. Dem folgt ein Analysekapitel, in dem die Ergebnisse der

Mehrebenenanalyse der drei Interviews aus der Bilanz vorgestellt werden. Diese

Ergebnisse und der vorhergehende Theorieteil ermöglichen es dann am Schluss der

Bachelorarbeit, die Fragestellung zu beantworten, welche hegemoniale Managermänn-

lichkeit im Wirtschaftsmagazin Bilanz reproduziert wird.

Theorie 6

2 Theorie

2.1 Kapitalismus und ManagerDas bestimmende Herrschaftssystem im Bereich der Wirtschaft ist der Kapitalismus. In

diesem Kapitel soll der Kapitalismus, seine Funktionsweise und die ManagerInnen als

wichtige AkteurInnen des inkorporierten kapitalistischen Denkens analysiert werden.

Kapitalismus ist gemäss Max Weber die „Organisation wirtschaftlicher Interessen, die

das 'Streben nach Profit, nach immer erneutem Profit' erlaubt“ (zit. nach Swedberg

2009: 88). Als weitere Minimaldefinition für das System Kapitalismus wird in dieser

Arbeit verwendet: Ein System, welches „unbegrenzte Kapitalakkumulation durch den

Einsatz von formell friedlichen Mittel“ zum Ziel hat (Boltanski und Chiapello 2006: 39).

Innerhalb des Kapitalismus gibt es vereinfacht gesagt zwei Klassen. Auf der einen

Seite sind dies die Kapitalistinnen und Kapitalisten (Besitzende, Bourgeoisie), welche

über Produktionsmittel (Kapital, Güter, Boden) verfügen (Marx und Engels 1973: 461-

473).

Auf der anderen Seite sind die Arbeiterinnen und Arbeiter, welche den Besitzenden ihre

Arbeitskraft verkaufen müssen, da sie nicht selbst über Produktionsmittel verfügen.

Durch diese Teilung entstehen soziale Ungleichheiten, die KapitalistInnen besitzen

nach Marx und Engels immer mehr und die ArbeiterInnen verarmen zunehmend. Diese

starke Teilung in Klassen wird heute in der Forschung oft negiert. Neue Modelle, wie

soziale Schichten etc., lösen dieses Klassenmuster ab (Klein 2005: 227-233). Ein-

deutig ist aber, dass es durch das System des Kapitalismus weiterhin massive soziale

Ungleichheiten gibt. Sei dies bei den Vermögen, den Einkommen oder Bodenbesitz in

der Schweiz (Mäder et al. 2010) und weltweit (Boltanski und Chiapello 2006).

Den Menschen, von ArbeiterInnen bis hin zu ManagerInnen, wohnt zur Aufrechterhal-

tung des kapitalistischen Systems ein „kapitalistischer Geist“ inne. Dieser Geist ist die

Verinnerlichung von kapitalistischen Normen, Werten und Weltanschauung. Er ermög-

licht, dass das kapitalistische System trotz Ungleichheiten ohne offene Gewalt auf-

rechterhalten bleibt. Der Geist des Kapitalismus bezeichnet auch die aktuelle Ideologie,

von welchem der Kapitalismus getragen wird (Ebd.: 42-53). Durch veränderte gesell-

schaftliche Rahmenbedienungen oder Kritik am Kapitalismus passt sich der Geist, also

die Ideologie, soweit an, dass der Kapitalismus weiterhin erhalten bleiben kann.

Nicht einig sind sich die TheoretikerInnen bei der Frage, woher die soziale Ungleichhei-

ten im Kapitalismus herrühren. Einerseits gibt es die Erklärung, dass sie von den Struk-

turen und der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe kommen. Anderseits, dass sie

Theorie 7

aufgrund von individuellem Verhalten (Rational Choice) entstehen (Klein 2005: 227-

233). Ebenfalls strittig ist, wie sich das System des Kapitalismus etablieren konnte.

Eine Theorieschule geht davon aus, dass die Strukturen entscheidend sind für die

Etablierung des Kapitalismus. So erklärt beispielsweise Marx: „Es ist nicht das

Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches

Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt“ (Marx und Engels 1973: 8-9). Zuerst gab es also

kapitalistische Strukturen, daraus resultierte dann das kapitalistische Denken. Als

heutige kapitalistische Struktur kann beispielsweise die globalisierte, kapitalistische

Wirtschaftsordnung (Osterhammel und Peterson 2006: 7f) angesehen werden. Aus

dieser folgt dann das spezifische Bewusstsein.

Eine andere theoretische Schule besagt, dass zuerst ein kapitalistisches Bewusstsein

(kapitalistischer Geist) vorhanden war und dadurch die kapitalistische Strukturen

entstanden sind (Weber 1993). In dieser Arbeit soll die Auseinandersetzung dieser

Theorieschulen nicht geklärt werden, vielmehr wird mit Bourdieu und Connell im

weiteren Teil des Theoriekapitels eine Synthese zwischen beiden Theorieschulen

verwendet.

ManagerInnen gehören zu der Gruppe der Menschen, bei welchen der Geist des Kapi-

talismus in seiner jeweils aktuellsten Prägung offensichtlich zu Tage tritt (Boltanski und

Chiapello 2006: 91-97). ManagerInnen sind Personen, welche Führungsaufgaben

wahrnehmen, sei dies im operativen Bereich (z.B. Geschäftsleitung) oder im strategi-

schen Bereich (z.B. Verwaltungsrat). ManagerInnen handeln als Verantwortliche für ihr

Unternehmen nach der kapitalistischen Logik und müssen sich in einer kapitalistischen

Wirtschaftsordnung durchschlagen. Durch ihr Handeln, wie Lohnerhöhungen oder Ent-

lassungen, können sie direkt Einfluss auf soziale Ungleichheiten nehmen. Ausserdem

werden Manager nicht nur innerhalb der Unternehmen immer einflussreicher, sondern

auch in Bereichen wie Politik und Gesellschaft (Mäder et al. 2010: 98-101). Obwohl

ManagerInnen meist nicht die Besitzer der Unternehmen sind, werden sie zu den Kapi-

talistInnen gezählt. Dies, da ihr Einfluss auf die Produktionsmittel so gross ist

(Boltanski und Chiapello 2006: 39-42).

Bei den KapitalistInnen, also ManagerInnen, Besitzenden etc., gibt es ein spezifisches

Denken, welches ihrer Klasse entspricht. Mäder et al. (2010: 308-311) haben in ihrer

Reichtumsstudie dieses Denken erforscht und kommen unter anderem zu folgenden

Ergebnissen: 1. KapitalistInnen verfügen über ein grosses Selbstvertrauen. 2. Sie sind

weltoffen und kulturell Interessiert. 3. Soziale Anliegen werden dort unterstützt, wo eine

Theorie 8

unverschuldete Not vermutet wird. 4. Der wirtschaftliche Erfolg wird vornehmlich

eigenen Fähigkeiten zugeschrieben. 5. Das Primat der Wirtschaft wird in allen Lebens-

lagen favorisiert.

Es lässt sich zusammengefasst sagen, dass der Kapitalismus das vorherrschende

Wirtschaftssystem ist, welches stark für soziale Ungleichheiten verantwortlich ist. Ein

verinnerlichter Geist des Kapitalismus trägt dazu bei, dass einige KapitalistInnen ihren

Profit immer weiter auf Kosten von anderen erhöhen können. Eine der wichtigsten

AkteurInnengruppe für den Kapitalismus sind die ManagerInnen. Sie handeln nach der

aktuellen kapitalistischen Logik und vollziehen sozusagen den Kapitalismus. Als

GewinnerInnen des Systems werden sie immer mächtiger und reicher. Bei ihnen

kommt das Denken und der Geist des Kapitalismus klar zum Vorschein.

2.2 Patriarchat und MännlichkeitIm vorherigen Teil wurde das Herrschaftssystem Kapitalismus vorgestellt und die

ManagerInnen. Ein weiteres dominantes Herrschaftssystem, welches unsere Gesell-

schaft beherrscht und Ungleichheiten erzeugt, ist das Patriarchat. Dieses Herrschafts-

system soll in diesem Unterkapitel vorgestellt werden. Ebenfalls liefert das Kapitel

einen kurzen Blick auf die Genderforschung und ihre wichtigsten Theorieschulen.

Zudem wird gezeigt, was die gängigen Zuschreibungen von Männlichkeit sind und

dass Männer die Gewinner im Patriarchat sind. Dies alles ergibt einen weiteren theo-

retischen Rahmen zur Beantwortung der Fragestellung.

Das Patriarchat ist die dominante Besetzung von Machtpostionen durch Männer in

allen sozialen Bereichen (Degele 2008: 38). Oder wie es Sylvia Walby (1990: 20) aus-

drückt: „A system of social structures and social practice in which men dominate, op-

press and exploit women.“ Dass es nach wie vor soziale Ungleichheiten aufgrund des

Geschlechtes gibt, lässt sich weltweit feststellen (Connell 2008: 145-151).

Das Patriarchat beruht auf einer dichotomen Trennung der Geschlechter in Mann und

Frau. Dem biologischen Geschlecht (sex), auf welchem die Reproduktionstätigkeiten

der Menschen beruhen, werden soziale Zuschreibungen (gender) gemacht (Connell

2008: 7-11). Zudem werden Zuschreibungen von Eigenschaften und Rollenverteilung

vorgenommen. Diese sozial konstruierten Zuschreibungen werden als naturalisiert

wahrgenommen und unreflektiert in den Naturwissenschaften wiedergegeben (Voss

2011; Honegger 1991). Diese sozialen Zuschreibungen beeinflussen die Menschen,

sowohl bei „privaten“ Tätigkeiten wie der Sexualität (Weeks 2003: 41-64), bei ihrer

Identitätskonstruktion (Breger 2009: 47-65), wie auch bei gesellschaftlichen Machtfra-

Theorie 9

gen (Connell 2008: 136-145). Da diese Geschlechterdifferenzierung als natürlich wahr-

genommen wird, werden auch die sozialen Unterschiede, die zwischen den

Geschlechtern entstehen als natürlich hingenommen. Die Unterschiede dienen der ge-

sellschaftlichen Ordnung zu einer Hierarchisierung von Mann (oben) und Frau (unten)

(Becker-Schmidt 1998).

In der Genderforschung (Geschlechterforschung) lassen sich drei Hauptrichtungen

unterscheiden: Die strukturorientierte Gesellschaftskritik fokussiert auf die Makroebene

der gesellschaftlichen Strukturen und der daraus resultierenden Unterdrückung der

Frauen. Der interaktionistische Konstruktivismus konzentriert sich auf Prozesse, wie

die Geschlechter gemacht werden (doing gender). Dabei interessiert das „wie“ stärker

als die Frage nach dem „was“ oder „warum“. Der jüngste Ansatz, der diskurstheo-

retische Dekonstruktivismus, beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Diskursen über

die Geschlechter (Degele 2008: 16-19). Aus dieser Schule ist die Queer Theorie ent-

standen. Sie befasst sich stark mit den aus den gesellschaftlich von der Norm ausge-

schlossenen wie Nicht-Heterosexuellen (Jagose 2005: 95-128) oder Geschlechtsun-

eindeutigen (Schrötter 2002: 7-14).

Luedtke und Baur (2008: 7f) bemängeln, dass in der Soziologie das Wissen über den

Forschungsgegenstand Mann sehr beschränkt sei. Zwar wird in der Forschung der

Mann als „normal“ und als Ausgangspunkt angesehen, aber oft nicht weiter wissen-

schaftlich behandelt. Die „Männerforschung“ sei aber einerseits ein wichtiger Beitrag

zur Gesellschaftsforschung und auf der anderen Seite wird damit ein „blinder Fleck“ in

der Wissenschaft aufgearbeitet (Wichert 2004: 26). Heute sei es normal über „Frau-

enthemen“ zu sprechen und zu forschen. Jedes „Frauenthema“ ist aber auch ein

„Männerthema“. Wenn Frauen ökonomisch ausgebeutet werden gibt es auf der

anderen Seite Männer die ökonomisch davon profitieren (Connell 2006: 13-15).

Der Mann und die dazugehörige Männlichkeit kann nicht abgetrennt von der Frau

respektive der Weiblichkeit gesellschaftlich konstruiert werden. Deshalb sind Zu-

schreibungen zu den Geschlechtern jeweils Gegensatzpaare. So gilt der Mann als

stark, aufrichtig, unabhängig, rein, risikofreudig und rationell. Er ist eine Führungsfigur,

promiskuitiv und macht Jagd auf Frauen für den Geschlechtsverkehr. Die Welt

„draussen“ ist sein Platz. Die Frau hingegen gilt als schwach, unterwürfig, irrational,

vorsichtig und schmutzig. Sie kann gehorchen, aber nicht führen. Sie ist dem Mann

stets treu und beim Sex das zu erlegende Wild. Das Haus, der geschlossene Raum, ist

ihr Platz. Der Mann und die Männlichkeit ist dominant, die Frau und die Weiblichkeit

untergeordnet (Wilchins 2006: 47-61; Honegger 2010: 160-172). Als Grundvoraus-

Theorie 10

setzung für Männlichkeit und Weiblichkeit gilt die Heterosexualität und die Ehe, welche

den formellen Rahmen dazu bietet (Meuser 2010: 102).

Eine Untersuchung der Männlichkeit bringt ein weitergehendes Verständnis der gesell-

schaftlichen Mechanismen der sozialen Ungleichheiten, welche das Patriarchat verur-

sacht. Die sozialen Zuschreibungen, welche in der Diskriminierung der Frauen enden,

existieren nur, wenn die Männlichkeit als Differenz dazu dient. In der neueren For-

schungen werden Sozialstrukturen als ungleichheitsgenerierendes Element oft ver-

nachlässigt. Sowohl bei der Analyse von Identitätskonstruktionen, dem Doing Gender

und den Diskursen sollten aber die sozialen Strukturen ebenfalls berücksichtigt wer-

den, um ein umfassendes Verständnis für die sozialen Ungleichheiten zu ermöglichen.

2.3 Zusammenspiel und IntersektionalitätZiel dieses Unterkapitel ist es aufzuzeigen, in welcher Beziehung die beiden Herr-

schaftssysteme Kapitalismus und Patriarchat zueinander stehen. Ob sie zwei vonein-

ander unabhängige Systeme sind oder ob sie miteinander verbunden sind. Ausserdem

soll die Theorie der Mehrfachunterdrückung, die Intersektionalität, dargestellt werden.

Hierbei interessiert ebenfalls, wie die Unterdrückungen geschehen, also auf welchen

Ebenen sie ansetzen. Die Analyse von Mehrfachunterdrückungen hilft dabei aufzu-

decken, wer innerhalb des gesellschaftlich-hierarchischen Machtgefüges „oben“ ist und

wer „unten“.

In der marxistischen Theorie und grossen Teilen der 1968er-Studierendenbewegung

wurde lange Zeit der Kapitalismus und sein Gegensatz von Kapital und Arbeit als

Hauptwiderspruch gesehen. Wenn der Kapitalismus abgeschafft werde, würde sich die

Unterdrückung der Frauen aufheben und das Patriarchat wäre beseitigt (Trumann

2002: 50; Hearn 1991: 238f). In der radikalen Frauenbewegung wurde hingegen das

Patriarchat als primärer Unterdrückungsmechanismus gesehen, welcher losgelöst vom

Kapitalismus existiert. Frauen und Männer stehen sich in diesem Verständnis wie zwei

Klassen mit unterschiedlichen Interessen gegenüber (Meuser 2010: 81).

Der dual-system-Ansatz in der Frauenforschung geht hingegen davon aus, dass die

beiden Systeme aufeinander als interdependente Systeme wirken. Kapitalismus und

Patriarchat sind damit nicht aufeinander reduzierbare Systeme (Walby 1986). In der

Männerforschung wird heute ähnlich argumentiert.

Neu ist hier die Aussage und das Forschungsinteresse, dass auch Männer z.B. Homo-

sexuelle unter dem Patriarchat leiden können, obwohl sie als Männer eigentlich

Akteure und Agenten der Unterdrückung sind (Bereswil et al. 2007: 9). Jeff Hearn

Theorie 11

(1987: 121) bringt diese Verwobenheit und Nicht-Reduzierbarkeit der beiden Systeme

auf den Punkt:

„Capitalism operates by conversion of wage labour to value and profit; patriarchy by the appropriation of the unwaged labour and energy of women to produce male power. Both are concerned with the control and accumulation of the creativity, labour and energy of women and men.“

Damit lässt sich sagen, dass Personen sowohl von den beiden Herrschaftssystemen

oder nur von einem unterdrückt werden können, oder von einem oder beiden profitie-

ren können.

Ein wichtiges theoretisches Konzept, welches sich mit der Mehrfachunterdrückung von

Personen beschäftigt, ist die Intersektionalität. Intersektionalität steht für das Zusam-

mendenken und Zusammenfallen verschiedener Formen von sozialer Ungleichheit auf

Grund von mehreren Merkmalen. Insbesondere in der Geschlechterforschung gehört

die Intersektionalität heute zu den wichtigsten Forschungszweigen (Kerner 2010: 312).

