Pedron, Angelika: Germanismen im Südtiroler Italienisch - Deutsche Entlehnungen in der...

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Deutsche Entlehnungen in der italienischen Schriftsprache Südtirols zur Erlangung des Grades einer Mag. a phil. am Institut für deutsche Sprache, Literatur und Literaturkritik der philologisch-kulturwissenschaftlichen Fakultät an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck verfasst von Angelika Pedron eingereicht bei Ao. Univ.-Prof. Dr. Oskar Putzer -2007-

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Deutsche Entlehnungen in der italienischen Schriftsprache Südtirols

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zur Erlangung des Grades einer Mag.a phil.

am Institut für deutsche Sprache, Literatur und Literaturkritik der philologisch-kulturwissenschaftlichen Fakultät

an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

verfasst von Angelika Pedron eingereicht bei Ao. Univ.-Prof. Dr. Oskar Putzer

-2007-

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis...................................................................................................................2 I. Abkürzungen und Zeichen...................................................................................................6 II. Einleitung ..........................................................................................................................7

II.I. Gegenstand und Ziel der Arbeit....................................................................................7 II.II. Methoden ...................................................................................................................7

0. Wichtige Begriffe zur lingualen Interferenz ........................................................................9 0.1. Interferenz und Entlehnung..........................................................................................9 0.2. Fremdwort und Lehnwort...........................................................................................11

0.2.1. Lehnwörter nach v.Polenz und Schank ................................................................12 0.3. Lexikalische Interferenz oder inneres Lehngut nach Betz...........................................15

1. Linguistische und extralinguistische Faktoren der Übernahme ..........................................16 1.1. Linguistischer (systemhafter) Aspekt der Übernahme: Phonetischer, graph(em)ischer und morphologischer Grad der Integration........................................................................16

1.1.1. Definition des Terminus Integration ....................................................................16 1.1.2. Stellenwert der Entlehnungen in der Replikasprache ...........................................19

1.2. Extralinguistischer (pragmatisch-funktionaler) Aspekt der Übernahme ......................19 1.2.1. Der sachbezogene (onomasiologische) Aspekt.....................................................20 1.2.2. Der sprachökonomische Aspekt...........................................................................22 1.2.3. Der kommunikative Aspekt ..................................................................................22

1.3. Zusammenfassendes Schema: Die Faktoren der Übernahme nach Blasco Ferrer ........26 2. Die soziolinguistische Situation in Südtirol.......................................................................27

2.1. Geographische, demographische und soziologische Eckdaten zu Südtirol ..................27 2.2. Territorialgeschichte und Regionsbildung ..................................................................27 2.3. Die soziolinguistische Situation in Südtirol ................................................................28 2.4. Die Definition des Begriffs Bilingualismus nach Tesch..............................................30

2.4.1. Formen des Bilingualismus .................................................................................30 2.4.2. Entwicklung des Bilingualismus ..........................................................................31

2.5. Die Domänen der Sprachverwendung ........................................................................32 2.5.1. Chronologische Darstellung der Domänen der deutschen Sprache......................33

3. Deutsch in Südtirol – Südtiroler Deutsch ..........................................................................35 3.1. Die Situation der deutschen Sprache in Südtirol .........................................................35 3.2. Die kulturelle Situation der deutschen Sprachgruppe..................................................35 3.3. Varietäten der deutschen Sprache in Südtirol .............................................................36 3.4. Der Sprachgebrauch: Mediale Diglossie.....................................................................37 3.5. Sprachhistorische und sprachtypologische Einordnung des Südtiroler Dialekts ..........38 3.6. Linguistische Besonderheiten.....................................................................................39

4. Italienisch in Südtirol – Südtiroler Italienisch ...................................................................40 4.1. Die besondere Situation der italienischen Sprachgruppe in Südtirol ...........................40 4.2. Die italienische Sprachgruppe vor dem Ersten Weltkrieg ...........................................40 4.3. Die Annexion Südtirols und der Zustrom von Italienern im Faschismus.....................40

4.3.1. Einteilung der italienischen Einwanderer nach ihren beruflichen Tätigkeit .........41 4.4. Geographische Distribution der Italiener in Südtirol...................................................42 4.5. Der „disagio“ der Italiener in Südtirol ........................................................................43 4.6. Die Italiener und ihr Verhältnis zur eigenen Geschichte im Land Südtirol..................44 4.7. Das Italienisch der Italiener in Südtirol ......................................................................45

4.7.1. Die Bildung einer italienischen „Koiné“ auf der Basis der Nationalsprache .......46 4.7.2. Varietäten der italienischen Sprache in Südtirol..................................................48

3

4.7.3. Phonologie des Italienischen in Südtirol..............................................................50 5. Die Deutschkompetenz der Italiener .................................................................................52

5.1. Die Italiener und die deutsche Sprache: Ein schwieriger Start ....................................52 5.1.1. Soziologische Faktoren für die Deutschkenntnisse der Italiener ..........................53

5.2. Die Bemühungen um bessere Deutschkenntnisse .......................................................54 5.3. Die gegenwärtige Deutschkompetenz der Italiener .....................................................54

6. Gegenüberstellung der beiden indoeuropäischen Sprachen Deutsch und Italienisch ..........56 6.1. Die sprachtypologische Klassifikation der Sprachen ..................................................56 6.2. Der Sprachbau im Vergleich ......................................................................................58

6.2.1. Die Komposition und andere Wortbildungsmechanismen des Deutschen im Vergleich mit dem Italienischen ....................................................................................60

7. Das Prestige der deutschen Sprache in Südtirol.................................................................62 7.1. Der Status der deutschen Sprache in der Welt ............................................................62 7.2. Das Prestige der deutschen Sprache in Südtirol im historischen Abriss ......................63

7.2.1. Die Stellung der deutschen Sprache im Faschismus ............................................63 7.2.2. Der „Pariser Vertrag“ - ein gescheiterter Versuch zur Rehabilitation der deutschen Sprache ........................................................................................................63 7.2.3. Vom „Los von Trient“ bis zum „Paket“ ..............................................................64 7.2.4. Das Zweite Autonomiestatut: Der Beginn des sprachlichen „Umdenkens“..........65 7.2.5. Die Achtziger-Jahre: Das wachsende Prestige der deutschen Sprache ................66 7.2.6. Die Sprachsituation von den 90er-Jahren bis heute .............................................67

7.3. Die aktuelle rechtlich-politische Stellung der deutschen Sprache................................68 7.4. Langers positive Voraussetzungen für die Zweisprachigkeit.......................................68 7.5. Einschätzung der drei Varietäten: Italienisch, Hochdeutsch und Südtiroler Mundart ..69 7.6. Der Druck des Deutschen...........................................................................................70

8. Der Sprachkontakt zwischen Italienisch und Deutsch .......................................................71 8.1. Die Definition des Begriffs Sprachkontakt nach Tesch...............................................71 8.2. Forschungsstand ........................................................................................................72 8.3. Geschichtliche Entwicklung des Sprachkontakts zwischen Deutsch und Italienisch ...73 8.4. Faktoren, welche die linguistischen Begebenheiten beeinflussen................................73 8.5. Diamesischer Aspekt .................................................................................................74 8.6. Themenbereiche.........................................................................................................74 8.7. Anpassungsformen in der graphischen Realisierung...................................................75

9. Germanismen im Italienischen..........................................................................................75 9.1. Historischer Abriss der Germanismen im Italienischen ..............................................75 9.2. Germanismen in der italienischen Sprache der Gegenwart .........................................77 9.3. Germanismen im Südtiroler Italienisch: Forschungsstand ..........................................79

9.3.1. Wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Germanismen im Südtiroler Italienisch .....................................................................................................................84 9.3.2. Belege für im Standarditalienisch integrierte deutsche Lehnwörter in der italienischen Schriftsprache Südtirols ...........................................................................89

10. Linguistische Analyse des Lehnguts ...............................................................................97 10.1. Formales zur Einordnung der Entlehnungen.............................................................97

10.1.2. Anführungsform der lexikalischen Belege ..........................................................97 10.2. Einordnung der Entlehnungen nach onomasiologischen Aspekten............................97

10.2.1. Speisen und Getränke........................................................................................97 10.2.2. Politik und Verwaltung....................................................................................106 10.2.3. Land- und Forstwirtschaft ...............................................................................114 10.2.4. Allgemeine Einrichtungen, Vereine/Verbände, Lokalitätseigennamen Feste, Events .........................................................................................................................118 10.2.5. Südtiroler Geschichte ......................................................................................123

4

10.2.6. Drittes Reich ...................................................................................................129 10.2.7. Begriffe aus Kultur und Geisteswissenschaften................................................132 10.2.8. Südtiroler Kultur und Brauchtum ....................................................................137 10.2.9. Rechtswesen ....................................................................................................141 10.2.10. Sport, Spiel und Freizeit ................................................................................142 10.2.11. Mode .............................................................................................................146 10.2.12. Varia .............................................................................................................148

10.3. Einordnung der Entlehnungen nach pragmatisch-funktionalen Aspekten................151 10.3.1. Der kommunikativ-pragmatische Fakor ..........................................................151 10.3.2. Deutsche Ausdrücke mit Symptom- und Signalfunktion....................................151

10.4. Einordung der Entlehnungen nach systemhaften Aspekten.....................................153 10.4.1. Phonetischer, graph(em)ischer und morphologischer Grad der Integration ....153 10.4.2. Sprachlich-formale Vorgeprägtheit .................................................................157

10.5. Ausblick auf den Gebrauch von Germanismen in der gesprochenen Sprache..........158 10.5.1. Gruß- Wunsch- und Anredeformen in der mündlichen Alltagssprache .............158

11. Forschungsergebnisse ...................................................................................................161 11.1. Ausblick ................................................................................................................165

Quellenverzeichnis .............................................................................................................166 Lebenslauf..........................................................................................................................173

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Widmung & Dank

Ein Dank ergeht an meinen Betreuer Ao. Univ.-Prof. Dr.Oskar Putzer für sein offenes Ohr,

seine Anregungen und sein Vertrauen in mein selbständiges Arbeiten.

Danken möchte ich all meinen Freunden für ihre unerschütterliche Loyalität in guten und vor

allem in schlechten Zeiten! Ihr seid unersetzbar.

Danken möchte ich an dieser Stelle aber vor allem meiner Familie, insbesondere meinen

Eltern. Danke für eure aufopfernde Geduld, danke für euren materiellen und besonders euren

immateriellen Beistand, den man mit nichts auf der Welt aufwiegen kann! Ihr habt uns Kinder

stets unterstützt, unsere Bildung wie selbstverständlich gefördert und uns allen die

Möglichkeit gegeben, zu studieren. All dies ist nicht selbstverständlich! Seid euch gewiss:

Wir wissen es zu schätzen!

Widmen möchte ich diese Arbeit

meiner Mutter.

6

I. Abkürzungen und Zeichen Abkürzungen AA = Alto Adige Adj. = Adjektiv ca. = circa/zirka CA = Corriere dell’Alto Adige1 best. = bestimmter Bsp. = Beispiel bzw. = beziehungsweise d.h. = das heißt dt. = deutsch f. = feminin friul. = friaulisch germ. = germanisch geschl. = geschlossen got. = gotisch lang. = langobardisch integr. = integriert it. =italienisch Jh. = Jahrhundert lat. = lateinisch m. = maskulin Ma. = Mundart mhd. = mittelhochdeutsch n. = neutrum nhd. = neuhochdeutsch off. = offen österr. = österreichisch Pl. = Plural Präp. = Präposition Sg. = Singular Standardspr. = Standardsprache süddt. = süddeutsch Tosk. = Toskanisch u. = und u.a. = unter anderem v.a. = vor allem venez. = venezianisch vgl. = vergleiche vs. = versus westl. = westlich z.B. = zum Beispiel

1 Kürzel der restlichen Primärliteratur siehe unter Quellenverzeichnis

Zeichen � = geworden zu � = entstanden aus * = rekonstruierte Form <italienische Entsprechung> <<in it. Standardspr. integr. Lehnwort>>

7

II. Einleitung

II.I. Gegenstand und Ziel der Arbeit

Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung ist die These, dass in Südtirol mit

Inkrafttreten des Zweiten Autonomiestatuts 1972 und der Einführung der

Zweisprachigkeitsprüfung der bis dahin marginale Einfluss der deutschen Sprache an Stärke

und Bedeutung gewonnen hat. Ziel dieser Arbeit ist es nun, einen Beweis dafür zu liefern,

dass im Sprachkontakt der beiden Sprachen Italienisch und Deutsch in Südtirol die

sprachlichen Einflüsse nicht mehr nur in eine Richtung strömen (Italienisch > Deutsch),

sondern mit Verbesserung der Zweitsprachkenntnisse der Italiener auch immer mehr deutsche

Entlehnungen (Germanismen) in die italienische Sprache eindringen.

Die Untersuchung basiert auf schriftlichen Quellen, also auf dem „reflektiertem

Sprachgebrauch“ (vgl. Pernstich 1981: 2). Schriftliches Belegmaterial hat Vor- und

Nachteile: Von Nachteil ist, dass sich die Lehnmotivationen nicht aus dem unmittelbaren

Sprachgebrauch der Sprechergemeinschaft herleiten lassen, sondern nur mehr sekundär

rekonstruiert bzw. vermutet werden können. Andererseits hat es den Vorteil, dass allgemeine

Tendenzen und der Stand der Integration aufgezeigt werden können (vgl. Pernstich 1981:

26). Im letzten Teil der Analyse wird ein kurzer Ausblick auf den Gebrauch von

Germanismen in der gesprochenen italienischen Sprache Südtirols gegeben.

Die Untersuchungsgrundlage der vorliegenden Diplomarbeit bilden zwei italienischsprachige

Südtiroler Tageszeitungen („Alto Adige“ und „Il Corriere dell’Alto Adige“), mehrere

italienischsprachige Sachbücher, die sich mit Südtiroler Themen beschäftigen und

sekundärliterarische Aufsätze zum Thema Germanismen im Südtiroler Italienisch (insgesamt

31). Diese schriftlichen Quellen wurden in Hinblick auf Germanismen untersucht. Auf der

Grundlage dieser Sammlung von Germanismen konnte ein Korpus an deutschem Lehngut in

der italienischen Sprache Südtirols erstellt werden.

II.II. Methoden

Die Ausrichtung dieser Arbeit ist synchron-deskriptiv (vgl. Pernstich 1981: 3). In einem

ersten Schritt werden die für die Analyse gesammelten empirischen Daten des Korpus’ nach

8

Themen bzw. Sachgebieten (semantischer Aspekt) gegliedert. Gleichzeitig wird in einem

zweiten Schritt versucht, die Fremdlexeme im Hinblick auf ihre morphologische, phonetische

und graph(em)ische (systemhafter Aspekt) Beschaffenheit bzw. ihren Integrationsgrad hin

zu beschreiben und die jeweilige Lehnmotivation (pragmatisch-funktionaler Aspekt) zu

rekonstruieren.

Als Zeitraum für die beiden Tageszeitungen „Alto Adige“ und „Il Corriere dell’Alto Adige“

wurde der Jahrgang 2005 ausgewählt, wobei beim „Alto Adige“ die Monate Jänner bis

Dezember untersucht wurden, beim „Corriere“ hingegen nur der Zeitabschnitt Juli bis

September. Das Zufallsprinzip bestimmte die Auswahl der einzelnen Ausgaben:

Schätzungsweise wurden beim „Alto Adige“, der im Jahr 1945 gegründet wurde und die

auflagenstärkste und meist gelesene italienische Tageszeitung Südtirols ist2, pro Monat

durchschnittlich an die 13-14 Zeitungen auf Germanismen hin durchgesehen, der 2003

gegründete „Corriere“ wurde hingegen nur stichprobenartig herangezogen. Bei der

Untersuchung war das besondere Augenmerk auf die Provinz Bozen und die den deutschen

Sprachraum betreffenden Themen gerichtet. Besonders interessant dabei war, dass im

„Corriere dell’Alto Adige“ trotz des kurzen Untersuchungszeitraumes proportional und

distributionell gesehen mehr Germanismen vorkommen als im „Alto Adige“. Einerseits rührt

dies sicherlich daher, dass sich der „Corriere“ ausschließlich auf lokale Berichterstattung mit

Kommentaren und Editorials beschränkt, andererseits ist es aber auch darauf zurückzuführen,

dass die Zeitung eher links-liberal ausgerichtet ist und sich vor allem an Leser der mittleren

bis höheren Bildungsschicht, also an die Intellektuellen, wendet. Der Umgang mit

Germanismen erscheint hier jedenfalls freier und ungezwungener3.

Der Vorteil bei Zeitungen ist, dass sie alle Gebiete des täglichen Lebens abdecken und somit

ein umfassendes Spektrum liefern. Dazu trägt auch die Tatsache bei, dass die Beiträge in den

Zeitungen von verschiedenen Autoren geschrieben werden (Pernstich 1981: 26f). Diese kann

man aber diastratisch eingrenzen, denn die Autoren - vor allem die namentlich genannten

Autoren der Leitartikel im „Alto Adige“ - gehören der Bildungsschicht bzw. den

Intellektuellen an. Ihrem Bildungsniveau entsprechend ist auch das Vokabular, das

gelegentlich auch auf fremde Lexeme zurückgreift.

Die in den Tageszeitungen verbreiteten Themenbereiche, in denen Germanismen vorkommen,

sind etwa Lokalpolitik, Südtiroler Geschichte, Gastronomie, Südtiroler Kultur und

Brauchtum, Alltagssprachliches, Einrichtungen/Verbände, Feste/Events, Mode oder

Sport. 2 http://it.wikipedia.org/wiki/Alto_Adige_(quotidiano) 3 vgl. http://it.wikipedia.org/wiki/Corriere_dell'Alto_Adige

9

Die Untersuchung der beiden anderen schriftlichen Quellen, den Sachbüchern und der

Sekundärliteratur, dehnt sich auf einen größeren Zeitraum aus, nämlich den von 1963 bis

2005. Er umfasst also ca. 40 Jahre. Hier wurde der Fokus jedoch weniger auf den Zeitraum

und die synchrone Beschreibung gerichtet, sondern auf die verschiedenen Sachbereiche, in

denen Germanismen anzutreffen sind. Die Themenbereiche der Fach- und Sachbücher, die auf

Germanismen hin untersucht wurden, sind: Südtiroler Geschichte, Südtiroler Kultur und

Brauchtum, Freizeit, Gastronomie, Sport, Landwirtschaft und Rechtswesen.

Die in der Sekundärliteratur vorkommenden Germanismen sind in folgenden Bereichen

auszumachen: Lokalpolitik, Mode, Gastronomie, Alltagssprache/Floskeln, Alpinismus,

Mineralogie, Signalwörter, Drittes Reich, Habsburgerzeit, Geisteswissenschaften und

Kultur.

0. Wichtige Begriffe zur lingualen Interferenz

0.1. Interferenz und Entlehnung

Zwischen diesen beiden Begriffen herrscht in der Linguistik weitgehend Unklarheit vor.

Weinreich definiert Interferenz als von der Sprachnorm abweichende Elemente, die vor

allem bei Bilingualen als Ergebnis einer Sprachkontaktsituation auftreten. In diesem Sinne

wird unter dem Begriff der Interferenz sowohl die gegenseitige als auch die einseitige

Beeinflussung verstanden. Also kann es bei Zweisprachigen laut H. Paul passieren, dass die

Muttersprache durch die fremde Sprache und die Fremdsprache durch die eigene Sprache

beeinflusst wird.

Entlehnungen werden meist an die eigene Sprache angepasst. Nach Luedke ist die

Entlehnung „die Beeinflussung einer Sprache in ihrem Wortschatz sowie in ihrer

Wortbildung“ (Luedke zitiert nach Tesch 1978: 33). Die Interferenz betrachtet er hingegen als

lexikalische und phonetisch/phonologische, morphologische und syntaktische Einflüsse.

Haugen unterscheidet beim so genannten „borrowing“ zwei Lehnvorgänge: „importation“

vs. „substitution“ zu Deutsch: „Übernahme“ und „Ersetzung“. Im ersten Fall wird das

sprachliche Zeichen als Ganzes übernommen, im zweiten erfolgt nur eine Entlehnung von

Inhalten und/oder Strukturmustern.

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Juhász führte den Terminus „Transfer“ ein, dem zufolge eine Sprache A auf eine Sprache B

einwirkt, ohne deren Norm zu schädigen. Den Fall der Normenverletzung bezeichnet er

hingegen als „Interferenz“.

Auch Czochralski stellte eine Unterscheidung zwischen den Begriffen Interferenz und

Entlehnung auf. Seinen Ausführungen zufolge handelt es sich bei der Entlehnung um die

„Herübernahme fremden Sprachguts in die Muttersprache“ (Czochralski 1971 zitiert nach

Tesch 1978: 36), während die Richtung der Übertragung bei der Interferenz umgekehrt ist,

denn „als Modelle werden muttersprachliche Strukturen […] auf die Fremdsprache

übertragen, richtiger – projiziert.“ (Czochralski zitiert nach Tesch 1978: 36). Interferenz

betrachtet er als „Die gegenseitige Einwirkung und Beeinflussung von Strukturen, die zwei

verschiedenen Sprachsystemen angehören.“ (Czochralski zitiert nach Tesch 1978: 35).

Weiters empfindet er die Entlehnung als „Bereicherung der Muttersprache um eine in ihr

bisher nicht vorhandene oder als irgendwie besser empfundene sprachliche Einheit“

(Czochralski zitiert nach Tesch, 1978: 36), während er die Interferenz als „einen Mißbrauch

der Fremdsprache gemäß einem systemfremden Modell“ (Czochralski zitiert nach Tesch

1978: 36) betrachtet.

Der Hauptunterschied zwischen den beiden Begriffen ist also der, dass Interferenz in der

Sprachverwendung erfolgt, die Entlehnung hingegen durch den lingualen

Integrationsprozess ein Bestandteil des Sprachsystems4 wird. Dabei muss der Faktor

„Zeit“ nicht unbedingt eine Rolle spielen, wie es beispielsweise Kirkness und W. Müller

annehmen, indem sie sagen, dass die Entlehnung schon eine gewisse Zeit des Gebrauchs

voraussetzt. Oft wird der Terminus „Entlehnung“ auch im weiteren Sinn verwendet. Er

umfasst also Vorgang und Ergebnis des Prozesses.

Scheler unterscheidet drei Lehntypen:

a) primäre oder heterogene Entlehnungen: Fremdartige Gebilde werden übernommen und

bewirken eine qualitative Veränderung.

b) partielle oder homogene Entlehnungen: In der Muttersprache werden durch fremden

Einfluss neue Varianten einer bekannten Struktur geschaffen und veranlassen ebenfalls eine

qualitative Veränderung.

4 Wenn die „Abweichung“ (das Interferenz- oder Entlehnungsprodukt) fester Bestandteil des Sprachverkehrs und zur Norm wird, spricht man von Integration (Tesch 1978: 38). Hier sein auf E. Martins´ Definition hingewiesen: „Die Interferenz gehört der Parole an, wenn sie nur als Notlösung momentan und – meistens – unbewusst auftritt. Wenn sie bewußt und kollektiv betrieben wird, um notwendig gewordene Begriffe einzuführen, hinterläßt sie dauernde Spuren in der Langue“ (E. Martins 1970 zitiert nach Tesch 1978: 40)

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c) sekundärer Einfluss: Durch fremden Einfluss wird der Gebrauch von muttersprachlichen,

heimischen Sprachphänomenen gesteigert und bewirkt quantitative Veränderungen (Tesch

1978: 31-38).

0.2. Fremdwort und Lehnwort5

H. Hirt bemerkte schon 1921:

„Man unterscheidet heute im gelehrten Sprachgebrauch Lehn- und Fremdwörter, indem man unter Lehnwörter die Worte versteht, die vollständig in unseren Sprachgebrauch aufgenommen und eingedeutscht sind, während man mit Fremdwörtern deutlich erkennbare Entlehnungen bezeichnet. Diese Unterscheidung kann aber nicht als wesentlich angesehen werden; sie ist ein Ergebnis des Zufalls und der Zeit.“ (Hirt zitiert nach Tesch 1978: 45)

Unter Fremdwort versteht man im Allgemeinen eine lexikalische Einheit, die aus einer

anderen Sprache übernommen wurde, aber in das phonologische, morphologische und

semantische System der Aufnahmesprache noch nicht (ganz) eingegliedert ist.

Unter Lehnwort versteht man ein in Form und Inhalt (Bedeutung) aus einer fremden Sprache

übernommenes Einzelwort, das bei Aufnahme in das heimische Sprachsystem gewisse

morphologische, phonetisch/phonologische, graphische und semantische Veränderungen

erfährt (Beispiel: lat. corpus � dt. ‚Körper’). So wird das lexikalische Element vollständig in

das neue Sprachsystem integriert und angepasst, gewissermaßen leicht modifiziert.

Wie schwierig es jedoch ist, diese beiden de facto zu unterscheiden, zeigt Haugens

Kommentar bezüglich des Lehnguts im Deutschen: „The Germans make a distinction

between the Lehnwort, a historical fact, and the Fremdwort, a contemporary fact. But it does

not appear just how the line is to be drawn.” (Haugen 1950 zitiert nach Tesch 1978: 45) Auch

Zindler schlägt in dieselbe Kerbe, indem er sagt, dass sich das Fremdwort vom deutschen

Wort in Aussehen, Lautung und Betonung unterscheidet, Lehnwörter sich jedoch dem

Deutschen angleichen (Tesch 1978: 45).

Synchronisch betrachtet beschränken sich Fremdwörter laut v.Polenz auf den individuellen

Gebrauch: Der einzelne Sprachteilnehmer verwendet ein Wort oder eine Wendung einer

5 Tesch 1978: 42-45

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Fremdsprache nur manchmal und dann als Zitatwort6. Ein solches ist beispielsweise das von

Akademikern oft benutzte lateinische Adverb ‚pro forma’, welches in der deutschen Sprache

nur Zitatcharakter hat. Auch Bezeichnungen für Dinge, die es nur bei anderen Völkern gibt

wie z.B. ‚Kolchose’, sind als Zitatwörter einzustufen. Für das Verständnis beim Leser oder

Gesprächspartner ist die Kenntnis der Fremdsprache vorauszusetzen. (v.Polenz 1979: 22f).

Pernstich verwendet weitgehend synonym zum Begriff Zitatwort den Terminus Direkte

Übernahme. Dabei behalten Wörter und Wortgruppen (mindestens zwei syntaktisch

verknüpfte Wörter7) die fremdsprachliche Lautgestalt und Norm bei Übernahme in die

Muttersprache bei. Direkte Übernahmen sind wie die Zitatwörter Gelegenheitsbildungen.

Auch Wörter, welche Dinge bezeichnen, für die der Muttersprachler entweder kein

„eigensprachliches Pendant“ hat, dieses nicht kennt oder ihm nicht geläufig ist, sind laut

Pernstich als Direkte Übernahmen zu bezeichnen. Stilistische Absichten spielen dabei nicht

selten eine wichtige Rolle, denn mittels Zitatwort kann beispielsweise Ironie ausgedrückt oder

Sprachspiel betrieben werden. Weiters kann der fremde Ausdruck „präziser, expressiver,

treffender“ sein (Pernstich 1981: 56; 66).

Die Unterscheidung zwischen Fremd- und Lehnwort bleibt jedoch weitgehend dem

Sprachgefühl des einzelnen Beurteilers überlassen. Somit gibt es auch keine endgültige

Entscheidung (Tesch 1978: 45).

0.2.1. Lehnwörter nach v.Polenz und Schank

In der Fremdwort-Lehnwortforschung dominierte sehr lange ausschließlich der

diachronische bzw. etymologische Ansatz. Seit Mitte der 70er-Jahre rückte jedoch der

synchronische Forschungsansatz bei der Beschreibung des Lehnguts stärker ins Zentrum

(Schank 1979: 32), der sich mit folgender Frage beschäftigt „Wie verhalten sich die Wörter

fremdsprachiger Herkunft im Systemzusammenhang des Wortschatzes zu den

sinnbenachbarten Wörtern aus heimischem Sprachmaterial?“ (Zitat v.Polenz 1979: 17).

Lehnwörter sind synchronisch betrachtet alle Wörter fremdsprachlicher Herkunft, die von

einer größeren Gruppe verwendet werden. Diese Wörter lassen sich in sprachsoziologische

Kategorien unterteilen:

6 Zitatwörter = Wörter für Gegenstände, für welche der Sprecher kein passendes eigensprachliches Pendant kennt. Lexeme, welche in Lautgestalt und Norm der Fremdsprache folgen, in der Sprachgemeinschaft wegen ihrer Häufigkeit jedoch so integriert sind, dass man sie nicht mehr als „ad-hoc“-Übernahmen bezeichnen kann, stellen die erste Stufe der sprachlichen Integration dar (vgl. Pernstich 1981: 56f). 7 Pernstich 1981: 59

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- Bildungswortschatz: Dies sind Wörter, die nur von akademisch Gebildeten

verwendet werden und meist auch nur von ihnen verstanden werden, aber nicht an

bestimmte Fachbereiche gebunden sind (Bsp.: ‚nonkonformistisch’).

- Fachwortschatz: bezieht sich auf Lehnwörter bestimmter Berufe und Sachgebiete.

- Gemeinwortschatz: ist allen Sprachteilhabern einer Sprachgemeinschaft geläufig

und gehört zu deren aktivem Wortschatz (v.Polenz 1979: 23f).

Laut v.Polenz kommt es in der Lehnwortforschung darauf an,

a) von wem das Wort gegenüber wem benutzt wird

b) wie die Sprech- oder Schreibsituation, der Sachbezug, der Kontext und die Stilfärbung sind

c) welche Stellung das Lehnwort im zugehörigen Wortfeld einnimmt

d) wie die graphische, phonetische und die flexivische Angleichung aussieht (Schank 1979:

36).

Schank ergänzt bzw. erweitert v.Polenz’ Merkmale um folgende Kriterien:

• Frequenz/Häufigkeit von Lf8: Die Häufigkeit des Vorkommens von Lf in

muttersprachlichen Texten weist uns auf die Verbreitung und den Bekanntheitsgrad des

Fremdlexems hin.

• Kommentierungen zu Lf: Wird ein Fremdlexem im muttersprachlichen Kontext zum

ersten Mal verwendet, kommt es häufig vor, dass der Sprecher/der Schreiber die

Neueinführung kommentiert, was darauf hinweist, dass das Fremdlexem noch nicht in das

aufnehmende Sprachsystem integriert ist, sondern erst am Anfang dieser Entwicklung

steht und dass der Hörer/der Leser eventuell noch Verständnisschwierigkeiten hat. Eine

solche Kommentierung könnte in etwa so aussehen:

- „Lf (um ein lateinisches Wort zu gebrauchen […] )“

Die sprachliche Kommentierung kann auf verschiedene Art und Weise erfolgen:

Einerseits durch Übersetzungen oder Erläuterungen (Schank 1979: 37f), andererseits

durch das Setzen von Anführungszeichen. Diese drei Kommentierungsformen

unterstreichen den Zitatcharakter eines Wortes (Pernstich 1979: 62f).

• Synonyme zu Lf: Ein Lf kann übernommen werden, weil es in der eigenen Sprache für

die neu eingeführte Sache keine Bezeichnung, keine Synonyme gibt.

8 Lf = fremdsprachliches Lexem

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• Soziale Verbreitung von Lf: Das Fremdlexem ist zunächst nur wenigen Benutzern

geläufig, dringt dann aber mit der Zeit in den passiven oder aktiven Wortschatz der

Sprachgemeinschaft ein. Für seine Verbreitung ist zunächst der Begriff „soziale Gruppe“

relevant. Weiters hängt die Fremdwortverwendung auch maßgeblich von der (Aus-)

Bildung seines Benutzers ab ( = soziale Schicht).

• Verwendungssituationen von Lf: In diesem Kontext kommt die Frage nach den sozialen

Situationen, in denen Fremdlexeme verwendet werden, zum Tragen. Man unterscheidet

dabei zwischen geschriebener und gesprochener Sprache.

• Textsortenspezifische Verwendung von Lf: Als Desideratum führt Schank hier eine

Texttypik für die geschriebene und gesprochene Sprache an, mittels der die graduelle

Verbreitung eines Fremdlexems dezidierter beschrieben und verfolgt werden kann (so wie

beispielsweise das Lf ‚Hit’ aus der Textsorte Schlageransage in die Textsorte „Werbetext“

wandert).

• Sachbereichspezifische Verwendung von Lf: Viele Fremdlexeme werden zunächst nur

in einem sehr eingeschränkten Sachbereich und –Zusammenhang verwendet. Von diesem

Ausgangsbereich können sie dann in andere Sachbereiche übernommen werden.

• Phonembereich von Lf: Das Lf kann ein oder mehrere Phoneme besitzen, die das

Phoneminventar der aufnehmenden Sprache nicht kennt. Diese fremden Phoneme werden

mit der Zeit durch klangähnliche und vertrautere Phoneme des muttersprachlichen

Phonemsystems ersetzt.

• Flexion von Lf: Manche Fremdlexeme haben bei der Übernahme ins heimische

Sprachsystem noch eine andersartige Flexion. Bei steigender Verbreitung des Lfs kann es

dazu kommen, dass dieses flexivisch an die Zielsprache angepasst wird.