Erfunden wurde die Theorie der Intersektionalität rund um die Bewegung des Black

Feminism (Crenshaw 1997) und wurde seither weiterentwickelt.

Die Intersektionalität ist bis heute keine einheitliche Theorie. So besteht beispielsweise

keine Einigkeit, welche und wie viele Ungleichheitskategorien in der Intersektionalitäts-

forschung untersucht werden sollen (Kolar 2010: 4). Die drei gängigsten Kategorien

sind classism (Diskriminierung aufgrund der Klassenzugehörigkeit), sexism (Diskrimi-

nierung aufgrund des Geschlechtes) und racism (Diskriminierung aufgrund sozial oder

politisch konstruierter „Rassen“). Andere Theoretikerinnen und Theoretiker gehen von

einer Vielzahl zusätzlicher Kategorien aus. Diese können sein: Körper, Sexualität, Alter

etc. (Winker und Degele 2010: 15-18). Judith Butler (1991: 143) gibt hierbei zu beden-

ken, dass ein Subjekt nie mit allen relevanten Kategorien beschrieben werden kann, da

ein Subjekt von einer unendlichen Anzahl von Kategorien erfasst wird. Auch bei den

Ebenen, welche untersucht werden sollen, gibt es keine Einigkeit (Kolar 2010: 3f). Es

sind zur Analyse drei Ebenen denkbar: 1. Gesellschaftliche Sozialstrukturen (Makro-

ebene); 2. Identitätsbildung wie beispielsweise in der Kategorie Geschlecht das doing

gender (Mikroebene) und/oder 3. kulturelle und symbolische Repräsentationen (Meso-

ebene) (Winker und Degele 2010: 18-20). Je nach Ansatz werden eine oder mehrere

Ebenen gewählt.

Viele Untersuchungen sehen die Ebenen als voneinander unabhängig und nicht mitein-

ander verbunden (Ebd.: 19). Dabei zeigen beispielsweise die Theorien von Pierre

Bourdieu (1987) oder Anthony Giddens (1991), dass die einzelnen Ebenen Structure

(Makro) und Agency (Mikro) aufeinander einwirken. Deshalb kann davon ausgegangen

werden, dass es zwischen den Ebenen zahlreiche Wechselwirkungen gibt. Wie diese

Theorie 12

genau verlaufen und funktionieren, ist in der Theorie nach wie vor umstritten (Kolar

2010: 4). Die Methode der Intersektionalität als Mehrebenenanalyse und die Theorie

von Winker und Degele (2010; 2007) dazu werden im Methodenkapitel ausführlicher

dargestellt und kritisch bewertet.

In diesem Kapitel konnte aufgezeigt werden, dass es eine Verbindung zwischen den

beiden Herrschaftssystemen Kapitalismus und Patriarchat gibt. Sie sind miteinander

verwoben und sollten nicht einzeln betrachtet werden. Ebenfalls wurde gezeigt, dass in

der Intersektionalitätsforschung verschiedene Diskriminierungssysteme, wie classism

und sexism, als Mehrfachunterdrückung untersucht werden. Die Diskrimierungen kön-

nen sowohl auf der Makro-, der Meso- und Mikroebene erfolgen. Die Ebenen können

alle gemeinsam untersucht werden und ebenso die Wechselbeziehungen dieser

untereinander.

2.4 Hegemoniale MännlichkeitRaewyn Connell leistete mit ihrem Konzept der „hegemonialen Männlichkeit“ einen der

meist diskutierten und verwendeten Ansätze in der Männlichkeitsforschung. Der Begriff

der Hegemonie hat Connell von Antonio Gramsci entliehen. Hegemonie ist „die Fähig-

keit einer herrschenden Schicht, Klasse, ihre Dominanz über die Gesellschaft aufrecht-

zuerhalten, ohne auf direkte Formen der Repression oder Gewalt angewiesen zu sein"

(Schultze 2005: 336). Connell bearbeitet u.a. mit dem theoretischen Konzept der hege-

monialen Männlichkeit das Verhältnis zwischen Handlung und Struktur zwischen den

Geschlechtern. Das Konzept verbindet Macht und soziale Konstruktion miteinander

und zeigt, dass Geschlecht nicht nur eine persönliche Identität ist, sondern eingebettet

ist in soziale Strukturen (Meuser 2010: 100-108). Die Dominanz des Mannes wird in

dieser Analyse um eine kulturtheoretische Perspektive erweitert und hierarchische

Beziehungen unter Männern lassen sich differenzierter betrachten (Bereswil et al.

2007: 10).

Das Konzept der hegemonialen Männlichkeit zeigt die ungleichheitsstrukturierende

Kraft in der kapitalistisch-patriarchalen Gesellschaft auf. Männlichkeit ist für Connell

eine soziale Praxis und muss immer als solche verstanden und untersucht werden

(Connell 2006: 92). Zuerst unterscheidet Connell in ihrer Theorie die Struktur des

sozialen Geschlechtes: Die Geschlechterverhältnisse sind in drei Strukturen organi-

siert, nämlich Machtbeziehungen, Produktionsbeziehungen und emotionalen Bindungs-

strukturen (Meuser 2010: 100). In der vorherrschenden westlichen Gesellschaftsord-

nung ist die Unterordnung der Frau gegenüber dem Mann, trotz einigen Ausnahmen,

Theorie 13

nach wie vor die dominante Machtbeziehung. In den Produktionsbeziehungen ist eine

klare Bevorteilung der Männer in den Bereichen Besitz und Erwerbsarbeit feststellbar.

Frauen dominieren im unbezahlten, nicht sichtbaren Teil der Arbeit. Männer sind die

Gewinner im geschlechtsbezogenen Akkumulationsprozess. In der Struktur der

emotionalen Bindungen ist ein gesellschaftlicher Zwang zur monogamen Hetero-

sexualität und männlichen Dominanz feststellbar (Connell 2006: 94-96).

Das Geschlechterverhältnis und die damit einhergehende Männlichkeit ist mit dem

Faktor Klasse und anderen verknüpft. Sie überschneiden sich und interagieren mitein-

ander. „Und entsprechend kann man auch nicht die Gestaltung von Männlichkeit der

Arbeiterklasse begreifen, wenn man neben der Geschlechtspolitik nicht auch die Klas-

senzugehörigkeit berücksichtig“ (Ebd.: 96). Somit wird klar, dass es mehr als ein

Muster von Männlichkeit gibt und von Männlichkeiten gesprochen werden muss, da es

nicht einfach einen einzigen Typus gibt (Connell 2004: 287).

Neben der Klassenzugehörigkeit ist für Connell auch die Kultur ausschlaggebend

dafür, dass es verschiedene Männlichkeiten gibt: „Wir können daher erwarten, dass es

in multikulturellen Gesellschaften multiple Definitionen und Dynamiken von Männlich-

keit gibt“ (Ebd.: 288). Die Fragen nach Klasse oder sozialen Ungleichheiten können

nicht ohne den Rückgriff auf das soziale Geschlecht beantwortet werden. „Die

Beziehungen zwischen den Geschlechtern sind ein wesentlicher Bestandteil der sozia-

len Strukturen, und Geschlechterpolitik ist einer der Hauptfaktoren unseres kollektiven

Schicksals“ (Connell 2006: 97). Damit ist begründet, wieso ein Mann aus der obereren

Klasse eine andere Männlichkeit hat, als ein Mann aus der Arbeiterklasse. Ihre Männ-

lichkeiten werden aufgrund der unterschiedlichen sozialen Strukturen, welcher sie

unterliegen, anders konstruiert und gelebt. „Vielfalt gibt es auch innerhalb eines gege-

benen Settings. Innerhalb einer Schule oder eines Arbeitsplatzes oder einer ethnischen

Gruppe wird es verschiedene Arten […]“ der Männlichkeit geben (Connell 2004:

288).Weiter zeigt Connell auf, dass es unter den verschiedenen Formen von

Männlichkeit ein hierarchisches Verhältnis gibt. Nicht nur die Frauen sind gewissen

Formen von Männlichkeiten untergeordnet, auch unter den Männern lässt sich eine

Dominanz erkennen (Meuser 2010: 103).

2.4.1 (Ideal-)Typen der Männlichkeit

Innerhalb der untersuchten Situationen und sozialen Beziehungen lässt sich eine hege-

moniale Männlichkeit herauskristallisieren. Diese Männlichkeit ist die anerkannteste

und begehrteste Form der Männlichkeit. Sie steht in der hierarchischen Ordnung zu

oberst (Connell 2004: 288). „Zu jeder Zeit wird eine Form von Männlichkeit im Gegen-

Theorie 14

satz zu den anderen kulturell hervorgehoben“ (Connell 2006: 98). Hegemoniale Männ-

lichkeit ist dabei nicht als eine feste Charaktereigenschaft zu verstehen. Sie gilt als

kulturelles Ideal, als ein Orientierungsmuster, welches dem gesellschaftlich gewollten

Männlichkeitsstruktur zu Grunde liegt (Meuser 2010: 101).

„Hegemoniale Männlichkeit kann man als jene Konfiguration geschlechtsbezogener Praxis definieren, welche die momentane akzeptierte Antwort auf das Legitimitätsproblem des Patriarchats verkörpert und die Dominanz der Männer sowie die Unterordnung der Frauen gewährleistet“ (Connell 2006: 98).

Hegemoniale Männlichkeit ist weder die am meisten verbreitetste Form von Männlich-

keit, noch müssen alle mächtigen Männer ihr unterliegen, noch ist sie die komfor-

tabelste (Connell 2004: 233). Ihre Hegemonie kann die hegemoniale Männlichkeit nur

entfalten, wenn es eine kollektive oder individuelle Entsprechung zwischen dem

kulturellen Ideal der hegemonialen Männlichkeit und der institutionellen Macht gibt. Die

hegemoniale Männlichkeit lässt sich deshalb insbesondere bei den Führungseliten von

Wirtschaft (z.B. Managern), Militär und Politik feststellen (Connell 2006: 98).

Neben der hegemonialen Männlichkeit gibt es eine Vielzahl von weiteren Männlichkei-

ten in einer Gesellschaft. Connell unterscheidet zunächst zwei weitere Männlichkeits-

typen: die autorisierte Männlichkeit und die marginalisierte Männlichkeit. Die autori-

sierte Männlichkeit orientiert sich an der hegemonialen Männlichkeit und wird gesell-

schaftlich anerkannt. Marginalisierte Männlichkeiten hingegen sind Männlichkeiten von

Männern, die beispielsweise aufgrund ihrer ethnischen, sexuellen oder ihrer Klassen-

zugehörigkeit weniger anerkannt sind und von der hegemonialen Männlichkeit ausge-

schlossen werden. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse haben sie beispiels-

weise keinen Zugang zu den mächtigen Männerbünden (Studentenverbindungen,

Lions Club etc.), die nötig sind um die hegemoniale Männlichkeit zu erlernen oder

wenigstens als autorisiert zu wirken (Meuser 2010: 104f).

Die gesellschaftliche Zuteilung autorisiert/ marginalisiert entsteht durch die gesell-

schaftliche Interaktion des sozialen Geschlechtes mit anderen Strukturen wie Klasse

oder „Rasse“. Deshalb gelten beispielsweise Ausländer oder einfache Arbeiter als

marginalisiert und besitzen keine autorisierte Männlichkeit (Connell 2006: 101f).

Die erwähnten Typen von Männlichkeiten lassen sich noch weiter unterscheiden. Wer

zum Beispiel als weisser Hochschulprofessor über eine autorisierte Männlichkeit ver-

fügt, besitzt nicht zwingend eine hegemoniale Männlichkeit. Nur wenige Männer

erreichen das Ideal der vollen hegemonialen Männlichkeit. Sie dient als Orientierungs-

muster und wird von den meisten Männern gestützt, da es die wirksamste Form zur

Aufrechterhaltung des vorherrschenden Patriarchats ist (Meuser 2010: 104f).

Diese Männer lassen sich als Komplizen der hegemonialen Männlichkeit definieren.

Theorie 15

Sie profitieren von der patriarchalen Dividende, dem allgemeinen Vorteil, welchen Män-

nern aus der Unterdrückung der Frauen erwächst. Männer, welche eine Komplizen-

schaft mit der hegemonialen Männlichkeit eingehen, gehorchen den wichtigsten Grund-

regeln der vorherrschenden hegemonialen Männlichkeit. Diese Männer sind in der

Regel heterosexuell, bringen einen Familienlohn nach Hause und akzeptieren die

hegemonialen Männlichkeit als herrschende Form. Trotzdem entspricht ihre Männlich-

keit nicht dem Ideal und sie stehen somit im Widerspruch zum Ideal (Connell 2006:

100f). Sowohl autorisierte als auch marginalisierte Männlichkeiten können eine Kompli-

zenschaft eingehen.

Ein weiterer Typus ist die untergeordnete Männlichkeit. Ihr gehören Männer an, welche

gegen die Grundzüge der hegemonialen Männlichkeit verstossen. Dies sind beispiels-

weise homosexuelle Männer. Sie Verstossen gegen den Grundsatz der Heterosexuali-

tät und deshalb wird ihnen negatives und „weibliches“ Verhalten zugeschrieben (Ebd.:

99f).

2.4.2 Veränderung und Sozialisierung

Da die Männlichkeiten soziale Konstrukte sind und auch die hegemoniale Männlichkeit

ein Produkt der vorherrschenden gesellschaftlichen Bedingungen ist, ändern sich diese

im Laufe der Zeit. Zu unterschiedlichen Zeiten hatten unterschiedliche Gruppen die

Macht, ihre Männlichkeitsvorstellungen als hegemonial durchzusetzen. Diese Durch-

setzung gelang indem sie die Männlichkeit im jeweiligen institutionellen und politischen

Rahmen festschreiben liessen. In Deutschland dominierte früher das Militär und mili-

tärische Männlichkeitsideale entsprachen der hegemonialen Männlichkeit. Seit Ende

des 2. Weltkrieges gelten insbesondere Führungskräfte aus der Wirtschaft als hegemo-

nial und tragen ihr Männlichkeitsbild in die Gesellschaft (Luedtke und Baur 2008: 11).

Dieses von einer Gruppe vorgelebte Männerbild wird in der Kultur kollektiv konstruiert

und in Institutionen aufrechterhalten und weitergegeben (Connell 2004: 289). Knaben

erlernen die Regeln der Männlichkeit während ihrer Sozialisation (Luedtke und Baur

2008: 10). Der Prozess der Konstruktion und Inszenierung der jeweiligen Männlichkei-

ten findet beispielsweise in Face-to-Face-Interaktionen in den Klassenräumen oder

Schulhöfen statt (Connell 2004: 11). Besonders homosoziale Räume (hier rein männ-

liche wie Militär, Sportvereine etc.) und Wettkämpfe dienen zum Erlernen der hegemo-

nialen Männlichkeit und dem Kennenlernen der Spielregeln der Männlichkeit (Meuser

2010: 104). Einen weiteren wichtigen Beitrag zum Erlernen respektive Aufrechterhalten

der hegemonialen Männlichkeit bieten die Medien, wie zum Beispiel die Zeitungen und

Magazine (Wichert 2004: 46-48).

Theorie 16

Connell liefert mit ihrem Konzept der hegemonialen Männlichkeit ein Analysemuster,

welches die Geschlechter gemeinsam mit anderen sozialen Strukturen wie der Klasse

analysieren kann. Das Konzept vermag sowohl die Dominanz und Unterordnungsver-

hältnisse zwischen Männern und Frauen als auch unter Männern zu erklären. Dennoch

ist es keine fertige Theorie. Es fehlen Spezifizierungen was z.B. neben der Hetero-

sexualität weitere wichtige Grundregeln der vorherrschenden hegemonialen Männlich-

keit sind und was sie alles beinhaltet. Die Feststellung, dass sich die anderen Männern

aber jeweils an der hegemonialen Männlichkeit orientieren und dass sie während der

Sozialisierung und in den Institutionen aufrechterhalten und vermittelt wird, gibt einen

wichtigen Analyserahmen. Zudem ist die Theorie gut kombinierbar mit anderen

Theorien wie Bourdieus Habitustheorie.

2.5 Pierre Bourdieus HabitustheorieBourdieu versuchte in seinen Theorien und Forschungen den Graben zwischen struk-

turalistischen und individuellen Handlungstheorien zu überbrücken. Er wandte sich

damit einerseits gegen Theorien, welche individuelle Handlungen der Menschen auf-

grund von ökonomischen Erklärungen wie dem rational-choice-Ansatz erklären wollen

(Fuchs-Heinritz und König 2005: 113).

Anderseits argumentiert er gegen rein strukturalistische Ansätze wie die Claude Lévi-

Strauss' oder Karl Marx', welche menschliches Handeln rein an Hand von sozialen

Strukturen, Regeln und Sitten erklären (Ebd.: 114). Bourdieus Theorie erlaubt damit bei

sozialen Ungleichheiten sowohl die Mikro- als auch die Makroebenen zu betrachten.

Die sozialen Ungleichheiten, ihre Reproduktion und die Herrschaftsverhältnisse

gehörten zu den wichtigsten Erkenntnisinteressen Bourdieus.

Ausgangspunkt für Bourdieus Forschungen war dabei immer die soziale Praxis der

Menschen. Er wollte die Logik der Praxis beschreiben und nicht einfach die Praxis der

Logik (Bohn und Hahn 2003: 255). Das Ergebnis seiner Forschung war die Habitus-

theorie, welche er ausführlich in seiner Forschung „Die feinen Unterschiede“ erläuterte.

Der Habitus ist „Erzeugungs- und Strukturierungsprinzip von Praxisformen und Reprä-

sentationen“ (Bourdieu 1976: 165). Der Habitus „gewährleistet die aktive Präsenz

früheren Erfahrungen, die sich in jedem Organismus in Gestalt von Wahrnehmung-,

Denk- und Handlungsschemata niederschlagen“ (Bourdieu 1999: 101). Damit stellt der

Habitus für jede passende Situation ein Set von Wahrnehmungsschemata (Wahrneh-

mung der sozialen Welt), Denkschemata (Interpretationsmöglichkeiten von Wahrge-

nommenem) und Handlungsschemata (Reaktionsmöglichkeiten auf die wahrgenom-

Theorie 17

menen und interpretierten Ereignissen) bereit (Fuchs-Heinritz und König 2005: 114).

Der Habitus ist immer an seine bestehende Soziallage gebunden und damit klassenab-

hängig (Bourdieu 1987: 79).

Durch das unterschiedliche Set an Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata,

welches der Habitus einer Person zur Verfügung stellt, haben Menschen aus unter-

schiedlichen sozialen Lagen beispielsweise einen anderen Geschmack. Eine Mahlzeit,

ein Bild oder ein Sofa werden unterschiedlich wahrgenommen, interpretiert, bewertet

und führen zu anderen Handlungen. Der Geschmack ist also nicht naturgegeben, son-

dern korreliert mit der sozialen Lage und dem dazugehörigen Habitus (Fuchs-Heinritz

und König 2005: 125). Dies hängt damit zusammen, wie der Habitus entsteht.

Bourdieu argumentiert, dass der Habitus „einverleibt“ wird (Ebd.: 134). Dieser Prozess

beginnt bereits in der Kindheit. In Gesellschaften ohne pädagogischem System (z.B.

öffentliche Schulen) erfolgt die Einverleibung durch die soziale Praxis selbst und dem

vertraut werden mit den Habitus der Menschen in der Umgebung. Ein Beispiel dafür

sind Höflichkeitsregeln, Körperhaltungen etc., welche Kinder übernehmen. Sie geben

gleichzeitig Aufschluss über Machtverhältnisse, Politik, Ethik etc. aus dem Umfeld des

Kindes (Bourdieu 1987: 190f). Damit wird die starke Rolle ungleicher Sozialstrukturen

in der Gesellschaft (z.B. Bildung, Herkunft, Wirtschaft) auf die Herausbildung von sub-

jektiven Denk- und Handlungsmustern des Habitus klar ersichtlich.

Der individuelle Habitus eines Menschen (z.B. Geschmack, Sprache, Konsumverhal-

ten) sind damit unbewusste Verinnerlichungen strukturell vorgegebener, klassen- und

geschlechtsspezifischer Grenzen. Der Habitus repräsentiert diese Bedingungen und

generiert dadurch Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata. Ein Habitus formt

sich zusammengefasst durch die Verinnerlichung der äusseren gesellschaftlichen

(materiellen und kulturellen) Bedingungen, welche geprägt sind durch die spezifische

Stellung, das Geschlecht und die soziale Klasse des Akteurs (Ebd.: 138).

2.5.1 Klassenhabitus

Die Lage der sozialen Akteure verordnet Bourdieu im „sozialen Feld“. Der Habitus ist

die subjektive Struktur jedes Individuums, während das soziale Feld die objektiven,

äusseren Strukturen sind. Die sozialen Felder sind strukturierte Räume, in denen die

Praxis zur Geltung kommt. Diese Strukturen sind vom Willen und Bewusstsein der

AkteurInnen relativ unabhängig. Abgrenzungsmöglichkeiten der Felder untereinander

bietet die unterschiedliche Akkumulation von mehreren unterschiedlichen Kapitalsorten

(Bourdieu 1987: S. 170-194).

Theorie 18

Gemäss Bourdieu (Bourdieu 1987; Fuchs-Heinritz und König 2005: 157-170) ist das

wichtigste Kapital das ökonomische Kapital. Als ökonomisches Kapital versteht er

sämtlichen materiellen Besitz und Verfügbarkeit über diesen, welcher in Geld umge-

wandelt werden kann.

Das kulturelle Kapital tritt in drei Formen in Erscheinung. In der objektiven Form

besteht kulturelles Kapital als Bücher, Kunstwerken, technische Instrumente etc. Das

inkorporierte Kulturkapital besteht aus kulturellen Fähigkeiten, Kenntnissen, Wissen

etc. Institutionalisiertes Kapital besteht aus Bildungstiteln und Abschlüssen.

Als dritte Kapitelform tritt das soziale Kapital auf. Es besteht aus den Möglichkeiten,

andere um Hilfe, Rat oder Informationen zu bitten, sowie die Chance durch Gruppen-

zugehörigkeit diese durchzusetzen.

Als letztes Kapital nennt er das symbolische Kapital. Das symbolische Kapital besteht

aus den Chancen, soziale Anerkennung und soziales Prestige zu gewinnen. Das

symbolische Kapital tritt in der Regel mit anderen Kapitalsorten gemeinsam auf und

macht diese bedeutsam.

Die sozialen Felder alleine reichen aber nicht, um die Stellung der AkteurInnen inner-

halb einer hierarchischen Gruppenordnung zu erklären. Dafür führt Bourdieu den

sozialen Raum ein, welcher die Einordnung der AkteurInnen erlaubt. Die Stellung der

AkteurInnen im sozialen Raum ist von der Akkumulation von Kapitalien abhängig

(Bourdieu 1987: 727-755). In einem zweidimensionalen Raum (ökonomisch und kul-

turellen) lassen sich damit folgende Klassen und Klassenfraktionen bilden: Die herr-

schende Klasse mit der Fraktion der herrschenden Herrschenden (z.B. ManagerInnen),

welche viel ökonomisches, aber wenig kulturelles Kapital besitzen und den

beherrschten Herrschenden (z.B. BildungsbürgerInnen), welche viel kulturelles, aber

wenig ökonomisches Kapital besitzen. Die Klasse der Kleinbürgerlichen, welche von

einem oder beiden Kapitalen ein wenig besitzen. Sowie die Klasse der Beherrschten,

welche wenig von beiden Kapitalsorten besitzen (Fuchs-Heinritz und König 2005: 55).

Die Herrschenden entwickeln Reproduktionsstrategien um für sich und ihre Familien

die Anhäufung von Kapital zu sichern und ihre Machtstellung zu behalten. Menschen

der beherrschten Klasse und besonders die Kleinbürgerlichen versuchen ihrerseits den

Aufstieg (Bourdieu 1987: 210). Dies geschieht einerseits in dem sie versuchen Kapital

zu erwerben. Dieses Kapital wird wiederum von den Herrschenden geschützt.

Andererseits orientieren sich die unteren Klassen an der höheren Klassen, z.B. den

ManagerInnen, und versuchen neben der angestrebten Kapitalakkumulation, auch

Theorie 19

ihren Habitus an den der Herrschenden anzupassen. Die ManagerInnen versuchen

gleichzeitig dies abzuwehren indem sie ihren Habitus respektive ihr Verhalten von den

anderen abgrenzen, auch wenn sich dies nur in feinen Unterschieden niederschlägt

(Ebd.: 210-269).

Gleichzeitig können sich die Herrschenden auf symbolische Gewalt verlassen, welche

ihrem Habitus innewohnt. Symbolische Gewalt ist das Potenzial Bedeutungen und An-

erkennung durchzusetzen. Diese Bedeutungen und Anerkennungen werden als natür-

liche Grenze wahrgenommen. Die Herrschenden können sich darauf verlassen, dass

die Beherrschten eine in ihrem Habitus angelegte Bereitschaft haben den Herrschen-

den zu folgen. Dies wird den Beherrschten beim Herausbilden des Habitus beigebracht

z.B. im Schulsystem (Fuchs-Heinritz und König 2005: 207f). ArbeiterInnen werden also

einem Manager folgen, da sie habituell dazu angelernt wurden. Um besser gestellt zu

werden, wollen Beherrschte nicht das System der Unterdrückung und ihre Reprä-

sentantInnen (z.B. ManagerInnen) wegjagen, sondern sie versuchen selbst innerhalb

des bestehenden System aufzusteigen.

2.5.2 Männlicher Habitus

Oft nutzt Bourdieu in Darstellungen und Analysen nur die Sphäre der Klasse. Bourdieu

kann aber mit seinen Theorien nicht nur die sozialen Unterschiede aufgrund der Klasse

erklären. In verschiedenen Teilargumenten werden andere Dimensionen von sozialer

Ungleichheit (Geschlecht, Alter, Ethnie) hinzugenommen (Fuchs-Heinritz und König

2005: 58).

Auf die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten ging Bourdieu (2005) insbesondere in

seinem Werk Die männliche Herrschaft ein. Er ging davon aus, dass der Habitus

sowohl klassen- wie auch geschlechtsspezifisch wirkt. Das Geschlecht ist in der

Gesellschaft immer an einen spezifischen Habitus gebunden. Dieser Habitus generiert

gewisse Praxen und verhindert andere. Im Habitus ist das Geschlecht verankert (opus

operatum), indem es ein Geschlecht ausführt (modus operandi) und reproduziert sich

im Handeln der Person (Meuser 2010: 116f). Der Habitus ordnet also nicht nur die

Klassenzugehörigkeit und das entsprechende Verhalten, sondern tut dies auch bei den

Geschlechtern. Dadurch lässt sich auch erklären, wieso zum Beispiel Frauen in der

Oberschicht anders handeln und behandelt werden als Männer. Bourdieu vereinigt

folglich mit seinem Konzept die beiden Systeme Kapitalismus und Patriarchat.

Bourdieu begründet die Herrschaft der Männer wie folgt: Die Institution der männlichen

Herrschaft hat sich seit Jahrtausenden in die „Objektivität der sozialen Strukturen und

Theorie 20

in die Subjektivität der mentalen Strukturen eingeschrieben“ (Bourdieu 1997: 153). Die

Geschlechterunterschiede werden naturalisiert. Es werden zwei Systeme naturalisier-

ter sozialer Unterschiede festgeschrieben und im Habitus inkorporiert. Frauen überneh-

men ein durch die männliche Sicht vermitteltes Selbstbild und „verleihen damit einer

Identität, die ihnen gesellschaftlich aufgezwungen worden ist, den Anschein, in Natur

fundiert zu sein“ (Bourdieu 2005: 43-62). Die negativen Vorurteile wirken dabei als self-

fulfilling prophecies (Bourdieu 1997: 163f).

Die männliche Herrschaft ist dabei eine symbolische Herrschaft. Durch symbolische

Macht werden die Unterdrückten (Frauen in den Geschlechterperspektive) dazu

gebracht die Machtbeziehung zu inkorporieren und diese für legitim zu befinden. Auch

die binären Denkschemata und Wahrnehmungskategorien (gut/schlecht, gross/klein,

etc.) werden von den Beherrschten übernommen und auch für die Selbstbewertung

verwendet (Bourdieu 1997: 165f). Das gleiche Schema der Herrschaft funktioniert auch

bei der Klassenstruktur.

Analog zum klassenspezifischen Habitus funktioniert dessen Reproduktion und damit

der Fortbestand der Herrschaftsverhältnisse stark mit der Sozialisierung der Individuen

und dem Ausschluss aus gewissen Sphären. Gerade im Bereich der Ökonomie ist

vieles so organisiert, dass Männer einen einfacheren Zugang haben als Frauen. Häufig

erhalten Frauen gar nie die Möglichkeit dieselben Dinge für ihren Habitus zu lernen wie

Männer. Damit gelingt es den Männern ihre Vorherrschaft über die Frauen zu sichern

und auf der anderen Seite ihren abgrenzenden Habitus analog der Der Feinen Unter-

schiede im Klassenhabitus zu erzeugen (Bourdieu 2005: 167-184).

Der männliche Habitus wird im Besonderen in homosozialen Räumen verinnerlicht und

erlernt: „konstruiert und vollendet wird der Habitus nur in Verbindung mit dem den Män-

nern vorbehaltenen Raum, in dem sich, unter Männern, die ernsten Spiele des Wettbe-

werbes abspielen.“ Beispiele dafür sind Militär, Netzwerke, Management etc. (Bourdieu

1997: 167). Männlichkeit ist für Bourdieu ein relationaler Begriff, der von und für die

Männer konstruiert ist und gegen die Weiblichkeit besteht (Bourdieu 2005: 96). Inner-

halb von homosozialen Räumen finden auch die Wettbewerbe der Männer unterein-

ander statt. Dieser Wettbewerb zwischen „Partner-Gegnern“ ergibt für die Männer nicht

nur Hierarchien untereinander, sondern ist gleichzeitig ein weiteres Mittel der Inkor-

porierung des männlichen Habitus (Ebd.: 83).

Der Prozess, welcher zur Entstehung des männlichen Habitus führt und die Strategie

der Reproduktion desselben, zeigt zwei wichtige Dinge auf: Erstens werden dadurch

Theorie 21

Frauen konsequent von der Macht weggehalten, da die Männlichkeit und damit die

Herrschaft innerhalb von homosozialen Räumen als Abgrenzung gegen sie konstruiert

wird. Zweitens besitzen Männer untereinander ebenfalls unterschiedliche männliche

Habitus. Ein Manager kann nicht den gleichen männlichen Habitus haben wie ein

Arbeiter, da die beiden ihren männlichen Habitus genauso wie den Klassenhabitus an

anderen Orten inkorporieren. Dies ist bedingt durch die unterschiedlich verlaufende

Sozialisierung und den Reproduktionsstrategien der Herrschenden. Wer also nach

„oben“ will (z.B. Kleinbürgerliche), wird versuchen sowohl seinen Klassenhabitus als

auch den Geschlechterhabitus denen der herrschenden Herrschenden Männern anzu-

passen, um den Aufstieg zu schaffen. Damit erlaubt Bourdieus Theorie eine Verbin-

dung von verschiedenen Ungleichheitskategorien und die Betrachtung ihrer Gewinner.

Sie bietet nicht bloss eine Analysemöglichkeit für die Klassen oder das Geschlecht.

2.6 Synthese zur hegemonialen ManagermännlichkeitHier sollen nun die vorgestellten Theorien zu einer Synthese vereinigt werden. Diese

Synthese wird als hegemoniale Managermännlichkeit bezeichnet. Um diese zu erstel-

len, werden die Theorie der hegemonialen Männlichkeit von Connell und Bourdieus

Habitustheorie miteinander kombiniert. Ebenfalls soll aufgezeigt werden, auf welchen

Ebenen im Bereich Klasse und Geschlecht diese hegemoniale Managermännlichkeit

erfasst werden kann. Schliesslich kommen in diesem Kapitel noch weitere Forschungs-

ergebnisse und Literatur hinzu, um die Theorie der hegemonialen Managermännlich-

keit abzuschliessen und so den theoretischen Hintergrund für die Beantwortung der

Fragestellung zu liefern.

Sowohl in der deutsch- als auch in der englischsprachigen Forschung gibt es zahl-

reiche Versuche Connells und Bourdieus Ansätze weiterzuentwickeln (Schölper 2008:

17-19). Insbesondere die Kombination der beiden Ansätze wird im deutschsprachigen

Raum immer beliebter. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass beide

Ansätze miteinander kombinierbar sind und gemeinsam ein schärferes Analysever-

fahren geben als einzeln (Brandes 2004: 1-6). Michael Meuser (2010: 123f), einer der

wichtigsten Männerforschern im deutschsprachigen Raum, welcher die beiden Ansätze

miteinander verbindet, führt auch aus: „hegemoniale Männlichkeit ist der Kern des

männlichen Habitus ist das Erzeugungsprinzip eines vom Habitus bestimmten ‘doing

gender’ bzw. ‘doing masculinity’“. Diese Verknüpfung der Ansätze Connells und

Bourdieus bilden die theoretische Grundlage der hegemonialen Managermännlichkeit.