• Betonung von Lf: Meist bleibt die ursprüngliche Betonung des Lfs erhalten, kann sich

aber auch an das Betonungsschema der aufnehmenden Sprache angleichen. Bei schriftlich

fixierten Texten kann man die Betonung allerdings nur in sprachlich gebundenen Texten

überprüfen, in der gesprochenen hingegen kann sie problemlos überprüft werden.

• Wortbildung von Lf: Dabei denke man an Fälle, in denen fremde Morpheme in der

eigenen Sprache aktiv und produktiv werden können (z.B. das englische Suffix -ing im

Deutschen � ‚Camping’, ‚Dancing’)

• Motiviertheit von Lf als ein sprachliches Zeichen in muttersprachlichen Kontexten:

An der Zahl der vom Benutzer verwendeten Kommentare zu einem Fremdlexem ist

dessen Motiviertheit erkennbar.

15

• Sprachliche Distribution von Lf ( = semantischer Gesichtspunkt): Hierbei könnte

einerseits die Frage nach den „lexikalischen Solidaritäten“ zwischen dem Lf und dem

muttersprachlichen Ausdruck, andererseits die Bildung von Syntagmen und

Phraseologismen mit dem Lf als „tragendem Element“, interessant sein.

(vgl. Schank 1979: 37-42).

0.3. Lexikalische Interferenz oder inneres Lehngut nach Betz

Betz stellt in seiner Arbeit „Deutsch und Lateinisch“ (1949) drei Möglichkeiten der

lexikalischen Entlehnung fest: Lehnwort, Lehnbildung und Lehnbedeutung. Lehnbildung

und Lehnbedeutung fasst er unter dem Oberbegriff Lehnprägung zusammen. Im Gegensatz

zum Lehnwort bilden Lehnprägungen „die fremde Lexikoneinheit mit eigensprachlichem

Material nach“ (Zitat Tesch 1978: 112). Lehnwörter sind also äußeres Lehngut

(Materialentlehnungen), Lehnprägungen inneres Lehngut (Tesch 1978: 111f). Beim inneren

Lehngut wird nur die Inhaltsseite übernommen, während beim äußeren Lehngut die

Inhaltsseite gleichzeitig mit der Ausdrucksseite übernommen wird (Pernstich 1981: 94f).

Abb.1. Das innere Lehngut (vgl.: Pernstich 1981: 104)

Wenn ein neuer Wortkörper gebildet wird, spricht man von Lehnbildung. Nimmt ein

eigensprachliches Wort die Bedeutung eines fremdsprachlichen Wortes an, ist von

Lehnbedeutung die Rede. Die Lehnbildung untergliedert Betz weiter in Lehnformung, bei

der einerseits Glied für Glied (Lehnübersetzung), andererseits auch nur Einzelglieder

16

übersetzt sein können (Lehnübertragung), und Lehnschöpfung, bei der ein neues,

eigensprachliches Wort geschaffen wird, das sich formal nicht an das fremdsprachliche

Vorbild anlehnt (Pernstich 1981: 96; 141).

1. Linguistische und extralinguistische Faktoren der Übernahme

1.1. Linguistischer (systemhafter) Aspekt der Übernahme: Phonetischer, graph(em)ischer und morphologischer Grad der Integration

1.1.1. Definition des Terminus Integration

Integration ist laut Metzler (2000) die Bezeichnung „für die Eingliederung von

anderssprachigen Elementen in das System oder das Lexikon einer Spr.[ache]“ (Zitat Metzler

2000: 305). Im Unterschied dazu treten Interferenzen laut Weinreich nur in der Rede bzw.

der Sprachverwendung auf, während Integrate bereits Bestandteil der Norm im Sprachsystem

geworden sind. Die Grenze zwischen den beiden ist jedoch nur schwer zu ziehen, denn die

Übergänge sind fließend. Man spricht von Integraten, wenn die Interferenzen vollständig an

die Empfängersprache angepasst und eingebürgert sind und auch im Sprachverkehr einer

Sprechergemeinschaft verwendet werden. (Pernstich 1981: 39-42).

Wenn Lehngut aus anderen Sprachen in die eigene Sprache übernommen wird, kann die

aufnehmende Sprache auf den verschiedenen Ebenen des Sprachsystems beeinflusst werden.

Je nach Assimilierung oder Nichtassimilierung der Lehnwörter (im weitesten Sinne) in

phonetischer, graphischer und morphologischer Hinsicht unterscheidet man (assimilierte)

Lehnwörter (im engeren Sinn) und (fremd gebliebene) Fremdwörter (Metzler 2000: 402).

Auch zwischen den beiden Begriffen Lehnwort und Fremwort kann man nur schwer eine

genaue Grenze ziehen. Laut Stiberc sind die beiden Begriffe gewissenmaßen wie zwei Pole,

zwischen denen es Abstufungen gibt. Hauptkriterium für die Zuweisung ist der Grad der

Anpassung an die Replikasprache9, wobei die Aussprache (Lautung und Betonung), die

Schreibung und die Flexion eine tragende Rolle spielen (Stiberc 1999: 171).

9 Replikasprache = beeinflusste (dominierte) Sprache (http://romani.uni-graz.at/romani/download/files/gls50-igla.pdf)

17

Ausschlaggebend für die Unterscheidung zwischen Fremd- und Lehnwort sind nach W.

Müller vor allem „die graphischen, die grapho-phonetischen und die semantisch-

lexikalischen sowie die grammatisch-morphematischen Merkmale“ (Zitat Müller 1979: 60).

a) Phonetische und graphisch-graphemische Integration

Mit Wörten, die eine für die aufnehmende Sprache untypische Schreibung (Schriftbild10) und

Lautung haben, die es im Phonem- bzw. Graphemsystem nicht gibt, wird auf folgende Art

und Weise verfahren:

• Entweder wird das eigene Laut- bzw. Graphemsystem erweitert oder

• der fremde Laut/der fremde Buchstabe wird in das eigene Laut- oder Graphemsystem

integriert, indem er mit einem Ersatzlaut/Ersatzbuchstaben ausgetauscht wird.

Aber nicht nur Laute, sondern auch Lautkombinationen können typisch oder untypisch für

eine Sprache sein (vgl. Stiberc 1999: 171ff). Dies wären im Italienischen beispielsweise „pf“,

„st“ und „sp“.

b.) Morphologisch-grammatische Integration

Von grammatischer Integration spricht man, wenn ein Lehnwort die Form einer bestimmten

Flexionsklasse (Deklination, Konjugation) der Replikasprache annimmt, also an deren

Mustern angepasst wird. Das Lehngut gliedert sich auf diese Weise grammatisch in der

Nehmersprache ein.

Tesch führt exemplarisch einige Fälle der grammatischen Integration der Nomina an:

• Kasusintegration: Meistens wird das Wort nur in einer Kasusform entlehnt, die

gleichsam als „Leitform“ oder „Leitkasus“ auftritt. Nomina werden normalerweise in ihrer

Nominativ-Singular-Form übernommen. Wenn sich das Lehnwort jedoch nicht

automatisch in das Flexionssystem der aufnehmenden Sprache einfügt, können

Unregelmäßigkeiten in der Flexion auftreten. Zu bemerken ist weiters, dass der Kasus in

nicht-deutschen Sprachen nicht nur durch Endungen, sondern auch durch Artikel oder

diesen ersetzende Wörter ausgedrückt werden kann. Tesch zufolge ist dies „ein Indiz für

geringe linguale Integration“ (Zitat Tesch 1978: 182).

10 Müller 1979: 62

18

• Numerusintegration: Von Numerusintegration spricht man, wenn das fremde Lexem an

die Numerus-Bildung der Replikasprache angepasst wird (Singular- bzw. Pluralbildung).

• Genusintegration: Lehnwörter erfahren oftmals einen Genuswechsel (Artikel). Mit

Baranow gesprochen erfolgt die Genuswahl entweder nach dem natürlichen Geschlecht,

der Wortform oder der Bedeutung der verdrängten Synonyme. Das Lehnwort wird auch

oft dem gleichen Genus zugeteilt, das die nächstliegende Übersetzung besitzt (vgl. Tesch

1978: 181-187).

• Wortbildungsintegration: Nach W. Müller sind die Fremdlexeme einerseits immer unter

Einbeziehung der verschiedenen grammatischen Kategorien zu betrachten und

andererseits – falls gegeben – auch unter semantisch-lexikalischen Gesichtspunkten

(Wortbildungsmittel: Suffixe, Präfixe). (Müller 1979: 62). Wenn sich Lehngut mit

indigenen Wortbildungsmustern verbindet, wird es in der Empfängersprache produktiv

(vgl. Tesch 1978: 181-187).

Differiert der Grad der Integration eines Fremdlexems auf verschiedenen Ebenen der

linguistischen Beschreibungen, spricht man von nicht vollständiger oder partieller

Integration. So kann ein übernommenes Wort beispielsweise zwar der phonetischen

Repräsentation der Replikasprache entsprechen, aber graphisch nicht repräsentiert werden

(vgl. engl. ‚match11’). Wenn die Entlehnung auf allen Ebenen angepasst ist, spricht man von

vollständiger Integration.

Für nicht vollständig oder partiell Integriertes lassen sich Skalen aufstellen, mittels derer

der Grad der Integration angegeben werden kann:

1.) eine Skala, die den Integrationsgrad z.B. an der Unsicherheit eines Sprechers in Bezug

auf die morphologische, graphische oder phonetische Realisierung einer Entlehnung

misst.

2.) eine zweite Skala, die den Integrationsgrad auf jeder einzelnen Ebene der

Beschreibung (Morphologie, Phonetik, Graphie) nach Integration und Nichtintegration

analysiert.

Partielle Nichtintegration auf graphischer und morphologischer Ebene treten häufig

kombiniert auf (Wienold 1979: 107). Aufschluss über den Grad der Integration des entlehnten

Wortes geben unter anderem auch das „Kursiv-Setzen“ des Ausdrucks, das Anführen von

Übersetzungen oder Erläuterungen (vgl. Schank 1979: 37f), das Setzen von Klammern

und/oder das „Unter-Anführungszeichen-Setzen“ des Fremdlexems.

11 Im Deutschen würde es graphisch ‚Metsch’ heißen.

19

1.1.2. Stellenwert der Entlehnungen in der Replikasprache

Den Stellenwert, den die jeweiligen Interferenzen bzw. Integrate in der entlehnenden Sprache

einnehmen, kann man wie folgt beschreiben:

• Manche fremdsprachlichen Ausdrücke haben keinen eigensprachlichen Konkurrenten,

sind also unvermeidbar (Interferenzen ohne eigensprachliche Entsprechung)

• Manchen fremdsprachlichen Ausdrücken steht ein eigensprachliches Pendant zur

Verfügung. Diese „Entsprechungspaare“ stehen also in einem mehr oder weniger

starken, konkurrierendem Verhältnis zueinander (Interferenzen mit eigensprachlicher

Entsprechung)

• Manche fremdsprachliche Ausdrücke stehen zur entlehnenden Sprache in

komplementärer Beziehung. Sie bereichern und differenzieren den Wortschatz

(Moser/Putzer 1980: 151-155).

1.2. Extralinguistischer (pragmatisch-funktionaler) Aspekt der Übernahme

Die extralinguistischen Faktoren des Sprachwandels bzw. der Übernahme gehören der der

Pragmatik und Sigmatik an. Die linguistischen Faktoren beziehen sich laut K.H. Schmidt

(1973) auf Sprache als homogenes System, während sich die extralinguistischen Faktoren auf

Sprache als heterogenes Diasystem beziehen. Die durch Kontakt bedingte Interferenz ist

ergo als ein extralinguistisch-pragmatischer Bestandteil des Sprachwandel zu untersuchen.

Unter „Lehn-motivation“ versteht man das Suchen nach den Gründen der Entlehnung.

Dieser Terminus kann im eigentlichen Sinne nur für den „kommunikationsbezogenen Aspekt“

in Anspruch genommen werden.

Die „äußeren Voraussetzungen“ oder „Realursachen“ der Interferenz sind charakterisiert

durch die jeweiligen historischen, geographischen, politischen, ökonomischen und sozialen

Faktoren. Dem Faktor Modus der Zweisprachigkeit kommt hierbei eine besondere Bedeutung

zu: Die Abhängigkeit des Lehnmodus hängt vom Grad des Bilingualismus ab.

Untersucht werden sollen hier die „Inneren Ursachen“. Eine exakt-systematisierende

Untersuchung der Interferenz- bzw. Integrationsmotivation war im Jahre 1979 noch nicht

vorhanden. Weinelt meint skeptisch hierzu, dass der Grund, aus dem ein Fremdwort anstelle

eines eigenen Wortes verwendet werde, meist nicht anzugeben sei.

20

Der Zufall sei meist nicht auszuschließen, jedoch sind auch typische Motivationen erkennbar.

Je nach Sprachebene, Denotatbereich, Areal- und Schichtzugehörigkeit treten hierbei jedoch

Variationen auf. Auch sind die Motivationsfunktionen bei unilingualen Sprechern anders

gelagert als bei bi- oder multilingualen, bei Individuen anders zu bewerten als bei sozialen

Gruppierungen.

Weinreich stellt die Differenz zwischen infra- und extralinguistischen Motivationen auf.

Baranow untergliedert die infralinguistischen Motivation weiters in die Faktoren

Sachbezogenheit, Sprachökonomie und relative Häufigkeit. Die extralinguistischen

Motivationen nennt er „kommunikativer Aspekt“.

Es ist immer schwierig, einen Motivationsfaktor isoliert zu analysieren, da meist mehrere

Faktoren zusammenwirken. Tesch versucht trotzdem eine Differenzierung:

1.2.1. Der sachbezogene (onomasiologische) Aspekt

Extralingual hervorgerufene Bezeichnungslücken (Bellmann bezeichnet dies als „Eins-zu-

Null-Äquivalenz“) motivieren sprachliche Entlehnungen.

Foltin meint hierzu: „Im Sachwandel /und im Begriffswandel/ ist wohl die wichtigste Ursache

für den Untergang und die Neubildung von Bezeichnungen zu suchen.“ (Foltin 1963 zitiert

nach Tesch 1978: 201). Unter anderem kann der Sach- und Begriffswandel kontaktbedingt

erfolgen, nach dem Motto: „Interferenz im lexikalisch-semantischen Bereich tritt also dort

auf, wo die Kenntnis der Sx einen Bedarf, eine Distinktion hervorgerufen hat, die Sy nicht

kennt oder nötig hat.“ (Martins 1970 zitiert nach Tesch: 201).

Zu einer Bezeichnungsentlehnung kommt es vor allem, wenn die sachliche Innovation aus

einem fremden Kulturkreis importiert wird, in dem es schon die entsprechende Bezeichnung

gibt. Der Bikulturalismus wirkt nach folgendem Prinzip: „neue ‚Sache’, neue Bezeichnung,

interferenzfördernd, besonders dann auch, wenn – hier kommt der Faktor Sprachökonomie

mit ins Spiel – die Fremdbezeichnung weniger lange syntagmatische Einheiten fördert.“ (vgl.

Oksaar 1972 zitiert nach Tesch 1978: 202).

Als zusätzlicher Teil-Motivationsfaktor sei auch die zwischen Wissenschafts- und

Fachsprachen notwendige internationale Verständigung angeführt, die auf immer mehr

kollektivierende Sprachformen zusteuert.

Baranow spricht im Zusammenhang mit den Appellativa, die von ihrer kontextuellen

Funktion her in die Nähe von Eigennamen rücken (das sind beispielsweise Bezeichnungen für

Ämter, Geschäfte, Schulen), von „Lehnzwang“. Denn offenbar erweist sich die Verknüpfung

21

von Bezeichnung und Sache im zwischensprachlichen Kontext als so beständig, dass die

Fremdwörter die Bezeichnungslücke füllen.

Ühmann nennt die Kategorie sachnotwendiger Entlehnungen Bedürfnislehnwörter und stellt

sie den Luxuslehnwörtern gegenüber, also jenen Fremdwörter, die in die Sprache einflossen,

ohne dass ein wirkliches materielles Bedürfnis bestand, weil einheimische Synonyme zur

Verfügung standen. Nach Zindler gibt es allerdings keine reinen Luxuslehnwörter, weil

nämlich in der Sprache keine Synonyme im eigentlichen Sinne des Wortes existieren. Deroy

spricht im Zusammenhang mit Luxuslehnwörtern von „practical necessicty“ und „emotional

needs“. Haugen meint dazu: „Yet he recognizes that there is no absolute necessity of

borrowing a foreign name along with a new product, and conversely that emotional needs are

just as real as any other.“ (Haugen 1957 zitiert nach Tesch 1978: 204). Aus diesem Grund

sind Letztere auch nicht als negativ oder snob-haft zu bewerten.

Einige Lexeme ermöglichen es nach Zindler sogar, an einer schon bekannten Sache bzw. an

einem bereits vorhandenen Begriff neue Seiten zu sehen oder zu benennen.

Die Duden-Redaktion rät zu einem richtigen Gebrauch von Fremdwörtern, manche völlig

entbehrliche solle man isolieren. In einem deskriptiv-systematisierenden Ansatz sollte

hingegen davon ausgegangen werden, dass die Entlehnung sprachlicher Erscheinungsformen

bereits ihre Notwendigkeit impliziert, wenn nicht im Hinblick auf das Sprachganze, dann vom

Standort des Sprechers/Schreibers aus betrachtet.

Willis, seines Zeichens Sprachpurist, untersuchte Fälle, in denen das Fremdwort seiner

Meinung nach missbraucht und „entartet“ werde:

a) fremdsprachliche Effekthascherei, Prahlsucht, Titelsucht und Eitelkeit

b) geistige Bequemlichkeit, Gedankenlosigkeit und sprachliche Unsicherheit

Tesch bemerkt abschließend, dass man einerseits Juhász Recht geben müsse, der bemerkt,

dass – je häufiger eine sprachliche Erscheinung angewandt wird – umso weniger zu

analysieren noch zu bewerten sei. Andererseits sei es die Aufgabe der

verantwortungsbewussten Sprachpflege, die oben angeführte Aussage nach Maß, Muster,

Regel und Auswahl und nach dem faktisch verbreiteten Sprachgebrauch zu überprüfen.

In der vorliegenden Arbeit wird das Korpus in Anlehnung an Riedmann zunächst vom

onomasiologischen Standpunkt aus betrachtet. Riedmann hat das für sein Opus „Die

Besonderheiten der deutschen Schriftsprache in Südtirol“ (1972) gesammelte Sprachmaterial

an Italianismen im Südtiroler Deutsch respektive an spärlich gesäten Germanismen im

Südtiroler Italienisch nämlich einzelnen Sachgruppen zugeteilt und diese ebenfalls vom

22

onomasiologischen Gesichtspunkt aus betrachtet. Andere Möglichkeiten zur Ordnung des

Wortschatzes führt Riedmann nicht an. Immerhin gibt diese Gliederung nach Sachbereichen

einen Einblick in besonders aufnahmefreudige Wortschatzbereiche (Moser/Putzer 1980:

151f).

1.2.2. Der sprachökonomische Aspekt

Der Definition Martinets zufolge ist Sprachökonomie

„dieses ständige Streben nach einem Gleichgewicht zwischen widerstreitenden Bedürfnissen, denen Genüge getan werden muss: Kommunikationsbedürfnis auf der einen, Gedächtnisträgheit und Trägheit des Artikulierens – diese beiden in ständigem Konflikt – auf der anderen Seite, und alle diese Faktoren in ihrem Wirken eingeschränkt durch verschiedene Tabus, die die Sprache durch den Ausschluss jeder allzu deutlichen Neuerung zu fixieren streben.“ (Martinet 1963 zitiert nach Tesch 1978: 207)

Zum einen ist der Sprecher also bemüht, die verschiedenen Funktionen der Sprache je nach

Situation zu berücksichtigen, zum anderen tendiert er zur Minimalisierung des dafür nötigen

Energieaufwandes.

Nicht immer setzt sich aber „die handliche, treffende, der leichten Aussprache

entgegenkommende Bezeichnung mit größtmöglichen Informationswert durch“ (Martin zitiert

nach Tesch 1978: 208). Das Fremdwort wird meistens unbewusst verwendet.

Was für unsere Belange von besonderem Interesse sein dürfte, ist, dass vor allem in

Zweisprachigkeitssituationen das Prinzip der Sprachökonomie auftritt und die Interferenz

fördert. Nachdem sich beide Kontaktsprachen auf dieselbe außersprachliche Wirklichkeit

beziehen, tendieren Bilinguale zu Kompromissstrukturen. Als Beispiel aus dem bilingualen

Bereich ist etwa portugiesisch ‚oficina’ statt ‚Reperaturwerkstätte’ zu nennen, denn die

Silben- und Phonemanzahl ist dort geringer.

1.2.3. Der kommunikative Aspekt

a) Darstellungsfunktion

Im interlingualen Verkehr tritt oftmals ein „switching“ ein, wenn dem Bilingualen das gerade

erforderliche Sprachelement nicht einfällt und es keinen äußeren Zwang zur scharfen

Trennung gibt. Es dominiert hier die Absicht, vom Empfänger wenigstens verstanden zu

23

werden. Diese Intention zeigt sich besonders dort, wo in der einen Sprache gegebene wichtige

Informationen durch Ausdrücke der anderen Sprache ausgeschmückt und verdeutlicht

werden.

b) Symptom- und Signalfunktion

Diese beiden Funktionen kommen miteinander vor, denn der Bezug zu Sender bzw.

Empfänger lässt sich in Hinblick auf die nun folgenden „lehnmotivierenden Faktoren

stilistischer Ausprägung“ (Baranow 1973) nur schwer feststellen. Impliziert sind auch meist

Momente der Darstellungsfunktion. Stave schreibt:

„Immer hat der Sprecher das Fremdwort als Redeschmuck benutzt (stilgerecht sprechen). Als Euphemismus (taktvoll sprechen) oder als Mittel der Abkürzung (sparsam sprechen), immer hat es ihm dazu gedient, seine Rede bedeutend erscheinen zu lassen (Schwellwert), sie abzutönen (Fächerwert), Gemeinsamkeit herzustellen (Verbundwert) oder sich abzuriegeln (Sperrfunktion)“ (Stave 1973 zitiert nach Tesch 1978: 210)

• Stilvariation

Lehngut erzeugt vorher nicht existierende Synonyme, was auch die Voraussetzung des

Begriffs „Stil“ darstellt, dessen Bedingung die Wahlmöglichkeiten sind. Bellmann führt

an, dass „Sach- und Lebensbereiche, die vom Realen her starke Affektbetontheit erwarten

lassen, sich durch besonders reichen Ausbau der entsprechenden Synonymengruppen

auszeichnen“ (Bellmann 1968 zitiert nach Tesch 1978: 210).

Besonders produktiv sind lobende und tadelnde Ausdrücke, welche zu einer

Wortfeldbereicherung führen (z.B. nett, famos, süperbe, grandios). Im Deutschen herrscht

nach Richter eine „wahre Nuancensucht“ vor. Mit dem Fremdwort kann nämlich gezielt

eine bestimmte Atmosphäre erzeugt werden. Besonders der Journalismus und die

Literatursprache bedienen sich mit Vorliebe solcher Interferenzen.

• Sprachlicher Spieltrieb

Zu diesem Punkt sind vor allem Eigentümlichkeiten bestimmter Sondersprachen

anzuführen, z.B. die Studentensprache, die Fremdwörter heranzieht, um scherzhafte

Effekte zu erreichen.

Als Beispiel seien die Dichter Ringelnatz und Morgenstern angeführt, die unter anderem

den Begriff Wortwitz prägten (Klavier - Klafünf, Damen - Dämlichkeiten). Décsy spricht

vom homo ludens, der mit Sprache spielt. F.J. Hausmann definiert das Wortspiel als

24

„die objektsprachliche Formulierung einer metasprachlichen Information über die

semasiologische Ökonomie der Sprache“ (Hausmann 1974 zitiert nach Tesch 1978: 211).

Im Medium Sprache macht sich das Zusammentreffen von Ungleichem bemerkbar.

Im kommerziellen Alltag ist es vor allem Ziel, mit Fremdwörtern die Aufmerksamkeit des

Lesers zu erregen.

• Euphemismus und Kakophemismus

Durch das Fremdwort können gewisse Tabus, z.B. im sexuellen Bereich, umschrieben

werden (‚callgirls’ vs. ‚Telefonhuren’). Weiters kann man mit dem Fremdwort auch Dinge

beschwichtigen oder verschleiern, denn es ist dem Laien oft nicht bekannt und fungiert

demnach als „Hüllwort“. Für kakophemische Zwecke werden gerne pejorative

Konnotationen entlehnt.

• Reiz des exogenen Lexems

Bestimmte Sprachen wirken exotischer und romantischer als andere. Nach F. Seiler üben

Fremdwörter, die reich an Vokalen sind und die einen vollen Klang haben, einen eigenen

Reiz im Deutschen aus.

Die deutsche Sprache hat mehrere Epochen der Modeerscheinung „Fremdsucht“ erlebt.

Hier sei beispielsweise die Übernahme französischen Lehngutes im Hochmittelalter durch

das Rittertum und seine Literaten zu nennen. Im 17. und 18. Jahrhundert, der so genannten

Alamodezeit, hat sich diese Erscheinung in allen Volksschichten verbreitet. Heute

überwiegt die Begeisterung für amerikanische Modeausdrücke.

Seiler zufolge befriedigt die Mode das unausrottbare Bedürfnis des Menschen nach

Wechsel, sie vermehrt den Besitz, „beseitigt sodann das Verbrauchte und Abgeleierte und

bringt Neues und Frisches, das nicht deswegen schon schlecht zu sein braucht, weil es neu

ist“ (Seiler zitiert nach Tesch 1978: 213)

Exogene Lexeme werden vorwiegend in den Textsorten der Reklame und der politischen

Sprache angewandt, weil sie einerseits Einprägsamkeit und einen besseren Werbeeffekt

und andererseits den Stilwert des Modernen und Unkonventionellen besitzen.

• Sozialer Wert der Modellsprache

Tesch schreibt in Anlehnung an Scotton, Okeju und Weinreich:

„Der Prestigefaktor macht sich nicht nur bei bilingualen Sprechern bemerkbar – wo er je nach Art des Bilingualismus relativiert wird […] – , auch für den unilingualen

25

haben Lexeme prestige-beladener Fremdsprachen einen sozialen Mehrwert.“ (Zitat Tesch 1978: 213)

Besonders Menschen, die dem (gebildeten) Mittelstand angehören, verwenden

Fremdwörter, auch wenn es in ihrer eigenen Sprache treffendere Alternativen gibt. Hier

zeigt sich ein gewisser Akkulturationsgrad. Bei so genannten „Halbgebildeten“ wirkt

der Fremdwortgebrauch hingegen oft lächerlich und unnatürlich.

Der Faktor sozialer (Mehr-)Wert der Modellsprache darf jedoch nicht isoliert gesehen

werden, denn er ist nur Konsequenz eines „’intensive and extensive bilingulism’ with a

certain time-depth“ (Nadkarni zitiert nach Tesch 1978: 213). Fremdsprachen können des

Weiteren ihren sozialen Status auch verlieren. Deshalb sind diastratische Momente nicht

nur synchron, sondern auch diachron zu untersuchen.

• Unwillkürliche Vermischung der Sprachen

In ganz oder teilweise bi- oder multikulturellen Gesellschaften kann sich das

Sprachempfinden lockern, so dass es bei den Sprechern unbewusst zu

Interferenzerscheinungen kommt. Laut Weinreich ist besonders die „affective speech“

davon betroffen, in der sich der Sprecher mehr auf den Inhalt als auf die Form

konzentriert.

Ferner seien als Motivationsfaktoren Oberflächlichkeit, Bequemlichkeit, journalistische

Zeitknappheit etc. genannt.

• Frequenz und Lehndauer

Nadkarni bemerkt: „If speakers of language A make constant use of language B, features

of B tend to get carried into A merely as a function of the frequency factor.“ (Nadkarni

1975 zitiert nach Tesch 1978: 214).

Nach Weinreich führt die geringere Frequenz indigener Spracheinheiten in der

Primärsprache dazu, dass die betroffenen Lexikoneinheiten weniger stabil sind, so dass

fremde Wörter sie leicht verdrängen können. Häufig verwendete Spracheinheiten sind

indessen gegen Verdrängung immun. Sekundärsprachliche Einheiten üben nach Baranow

einen „Lehndruck“ auf primärsprachliche Einheiten aus. Die Integrationschance der

sekundärsprachlichen Einheiten steigt mit der erhöhten Frequenz in der Primärsprache.

Als weiterer Faktor ist die Lehndauer zu nennen, deren zeitliche Konkretisierung mit der

Art der interferierten Sprachebene variiert. Nadkarni konstatiert beispielsweise bei von

26

ihm beschriebenen entlehnten Syntax-Strukuren „a time-depth of more than four

centuries“ (Nadkarni 1975 zitiert nach Tesch 1978: 215)

Als Abschluss sei Baranows Bewertung der Motivationsanalyse angeführt: Motivationen

lassen sich nicht immer zwingend beweisen. Eine Lehnmotivation alleine wirkt nur selten

plausibel, denn es wirken immer mehrere Faktoren zusammen und gelegentlich auch

gegeneinander (Tesch 1978: 198-21812).

1.3. Zusammenfassendes Schema: Die Faktoren der Übernahme nach Blasco Ferrer

Die primären Parameter, die bei der Analyse von Lehnwörtern laut Blasco Ferrer

berücksichtigt werden, sind:

• Externe Faktoren („cause esterne“) aus Politik (it. ‚Realpolitik’), Religion,

Technologie oder soziokulturellem Kontext (it. ‚Weltanschauung’), welche die

Übernahme von Lehnwörter begünstigen.

• Interne Faktoren:

- starke Expressivität

- Sprachökonomie

- Produktivität

• Notwendigkeit der Übernahme:

- Bedürfnislehnwörter vs. Luxuslehnwörter (‚prestiti di neccessità o di lusso’).

Bedürfnislehnwörter haben in der aufnehmenden Sprache kein autochthon-

sprachliches Pendant, da sie meist mit der neuen „Sache“ übernommen werden

(Man denke vor allem an die neuen Technologien). Luxuslehnwörter hingegen

(auch Dubletten/doppioni genannt) sind nicht notwendigerweise erforderlich, da

sie in der eigenen Sprache auf Synonyme stoßen.

• Grad der Anpassung oder formalen Integration in der Zielsprache:

- keine

- partielle

- totale

• Morphosyntaktische oder semantische Veränderungen, z.B. Wechsel des

grammatischen Geschlechts (Blasco Ferrer 1999: 207). 12 = Motivationsanalyse

27

2. Die soziolinguistische Situation in Südtirol

2.1. Geographische, demographische und soziologische Eckdaten zu Südtirol

Das Land Südtirol befindet sich an der Südseite der Zentralalpen und umfasst eine

Gesamtfläche von 7.400 km². Politisch gesehen ist Südtirol eine italienische Provinz mit

einem Sonderstatut, deren offizielle Bezeichnung „Autonome Provinz Bozen/Südtirol –

Provincia Autonoma Bolzano/Alto Adige“ lautet (Egger/Heller 1997: 1350).

Laut der im Jahr 2001 durchgeführten Volkszählung wohnen in Südtirol 460.635 Personen.

Die Bevölkerung ist zusammengesetzt aus drei Sprachgruppen: Deutschen, Italienern und

Ladinern. Die Deutschsprachigen stellen mit 69,15% die Mehrheit der Bevölkerung, der

Anteil der Italiener an der Gesamtbevölkerung beträgt 26,47% und der der Ladiner 4,37%

(ASTAT 2001). Die drei Sprachgruppen sind nicht homogen auf das ganze Territorium der

Provinz Bozen verteilt: Die deutschsprachige Bevölkerung wohnt heute hauptsächlich in den

Tälern, mit Ausnahme der zwei Sellagruppe-Täler, dem Gadertal und dem Grödnertal, die von

den Ladinern bewohnt werden. Die italienischsprachige Bevölkerung ist vor allem auf die

Städte und die größeren Zentren konzentriert, z.B. Bozen (Frabboni 2002: 97). Bei der

deutschsprachigen Bevölkerung dominieren die traditionellen Bereiche Landwirtschaft,

Handwerk, Handel, Fremdenverkehr, Kleinbetriebe und die Lokalverwaltung, bei den

Italienern die Industriearbeit, der öffentliche Dienst (Staatsdienst) und das Baugewerbe

(Langer 1996: 18f), wobei jedoch zu bemerken ist, dass es gegenwärtig fast keine

ausschließliche Domäne der einen oder anderen Sprachgruppe mehr gibt.

Die Wirtschaft blüht in Südtirol. Das erkennt man auch daran, dass die Arbeitslosenrate in der

Provinz Bozen unter 3% liegt. Auch das Bildungsniveau ist gestiegen. Im Jahre 1997 war ein

Drittel der Bevölkerung in Besitz eines höheren Diploms oder eines Hochschulabschlusses

(Frabboni 2002: 52-55).

2.2. Territorialgeschichte und Regionsbildung

Südtirol ist seit jeher ein Grenzgebiet. Das Land durchlebte deshalb auch eine wechselvolle

Geschichte. Im Jahr 15 v. Chr. eroberten die Römer das ursprünglich rätische Gebiet und

romanisierten es. Mit dem Untergang des Weströmischen Reiches 476 wurde das Land von

germanischen Stämmen, hauptsächlich den Bajuwaren, besiedelt und germanisiert.