Theorie 22

Wie aufgezeigt wurde, gibt es in der Welt und in der Schweiz nach wie vor grosse

soziale Ungleichheiten. Die beiden Herrschaftssysteme Kapitalismus und Patriarchat

erzeugen diese Ungleichheiten und beide Systeme sind miteinander verwoben. Der

Kapitalismus bringt durch seine Klassenstruktur ein Oben und Unten hervor. Ganz

oben in der Hierarchie sind gemäss Bourdieu die herrschenden Herrschenden, zu

denen u.a. die Manager gehören. Diese haben ihren spezifischen Habitus. Diese

Manager sind einerseits Gewinner des Kapitalismus, anderseits auch Träger desselben

zur Aufrechterhaltung des Systems. Die Manager haben ausserdem einen männlichen

Geschlechtshabitus, der hierarchisch über dem weiblichen steht.

Die allgemeinen Gewinner im Patriarchat sind die Männer, die Unterdrückten die Frau-

en. Aber auch unter den Männern und ihren Männlichkeiten gibt es Hierarchien. Die

wichtigste und höchste Männlichkeitsform ist die hegemoniale Männlichkeit. An ihren

Leitwerten orientieren sich die anderen Männlichkeiten und an ihr wird Normalität

gemessen. Die hegemoniale Männlichkeit findet sich in unserer Zeit insbesondere bei

den Wirtschaftsführern, im Militär oder im Spitzensport. Nur ein kleiner Anteil der Män-

nern gehört dieser Männlichkeit an. Die neuen mächtigen Wirtschaftsführer, die Mana-

ger, entsprechen heutzutage meistens der hegemonialen Männlichkeit.

2.6.1 Idealtyp hegemoniale Managermännlichkeit

Die mächtigen und erfolgreichen Manager verkörpern einerseits die vorherrschende

hegemoniale Männlichkeit der Gesellschaft. Auf der anderen Seite verfügen sie über

einen spezifischen Klassen- und Geschlechterhabitus. Beides benötigen sie um in der

kapitalistisch-patriarchalen Welt die Führungsrolle einzunehmen. Dieser Typ des

mächtigen männlichen Managers, einer der „Obersten“ in der gesellschaftlichen Hierar-

chie soll als hegemonialer Managermann gelten. Dieser besitzt, basierend auf der

hegemonialen Männlichkeit einen spezifischen Klassen- und Geschlechterhabitus.

Dieser spezifischer Habitus wird in dieser Arbeit als hegemoniale Managermännlichkeit

bezeichnet. Diese hegemoniale Managermännlichkeit ist als Idealtypus zu verstehen.

Manager mit dieser hegemonialen Managermännlichkeit versuchen, analog zu den

Theorien von Bourdieu und Connell, ihren Status zu sichern und verfolgen Strategien

des Machterhalts. Sie grenzen sich von hierarchisch unter ihnen stehenden Personen

ab. Eine Art der Abgrenzung sind die feinen Unterschiede. Die Manager stehen im

Dienst der kapitalistischen und der patriarchalen Strukturen, von welchen sie profitieren

und denen sie ihren Rang in der gesellschaftlichen Ordnung verdanken. Eine

Sicherung dieser beiden Herrschaftssysteme gibt ihnen gleichzeitig ihre Vorherrschaft

und ihren Erfolg.

Theorie 23

Auf der anderen Seite orientieren sich andere Männer, Frauen und allgemein Personen

aus tieferen Klassen an ihnen. Sie versuchen so zu werden, wie die hegemoniale

Managermännlichkeit der Manager es ihnen vorgibt. Diese Orientierung erfolgt analog

der Kleinbürgerlichen bei Bourdieu, welche sich am Habitus der herrschenden Herr-

schenden orientieren. Je mehr eine Person ihren Habitus dem der hegemonialen

Managermännlichkeit angleicht, desto höher wird die gesellschaftliche Anerkennung

dieser Person. Auf der anderen Seite werden die Personengruppen noch stärker unter-

drückt, welche dem Ideal dieses Typus nicht entsprechen oder entsprechen wollen.

Doch wie entsteht diese hegemoniale Managermännlichkeit? Sie muss analog zum

Habitus und zur Männlichkeit durch Sozialisierung gelernt werden. In dieser Phase

treten auch verschiedene Abgrenzungsstrategien der Mächtigen auf. So sieht Meuser

(2010) insbesondere das Erlernen des Geschlechterhabitus und der Männlichkeit in

homosozialen Räumen als wichtig für die Entstehung der Männlichkeit respektive der

hegemonialen Männlichkeit. Wichtig hierbei ist der Ausschluss von einigen Personen

aus diesen homosozialen Räumen, was zur Aneignung von anderen Männlichkeiten

führt. Männer aus der herrschenden Klasse treffen sich in anderen homosozialen

Räumen als Männer aus der Arbeiterklasse.

Ein weiterer wichtiger Ort der Sozialisierung ist die Schule respektive die ganze

Bildung. Manager gehen oft in exklusive Schulen oder Internate. Ein anderer Ort der

Sozialisation ist das persönliche Umfeld und das Elternhaus. Was bisher in Untersu-

chungen zu Männlichkeit oder Kapitalismus oft zu kurz kommt, ist die Mediensoziali-

sierung. Via Medien (Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, Internet) werden die Men-

schen ebenfalls sozialisiert und die Mediensozialisierungsforschung wird immer wichti-

ger (Veith 2010: 56-59). Dies kann beispielsweise über Fachliteratur für Manager

geschehen oder über „Frauenzeitschriften“ für Hausfrauen.

Auf die Frage wie sich die hegemoniale Managermännlichkeit zusammensetzt, kann

die Theorie der Intersektionalität weiterhelfen. Die Intersektionalitätsforschung hat bei-

spielsweise gezeigt, dass Personen gleichzeitig aufgrund ihrer Klasse und ihres

Geschlechtes unterdrückt werden oder unterdrücken. Diese Mechanismen setzen auf

mehreren Ebenen an und lassen sich auf den Idealtyp der hegemonialen Manager-

männlichkeit übertragen. Als Ebenen lassen sich sowohl die Makro- (Strukturen), die

Meso- (symbolische Repräsentationen), als auch die Mikroebene (Identitätskonstruktio-

nen) anschauen. Ebenfalls gibt es verschiedenartige Wechselwirkungen zwischen den

einzelnen Ebenen.

Theorie 24

Abgeleitet aus den bisherigen Forschungen lässt sich über die hegemoniale Manager-

männlichkeit sagen, dass sie sich folgendermassen zusammensetzt: Bei der Sozial-

struktur sollten sich starke Bezüge auf Bildung, Netzwerke, Ehe, die Wirtschaftsord-

nung und die Globalisierung finden lassen. Innerhalb der symbolischen Repräsentation

ist beim Bereich der Klasse ein starkes meritokratisches Denken zu erwarten und ein

Bezug zum aktuellen kapitalistischen Geist.

Bei der Rechtfertigung der Männlichkeit kann davon ausgegangen werden, dass die

Geschlechterverhältnisse als natürlich angesehen werden. Schliesslich ist bei den

Identitätskonstruktionen zu erwarten, dass im Bereich Klasse ein grosses Selbst-

vertrauen feststellbar ist, Risikofreudigkeit, Wettbewerbsdenken, das Denken erfolg-

reich zu sein und das Bewusstsein zu einer höheren Klasse zu gehören. Im Bereich

des Geschlechtes ist eine starke Konstruktion über die Heterosexualität zu erwarten,

Bezüge zu Stärke, Unabhängigkeit und rationellem Denken.

Die hegemoniale Managermännlichkeit ist wandelbar, genauso wie die hegemoniale

Männlichkeit wandelbar ist. Sie passt sich der jeweiligen Zeit, respektive der mit ihr ver-

bunden Sozialstruktur, an. So konnte beispielsweise Ralf Lange (1999: 12) feststellen,

dass bei den Managern eine Hegemonie individualistischer, konkurrenz- und

aufstiegsorientierter Haltungen im strategischen Management existiert und dies eine

Änderung gegenüber früher ist. Diese Anpassungen waren nötig um die

Vormachtstellung beizubehalten und so auf Kritik und neue Gegebenheiten zu

reagieren.

In diesem Kapitel wurde aufgezeigt, dass die männlichen Manager zu den Gewinnern

der weltweiten sozialen Ungleichheiten gehören. Diese verfügen über eine spezifische

hegemoniale Managermännlichkeit. Diese ist ein spezifischer Klassen- und

Geschlechterhabitus, in dessen Kern die hegemoniale Männlichkeit ist. Die hegemo-

niale Managermännlichkeit besteht aus gesellschaftlichen Sozialstrukturen, symboli-

schen Repräsentationen und Identitätskonstruktionen. Damit wurde ein Analyserahmen

geschaffen, welcher es erlaubt die hegemoniale Managermännlichkeit zu erforschen

und Thesen aufzustellen.

Theorie 25

2.6.2 ThesenAufgrund der vorliegenden Theorie lassen sich folgende Thesen zur gesuchten hege-

monialen Managermännlichkeit zusammenfassen:

1. Unter den mächtigen männlichen Managern gibt es eine vorherrschende hege-

moniale Managermännlichkeit. Diese findet sich bei den mächtigen männlichen

Manager zumindest teilweise in ihren Identitätskonstruktion, symbolischen Re-

präsentation und Bezügen zur (Sozial)-Struktur sowie den Wechselwirkungen

unter den drei genannten Ebenen.

2. Auf der Ebene Identitätskonstruktion basiert die Konstruktion mindestens auf

Heteronormativität, Risiko, Eigenverantwortung, Leistung und einem starken

Klassenbewusstsein.

3. Auf der Ebene symbolische Repräsentationen lässt sich ein starker Bezug zum

kapitalistischen Geist, dem meritokratischen Prinzip und den Naturalisierungen

der Geschlechterverhältnisse feststellen.

4. Auf der Ebene Sozialstrukturen lässt sich bei männlichen Managern eine klare

Verbindung zu kapitalistischen Wirtschaftsordnung, Märkten, Globalisierung,

Ehe und Bildung feststellen.

5. Sowohl zwischen den Kategorien (Kapitalismus und Patriarchat), als auch zwi-

schen den untersuchten Ebenen sind Wechselwirkungen zu erwarten.

Methoden-, Datenauswahl und Methodenkritik 26

3 Methoden-, Datenauswahl und Methodenkritik Ziel des Kapitels ist es aufzuzeigen, welches Datenmaterial mit welcher empirischen

Methode untersucht werden soll, um die Fragestellung zu beantworten. Dazu wird im

ersten Teil kurz dargelegt, wieso die Interviews der Rubrik „Gespräche“ des

Schweizerischen Wirtschaftsmagazin Bilanz geeignet sind für eine Analyse der hege-

moniale Managermännlichkeit. Ebenso wird erklärt, warum die drei Interviews (Daniel

Vasella (Lüchinger und Pfenniger 2005: 100-103.), Viktor Vekselberg (Barmettler 2010:

74-77) und Carsten Schloter (Kowalski 2010: 44-47)) als definitives Datenmaterial zur

Analyse gewählt wurden.

Der grössere Teil des Kapitels ist dann der Methode „Mehrebenenanalyse“ gewidmet,

mit welcher die Interviews analysiert werden sollen. Da es sich hierbei um eine neue

und nicht sehr bekannte Methode handelt, wird sie hier ausführlich erläutert: Ihr

theoretische Hintergrund wird vorgestellt, die Methode wird detailliert beschrieben und

anhand von Anwendungsbeispiele kritisch beleuchtet. Daraus resultiert eine für diese

Arbeit angepasste Mehrebenenanalyse, welche im nächsten Kapitel zur Analyse der

Interviews angewandt wird.

3.1 Auswahl des DatenmaterialsTexte können als Protokolle der sozialen Praxis verwendet werden und mit dem richti-

gen methodischen Vorgehen aufgeschlüsselt werden (Oevermann 2002: 3f). Das

Schweizerische Wirtschaftsmagazin Bilanz eignet sich ausgezeichnet um die gestellte

Fragestellung dieser Arbeit zu beantworten. Die Bilanz ist spezialisiert auf Manager,

Reiche und Unternehmen. Sie verfügt über gute Kontakte zu den Managern und eine

gut ausgebaute Redaktion, insbesondere für die Jahresausgabe der 300 Reichsten der

Schweiz (Mäder et al. 2010: 141-143). Die Bilanz richtet sich speziell an Leader und

Topleader der Wirtschaft und ist in dieser Gruppe das meistgelesene Magazin der

Schweiz (WEMF 2010). Zudem lesen insgesamt über 200'000 Menschen die Bilanz

(WEMF 2011). Die Bilanz gehört dem AxelSpringer Verlag, welcher bekannt ist für

seine konservative Weltanschauung, Bekenntnissen zur freien Marktwirtschaft und der

Verlag wird von FeministInnen als Männerpresse bezeichnet (Trumann 2002). Die

hegemoniale Managermännlichkeit, welche in der Bilanz reproduziert wird, richtet sich

einerseits an die Leader und Topleader und andererseits an ein zusätzlich grosses

Publikum. Weiter basieren die Interviews auf guten Kontakten der Redaktion zu den

Managern und die Bilanz wird von einem Verlag herausgegeben, welcher Kapitalismus

und Patriarchat unterstützt. Deshalb eignet sich die Bilanz zur Beantwortung der

Fragestellung dieser Arbeit.

Methoden-, Datenauswahl und Methodenkritik 27

Die drei A4 Seiten langen Interviews in der Rubrik „Gespräche“ scheinen geeignet, um

alle in der Forschungsfrage aufgestellten Ebenen (Sozialstrukturen, symbolische Re-

präsentationen, Identitätskonstruktionen) zu untersuchen. In jeder Ausgabe wird eine

wichtige und/oder mächtige Persönlichkeit in dieser Rubrik ausführlich zu aktuellen

Themen interviewt, samt Porträtfoto und kleinem Lebenslauf in einer Infobox. Was bei

anderen Forschungsfragen Probleme bereiten könnte (Gläser und Laudel 2009: 38-

43), nämlich dass die Interviews von JournalistInnen geführt wurden und redaktionell

überarbeitet wurden, könnte hier zum Glücksfall werden. Die unbewusst verwurzelte

hegemoniale Managermännlichkeit wird dadurch eher noch stärker betont. Dies, da die

hegemoniale Managermännlichkeit sowohl für die Redaktion als auch für die Interview-

ten den Normalfall darstellen. Deshalb wird wohl darauf geachtet, dass die Personen

sich in diesem Rahmen bewegen.

Die Auswahl der Interviews fand nach den Grundsätzen des Samplings nach dem

Grundsatz von vorab definierten Kriterien statt (Przyborksi und Wohlrab-Sahr 2009:

178-180). Die Interviews mussten als Grundkriterium mit Männern geführt worden sein,

welche führende und einflussreiche Manager sind. Diese sollten in unterschiedlichen,

grossen Unternehmen tätig sein. Ebenso sollten die Interviews in einem grösseren zeit-

lichen Abstand zueinander publiziert worden sein. Das erste Interview, welches nach

diesen Kriterien ausgewählt wurde, mit dem Novartis Chief Executive Officer (CEO)

und Verwaltungsratspräsident Daniel Vasella ist aus dem Jahr 2005 (Lüchinger und

Pfenniger 2005: 100-103). Als Gegensatz zum bekannten Chef des privaten Pharma-

unternehmens Novartis wurde das Interview des Swisscom CEO Carsten Schloter

(Kowalski 2010: 44-47) von 2010 gewählt. Die Swisscom gehört mehrheitlich dem

schweizerischen Staat. Schliesslich kam als Drittes das Interview mit dem in der

Schweiz lebenden Oligarchen Viktor Vekselberg (Barmettler 2010: 74-77) hinzu. Diese

drei Interviews entsprechen den vorher gesetzten Kriterien und sprengen den Rahmen

einer Bachelorarbeit nicht.

3.2 Methodenauswahl MehrebenenanalyseAls Methode zur Analyse der drei Interviews in der Bilanz soll eine angepasste Variante

der Mehrebenenanalyse von Winker und Degele (2010; 2007) zur Anwendung kom-

men. Da zur Beantwortung der Fragestellung und Analyse der Interviews ein methodo-

logischer Ansatz sinnvoll ist, der nicht bloss fallrekonstruierend wirkt, kommen nur

Methoden der qualitativen Sozialforschung in Frage. Die Mehrebenenanalyse empfiehlt

Methoden-, Datenauswahl und Methodenkritik 28

sich hier, da sie darauf ausgerichtet ist mehrfache soziale Ungleichheiten, Intersektio-

nalität, zu analysieren. Sie tut dies auf den drei in dieser Arbeit behandelten Ebenen

und ihren Wechselwirkungen (Winker und Degele 2007). Zuerst soll jetzt die Methode

in ihrer „Reinform“ in Theorie und Praxis vorgestellt werden und schliesslich anhand

von Anwendungsbeispielen kritisch beleuchtet werden, um dann die angepasste

Variante auszuarbeiten.

3.2.1 Theoretischer Hintergrund

Hier soll nun noch ausführlicher auf den theoretischen Hintergrund der intersektionalen

Mehrebenenanalyse von Winker und Degele (2010) eingegangen werden. Die beiden

Wissenschaftlerinnen gehen davon aus, dass Diskriminierungen auf drei Ebenen

(Sozialstruktur, Repräsentation und Identität) geschehen können (2007: 3f). Da damit

alle Ebenen zur Ungleichheit beitragen, müssten auch alle Ebenen in der Forschung

berücksichtigt werden. Ebenso zeigen sie auf, dass es Wechselwirkungen zwischen

den einzelnen Ebenen und den Ungleichheitskategorien gibt.

Die Ebene Sozialstruktur befasst sich mit den bestimmenden Herrschaftsverhältnissen

und deren Verankerung in der Sozialstruktur der Gesellschaft (Winker und Degele

2010: 28-53). Es lassen sich vier Strukturkategorien bilden, mit welchen die Herr-

schaftsverhältnisse konstruiert werden. Diese sind Klasse, Geschlecht, „Rasse“ und

Körper.

„Diese Differenzierungen verteilen die verschiedenen Arbeitstätigkeiten ebenso wie die vorhandenen ge-sellschaftlichen Ressourcen ungleich auf verschiedene Personengruppen. Mit diesen Kategorien lassen sich damit verbundene Ausbeutungs- und Diskriminierungsstrukturen – Klassismus, Sexismus/Hetero-normativität, Rassismus und Bodismus – aufzeigen und rekonstruieren“ (Winker und Degele 2007: 6).

In der Struktur Geschlecht befindet sich ebenfalls die sexuelle Orientierung (Winker

und Degele 2010: 44-46). Die bisher noch unbeachtete Kategorie Körper diversifiziert

die Stellung im Produktionsprozess, vor allem den Zugang zum Erwerbsarbeitsmarkt.

„ArbeitnehmerInnen müssen beweglich, belastbar, permanent lernbereit und -willig

sein“, ansonsten werden sie ausgeschlossen (Winker und Degele 2007: 8).

Eine weitere Ebene ist die der symbolischen Repräsentationen. „Symbolische Reprä-

sentationen wirken sowohl als Ideologien und Normen der Rechtfertigung für Ungleich-

heiten wie auch als Sicherheitsfiktion struktur- wie auch identitätsbildend“ (Ebd.: 2007:

10). Die Repräsentationen entsprechen in der Regel den aktuellen Diskursen (Butler

1991) über die Kategorien. Eine Orientierung an den Strukturkategorien – Klasse,

Geschlecht,„Rasse“, Körper – wird zum Herausarbeiten der Repräsentationen empfoh-

len, auch wenn die Anzahl der Repräsentationen nicht im vornherein feststehen soll

(Winker und Degele 2010: 54-58).

Methoden-, Datenauswahl und Methodenkritik 29

Bei der Identitätskonstruktion ist es notwenig von einer offenen Anzahl von Kategorien

auszugehen. Individuen bilden zur Ab- und Ausgrenzung von anderen und zur Vermin-

derung der Unsicherheit ihrer sozialen Position verschiedenartige Differenzkategorien

(Ebd.: 59-62).

„In der Auseinandersetzung mit dem Alltag von erwerbslosen Personen haben wir folgende Kategorien entwickelt, die sie zur Identitätskonstruktion verwenden: Arbeit, Einkommen/Vermögen, Bildung, Soziale Herkunft/Familie/Soziale Netze, Geschlechtszuordnung, sexuelle Orientierung, nationalstaatliche Zuge-hörigkeit, Ethnizität, Region, Religion/Weltanschauung, Alter, körperliche Verfasstheit/Gesundheit, Attraktivität“ (Winker und Degele 2007: 5).

Gemäss Winker und Degele (2010) kann davon ausgegangen werden, dass die

einzelnen Ebenen voneinander abhängig sind und starke Wechselwirkungen zu erwar-

ten sind. Deshalb können nicht nur die Ebenen einzeln angeschaut werden, sondern

müssen auch die Ebenen und Kategorien in ihrer Beziehung zueinander untersucht

werden. Winker und Degele unterscheiden sechs mögliche Verbindungen zwischen

Identität (I), Struktur (S) und Repräsentation (R): I→R, R→I, S→R, R→S, S→I und

I→S. Dass Verbindungen untereinander, beispielsweise zwischen Identität und Struktur

bestehen, zeige unter anderem schon Bourdieu (1987).

3.2.2 Funktionsweise der Mehrebenenanalyse

Nach diesem theoretischen Blick auf die Methode, wird nun die Funktionsweise der

Mehrebenenanalyse dargestellt:

„Um nun die Konstruktion der dargestellten Differenzkategorien empirisch zu analysieren, bedarf es [… eines] den Status Quo nicht lediglich reproduzierenden methodologischen Herangehen. Dazu schlagen wir ein praxeologisches statt reduktionistisches Vorgehen vor“ (Winker und Degele 2007: 11).

Als Datenmaterial lassen sich für die Mehrebenenanalyse beispielsweise Interviews

verwenden, aber auch weiter Protokolle sozialer Praxis (Winker und Degele 2010: 79f).

Winker und Degele fassen die Funktionsweise ihrer Methode in „Acht Schritte zur inter-

sektionalen Analyse“ zusammen (Ebd.: 79-97). Die ersten vier Schritte erfolgen nach-

einander bei den einzelnen Interviews.

1. Schritt: Die Identitätskonstruktionen in den Interviews sollen herausgesucht

und beschrieben werden. Diese Identitätskonstruktionen treten in der Regel als

Differenzierungskategorien wie Arm/Reich, Bildung, Mann/Frau etc. auf.

2. Schritt: Nun müssen die symbolischen Repräsentationen in den einzelnen

Interviews identifiziert werden. Es sollen damit alle Werte, Normen, Ideologien

und Rechtfertigungen erfasst werden, welche die Personen erwähnen oder sich

darauf abstützen.

3. Schritt: Bezüge zu (Sozial)-Strukturen entlang den vier Kategorien Klasse,

Geschlecht, Rasse und Körper sollen gefunden und beschrieben werden. Die

Methoden-, Datenauswahl und Methodenkritik 30

Bezüge ergeben sich aus Äusserungen zu Gesetzen, Regelungen, Ämtern,

Wirtschaftsordnungen, Bildungseinrichtungen etc.

4. Schritt: Wechselwirkungen zwischen den drei gefunden Ebenen finden. Als

Vorgehen wird vorgeschlagen, die Differenzierungskategorien der Identität nach

wichtigen Kategorien aufzuteilen. Wenn diese dann ebenfalls auf der Ebenen

Struktur und/oder Repräsentation vorhanden sind, können diese als wichtig

angesehen werden und erste Wechselwirkungen beschrieben werden.

Nach diesen vier Schritten mit den einzelnen Interviews werden bei den Schritten fünf

bis acht alle Interviews der Untersuchung einbezogen.

5. Schritt: Die Identitätskonstruktionen der einzelnen Personen sollen mit-

einander verglichen und geclustert werden. Damit sollen neue Erkenntnisse

gewonnen werden und Unterschiede sowie Ähnlichkeiten gefunden werden.

6. Schritt: Die erwähnten Herrschaftsverhältnisse sollen im Vergleich analysiert

werden. Dazu werden die gefundenen Strukturen für ein besseres Verständnis

mit Kontextdaten ergänzt und dann ebenfalls geclustert.

7. Schritt: Dann folgt eine Analyse der benannten Repräsentationen im Gesamt-

überblick. Dazu können ebenfalls weitere Kontextdaten zum Verständnis der

genannten Repräsentationen hinzugezogen werden.

8. Schritt: Zum Schluss sollen nun die Wechselwirkungen in der Gesamtschau

herausgearbeitet werden. Hier soll mit der Strukturebene und den vier Katego-

rien begonnen werden und schrittweise sämtliche mögliche Verbindungen zu

den anderen Ebenen angeschaut werden. Die Wechselwirkungen werden dabei

dokumentiert.

Je nach Forschung und Datenmaterial können die einzelnen Schritte länger oder kür-

zer ausfallen oder einzelne Analyseschritte in anderen Reihenfolgen statt finden.

3.2.3 Anwendungsbeispiele und kritische Auseinandersetzung

Ziel dieses Abschnittes ist es nun, die vorgestellte Methode der Mehrebenenanalyse

kritisch zu beleuchten und ihre Stärken und Schwächen aufzuzeigen. Dazu dienen als

Grundlage die beiden vorher erarbeiteten Teile über die Methode (Theoretischer Hin-

tergrund und Anwendung). Hinzu kommen Beispiele aus einer Studie über das

Erwerbsleben von Winker und Degele (2010; 2007) und aus einer Studie der Friedrich-

Ebert-Stiftung zu „Homophobie, Rassismus und Sexismus im Fußball“ von Degele und

Janz (2011). Diese Studien und Ergebnisse sollen genauer analysiert werden und als

Methoden-, Datenauswahl und Methodenkritik 31

Anwendungsbeispiele dienen. Damit sollten sowohl die Stärken, als auch die

Schwächen der Methode zum Vorschein kommen.

Eine erste klare Stärke der Methode zeigt sich in der Fussballstudie (Ebd.). Die

Methode kann vielseitig eingesetzt werden. Für die Fussballstudie wurden Fuss-

ballerinnen und Fussballer aus verschiedenen Klubs interviewt. Das Forschungs-

interesse für die Studie beinhaltet Diskriminierungen aufgrund von sexueller Orien-

tierung, Geschlecht und Herkunft. Obwohl damit einige Diskriminierungskategorien

ausgelassen wurden, funktioniert die Methode trotzdem. Es zeigt sich in der Fussball-

studie auch, dass nicht nur mit biographischen Interviews (Winker und Degele 2007;

Degele und Janz 2011) gearbeitet werden kann, sondern auch mit fallzentrierten Inter-

views und Sekundäranalysen. Trotz der eingeschränkten Fragestellung über die Diskri-

minierungsformen und der nicht-biographischen Interviews kommen Degele und Janz

auf verwertbare und nachvollziehbare Ergebnisse.

Eine weitere Stärke der Methode zeigt sich am offenen Herangehen bei den Identitäts-

konstruktionen am Anfang der Analysen. So ergibt sich bei einem Interview mit einer

sozial benachteiligten Person eine Vielzahl von Differenzkategorien (Winker und

Degele 2010: 108f). Viele der Identitätskonstruktionen waren vorher nicht herleitbar

und mit den gefundenen Differenzkategorien ebnen sich neue Wege zu zusätzlichen

Erkenntnissen. Das Zusammenfassen in wichtige Identitätskategorien erlaubt danach

das weitere Analysieren und gibt einen guten Überblick.

Im zweiten und dritten Schritt der Analyse zeigt sich dann, dass sich bei den Aussagen

der untersuchten Personen ebenfalls Bezüge zur Repräsentation- und Strukturebene

finden lassen (Winker und Degele 2007: 12). Die Aussagen sind nicht so klar

ersichtlich wie bei den Identitätskonstruktionen. Bezüge lassen sich beispielsweise

finden, wenn für etwas ein Rechtfertigungsgrund angeführt wird oder auf etwas

Strukturelles verwiesen wird, welches von aussen auf die Menschen einwirkt. Dies sind

beispielsweise Sozialarbeiter oder Gesetze in diesem Beispiel. Die Strukturen lassen

sich nach den Kategorien Klasse, Geschlecht, „Rasse“ und Körper ordnen. Bei der

Repräsentation ist dies auch möglich, doch gibt es dort teilweise nicht oder mehrfach

zurechenbare Ergebnisse.

Beim vierten Schritt, den Wechselwirkungen, zeigt sich, dass bei den wichtigsten

Identitätskonstruktionen in der Regel Wechselwirkungen zu den beiden anderen

Ebenen gefunden werden können. So kann bei einer alkoholabhängigen Arbeitslosen

Alleinkämpferin ein starker Bezug zur Meritokratie herausgearbeitet werden, mit der sie

Methoden-, Datenauswahl und Methodenkritik 32

ihre Armut erklärt. Ebenso ergeben sich Verweise zur Sozialarbeiterin, welche gemäss

Winker und Degele (2010: 110) im kapitalistischen Sinn handelt und in die strukturellen

Herrschaftsverhältnisse eingebettet ist.

Beim Vergleichen der Interviews und dem Clustern von diesen ergibt sich sehr schnell

eine Typenbildung und damit verwertbare Resultate (Ebd.: 121-140). Diese Typologien

lassen sich in der weiteren Analyse verwerten.

Eine weitere Stärke offenbart sich in den beiden nächsten Schritten. Der

Zusammenzug der bisher einzeln untersuchten Interviews führt ebenfalls zu einer

Typisierung bei der Repräsentationen und den Strukturen. Damit lassen sich auch

diese beiden Ebenen zufriedenstellend analysieren. Weil nun zum besseren

Verständnis dieser beiden Ebenen zusätzliches Material hinzugezogen wird,

erschliessen sich dadurch zusätzliche Erkenntnisse. Als zusätzliches Material führen

Winker und Degele (2007: 13f) auf: statistisches Datenmaterial, Gesetze, Zeitungs-

berichte bei der Struktur und bei der Repräsentationsebene alles, was Diskurse

aufzeigt wie Medien etc. Schliesslich offenbart sich bei der Betrachtung der einzelnen

ausgearbeiteten Ebenen diverse Wechselwirkungen.

Eine letzte klare Stärke zeigt sich bei den Ergebnissen. Es gelingt mit der Methode,

Fragestellungen im Bereich der Mehrfachunterdrückung systematisch zu beantworten.

Die Methode hat aber nicht nur Stärken, sondern sie kann auch einige Schwächen mit

sich bringen. So ist beispielsweise vieles davon abhängig, wie gut es im ersten Schritt

gelingt Identitätskonstruktionen zu finden. Eine Schwäche kann sich daraus ergeben,

wenn die untersuchten Personen nur wenige Bemerkungen zu Identitätskonstruktionen

machen. Hier zeigt sich, dass das am besten geeignetste Datenmaterial selbst

geführte Interviews sind, welche offen und biographisch geführt wurden. Bei anderen

Datenquellen, wo es wenig oder gar keine direkten Bezüge zur Identität gibt, kann der

ganze Forschungsprozess ins Stocken geraten.

Bei der Repräsentations- und Strukturebene wird in den Studien von Winker und

Degele mit vielen indirekten Bezügen gearbeitet. Oft werden deshalb über

Bemerkungen der interviewten Personen diese Bezüge gefunden oder dank den

vorher herausgearbeiteten Identitätskonstruktionen. Ein Schweigen oder das nicht

Erwähnen von Repräsentationen oder Strukturen in den Interviews heisst aber nicht,

dass diese Repräsentationen oder Strukturen nicht auf die Personen einwirken. Wenn

es aber keine Bezüge in den Interviews gibt, werden diese auch nicht weiterverfolgt. Es

gibt aber diverse Gründe, wieso die Personen diese Ebenen im Interview vielleicht

Methoden-, Datenauswahl und Methodenkritik 33

nicht erwähnen. Beispielsweise könnten sie sich dieser beiden Ebenen oder ihrer

Ausprägung nicht bewusst sein, da sie als normal hingenommen werden. Ebenfalls ist

denkbar, dass diese beide Ebenen falsch wiedergegeben werden, da die Interviewten

bei den Diskursen beispielsweise das wiederholen, was sie gelernt haben. Damit kann

die Methode Gefahr laufen, schlussendlich doch nur reproduzierend zu wirken und

nicht auf neue Ergebnisse zu kommen.

Bei der Hinzunahme von zusätzlichem Material bei den Arbeitsschritten sechs und

sieben zeigt sich ein nächstes mögliches Problem der Mehrebenenanalyse. Es ist zu

begrüssen, dass zum Verständnis der einzelnen nicht so stark sichtbaren Ebenen

zusätzliches Material hinzugezogen werden kann. Welches Material denn aber wann

sinnvoll ist, wird von den Autorinnen nicht schlüssig beantwortet. Es werden keine

Empfehlungen abgegeben, was, wann und wie viel zusätzliches Material sinnvoll ist.

Ebenfalls wird keine Methode angegeben, mit der das zusätzliche Material, welches im

Bereich Repräsentation und Strukturen herangezogen wird, überhaupt analysiert wer-

den soll. Dabei sind je nach Methode der Untersuchung unterschiedliche Ergebnisse

zu erwarten. Eine qualitative Inhaltsanalyse einer Fernsehsendung ergibt andere

Ergebnisse als eine quantitative Inhaltsanalyse der selben Sendung.

Im Bereich der Strukturen kann sich dabei eine weitere Schwäche ergeben: Es wird

empfohlen auf statistisches Material, Gesetze etc. auszuweichen. Diese sind aber

selbst ein Ergebnis der kapitalistisch-patriarchalischen Welt und ihr wahrer Sinn ist oft

verschleiert. Grundsätzlich ist es ein Problem, dass nicht versucht wird diese

versteckten Sinnstrukturen zu erkennen, wie dies beispielsweise bei der Objektiven

Hermeneutik der Fall ist (Oevermann 2002: 1-5). Und es stellt sich die Frage, ob dies

mit der gewählten Methode überhaupt möglich ist.