28

Südtirol war ursprünglich Teil des historischen Tirol und gehörte bis 1919 zu Österreich.

(Egger/Heller 1997: 1350). Der Teil Tirols, der sich auf der Alpensüdseite befand, wurde in

Deutschsüdtirol und Welschtirol untergliedert. Die sprachliche und verwaltungstechnische

Grenze zwischen Deutsch- und Welschtirol bildet seit 1754 die Salurner Klause (Riedmann

1972: 11). Aufgrund des Friedensvertrages von Saint Germain wurde das historische Tirol

aufgespaltet: Südtirol wurde 1919 von Italien annektiert, während Ost- und Nordtirol bei

Österreich blieben. Der Kontakt zwischen den beiden Sprachen Deutsch und Italienisch, der

nur im Süden Südtirols schon seit Jahrhunderten bestand, fand nun auch im restlichen Südtirol

statt. Im Faschismus, der von 1922 bis 1943 währte, versuchte man das „Südtirolproblem“

durch Entnationalisierung der Südtiroler (z.B. Verbot der deutschen Sprache, deutscher

Schulen und Ortsnamen), Massenansiedlung von Italienern und Aussiedelung der

Südtiroler, der so genannten „Option“, zu lösen.

Der 1946 zwischen Österreich und Italien abgeschlossene Pariser Vertrag gilt als Grundstein

für den besonderen Schutz der deutschen Sprachgruppe in Südtirol und wurde durch das

Autonomiestatut von 1948 und dessen Neufassung 1972, das so genannte „Paket“,

abgesichert. Südtirol ist somit einerseits durch die Autonomie und andererseits durch die

Schutzmacht Österreich geschützt (vgl. Egger/Heller 1997: 1350).

2.3. Die soziolinguistische Situation in Südtirol

Um die Südtiroler Sprachsituation zu beschreiben, wurde hauptsächlich die Domänenanalyse

angewandt. Diese wird jedoch erst im nächsten Kapitel behandelt.

Für Egger/Heller ist die sprachliche Situation in Südtirol einerseits gekennzeichnet durch

Mehrsprachigkeit (Kontakt von Deutsch, Italienisch und Ladinisch) und innerhalb der

deutschen Sprache durch Diglossie, also den Kontakt der zwei Sprachvarietäten Mundart und

Hochsprache (Egger/Heller 1997: 1355).

Einen wichtigen Stellenwert in Südtirol nimmt aber vor allem die Zweisprachigkeit (die

beiden Landessprachen Italienisch und Deutsch) ein. Auf die Bedeutung derselben wird aber

noch in den folgenden Kapiteln detaillierter eingegangen.

Die Kenntnis der deutschen und italienischen Sprache wird mittels der so genannten

Zweisprachigkeitsprüfung festgestellt.13 Die Ablegung derselben wurde im Zuge des 1972

in Kraft getretenen Südtiroler Autonomiestatuts Pflicht für all jene, die in der Provinz Bozen

13 Ladinischsprachige können die Dreisprachigkeitsprüfung (Italienisch, Deutsch und Ladinisch) ablegen.

29

im öffentlichen Dienst14 arbeiten woll(t)en (Putzer 2001: 153). Die Zweisprachigkeitsprüfung

wird in vier Schwierigkeitsgrade unterteilt (A – B – C – D15), die sich danach richten, welche

Ausbildungsnachweise für die ausgeschriebenen Stellen im öffentlichen Dienst erforderlich

sind. Die Prüfungskommission besteht je zur Hälfte aus deutschsprachigen und

italienischsprachigen Bürgern. Nach Ablegung der Prüfung wird eine Bescheinigung über die

Kenntnis der beiden Landessprachen ausgestellt, welche die Voraussetzung dafür ist, dass

man zu Wettbewerben zugelassen wird (Südtirols Autonomie 2002: 143f).

Die Stadtbevölkerung Südtirols besitzt allgemein gesehen eine größere

Zweisprachigkeitskompetenz als die Landbevölkerung. In Bozen dominiert etwa das

Italienische, in Meran ist das Verhältnis der beiden Sprachen in etwa äquivalent, in Brixen

und besonders in Bruneck herrscht das Deutsche vor. In den Städten ist die sprachliche

Situation durch Bilingu(al)ismus gekennzeichnet (Deutsch – Italienisch). Laut Cavagnoli

erfolgt hier eine sogenannte „Dreiteilung“ des Sprachgebrauchs, die von den Faktoren

Empfänger und Kommunikationssituation abhängt. Es werden Hochdeutsch, Dialekt und

Italienisch gesprochen. Der Dialekt wird jedoch in stärkerem Maße in den Tälern verwendet.

Welche der drei Sprachen bzw. Sprachvarietäten gesprochen wird, hängt vom

kommunikativen Umfeld ab. So wird laut Cavagnoli im Arbeitsbereich, besonders in

öffentlichen Ämtern, sowohl Deutsch als auch Italienisch verwendet. In den – vor allem

deutschsprachigen - Familien hingegen herrscht der Dialekt vor. Die Kommunikation

zwischen italienisch- und deutschsprachigen Südtirolern erfolgt normalerweise entweder auf

Italienisch oder (seltener) in deutscher Hoch- bzw. Umgangssprache. In einer

wissenschaftlichen Arbeit wurde in diesem Zusammenhang vom „unfeinen“ Hochdeutsch

gesprochen. Demnach schwenken die deutschsprachigen Südtiroler in der Kommunikation

mit Italienern lieber auf das Italienische um, als auf die deutsche Hochsprache, die für beide

Parteien gewissermaßen einen höheren Grad an Anstrengung darstellen würde. Die

Muttersprache des Südtirolers ist nämlich der Dialekt und nicht das Standarddeutsche, nur

dort fühlt er sich kommunikativ wohl.16

In den Tälern finden wir eine monolinguale Sprachsituation vor. Hier wird fast ausschließlich

Dialekt gesprochen. Cavagnoli hat in diesem Zusammenhang aber eine „Zweiteilung“ des

Sprachgebrauchs (Dialekt und Umgangssprache) vorgenommen. Die Sprachsituation in den

Tälern wäre also geprägt von Monolingu(al)ismus mit innerer Mehrsprachigkeit.

14 Öffentlicher Dienst: Staats-, Provinz- oder Gemeindedienst 15 A ist der höchste Schwierigkeitsgrad, D der niedrigste. Ersterer besteht aus einer schriftlichen und mündlichen Prüfung, letzter nur aus einer mündlichen. 16 vgl.: Bertagnolli, Judith (1994): Das „unfeine“ Hochdeutsch in Südtirol: mit der Auswertung einer soziolinguistischen Spracherhebung in Bozen. Diplomarbeit, Wien.

30

Nur sehr wenige Italiener leben in den Haupttälern. Diese sind Cavagnoli zufolge oftmals

sozial so stark in die deutsche Gemeinschaft integriert, dass sie sich auch sprachlich anpassen

und in der Kommunikation den deutschen Dialekt verwenden.

Eine genaue Analyse der soziolinguistischen Situation in Südtirol wird jedoch erschwert

durch die effektiv bilingualen Personen, deren Elternteile entweder zwei verschiedenen

Sprachgruppen angehören oder aus Gegenden stammen, wo beide Sprachen gleichwertig

verwendet werden (Unterland). Es gibt jedoch bis heute keine öffentlich-rechtliche

Anerkennung der zweisprachigen Personen, obwohl von offizieller Seite eine perfekte

Zweisprachigkeit gefordert wird. Die Zweisprachigen bzw. Bilingualen müssen sich mittels

Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung zu einer der beiden Sprachgruppen bekennen (vgl.

Cavagnoli 2001: 119f).

In der Sprachverwendung macht sich ein Generationenwechsel bemerkbar: Während die

Italiener der älteren und mittleren Generation kaum Deutsch verstehen und sprechen

(wollen?) und sowohl mit Italienern als auch deutschsprachigen Südtirolern Italienisch

sprechen, zeichnet sich in der dritten und vierten Generation eine Öffnung gegenüber der

deutschen Sprachgruppe und Sprache ab. Die Italiener wollen nun eher Deutsch lernen und

sprechen.

2.4. Die Definition des Begriffs Bilingualismus nach Tesch

Eine Situation, in der Sprachkontakt stattfindet, führt nicht selten zu Bilingualismus

(Zweisprachigkeit) und Multilingualismus (Mehrsprachigkeit). Bilingualismus wird definiert

als die mehr oder weniger große Fähigkeit, über zwei Sprach-Kodes zu verfügen und diese je

nach Situation und Redekonstellation anzuwenden.

Unter Monolingualismus (Einsprachigkeit) wird ein einziger, heterogener Komplex von

Sprachgewohnheiten verstanden. Die phonologischen, lexikalischen und grammatischen

Einheiten sind die gleichen, lassen aber dennoch Spielraum für Varianten.

2.4.1. Formen des Bilingualismus

Da sogar der Einsprachige unvollkommen spricht und es in der Folge keinen „ambilingualen

Sprecher, der zwei Sprachen ‚vollkommen’ beherrscht“ im engeren Sinn geben kann (G.

Bellmann, zitiert nach Tesch 1978: 76), kann letzterer nur als Idealtypus verstanden werden.

31

Décsy führte die Unterscheidung „Grenzgebiet-Bilingualismus“ und „sozialer Bilingualismus“

ein. Oftmals sind diese beiden nicht voneinander zu trennen, wie man es am Sprachverhältnis

Französch-Deutsch im Elsass erkennen kann.

Wenn absolute soziale Gleichwertigkeit der beiden Adstratsprachen vorliegt, wird von

einem „coordinate system“ gesprochen, bei Dominanzabstufung hingegen von „compound

systems“.

Nach Nadkarni hat die interferenzbedingte linguistische Innovation bzw. das „structural

borrowing“ nur bei extensivem Bilingualismus die Aussicht auf Integration.

2.4.2. Entwicklung des Bilingualismus

In einer bilingualen Situation erfolgt entweder System-Konvergenz oder Sprachwechsel.

„Bei einem nicht kompensierbaren Ungleichgewicht der […] extralingualen Faktoren kommt es […] zur Dominanz der einen der konkurrierenden Sprachen, deren Ergebnis in der schließlichen Unilingualisierung der Gruppen eines Areals besteht.“ (Bellmann 1971 zitiert nach Tesch, S. 79)

Es erfolgt demnach Sprachwechsel aus der Perspektive der nicht dominanten Sprachgruppe,

aus der Sicht der dominanten Sprachgruppe jedoch nur eine scheinbare Rückkehr zum

früheren unilingualen Sprachzustand, denn während der Zweisprachigkeitsphase wurden auch

Elemente der nichtdominanten Sprache in das eigene System aufgenommen.

Hinsichtlich der untergehenden Kontaktsprache unterscheidet W.A. Koch substratinfizierte

und superstratinfizierte Sprachen.

Die Substratsprache ist gekennzeichnet durch Autochthonie, die Superstratsprache

hingegen durch exogene Herkunft. In der Geschichte hat sich gezeigt, dass sich beide,

Substrat- und Superstratsprache, in Kontaktsituationen durchsetzen können. Ursprünglich

nahm man an, dass für die Dominanz eines Strats wohl die Faktoren qualitative, militärische

und besonders kulturelle Überlegenheit eine große Rolle spielen. Berner-Hübin zufolge ist

jedoch „Für die Aufnahme von fremdem Kulturgut […] allgemein die Einstellung zum Träger

dieses Guts von entscheidender Bedeutung“ (Berner-Hübin 1974, zitiert nach Tesch, S. 81).

Eine Sprachgruppe dominiert also aufgrund extralingualer Faktoren, wie beispielsweise

durch ethno-proportionalen, politischen oder administrativen Einfluss. Diese Sprachexterna

entscheiden, welche Sprache in einem Gebiet dominiert (Tesch 1978: 74-83).

32

2.5. Die Domänen der Sprachverwendung

Egger versucht in seinem Opus „Zweisprachigkeit in Südtirol“ aus dem Jahre 1977

festzustellen „in welchen Bereichen die Sprachen dominieren“ und welche Positionen die

deutsche Sprache wiedergewonnen hat, „die sie im Kontakt mit dem Italienischen verloren

hatte“ (Zitat Egger 1977: 5).

Veränderungen im Sprachgebrauch werden in der Zweisprachigkeitsforschung hauptsächlich

durch zwei Methoden festgestellt: durch die Domänenanalyse und die

Dominanzkonfiguration zu unterschiedlichen Zeitpunkten (Egger 1982: 169).

In Anlehnung an Fishman17 beschreibt Egger zunächst den Begriff „Domäne des

Sprachverhaltens“. Darunter versteht man eine Summe von Situationen, „in denen ein

Individuum die eine Sprache eher verwendet als die andere und auch die eine Sprache eher

von einem Individuum erwartet wird als die andere“ (Zitat Egger 1977: 17). Auf Fishman

Bezug nehmend führt Egger fünf Domänen an: Familie, Freundschaft, Religion, Erziehung

und Bildung, Beruf.

Eine Unterteilung dieser Bereiche in Situationen unternimmt Schmid-Rohr, der neun

Domänen anführt: Familie, Spielplatz, Schule, Kirche, Literatur, Presse, Militär,

Gerichtswesen, öffentliche Verwaltung.

Domänen bestehen ihrerseits aus Situationen. Aus den so genannten kongruenten

Situationen, in denen „eine bestimmte Rollenbeziehung mit Rechten und Pflichten realisiert

wird, zu einer angemessenen Zeit und an einem angemessenen Ort18“ (Zitat Egger 1977: 18),

kann man die Verwendung einer Sprache mit einiger Sicherheit bestimmen. Beispielsweise

könnte man voraussagen, dass in der Situation „Kontrolle durch die Straßenpolizei“

wahrscheinlich die italienische Sprache verwendet wird (Egger 1977: 17f). Im Folgenden soll

nun der Fokus auf die Domänen gerichtet werden, welche die deutsche Sprache in Südtirol

einnimmt.

17 Fishman, Joshua A. (1975): Soziologie der Sprache. Eine interdisziplinäre sozialwissenschaftliche Betrachtung der Sprache in der Gesellschaft. Hueber München. 18 Hervorhebungen A.P.

33

2.5.1. Chronologische Darstellung der Domänen der deutschen Sprache

1.) Die Zeit von 1918 bis 1945

Die faschistische Politik in Südtirol plante die Assimilierung der deutschen Sprache und die

radikale Ersetzung der Muttersprache durch die italienische Sprache. Mittels Gesetzen und

Verordnungen sollten der deutschen Sprache gezielt die Domänen entrissen werden. Von den

Gesetzen bezüglich der Sprache betroffen waren die Domänen Verwaltung, Bildung und

Schule, Presse und Sprachgebrauch in der Öffentlichkeit (Egger 1977: 20). In den

Domänen Familie und Religion konnte die Politik jedoch keine Erfolge erzielen. Die

Gottesdienste und der Religionsunterricht in den Pfarrhäusern wurden weiterhin auf Deutsch

abgehalten. Der soziale Aufstieg wurde den deutschsprachigen Südtirolern durch die

Verteilung der Italiener auf die Domänen öffentliche Verwaltung und Bildungswesen

jedoch verwehrt. Diese Domänenkonstellation hielt sich größtenteils auch nach dem Ende des

Faschismus. Nur in den Domänen Presse und Beruf/Arbeit konnte sich das Italienische nicht

so konsequent durchsetzen (Egger 1977: 22)

2.) Die Zeit von 1946 bis 1976

Gegen Ende des Faschismus und in der unmittelbar darauf folgenden Zeit ist in der

Dominanzkonfiguration eine starke Zweisprachigkeit der deutschen Sprachgruppe

auszumachen (Egger 1977: 27). Neben den nach wie vor „resistenten“ Domänen Familie und

Religion (Egger 1977: 23) eroberte sich die deutsche Sprache nach dem Zweiten Weltkrieg

(durch das Pariser Abkommen 1946 zwischen dem österreichischen Außenminister Gruber

und dem italienischen Ministerpräsident Degasperi und das Erste Autonomiestatut 1948)

viele Bereiche wieder zurück, die ihr während der repressiven faschistischen Politik verwehrt

waren. Deutsch konnte und kann nun –zumindest theoretisch- in jedem Bereich des

öffentlichen Lebens verwendet werden. In einer Reihe von Domänen müssen nun nämlich

auch die Italiener Deutschkenntnisse besitzen, auch wenn in einigen Domänen immer noch

vonseiten der deutschen Bevölkerung das Italienische verwendet wird (Egger 1982: 171).

Auch die Erziehung und Bildung erfolgt für deutschsprachige Südtiroler wieder in ihrer

Muttersprache. Jede der beiden Sprachgruppen verfügt nun über eigene kulturelle

Veranstaltungen, Presseprodukte, Radio- und Fernsehprogramme. (Egger 1977: 20-23). In der

Domäne öffentliche Verwaltung werden nach Einführung des ethnischen Proporzes und

der Zweisprachigkeit beide Sprachen benutzt (Egger 1977: 27f).

34

3.) Die 70er-Jahre

Laut Egger gibt es zum Zeitpunkt seiner Untersuchung (1976) bzw. in absehbarer Zukunft

(Ausnahme Militär) keine ausschließlich von der italienischen Sprachgruppe besetzte Domäne

mehr (vgl. Egger 1977: 30).

4.) Die gegenwärtige Situation

Im Hinblick auf die Domänen, die das Deutsche gegenwärtig in Südtirol einnimmt, meinen

Egger/Heller :

„Insgesamt kann festgestellt werden, dass die deutsche Sprache in den letzten vierzig Jahren viele Bereiche zurückgewonnen hat. Es gibt nun kaum einen Bereich des öffentlichen Lebens (wenigstens der Rechtslage nach), in dem nicht auch das Deutsche verwendet werden kann;“ (Zitat Egger/Heller 1997: 1352).

Weil aber immer noch viele Italiener des Deutschen nicht mächtig sind, wird in einigen

Domänen (vor allem Politik und öffentliche Verwaltung) jedoch noch einige Zeit die

italienische Sprache vorherrschen (vgl. Egger/Heller: 1351f). Dies bestätigt auch die im

Februar 2006 vom Landesamt für Statistik vorgelegte Studie –im Folgenden kurz ASTAT-

Studie genannt– zum Thema „Sprachgebrauch und Sprachidentität in Südtirol“. Dieses so

genannte „Südtiroler Sprachbarometer“ basiert auf einer direkten Befragung von 1.134

Personen deutscher und italienischer Muttersprache ab 19 Jahren und einer telefonischen

Befragung von 398 ladinischsprachigen Südtirolern. Die Studie berücksichtigt nicht nur die

Sprachkenntnisse, sondern auch die Befindlichkeiten der SüdtirolerInnen, beispielsweise in

Bezug auf das Zusammenleben oder den Proporz (ff Nr.7, 16.02.2006, S.38f). Auf die Frage

hin, in welchen Ämtern der öffentlichen Verwaltung die befragten deutschsprachigen Südtirol

nicht ihre Muttersprache verwenden konnten, wurden an erster Stelle die Carabinieri

und/oder die Gemeindepolizei genannt (56,8%), gefolgt von Polizei und/oder Finanzwache

(44,3%), Sanitätseinheiten/Krankenhäusern (43,5%), Steuer- und Finanzämtern (34,1%),

Eisenbahn (28,6%) und Post (27,9%). Immerhin geben nur 9,6% der Deutschsprachigen an,

oft und 39,1% manchmal die Erfahrung gemacht zu haben, dass sie ihre Muttersprache in

öffentlichen Ämtern nicht verwenden konnten, was von einem bestimmten Erfolg der

Bestimmungen zur Mehrsprachigkeit zeugt19.

Nach Ansicht Mionis scheint die deutsche Sprache im Bereich der Provinzverwaltung zu

dominieren, während die italienische Sprache in den Bereichen vorherrscht, die mit der

Zentralverwaltung des Staates zusammenhängen (Mioni 1990: 16).

19 ASTAT 2006: 198f

35

3. Deutsch in Südtirol – Südtiroler Deutsch

3.1. Die Situation der deutschen Sprache in Südtirol

Die deutsche Sprache in Südtirol ist im Gegensatz zur italienischen Sprache historisch und

organisch in einer über tausendjährigen Tradition gewachsen (Kramer 1981: 103). Sie ist im

Territorium verwurzelt und somit autochthon. Die ersten schriftlichen Belege für die

Existenz einer deutschen Sprache in Tirol stammen aus dem 11. Jahrhundert. Seit dem 14.

Jahrhundert sind alle Urkunden in deutscher Sprache verfasst. Schriftstücke in italienischer

Sprache sind aus jener Zeit laut Riedmann jedoch keine überliefert (Riedmann 1972: 11).

Es tauchen jedoch sehr wohl neulateinische bzw. vulgärsprachliche Dokumente in Südtirol

auf. Das älteste Zeugnis der neulateinischen Volkssprache in Südtirol ist das im Vinschgau

gefundene „urbario di Laces“, auch bekannt als „il registro pastoreccio di Laces“, das auf

etwa 1348-51 datiert wird (Bruni 1994: 212f). In diesem Schriftstück sind Personen

aufgelistet, die der Kirche Vieh schulden (Cortelazzo 2002: 283).

3.2. Die kulturelle Situation der deutschen Sprachgruppe

Die deutsche Sprachgruppe führt ein autonomes kulturelles Leben (Egger/Heller 1997: 1351).

Das war nicht immer so, man denke an die Zeit der Unterdrückung durch die Faschisten, in

der alles Deutsche verboten war. Bis in die 60er-Jahre wirkte diese Unterdrückung noch

unterschwellig fort.

Doch die Situation hat sich grundlegend verändert. Es gibt nun eine Reihe von sozial- und

bildungspolitisch bedeutsamen Verbänden und Vereinen und eine große Zahl an

deutschsprachigen Presseprodukten aus In- und Ausland (vgl. Egger/Heller 1997: 1351). Die

deutsche Sprache wird außerdem auch in Radio und Fernsehen verbreitet. In Südtirol kann

man nun neben zahlreichen Sendern (seit 1974 Empfang von ORF, ZDF, SRG und ARD20)

aus anderen deutschsprachigen Ländern, die zum größten Teil auch über Satellit empfangen

werden können, auch ein eigenes, in deutscher Sprache ausgestrahltes Regionalprogramm der

RAI empfangen (seit 196621). Außerdem gibt es das deutschsprachige Radioprogramm des

20 Egger 1977: 24 21 Egger 1977: 24

36

RAI Senders Bozen (seit 194522) und zahlreiche lokale, private Radiosender (Riehl 2000:

240). Wichtigster Faktor für die deutsche Kultur- und Sprachbewahrung bleibt aber die

Schule (Egger/Heller 1997: 1351).

3.3. Varietäten der deutschen Sprache in Südtirol

Kramer unterscheidet im Südtiroler Deutsch vier Sprachebenen:

1.) Hochsprache bundesrepublikanischer Prägung

2.) Hochsprache österreichischer Prägung

3.) Südtiroler Koiné23

4.) Ortsdialekt

1.) Die Hochsprache bundesrepublikanischer Prägung drang erst zu Beginn der

Sechzigerjahre mit dem Aufschwung des Tourismus in Südtirol ein. Was weiters zur

Verbreitung dieser Sprachvarietät beiträgt, ist die Tatsache, dass man seit Anfang der

Siebzigerjahre in Südtirol auch Fernsehprogramme aus der Bundesrepublik Deutschland

empfangen kann. Diese Sprachform hat vor allem Einfluss auf die Lexik. Kramer stellt

jedoch fest, dass die bundesdeutsche Hochsprache unter Südtirolern nie benutzt wird, nur

in Kontakt mit Bundesdeutschen.

2.) Die Hochsprache österreichischer Prägung hingegen wird sehr wohl von den

Südtirolern benutzt. Sie gilt als die traditionelle Normsprache und wird bei formellen

Anlässen (Kirche, Politik, Vorträge) verwendet. Durch den Empfang des österreichischen

Rundfunks und Fernsehens wird die Südtiroler Sprache im Wortschatz beeinflusst.

3.) Die Südtiroler Koiné wird laut Kramer wie folgt charakterisiert:

„Die Südtiroler Koiné kann also heute definiert werden als eine Umgangssprache bairisch-österreichischen Typs, die durch historische Umstände starkem italienischen und bayrischen Einfluss unterworfen ist, so dass sie sich merklich von der Nordtiroler Koiné unterscheidet.“ (Zitat Kramer, S. 106)

4.) Die Ortsdialekte: Nachdem Südtirol ein gebirgiges Land ist und die Täler lange Zeit

verkehrstechnisch voneinander abgeschieden waren, ist auch die dialektale Gliederung

sehr stark. Die Südtiroler Dialektlandschaft zeichnet sich durch die „Kleinräumigkeit der

22 Egger 1977: 24 23 Koiné = eine de-regionalisierte überregionale Standardvarietät, die sich aus mehreren gleichwertigen regionalen Varietäten herausgebildet hat (Bußmann 2002: 353).

37

Volksmundarten“ aus. Die Isoglossen24 der Lokaldialekte verlaufen von Nord nach Süd.

Die Hauptgrenze, die den österreichischen vom westlichen, teilweise alemannisch

beeinflussten Dialektraum trennt, verläuft westlich des Eisacktals. Die Verständigung

zwischen Bewohner verschiedener Täler erfolgt meist über die Koiné, durch die auch die

alten einheimischen Dialektformen immer mehr zersetzt werden (Kramer 1981: 103-

108). Riehl will den Begriff Koiné jedoch nicht gelten lassen:

“Trotz Ausgleichserscheinungen, die sich aufgrund der stärkeren Mobilität und der geänderten Lebensbedingungen zwangsläufig ergeben, existiert bislang noch keine gemeinsame Koiné der Südtiroler Dialekte, wohl aber eine Art Ausgleichsdialekt25 im syntaktischen und lexikalischen Bereich, der regionale Lautvarianten zulässt.“ (Zitat Riehl 2000: 236)

3.4. Der Sprachgebrauch: Mediale Diglossie

In nahezu allen privaten bis halböffentlichen Situationen spricht der deutschsprachige

Südtiroler Dialekt. Der Dialekt zeigt aber die Tendenz, in immer mehr öffentliche Bereiche

vorzudringen (z.B. Medien).

Wenn Südtiroler deutscher Muttersprache miteinander reden, verwenden sie je nach Herkunft,

Bildungsstand, Konstellation, Situation oder Gesprächsthema eine dementsprechende

dialektale Form, die teilweise auch ausgeglichen und verflacht sein kann, phonologisch aber

immer noch die regionale Herkunft des Sprechers erkennen lässt. Die Anpassung erfolgt vor

allem im lexikalischen und syntaktischen Bereich; die primären Dialektmerkmale werden

zuerst abgelegt. Lanthaler verwendet in diesem Zusammenhang anstelle des umstrittenen

Begriffs „Südtiroler Umgangssprache“ den treffenderen Terminus „Ausgleichsdialekt“.

Zusammenfassend kann man sagen, dass in Südtirol bis auf wenige öffentliche und offizielle

Situationen zu 90% Dialekt gesprochen wird. Geschrieben wird in der Hochsprache, mit

Ausnahme der Dialektliteratur. Lanthaler bezeichnet diese Situation, in der jeder Varietät

eine bestimmte Funktion entspricht, als „mediale Diglossie“ (Lanthaler 1990: 63-65).

Die geschriebene Hochsprache Südtirols orientiert sich nach Riehl am österreichischen

Standard, nimmt aber auch Formen bundesdeutscher Prägung (Riehl 2000: 236) und

Bedürfnislehnwörter aus dem Italienischen auf (Riehl 2000: 238).

24 Isoglosse = Bezeichnung für Grenzlinien, die zwischen unterschiedlichen Dialektgebieten verlaufen; zeigt die areale Verbreitung von sprachlichen Phänomenen an (Bußmann 2002: 321). 25 Hervorhebungen A.P.

38

3.5. Sprachhistorische und sprachtypologische Einordnung des Südtiroler Dialekts

Nach dem Untergang des weströmischen Reiches drangen in das Gebiet des heutigen

Südtirols germanische Stämme ein, hauptsächlich Bajuwaren. Auch heute noch werden in

Südtirol deutsche Mundarten gesprochen, die der Gruppe der südbairischen Dialekte,

genauer dem Tirolischen angehören. Die Tiroler Dialekte unterscheiden sich von den anderen

bairischen Mundarten durch:

• Unterschiede im Diphthongsystem

• Wortschatz

• die fast durchgehende Palatalisierung und Rundung von „s“ in den

Konsonantenverbindungen sp, st, sk (� /schp/, /scht/, /schk/) auch im Inlaut

(‚luschtig’)

• geringere Nasalierung

• stärker velare Aussprache der Gaumenlaute (‚gglogge’)

(Riehl 2000: 235f)

Laut Lanthaler gibt es nicht den „Südtiroler Dialekt“, sondern nur Südtiroler Einzeldialekte,

die sehr kleinräumig verteilt sind, sodass sich oftmals schon Fraktionen oder gar Weiler ein

und desselben Dorfes durch bestimmte Spracheigentümlichkeiten voneinander unterscheiden.

Diese große sprachliche Aufsplitterung ist einerseits auf die geographische Lage, andererseits

auf soziale Faktoren zurückzuführen. Lanthaler weist auf die markante Ost-West-Gliederung

des Landes Südtirol hin und gliedert Südtirol in Anlehnung an den Tiroler Sprachatlas in drei

größere Dialektregionen, die sich durch die zwei Nord-Süd-Grenzlinien (eine in der Nähe von

Partschins, die andere nahe der Mühlbacher Klause) herausschälen lassen:

• Die westlichste Region, die den Vinschgau, das Ultental, den Deutschnonsberg und

mit einigen Besonderheiten auch das Unterland einschließt, weist Merkmale auf, die

auf einen alemannischen Einfluss schließen lassen.

• Die östliche Region, das Pustertal, ist verwandt mit dem Kärtnerischen. Lange Zeit

bildeten diese beiden Regionen nämlich einen Verwaltungsbezirk.

• Der mittlere Streifen weist sowohl Charakteristika der östlichen als auch der

westlichen Region auf und hat daneben eigene Merkmale. (Lanthaler1990: S. 61ff)

Riehl folgend lassen sich von Osten nach Westen folgende phonologische Unterschiede

feststellen:

39

Osten (Einfluss des Kärtnerischen) vs. Westen (Einfluss des Alemannischen):

- Abfall des auslautenden /r/ (‚weto’ � � westl. ‚wetr’)

- /oi/ vs. westl. /ui/ (‚floige’ ��. ‚fluige’)

- Pronomina ‚dê(i)’ � � westl. ‘dia; sui’

(Riehl 2000: 236)

3.6. Linguistische Besonderheiten

Durch den Einfluss der italienischen Kontaktsprache bedingt, weisen die Südtiroler Dialekte

eine stärker modulierende Stimmführung, Eigenheiten in der Prosodie und auch in den

Bereichen Lexik und Pragmatik auf. Vor allem im Süden und in den Städten, wo die Zahl der

italienischsprachigen Bevölkerung und auch der Kontakt zwischen den beiden Sprachgruppen

größer ist als beispielsweise im Norden, fließen in die Alltagssprache oft Wörter aus dem

Italienischen ein.

Charakteristisch für die gesprochene, informelle Sprache in Südtirol ist der Gebrauch von

Bedürfnislehnwörtern aus Recht und Verwaltung, die im deutschsprachigen Kulturraum

nicht existieren. Oft werden diese Termini auch morphologisch an das deutsche System

angepasst: ‚carabinieri’ ; ‚Kondominium’ ; ‚Assessorat’. Andere Entlehnungen geschehen aus

sprachökonomischen Gründen: ‚targa’ = Nummernschild; ‚scontrino’ = Kassenbeleg ;

‚patentino’ = Zweisprachigkeitsnachweis. Einige Lehnwörter werden auch lautlich angepasst,

so zum Beispiel ‚schtuff’ = it. stufo (überdrüssig) oder ‚schtran’ = it. strano (seltsam). Der

letztgenannte Entlehnungstyp zeigt einen spielerischen Umgang mit der Kontaktsprache,

Codeswitchings geschehen sehr häufig.

Jugendliche und jüngere Erwachsene gebrauchen in der gesprochenen, informellen Sprache

sehr häufig isolierte Diskussionsmarker aus dem Italienischen, wie beispielsweise:

- ‚bè/bò’ = nun, gut

- ‚macché’ = ach was! ach wo!

- ‚ma ciao’ = und tschüs!

- ‚dai’ = [ach] komm! geh!

Dies sind „hochfrequente Elemente, die im allgemeinen sehr früh aus einer Kontaktsprache

integriert werden“ (Zitat Riehl 2000: 37). Sehr häufig taucht die in den Satz integrierte

Modalpartikel ‚magari’ auf. Im schriftlichen Bereich werden die Entlehnungen aus dem

Italienischen aber zunehmend abgebaut (Riehl 2000: 238).

40

4. Italienisch in Südtirol – Südtiroler Italienisch

4.1. Die besondere Situation der italienischen Sprachgruppe in Südtirol

Der italienischen Sprachgruppe in Südtirol kommt eine besondere Stellung zu: Auf

gesamtstaatlicher Ebene ist Italienisch Nationalsprache. Die deutsche Sprachgruppe in

Südtirol ist demnach eine ethnische Minderheit im italienischen Staat. Die italienische

Sprachgruppe in Südtirol bildet nun ihrerseits eine ethnische Minderheit in der Provinz Bozen

(Gubert 1982: 201).

4.2. Die italienische Sprachgruppe vor dem Ersten Weltkrieg

Vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, im Jahre 1910, betrug der Anteil der Italiener in

Südtirol noch knapp 3%, also an die 7339 Personen26. Die Italiener waren damals also eine

sprachliche Minderheit. Der Großteil siedelte im Südtiroler Unterland - in den Gemeinden

Pfatten und Buchholz bei Salurn bildeten die Italiener sogar die Mehrheit (Kramer 1981: 71).

Dem Südtiroler Unterland kommt in der Bevölkerungsgeschichte der Italiener in Südtirol eine

Sonderstellung zu, denn es war schon seit Jahrhunderten ein zweisprachiges Grenzgebiet

(Tonelli 1981: 9). Die hier wohnenden Italiener stammten vorwiegend aus dem Trentino und

waren hauptsächlich im Agrarbereich und Handwerk tätig. Ihre sozio-ökonomische Schwäche

und die nationalistisch ausgerichteten Vereinigungen der Deutschsprachigen bewirkten eine

rasche Assimilierung. Auch ihre Identität war eher tirolisch, als italienisch ausgerichtet (Di

Michele 2004: 80). Weil sie sich jedoch erst in der Neuzeit hier angesiedelt hatten, gab es in

Südtirol folglich vom Ende der Antike bis in die heutige Zeit herauf keine konstante

italienische Besiedelung und ergo auch keinen italienischen Lokaldialekt (Kramer 1981: 71).

4.3. Die Annexion Südtirols und der Zustrom von Italienern im Faschismus

Im Jahre 1919, am Ende des Ersten Weltkrieges, wurde das Gebiet Südtirol, das bis dahin zu

Österreich gehört hatte, vom italienischen Staat annektiert (Kramer 1981: 71). Mit der

militärischen Besetzung, der Annexion Südtirols an das Königreich Italien und vor allem

26 http://www.provinz.bz.it/aprov/suedtirol/volksgruppen.htm

41

durch die 20 Jahre währende faschistische Herrschaft wurde die Immigration von Italienern

aus allen Regionen Italiens in das Land gezielt gefördert, was das Bild Südtirols grundlegend

veränderte. Im Zuge der massiv betriebenen Italianisierungspolitik wurde versucht, die

Südtiroler zu majorisieren. Insbesondere die Gründung der Industriezone in Bozen im Jahre

1935 trug dazu bei, dass Tausende Italiener ins Land strömten (Di Michele 2004: 80). Die

Zahl der Italiener in Südtirol stieg dadurch wesentlich an: Im Jahr 1921 waren es schon

10,6%, 1953 stieg die Zahl der Italiener auf 33,1% an und im Jahr 1961 wurde mit 34,3% der

Höhepunkt erreicht27. Die so „importierte“ italienische Bevölkerung war unterschiedlichster

sozialer und geographischer Herkunft. Sie setzt sich zu ungefähr ¾ aus Einwanderern der

„Drei Venetien“, also dem nordostitalienischen Raum, zusammen, wobei die trentinische

Komponente überwiegt. 25% der Einwanderer stammt aus anderen norditalienischen

Gebieten wie z.B. der Lombardei oder Emilien (8%), während der Anteil der Italiener aus

Mittel- und Süditalien 14% beträgt. Bei 2% der Italiener ist die regionale Herkunft nicht

rekonstruierbar (Tonelli 1981: 11). Laut dem Annuario Statistico 1993 ist die italienische

Bevölkerung wie folgt zusammengesetzt: Über 12% der (erwachsenen) Bevölkerung stammt

aus Norditalien (in Bozen: 30%), nur 3,3% (in Bozen: 8%) aus dem Gebiet des

„centromeridione“, also aus den Regionen Lazium, Kampanien, Apulien, Kalabrien und

Sizilien (Zamboni 1995a: 106). Di Michele beschreibt dieses „Konglomerat“:

„Costoro non diedero vita ad un gruppo etnico compatto, unito, ma rappresentavano piuttosto ‚una polvere di individui – senza dialetto comune, senza rapporti parentali, senza abitudini comuni persino nel mangiare’28“ (Zitat Di Michele 2004: 80)

4.3.1. Einteilung der italienischen Einwanderer nach ihren beruflichen Tätigkeit

Mioni teilt die Italiener nach ihrer jeweiligen Arbeit in verschiedene Gruppen ein:

• Die Industriearbeiter (Stahl, Autowerkstätten) waren hauptsächlich venezianisch-

trentinischer Abstammung und kamen ursprünglich aus einem bäuerlichen Umfeld. Mit

Mussolini wurden diese Bauern zu Arbeitern befördert, um die Städte zu italianisieren.

Dieser Bevölkerungsteil bildete den stabilen Kern der Italiener in diesem Gebiet.

• Die Beamten (in den unterschiedlichsten Sektoren der öffentlichen Verwaltung) kamen

ursprünglich auch aus dem Nordosten Italiens

• Die Führungskräfte im Industriesektor kamen aus Norditalien (Veneto, Trentino,

Lombardei, Emilia-Romagna), waren jedoch nicht zahlreich und bildeten keinen stabilen

27 vgl.: Moser/Putzer 1980: 142 28 vgl. Claus Gatterer (1981: 42): Über die Schwierigkeit, heute Südtiroler zu sein.

42

Kern. Oftmals waren sie wenig motiviert dazu, sich in die neue, lokale Realität zu

integrieren, weil ihre Karriere nach wenigen Jahren in der Provinz, bei Firmen in anderen

Regionen weiterging (Mioni 2001: 66f).

In den 50er-Jahren hat die italienische Sprachgruppe in Südtirol einen sozialen und

kulturellen Aufschwung erfahren. Damit zusammenhängend veränderten sich auch ihre

beruflichen Aktivitäten:

• Es bildet sich eine stabile, intellektuelle, italienischsprachige Elite heraus. Vorher war die

lokale, italienische „intellighenzia“ 29 unbeständig und instabil.

• Die Italiener sind nun auch im Dienstleistungssektor und im freiberuflichem Bereich

vertreten, einerseits wegen der Krise der großen lokalen Industriefirmen, andererseits,

weil die deutschsprachigen Südtiroler nun auch in den öffentlichen Bereich vordringen,

der vorher fast ausschließlich den Italienern vorbehalten war (Mioni 2001: 67).

4.4. Geographische Distribution der Italiener in Südtirol

Die Italiener siedeln vorwiegend im industriell-städtischen Bereich. Der Großteil wohnt in

den größeren Städten (Bozen 73%, Leifers 70,42%, Meran 48,01%, Brixen 25,65%, Sterzing

24,29%, Bruneck 14,91%), dem Südtiroler Unterland (31,57%), wo sie teilweise sogar die

Mehrheit stellen (Salurn 62,19%, Branzoll 59,85%, Pfatten 57,09%), dem Burggrafenamt

(21,99%) und dem Wipptal (16,28%). Die deutsche Sprachgruppe herrscht hingegen vor

allem in den ländlichen Gebieten vor. Die Stadt Bozen weist die stärkste Konzentration an

Italienern auf (73% Italienischsprachige vs. 26,29% Deutschsprachige30), die geringste der

Vinschgau (3,06%) und das Gebiet Salten-Schlern (4,03%)31.

Die Italiener, die in Orten der Talsohle auf dem Land leben, sind vorwiegend in der

Verwaltung, dem Post- oder Eisenbahnwesen tätig (Weber-Egli 1992: 31). Die zumeist

trentinischstämmigen Italiener aus dem Unterland, sind auch im Agrarsektor beschäftigt (vgl.:

Forer 1984: 14-1832).

29 intellighenzia = „il gruppo che detiene il primato e la guida intelletuale di un ambiente[…]“ (Dizionario Garzanti 1993: 963) 30 ASTAT 2001 31 ASTAT 2001 32 und http://www.provinz.bz.it/aprov/suedtirol/volksgruppen.htm

43

Abb.2. Anteil der italienischen Sprachgruppe in den einzelnen Gemeinden - Volkszählung 2001

(Quelle: ASTAT 2001)

4.5. Der „disagio“ der Italiener in Südtirol

Mit Abschluss des Paketes machte sich vor allem ab Mitte der 80er-Jahre innerhalb der

italienischen Sprachgruppe der so genannte und viel zitierte „disagio“ – das Unbehagen der

Italiener - breit. Dieser bezog sich vor allem auf die Beschäftigungs-Neuregelung, die

Schwierigkeiten mit der Zweisprachigkeit und auf den Status der Italiener als Minderheit in

der Minderheit (Romeo 2003: 363). Eine Anerkennung der Italiener als Minderheit in der

Minderheit hat Franco Frattini im Jahr 2004 gefordert, konnte sie aber nicht durchsetzen. Für

das ohnehin schwierige Zusammenleben der Volksgruppen würde dieses erneute Sich-

Voneinander-Abschotten nämlich nichts Gutes bedeuten (Hilpold: 200433).

Das Hauptproblem für das Unbehagen der italienischen Sprachgemeinschaft in Südtirol ist,

dass sie kein „gruppo etnico compatto“ – keine einheitliche, kompakte Volksgruppe bilden,

wie etwa die deutsche Sprachgruppe. Die Italiener haben weder eine einheitliche Identität,

noch eine historische Verwurzelung in Südtirol. Sie trennt ihre Herkunft, Tradition und

politische Anschauung. Auch sie wollen ein Stück vom Kuchen der Südtiroler Autonomie

abbekommen, von der sie sich ausgeschlossen fühlen. Sie wollen die gleichen Rechte haben

wie die Deutschsprachigen und auch in den Genuss von Landesbeiträgen, Zuschüssen und den

33 Die Minderheit in der Minderheit. (http://www.ff-bz.com/ Ausgabe Nr.11 vom 11.03.2004)

44

Vorbehalt von Arbeitsplätzen kommen (Dello Sbarba 2004). In vielfacher Hinsicht fühlen

sich die Italiener also benachteiligt, vor allem in der Arbeitswelt. Laut der jüngsten ASTAT-

Studie, dem so genannten „Südtiroler Sprachbarometer“ geben 16,9% der Italiener an, sich

immer, 56,3% sich manchmal benachteiligt zu fühlen, während 82% der Deutschsprachigen

sich nie benachteiligt fühlen (AA 16.02.2006, S.17). Die Italiener fühlen sich ausgeschlossen,

diskriminiert – also voller „disagio“. Diese Angst vor der Diskriminierung der Italiener wird

immer wieder geschürt. Auch Dello Sbarba spricht von der Arroganz, die sowohl auf der

deutschsprachigen und als auch der italienischen Seite spürbar war und ist. Er versucht aber

zwischen den beiden Polen zu vermitteln, wie es der „Brückenbauer” Alexander Langer

getan hat:

“La prima [fase dell’autonomia, Erg. A.P.] è stata vissuta dai sudtirolesi come il periodo dell’arroganza italiana; la seconda è stata vissuta dagli italiani come il periodo dell’arroganza tedesca. La terza potrebbe bandire questa “logica del pendolo” (Langer) e promuovere l’integrazione.” (Zitat Dello Sbarba 2004)34

Die große, aber nicht unmögliche Herausforderung des neuen Jahrhunderts für die Politik, die

Wirtschaft, die Kultur, die Schule und das Bildungswesen ist laut dem Historiker Tiziano

Marson die Entwicklung einer gemeinsamen Südtiroler Identität, welche die

Verschiedenheiten respektiert (Marson 2005: 187).

4.6. Die Italiener und ihr Verhältnis zur eigenen Geschichte im Land Südtirol

Die Italiener der Provinz Bozen sind zwar erst seit rund 80 Jahren im Land sesshaft, was

jedoch von den Italienern selbst als eine zu kurze Zeitspanne bemängelt wird, um wie die

deutschsprachige Bevölkerung als autochthon zu gelten und eine einheitliche Identität als

Gruppe zu bilden (vgl. Delle Donne 1994). Trotzdem wollen die Italiener nun genau das

erreichen, wie es auch Di Michele bestätigt:

„La persistente debolezza e frammentarietà degli italiani ha prodotto una volontà di radicamento e un desiderio di emulare la forza identitaria e il legame alla Heimat proprio della popolazione sudtirolese di lingua tedesca.” (Zitat Di Michele 2004: S. 82).

„Il rapporto degli italiani dell’Alto Adige con la propria storia è comprensibilmente difficile”

meint Di Michele (Zitat 2004: 80). Die Hauptschwierigkeit im Verhältnis der italienischen

34 Damit ist gemeint, dass der Versuch unternommen werden soll, dieses Pendel des ethnischen Revanchismus anzuhalten, oder dessen Ausschlag zu begrenzen.

45

Sprachgruppe zu ihrer eigenen Geschichte ist, dass sie bei ihrer Niederlassung sozusagen die

„Ursünde“ („vizio d’origine“) auf sich geladen haben und dass ihnen immer noch der Schatten

des Faschismus anhängt, welcher auf die Unterdrückung der autochthonen Bevölkerung

gezielt hat. Vonseiten der Italiener wurde diese Zeit der Unterdrückung sehr lange

verharmlost oder gar verdrängt. Umso mehr beklagt wurden jedoch die 20 Monate der

nationalsozialistischen Okkupation Südtirols. Die fehlende Aufarbeitung der eigenen

„Ursünde“, die erst kurz zurückliegende Ansiedelung, die mangelnde Auseinandersetzung mit

der lokalen Wirklichkeit und die unterschiedliche geographische Herkunft waren für die

Entwicklung einer starken Verankerung der Sprachgruppe im Territorium hinderlich. Dies hat

unter anderem dazu geführt, dass sich die Italiener lange Zeit nicht für ihre eigene Geschichte

interessiert haben (Di Michele 1004: 80f).

Vor ca. 15 Jahren zeichnete sich jedoch eine Wende ab. Zahlreiche wissenschaftliche Studien

und Geschichtswerke in italienischer Sprache schossen und schießen auch heute noch wie

Pilze aus dem Boden. Ziel dieser Veröffentlichungen ist es, einen Beitrag zur Verankerung

der italienischen Bevölkerung in diesem Territorium zu leisten, ihr eine Vergangenheit, eine

Identität, eine Erinnerung („memoria“) und eine Stärke als Gruppe zu geben, damit sie mit der

gefestigten deutschen Sprachgruppe mithalten kann. Die Geschichte dient somit als Mittel zur

Autolegitimation und zur Bildung einer ethnisch-kulturellen Identität (Di Michele 2004: 81f).

Der Generationenwandel ist jedenfalls schon spürbar:

„I giovani di questa regione italiana dichiarano, nella grande maggioranza, di essere molto legati al territorio provinciale e questo dipende principalmente dall’orgoglio per la bellezza dei luoghi, per il diffuso benessere economico e per l’autonomia di cui gode la Provincia, nonché per la capacità di convivenza tra i diversi gruppi etnici presenti sul territorio.” (Zitat Frabboni 2002: 102)

4.7. Das Italienisch der Italiener in Südtirol

Zum aktuellen Forschungsstand des Südtiroler Italienisch bemerkt Cavagnoli:

„Studien zum Südtiroler Italienisch sind praktisch inexistent, woraus abgeleitet werden kann, dass es sich hierbei wahrscheinlich um ein Definitionsproblem oder um eine gewisse Zurückhaltung gegenüber diesem Thema handelt.“ (Zitat Cavagnoli 2001: 121).

Das in Südtirol gesprochene Italienisch kommt der Standardsprache nahe, ist aber nicht die

einzig verfügbare Varietät. Cavagnoli beschreibt es so:

„Das in Südtirol gesprochene Italienisch ist einerseits gekennzeichnet durch ein Sammelsurium unterschiedlicher regionaler Charakteristiken, deren Wurzeln in der

46

Zuwanderung während des Faschismus liegen, andererseits durch das Fehlen eines eigenen lokalen Dialektes. Die italienische Bevölkerung ist regelrecht nach Südtirol ‚importiert’ worden, […]“ (Zitat Cavagnoli 2001: 122).

Die Bevölkerungssituation der italienischen Sprachgruppe kann man mit Tonelli als

heterogen bezeichnen, wobei der Großteil aus den umliegenden Provinzen der „Drei

Venetien“ stammt. Des Weiteren nimmt Tonelli an, dass die meisten der zugewanderten

Italiener aus den unteren sozialen (und meist agrarischen) Schichten stammen „und daher nur

über marginale Kenntnisse einer italienischen Standardvarietät verfügten.“ (Zitat Tonelli

1981: 11). In der Zeit der intensiv betriebenen Italianisierungspolitik hielt sich die

Führungsschicht nur kurz in Südtirol auf, sodass die Italiener ihre „intellighenzia“ verloren.

Die sprachlichen Varietäten, die sich verbreitet haben, sind also die der unteren

Bildungsschicht. Das Nebeneinander verschiedener Dialektvarianten führte zur Bildung von

Kompromissen - so genannter Ausgleichsvarietäten, die mit der Zeit aber auch lokal

bedingte Eigenheiten entwickelt haben (Cavagnoli 2001: 122). Um miteinander

kommunizieren zu können musste also eine „gemeinsame Kommunikationsbasis“ geschaffen

werden (Tonelli 1981: 11).

4.7.1. Die Bildung einer italienischen „Koiné“ auf der Basis der Nationalsprache

Aufgrund des Zustroms italienischer Einwanderer aus allen Regionen Italiens gibt es keine

dominierende italienische Dialektvariante in Südtirol (Zamboni 1995a: 105), welche die

Form des lokalen Italienisch hätten prägen können, allenfalls „una generale koiné

settentrionale“ (Zitat Romeo 2003: 362). Die italienische Sprache ist im Gegensatz zur

deutschen Sprache in Südtirol also „nicht bodenständig;“ (Zitat Kramer 1981: 97): Die

italienische Varietät kann sich nicht wie die deutsche auf einen autochthonen Dialekt stützen

(Tonelli 1981: 12). Dies konstatiert auch Zamboni:

“[…] l’italiano non è forma linguistica propriamente indigena nella regione: la prevalenza dell’elemento immigratorio rispetto a quello di radicamento storico altera, infatti, il quadro tipico di una tradizione ininterrotta. Non esiste dunque nell’area un dialetto storico dell’italiano […]” (Zitat Zamboni 1995a: 105).

In der ersten Phase war zwar der trentinische und venezianische Einfluss sehr stark, konnte

der lokalen Sprachform aber nur geringfügig ihren Stempel aufdrücken (Romeo 2003: 362).

Die spezielle Situation des Italienischen in Südtirol steht damit in Kontrast zur

gesamtitalienischen Sprachsituation mit ihrer historischen „frammentazione dialettale“

(Zamboni 1995b: 105). Es ist ein in ganz Italien nicht selten auftretendes Phänomen, dass der

47

Zustrom der Landbevölkerung in die großen Städte dazu führt, dass die markantesten

dialektalen Eigenheiten eingeebnet werden und in der Folge eine (regionale) Koiné entsteht

(Kramer 1981: 98).

„In Südtirol ist also der für Italien einmalige Fall eingetreten, dass eine regionale Koiné nicht auf der Basis eines gewachsenen Dialektes, sondern auf der Basis der Nationalsprache entstanden ist.“ (Zitat Kramer 1981: 98)

Die italienische Koiné Südtirols wurde von zwei Wissenschaftlern unterschiedlich bewertet:

Egon Kühebacher stellte die paradoxe These auf, dass man Bozen die Stadt des italienischen

Staates sei, in der man als Ausländer am besten die „lebende italienische Sprache“ (Zitat

Kühebacher 1974: 3) erlernen könne, weil sie dort keine dialektalen Einschläge besitzt und

immer nur als Hochsprache vorkommt (vgl. Kramer 1981: 98).

Giuseppe Francescato bezeichnet - im Gegensatz zu Kühebacher - das in Bozen gesprochene

Italienisch als „lingua ‚parlata’, ma non ‚viva’“ (Zitat Francescato 1975: 30). Es ist deshalb

keine lebende Sprache, weil es kein authentisches regionales Substrat als Grundlage hat wie

beispielsweise das bairisch-österreichische, auf welchem das Südtiroler Deutsch aufbaut

(Francescato 1975: 30). Des Weiteren bezeichnet er das „bolzanese“, welches nicht ein

italienischer Dialekt ist, sondern aus vielen verschiedenen Dialekten zusammengesetzt ist, als

„italiano potenzialmente neutro“ (Zitat Francescato 1975: 28), eine sprachliche

Ausgleichsform, in welcher die auffälligsten Dialektmerkmale weggelassen werden. Die

Italiener sprechen somit ein „italiano più vicino all’italiano ‚popolare’ che non a quello

letterario“ (Zitat Francescato 1975: 28). Francescatos weitere Beschreibung des Italienischen

ist ziemlich starter Tobak: Vom „linguaggio impoverito” über “il carattere precario” zu „un

tipo deteriore di italiano“ und “un linguaggio ancor più soffocato, ancor meno vitale dello

stesso tedesco” (Zitat Francescato 1975: 28; 30).

In diesem Kontext gibt uns Kramer einen Einblick in die italienische Sprachgeschichte: Eine

erste große Normierung des Italienischen erfolgte in der frühen Neuzeit durch die drei großen

Schriftsteller Dante, Petrarca und Boccaccio. Es handelte sich hierbei jedoch um eine vor

allem literarisch und nur von gelehrten Kreisen verwendete Schriftsprache. Die mündliche

Kommunikation erfolgte im Dialekt. Erst nach der Einigung Italiens 1861 bildete sich

langsam eine wirklich gesprochene Norm(-sprache) heraus. Es eine ist für Italiens dialektal

zergliederte Sprachlandschaft also ein eher ungewöhnlicher Sonderfall, dass es eine Gruppe

von Italienern gibt, deren Muttersprache nicht der Dialekt, sondern die Schriftsprache ist.

Außerhalb Italiens ist dies hingegen ganz normal. So gibt es beispielsweise in

Norddeutschland viele Menschen, die das Schriftdeutsche ohne regionale Einschläge als

Muttersprache verwenden. Es wird somit klar, „dass der im Grunde romantische Gedanke,

48

nur eine im Dialekt verwurzelte Hochsprache könne wirklich lebendig sein, nicht richtig sein

kann.“ (Zitat Kramer 1981: 100) Kramer bringt hierzu auch ein Beispiel: Wenn ein

süditalienischer Zuwanderer nach Mailand kommt, wird er sich sprachlich anpassen und

übernimmt in der Regel die lokale Prestigeform, in diesem Fall also die lombardische Koiné.

In Südtirol fiele bei der sprachlichen Anpassung die Regionalkoiné als Prestigesprachform

weg, so würde man eben in der mündlichen Kommunikation auf die nächste Stufe, die

Nationalsprache, übergehen. Kramer bemerkt abschließend: „Francescato hat also unrecht,

wenn er dem Südtiroler Italienisch den Status einer lingua viva abspricht;“ (Zitat Kramer

1981: 102).

Auch Kühebacher wird von Kramer kritisiert, wenn jener das Italienisch in Südtirol als

reinstes Normitalienisch idealisiert. Es mag zwar kaum diatopische Variation geben, die

diastratische Variation ist jedoch umso auffallender. Kramer unterscheidet zwei Ebenen des

Italienischen im Südtirol:

1.) die „Beamtensprachform“ (� elaborierter Code)

2.) die „Arbeitersprachform“ (� restringierter Code) (Kramer 1981: 102)

Die gesprochene Varietät des Südtiroler Italienisch ist also nicht mit der italienischen

Standardsprache gleichzusetzen. Laut Freddi ist sie eine „varietà che si colloca ancora tra

l’impersonale e il burocratico“ (Freddi zitiert nach Cavagnoli 2001: 122). Diese These muss

jedoch etwas differenzierter gesehen werde, da in den letzten 15 Jahren zwischen Jung und

Alt, Stadt und Land große Unterschiede ausmachbar sind (Cavagnoli 2001: 122).

4.7.2. Varietäten der italienischen Sprache in Südtirol

Die Mehrheit der Italiener Südtirols lebt in Bozen. Das gesprochene Italienisch orientiert sich

am Oberitalienischen und weist nur äußerst wenige Regionalismen auf. Es gibt jedoch

merkliche sprachliche Unterschiede zwischen den Generationen: Bei älteren Menschen sind

noch mehr Varietäten vorhanden; oft kann man sogar ihre regionale Herkunft erkennen. Die

Sprache der Jugendlichen ist viel einheitlicher, was einerseits auf die Gruppenbildung der

Jugendlichen, andererseits auch auf die Geschichte und die Schulbildung zurückzuführen ist.

Etwas anders sieht die sprachliche Situation in Gebieten aus, wo sich eine typische Sprache

entwickelt hat, wie beispielsweise das Laivesotto in Leifers (Cavagnoli 2001: 123).

„Durch die Annahme von lexikalischen, morphologischen und prosodischen Charakteristika der Dialekte aus dem Trentino und dem Veneto sowie Lehnbildungen aus der deutschen Umgangssprache haben sich diese typischen Varianten geformt und es hat sich eine getrennte Koiné gebildet.“ (Zitat Cavagnoli, S. 123)

49

Die italienische Sprache - zumindest das Bozner Italienisch - hat allen Unkenrufen zum Trotz

mit der Zeit doch eine eigene Dimension angenommen, wie es auch zahlreiche

Untersuchungen belegen (Cavagnoli 2001: 123). Hervorzuheben sind hier Mionis

Ausführungen zur italienischen Sprache in Südtirol:

Die italienischsprachige Bevölkerung Südtirols verwendet als „livello alto“ das Standard-

Italienisch, als „lingua media“ die “varietà di italiano regionale bolzanino35 che si sta

lentamente formando“ (Zitat Mioni 1990: 23) und als „lingua bassa“ den Dialekt, den nur

noch die älteren Generationen sprechen, wobei die venezianisch-trentinischen Dialekte

dominieren (Mioni 1990: 23). Die Merkmale des „italiano regionale bolzanino“ beschreibt

Mioni im Vergleich zum “italiano regionale padovano” so:

“[…] l’italiano dei giovani italofoni di Bolzano, pur appartenendo chiaramente al tipo generale degli italiani regionali settentrionali, era un po’ più fortemente standardizzato.” (Zitat Mioni 1990: 27)

Repertorio linguistico degli italofoni di città nella provincia di Bolzano

A1: Italiano standard

M1: Italiano regionale

B1: resti dei dialetti

Die Italiener treten in der Regel nicht in Berührung mit den „varietà medie e basse del

tedesco“ (Zitat Mioni 1990: 23). An Orten hingegen, wo die Italiener in der Minderheit sind,

beherrschen viele Italiener alle Varietäten des Deutschen.

Das Sprachrepertoire der deutschen Sprachgemeinschaft ist im Gegensatz zu dem der

italienischen Sprachgemeinschaft abwechslungsreicher, schichtenreicher und vor allem

natürlicher aufgebaut. Letztere verfügt nur über das „registro alto dello standard“ als

Ergebnis eines langsamen Vereinheitlichungsprozesses von unterschiedlichen Dialekten „e

sta pian piano uniformando i vari tipi di italiano colloquiale, che hanno assunto una certa

omogeneità soprattutto tra i giovani” (Zitat Mioni 1990: 25f). Die Dialekte hingegen

verschwinden langsam, weil sie eigentlich nur mehr von den Älteren gebraucht werden, wenn

sie mit Personen in Kontakt treten, die aus derselben Region stammen wie sie (Mioni 1990:

23-27) oder innerhalb der Familie. Die heutigen italienischsprachigen Südtiroler sind seit

maximal drei bis vier Generationen hier ansässig und sprechen ein kaum dialektal oder

regional gefärbtes Italienisch. Die deutschsprachigen Südtiroler hingegen verfügen über einen

35 Hervorhebungen A.P.

50

„relativ vitalen Dialekt“ bairisch-österreichischer Prägung, der auch im täglichen Leben

allgegenwärtig ist (Weber-Egli: 31).

4.7.3. Phonologie des Italienischen in Südtirol

Für Zamboni steht auf jeden Fall fest, dass das Südtiroler Italienisch eine norditalienische

Basis hat. Die aus den wenigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen stammenden Daten

betreffen dabei vor allem den phonologischen Bereich, während der morphosyntaktische fast

gar nicht erforscht ist.

„in ogni caso ci si può attenere sia pure con cautela al fatto che la prima consistente immigrazione italiana fu prevalentemente veneta e trentina (con apporti lombardi ed emiliano-romagnoli) e che l’ondata più consistente dal Centro-Sud è posteriore (dal secondo dopoguerra) e trova un modello locale di pronuncia già fissato, […]” (Zitat Zamboni 1995b: 112).

Da die Mehrheit der Zuwanderer also venezianisch-trentinischer Abstammung war,

beeinflusste dies auch sehr stark die Aussprache der Italiener in der Provinz Bozen. Die

Einwanderer aus anderen Regionen Italiens passten sich an die schon vorgeprägte lokale

Aussprache in ihrem Sprachverhalten an. Um die Aussprache der italienischsprachigen

Südtiroler zu beschreiben, hat Mioni Studien zum Italienisch der Provinz Bozen und eine

Studie über das in Padova gesprochene Italienisch miteinander verglichen.36 Er kam zur

Auffassung, dass die Aussprache der Padovaner und der Italosüdtiroler sich nicht wesentlich

voneinander unterscheiden, dass die Jugendlichen aus Bozen aber einen höheren Anteil an

Standardformen des Italienischen besitzen als die Jugendlichen aus Padua (Mioni 2001: 67f).

4.7.3.1. Typisch norditalienische Okkurrenzen: (vgl. Zamboni 1995b: 112f)

a) Konsonantismus

• Die Reduktion der Geminata und das Fehlen des „rafforzamento o raddoppiamento

sintattico“:

- ‚a casa’ � [a kasa] nicht Tosk. [a kkasa]

• Die Palatallaute /š, ł, ñ/ werden kurz und nicht verstärkt ausgesprochen:

- ‚pesce’ � [péše] nicht Tosk. [péšše] ;

36 Provinz BZ: Mura et al. 1981; Cetti 1982; Tonelli 1984; Padova: Diano 1978

51

- ‚figlio’ � [fiło] nicht Tosk. [fiłło]

- ‚bagno’ � [baño] nicht Tosk. [bañño]

• Die Sibilanten /s, �/ werden wie im Standarditalienisch dental, in intervokalischer

Position in der Regel jedoch stimmhaft realisiert.

• Die dentalen Affrikaten /z, �/ folgen der norditalienischen Distribution und werden

deshalb am Wortanfang stimmhaft (‚zucchero’ = [�ukkero]), im Wortinneren stimmlos

ausgesprochen.

• Trentinismen:

- Sporadisch taucht „la tipica zeta trentina“, das Trientner „Zett“, auf, das entweder

als starker Sibilant oder interdentale Affrikate betrachtet werden kann [z�].

- Ein anderer typischer Trentinimus ist das stimmlose /s/, das nach Nasallaut

stimmhaft ausgesprochen wird [�]: ‚ascensore’ � [ašen�ore]

• Das /s/ wird oftmals vor einem Konsonanten palatal realisiert, was vermutlich ein Einfluss

der italienischen Aussprache der deutschsprachigen Südtiroler ist, ‚stupido’ � [štupido]

• Der Vibrant /r/ wird eher uvular realisiert, was ebenfalls mit der italienischen Aussprache

der deutschsprachigen Südtiroler übereinstimmt.

b) Vokalismus

• Der Vokalismus des Südtiroler Italienisch konvergiert größtenteils mit dem Schema des

Standard-Italienischen und unterscheidet sieben betonte Vokale (mit Opposition

zwischen offenem und geschlossenem e und o /é,ó ~ è,ò/). Die tatsächliche Realisation ist

jedoch etwas differenzierter.

- Regulär gebildet werden beispielsweise ‚me’ und ‚tre’� [mè, trè], offen realisiert,

vs. Tosk. [mé, tré] geschlossen;

- Regulär gebildet wird - mit einigen Ausnahmen - auch der Diphthong [ié], wie

zum Beispiel in ‚piede’ � [piéde] vs. Tosk. [piède];

- Der Norm entspricht auch das geschlossene [é], gefolgt von Nasal und Konsonant,

wie in ‚gente’ � [�énte] vs. Tosk. [�ènte];

- Auch die Opposition /ó ~ ò/ entspricht dem Standard, entspricht teilweise aber

dem norditalienischen Distributionsschema: ‚bisogno’ � [bi�òño] vs. Tosk.

[bi�óñño] ; ‘corridoio’ � [korridòio] vs. Tosk. [korridóio];

Die Intonation des Italienischen unterscheidet sich von der trentinischen und venezianischen.

Sie weist eigenständige Züge auf.