Es zeigt sich, dass die Methode klare Stärken und Schwächen hat. Zu den klaren Stär-

ken gehören also das systematische Vorgehen, die Möglichkeit Mehrfachunter-

drückung zu untersuchen und die Offenheit der Methode. Zu den Schwächen gehört

sicherlich die Abhängigkeit von Identitätskonstruktionen gleich zu Beginn der Analyse.

Eine weitere methodische Schwäche ist die Schwierigkeit, gesellschaftliche Strukturen

richtig zu erfassen und nicht bloss in den Interview Gesagtes zu reproduzieren. Ver-

steckte Sinnstrukturen können so verborgen bleiben. Ebenso fehlen genaue Angaben

zum in den späteren Analyseschritten hinzugezogenem Material und dessen

Auswertung.

Methoden-, Datenauswahl und Methodenkritik 34

3.2.4 In dieser Arbeit angewandte Methode

Nun soll kurz dargestellt werden, wieso die Methode der Intersektionalität als Mehrebe-

nenanalyse sich für diese Forschung besser eignet als andere qualitative Methoden.

Danach wird aufgezeigt, in welcher angepassten Form die Mehrebenenanalyse für die

Interviews von Daniel Vasella, Carsten Schloter und Viktor Vekselberg in dieser Arbeit

angewandt wird.

Eine Diskursanalyse würde sehr gut zum vorhandenen Datenmaterial passen und die

Diskurse auf der Repräsentationsebene wohl am Besten aufdecken (Kerchner und

Schneider 2006: 9-13). Da aber die beiden anderen Ebenen damit zu kurz kämen, fällt

diese Methode weg. Die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2007: 24-41) bietet

zwar den Vorteil, dass sie explizit Inhalte aus Artikeln analysieren kann und mehrfach

erprobt ist. Dennoch läuft sie Gefahr reproduzierende Ergebnisse zu liefern, da sie

vorab geschlossene Kategorien verwendet (Gläser und Laudel 2009: 204-209). Gegen

die Objektive Hermeneutik (OH) spricht, dass das Datenmaterial aus von der Redak-

tion und den Interviewten überarbeiteten Zeitschrifteninterviews besteht. Die OH

benötigt aber reale, unveränderte Protokolle der sozialen Praxis um gute Ergebnisse

zu erzielen (Oevermann 2002: 3-5). Die Artikel sind dafür zu stark bearbeitet. Schliess-

lich fällt die Grounded Theory ebenfalls weg, da sie zu stark Theorie geleitet ist, auf

Theoriebildung ausgelegt ist und mit Beobachtungsprotokollen als Daten die besten

Ergebnisse liefert (Przyborksi und Wohlrab-Sahr 2009: 184-215).

Die Mehrebenenanalyse bietet den Vorteil, dass sie auf die Überschneidungen von

sozialen Ungleichheiten auf mehreren Ebenen zugeschnitten ist. Die Methode ist

anpassbar an die Forschungsfragen und hat sich schon in abgewandelter Form

bewährt (Degele und Janz 2011). Die Schwäche, dass Strukturen und Repräsentatio-

nen schwer erkennbar sind, ist aufgrund des Datenmaterials hier wohl weniger ein Pro-

blem. Da sich die Zeitschrift Bilanz speziell mit Wirtschaftsfragen befasst und sich unter

anderem an Manager richtet, sind starke Bezüge im Bereich Struktur und Repräsenta-

tionen zu erwarten. Dies dürfte vor allem die Kategorie Kapitalismus betreffen. Da

Kapitalismus und Patriarchat gemäss der Theorie miteinander verwoben sind, müssen

sich auch Bezüge zum Patriarchat finden lassen. Durch das Bewusstsein der Schwä-

chen der Methode, sollten sich im Forschungsprozess einige der Fehler minimieren

oder gar vermeiden lassen.

Die Interviews werden mit folgender angepassten Methode der Mehrebenenanalyse

ausgewertet: Die drei Interviews (Vasella, Schloter und Vekselberg) werden zuerst ein-

zeln analysiert. Dabei wird mit der Identitätskonstruktion begonnen und die Anzahl

Methoden-, Datenauswahl und Methodenkritik 35

sowie die Ausprägung der Differenzkategorien werden dabei offen gehalten. Als

Nächstes werden Bezüge zur (Sozial)-Struktur gesucht. Bei den Herrschaftsverhältnis-

sen, werden aufgrund der Forschungsfrage und des beschränkten Umfangs nur Klasse

und Geschlecht berücksichtigt. Für die gleichen Kategorien werden dann symbolische

Repräsentationen in den Interviews gesucht. Als nächster Analyseschritt folgt das

Herausarbeiten von Wechselwirkungen innerhalb der einzelnen Interviews.

Ab diesem Schritt werden alle Interviews und deren bisherigen Resultate

berücksichtigt. Es folgt ein Zusammenzug der Identitätskonstruktionen und eine

Typenbildung unter den vorgefundenen Identitätskonstruktionen der drei Interviews. Als

Nächstes werden die Strukturen und Repräsentationen, welche bei allen drei

Interviews vorkommen, herausgearbeitet. Um deren Kontext besser zu verstehen,

können wenn nötig weitere Texte hinzugezogen werden. Schliesslich soll dann die

Wechselwirkungen zwischen den drei Ebenen in alle Richtungen untersucht werden.

Hierbei sollen auch Wechselwirkungen als relevant betrachtet werden, welche nicht in

alle drei Richtungen gehen. Diese Analyseart sollte es ermöglichen die Fragestellung

nach der hegemonialen Managermännlichkeit zu beantworten.

Ergebnisse Mehrebenenanalyse 36

4 Ergebnisse MehrebenenanalyseDie Darstellung der Ergebnisse der Mehrebenenanalyse der Interviews mit Daniel

Vasella, Viktor Vekselberg und Carsten Schloter erfolgt entlang der im Theorieteil auf-

gestellten Thesen. Die Thesen sollen dabei nicht überprüft werden. Sie dienen lediglich

als Orientierungsmuster. Zuerst wird ein allgemeiner Überblick über die gesamte Unter-

suchung gegeben. Dabei wird beantwortet, ob sich eine hegemoniale Managermänn-

lichkeit als Ergebnis der Mehrebenenanalyse finden lässt. Zudem wird auf einige

Schwierigkeiten im Forschungsprozess hingewiesen. Bei den Ebenen werden die-

jenigen Ergebnisse beschrieben, welche bei allen untersuchten Interviews zu finden

waren und eine Relevanz für die Forschungsfrage haben und somit zur hegemonialen

Managermännlichkeit gehören. Zuerst werden die Identitätskonstruktionen der hege-

monialen Managermännlichkeit beschrieben. Danach werden die symbolischen Reprä-

sentationen anhand der Interviews aufgezeigt und durch die Ergebnisse nach Zuhilfe-

nahme von zusätzlicher Literatur beschrieben. Darauf folgt eine Auflistung der gefun-

den Bezüge zur (Sozial)-Struktur und deren Einordnung zu den Herrschaftsverhält-

nisse nach der Analyse von zusätzlicher Literatur. Am Schluss werden einige wichtige

Wechselwirkungen zwischen den Ebenen dargestellt.

4.1 Hegemoniale ManagermännlichkeitDie Interviews mit den männlichen Spitzenmanagern – Daniel Vasella, Carsten

Schloter und Viktor Vekselberg – wurden nach der angepassten Mehrebenenanalyse

analysiert. Bei allen drei Interviewten ist eine hegemoniale Managermännlichkeit deut-

lich sichtbar. Sowohl in den Identitätskonstruktionen, den symbolischen Repräsentatio-

nen als auch bei den (Sozial-)Strukturen und den Wechselwirkungen untereinander

wird eine gemeinsame hegemoniale Managermännlichkeit in den Interviews des Wirt-

schaftsmagazins Bilanz reproduziert.

Bei der Analyse der Interviews zeigten sich jedoch einige Schwierigkeiten. So wurden

mit der Methode der Mehrebenenanalyse vergleichsweise wenig Bezüge zu Identitäts-

konstruktionen gefunden. Da diese eine der Grundlagen für die weitere Analyseschritte

ist kann dies sehr schnell den ganzen Forschungsprozess blockieren. Dank vielen

Bezügen in den Interviews zu den sozialen Repräsentationen konnte dies aber kom-

pensiert werden.

Schwer war auch das Auffinden von Bezügen zur (Sozial)-Struktur. Das lässt sich mit

der Art der Interviews erklären, da der Fokus der Interviews auf der Wirtschaft und den

Unternehmen und nicht auf der persönlichen Identität liegt. Dies führte zu einem

Ergebnisse Mehrebenenanalyse 37

anderen Problem. Es liessen sich nur schwer Bezüge zur Kategorie Geschlecht

respektive Patriarchat finden. Ebenso erlaubte es die Methode nur in geringem Masse,

nicht offensichtliche Bezüge und Sinnstrukturen zu finden.

Trotz der Probleme konnte eine klare, wenn wohl auch nicht umfassende, hegemoniale

Managermännlichkeit in der Analyse festgestellt werden. Diese wird in den Interviews

reproduziert. Die Ergebnisse werden in den einzelnen Unterkapiteln Ebene Identitäts-

konstruktionen (Analyseschritt eins und fünf), Ebene Repräsentationen (Analyseschritt

zwei und sieben), Ebene Sozialstruktur (Analyseschritt drei und sechs) und Wechsel-

wirkungen (Analyseschritt vier und acht) zusammengefasst und damit der Typus der

hegemonialen Managermännlichkeit vorgestellt.

4.2 Ebene IdentitätskonstruktionenIn sämtlichen Interviews zeigt sich, dass die drei Manager sich stark über ihre Firma

identifizieren. Sie sprechen stets von „wir“ (als Unternehmen) und versuchen das Team

als Ganzes in den Vordergrund zu stellen. Bei Vasella wird stets von „wir“ Novartis, bei

Schloter von „wir“ Swisscom und bei Vekselberg von „wir“ Renova gesprochen. Sie

machen die Ausgrenzung entlang „wir“ (unsere Firma) gegen die Konkurrenz.

Sämtliche drei Manager sind sich ihres Status bewusst. Sie wissen, dass sie besser

gestellt sind und zu einer Eliteschicht gehören und über Macht verfügen. Und sie bilden

ihre Identität auch danach. So argumentiert beispielsweise Carsten Schloter: „Aber

wenn ich als Gutgestellter Neid empfinden würde gegen einen noch Besser gestellten,

wäre das traurig“ (Kowalski 2010: 47).

Viktor Vekselberg lässt sich in der Infobox neben dem Interview als Oligarchen und

Grossinvestor darstellen und korrigiert zu Beginn des Interviews: „Aber die Zahl der

Mitarbeiter unserer Investitionen liegt weltweit bei etwas über 200 000“ (Barmettler

2010: 74).

Die Konstruktion als mächtiger Manager lässt sich auch bei Daniel Vasella aufzeigen.

Obwohl er gerne über „wir“ spricht im Interview, spricht er beispielsweise von sich

selbst und seinen Entscheidungen, wenn es um Personalentlassungen geht und um

Faktoren für den Erfolg der Fusion (Lüchinger und Pfenniger 2005: 100).

Sie konstruieren ihre Identität entlang den Linien gesetzestreuer Manager, sozialer

Manager, teamorientierter Manager als klare Abgrenzung von Managern, die rein aus

persönlicher Gier gehandelt und sich gar falsch oder verbrecherisch verhalten haben.

Vasella bringt es dabei auf den Punkt, wieso Manager heute teilweise einen schlechten

Ruf haben und grenzt sich von den fehlbaren Managern ab:

Ergebnisse Mehrebenenanalyse 38

„Das ist teilweise selbst verschuldet, da sich zu viele Manager falsch oder nicht gesetzestreu verhalten haben. Mangelnde Transparenz bis hin zu Zahlenmanipulation […]. Und schliesslich kam hinzu, dass viele Manager trotz Misserfolg gut bezahlt wurden.“

Als Gegenstück erwähnt er Novartis und damit sein Geschäft, mit welchem er sich

identifiziert: „Bei Novartis wollen wir aus Prinzip gegen innen und aussen transparent

sein“ (Ebd.: 102). Auch Vekselberg und Schloter lassen durchblicken, dass sie sich als

gute Manager sehen, die das Wohl der Allgemeinheit im Auge haben.

Es zeigt sich bei allen dreien ebenfalls eine neoliberale politische Identität. Sie spre-

chen sich gegen Regulationen und für einen schwachen Staat aus. Besonders scheint

im Interview mit Vasella das neoliberale Credo für einen schwachen Staat und eine

deregulierte Wirtschaft durch.

Alle drei untersuchten Manager zeigen in ihren Interviews, dass sie sich als erfolg-

reiche Manager und als „Macher“ begreifen, die das Heft in die Hand nehmen,

Probleme lösen und damit dann den bereits betonten Erfolg haben. So wurde Veksel-

berg beispielsweise gefragt, ob es denn nicht gefährlich sei in Russland Geschäfte zu

machen. Er antwortet klar: „Ich weiss, wie man in Russland erfolgreich geschäftet“

(Barmettler 2010: 77). Und zeigt damit seine Überzeugung, ein erfolgreicher Manager

zu sein. Auf die Frage nach einem Auslandsgeschäft der Swisscom, welches in Verruf

gekommen ist und nach möglichen Schäden, antwortet Carsten Schloter sofort mit

einem Erfolg statt einer Selbstkritik: „Im März haben wir im Grosskundenbereich 73

Prozent aller Ausschreibungen am Markt gewonnen, so viel wie nie zuvor“ (Kowalski

2010: 46). Es wird nicht über eigenes Versagen gesprochen, sondern nur über ihre

Erfolge und was sie erreicht haben.

Die drei Manager geben sich wettbewerbsfreudig und bereit Risiken einzugehen. Sie

sind auch dazu in der Lage schnell und dynamisch zu handeln. So analysiert Veksel-

berg zum Beispiel, dass Sulzer viel zu langsam ins Auslandsgeschäft einsteigt und

eine zu konservative und risikolose Strategie fährt. Er meint dazu: „Ja, ich bin ein

anderes Tempo gewohnt“ (Barmettler 2010: 77). Schloter zeigt den Wettbewerbs-

charakter auch durch seine Teilnahme an der „Patrouille des Glaciers“, einem der

härtesten Bergläufen der Welt.

Sie sehen sich selbst als Kosmopoliten, die auf der ganzen Welt zu Hause sind.

Vasella erzählt von Vorträgen bei den Young Leaders in New York, Vekselberg pendelt

zwischen der Schweiz und Russland und Schloter arbeitet drei Tage pro Woche in

Italien für ein Swisscom Auslandsgeschäft. Ebenso zeigen sich alle vorurteilsfrei

gegenüber anderen Staaten und Nationalitäten und betonen die Wichtigkeit der inter-

nationalen Tätigkeiten ihrer Firmen und befürworten Multikulturalismus in ihren Teams.

Ergebnisse Mehrebenenanalyse 39

Die drei Manager verweisen in ihren Interviews auf ihre Kinder. So zeigt sich Vasella

als guter Vater der seinen Kindern die Arbeit zu erklären versucht und Vekselberg

wollte gar fast seinen Auslandsfirmensitz in die Nähe der Colleges seiner Kinder in den

USA verlegen. Bei Carsten Schloter sind sie zumindest in der Infobox erwähnt. Dies

zeigt, dass ihre Identität auch über Vaterschaft, sorgendes Elternteil und die Hetero-

sexualität konstruiert wird.

Damit lassen sich folgende Identitätskonstruktionen als vorherrschender Typus der drei

Manager aus den drei untersuchten Interviews bilden, nämlich den des wir-bezogenen,

teamorientierten, klassenbewussten, besser gestellten, gesetzestreuen, sozialen, wohl-

standsschaffenden, risikobereiten, wettbewerbsorientierten, kosmopolitischen, an-

packenden (Macher), erfolgreichen, heterosexuellen, kinderhabenden Managermann.

4.3 Ebene symbolische RepräsentationAlle Manager betonen jeweils, dass ihr geschäftliches Handeln nur zum Wohle und

Erfolg des Konzerns sei und auch dem Wohl der Angestellten und der ganzen Gesell-

schaft diene. Vekselberg begründet seine Investments in Schweizer Firmen:

„Es geht nicht um Portfolio-Umschichtungen, sondern um Synergien. Die Investitionen in Russland und Europa sind komplementär. Durch einen grossen Solarauftrag konnten wir zum Beispiel sowohl OC Oerlikon als auch ein Projekt in Russland stärken“ (Barmettler 2010: 76).

Regulierungen werden abgelehnt, die Firmen sollen so weit wie möglich frei handeln

können und die Märkte gestärkt werden. Dies führe zu zusätzlichen Vorteilen für alle.