52

5. Die Deutschkompetenz der Italiener

5.1. Die Italiener und die deutsche Sprache: Ein schwieriger Start

Im Faschismus wurde der Unterricht ausschließlich in italienischer Sprache abgehalten. Die

Deutschen mussten als unterdrückte Minderheit Italienisch lernen, die Italiener als

„Kolonialherren“ aber nicht Deutsch. Mit Einführung des Ersten Autonomiestatuts 1948

schien sich eine Wende abzuzeichnen: Die Italiener mussten nun auch Deutsch lernen,

nahmen dies aber nicht ernst. Es blieb bei der theoretischen Gleichberechtigung der beiden

Sprachen Italienisch und Deutsch. Die oftmals unmotivierten Schüler erlernten die

Zweitsprache somit nur oberflächlich und empfanden sie als unnützen Zwang. Die

Deutschkenntnisse der Italiener waren dementsprechend dürftig. Erst mit Inkrafttreten des

Neuen, Zweiten Autonomiestatuts 1972 wurde Ernst gemacht und ein Umdenken bewirkt:

Laut Artikel 89 werden nämlich die öffentlichen Stellen nach dem ethnischen Proporz

vergeben. Zudem ist für alle Angestellten im öffentlichen Dienst die Kenntnis beider

Landessprachen vorgeschrieben. Um an Wettbewerben für die Besetzung von öffentlichen

Dienststellen teilnehmen zu können, ist zudem das Ablegen der Zweisprachigkeitsprüfung

erforderlich (vgl. Forer 1984: 11f ; Mancini 1978: 2f). Die deutsche Sprache gewann im

Bewusstsein der Italiener an Wichtigkeit. Egger zufolge haben es mehrere Ursachen mit sich

gebracht, dass die Italiener nun (lieber) Deutsch lernten:

„Vor allem war es der Wunsch, die Berufsaussichten durch Deutschkenntnisse zu verbessern, dann aber auch der Wunsch, die Kontakte mit der deutschen Sprachgruppe zu verbessern.“ (Zitat Egger 1982: 171)

Die Zweitsprachkompetenz der Italiener ließ jedoch lange Zeit zu wünschen übrig. Gubert hat

im Jahre 1976 zum Thema Bilinguismus in Südtirol eine repräsentative Fallstudie

durchgeführt (400 Befragte). Demnach hielten magere 3% der befragten Italiener ihre

aktuellen Deutschkenntnisse für gut (Gubert 1976: 4f). Auch Anfang der 80er-Jahre hatte sich

noch nicht recht viel an der Sprachsituation geändert: „Il livello di partenza nella conoscenza

del tedesco non si può dire per il gruppo molto buono. […] La efficacia dell’insegnamento

scolastico del tedesco è stata quindi veramente scarsa.” (Zitat Gubert 1982: 206) Dies

bestätigt auch Höglingers Beobachtung:

„Menschen aus der italienischen Sprachgruppe, in Südtirol (Leifers, Bozen) geboren, in der Nachkriegsära aufgewachsen und zur Schule gegangen, also 40- bis 50-Jährige

53

können einem simplen Gespräch nicht folgen, ihre aktiven und aktivierbaren Deutschkenntnisse sind sicher geringer als ihre Englischkenntnisse.“37

5.1.1. Soziologische Faktoren für die Deutschkenntnisse der Italiener

Kramer versucht einige soziologische Gründe für die schlechten Deutschkenntnisse der

Italiener anzuführen:

• Bis Anfang der 70er-Jahre bestand keine Notwendigkeit, das Deutsche zu erlernen, die

Deutschsprachigen beherrschten ja das Italienische. Erst mit dem Paket bzw. dem

Zweiten Autonomiestatut wurde die Ablegung der Zweisprachigkeitsprüfung zur Pflicht

für diejenigen, die im öffentlichen Bereich tätig sein wollten, der zuvor von den Italienern

dominiert war.

• Die Italiener leben nicht über das ganze Land verstreut in engem Kontakt mit der

deutschsprachigen Bevölkerung, sondern sind vor allem in den Städten Bozen, Meran und

Leifers konzentriert. Dort wiederum leben sie in bestimmten Vierteln, sodass die

tatsächlichen Kontakte zu Deutschsprachigen eher selten sind.

• Viele Italiener waren nicht auf ein dauerhaftes Verbleiben in Südtirol eingestellt. Bozen

diente oft nur als Sprungbrett für die weitere berufliche Karriere in einer anderen Stadt.

Folglich hatten diese Italiener auch nicht wirklich Lust, die schwierige deutsche Sprache

zu erlernen, und steckten damit die Italiener an, die bleiben wollten.

• Aufgrund der mangelnden „Bereitschaft“ der Italiener, die deutsche Sprache zu erlernen,

war dementsprechend auch der Unterricht im Fach Deutsch bis in die 70er-Jahre nicht

sehr effektiv. Außerdem waren die Lehrpersonen nicht selten italienischer Muttersprache.

In den Lehrplänen wurde wenig Wert auf die Sprechkompetenz gelegt, sondern auf die

Lektüre literarischer Texte (Kramer 1981: 119ff).

Die Deutschkenntnisse der Italiener in Südtirol hängen laut Gubert aber auch von mehreren

öko-soziokulturellen Faktoren ab, zum einen vom Geburtsort der Italiener. Demnach

beherrschen die autochthonen Italiener das Deutsche besser als die eingewanderten und haben

auch mehr Kontakte zur deutschen Sprachgruppe. Zum anderen steigt mit abnehmendem

Alter die Deutschkompetenz und der Wille zum Bilinguismus. Weiters hängen die

Deutschkenntnisse vom Geschlecht ab: Die Männer unterstreichen die Vorteile der

37 http://www.suedtirolernachrichten.it/news_sql/view_news_html?news_id=20031128123149

54

Zweisprachigkeit, während die Frauen dieser eher skeptisch gegenüber stehen. Ein weiterer

Faktor ist der soziale Status und damit verbunden die schulische Bildung. Mit steigendem

sozialen Status und steigender Bildung nehmen auch die Deutschkenntnisse und die

Beziehungen zu Deutschsprachigen zu (Gubert 1976: 12f).

5.2. Die Bemühungen um bessere Deutschkenntnisse

Die italienische Sprachgruppe versucht Kramer zufolge nun vermehrt, ihre

Deutschkompetenz zu verbessern (Kramer 1981: 121). Zur Förderung derselben wird eine

frühe Zweisprachigkeit angestrebt, genauer gesagt das Erlernen des Deutschen bereits im

Kindergarten und eine zweisprachige Schule mit einer Hälfte der Fächer in deutscher und der

anderen Hälfte in italienischer Sprache (Immersionsunterricht). Die deutschsprachige

Bevölkerung befürchtet jedoch, dass der frühe Unterricht und der Fachunterricht in der

Zweitsprache zur Schwächung der Muttersprache und zu Identitätskrisen führen (Kramer

1981: 109) Außerdem ist in Artikel 19 des Autonomiestatuts vorgesehen, dass der

Kindergarten und die Schule einsprachig sein müssen (vgl. Kramer 1981: 121).

5.3. Die gegenwärtige Deutschkompetenz der Italiener

Im alltäglichen Leben ist immer noch zu beobachten, dass die Italiener generell schlechter

Deutsch sprechen als die Deutschsprachigen Italienisch. Dieses Defizit will man mit neuen

Methoden und Versuchen verstärkt beheben. Seit Mitte der neunziger Jahre wird in den

italienischen Schulen mit dem Zweitspracheunterricht Deutsch bereits ab der ersten Klasse

Grundschule begonnen. Zudem werden den Italienern seit einigen Jahren zur Förderung ihrer

Zweitsprachkompetenz mehr Schulversuchsmöglichkeiten im sprachlichen Bereich

zugestanden als den Deutschen (Saxalber-Tetter 2001: 190). Vielfach ist auch zu beobachten,

dass Italiener nach Deutschland gehen, um dort ihre Deutschkenntnisse zu verbessern.

In der 2006 durchgeführten ASTAT-Studie geben nur 27% der Italiener darin an, die

Zweitsprache Deutsch so zu beherrschen, dass sie sich „spontan und flüssig ausdrücken“ oder

sich „problemlos über vertraute Argumente austauschen“ können. Bei den deutschsprachigen

Südtirolern sind es immerhin 59%, die über eine ausreichende Zweitsprachkompetenz

verfügen.

55

Die Gründe, welche die italienischsprachigen Südtiroler daran hindern, die Zweitsprache zu

lernen, sind vor allem der fehlende Wille (43%), das schulische System (38,5%) und der

deutsche Dialekt (40,1%) (vgl. ff 16.02.2006, S.38f). Laut Umfrage sind die Italiener im

Gegensatz zu den deutschsprachigen Südtirolern mit ihren Zweitsprachkenntnissen selbst

nicht zufrieden und haben auch die größeren Schwierigkeiten, die Zweisprachigkeitsprüfung

zu bestehen. Dementsprechend sind auch nur 28% der Italiener in Besitz des

Zweisprachigkeitsnachweises.

68,6% der Italiener sind mit der Qualität des Zweitspracheunterrichts zufrieden, 34,4% haben

jedoch negative Erfahrungen gemacht. Auf Seiten der deutschen Sprachgruppe sind 53% der

Meinung, dass die Schule ihnen eine angemessene Zweitsprachkompetenz vermittelt hat,

während bei den Italienern nur 32,1% diese Meinung teilen (AA 16.02.2006, S.17).

Ein Debakel der Sonderklasse löste im Februar 2006 eine von der Eurac geförderte und von

der Wissenschaftlerin Chiara Vettori durchgeführte Studie aus, welche die Deutschkenntnisse

der italienischen Schüler aus Bozen mit denen aus Trient überprüfen und vergleichen sollte.

Über 400 Schüler der Mittel- und Oberschulen wurden einer schriftlichen und einer

mündlichen Prüfung unterzogen. Das Ergebnis war ein Schlag ins Gesicht, denn

offensichtlich können die italienischen Trientner Schüler besser Deutsch als die aus Bozen,

obwohl letztere 1000 Stunden mehr Deutsch in der Schule haben als ihre Trientner

Kommilitonen. Wie man dieses frappierende Ergebnis interpretieren soll, zeigt ein

studienergänzender Fragebogen, in dem 94% der italienischen Bozner Schüler angeben, für

gewöhnlich nicht Deutsch mit deutschsprachigen Freunden zu sprechen. Weitere 54%

sprechen nicht gerne Deutsch. Immerhin halten 95% Deutsch für ein nützliches Mittel in

Bezug auf ihre berufliche Laufbahn (AA 23.02.2006, S.13).

“I giovani di lingua italiana generalmente parlano poco il tedesco […].”(Zitat Frabboni

2002: 104) konstatiert Frabboni in seiner von der Freien Universität Bozen finanzierten

Studie über die Häufigkeit, Themen und Formen der mündlichen Kommunikation der

Jugendlichen in Südtirol (Frabboni 2002: 7). Beim Großteil der Jugendlichen Südtirols aller

Sprachgruppen herrscht das Phänomen der “in-group” vor, d.h. man gibt sich lieber mit

Gleichsprachlichen ab (Frabboni 2002: 104).

Der Journalist Christoph Franceschini stellte vier jungen italienischen MaturantInnen in

einem Interview die Frage, ob heute immer noch dieser energische Widerstand der jungen

Italiener gegen das Erlernen der deutschen Sprache ausmachbar sei. Darauf antworteten sie,

dass es viele Schüler gäbe, die einfach nicht motiviert seien. Sie hätten Schwierigkeiten und

würden folglich einfach sagen, sie würden diese Sprache nicht lernen wollen. Manche würden

56

sich fast weigern, Deutsch zu lernen: „Sie sagen wir sind hier in Italien und hier muss man

Italienisch reden.“ Und die Deutschen würden sagen: „Sie haben uns das Land weggenommen

und sie sollen wieder zurückgehen.“ Anstatt immer nur auf die Geschichte zu pochen und die

Zeit zurück drehen zu wollen, sollte man an die Zukunft denken, meinen sie. Es müsste mehr

sprachlichen Austausch und direkten Kontakt zwischen den Sprachgruppen geben, so die

Schüler, denn man könne eine Sprache nicht nur in der Schule lernen. Dazu sei aber Geduld

notwendig und weniger Faulheit. Denn oft seien die Italiener einfach zu bequem, um in der

Fremdsprache zu sprechen, vor allem, wenn dann auch die Zuhörer ungeduldig werden, keine

Lust haben, Fehler zu verbessern und dann lieber auf Italienisch weiterreden. Dies gehe ihnen

auf die Nerven, meinen die Schüler (Neue Südtiroler Tageszeitung 12./13.03.2005, S.2).

Generell kann man jedoch feststellen, dass die starre „Siamo in Italia, allora si deve parlare

italiano!“-Mentalität, die kennzeichnend für den frühen „importierten“ italienischen

Immigranten war, von Generation zu Generation langsam aber sicher bei den nunmehr

„autochthonen“ Italienern in eine größere Sympathie und Öffnung gegenüber der deutschen

Sprachgruppe und Sprache umzuschlagen scheint.

6. Gegenüberstellung der beiden indoeuropäischen Sprachen Deutsch und Italienisch

6.1. Die sprachtypologische Klassifikation der Sprachen

Die Sprachtypologie führt eine Klassifikation der Sprachen aufgrund grammatischer

Eigenschaften durch. Die klassische, morphologisch orientierte Sprachtypologie basiert auf

der Unterscheidung von Schlegel zwischen:

a) analytischem (auch: isolierendem) und

b) synthetischem Sprachbau

In analytischen Sprachen (z.B. Chinesisch) „werden die grammatischen Beziehungen der

Wörter im Satz durch selbständige, syntaktische Formelemente (z.B. Präpositionen), in

synthetischen Sprachen38 durch selbständige, morphologische Mittel ausgedrückt.“ (Zitat

Bußmann 2002: 634).

38 Hervorhebungen A.P.

57

Schlegel unterschied bei den synthetischen Sprachen weiters zwischen:

- agglutinierenden Sprachen (Grammatische und lexikalische Morpheme mit

einfachen Bedeutungen werden aneinander gekettet) und

- flektierenden Sprachen (Die Wörter lassen sich nicht leicht in einzelne

Morpheme mit einfachen Bedeutungen segmentieren. Außerdem kommen

beispielsweise Stammveränderungen vor)

In der neueren generativen Syntax beschäftigt man sich vor allem mit den Pro-Drop-

Sprachen, „in denen syntaktische Argumente nicht realisiert werden müssen“ (Zitat Bußmann

2002: 634). Die Phonologie befasst sich mit der Unterscheidung zwischen silben- bzw.

akzentzählenden Sprachen (Bußmann 2002: 634).

In Anschluss an Schlegel wurden von Ineichen und Scalise die folgenden morphologischen

Sprachtypen unterschieden:

• isolierende Sprachen (auch amorphe Sprachen; Wurzelsprachen):

Die Wörter sind hier unveränderlich, es findet keine Modifikation durch Affixe,

Flexion etc. statt. Grammatische Beziehungen werden ausgedrückt durch selbständige

Wörter mit grammatischer Bedeutung und durch die Regelung der Wortstellung.

Isolierende Sprachen wären beispielsweise Chinesisch und Vietnamesisch (Metzler

200: 20).

• agglutinierende Sprachen: Die grammatischen Morpheme werden kumulativ an die

Basis angehängt, um unterschiedliche Funktionen oder Bedeutungen auszudrücken,

wie beispielsweise im Türkischen (Blasco Ferrer 1999: 234).

• flektierende Sprachen (auch fusionierende Sprachen): Enge, oft zu einer

Verschmelzung führende Verbindung zwischen Wortstamm und Affix (Metzler 200:

210). Einem Morphem entspricht außerdem mehr als eine Bedeutung oder mehr als

ein Merkmal (Polysemasie) (Bußmann 2002: 217).

• inkorporierende Sprachen (auch einverleibende/polysynthetische Sprachen): sind

gekennzeichnet durch eine hohe Komplexität der Morphologie. So drücken

beispielsweise Indianersprachen im Verb Subjekt- und Objektverhältnisse aus, so dass

ein Verb einem vollendeten Satz entsprechen kann (Metzler 2000: 537f).

• introflexive Sprachen (Wurzelflexion): Dabei wird die Wortwurzel bzw. die

Lexemsilbe mit Hilfe alternierender Konsonanten (Vernersches Gesetz) oder Vokale

(Ablaut, Umlaut) flektiert (Metzler 2000: 303).

58

Skali�ka wies darauf hin, dass es keine reinen Typen gibt, sondern nur Mischtypen (Blasco

Ferrer 1999: 234).

6.2. Der Sprachbau im Vergleich

Für Lewy scheint das Italienische „etwas, wie die europäische Normalsprache zu sein“. Es

wirke seiner Ansicht nach auf Europäer „wie eine vernünftige, eine klassische Erscheinung:

als die unmittelbare, in keiner Weise abgelenkte Fortsetzung des Lateinischen in die moderne

Welt hinein.“ (Zitat Lewy 1964: 32). Die Wurzel des Nomens erfährt bei der Flexion keine

nennenswerten Veränderungen, die des Verbums hingegen beachtliche. Das Nomen kennt

zwei Genera, die kongruierend verwendet werden. In Bezug auf Kasus und Genus wird die

Isolierung der Flexion erreicht. Beim Verb schließt die verbale Form oftmals das Subjekt

mit ein. Außerdem ist die Wortstellung nicht so streng geregelt (Lewy 1964: 32).

Dem Deutschen steht Lewy durchaus kritischer gegenüber, denn es „stellt einen sehr

umgebildeten, aber in alter Richtung umgebildeten Typus dar, alte Kategorieen [sic!] sind

bewahrt […]“ (Zitat Lewy 1964: 50). Der Wortstamm ist oft durch Ablaut und Umlaut

(Vokale), den grammatischen Wechsel und die intensivierende Gemination39

(Konsonanten) veränderbar.

Das Nomen weist drei Genera auf, welche im Singular deutlich unterscheidbar sind, im

Plural jedoch zusammenfallen. Die drei Genera des Nomens, die Beibehaltung des

grammatischen Wechsels beim Verbum, das flektierte Relativpronomen der Schriftsprache,

die Unterscheidung von Haupt- und Nebensätzen durch die Wortstellung, die außerdem mit

der Trennbarkeit der Verbalpräfixe (‚ich kam an’ ; ‚als ich ankam’) verbunden ist, stuft

Lewy als „altertümlich“ ein (Lewy 1964: 50).

Der Florentiner Germanist Vittorio Santoli sieht im Italienischen eine Sprache, „die den

gemeineuropäischen Übergang vom synthetischen zum analytischen Typus nur zur Hälfte

vollzogen und die sich damit strukturelle Redundanz […] eingehandelt habe.“ (Zitat Albrecht

1998: 781). Im Deutschen wird die Endstellung des Verbs in den Nebensätzen, die durch

Konjunktionen eingeleitet sind, von Santoli als „struktureller Archaismus“ bezeichnet,

während diese im Italienischen (z.B. im Opus von Boccaccio) als „stilistischer, latinisierter 39 Intensivbildung = „Ausdrücke, die die Intensivierung des im Grundverb ausgedrückten Vorgangs bezeichnen, vgl. raufen vs. rupfen (durch Gemination [= Verdoppelung bzw. Dehnung von Konsonanten; Bußmann 2002: 239] ) oder wanken vs. schwanken.“ (Zitat Bußmann 2002: 313). Diese Affixe können substantivischen und verbalen Ableitungen beispielsweise die zusätzliche Bedeutungskomponente der Wiederholung (Iterativ) oder die des Überdrusses (Suffix -ei bei Fragerei) (Bußmann 2002: 239). Homberger nennt z.B. auch hören vs. horchen (= intensiv hören) (Homberger 2003: 231).

59

Archaismus“ empfunden wird. Italienisch erscheint hier als Sprache ohne auffallende

Besonderheiten (Albrecht 1997: 781).

Im Jahre 1963 hat Cesare Segre eine Art Gesamtcharakteristik des Italienischen präsentiert.

Nur marginal geht er jedoch in seiner Darstellung auf die bedeutenden Erscheinungen der

italienischen Sprache im Vergleich zum Deutschen ein, die etwa wären:

• Fehlen der obligatorischen Subjektpronomen

• synthetische Superlative (‚prudentissimo’)

• Fehlen der „suffixes concrets“ des Deutschen (blutarm – anemico; friedfertig –

pacifico)

• Fehlen der abtrennbaren Verbzusätze (buttar via – wegwerfen)

• fast obligatorische Reihenfolge Determinatum – Determinans beim Kompositum

Dafür behandelt er unter anderem das Phänomen der Satzstellung im Italienischen, die viel

freier ist als die im Deutschen. Nicht selten können bei einfachen Sätzen alle

Serialisierungen vorgenommen werden (Albrecht 1997: 782).

Ein weiterer Sprachwissenschaftler hat sich um eine sprachtypologische Einordnung der

italienischen Sprache bemüht: Geckeler legte im Jahre 1989 eine Skizze vor, aufbauend auf

der Typologie Skali�kas, die fünf deduktiv konstruierte, jedoch von keiner natürlichen

Sprache vollständig dargestellte Sprachtypen unterscheidet. Anhand dieser Parameter wird

das Italienische gemessen. Es tritt demnach als eine „an erster Stelle vom flektierenden Typus,

an zweiter Stelle vom isolierenden Typus, dann mit Abstand an dritter Stelle vom

agglutinierenden, an vierter Stelle vom polysynthetischen und an fünfter Stelle vom

introflexiven Typus“ (Geckeler zitiert nach Albrecht 1998: 787) gekennzeichnete Sprache in

Erscheinung. Besonders hervorgehoben wird die seltene Verwendung des Adjektivs in

adverbialer Funktion (‚parlare piano’) und die Häufigkeit von enklitischen Pronomen

(‚promettendoglielo’) (Albrecht 1998: 787f). Das Deutsche ist nach Roelcke „eine

flektierende Sprache, welche aufgrund etwa des Ab- oder des Umlautes ebenfalls Merkmale

einer introflexiven sowie bezüglich der periphrastischen Kennzeichnung grammatischer

Kategorien solche einer isolierenden Sprache zeigt.“ (Roelcke zitiert nach Blasco Ferrer

1999: 234f)

Im Italienischen sind besonders das Verbalsystem und die Kategorie Kasus im

Pronominalsystem gut ausgeprägt. Im Nominalsystem sind die „Kasus-Numerus-Amalgame“

des Lateinischen (‚militibus’) aufgehoben und die beiden Kategorien Genus und Numerus

60

werden synthetisch realisiert. Das Italienische zeichnet sich weiters aus durch einen

Reichtum an Verbalperiphrasen (‚sto facendo’ ; ‚sto a fare’ ; ‚vengo facendo’). Um

rhematische Subjekte einführen zu können, muss im Italienischen nie ein Platzhalter-

Subjekt vor dem Verb stehen (dt. ‚Es ritten drei Ritter zum Tore hinaus’ ; ‚it. Accaddero

molte disgrazie’). (Albrecht 1998: 794).

6.2.1. Die Komposition und andere Wortbildungsmechanismen des Deutschen im Vergleich mit dem Italienischen

Erst kürzlich wurde vom Deutschen Sprachrat unter der Federführung und Leitung der

Vorsitzendes des Deutschen Sprachrats und Präsidentin des Goethe-Instituts Jutta Limbach

ein Buch mit dem Titel „Ausgewanderte Wörter“ herausgegeben, welches deutsche Wörter

anführt, die in andere Sprachen Eingang gefunden haben. Dieses Werk war das Endprodukt

einer internationalen Ausschreibung zum Thema „Ausgewanderte Wörter“ (Limbach 2007:

7). Menschen aus aller Welt sollten „deutsche Wörter oder als solche empfundene“ nennen

und beschreiben, welche inhaltlichen und emotionalen Vorstellungen sie damit verbinden

(Limbach 2007: 11). Limbach schreibt im Vorwort, dass sich die deutsche Sprache „mit ihren

einfallsfreudigen zusammengesetzten Wörtern für andere Sprachen immer wieder als eine

reichhaltige Fundgrube erwiesen“ hat (Zitat Limbach 2007: 7). Denn „[d]ank unserer

Grammatik sind wir zudem Meister der zusammengesetzten Wörter“. Als Beispiele nennt sie

„Fingerspitzengefühl, Gratwanderung, Zeitgeist, Leitmotiv […], die wegen ihrer

vorzüglichen Aussagekraft von vielen Sprachen entliehen worden sind.“ (Zitat Limbach 2007:

8).

Auch Blasco Ferrer spricht von der außerordentlichen Produktivität der Komposition im

Deutschen und vergleicht sie mit der italienischen:

“Rispetto alla modesta funzionalità della composizione in it.[aliano], la Komposition in ted.[esco] si qualifica subito come meccanismo per eccellenza nel rinnovamento del lessico” (Zitat Blasco Ferrer 1999: 200).

Als Beispiel führt er das Lexem ‚Sprache’ an, zu dem er einige Komposita in Texten,

Artikelüberschriften, Monographien und Zeitschriften gesucht hat. Unter anderem stieß er auf

folgende Komposita, welchen im Italienischen die „sintagmi liberi“ entsprechen würden:

- Behördensprache (� lingua amministrativa)

- Frauensprache (� lingua delle donne)

- Gossensprache (� lingua dei bassi ceti)

- Pressesprache (� lingua della stampa)

61

- Sprachgeschichtsforschung (� ricerca storico-linguistica)

- Sprachverfall (� decadenza linguistica)

Einen Beweis für die Produktivität der Komposition im Deutschen liefern beispielsweise die

Jugendsprache und die ad-hoc-Komposita (Augenblickskomposita).

Formal gesehen umfasst die Komposition im Deutschen alle morphologischen Klassen.

„È noto altresì che il tipo linguistico germanico […] consente un amalgama o una fusione illimitata di lessemi e morfemi liberi, che in it.[aliano] vanno tradotti con interi predicati o frasi” (Zitat Blasco Ferrer 1999: 201).

- Kurzzeitgedächtnis (� memoria di breve durata)

- Lohnsteuerjahresausgleichsformular (� modulo per il conguaglio

dell’imposta sul salario)

- Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänswitwenrentenabholstelle (�

uffico per la riscossione della pensione della vedova del capitano della

società di navigazione di battelli a vapore del Danubio)

Die deutsche Sprache kann bei der Bildung von Komposita also beliebig viele Lexeme und

freie Morpheme aneinanderreihen, denen im Italienischen Syntagmen und ganze Sätze

entsprechen würden. In der Wortbildung verhält sich das Deutsche synthetisch, das

Italienische analytisch, was umständlich und schwerfällig wirken kann. Folglich ist die

deutsche Sprache - was die „Kompaktheit“ der Wortbildung betrifft - gegenüber dem

Italienischen im Vorteil.

Die bis zur Rechtschreibreform 1996 zusammengeschriebenen Komposita wurden in der

Folge morphologisch getrennt: aus ‚radfahren’ wurde ‚Rad fahren’, ‚staubsaugen’ wurde zu

‚Staub saugen’.

Die deutsche Komposita-Bildung folgt dem Schema Determinans + Determinatum.

Kunstsprache vs. Sprachkunst ; Milchkuh vs. Kuhmilch.

Weitere häufig vorkommende Wortbildungsmechanismen im Deutschen sind:

• Die Zusammenrückung oder die graphische Univerbierung (auch mittels

Bindestrichen) von Konglomeraten, Syntagmen oder ganzen Sätzen, zum Teil auch

mit komisch-karikaturistischem Effekt: Hansguckindieluft, Stell-dich-ein, Irgendeine

Bemerkung der Sorte ‚Und-anderswo-verhungern-die-Kinder’.

• Die Kürzung von Termini „in genere diafasicamente marcati“ (Zitat Blasco Ferrer, S.

202): ‘Uni’ für Universität ; ‘Klo’ für Klosett.

62

• Die Bildung von Akronymen40 oder Abkürzungen: ‚AOK’ für Allgemeine

Ortskrankenkasse ; ‚Kripo’ für Kriminalpolizei ; ‚LKW’ für Lastkraftwagen (Blasco

Ferrer 1999: 200ff).

7. Das Prestige der deutschen Sprache in Südtirol

7.1. Der Status der deutschen Sprache in der Welt

Petralli wirft in seinem 1996 erschienenen Buch „Lingue sciolte“ die Frage auf, welchen

Einfluss das neue, vereinte Deutschland auf Europa und die Welt hat. Mancherorts würde die

deutsche Sprache schon als die neue Konkurrenzsprache zum Englischen gehandelt. Die

Realität sieht laut Petralli jedoch ganz anders aus, denn der Status der deutschen Sprache

muss erst rehabilitiert werden und man muss sich mit der belastenden Vergangenheit

auseinandersetzen. Um es mit anderen Worten auszudrücken: Die beiden Weltkriege haben

Petralli zufolge dem Prestige des Deutschen sehr geschadet. Auch als internationale

Wissenschaftssprache hat die deutsche Sprache an Boden verloren und dem Englischen Platz

gemacht.

Petralli stellt auch die Frage in den Raum, welchen Einfluss die deutsche Sprache in Zukunft

wohl ausüben werde. Einerseits würde sich ein Wirtschaftsaufschwung bemerkbar machen,

der auf die Einigung Deutschlands zurückgeht und dazu tendiert, nach Osten zu expandieren,

andererseits hätte Deutschland eine „forza sociale insufficiente“, d.h. es gibt auf der ganzen

Welt nur knapp 100 Millionen germanophone Sprecher. Außerdem müsse die Bundesrepublik

zuerst seine schreckliche Vergangenheit aufarbeiten (Petralli 1996: 107f). Petralli hält das

Prestige des Deutschen also eher für negativ.

Als positiv erachtet den Status der deutschen Sprache hingegen die Sprachwissenschaftlerin

Jutta Limbach. Ihrer Ansicht nach überrascht ein Großteil der deutschen Begriffe in anderen

Sprachen „durch ihre neutrale bis positive Konnotation“ (Zitat Limbach 2007: 30). Sie

bemerkt zwar, dass einige Militärausdrücke aus dem Nationalsozialismus der deutschen

Sprache wohl ewig anhaften werden, „aber sie genießt – das zeigt die Ausschreibung –

40 Akronym: „(auch: Initialwort) „Aus den Anfangsbuchstaben oder –silben einer Wortgruppe oder eines Kompositums gebildete Abkürzung, die als Wort verwendet wird“ (Zitat Metzler 2000: 23)

63

international einen viel besseren Ruf, als wir selbst manchmal glauben mögen“ (Zitat

Limbach 2007: 30).

7.2. Das Prestige der deutschen Sprache in Südtirol im historischen Abriss

Mioni ist der Auffassung, dass theoretisch alle Sprachen gleichwertig sind und dasselbe

Potential besitzen. Es hängt aber maßgeblich von sozialen Faktoren ab, welche Sprache der

anderen vorgezogen wird. Hier ist besonders das Kräfteverhältnis zwischen den

ethnolinguistischen Gruppen ausschlaggebend (Mehrheit vs. Minderheit; lokale Macht vs.

Staatsmacht) (Mioni 1990: 17).

7.2.1. Die Stellung der deutschen Sprache im Faschismus

Laut Pallaver sahen die Dominanzverhältnisse im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts wie folgt

aus:

„Bis 1918 war die deutsche Bevölkerung und somit die deutsche Sprache der dominante Faktor, ab 1918 mit der Abtrennung des heutigen Südtirol von Österreich und insbesondere unter dem Faschismus waren die Vorzeichen genau umgekehrt gesetzt. (Zitat Pallaver 1978: 5).

Im Faschismus dominierte die italienische Sprache in allen Bereichen des öffentlichen

Lebens. Die deutsche Sprache war verboten, in den Schulen wurde ausschließlich in

italienischer Sprache gelehrt, während von den Italienern keine Deutschkenntnisse verlangt

wurden (Egger 1982: 171). Die deutsche Sprachgruppe und die deutsche Sprache befanden

sich in einer geschwächten und unterdrückten Position.

7.2.2. Der „Pariser Vertrag“ - ein gescheiterter Versuch zur Rehabilitation der deutschen Sprache

Im Jahre 1946 erfolgte der erste Schritt zur Festigung der deutschen Sprachgruppe, als der

italienische Außenminister Alcide Degasperi und sein österreichischer Amtskollege Karl

Gruber das Pariser Abkommen unterzeichneten. Darin wurde (theoretisch) die

Gleichberechtigung der Minderheit und im Wesentlichen der Schutz des Volkstums, der

kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung Südtirols gewährt. Südtirol wird der Status einer

Autonomie zugesprochen und einige wichtige Punkte wie Unterrichtssprache, Stellenproporz,

64

Ortsnamen, Deutsch als gleichberechtigte Amtssprache werden festgelegt. Degasperi dehnte

die dem Land Südtirol zugesicherte Autonomie jedoch auf das Trentino aus, sodass die

Italiener die deutsche und ladinische Sprachgruppe zahlenmäßig überstimmen konnten. Die

Diskriminierung der deutschsprachigen Südtiroler ging weiter (Zagler 1998: 32ff).

Mit Inkrafttreten des Pariser Abkommens 1946 bzw. dem Ersten Autonomiestatut 1948

hatte man sich eine neue Phase im Verhältnis Italien-Südtirol erhofft. Doch die Erwartungen

wurden enttäuscht. Das Einzige, was sich wirklich gebessert hatte war die Gewährung

demokratischer Grundrechte wie Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit und das

Recht auf religiöse und kulturelle Betätigung. Nicht zu vergessen der Wiederaufbau der unter

dem Faschismus verbotenen deutschen Schule (Widmann 1998: 59). Dem Historiker Josef

Fontana zufolge kam bei den Südtirolern zur Enttäuschung über die verweigerte Autonomie

auch die große Angst vor der massiven systematischen Zuwanderung aus dem Süden hinzu,

mit der bereits in den unmittelbaren Nachkriegsjahren begonnen worden war. Nachdem den

deutschsprachigen Südtirolern der Zugang zu staatlichen und halbstaatlichen Stellen verwehrt

wurde, waren beispielsweise im Jahre 1958 an die 7000 Leute gezwungen, im Ausland Arbeit

zu suchen. Eine gezielte Verdrängungs- und Überfremdungstendenz setzte ein, die durch eine

dementsprechende Wohnbaupolitik zusätzlich verstärkt wurde. Auch das im Pariser

Abkommen zugesicherte Recht auf Gebrauch der Muttersprache bei Polizei, Gericht und

öffentlichen Ämtern blieb eine Illusion. „Versuche vor den Behörden deutsch zu reden,

erfuhren meist eine barsche Abfuhr: ‚Parli italiano, siamo in Italia!’ war eine oft gehörte

Reaktion.“ (Zitat Fontana 1992: 141)

7.2.3. Vom „Los von Trient“ bis zum „Paket“

Aufgrund der Nichterfüllung des Pariser Vertrages schlug die SVP eine härtere Linie ein. Es

kam im Jahre 1957 auf Schloss Sigmundskron zu einer Großkundgebung vor 35.000

Südtirolern, deren Schlachtruf „Los von Trient!“ lautete. Internationale Verhandlungen über

das Südtirolproblem wurden eingeleitet, blieben aber ergebnislos. In den Jahren darauf

begann eine neue Phase der Südtiroler Geschichte, die „Bombenjahre“. In ganz Südtirol

wurden demonstrative Sprengungen von Symbolen der faschistischen Unterdrückung (z.B.

der Aluminium-Duce bei Waidbruck und das Tolomei-Haus in Glen) unternommen. Der

Höhepunkt war die so genannte Feuernacht, in der landesweit Hochspannungsmasten in die

Luft gesprengt wurden. Diese Sprengungen trugen sicher wesentlich dazu bei, dass das

internationale Augenmerk auf Südtirol gelenkt wurde. Die 19-er Kommission wurde

65

einberufen, die sich um das Erarbeiten eines „Paketes“ von autonomen Rechten für Südtirol

kümmern sollte. Es handelt sich dabei um 130 Maßnahmen zum besseren Schutz der

Minderheit. Im Neuen Autonomiestatut von 1972 wurde das Paket schließlich

verfassungstechnisch abgesichert (Zagler 1998: 34f).41

Riedmann zufolge anerkannte die deutschsprachige Bevölkerung Südtirols vor Einführung

des Zweiten Autonomiestatuts noch die Priorität der italienischen Sprache. Ohne Kenntnis

der deutschen Sprache kam man in Südtirol damals problemlos aus, ohne

Italienischkenntnisse konnte man jedoch sozial nicht bestehen (Riedmann 1972: 22).

7.2.4. Das Zweite Autonomiestatut: Der Beginn des sprachlichen „Umdenkens“

Die Absicherung der deutschen Minderheit und der deutschen Sprache in Südtirol durch das

Zweite Autonomiestatut hat bei den Italienern laut Pallaver „ein neues Prestigedenken42

hervorgerufen. Die deutsche Bevölkerung, die im Durchschnitt die zweite Sprache besser

beherrscht als die italienische, wird in einer privilegierten Position gesehen.“ (Zitat Pallaver

1978: 11) Aus diesem Grund besteht nun dem Autor zufolge eine größere Bereitschaft, die

deutsche Sprache zu erlernen (Pallaver, 1978: 11). Als die italienische Sprachgruppe sich

noch überlegen fühlte, maß man einem effizienten Erlernen der deutschen Sprache keine

übermäßige Bedeutung bei. Die Deutschen mussten Italienisch lernen, nicht die Italiener

Deutsch (Gubert 1976: 5). Der politische Einfluss sei laut Mancini Ausschlag dafür gewesen,

dass die italienischen Immigranten sich nicht einfügten und sprachlich an die Südtiroler

Verhältnisse anpassten. Das deutsche Umfeld wurde zwar nicht gerade gehasst, aber

unbewusst gemieden. Durch die politischen Eingaben bestärkt, fühlten sich die Italiener noch

mehr als Kolonialherren und berechtigt dazu, sagen zu dürfen: „Siamo in Italia, allora si deve

parlare italiano“. Laut Mancini wirkte diese Einstellung noch längere Zeit fort (Mancini

1978: 2). In der Nachkriegszeit und ganz besonders mit Einführung des Neuen

Autonomiestatuts veränderten sich die Machtverhältnisse jedoch zugunsten der deutschen

Sprachgruppe (Gubert 1976: 5). Gubert meint außerdem:

„il nuovo statuto di autonomia dà corso al passaggio verso una convivenza ;pluralistica’ dei gruppi etnici e quindi ad una situazione di bilinguismo eguale e simmetrico43” (Zitat Gubert 1982: 202)

41 Im Jahre 1992 kam es zur Streitbeilegung zwischen Südtirol und Italien. 42 Hervorhebungen A.P. 43 Hervorhebungen A.P.

66

Deutsch zu können empfanden die Italiener nach Einführung des Zweiten Autonomiestatuts

laut Gubert vorteilhafter als einst. Die Auffassung, ohne Zweisprachigkeit keine (passende)

Arbeit zu finden, war und ist bei den Italienern weit verbreitet. Vor allem im öffentlichen

Bereich (Provinz, Gemeinde, Staat), im Tourismus und im Handel ist Zweisprachigkeit

Voraussetzung. Als weniger wichtig wird das Beherrschen der deutschen Sprache in Industrie,

Handwerk und Landwirtschaft angesehen.

Die Motivationen für das Erlernen des Deutschen sind einerseits der Wunsch nach

Verbesserung der Beziehungen zur deutschen Sprachgruppe und der Förderung des Dialogs,

gefolgt vom Wunsch, der italienischen Sprachgruppe bessere Arbeitschancen zu garantieren

und der Feststellung, dass die Italiener ohne Deutschkenntnisse vom sozialen Leben

ausgeschlossen sind (Gubert 1976: 5f; 8).

7.2.5. Die Achtziger-Jahre: Das wachsende Prestige der deutschen Sprache

Kramer bemerkt im Jahr 1981, dass das Deutsche zunehmend als dem Italienischen

gleichwertig aufgefasst wird (Kramer 1981: 114). Seiner Meinung nach genießen die

Sprachen Deutsch und Italienisch in Südtirol dasselbe Prestige. Die sprachliche Situation in

Südtirol unterscheidet sich somit beispielsweise von der Lage im Elsassgebiet, wo das

Französische gegenüber dem Deutschen besser angesehen ist (Kramer 1981: 108). Die

italienische Sprachgruppe bemüht sich Kramer zufolge nun auch vermehrt darum, ihre (bisher

mangelhafte) Deutschkompetenz zu verbessern (Kramer 1981: 119ff). Egger spricht 1982 von

einem „Zuwachs an Prestige, den die deutsche Sprache auch im Urteil der Italiener erhalten

hat“ (Zitat Egger 1981: 170). Ferner hat sich Alexander Langer zufolge auch das

Kräfteverhältnis der Sprachgruppen in Südtirol „im Laufe des letzten Jahrzehnts [Aufsatz

stammt aus dem Jahre 1983!] im Zuge der Autonomiereform und einer auch dadurch

bedingten wirtschaftlichen Expansion wesentlich geändert.“ (Zitat Langer 1996: 15f). Die

Tiroler in Südtirol betrachtet man demnach als dominierende Minderheit.

„Minderheit sind sie gegenüber dem Staat, dominierend im eigenen Territorium der ‚Autonomen Provinz Bozen – Südtirol’, mit weitgehend eigener Gesetzgebung und Verwaltung.“ (Zitat Langer 1996: 16)

Langer hat aber auch beobachtet, dass die Gleichstellung der beiden Landessprachen zwar

gesetzlich festgelegt und die Zweisprachigkeit durch eine dementsprechende Prüfung

nachzuweisen ist, die italienische Sprache aber als Staatssprache einen besseren Rechtsstatus

hat und im „öffentlichen und normierten Bereich“ dominiert. (Langer 1996: 18)

67

7.2.6. Die Sprachsituation von den 90er-Jahren bis heute

Weber-Egli konstatiert Anfang der Neunziger, dass die Wichtigkeit der zweiten Sprache

immer mehr Italienern bewusst wird. Es zeichnen sich sogar einige Veränderungen im

Alltagsleben ab:

„in einigen Geschäften der Bozner Innenstadt, in denen man – zumindest vom italienischsprachigen Personal – vor fünf Jahren noch eher italienisch bedient wurde, machte sich in letzter Zeit vermehrt das Bemühen dieser Angestellten bemerkbar, ihre Deutschkenntnisse auch anzuwenden.“ (Zitat Weber-Egli 1992: 32)

Auf dem Land ist es nicht selten, dass die Italiener ziemlich gut Deutsch sprechen, während

die deutschsprachige Bevölkerung dort über eine schlechte Zweitsprachkompetenz verfügt

(Weber-Egli 1992: 32f).

Laut ASTAT-Studie werden auf die Frage hin, wie wichtig die Kenntnis der Sprachen für das

gute Zusammenleben ist, von den drei Sprachgruppen vor allem die Standardvarianten

Deutsch und Italienisch genannt. 92,4% der Italiener erachten die deutsche Hochsprache in

Südtirol als wichtig, was ein sehr hoher Prozentsatz ist. Außerdem stufen 62,9% der Italiener

die Kenntnis des deutschen Dialekts als wichtig ein44.

Landeshauptmann Luis Durnwalder bewertet die gegenwärtige Sprachsituation in Hinblick

auf die Eurac-Studie folgendermaßen:

„[…] sono ottimista, rispetto agli anni Settanta e Ottanta oggi non c’è paragone: il clima tra gli italiani è molto migliore, si inizia a capire che la seconda lingua non è un obbligo ma una chance.” (Zitat Durnwalder AA 24.02.2006, S.11)

Dies bestätigt auch ein von Christoph Franceschini geführtes Interview in der „Neuen

Südtiroler Tageszeitung“ Drei Schülerinnen und ein Schüler im Alter von 18 bis 19 Jahren,

die das Humanistische Gymnasium „G.Carducci“ besuchten, wurden zum Thema

Zweisprachigkeit befragt. Auf die Frage hin, ob es ein Vorurteil sei, dass italienische

Jugendliche nicht Deutsch lernen wollen, antworten sie, dies sei absolut ein Vorurteil, denn

sie seien sich des Glücks bewusst, zwei Sprachen sprechen zu können, auch wenn es dazu

natürlich unterschiedliche Ansichten gäbe (Neue Südtiroler Tageszeitung 12./13.03.2005,

S.2).

Durch die neue Stärke der deutschen Sprachgruppe und die damit verbundene wachsende

Bedeutung der deutschen Sprache dürfte wohl nun das eingetreten sein, was Egger schon

1977 vorausgesagt hat: Mit der steigenden Deutschkompetenz der Italiener in Südtirol steigt

44 ASTAT: Südtiroler Sprachbarometer. Sprachgebrauch und Sprachidentität in Südtirol 2004. Landesinstitut für Statistik, 2006: 168-171.

68

wohl auch die „Anfälligkeit“ des Italienischen für deutsche Lehnwörter (vgl. Weber 1998:

199).

7.3. Die aktuelle rechtlich-politische Stellung der deutschen Sprache

Laut Autonomiestatut ist in der Region Trentino/Südtirol die deutsche Sprache der

italienischen Sprache, welche die amtliche Staatssprache ist, gleichgestellt (Artikel 99). Des

Weiteren hat der deutschsprachige Bürger der Provinz Bozen das Recht, mit Gerichtsämtern

und Ämtern der öffentlichen Verwaltung auf Provinz- und Regionalebene in seiner

Muttersprache zu kommunizieren (Artikel 100). Seit 1993 haben die deutschsprachigen

Südtiroler auch das Recht auf einen Prozess in ihrer Muttersprache. Die Besetzung der Stellen

im öffentlichen Bereich ist durch den Proporz (Artikel 15, 61, 89) geregelt, wonach die

Stellen im Verhältnis zur zahlenmäßigen Stärke der Sprachgruppen vergeben werden. Auch

im sozialen Wohnungsbau gilt der Proporz. Finden italienweite Volkszählungen statt, müssen

die Südtiroler eine Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung abgeben, was wiederum

ausschlaggebend für den Proporz ist. Um in den öffentlichen Dienst aufgenommen zu werden,

ist die Kenntnis der beiden Landessprachen Deutsch und Italienisch notwendig. Diese wird

seit 1977 durch die Zweisprachigkeitsprüfung ermittelt. (vgl. Egger/Heller 1997: 1354; Das

Neue Autonomiestatut 2001: 102f).

Die deutsche Sprachgruppe und Sprache haben somit an Stärke gewonnen. Diese Stärke der

deutschen Sprachgruppe in Südtirol rührt auch daher, dass die deutsche Minderheit Südtirols

in der Politik eine dominierende Stellung einnimmt. Sie wird durch die christlich-

demokratische „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) vertreten, die seit dem Zweiten Weltkrieg den

Großteil der Stimmen der deutschsprachigen Sprachgruppe für sich verbuchen kann

(Egger/Heller 1997: 1351).

7.4. Langers positive Voraussetzungen für die Zweisprachigkeit45

Auf die Frage nach dem gegenwärtigen Prestige der deutschen Sprache in Südtirol hin können

Langers anregende und immer noch aktuelle Ausführungen in seinem Aufsatz „Chancen und

Hindernisse für eine Zweisprachigkeit in Südtirol“ aus dem Jahre 1983 herangezogen werden.

45 Aufzählung zitiert nach Langer 1996: 19f

69

Er führt folgende positive Voraussetzungen für das Zusammenleben und die Zweisprachigkeit

der Südtiroler Bevölkerung an:

a) der Stellenwert der beiden Sprachen ist heute sehr ähnlich. Die beiden Sprachen genießen

vergleichbares Sozialprestige […];

b) beide Sprachen genießen heute ähnlichen Rechtsschutz […];

c) die beiden Sprachen sind durchaus wettbewerbsfähig; es handelt sich um zwei große,

aneinander angrenzende europäische Kultursprachen, die ‚rangmäßig’ zweifellos

vergleichbar sind;

d) das reale Vorkommen der beiden Sprachen ist in etwa äquivalent, die Sprachen werden

vielfach gleichzeitig gesprochen (Geschäfte, Ämter, Arbeitsplätze, Stadt, Familie, usw.);

Übergänge, auch viele Male täglich, sind keine Seltenheit; in vielen (auch familiären)

Bereichen gibt es regelrechte Misch-Situationen;

e) die Minderheit im Staate ist Mehrheit im Lande, das Staatsvolk hingegen ist auf lokaler

Ebene in der Minderheit; ökonomisch sind viele Bereiche eher eng verflochten; die beiden

Gruppen sind durchaus konkurrenzfähig, wenn auch ungleich stark;

f) die gesetzlich geforderte Zweisprachigkeit im öffentlichen Dienst zwingt einen

erheblichen Teil der Bevölkerung sowieso zur Erlernung beider Sprachen;

g) beide Sprachen haben einen durchaus vitalen Kontakt zum jeweiligen Mutterraum und

sind dadurch gegen Verkümmerung und Isolierung geschützt;

h) im gegenwärtigen historischen Augenblick besteht – vielleicht zum ersten Male, und für

wie lange? – in beiden größeren Sprachgruppen in vergleichbarem Ausmaß die Einsicht in

die Notwendigkeit/Nützlichkeit, die zweite Sprache zu erlernen bzw. dafür zu sorgen, dass

zumindest die Kinder sie lernen.

Aufzählung zitiert nach Langer 1996: S. 19f

7.5. Einschätzung der drei Varietäten: Italienisch, Hochdeutsch und Südtiroler Mundart

Weber-Egli befragte für ihre Studie46 Familien, wie diese die drei Varietäten Italienisch,

Hochdeutsch und Südtiroler Mundart einschätzen würden. Bezüglich der „Schwierigkeit“

stuften die meisten Befragten - sei es italienischer als auch deutscher Muttersprache - das

46 Gemischtsprachige Familien in Südtirol/Alto Adige. Zweisprachigkeit und soziale Kontakte. Alpha&Beta, Meran 1992.

70

Italienische als „leicht“, das Hochdeutsche als „schwierig“ und die Mundart als „schwer“

bzw. „schwer verständlich“ ein.

Bei der deutschen Mundart von Bozen und Umgebung gibt es jedoch weniger

Übereinstimmung. Die deutschsprachigen Südtiroler beschreiben den Dialekt als „lustig“,

„praktisch“, „heimelig“, „unverständlich“, „bunt“, „derb“, „treffend“, die Italiener hingegen

als „sgradevole“, „necessario“, „profondo“, „cacofonico“, „caldo“, „barbaro“,

„sgrammaticato“, „folcloristico“, „incomprensibile“. (Weber-Egli 1992: 70)

Das Hochdeutsche wird von den meisten Befragten durchschnittlich als „präzis“, „exakt“,

„hart“ und „reich an Wortschatz“ empfunden. Der deutsche Dialekt wurde unter anderem mit

dem Attribut „grob“ bzw. „derb“ bedacht. Das Italienische klingt in den Ohren der meisten

Befragten hingegen „weich“, „harmonisch“ und „melodisch“.

Zweifellos kommt der italienischen Sprache in dieser Einschätzung das größte Prestige zu,

„aber offenbar empfinden einige Italosüdtiroler das Fehlen eines echten dialektalen

Hinterlandes als störend und bezeichnen deshalb das Bozner Italienisch als ‚limitato’,

‚impoverito’ ‚bastardo’ oder ‚neutro’.“47 (Zitat Weber-Egli 1992: 71)

7.6. Der Druck des Deutschen

Cavagnoli zufolge wäre ein spezieller Punkt zu klären, der Auswirkungen auf das Italienisch

der italienischsprachigen Südtiroler haben könnte, nämlich: “Übt das Deutsche Druck

aus48?“ (Zitat Cavagnoli 2001: 127). Ihrer Meinung nach übt die deutsche Sprache nur in

den Tälern Druck aus, während in den Städten, hauptsächlich in Bozen, die beiden

Lebensbereiche klar voneinander getrennt und somit geschützt sind. (Cavagnoli 2001: 127)

Meiner Meinung nach übt das Deutsche aber sehr wohl auf die gesamte italienische

Bevölkerung Südtirols Druck aus, sowohl diatopisch, als auch diastratisch: Ohne

Beherrschung der deutschen Sprache, ohne Zweisprachigkeitsnachweis keine Arbeit in

öffentlichen Bereichen. Laut Ergebnis der ASTAT-Studie sind 41% der Italiener der Ansicht,

dass die Pflicht zur Ablegung der Zweisprachigkeitsprüfung als Voraussetzung für die

Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung aufgehoben werden soll. Unter anderem auch

deshalb, weil dieser Druck dazu führt, der anderen Sprache mit Ablehnung zu begegnen (AA

16.02.2006, S.17). Die Direktorin des “Ufficio Bilinguismo” Rita Rosa Pezzei stellt fest:

“Esiste ancora un forte senso di angoscia nei confronti dell’altra lingua. Che viene vista

47 Hervorhebungen A.P. 48 Hervorhebungen A.P.

71

come un’imposizione e non come un arricchimento. C’è una visione puramente strumentale

del patentino.” Die Italiener wollen nur wissen, wie man die Prüfung schaffen kann, nicht,

was eigentlich hinter der zweiten Sprache steht und was mit ihr verbunden ist (AA

25.02.2006, S.18).

Deutsch lernen zu müssen bereitet den Italienern immer noch Schwierigkeiten, meint auch die

Wissenschaftlerin Chiara Vettori, welche die Eurac-Studie durchgeführt hat. Überdies stellt

sie fest: „La forte motivazione ‚strumentale’ dei bolzanini (mi serve per il patentino) non si

accompagna a una conoscenza adeguata” (Zitat AA 23.02.2006, S.13). Für Melitta

Tschager, welche die Vorbereitungskurse für die Doppelsprachigkeitsprüfung hält, ist der

Grund für die mangelhaften Deutschkenntnisse der Italiener die Einstellung: „Gli italiani non

amano il tedesco. E se non si ama una lingua, non si riuscirà mai ad impararla“ (AA

25.02.2006, S.18).

Die Schule habe viel getan, die Probleme seien außerhalb zu spüren, denn die Bozner leben in

Wirklichkeit in monolingualer Umgebung. Außerdem besteht bei den Italienern immer noch

die Angst, Fehler zu machen und als Pseudo-Zweisprachige abgestempelt zu werden. Dies

erklärt auch, warum sie nach Deutschland gehen und dort unter einem viel geringeren Druck

Deutsch lernen (AA 23.02.2006, S.13).

Die Schulamtsleiterin Bruna Rauzi bemerkt hingegen, dass sich die Einstellung der Italiener,

man müsse Deutsch nur lernen, um den Zweisprachigkeitsnachweis zu erlangen, in den

letzten Jahren geändert hat. Das soziale Klima habe sich gewandelt und die positiven

Auswirkungen sehe man Rauzi zufolge bei den Kindern (AA 24.02.2006, S.11). Auch das

Interesse am Thema Bilinguismus ist groß. So sind etwa 91% der Italiener für die Förderung

einer frühen Zweisprachigkeit und 83% für den Immersionsunterricht (AA 16.02.2006, S.17).

8. Der Sprachkontakt zwischen Italienisch und Deutsch

8.1. Die Definition des Begriffs Sprachkontakt nach Tesch

„Sprachkontakt ist Bedingung all jener Phänomene, die unter den Konzepten Entlehnung, Interferenz, Mischsprache, Superstrat, Substrat, Adstrat, Sprachenbund etc. diskutiert werden.“ (Zitat Tesch 1978: 54)

72

Um Sprachkontakte herzustellen, sind bisweilen auch bescheidene Kenntnisse in einer

zweiten Sprache ausreichend, eine bestimmte Form bzw. Situation des Bilingualismus ist

jedoch in jedem Fall vorauszusetzen. In diesem Kontext ist das so genannte „code-switching“

anzuführen, welches „die Fähigkeit des Bilingualen, unmittelbar von einer Sprachkompetenz

in die andere umzuschalten“ (Zitat Tesch 1978: 55) beschreibt. Die Faktoren für die Kode-

Umschaltung sind laut Weinreich, Labov und Herzog vor allem in der demographischen und

der sozialen Attitüde gegenüber den kontaktierenden Sprachen zu suchen. Oksaar

unterscheidet zwischen „situationsbedingter“ und „kontextueller“ Umschaltung. Die

situationsbedingte Umschaltung hängt von den Faktoren Gesprächspartner, Thema und

Situation ab, die kontextuelle hingegen vom „Sender-Repertoire“, wobei man die

Subfaktoren wie beispielsweise Wortnot und emotive Momente nicht außer Acht lassen darf

(Tesch 1978: 54-57).

8.2. Forschungsstand

Zum linguistischen Sprachkontakt zwischen der italienischen und der deutschen Sprache vom

11. Jahrhundert bis heute gibt es nicht so zahlreiche und systematische Untersuchungen wie

zum Einfluss des Germanischen in der Spätantike und im Hochmittelalter. Man kann aber aus

diesen Aufzeichnungen durchaus ableiten, wo sich die meisten Germanismen diatopisch

(varietà di italiano regionale e dialetti) und diaphasisch (lingua standard) niedergeschlagen

haben, so meint Morlicchio etwa:

„I dialetti nei quali la componente tedesca è più rilevante sono, per ovvie ragioni storiche e geografiche, quelli delle regioni settentrionali centroorientali e in particolare i dialetti dell’arco alpino e, tra questi, soprattutto quelli delle vallate dei Grigioni e delle Dolomiti.” (Zitat Morlicchio 2006: 1678)

Das Deutsch, mit dem die romanischen Varietäten durch geographische Angrenzung,

geschichtlich-kulturelle oder wirtschaftliche Faktoren in Berührung kommen, sind einerseits

die drei deutschen „macroaree“ Deutschland, Österreich und die Schweiz und andererseits

die regionalen und lokalen Varietäten des Deutschen, einschließlich der „colonie alloglotte“

in Italien, die nicht unbedingt der Artikulation der drei großen deutschen Sprachzentren

entsprechen. Das Bairische beispielsweise ist demnach eine diatopische Varietät, die im

Süden Deutschlands, in Österreich, in Südtirol, den friaulischen Sprachinseln und im

Veronesischen gesprochen wird.

Morlicchio unterscheidet das Lehngut nach seiner Herkunft:

73

a) Standard-Deutsch („tedesco standard“)

- crauti � Sauerkraut

- cobalto � Kobalt

b) Schweizer-Deutsch („svizzero tedesco“)

- mucca � Mugg (= junge Kuh)

c) Bairisch-Österreichisch („bavarese-austiaco“)

- friul. acarli � Hakerle (= Axt)

„Situazioni di contatto linguistico nell’Italoromània sono determinate anche dalla presenza di gruppi alloglotti tedesche.“ (Zitat Morlicchio 2006: 1678)

8.3. Geschichtliche Entwicklung des Sprachkontakts zwischen Deutsch und Italienisch

Vom 11. bis zum 15. Jahrhundert ist der Einfluss des deutschen Sprachraums auf die

italienische Sprache als marginal und irrelevant zu bewerten. Auch noch nach dem 15.

Jahrhundert sind trotz wirtschaftlicher und militärischer Beziehungen nur sehr wenige

Germanismen ausfindig zu machen. Die meisten Lehnwörter aus dem Deutschen werden ab

der Mitte des 19. Jahrhunderts übernommen, vor allem aus dem Vokabular der Intellektuellen.

- lied � Lied

- determinismo � Determinismus

8.4. Faktoren, welche die linguistischen Begebenheiten beeinflussen

1.) Externe, bleibende Faktoren (‚fattori esterni permanenti’): Diese sind bedingt durch

nicht veränderbare Gegebenheiten wie beispielsweise die geographische Angrenzung. In

diese Kategorie fallen Termini der Bereiche Gastronomie und Tourismus hinein.

2.) Externe, unvorhergesehene Faktoren (‚fattori esterni contingenti’): Dazu zählen unter

anderem die Handelsbeziehungen, denen man verschiedene Benennungen von Münzen

verdankt (venez. ‚craizer’ von dt. Kreuzer). Durch bestimmte sozioökonomische

Begleitumstände wurde außerdem sowohl die Migration in deutschsprachige Länder

gefördert als auch die Auswanderung aus deutschsprachigen Ländern. Dies betrifft

hauptsächlich die nordöstlichen Regionen Italiens. Diese Migrationserscheinungen haben

vor allem zur Verbreitung der Germanismen, die bestimmte Berufe bezeichnen,

beigetragen. So wurden aus dem Bereich des Eisenbahnwesens beispielsweise Begriffe

74

wie ‚sina’ (� Schiene) oder ‚ezimpònaro’ (� Eisenbahner) entlehnt, aus dem

Bergbauwesen ‚canopo’ (� Knappe).

3.) Externe, politische Faktoren (‚fattore esterno […] il contesto politico’): Beispielsweise

hat die Habsburgerherrschaft in Norditalien ihre Spuren im Wortschatz hinterlassen. Die

Germanismen, die vor allem im administrativen Bereich ausmachbar sind und von der

politisch dominanten Schicht verwendet wurden, sind jedoch nicht sehr zahlreich (‚steura’

� Steuer; ‚polizzai’ � Polizei; ‚caiserlicchi’ � kaiserlich).

8.5. Diamesischer Aspekt

Morlicchio schreibt hierzu:

„Voci entrate nell’italiano standard sono mediate quasi sempre dalla lingua scritta e hanno un tramite colto, quelle con diffusione regionale sono invece entrate per lo più attraverso la lingua parlata, […]” (Zitat Morlicchio 2006: 1679)

Ins Standarditalienische dringen ihrer Ansicht nach (gelehrte) Entlehnungen vor allem

vermittels geschriebener Sprache ein, regional verbreitete Fremdlexeme hauptsächlich

durch die gesprochene Sprache.

8.6. Themenbereiche

Die im Standarditalienisch vorkommenden Germanismen können „voci di uso comune“ sein

wie etwa ‚brindisi’ (� bring dir’s) oder aus diversen Fachsprachen herstammen, so etwa

‚fuselòlo’ (� Fuselöl) oder „mitteleuropeo“ (� mitteleuropäisch). Die Entlehnung dieser

Termini erfolgte vor allem im 19. und 20. Jahrhundert. Sie gelten deshalb als „ fenomeni di

contatto in senso lato, in quanto determinati dalla circolazione di prodotti, invenzioni, idee

piuttosto che dalla circulazione di uomini e spesso diffusi anche in altre lingue europee

(internazionalismi).” (Zitat Morlicchio 2006: 1680)

75

8.7. Anpassungsformen in der graphischen Realisierung

Wenn ein lexikalisches Element aus der mündlichen Kommunikation übernommen wird,

treten in der graphischen Realisierung größere Schwankungen auf. (dt. ‚Walzer’ � it.

‚valzer’, ‚walzer’, ‚walser’, ‚valtzer’ etc.).

Im linguistischen Integrationsprozess vom Spätmittelalter bis in die Moderne treten im

Italienischen bei der Übernahme vom Deutschen zumeist die Phänomene

Monophthongierung von Diphthongen (‚borgomastro’ � Bürgermeister), Verdoppelung

von Endkonsonanten (‚saccomanno’ � Sackman) oder Anaptyxe49 auf (‚lanzichenecco’ �

Landsknecht).

Die deutschen Wörter, die erst im 20. Jahrhundert in die italienische Sprache aufgenommen

wurden, sind graphisch nicht angepasst worden. Höchstens die im Deutschen obligatorische

Anfangsmajuskel wurde zugunsten der italienischen Orthographie aufgegeben. Die nicht

angepassten Lehnwörter beziehen sich vor allem auf soziokulturelle Aspekte der

deutschsprachigen Länder, wie etwa lokale Bräuche, Gastronomie, Philosophie und

Bezeichnungen von Institutionen. Man denke dabei an Bezeichnungen wie ‚jodler’, ‚speck’,

‚weltanschauung’ oder ‚kinderheim’. Auch lassen sich zahlreiche Lehnübersetzungen

(„calchi“) im Italienischen konstatieren: ‚superuomo’ � Übermensch; ‚schiaccianoci’ �

‚Nussknacker’; ‚plusvalore’ � Mehrwert. Darüber hinaus gibt es auch noch „tedeschismi

sostantivi“, die auf Eigennamen zurückgehen: So hieß etwa der erste der erste Dobermann-

Züchter selbst Dobermann, ebenso wie der Erfinder des Diesel-Motors selbst Diesel hieß

(Morlicchio 2006: 1677 – 1685)

9. Germanismen im Italienischen

9.1. Historischer Abriss der Germanismen im Italienischen

Es gibt einige Untersuchungen zum Einfluss der deutschen bzw. germanischen Sprache(n) auf

das Italienische. Es sind dies vor allem sprachhistorische Darstellungen. Hier wären z.B.

49 Anaptyxe: „Silbenstrukturveränderung durch […] Vokaleinfügung zur Erleichterung der Aussprache.“ (Zitat Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft 2002: S.80)

76

Giulio Bertonis 1980 erschienenes Opus “L’elemento germanico nella lingua italiana” und

Beatrix Piscitellis im Jahre 1986 verfasste Diplomarbeit “Germanismen im Italienischen“ zu

nennen. Bertoni fügt dem Buch noch eine detaillierte Liste der im Italienischen verwurzelten,

archaischen und vollständig integrierten Germanismen bei, die man als solche nicht mehr zu

erkennen vermag. Um einige Beispiele zu nennen: ‚albergo’ geht etwa auf got. *harjberg-,

zurück, ‚fazzoletto’ auf mdh. vëtze (nhd. Fetzen), ‚guerra’ auf german. wërra und das Verb

‚tuffare’ auf lang. *tauf(f)ian (Bertoni 1980: 73; 115; 140; 212).

Aus den sprachhistorischen Untersuchungen geht hervor, dass das Germanische das

Italienische zunächst in der Zeit der Völkerwanderung (ca. 476 bis 960 v. Chr.) beeinflusst

hat. Das deutsche Lehngut im Italienischen stammte vor allem aus dem Gotischen und dem

Langobardischen (z.B. ‚sapone’). Später wurde es auch vom Fränkischen beeinflusst.

Einflüsse des Deutschen sind auch in der Zeit um 1700 zu entdecken, wo sich die

Germanismen vor allem im kulinarischen Bereich (‚chifel’� Kipfel) und in der

Mineralogie (‚cobalto’ � Kobalt) niederschlugen. Im 19. und 20. Jahrhundert sind im

Italienischen sehr viele Germanismen zu finden. Die Gründe hierfür sind die

Vormachtstellung der Deutschen in Wissenschaft und Philosophie, die Herrschaft der

Habsburger über die Lombardei und Venetien (1815 bis 1866) und die politisch-

militärischen Beziehungen zwischen Italien, Österreich und Deutschland vom Ende des 19.

Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg (vgl. Piscitelli 1986: 5150). Bereiche, in die zu dieser

Zeit Germanismen eindrangen, sind laut Blasco Ferrer:

- la politica: dicastero, Diktat, Blitzkrieg, Realpolitik; il prefisso ur-

(Urcomunismo); - la medicina: aspirina, autismo, biotina; - le scienze empiriche, tecnologiche: aldeide, blenda, conglomerato, creosoto,

diesel, dinamo, drusa, entropia, enzima, etere, feldspato, Fahrenheit, föhn, gene, wolframio, zinco, ferrovia (e tutta una ricca terminologia connessa);

- le scienze umanistiche: complesso (Freud), criticismo (Kant), superuomo (Nietzsche), esistenzialismo, masochismo, contaminazione e Umlaut (linguistica), gestalt, Weltanschauung, Kulturkampf;

- la musica: componistico, fisarmonica, valzer; - i cibi: canederlo, semel, crauti, cren, sarcrauti, speck, strudel, Delikatesse, würstel

[…]. (Schema übernommen von Blasco Ferrer 1999: 269f)

50 vgl. Bertoni 1980 und Piscitelli 1986, jeweils Inhaltsverzeichnis, und http://utenti.lycos.it/scambi5al/tedesco-3.htm

77

Im Zweiten Weltkrieg drangen Begriffe wie ‚führer’, ‚lager’, ‚panzer’ und ‚reich’ in die

italienische Sprache ein (Piscitelli 1986: 54).