Schloter meinte zum Eingreifen der Wettbewerbskommission gegen eine Fusion der

Swisscom Konkurrenten:

„Es ist traurig, dass man zum Schluss kommt: Wir schwächen jetzt mal alle Marktteilnehmer in gleichem Masse, dann kommt es schon gut. Stattdessen sollte sichergestellt werden, dass in diesen Markt noch mehr investiert wird und noch mehr Dynamik entsteht“ (Kowalski 2010: 46).

Selbst bei Problemen wie der zunehmenden Lohnschere in einigen Unternehmen sol-

len vor einer staatlichen Regulierung zuerst Firmen eigene Lösungen gesucht werden

(Ebd.: 47).

Oft wird die Alternativlosigkeit von wirtschaftlichen Entscheiden dargestellt und es wird

begründet, dass es gar nicht anders geht. So begründet Vasella beispielsweise, dass

es bei Problemen der Konkurrenzfähigkeit oder bei schlechten Ergebnissen nur eine

Möglichkeit gibt: „Dann ist der Personalabbau keine Option, sondern eine Notwendig-

keit“ (Lüchinger und Pfenniger 2005: 102). Sie alle betonen die Nachhaltigkeit ihres

Handelns und dass nicht nur die Quantität wichtig sei, sondern auch die Qualität der

Arbeit und Investments. Damit begründen sie ihr Bild als „gute“ Manager und wehren

sich gegen den Diskurs der „Abzocker“, welcher die Manager in Verruf brachte.

Ergebnisse Mehrebenenanalyse 40

Schliesslich wird oft auf die eigene positive Leistung oder die Leistung des Unterneh-

mens während ihrer Führerschaft verwiesen, um ihr Handeln und ihre Identität zu

rechtfertigen. Vasella verweist in seinem Interview beispielsweise auf den von ihm und

seiner Führungscrew erzielten hohen Marktanteil und die positive langfristige Perfor-

mance von Novartis (Ebd.: 103). Schloter weist auf den „positiven Wertbeitrag für die

Swisscom-Aktionäre“ durch seine Fastweb Geschäfte hin und zeigt sich selbst in kriti-

sierten Geschäften als erfolgreicher Manager (Kowalski 2010: 46). Vekselberg macht

auf seine 200 000 Mitarbeiter aufmerksam, welche er mit seinen erfolgreichen Investi-

tionen beschäftigt, und auf die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der russischen Regie-

rung (Barmettler 2010: 74f).

Um diese symbolischen Repräsentationen zu verstehen, ist der Zuzug weiterer Mate-

rialien erforderlich. Für die folgenden Abschnitte wurde Literatur aus dem Theorieteil

verwendet (Boltanski und Chiapello 2006; Degele 2008). Mit dieser Literatur wird

schnell klar, dass es sich dabei um bekannte Werte, Ideologien und Rechtfertigungen

handelt: Die gemachten Aussagen der Spitzenmanager entsprechen dem aktuellen

Zustand des kapitalistischen Geistes. Dieser Geist passt sich je nach struktureller

Grundlage oder Kritik am Kapitalismus an, um dem Kapitalismus die nötige Rechtfer-

tigung zu geben.

Eine klassische Rechtfertigungsstrategie ist es, die kapitalistische Akkumulationslogik

als naturgegeben anzunehmen. Der Markt und die kapitalistische Handlungslogik

bringt gemäss diesem Geist immer die besten Lösungen hervor. Regulierungen sind

dabei nur störend. Durch das kapitalistische System wird für alle das beste Ergebnis

produziert und es nützt allen, der Gesellschaft und den Arbeitnehmenden in den Betrie-

ben. Der kapitalistische Geist nimmt aktuelle Kritiken auf und passt sich an. Deshalb

grenzen sich die Manager von gesetzesbrecherischen und habgierigen Managern ab.

Denn deren Verhalten ist in die Kritik gekommen und somit die Rechtfertigung des

kapitalistischen Systems. Deswegen stellen sie sich als sozial und nachhaltig dar im

Gegensatz zu den in Verruf gekommenen Managern. Das letzte Element des kapitalis-

tischen Geistes, welches hier ebenfalls beobachtet werden kann, ist die Meritokratie.

Ungleichheiten und Erfolge werden durch die eigenen Leistungen gerechtfertigt. Der

Status der Manager kann somit gerechtfertigt werden, aber auch die Geschäfte der

Firma.

Keine direkten Aussagen auf der Repräsentationsebene lassen sich zur Familie oder

den Geschlechterrollen finden. Nur Bezüge zu Freundschaften und Netzwerken sind

auffindbar. Diese seien wichtig, um die Kultur und die Beziehungsnetzwerke in anderen

Ergebnisse Mehrebenenanalyse 41

Ländern zu begreifen und so wirtschaftlichen Erfolg zu haben. Das Fehlen von Aussa-

gen auf der Repräsentationsebene zu Frauen, Kindern und Geschlechterrollen kann

aber ebenfalls als oft beobachtete natürliche Legitimation verstanden werden. Da das

Kinderhaben, die Heterosexualität und die Ehefrauen als normal gelten, kann die Ver-

mutung gemacht werden, dass diese als natürlich angenommen werden. Deshalb

könnten auch das Fehlen von Aussagen damit erklärt werden.

4.4 Ebene (Sozial)-StrukturEine der stärksten Strukturen, auf die sich die Interviewten beziehen, ist die Globali-

sierung oder besser gesagt die globalisierte Wirtschaftsordnung. Dies zeigt sich in den

Interviews einerseits durch die zahlreichen Verweise auf Märkte und Konkurrenz aus-

serhalb der Schweiz. Anderseits durch die Mobilität, welche sie selbst in ihrem Leben

erfahren. Ebenfalls sollen die Unternehmen der Globalisierung angepasst werden, wie

beispielsweise Vekselberg ausführt: „Ich will eine internationale Kultur bei Renova

schaffen, will Erfahrungen, Standards, Know-how und Managementideen aus verschie-

denen Ländern zusammenbringen“ (Barmettler 2010: 77).

Nahe bei der Globalisierung stehen die Verweise zur Marktwirtschaft und dem damit

verbunden starken Konkurrenzdruck. Die Marktwirtschaft wird als Grundsystem der

Ordnung innerhalb der Wirtschaft angesehen. Neu dabei ist, dass dieses System glo-

bal einen hegemonialen Status innehat. Daraus und aus der Logik der Marktwirtschaft

entsteht für die Unternehmen ein starker Konkurrenzdruck in dem sie sich behaupten

müssen. Als Beispiel dient die Entwicklung in der Pharmabranche, welche Vasella

anführt: „In der Vergangenheit ist pro Jahr ein grosses Unternehmen durch Fusion oder

Übernahme verschwunden. Der Konsolidierungsprozess hängt mit dem Druck […]

zusammen“ (Lüchinger und Pfenniger 2005: 103). Dies zeigt, wie hart der inter-

nationale Konkurrenzkampf ist und unter welchem Druck die Manager stehen. Als spe-

zifische Form der Wirtschaft respektive von Märkten werden der Aktienmarkt und die

Investitionen erwähnt. Auf diese beziehen sich die Manager mehrfach. Der Aktienmarkt

dient dabei als Indikator, wie gut es dem Unternehmen geht und wie der Manager gear-

beitet hat. Die Investitionen dienen dabei als wichtige Indikatoren für das Wohl der

Unternehmen und der gesamten Wirtschaft. Carsten Schloter meint zum Erfolg der

Liberalisierung der Telekommunikationsbranche: „Es gibt zwei Kriterien, an denen man

den Erfolg […] messen kann: die Preise für die Endkunden und das Investitionsvolu-

men pro Einwohner. [… Hier] gehört die Schweiz zu den Ländern mit den weltweit

höchsten Investitionen pro Kopf“ (Kowalski 2010: 44).Der Erfolg der Liberalisierung

wird anhand der getätigten Investitionen gemessen, da diese gemäss der kapitalis-

Ergebnisse Mehrebenenanalyse 42

tischen Lehre positiv für die Branche und das Unternehmen sind.

Diverse Bezüge zur Struktur finden sich anhand von erwähnten Gesetzen und staat-

lichen Regulierungen. Die Manager orientieren sich bei ihren Handlungen und den

unternehmerischen Tätigkeiten an den bestehenden Gesetzen, die den erlaubten

Rahmen ihrer Tätigkeit vorgeben. Dass die Gesetze den Handlungsrahmen für die

Manager setzen, zeigt beispielsweise die Aussage von Vekselberg: „Wir folgen immer

und überall den Gerichtsentscheiden“ (Barmettler 2010: 76). Dies zeigt, dass die

Manager selbst wenn sie in Konflikt mit Gesetzen gekommen sind, alles dafür geben in

der Öffentlichkeit als gesetzestreue Bürger dazustehen und sich dafür an den

Gesetzen und Urteilen orientieren.

Bei allen Interviews, respektive den Infoboxen finden sich Bezüge zu Bildung. Alle drei

Manager haben eine Ausbildung an einer Universität absolviert.

Sämtliche Manager verweisen auf die Bedeutung von bestehenden Netzwerken

und/oder Freundschaften. Für Vekselberg sind beispielsweise die Freundschaften zu

russischen Spitzenpolitkern wichtig und die fehlenden Netzwerke in der Schweiz ein

Problem. Schloter begründet das lange Festhalten an einem Mitarbeiter, der in Italien

in den Medien des Betruges beschuldigt wurde: „Es war uns wichtig, sein Netzwerk

nicht zu verlieren. (Kowalski 2010: 44). Sämtliche erwähnte Netzwerke und alle

Freundschaften sind zwischen Männer. Eine Kombination zwischen Netzwerk und

Familie zeigt sich bei Vasella in der Infobox: „Vasella ist verheiratet mit der Nichte des

langjährigen Sandoz Lenkers“ (Lüchinger und Pfenniger 2005: 100). Der Name des

Onkels wird danach erwähnt, auf sie wird jedoch nicht weiter eingegangen.

Die aufgezeigten Strukturen lassen sich mit der Zuhilfenahme von zusätzlicher Litera-

tur (Osterhammel und Peterson 2006; Mankiw 2004; Meuser 2010) aus der Theorie in

die Herrschaftssysteme Kapitalismus und Patriarchat einordnen. Die Globalisierung

beschreibt den Prozess, in dem sich Kapitalismus und Wirtschaftstätigkeit entwickeln

und ihnen einen immer stärkeren globalen Rahmen gibt. Unter Globalisierung ist zu-

dem der Vorgang der weltweiten wirtschaftlichen und gesellschaftliche Verflechtung

und Verdichtung zu verstehen (Osterhammel und Peterson 2006: 7-9). Die freie Markt-

wirtschaft und der daraus resultierende Konkurrenzdruck sind inzwischen globale Wirk-

lichkeit und nehmen stets zu. Zum System des globalen Kapitalismus gehören die

Aktienmärkte, welche den angenommen Wert eines Unternehmens wiedergeben soll-

ten. Gleichzeitig findet ein internationaler Kampf um Investitionen statt, in welchem sich

die Unternehmen behaupten müssen. Das Ganze dient dem höheren Ziel, weiteres

Ergebnisse Mehrebenenanalyse 43

Kapital akkumulieren zu können. Die einzigen Beschränkungen bilden nach wie vor

staatliche Regulierungen, welche sich in Gesetzen niederschlagen. Diese halten den

Kapitalismus in Schranken. Die inzwischen verflochtene globale kapitalistische

Wirtschaftsstruktur gibt den Managern vor, in welchem Umfeld sie ihr Unternehmen

führen müssen und was sie erwartet. Nur wer sich in dieser Struktur behauptet, kann

nach „oben“ kommen und Erfolg haben.

Auch beim Herrschaftssystem Patriarchat lassen sich weitere Strukturen einordnen.

Die Netzwerke und Freundschaften dienen als homosoziale Räume, in denen wichtige

Entscheide gefällt werden. Durch ihre Homogenität helfen sie bei der Sicherstellung

des Status Quo, da nur Insider von ihnen profitieren können. Die „normale“ Kleinfamilie

und Heterosexualität sind die vorherrschenden Formen, in denen sich die Männlichkeit

bewegt. Sie sind Voraussetzung um anerkannt zu werden und in die homosozialen

Räume zu kommen, welche wiederum in der kapitalistischen Sphäre zu Erfolg führen.

4.5 Wechselwirkungen zwischen den EbenenIm Folgenden sollen nun einige der wichtigsten Wechselwirkungen zwischen den

Ergebnissen der einzelnen Ebenen Identität, Repräsentationen und Struktur dargestellt

werden. Dies ist der letzte nötige Schritt um die hegemoniale Managermännlichkeit

aufzuzeigen, welche in der Bilanz reproduziert wird.

Ein erster Blick gilt den Wechselwirkungen zwischen Struktur und Identität. Die risiko-

und wettbewerbsorientierte Identität der Manager ist in deutlicher Wechselwirkung mit

dem globalen Wettbewerb und dem Konkurrenzdruck, in denen sie sich mit ihren

Unternehmen befinden. Nur ein Manager, welcher weiss wie der Wettbewerb läuft und

genügend Risiko eingeht, kann dort mit seinem Unternehmen überleben. Das Kosmo-

politische scheint stark mit der Globalisierung in einer gegenseitigen Wirkung zu

stehen. Ein Firmenchef kann heute in einem transnationalen Unternehmen nicht als

rein lokal verwurzelter und lokal agierender Manager handeln, da er auf diese Weise

untergehen würde. Das Gleiche zeigt sich beim Bild des „Machers“. Es ist ein harter

globaler Kampf und nur die Starken, die „Macher“ können sich in so einem Kampf

durchsetzen. Ebenfalls lässt sich sagen, dass sich die Gesetzestreue direkt auf die

aktuelle Gesetzgebung bezieht. Auch lassen sich Wechselwirkungen zwischen Identi-

tätskonstruktionen wie Elternteil und Heterosexualität und den patriarchalen Strukturen

feststellen. Die heterosexuelle Partnerschaft mit Kindern bildet strukturell den Normal-

fall. An diesem Bild orientieren sich die Identitätskonstruktionen der Manager. Diese

Identität ist nötig um in exklusive homosoziale Räume respektive Netzwerke zu

Ergebnisse Mehrebenenanalyse 44

kommen. Dies stärkt die Geschlechtsidentität und die Erfolgsaussichten der Manager.

Ein sehr vielseitiges Bild von Wechselwirkungen lassen sich bei den Ebenen Identität

und Repräsentationen finden. Hier wird auf die Beziehung der Geschlechtsidentität und

den vermuteten natürlichen Legitimation dieser eingegangen. Da diese Identität der

Norm und vorherrschenden Werten entspricht und als natürlich angenommen wird, ist

es für die Manager auch klar, dass sie Kinder haben müssen und dies nicht ausführlich

begründen. Ebenso zeigt sich dies in der Nichterwähnung ihrer Frauen, da es für sie

normal zu sein scheint eine Frau zu haben. Spannend ist die Übernahme der eigentlich

ursprünglich „weiblichen“ Identitätskonstruktion des Teamplayers. Alle Manager beto-

nen einer zu sein. Diese Identität korreliert mit der Repräsentationsebene, mit dem

neuen Geist des Kapitalismus. Es kann angenommen werden, dass diese aufgrund

von Kritiken erfolgte. Daraufhin hat sich der kapitalistische Geist angepasst und ein

neues Idealbild für Manager geschafft: Das des Teamorientierten-Managers.

Das gleiche Zusammenspiel lässt sich bei der Identität der Gesetzestreue beobachten.

Diese ist ebenfalls ein Ergebnis der Kritik am Kapitalismus und deswegen gehört die

Gesetzestreue neu zur Identität der Manager. Eine weitere klare Wechselwirkung findet

sich zwischen dem Identitätstypus des erfolgreichen Managers und der Meritokratie.

Erfolg und Leistung gehören zu den wichtigsten Rechtfertigungen auf der Repräsenta-

tionsebene um Ungleichheiten zu erklären. Ein Manager kann sich nicht als gutgestellt

sehen, ohne dies mit seiner Leistung zu rechtfertigen. Ebenso verhält es sich mit dem

Typus des sozialen, des wohlstandsbringenden Managers. Diese Identitätskonstruktion

korreliert mit der als natürlich empfundenen Überlegenheit und Wohlstandsverspre-

chen des Marktes. Es gilt als Naturgesetz, dass die kapitalistische Produktionsweise

Wohlstand für alle bringt. Da die Manager diese Repräsentation haben, sehen sie sich

selbst als sozial und wohlstandsbringend oder suchen sich diese Rechtfertigung um ihr

Handeln und ihren eigenen Typus zu legitimieren.