Eine ausführliche Nennung und Beschreibung der Germanismen im Italienischen findet man

im LEI: Lessico etimologico italiano: Germanismi. Vol. I (2000; 2002; 2003), erarbeitet von

Pfister und Morlicchio. Für die Erstellung eines Lehnwortkorpus’ wurden alle germanischen

Elemente herangezogen, die in Quellen ab Isidor I. von Sevilla51 (um 630) belegt werden

konnten (vgl. Pfister/Morlicchio 2000: V). Diese deskriptive Auflistung der Germanismen ist

zum aktuellen Zeitpunkt aber nur von „Abschied“ bis „bastarda“ erfolgt und dokumentiert.

Das Projekt zur Erforschung der Germanismen im Italienischen wird jedoch fortgesetzt,

weitere Bände sind in Planung bzw. Arbeit.

9.2. Germanismen in der italienischen Sprache der Gegenwart

Das Thema „Germanismen im heutigen Italienisch“ behandelt der Sprachwissenschaftler

Peter Braun in einem Aufsatz aus dem Jahr 1997, veröffentlicht in der Zeitschrift

„Muttersprache“. Die Grundlage der Analyse bildet ein im Jahre 1989 in Mailand

erschienenes Fremdwörterbuch mit dem Titel: G.S. Carpitano/G. Càsole: Dizionario delle

parole straniere in uso nella lingua italiana. Neben Fremdwörtern aus fast allen europäischen

Sprachen und manchen nicht-europäischen Sprachen, kommen auch Fremdwörter aus dem

Deutschen vor. Von den insgesamt 4500 Lemmata sind 104 Wörter Germanismen. Das sind

2,3% des Fremdwortbestandes. Jedes 50. Lehnwort ist im Italienischen folglich ein

Germanismus. Dies zeugt nicht gerade von einem starken Sprachkontakt, stimmt aber mit den

allgemeinen Zahlenverhältnissen des Deutschen als Gebersprache überein. Nach Wörtmann

(1990) waren die slawischen Sprachen besonders aufnahmefreudig, die romanischen

Sprachen hingegen waren vor allem Gebersprachen und haben sehr wenige Lehnwörter

aufgenommen.

Die Germanismen im Italienischen stammen aus folgenden Bereichen:

• Neologismen: Bundestag, Bundesbank, Buchmesse, Ostpolitik, Berufsverbot, RAF

51 Isidor I. von Sevilla wird als letzter abendländischer Kirchenvater angesehen. Er wurde um 560 n. Chr. geboren und starb 636 in Sevilla. Isidor I. schrieb Werke von großer theologischer und profangeschichtlicher Bedeutung, darunter die „Etymologiae“, in denen das gesamte Wissen seiner Zeit enzyklopädisch dokumentiert ist. Sein Trinitätstraktat „De fide catholica contra Iudaeos“ wurde Ende des 8. Jh. ins Althochdeutsche übertragen (Brockhaus Enzyklopädie 1996: 695)

78

• Nazizeit: Anschluss, Blitz, Blitzkrieg, Führer, Gauleiter, Gestapo, Heil, Kapo, Lager,

Lebensraum, Reich, über alles

• Deutsche Geistes- und Kulturgeschichte: Biedermann, Bildungsroman, Einfühlung,

Erlebnis, Gestalt, Jugendstil, Kammerspiel, Kitsch, Kultur, Leitmotiv, Lied, Lieder,

Sehnsucht, Singspiel, Stimmung, Weltanschauung, Zeitgeist

• Essen und Trinken: Frankfurter, Kasseler, Kipfel, Knödel, Krapfen, Quark, Rösti,

Spätzle, Speck, Strudel, Würstel, Bitter, Kirsch, Kümmel; Auch Delikatesse, Gulasch und

Hamburger werden als Germanismen eingestuft.

• Besondere Einrichtungen: Buchmesse, Bundesbank, Bundestag, Kindergarten,

Kinderheim, Kursaal, Anstalt

• Alpinismus: Alpenstock, Edelweiß, Föhn, Jodler

• Anredeformen: Frau, Fräulein, Herr

• Hundenamen: Dobermann, Mops, Schnauzer

• Sport: Schuss, Quersprung

• Alltagssprache: verboten, kaputt, nix

Die meisten Germanismen behalten im Italienischen ihre ursprüngliche Schreibweise. Daraus

kann man ableiten, dass der Großteil der aufgenommenen Fremdwörter aus schriftlichen

Quellen stammt, demnach auch fast nur schriftlich verwendet wird und dass die gesprochene

Sprache kaum berührt ist (Braun 1997: 201-205).

Neben dem oben vorgestellten Dizionario von Carpitano/Càsole gibt es noch ein aktuelleres

Fremdwörterbuch: Tullio DeMauro (2001): Parole straniere nella lingua italiana. Dieses

bescheinigt rund 340 Germanismen im Italienischen. Letztgenanntes fungiert auch als

Bezugsnormautorität für die vorliegende Arbeit. Die meisten im Südtiroler Italienisch

ausfindig gemachten Germanismen sind jedoch nicht in diesem Wörterbuch verzeichnet, was

darauf schließen lässt, dass es sich hierbei um noch nicht systematisch erhobene, und nur auf

die Provinz Bozen beschränkte deutsche Entlehnungen handelt. Doch aufgrund der hohen

Frequenz, mit der manche deutsche Wörter in südtirol-italienischen Texten auftauchen, kann

man davon ausgehen, dass diese Germanismen durchaus in der Replikasprache integriert sind

oder auch aufgrund des Faktors Lehndauer eine „Integrationschance“ haben.

79

9.3. Germanismen im Südtiroler Italienisch: Forschungsstand

Die deutsche Sprache in Südtirol ist sehr häufig auf Interferenzen aus dem Italienischen

untersucht worden. So wird beispielsweise der Führerschein „Patent“, das Autokennzeichen

„Targa“ genannt (vgl. Egger/Heller 1997: 1355). Riedmann kommt die Ehre zu, als erster in

umfassender Weise die Interferenzen des Italienischen auf die deutsche Schriftsprache

wissenschaftlich beschrieben zu haben (Egger 1982: 173).

Wie Weber feststellt, gibt es jedoch zu den Einflüssen des Deutschen auf die italienische

Sprache in Südtirol „weit weniger Veröffentlichungen52“

„(vgl. etwa PALLAVER: 1978 und Elementi stranieri…: 1986, 1988 53), die sich überdies vor allem mit der Übernahme lexikalischer Elemente des Deutschen in die nordostitalienischen Dialekte befassen. Zwar werden von einigen Autoren immerhin auch die – wenigen – deutschen Wörter aufgelistet, die Eingang ins Italienische der besagten Region gefunden haben (RIEDMANN 1972: 37f.; KRAMER 1981: 133ff); diese erscheinen aber angesichts der viel zahlreicheren Italianismen im regionalen Deutsch als wenig interessant, […]“ (Zitat Weber 1998: 198)

Mit Egger/Heller kann man die gängige Meinung, die in den meisten Beiträgen zu diesem

Thema zum Ausdruck kommt, auf den Punkt bringen:

„Das Italienisch in Südtirol kennt fast keine lexikalischen Interferenzen aus dem Deutschen“ (Zitat Egger/Heller 1997: 1355)

Dass es sehr viele Untersuchungen zum Einfluss des Italienischen auf das Südtiroler Deutsch

gibt und kaum Veröffentlichungen zum Einfluss des Deutschen auf das Südtiroler Italienisch,

findet Weber-Egli „symptomatisch“, und das “obwohl Egger schon vor zehn Jahren auf die

Möglichkeit hingewiesen hat, dass sich mit der Verbesserung der Zweitsprachkenntnisse bei

der italienischen Gruppe einige deutsche Elemente in ihr Italienisch einschleichen dürften.“

(Zitat Weber-Egli 1992: 34) Der bisherige Einfluss des Deutschen auf das Italienische

beschränkt sich laut Weber-Egli auf die zweisprachigen Familien, „wo allerdings Sätze wie ‚è

molto gemütlich qui“, ‚vanno in montagna wandern’ oder ‚hai voglia di un Saftele?’

durchaus gängig sind.“ (Zitat Weber-Egli 1992: 112f).

Einen der spärlich gesäten Beiträge, die man zum Thema Germanismen im Südtiroler

Italienisch ausgraben kann, findet man in Riedmanns Werk: „Die Besonderheiten der 52 Hervorhebungen A.P. 53 Elementi stranieri nei dialetti italiani. atti del XIV convegno del C.S.D.I. (Ivrea 17-19 ottobre 1984) /Centro di studio per la dialettologia italiana, [Padova]. Pisa: Pacini, 1986-1988.

80

deutschen Schriftsprache in Südtirol“ (1972), in dem er in Kapitel 8 „Die deutschen

Entlehnungen in der italienischen Sprache in Südtirol“ behandelt. Er vertritt die Ansicht,

dass der Deutschunterricht äußerst dürftig sei und die Italiener folglich sehr mangelhafte

Deutschkenntnisse an den Tag legen würden. Aus diesem Grund seien auch die Entlehnungen

aus der deutschen Sprache im Italienischen nicht sehr zahlreich und als eher belanglos

einzustufen. Die entlehnten Ausdrücke würden sich nur auf bestimmte Sachgebiete beziehen

und meist mit der Sache übernommen werden, welche sie bezeichnen. An erster Stelle stehen

laut Riedmann die Entlehnungen, die Speisen und Getränke bezeichnen. Er nennt hier

beispielsweise ‚Krapfen’, ‚Würstel’, ‚Speck’, ‚Strudel’, ‚crauti’ oder ‚finferli’. Die

Entlehnungen aus der (Tiroler) Mode stehen für Riedmann an zweiter Stelle. So tragen die

Italiener(innen) etwa einen ‚Lodenmantel’ (umschreibend: <mantello di loden>), ein ‚Dirndl’

(umschreibend: <vestito tirolese>) oder einen ‚Walker’. Riedmann nennt auch andere

Germanismen aus den verschiedensten Bereichen: ‚Stuben’, ‚pachera’ (Bauarbeiter verwendet

anstelle des it. Begriffes <escavatrice> das sprachlich ökonomischere deutsche Pendant),

‚fare blau’ (Lehnübersetzung54 aus der Jugendsprache für ‚blau machen’ = die Schule

schwänzen), ‚Kursaal’, ‚Proporz’, ‚Kulturhaus’, ‚Krampus’, ‚Foehn’, ‚Schuß’ oder

‚sdruccare’ (dialektal für ‚drücken’).

Italiener, aus der mittleren oder höheren sozialen Schicht, verwenden oftmals bewusst und

spielerisch stereotype Ausdrücke wie ‚Fräulein’ ‚Fraulein’, ‚bitte’, ‚danke’, ‚Auf

Wiedersehen’ oder ‚wie geht es?’ Zu der Deutschkompetenz der Italiener im Allgemeinen

bemerkt er:

„Einzelne Italiener können gut Deutsch, nicht wenige könnten sich auf beruflicher Basis schlecht und recht verständlich machen, aber so gern sie ihre Kenntnisse in meist echter Hilfsbereitschaft deutschsprachigen Ausländern gegenüber anwenden, so ungern sieht man es gewöhnlich, wenn Inländer deutscher Nationalität [sic!] in ihrer Muttersprache mit Behörden oder Geschäftsleuten verkehren wollen.“ (Zitat Riedmann 1972: 39)

Abschließend konstatiert er, dass aufgrund der sprachlichen Verhältnisse bei den Italienern

die italienische Sprache nur oberflächlich und äußerst sachbezogen von der deutschen

Sprache beeinflusst ist (Riedmann 1972: 37ff). An dieser Stelle ist anzumerken, dass

Riedmanns Forschungsergebnisse nicht mehr als aktuell gelten, bezieht er sich in seiner

Untersuchung ja auf die Zustände der späten 60er- bzw. der frühen 70er-Jahre.

Spillner griff Riedmanns Befund auf, bewertete ihn jedoch nur mit Vorbehalten. So gilt die

Theorie, dass die italienische Sprache das Deutsche beeinflusst, die deutsche Sprache die

54 Wohl eher Lehnübertragung

81

Staatssprache Italienisch hingegen vollkommen „unberührt“ lässt, beispielsweise nicht für die

„historische lexikalische Entlehnung“, durch die deutsch benannte Sachen mit der

dazugehörigen deutschen Bezeichnung ins Italienische übernommen worden sind (‚il Kirsch’,

‚lo Speck’, ‚il würstel’ etc.). Spillners Auffassung nach sei es auch dahingestellt, ob

Riedmanns Aussage auch auf die Umgangssprache angewandt zutrifft. Für die Schriftsprache

bestätigt Spillner die These jedoch und führt im Folgenden ausschließlich Belege für

italienisch-deutsche Interferenzen an. (Spillner 1992: 175f). Eine für die vorliegende Arbeit

relevante und interessante Entdeckung liefert er gegen Schluss hin:

„Lexikalische Interferenzen treten in Sprachkontaktsituationen erfahrungsgemäß immer auf, wenn landesspezifische Termini aus Verwaltung, Politik, Wirtschaft, Sport etc. und Bezeichnungen für landestypische Speisen und Getränke55 entlehnt werden.“ (Zitat Spillner 1992: 179f)

Als Forschungsdesiderata für das Sprachenpaar Deutsch-Italienisch in Südtirol führt Spillner

unter anderem die „historische Entlehnungsforschung“ und eine „Untersuchung zu

möglichen deutsch-italienischen Interferenzen“ an (Spillner 1992: 183).

Auch Zagami (1975: 236-239) stellt in ihrer Diplomarbeit fest, dass die deutschen

Lehnwörter in der italienischen Sprache gegenüber den italienischen in der deutschen Sprache

Südtirols in der Minderzahl sind. Fast ausschließlich dreht es sich bei den Germanismen um

Wörter, die in der italienischen Übersetzung an Expressivität verlieren würden oder die

Bedeutung des deutschen Ausdrucks nicht vollständig wiedergeben können. Zagami führt

hierfür einige Beispiele an. Interessant ist dabei immer ihr Versuch, den deutschen Ausdruck

möglichst treffend auf Italienisch zu erklären.

- ,Kursaal’ (it. casinò/sala dei bagnanti/luogo di svago nelle stazioni termali e

climatiche)

- ‘Leitmotiv’ (it motivo guida in un dramma che, caratterizzando fatti e sentimenti,

ritorna frequentemente nel corso dell’opera musicale/concetto predominante in un

testo letterario).

Termini wie die eben oben genannten gehören zum Bildungswortschatz („linguaggio

dotto“). Deutsche Lehnwörter tauchen aber auch in den Bereichen Gastronomie und

Bekleidung auf. Diese sind Bedürfnislehnwörter, die sich durchgesetzt haben, um typische

Gerichte, Getränke oder Bekleidungsstücke zu bezeichnen. Einige davon haben sich auch

italienweit und anderswo verbreitet:

- ‚Kirschwasser’ (it. aquavite di ciliege)

- ‚Würstel’ (it. salsicciotto tipico)

55 Hervorhebungen A.P.

82

- ‚Strudel‘(it. dolce tedesco di sfoglia, cosparso di frutta fresca o marmellata e avvolto

su se stesso)

- ,Krauti [?]’(it. cavolo triturato e sottoposto a fermentazione)

- ,Dirndl’ (it. vestito tirolese)

- ,Loden(mantel)’ (it. impermeabile di panno greggio di tradizione altoatesina)

Andere Entlehnungen aus dem Deutschen beschränken sich Zagami zufolge vor allem auf

den Sprachgebrauch der Italiener der Provinz Bozen. Dazu zählen etwa Lemmata wie diese:

- ‚Speck’(it. lardo magro affumicato)

- ,Krapfen’ (it. frittella di pasta lievitata ripiena di marmellata)

- ,Kren’ (it. Barbaforte, rafano)

- ,Knödel’ (it. Gnocchi tirolesi a base di pane ammollato e lardo)

- ,Pfifferling’ (it. Fungo canterello)

- ‚Sprizz’/ österr. Gespritzter (it. vino con seltz)

- ‚Glühwein’ (it. vino caldo)

Auch ‚Grießnockerl’, ‚Muas’, ‚Plent(e)n’, ‚Schlutzkrapfen’ und ‚Tirtlen’ führt Zagami hier

an. Nicht selten werden diese Begriffe an das italienische Phonemsystem angepasst und in der

Aussprache vereinfacht:

- ‚Krapfen’ > kráffen

- ‚Knödel’> canèderli

- ‚Pfifferling’ > fínferli

Für Kramer ist der marginale Einfluss der deutschen Sprache auf die italienische einerseits

darauf zurückzuführen, dass die Italiener die Kenntnis der deutschen Sprache lange Zeit für

unnötig hielten. Andererseits liegt es daran, dass sich deutsche Wörter eher schlecht an die

Struktur des Italienischen anpassen lassen; so kann beispielsweise die Aussprache oder die

Flexion Schwierigkeiten bereiten.

Laut Kramer treten folglich im Italienischen Südtirols kaum Luxuslehnwörter auf, sondern

Bedürfnislehnwörter. Dabei handelt es sich um Bezeichnungen, die gemeinsam mit einer bis

dato unbekannten Sache übernommen werden. Germanismen findet man vor allem in den

Bereichen Speisen und Getränke, Mode, Alpinismus und Politik.

Nicht gerade einfach festzumachen sind die Germanismen, die nur in Südtirol vorkommen.

Beispielsweise gibt es im Bereich Speisen und Getränke einige Ausdrücke, die noch aus der

K.& K.-Herrschaft in Norditalien stammen: ‚finferli’, ‚sprizz’, ‚canederli’ oder ‚crauti’.

83

Eindeutig Südtiroler Germanismen sind für Kramer ‚krapfen’, ‚speck’, ‚strudel’, ‚kuchen’,

ebenso wie die Modetermini ‚loden’ oder ‚dirndl’.

Auch im Alpinismus konnten sich einzelne Germanismen behaupten, wie etwa ‚überhang’,

‚schuss’, ‚pickel’ oder ‚biwak’. Die eindeutigsten Germanismen kann man aber laut Kramer

in der Sprache der Politik finden, beispielsweise ‚la Volkspartei’, ‚il/la SVP’, ‚la Junge

Generation’, ‚l’Arbeitnehmerflügel’ oder ‚gli Schützen’. Diese Termini werden fast täglich in

der aktuellen medialen Berichterstattung gebraucht, oftmals auch pejorativ, weil alles

sozusagen in „deutscher Hand“ ist.

Auch in der Alltagssprache werden im Umgang mit Deutschsprachigen oder zum

scherzhaften Gebrauch oftmals deutsche Anrede- und Grußformeln verwendet: ‚Grüß Gott’,

‚Auf Wiedersehen’, ‚bitte’, ‚danke’. ‚Fräulein’, ‚Frau’ und ‚Herr’ werden - wie im

Italienischen üblich - ohne Beifügung des Namens verwendet (Kramer 1981: 133ff).

Auch Zamboni konstatiert wie die meisten Sprachwissenschaftler vor ihm:

„Le modalità delle relazioni esistenti non consentono al tedesco di esercitare un particolare influsso sull’italiano mentre al contrario quest’ultimo è presente in modo massiccio nel registro colloquiale sudtirolese.” (Zitat Zamboni 1995b: 113f)

Wie Kramer (1981) schon festgestellt hat, kommen die entlehnten Begriffe auch für Zamboni

vorwiegend aus den Bereichen Gastronomie, Bekleidung, Alpinismus und Politik. Im

Wesentlichen führt Zamboni hierzu dieselben Beispiele an wie Kramer (Zamboni 1995b:

113f).

Cavagnoli schließlich ergänzt Riedmanns These, dass nur im Bereich Mode, Ernährung und

Presse Interferenzen aus dem Deutschen vorkommen, um den Sektor Informatik.

Außerdem verwenden Akademiker, die oft mit dem deutschen Sprachsystem in Kontakt sind,

nicht selten Lehnbildungen und Italianisierungen deutscher Fachausdrücke (Cavagnoli 2001:

126):

Lehnbildungen Standarditalienisch

Formulari Moduli

Coordinazione Coordinamento

Concetto Concezione

Il giallo pullover, il triste bambino Il pullover giallo, il bambino triste

La clausura La riunione a porte chiuse

84

9.3.1. Wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Germanismen im Südtiroler Italienisch

Die einzigen zwei Aufsätze, in denen etwas ausführlicher auf die Einflüsse der deutschen

Sprache auf die italienische in Südtirol eingegangen wird, sind einerseits „Die Einflüsse der

deutschen Sprache auf den Trentiner Dialekt des Unterlandes“ geschrieben von Günther

Pallaver (1978) und „Achtung: germanismi!“- Über den Einfluß der deutschen Sprache auf

das Italienische in der Region Trentino-Alto Adige/Südtirol“ von der Schweizerin Daniela

Weber (1998). Letzterer ist auch der einzige Beitrag von wissenschaftlicher Bedeutung zum

Thema.

Pallaver

Günther Pallavers Motivation zur Untersuchung der deutschen Entlehnungen im Trentiner

Dialekt des Unterlandes war die Tatsache, dass er selbst aus einer gemischtsprachigen

Gemeinde (Branzoll im Südtiroler Unterland) stammt, wo der Trentiner Dialekt gesprochen

wird. Pallaver betont, dass seine Untersuchungen nicht systematisch seien, da er selbst kein

Germanist sei, sondern dass sie sich auf persönliche Erfahrungen, Aussagen von Bauern und

Arbeitern in Gasthausgesprächen und Gesprächen bei der Arbeit stützen würden.

Nicht nur Branzoll, sondern das gesamte Unterland ist stark gemischtsprachig, da es ein

sprachliches Randgebiet ist und als solches stärker den „gegenseitigen wirtschaftlichen,

sozialen, kulturellen, persönlichen und sprachlichen Einflüssen“ (Zitat Pallaver 1978: 2)

ausgesetzt ist als sprachlich homogene Gebiete. Laut Pallaver sind deutsche Entlehnungen im

Trentiner Dialekt aus Analogiegründen sicherlich auch in anderen, mehrheitlich

italienischsprachigen Gemeinden des Unterlandes ausfindig zu machen, etwa in Laag, Salurn,

oder Pfatten.

Das Trentino war Pallaver zufolge in der K.& K.-Monarchie ein „Auswanderungsgebiet

höchsten Grades“ (Zitat Pallaver 1978: 2), da es ökonomisch stark unterentwickelt war. So

zogen die Trentiner zunehmend ins heutige Südtirol. Die zugewanderten Trentiner waren vor

allem Landarbeiter und Steinbrucharbeiter und gehörten somit der untersten sozialen Schicht

an.

„Der soziale Aufstieg aus der unteren sozialen Klasse in die höhere war mit der Übernahme des Deutschen als Umgangssprache sowie mit der Bekenntnis zur deutschen Sprachgruppe verbunden.“ (Zitat Pallaver 1978: 4)

Die Trentiner übernahmen die deutschen Lehnwörter vor allem aus den Wirtschaftsbereichen,

in denen sie in Südtirol tätig waren. Mit den neuen Produktionsverhältnissen waren auch

85

dementsprechende fremde Ausdrücke verbunden, die aus folgenden Bereichen stammen und

zu denen Pallaver zahlreiche Beispiele anführt. Da die Aufzählung dieser den Rahmen

sprengen würde, werden nur einige genannt:

• Agrarischer Sektor: (Obst- und Weinbau, Viehwirtschaft): ‚aras’ (Harass, die

Äpfelkiste), ‚plotsaugher’ (Blattsauger, Obstschädling), ‚mulchcaret’ (Mulchgerät), ‚sesla’

(Sichel), ‚most’ (Most), ‚�loter56’ (Schlotter, Klaubsack);

• Steinbrucharbeit: ‚stoll’ (Stollen), ‚chippa’ (Kippe, Steinabfall), ‚clostón’ (Klopfstein),

‚plota’ (Platte), ‚floster’ (Pflaster), ‚�bolsom’ (Bolzen);

• Waldarbeit: ‚ciorciole’ (Tschurtschen, Tannenzapfen), ‚da�e’ (Tasen, Tannenzweige),

‚crax’ (Krax);

• Jagd: ‚seser’ (Sechser-Bock, nach Geweih), ‚spisser’ (Spießer, spezifische

Wildbeschreibung), ‚bol(d)bote’ (Waldbote, heute Jagdaufseher, Förster)

• Eisenbahnwesen (österr.): ‚�ine’ (Schienen), ‚�veleri’ (Bahnschweller);

• Geselliges (Spiel, Beisammensein, Gasthausleben): ‚vat’ (Watten), ‚spris’ (Gespritzter),

‚chélera’ (Kellnerin), ‚labpiat’ (Laubbieten beim Watten), ‚cheglenar’ (kegeln), ‚virtele’

(ein Viertel), ‚�luc’ (Schluck);

• Häusliche Umgebung: ‚heclenar’ (Häkeln), ‚pocene’ (Patschen, Pantoffeln), ‚chisnerar’

(kindsen, Kinder hüten), ‚credensa’ (Kredenz), ‚chibel’ (Kübel);

• Handwerk: ‚pec’ (Bäcker), ‚�loser’ (Schlosser), ‚spangler’ (Spengler);

(Pallaver 1987: 1-11)

Weber

Weber hat sich zu Forschungszwecken ein Jahr lang im Trentino aufgehalten und die großen

lokalen Tageszeitungen „L’Adige“ (Trentino), „L’Alto Adige“ und „Il mattino“ (beide

Südtirol) auf Germanismen hin untersucht. Ihre Grundannahme war:

„Benachbarte Sprachen unterliegen gewöhnlich einem gewissen wechselseitigen Austausch, der sich – je nach Art und Umfang der Kontaktsituation – meist zuallererst in lexikalischen Entlehnungen niederschlägt.“ (Zitat Weber 1998: 197)

Weber nennt als Gründe der Entlehnungsbereitschaft von Fremdlexemen zunächst die so

genannten „spontanen Kanäle des linguistischen Austausches.“ Hier hinein fällt einerseits der

Handel, der die Übernahme von Produkten, die in der Gegend bisher nicht bekannt waren,

fördert. Meist wird mit der neuen Sache auch automatisch gleich die Bezeichnung dafür

56 Das Graphem für deutsch <sch> gibt Pallaver mit dem slawischen Há�ek wieder (s + ^ ���� � ).

86

übernommen. Weiters können ausländische Bezeichnungen, die als besonders chic oder

prägnant gelten, aufgenommen werden.

Laut Weber ist ein weiterer wichtiger Bereich des sprachlichen Austausches die staatliche

Administration, der sprachliche Minderheiten unterstellt sind. Dabei beeinflusst die

dominante Staatssprache die Sprache der Minderheit. Das führte aufseiten der deutschen

Minderheit in Südtirol zu einer massiven Angst vor Assimilierung, Unterwanderung und

Sprachverlust. Aus diesem Grund wurde in Südtirol bis dato nur der Einfluss des Italienischen

auf das Deutsche untersucht. Weber erwägt in ihren Ausführungen die möglichen Gründe der

mangelnden Untersuchungen zum Thema „Germanismen im Südtiroler Italienisch“:

Einerseits kann dies als Hinweis genommen werden, dass das Italienische vom Deutschen gar

nicht bzw. nur marginal beeinflusst wird. Andererseits kann es aber auch sein, dass es sich

hierbei um ein noch weitgehend unerforschtes Gebiet handelt. Die Autorin nimmt Letzteres

an, da sie selbst in Südtirol die Erfahrung gemacht hat, dass Italiener mit guten

Deutschkenntnissen nicht selten einen treffenderen Ausdruck aus dem Deutschen verwenden

und in ihr Italienisch einschieben.

So nennt sie als Beispiele folgende Sätze:

- „vanno in montagna wandern“

- „è molto gemütlich qui.“ (Zitat Weber 1998: 19957)

Ebenfalls hat Kurt Egger (1978) darauf hingewiesen, dass mit der steigenden

Deutschkompetenz der Italiener in Südtirol wohl auch die „Anfälligkeit“ des Italienischen für

deutsche Lehnwörter steigen müsste.

Weber hat im Zuge ihrer Forschungsarbeit festgestellt, dass italienischsprachige Bürger in der

zweisprachigen Provinz Bozen oftmals deutsche Begriffe aus der Politik wie etwa ‚il

Landeshauptmann’ oder ‚l’obmann della SVP’ verwenden. Auch in den Lokalzeitungen hat

sie immer wieder das Vorhandensein dieser Bezeichnungen konstatieren können. Das

Einbauen von deutschem Wortgut scheint aber - den Ausführungen der

Sprachwissenschaftlerin Nicoletta Finazzos zufolge- in allen Tageszeitungen Italiens

zunehmend „in“ zu sein. Finazzo hat sich in ihrer Lizenziats-Arbeit mit dem Titel „Tra

Bildungsroman e Würstel. Le voci tedesche nell’italiano contemporaneo“ (1993), eingereicht

bei Prof. Gaetano Berruto, mit Art, Zahl und Häufigkeit der deutschen (Lehn-) Wörter im

gegenwärtigen Italienisch auseinander gesetzt.

57 Bsp.e übernommen von Weber-Egli 1992: 112f

87

In Bezug auf Südtirol und mögliche Germanismen im Italienischen schreibt Weber

Folgendes:

„Aufgrund der spezifischen Situation der untersuchten Region darf man ein Mindestmaß an Deutschkenntnissen in der breiten Bevölkerung voraussetzen, denn Deutsch ist überall Pflichtfach. Die tatsächliche – vor allem aktive – Deutschkompetenz läßt aber bei den meisten Pflichtschulabgängern noch einiges zu wünschen übrig.“ (Zitat Weber 1998: 200)

Es wird zwar alles Mögliche unternommen, um die Unterrichtsqualität zu verbessern

(Schüleraustausch, Einführung des Deutschunterrichts im Kindergarten, bessere Qualifikation

der Lehrer, Aktualisierung der Lehrmittel), jedoch ist noch einiges an Zeit, Geduld und

Sensibilisierungsarbeit vonnöten, bis diese Maßnahmen schließlich fruchten.

Weber listet nun eine Reihe von Germanismen auf, die sich in folgende Kategorien einteilen

lassen:

a) „Altbestände“: gehen meist auf die Zeit der Habsburger-Monarchie zurück (eisemponer;

kaiser)

b) Politische Begriffe im Zusammenhang mit der deutschen oder Südtiroler Wirtschaft,

Politik und Geschichte (i nuovi Bundeslaender; Landesversammlung)

c) Einfache deutsche Wörter mit Signalwirkung (Achtung…, ; un chiaro nein)

d) Deutsche Kulturbegriffe (Begriffe aus den Geisteswissenschaften; Folklore-

Bezeichnungen wie Sankt Nikolaus e Krampus; kulinarisches Vokabular wie krapfen,

strudel)

a) Altbestände: Die bayrisch-tirolerischen Dialekte der deutschen Sprachinseln in

Oberitalien (die „Mocheni“ im Fersental, die „Cimbri“ auf dem Hochplateau von

Lavarone, die 7 Gemeinden bei Verona und die 13 Gemeinden bei Vicenza) hatten nur

mäßigen Einfluss auf das umliegende Italienisch. Da die Siedler ursprünglich vor allem

Berg- und Bauersleute waren, sind einige Begriffe aus diesen Bereichen eingeflossen, z.B.

‚canopi’ für Bergknappen.

Eine große Wirkung auf das Italienisch hatte dagegen die K.&K.-Monarchie bis zum

Ersten Weltkrieg. Entlehnt wurden vor allem verwaltungsspezifische und militärische

Ausdrücke (‚Jegher’; ‚Kaiser’; ‚zugfurer’), kulinarisches Vokabular (‚kipferl’;

‚finferli’; ‚strudel’; ‚canederli’), Begriffe aus der Mode und dem Alpinismus (‚loden’;

‚alpenstock’; ‚schuss’) und der Bauarbeit (‚eisemponer’; ‚pachera’). Durch den

damaligen Kontakt zum deutschen Sprachgebiet wurden auch einige kulturelle

88

Ausdrücke wie ‚lieder’, ‚leitmotiv’, ‚mitteleuropa’, ‚kitsch’, und ‚weltanschauung’

übernommen, ebenso wie chemische Fachtermini. Der Großteil dieser Begriffe ist heute

auch im überregionalen Italienisch ausmachbar.

Weber fasst in der dritten und letzten Phase das Dritte Reich und die Entwicklung bis zur

Gegenwart zusammen, abgesehen von der Distanzierungsperiode nach dem

Nationalsozialismus und der anti-deutschen Haltung. Was dabei ausschlaggebend wirkt,

ist, dass der Einfluss nun nicht mehr von Österreich, sondern von Deutschland ausgeht.