Schliesslich zeigen sich ebenfalls zwischen den Ebenen Struktur und Repräsentation

Wechselwirkungen. In der Sozialstruktur zeigt sich, dass Männer grossmehrheitlich

heterosexuell leben, verheiratet sind und Kinder haben. Dass sich dies so entwickelt

hat, hängt mit der empfundenen Natürlichkeit dieser Norm zusammen, welche die Re-

präsentationen aufzeigen. Diese Korrelation zeigt sich auch bei den drei untersuchten

Managern. Auch im Bereich Kapital lassen sich zwischen den beiden Ebenen Wechsel-

wirkungen beobachten. Der zunehmend globale kapitalistische Markt entspricht dem

Ideal, welches der aktuelle kapitalistische Geist vorgibt. Es wird von einem Primat der

Wirtschaft ausgegangen und dem Grundsatz, dass der Markt die Probleme besser

Ergebnisse Mehrebenenanalyse 45

lösen kann als der Staat. Dadurch wird einerseits die wirtschaftliche Globalisierung

beflügelt und anderseits dient das Primat der Wirtschaft als Rechtfertigungsgrund. Es

zeigt sich ebenfalls eine Wechselwirkung zwischen den staatlichen Regulationen und

dem kapitalistischen Geist. Wenn die Kritik am Kapitalismus, respektive an den

Managern zu stark wird, wie es beispielsweise bei der Lohndebatte der Fall ist, können

die Gesetze angepasst werden. Dies zeigt zum Beispiel die Reaktion von Carsten

Schloter. Er fordert, falls es keine zusätzliche Selbstregulierung der Wirtschaft in der

Lohnfrage gibt, staatliche Gesetze zu Regulierung des Problems. Dies, da soziale

Ungleichheiten auf die Dauer gefährlich werden können (Kowalski 2010: 47). Da der

Diskurs aber noch nicht so weit ist, fordert er zuerst eine wirtschaftliche Selbst-

regulation, wie es der aktuelle kapitalistische Geist vorgibt.

Es kann also festgestellt werden, dass es zwischen allen Ebenen und den Kategorien

(Kapitalismus oder Patriarchat) Wechselwirkungen gibt.

Fazit 46

5 FazitNach der Analyse der aktuellen Theorien und der Untersuchung der drei Interviews aus

der Zeitschrift Bilanz lässt sich eindeutig feststellen, dass es eine hegemoniale

Managermännlichkeit gibt, welche bei den mächtigen Managern zum Vorschein tritt.

Der hegemoniale Managermann ist als ein Idealtypus von Mensch zu verstehen, der in

der heutigen durch Kapitalismus und Patriarchat geprägten Welt zu den Gewinnern, zu

den Mächtigen gehört. Die untersuchten Manager stellen beim „Oben-“ und „Unten“-

Gegensatz der sozialen Ungleichheit das „Oben“ dar. Diese männlichen, mächtigen

Manager verfügen nach Pierre Bourdieu über einen spezifischen Klassen- und

Geschlechterhabitus, welcher sie prägt und ihr Handeln beeinflusst. Im Kern dieses

Habitus steht die hegemoniale Männlichkeit, welche Raewyn Connell als theoretisches

Konzept eingeführt wurde. Dieser spezifische Habitus der mächtigen Männer lässt sich

als hegemoniale Managermännlichkeit bezeichnen. Bei den Managern vereint sich der

Typus des herrschenden Herrschenden in der Klassenstruktur von Bourdieu und die

hegemonialen Männlichkeit nach Connell. Die hegemoniale Managermännlichkeit

besteht aus Identitätskonstruktionen, symbolischen Repräsentationen und gesellschaft-

lichen (Sozial)-Strukturen, welche untereinander in Wechselwirkungen stehen. An

dieser hegemonialen Managermännlichkeit orientieren sich die anderen Personen und

versuchen durch das Erreichen einer solchen hegemonialen Managermännlichkeit den

sozialen Aufstieg zu schaffen. Diese hegemoniale Managermännlichkeit wird in den

Medien reproduziert. Benachteiligte und Aufstiegsinteressierte erhalten so eine Art An-

leitung um den sozialen Aufstieg zu schaffen.

Mit einer angepassten Variante der Mehrebenenanalyse wurden drei Interviews mit

Daniel Vasella, Viktor Vekselberg und Carsten Schloter aus der Wirtschaftszeitung

Bilanz analysiert. Mit dieser Analyse und der betrachteten Theorie lässt sich die

Forschungsfrage: Welcher Idealtypus von hegemonialer Managermännlichkeit wird in

der Rubrik „Gespräche“ im Schweizer Wirtschaftsmagazin Bilanz in Bezug auf die

Sozialstruktur, die symbolische Repräsentation, die Identitätskonstruktion und ihre

Wechselbeziehungen untereinander reproduziert, nun beantworten:

Bei der Ebene Identitätskonstruktion findet sich ein gemeinsamer Typus des wir-bezo-

genen, teamorientierten, klassenbewussten, besser gestellten, gesetzestreuen,

sozialen, wohlstandsschaffenden, risikobereiten, wettbewerbsorientierten, kosmopoli-

tischen, anpackenden (Macher), erfolgreichen, heterosexuellen, kinderhabenden

Managermannes.

Fazit 47

Bei der Ebene symbolische Repräsentation finden sich klare Bezüge zum aktuellen

kapitalistischen Geist. Dieser besteht aus mehreren Elementen. Das meritokratische

Denken ist als Rechtfertigung stark vertreten. Es gilt weiter als Naturgesetz, dass die

kapitalistische freie Wirtschaftsordnung Wohlstand für alle bringt. Ebenfalls werden die

sozialen Unterschiede als normal und natürlich wahrgenommen. Zudem gehört zur auf-

genommenen Kapitalismuskritik eine klare Ablehnung von gesetzesbrecherischen und

gierigen Praktiken von einzelnen Managern, für welche der persönliche Reichtum wich-

tiger war als das Wohl der Firma und der Gesellschaft. Es besteht die starke Vermu-

tung, dass, neben dem kapitalistischen Geist, auch die geltende Geschlechterordnung

und die Heterosexualität als natürlich angenommen werden.

Bei der Ebene (Sozial-)Struktur finden sich im Herrschaftssystem Kapitalismus starke

Bezüge zum globalen freien Markt. Der Konkurrenzdruck wird immer stärker, die

Aktienmärkte und Investitionen bestimmen über das Wohlergehen der Firmen. Nur die

starken Unternehmen überleben im globalen Wettbewerb. Gesetze bilden einen

regulatorischen Rahmen, an denen sich die Manager halten müssen. Zudem sind die

Netzwerke und Kontakte entscheidend um auf den Märkten Erfolg zu haben. Beim

Herrschaftssystem Patriarchat finden sich starke Bezüge zur heterosexuellen Ehe und

zu Elternschaft. Diese sind auch in der Statistik die häufigste Form des Zusammenle-

bens. Zudem zeigt sich vereinzelt die Bedeutung von männlichen Netzwerken und

homosozialen Räumen.

Es lassen sich zwischen allen Ebenen Wechselwirkungen beobachten. So beeinflusst

der globale Markt beispielsweise die kosmopolitische Identität der Manager oder der

Konkurrenzdruck ihre Wettbewerbsorientierung und Risikobereitschaft. Zwischen den

Ebenen Repräsentation und Identität zeigt sich, dass verschiedene Identitätskonstruk-

tionen wie Gesetzestreue mit der Ausprägung des kapitalistischen Geistes aufgrund

der aktuellen Kritik am Kapitalismus in Wechselwirkung stehen. Ebenfalls zeigen sich

Wechselwirkungen zwischen Repräsentation und Struktur. So gilt Ehe und Hetero-

sexualität als natürlich. Sie ist die meist gelebte Form des Zusammenlebens. Es gibt

ebenfalls Wechselwirkungen zwischen den Kategorien Kapitalismus und Patriarchat.

So gilt die Risikobereitschaft als männliche Zuschreibung, gehört bei den Ergebnissen

hier aber eher zur kapitalistischen Ausprägungen.

Es ist somit gelungen einen Idealtyp der hegemonialen Managermännlichkeit zu be-

schreiben. Im Folgenden möchte ich mich kritisch mit den erzielten Resultaten und der

Arbeit auseinandersetzten. Die Resultate, wie die hegemoniale Managermännlichkeit

aussieht, entsprechen mehr oder weniger den aus der Theorie erwarteten Resultaten.

Fazit 48

Sie zeigen eine Verknüpfung zwischen Kapitalismus und Patriarchat und dem

gebildeten Idealtypus der hegemonialen Managermännlichkeit. Die Ergebnisse zeigen,

was als „normal“ in der Gesellschaft gilt und wie die Mächtigen „ticken“. Es war auch zu

erwarten, dass ein Idealtyp gefunden wird, welcher gesellschaftlich „zu oberst“ ist und

an dem sich alle anderen orientieren.

Das Fehlen einiger von der Theorie erwarteten Resultate bedarf zusätzlicher Erklä-

rung. So ist der Bezug zu Ausbildung, Netzwerken und den homosozialen Räumen, wo

die hegemoniale Managermännlichkeit gebildet wird, recht gering ausgefallen. Dies

erstaunt, da erwartet wurde, dass diese in den Interviews respektive in der hegemonia-

len Managermännlichkeit stärker auftreten würden. So wurde die Bildung bei der

Ebene Struktur nur im geringen Ausmass vorgefunden und es gab von ihr aus keine

eindeutige Wechselwirkung mit anderen Ebenen.

Ausserdem waren auch die Befunde, welche eindeutig im Bereich Männlichkeit, also

Gender, zuzuordnen sind, weit unter den Erwartungen. Dies führt generell zu einer

Schwächung der Resultate, da angenommen wird, dass die hegemoniale Männlichkeit

den Kern des spezifischen Habitus ausmacht. Dafür waren die Ergebnisse, welche die

Seite Kapital betreffen, umso stärker und erlauben hier, eine recht umfassende Darstel-

lung. Zudem konnte bei der Auswertung nicht stark in die Tiefe gegangen werden. Die

untersuchten Aussagen wurden „nur“ mit zusätzlicher Literatur analysiert. Damit blei-

ben allfällig verdeckte Sinnstrukturen im Verborgenen und es besteht die Gefahr einer

zu schnellen reinen Fallwiedergabe statt dem Aufdecken von Neuem.

Die Ergebnisse sollten ausserdem nicht generalisiert werden. Dafür ist die Zahl der

analysierten Interviews zu klein und es fehlen als Vergleich andere (Ideal)-Typen von

Männern und Frauen. Es wurden drei Interviews in einer Zeitschrift analysiert, die

gefundene hegemoniale Managermännlichkeit entspricht also dem vorgefunden Typus

dieser drei Manager in dieser Zeitschrift. Dank der Ausstrahlungskraft der Bilanz und

der Bedeutung der drei Manager kann aber von einer gewissen Breitenwirkung der re-

produzierten hegemonialen Managermännlichkeit ausgegangen werden. Die Resultate

sind zudem eine Momentaufnahme. Ob sich die hegemoniale Managermännlichkeit im

Wandel befindet oder ob die Finanzkrise Einfluss hatte, lässt sich nicht sagen.

Viele der aufgedeckten Schwächen der Resultate hängen direkt mit dem Aufbau der

Arbeit zusammen. Da es sich bei der untersuchten Bilanz um ein Wirtschaftsmagazin

handelt, musste von vornherein angenommen werden, dass die Seite Kapitalismus in

der Analyse zu mehr Resultaten führen würde. Dies wäre beispielsweise in einem

Fazit 49

Interview über Familie in der Schweizer Illustrierten wohl anders ausgefallen. Zumal

verkleinerte die redaktionelle Überarbeitung der Interviews und die Ausrichtung der

Zeitschrift Bilanz die Chance auf abweichende Resultate von vornherein. Zudem bieten

je drei A4 Seiten Interviewtext aus einem Wirtschaftsmagazin nicht eine Fülle an aus-

wertbarem Datenmaterial. Die Mehrebenenanalyse bot aber eine gut strukturierte

methodische Anleitung. Mit der Methode konnten die Interviews Schritt für Schritt unter-

sucht werden, um damit die Zusammenhänge zwischen Kapitalismus und Patriarchat

aufzudecken. Die geringe Anzahl von Interviews und ihre Auswahl lässt sich ebenfalls

kritisieren, da zusätzliche Interviews mehr Informationen gegeben hätte.

Nun soll aufgezeigt werden wie die Forschung einerseits verbessert werden könnte

und wo anderseits weiter geforscht werden sollte. Ein erster spannender Schritt wäre

sicherlich, die Anzahl der untersuchten Manager auszuweiten. Je mehr Manager und je

verschiedener diese sind, desto eher würden sich Aussagen zu einer generellen hege-

monialen Managermännlichkeit machen lassen. Zudem wäre der Blick auf andere

Gruppen wie zum Beispiel ArbeiterInnen, KleinbürgerInnen und MigrantInnen inter-

essant. Eine Untersuchung ihrer Klassen- und Geschlechterhabitus, unter Berücksichti-

gung der gesellschaftlich vorherrschenden hegemoniale Männlichkeit, würde eine Viel-

zahl von weiteren Idealtypen ergeben und das Ausarbeiten eines Leittypus wie der

hegemonialen Managermännlichkeit vereinfachen. Ausserdem wäre eine zeitlich ver-

schobene Betrachtung interessant. Mit Untersuchungen von mächtigen Managern und

anderen einflussreichen Personen über eine längere Zeitspanne könnte die Wandlung

der hegemonialen Managermännlichkeit dargestellt werden. Könnte man damit aufzei-

gen, was zu welcher Zeit als „normal“ galt und was als „abnormal“. Auch würde eine

solche Untersuchung zeigen, welche Personengruppen zu welcher Zeit von den sozia-

len Ungleichheiten profitierten.

Neben der Ausweitung oder Änderung der untersuchten Personen, gilt dasselbe auch

für das Datenmaterial. So liessen sich beispielsweise andere Zeitschriften, TV--

Beiträge, Radiointerviews etc. analysieren um an mehr Informationen zu kommen.

Ebenso könnte so erforscht werden, ob es gesellschaftlich eine hegemoniale Manager-

männlichkeit gibt, welche überall reproduziert wird. Eine eigene Erhebung von Daten,

beispielsweise durch biographische Interviews würde zudem zu zusätzlichem, unbear-

beitetem Material führen und es erlauben den Fokus der Interviews direkt auf die For-

schungsfragen zu legen.

Ebenfalls könnte mit den Auswertungsmethoden variiert werden. Ausser der hier ver-

wendeten Mehrebenenanalyse wäre beispielsweise zusätzliche Erkenntnisse durch die

Fazit 50

Objektive Hermeneutik zu gewinnen; insbesondere um damit verdeckte Sinnstrukturen

aufzudecken. Gerade bei der Ebene Repräsentationen wäre auch eine Diskursanalyse

sehr aufschlussreich, da sie für diese Ebene erschaffen wurde. Es könnten zudem in

die intersektionalen Untersuchungen noch weitere Ungleichheitskategorien betrachtet

werden. Mindestens die Kategorie „Rasse“ empfiehlt sich, doch sind auch weitere wie

Körper, Alter, Weltanschauung etc. denkbar.

Im Bereich der Theorie könnte sowohl der Habitus, als auch die hegemoniale

Managermännlichkeit umfassender hergeleitet und weitere Ausprägungen beschrieben

werden. Zudem könnten zusätzliche Forschungsergebnisse hinzugezogen werden.

Auch könnte der Bereich Kapitalismus in der Theorie weiter ausgebaut werden. Viele

Theorien und Texte in dieser Arbeit stammen aus der Geschlechterforschung. Zudem

könnte der Theorieteil um weitere Theorien der Inter- oder Transdependenzen ergänzt

werden.

Eine weitere spannende Forschung würde sich durch einen Wechsel der Fragestellung

ergeben. So könnte das Forschungsinteresse von „was“ die hegemoniale Manager-

männlichkeit ist zu andern Bereichen hin verlagert werden. Wünschenswert sind Unter-

suchungen zu „wie und wo“ diese hegemoniale Managermännlichkeit konstruiert wird

und zu „warum“ sie existiert. Schliesslich könnte die Forschungsfrage: „Wie sich die

hegemoniale Managermännlichkeit ändern oder abschaffen lässt“, untersucht werden.

Mit diesen weitergehenden Forschungsfragen, zusätzlichem Datenmaterial, diversen

Theorien und Methoden liesse sich dann das Grundinteresse am Zusammenspiel von

Kapitalismus und Patriarchat bei sozialen Ungleichheiten weiter verstehen.

Bibliographie 51

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Selbstständigkeitserklärung 57

Selbstständigkeitserklärung

Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende schriftliche Arbeit selbstständig verfasst

und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Alle

Stellen der Arbeit, die anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen

wurden, habe ich in jedem Fall unter Angabe der Quelle als Entlehnung kenntlich

gemacht. Das Gleiche gilt auch für eventuell beigegebene Zeichnungen und

Darstellungen. Mir ist bekannt, dass ich anderenfalls ein Plagiat begangen habe, dass

dieses mit der Note 1 bestraft wird und dass ich vom Dekan einen Verweis erhalte.

Bern, 20. August 2011 Adrian Michael Durtschi