Begriffe aus dem Dritten Reich wären etwa ‚bunker’, ‚Führer’, ‚Alpenvorland’ und

‚Wehrmacht’. In jüngster Zeit werden Ausdrücke wie ‚Bundesbank’, ‚i Länder’ und

‚Stasi’ gebraucht.

b) Politisches und wirtschaftliches Vokabular: Diese Kategorie umfasst die größte Zahl an

Germanismen. Am häufigsten kommen Germanismen aus diesem Bereich bei den „Italo-

Südtirolern“ vor. Man muss hier jedoch unterscheiden zwischen Entlehnungen aus

Deutschland, aus der Provinz Bozen und aus Österreich. Bei den bundesdeutschen

Begriffen handelt es sich zumeist um (Original-) Namen von Behörden, Funktionen und

Firmen, z.B. ‚Bundesbank’ und ‚Deutschmark’. Ähnlich verhält es sich mit Südtirol. In

der italienischen Berichterstattung der Provinz Bozen scheinen oftmals die deutschen

Bezeichnungen ‚la Volkspartei’, ‚il nuovo obmann’ oder ‚il Bauernbund’ auf. Weber

weist in diesem Kontext darauf hin, dass die Verwendung des richtigen Artikelgenus

darauf schließen lässt, dass die Termini den Italienern durchaus vertraut und geläufig sind.

In diese Richtung weist auch die Tatsache, dass die Begriffe zwar oft unter

Anführungszeichen gesetzt werden, aber nur wenige Erklärungen oder Übersetzungen

angeführt werden. Der lexikalische Einfluss aus der österreichischen Politik ist

vergleichsweise gering (‚il Ferdinandeum’; ‚il <Landesmuseum> dei Tirolesi’).

c) Einfache deutsche Wörter mit Signalwirkung: Diese Entlehnungen kommen meist in

Titeln vor. Einerseits kann damit der Thematik des folgenden Berichts vorgegriffen

werden (z.B. ‚Achtung, scioperi’ über einen Streik in Deutschland), andererseits soll mit

diesen Exotismen die Aufmerksamkeit des Lesers erregt werden. Je höher das sozio-

kulturelle Niveau einer Zeitung, desto mehr Germanismen kommen vor. Demnach sind

„La Repubblica“ und der „Corriere della sera“ Spitzenreiter.

Häufig vorkommende deutsche Fremdwörter sind etwa: ‚Achtung…’ und ‚…über alles’.

89

Neben diesen in Titeln auftauchenden Entlehnungen kann man weitere deutsche Wörter

finden wie beispielsweise ‚Zimmer frei’, ‚ja’, ,nein (danke)’, ‚jodler’ oder ‚Heimat’.

Bereits italianisiert sind deutsche Wörter wie ‚blitz’, ‚bunker’, ‚hinterland’, ‚kitsch’,

‚diesel’, ‚lager’, ‚leitmotiv’ und ‚mitteleuropa’.

d) Deutsche Kulturbegriffe: Hier hinein fallen Begriffe aus den Geisteswissenschaften,

Folklore-Bezeichnungen wie ‚Sankt Nikolaus e Krampus’ oder ‚gli Sternsinger’ und das

teilweise schon italianisierte kulinarische Vokabular wie ‚krapfen’, ‚Zelten’, ‚strudel’,

‚würstel’ oder ‚Schlutzkrapfen’.

Alessio Petralli hat auf die wichtige Rolle der Zeitungen als „Umschlagplatz“ für

Neologismen hingewiesen. So werden Originalwörter eingebaut, um die Aktualität der

Berichte zu untermauern. Laut Finazzo ist es jedoch sehr schwierig, zu sagen, welche Wörter

bloß Modewörter von kurzer Dauer sein werden und welche dauerhaft ins italienische

Vokabular aufgenommen werden (Weber 1998: 197-213).

9.3.2. Belege für im Standarditalienisch integrierte deutsche Lehnwörter in der

italienischen Schriftsprache Südtirols

Mit der Aufzählung und Beschreibung deutscher Fremd- bzw. Lehnwörter des „Dizionario

delle parole straniere nella lingua italiana“ von DeMauro als Grundlage bzw.

Bezugsnormautorität lassen sich in der schriftlich fixierten italienischen Sprache Südtirols

nun folgende Entlehnungen ausfindig machen, die jedoch größtenteils nicht an die eigentlich

im Italienischen übliche Kleinschreibung der Substantive bei Übernahme in die eigene

Sprache angepasst sind – scheinbar ein für das Südtiroler Italienisch typisches Merkmal. Das

Lehnwort wird hier - nach Anführen des deutschen Lemmas- so wie es im Fremdwörterbuch

steht, angegeben, zwischen Doppelpfeilzeichen (<< >>) gesetzt und wenn notwendig durch

eine italienische Erklärung ergänzt.

Die Sachgebiete, aus denen die Germanismen stammen, sind weit gestreut: von Verwaltung

und Politik über die Kultur im weitesten Sinne des Wortes bis hin zu Brauchtum,

Kriegswesen, Gastronomie und Sport. Weil sich die Themenbereiche bzw. die Klassifizierung

und Einordnung der deutschen Lehnwörter jedoch häufig überschneiden, werden

beispielsweise die Germanismen aus den Bereichen Speisen/Getränke, Sport und Drittes

Reich weiter unten in einem eigenen Kapitel behandelt und darauf verwiesen, dass es sich

90

hierbei um auf italienischer Nationalsprachebene integrierte deutsche Lehnwörter handelt. Es

sind dies hauptsächlich Bedürfnislehnwörter, die keine Entsprechung im Italienischen

finden und/oder die über eine besondere Expressivität und Treffsicherheit verfügen.

• Volkswagen m. – “La nuova Volkswagen” (AA 03.01.05, S. 26)

• Rottweiler m. <<rottweiler>> – “Cinque Rottweiler e due Dobermann” (AA 13.03.05, S. 1)

• Dobermann m. <<dobermann>> – “Cinque Rottweiler e due Dobermann” (AA 13.03.05,

S. 1) • Diesel m. <<diesel>> - “Cerato ha anche il Diesel” (AA 03.01.05, S. 26) • Kursaal m. <<kursaal>> – “nella cornice del Kursaal di Merano si è consumata […] la

seconda edizione di ‘Uniball’” (AA 05.12.05, S. 10); “il Kursaal, che grazie ai suoi fregi Jugendstil e il suo fascino retró è cornice […]” (AA 05.12.05, S. 10)

• Diktat n. <<diktat: ordine indiscutibile, imposizione58 >> – „il Comune non accetta i

diktat dalla Provincia” (AA 07.04.05, S. 1); “Traffico e inceneritore, diktat di Salghetti” (AA 12.01.05, S. 14); “Mayr, una lezione: i diktat non servono” (CA 04.08.05, S. 2) Schlagzeilen

• Blitzkrieg m. <<blitzkrieg>> <guerra lampo> - “’Blitzkrieg’” (ROM3 2001, S. 86); “ma il

conflitto fu l’opposto della ‘guerra lampo’ (Blitzkrieg)” (ROM2 2005, S. 34) • Blitz m. <<blitz: accorc. di Blitzkrieg; rapida operazione militare o di polizia effettuata

con estrema precisione e senza preavviso59>> – “E così è scattato il blitz” Bozner verhaftet und zu 5 Jahren und 4 Monaten Haft verurteilt (AA 09.05.05, S. 9); „Energia, stoppato il blitz di Laimer“ (AA 13.07.05, S. 18); „Fallisce il blitz anti concorrenza“ Schlagzeile (AA 18.03.05, S. 33); “Più blitz e più rimborsi: così il Fisco nel 2005” (AA 14.02.05, S. 5); “Blitz all’alba, tre ‘Bandidos’ in carcere” Schlagzeile (AA 11.05.05, S. 25)

• Bunker m. <<bunker: casamatta di cemento armato, interrata o sotterranea/luogo

fortemente protetto e inaccessibile60>> <casamatta> – “gli ultimi dodici giorni della vita di Hitler nel bunker di Berlino” (AA 19.04.05, S. 45); “l’apertura del bunker” Franzensfeste (AA 19.06.05, S. 10); “Una cannonata dal bunker biancorosso” Fußball, Schlagzeile (AA 24.01.05, S. 20)

• Panzer m. <<panzer: 1.) carro armato 2.) fig., scherz. persona decisa e risoluta che

persegue i propri interessi superando ogni ostacolo e difficoltà61>> – „I Panzer andranno in ritiro in Sardegna” Schlagzeile (AA 31.08.05, S. 30)

58 DeMauro 2001: 147 59 DeMauro 2001: 49 60 DeMauro 2001: 69 61 DeMauro 2001: 383

91

• Leitmotiv n. <<leitmotiv: aspetto costante, tema o concetto che ricorre con frequenza in un’opera letteraria, in una creazione artistica o in attività di vario genere62>> <motivo conduttore> – “Il leitmotiv per il nostro futuro” (AA 11.07.05, S. 9)

• Weltanschauung f. <<weltanschauung: nella filosofia e nella critica letteraria, concezione

del mondo propria di un individuo, di un popolo, di un’epoca storica63>> – “Terroristi o patrioti? Dietro due definizioni così distanti tra loro c’è una vera e propria Weltanschauung etnica, ancor prima che politica. O no?” Interview mit Freiheitskämpfer Stieler (AA 06.03.05, S. 11); “legata alla sfera delle Weltanschauungen” (PCI1 1968, S. 291)

• Stimmung f. <<stimmung: disposizione d’animo particolare di un autore, di un ambiente,

di un’epoca64>> <risonanza, atmosfera> – “per una Stimmung complessiva“ (PCI1 1968, S. 148); “una Stimmung” (ROM3 2001, S. 184)

• Erlebnis n. <<erlebnis: nella filosofia di Dilthey e Husserl, esperienza vissuta65>>– “ha

cercato una ricostruzione della persona umana nello „Erlebnis“, nella sua vita interiore” (PCI1, S. 156); “’il compito della storia’ consisterebbe nel ‘far rivivere al lettore la Erlebnis (esperienza vissuta) avuta dallo storico’” (PCI1 1968, S. 290); “la rivendicazione della Erlebniss [sic!]” (PCI1 1968, S. 444)

• Realpolitik f. <<realpolitik: condotta politica incentrata sulla valutazione di interessi e

obiettivi concreti, la cui realizzazione prescinde da giudizi morali e ideologici66>>– “Langer ha rappresentato la negazione della Realpolitik” (AA 03.07.05, S. 26)

• Hinterland n. <<hinterland: zona retrostante un porto o un tratto di costa, intorno a cui

essa gravita economicamente67>> “Hinterland, das im 17. Jahrhundert […]” (PISCI 1986, S. 54)

• Föhn m. <<föhn/fon>> – “un lieve influsso di Föhn” (AA 20.07.05, S. 17); “Ieri il föhn ha

sradicato un pioppo alto” (AA 10.06.05, S. 16) • Walzer m. <<valzer>> – “grande sfoggio di walzer e polke” (AA 29.12.05, S. 42);

“Valzer e bollicine, è l’Uniball” Bozen, Schlagzeile (AA 05.12.05, S. 10); “Valzer delle punte: Simon Inzaghi verso la Samp per Bazzani alla Lazio” Sport, Unterüberschrift (AA. 03.01.05, S. 16)

• Kaiserjäger m. <<kaiserjäger>> – „una sfilata di Kaiserjäger“ (AA 18.05.05, S. 41) • Biedermeier n. <<biedermeier>> – “del Bidermayer” (Lando 1983, S. 187) • Kitsch m. <<kitsch: di cattivo gusto, pacchiano>> – “basta con il kitsch tirolese” (AA

24.08.05, S. 1)

62 DeMauro 2001: 296 63 DeMauro 2001: 597 64 DeMauro 2001: 514 65 DeMauro 2001: 170 66 DeMauro 2001: 439 67 DeMauro 2001: 238f

92

• Erker m. <<erker>> <bovindo/sporto> – „gli ‚erker’“ (Bruna 1985, S. 83); „del vecchio Ercker“ (Marson1 2005, S. 62); “castelli e residenze signorili cinquecentesche (le Ansitz) ornate da Erker (sporti)” (Agostini 2005, S. 96)

• alpenstock, edelweiß“ (PISCI 1986, S. 53) Die Automarke ‚Volkswagen’ erfährt bei der Übernahme ins Italienische eine

morphosyntaktische Veränderung, denn das ursprünglich maskuline Geschlecht wird nun

weiblich, was auf das italienische Wort für ‚Wagen/Auto’ zurückzuführen ist: ‚la macchina’.

Es handelt sich hierbei um die Eingliederung eines Eigennamens. Ebenfalls

Eigennamenübernahmen sind die Hunderassen ‚il Rottweiler’ und ‚il Dobermann’. Ersterer

wurde nach der baden-württembergischen Stadt Rottweil68 benannt, letzterer nach dem

deutschen Hundezüchter Dobermann69. Ein weiteres als Eigennamenübernahme

einzustufendes Wort ist die Treibstoffart ‚il Diesel’, deren Hersteller Diesel hieß.

Auch der ‚Kursaal’ hat Eingang in die italienische Sprache gefunden und behält seinen

maskulinen Artikel bei: ‚il Kursaal’.

Die deutschen Wörter ‚Diktat’, ‚Blitz’ (von Blitzkrieg), ‚Panzer’ und ‚Bunker’ werden bei der

Aufnahme ins italienische Sprachsystem größtenteils an die Kleinschreibung angepasst. Das

Genus bleibt bei ‚il blitz’, ‚il panzer’ und ‚il bunker’ unverändert, d.h. maskulin. Nur ‚il

diktat’ erfährt einen Genuswechsel. Der Ausdruck ist im Deutschen von einem neutralen

Artikel begleitet, während das Italienische nur die Geschlechter feminin und maskulin kennt.

Da die nächstliegende italienische Entsprechung <il dettato> hieße, wird deren

grammatikalisches Geschlecht auf das Lehnwort übertragen. Unter ‚Diktat’ kann man im

Deutschen neben der Bedeutung „sich einen Text diktieren lassen“ auch die

bildungssprachliche Bedeutung „etwas, was jemandem von außen aufgezwungen wird (z.B.

sich dem Diktat der Siegermächte unterwerfen müssen)“ verstehen (DudenUW 2001: 379).

Im Italienischen ist mit dem Begriff letztere Bedeutung verbunden.

‚Blitz’ ist der wohl beliebteste Germanismus im Italienischen - kaum eine italienische

Tageszeitung kommt ohne ihn aus. Im Italienischen steht ‚Blitz’ vor allem für ‚Razzia’ – also

eine Aktion, die so unverhofft und überraschend wie ein Blitz einschlägt. Ein an der

Ausschreibung „Ausgewanderte Wörter“ Beteiligter macht in diesem Kontext eine

interessante Bemerkung: „Ich fürchte, dass im Verlaufe der deutschen Besetzung Italiens ‚un

blitz’ eingewandert, dafür Razzia nach Deutschland ausgewandert ist“ (Zitat Limbach 2007:

46). Alle vier Begriffe stammen aus der Zeit der beiden Weltkriege. Aus diesem Grund sind

68 DudenUW: 1326 69 DudenUW: 387

93

sie auch oft mit der Konnotation Stärke, Macht und Krieg bzw. Kampf verbunden. Neben

dem wörtlichen Gebrauch der Ausdrücke werden sie nicht selten als Aufmerksamkeit

erregendes Element metaphorisch in Überschriften und Schlagzeilen verwendet. So verhält es

sich beispielsweise mit den Schlagzeilen „il Comune non accetta i diktat dalla Provincia” (AA

07.04.05: 1), “Blitz all’alba, tre ‘Bandidos’ in carcere” (AA 11.05.05, S.25) oder den Titeln

aus Sportberichten: “Una cannonata dal bunker biancorosso” (AA 24.01.05, S.20) und „I

Panzer andranno in ritiro in Sardegna” (AA 31.08.05, S.30). Mit letzteren beiden Ausdrücken

kann Stärke und Unbezwingbarkeit konnotiert werden, den sowohl ein Panzer und als auch

ein Bunker vermitteln den Eindruck einer starken Mauer. Durch die größtenteils vollzogene

Kleinschreibung der Ausdrücke und den Genuswechsel beim Wort ‚il diktat’ kann man diese

als integriert betrachten.

Die Entlehnungen ‚il leitmotiv’ (kleingeschrieben), ‚la Weltanschauung’, ‚la Stimmung’, ‚il

Erlebnis’, und ‚la Realpolitik’ (alle großgeschrieben) stammen aus dem Bildungswortschatz

der Geisteswissenschaften (vor allem Literatur und Philosophie) und der Politik und haben

keine bzw. allenfalls eine nicht so treffende oder umständliche, weil syntagmatische oder

periphrastische, italienische Entsprechung (‚Leitmotiv’ � <motivo conduttore>;

‚Weltanschauung’ � <concezione del mondo propria di un individuo, di un popolo, di

un’epoca storica>; ‚Erlebnis’ � <esperienza vissuta>; ‚Stimmung’ �

<risonanza/atmosfera>). Im Englischen stehen Germanismen Limbach zufolge „zunehmend

für Eleganz und Weltgewandtheit“ (Zitat Limbach 2007: 31), während deutsche Wörter früher

nicht sehr beliebt waren. Als Beispiele nennt sie Ausdrücke wie bildungsroman,

weltanschauung und leitmotiv (Limbach 2007: 31). Höchstwahrscheinlich werden die oben

angeführten Germanismen genau aus diesem Grund in das Italienische aufgenommen. Es

handelt sich hierbei hauptsächlich um Bedürfnislehnwörter, die expressiver und treffender

bestimmte (emotionale) Konzepte ausdrücken können. Sie stellen aber gleichzeitig auch so

etwas wie Bedeutungsexotismen dar. Die sächlichen Artikel in den Ausdrücken ‚das

Leitmotiv’, und ‚das Erlebnis’ und werden bei der Entlehnung ins Italienische männlich. Alle

Begriffe sind als integriert einzustufen, obwohl die meisten im Südtiroler Schriftitalienisch

wie im Deutschen großgeschrieben werden und manche Zitatcharakter aufzuweisen

scheinen, weil sie entweder kursiv oder unter Anführungszeichen gesetzt werden (z.B.

‚“Erlebnis“’ und ‚Stimmung’). Der Terminus ‚Realpolitik’ hat sich in der Zeit des Eisernen

Vorhangs verbreitet und wird mit dem Bundeskanzler Willi Brandt verbunden. Die

Bedeutung des Begriffs hat sich im Laufe der Zeit im Italienischen jedoch etwas verändert,

94

sodass man unter ‚Realpolitik’ auch „wahre, sinnvolle, konkrete, gute Politik“ versteht

(Limbach 2007: 38).

Ein weiterer, häufig vorkommender Germanismus ist das ‚Hinterland’, „das im 17.

Jahrhundert auch schon mit „entroterra“ wiedergegeben wurde, [… ] im 19. Jahrhundert

entweder mit der alten deutschen Form oder aber als Lehnübersetzung „retroterra“

angegeben [wird]“ (Zitat Piscitelli 1986: 54). Als ‚Hinterland’ bezeichnet man im

Italienischen kurioserweise meist die dicht besiedelte Gegend um Mailand, also ein

Großstadtgebiet, während die deutsche Entsprechung eine dünn besiedelte Gegend im

ländlichen Gebiet meint (Limbach 2007: 82).

Auch ein klimatologischer bzw. meteorologischer Fachbegriff ist in das Standarditalienisch

eingedrungen, nämlich ‚il föhn/Föhn’ – inkonsequent entweder klein- oder großgeschrieben.

Die Bezeichnung Föhn für einen warmen Fallwind kommt naturgemäß aus dem

süddeutschen Raum, wo dieses Wetterphänomen aufgrund der geographischen

Beschaffenheit auftritt (Alpen), und lässt sich aus dem Lateinischen ‚(ventus) favonius’

herleiten (vgl. Kluge 2002: 306). Somit ist auch die standardsprachliche Integration dieses

Fremdlexems motiviert.

Die Worte ‚il Valzer/walzer’, ‚i Kaiserjäger’ und ‚il Bidermayer’ sind Bedürfnislehnwörter

aus dem deutschsprachigen Kulturraum. Der Walzer ist ein in Österreich und Deutschland

Ende des 18. Jahrhunderts entstandener und dann in ganz Europa verbreiteter Tanz im

Dreivierteltakt (vgl. DeMauro 2001: 581). Im Italienischen wird die Bezeichnung ‚Walzer’

nicht konsequent kleingeschrieben und das deutsche Graphem <w> nicht immer durch das im

italienischen Graphemsystem vorhandene <v> ersetzt, wie es das Fremdwörterbuch

DeMauros vorschlägt (‚valzer’). Meist wird es im Südtiroler Schriftitalienische mit /v/ und

großgeschrieben, es kann aber auch kleingschrieben und mit /w/ angeführt sein. Im

Sportbereich kann das Wort oft auch als aufmerksamkeitserregende Metapher in

Überschriften verwendet werden: “Valzer delle punte: Simon Inzaghi verso la Samp per

Bazzani alla Lazio” Fußball (AA. 03.01.05, S.16). Walzer ist eine Eigennamenentlehnung,

gemeinsprachlich verbreitet und kann wie auch die Begriffe ‚Kaiserjäger’ und ‚Biedermeier’

nicht übersetzt werden. Diese beiden sind jeweils großgeschrieben. Das ‚Biedermeier’

bezeichnet eine deutsche Kunst- und Kulturepoche (ca. von 1815 bis 1848), die nach dem

Autor Gottlieb Biedermaier benannt wurde (Duden Universalwörterbuch [DudenUW] 2001:

286), die ‚Kaiserjäger’ waren aus vier Infanterieregimentern der k.u.k.-Armee

zusammengesetzt70. Die ursprünglich sächliche Epochenbezeichnung ‚Biedermeier’ wird im

70 http://de.wikipedia.org/wiki/Kaiserj%C3%A4ger

95

Italienischen männlich (il Bidermayer’) und an die Graphie der Zielsprache angepasst, denn

im Italienischen gibt es das lange „ie“ nicht.

Die Bezeichnung ‚Kitsch’ für ein als geschmacklos empfundenes künstlerisches Produkt

kommt wahrscheinlich vom mundartlich verwendeten, obsoleten Verbum ‚kitschen’, was

soviel bedeutet wie schmieren (DudenUW 2001: 901). Um 1870 tauchte dieses Wort im

Malermilieu auf, die genaue Herkunft ist jedoch nicht klar. (Kluge 2002: 490). Im

Italienischen gibt es keine Entsprechung für das deutsche Wort, es wurde also aus

Notwendigkeit übernommen. Der Beleg zeigt, dass ‚Kitsch’ im Italienischen

kleingeschrieben wird, “basta con il kitsch tirolese” (AA 24.08.05, S.1), aber auch, dass

einerseits das deutsche Graphem <k> nicht durch die italienischen Grapheme <c> oder

<ch>ersetzt wird, andererseits, dass das <sch> erhalten bleibt, da es im Italienischen keine

graphische Entsprechung für auslautendes /�� gibt.

Für den ‚Erker’ hätte das Italienische zwar eigene Ausdrücke zur Verfügung, <bovindo> oder

<sporto>, verwendet für die Beschreibung der regionalen Architektur aber das deutsche

Lehnwort ‚l’erker’ – meist groß (‚Ercker’ ; ‚Erker’), manchmal kleingeschrieben, gemäß der

Anfangslautregelung im Italienischen mit dem maskulinen Artikel „l’“ versehen, weil Vokal

folgt, und nur einmal als Zitatwort verwendet, da es kursiv geschrieben wurde. Dies kann

jedoch auch nur eine individuell bedingte Verwendungsweise sein.

Auch aus dem Alpinismus sind deutsche Lehnwörter in das Standarditalienisch

eingedrungen. Piscitelli nennt hier etwa ‚[l’] alpenstock’ und ‚[l’] edelweiß’, die beide im

Laufe des 19. Jahrhunderts übernommen wurden (PISCI 1986: 53), obwohl dem Begriff

‚Edelweiß’ im Italienischen das Lexem <stella alpina> als Entsprechung zur Verfügung

stünde. Demnach kann das Wort als Luxuslehnwort eingestuft werden.

Nicht im Fremdwörterbuch DeMauros verzeichnet, aber dennoch in das nationale Italienisch

eingedrungene deutsche Lehnwörter sind:

• Mitteleuropa – “la Mitteleuropa” (AA 07.12.05, S. 28) � Adj. – “vince il primo premio

del prestigioso concorso mitteleuropeo “ Prix Interrégional – Diplôme de Concert” (AA 06.01.05, S. 24)

• Hochdeutsch – „Io parlo Hochdeutsch da sempre” (AA 31.08.05, S. 10)

Für Weber zählt das deutsche Substantiv ‚Mitteleuropa’ zu den aus der Habsburgerzeit

stammenden Altbeständen (Weber 1998: 201), die als bereits italianisierte Wörter in die

Nehmersprache Eingang gefunden haben (Weber 1998: 211). Das Lehnwort ‚mitteleuropa’,

das mit seinem femininen Artikel übernommen wurde, wird im Italienischen sogar produktiv,

96

so dass sich daraus das Adjektiv ‚mitteleuropeo’ ableitet, welches sich an die indigenen

Wortbildungsmuster anpasst.

Zwischen Lehnwort und Lehnübersetzung wird das Wort m i t t e l e u r o p e o (1942)

eingereiht, das im ideologisch-kulturellen Bereich seine Anwendung findet.” meint Piscitelli

hierzu (PISCI 1986: 54).

Aufgrund der Tatsache, dass die in diesem Kapitel erwähnten Germanismen

bewiesenermaßen alle bereits ins italienische Sprachsystem Eingang gefunden haben und ergo

einem Großteil der italienischen Sprecher zumindest passiv bekannt sein dürften, kann der

Umstand erklärt werden, warum keine näheren Erklärungen und Kommentierungen zum

besseren Verständnis der Begriffe notwendig sind.

97

10. Linguistische Analyse des Lehnguts

10.1. Formales zur Einordnung der Entlehnungen

Das gesammelte Sprachmaterial wird in der Analyse zunächst nach Sachgebieten geordnet,

wie es schon Riedmann (1972) unternommen hat. Dessen onomasiologisches

Ordnungsprinzip haben u.a. Moser/Putzer (1980) um die Kriterien Grad der sprachlichen

(phonetischen, graph(em)ischen und morphematischen) Integration und Stellenwert der

Entlehnungen im eigensprachlichen System erweitert. Diese werden in der vorliegenden

Arbeit ebenfalls berücksichtigt (vgl. Moser/Putzer 1980: 153). Außerdem werden die

Entlehnungen auch nach pragmatisch-funktionalen Gesichtspunkten untersucht.

10.1.2. Anführungsform der lexikalischen Belege

Wie bereits in Kapitel 1.2.1. erwähnt, erlaubt die Einordnung der sprachlichen Beispiele

„einen ersten Einblick in besonders interferenzoffene Wortschatzbereiche“ (Zitat

Moser/Putzer 1980: 151). Hier lassen sich auch die jeweiligen Domänen ablesen, in denen

die deutsche Sprache besonderen Einfluss auf die italienische Sprache ausübt.

Die lexikalischen Belege werden in Anlehnung an die Dissertation Pernstichs untersucht:

Zunächst wird das Fremdlexem als standarddeutsches Lemma mit dem jeweiligen

grammatikalischen Genus (feminin, maskulin, neutrum) angegeben. In einem weiteren Schritt

gibt man –falls vorhanden- die eigensprachliche Entsprechung an. Wenn nötig, werden die

Begriffe zum besseren Verständnis näher erklärt (kursiv geschriebener Text). Anschließend

werden die Belege mit dem dazugehörigen Kontext angeführt.

10.2. Einordnung der Entlehnungen nach onomasiologischen Aspekten

10.2.1. Speisen und Getränke

Der wohl in jeder Sprache aufnahmefreudigste Bereich ist der der Gastronomie. Mit den

neuen, unbekannten Speisen und Getränken werden auch die dazugehörigen fremden

98

Bezeichnungen übernommen. Es handelt sich hierbei also größtenteils um

Bedürfnislehnwörter, zu denen es nur selten eigensprachliche Entsprechungen bzw.

geeignete und treffende Übersetzungen gibt und wenn doch, diese allenfalls den Charakter

einer Erklärung besitzen.

Auffallend für Germanismen im Südtiroler Italienisch ist, dass das Lehngut größtenteils

graphisch nicht an die Replikasprache angepasst wird (italienische Kleinschreibung von

Nomina). Dieses Phänomen ist wahrscheinlich dadurch zu erklären, dass die in Südtirol

ansässigen Italiener bereits in der Schule in Kontakt mit der deutschen Sprache, deren System

und Schreibung treten und dass sich dadurch die Großschreibung der Nomina (der

Hyperkorrektheit halber) erhalten hat. Dies scheint ein für die italienische Sprache Südtirols

typisches Kuriosum bzw. Kennzeichen der Entlehnung aus der deutschen Sprache sein. Die

graphische Nicht-Anpassung des deutschen Ausdrucks bei Übernahme ins Südtiroler Schrift-

Italienisch (Kleinschreibung) ist demnach nicht unbedingt ein Kriterium für den

Integrationsgrad des Fremdlexems.

Da die Übernahmen aus dem Bereich Gastronomie so zahlreich sind, wird nur auf einige

näher eingegangen.

Fleisch- und Wurstwaren • Speck m. <<speck>> – “lo speck” (AA 07.09.05, S. 15); “vincete 10 chili di Speck” (AA

06.03.05, S. 54) • Bauernspeck m. – “il Bauernspeck” (AA 14.12.05, S. 28) • Osterspeck m. – „l’Osternspeck“ (Faggioni 2005, S. 233) • Schöpsernes n. <carne di montone castrato> – “Schoepsernes – stufato di carne bovina e

patate” (Agostini 2005, S. 89) • Wienerschnitzel n. <scaloppina alla milanese> – „’Wienerschnitzel’“ (MMS 2001, S. 24) • Rippele n. (Ma.) <costoletta> –„tipo ’Rippelen’“ Rippchen (MMS 2001, S. 24) • Giggerle n. (Ma.) – “dai ‘Giggerlen’ alle bistecche” Hühnchen, Musikfest Eppan (AA

12.08.05, S: 25) • Würstel n. <<würstel>> – „i würstel“ (AA 07.09.05, S. 15) • Frankfurter n. <<frankfurter>> – „il Frankfurter o Wiener“ (Faggioni 2005, S. 216) • Meraner (Würstel) n. – „il Meraner“ Würstel (Faggioni 2005, S. 216)

99

• Weißwurst f. – “l’immancabile Weisswurste” (AA 12.06.05, S. 28); „la classica Frühschoppen, colazione (!) con Weisswürst e birra” (AA 13.03.05, S, 23)

• Blutwurst f. <sanguinaccio> – “…’Blutwurst’” (MMS 2001, S. 46) • Hauswurst f. <salsiccia fatta in casa> – „Gli ‚Hauswurst’“ (MMS 2001, S. 18) • Bratwurst f. <salsiccia da arrostire> – „i classici bratwurst“ (AA 02.09.05, S. 27) • Kaminwurz f. – „un Kaminwurz (salsiccia affumicata)“ (Faggioni 2005, S. 10) Knödel • Knödel m. <<knödel>> – “Da bambina non sopportavo i ‘Knödel’” (MMS 2001, S. 26)

“Krapfen, Strudel ed i canederli” (AA 02.09.05, S. 24) • Marillenknödel m. – “i Marillenknödel” (AA 19.08.05, S. 35) • Zwetschgenknödel m. – “Assomiglia molto ai ‚Zwetschkenknödel’” (MMS 2001, S. 136) • Pressknödel m. – “viene anche usato in cucina nei tradizionali Pressknödel, i canederli

pressati e arrostiti di formaggio” (AA 17.09.05, S. 24) • Serviettenknödel m. – “ un ’Serviettenknödel’” (MMS 2001, S. 94) • Leberknödel m. – “… Leberknödel” (AA 05.05.05, S. 12) • Fastenknödel m. – „La ricetta dei ‚Fastenknödel’ […]“ (MMS 2001, S: 24) Süßigkeiten • Strudel m. <<strudel>> “Krapfen, Strudel ed i canederli” (AA 02.09.05, S. 24); „Lo

Strudel“ (AA 27.04.05, S. 21); “si svolgono infatti le Settimane dedicate allo Strudel.” (AA 02.09.05, S. 24); “strudel di mele” (AA 30.11.05, S. 31)

• Faschingskrapfen m. <crapfen di carnevale> – „Non solo, quindi i dolci

‘Faschingskrapfen’ farciti di marmellata di albicocche […]“ (AA 02.09.05, S. 24) • Strauben m. <dolce fritto> – „gli strauben“ gebackene, schnurartige Mehlspeise, wobei

der Teig durch einen Trichter ins heiße Fett gegossen wird 71(AA 07.09.05, S. 15) • Buchtel f. (meist Pl.) - „Buchteln“ im Backrohr zubereitete Speise mit aus Germ

hergestellten, eng nebeneinander gesetzten kugelförmigen Teigstücken, oft mit Vanillesauce serviert72 (AA 03.10.05, S. 18)

• Schmarren m. – „’Schmarrn’“ (MMS 2001, S. 24) 71 Schatz 1955: 610 72 Variantenwörterbuch (VWB) 2004: 141

100

• Kaiserschmarren m. – „ottimi ‚Kaiserschmarren’“ (MMS 2001, S. 74) • Scheiterhaufen m. – “ad esempio ’Scheiterhaufen […]’” im Backrohr zubereitete Speise

aus in Schichte gelegten Weißbrotstücken, Äpfeln, Milch, Eier und Zucker73(MMS 2001, S. 64)

• Apfelmus n. <crema di mele> – „un ‚Apfelmus’“ (MMS 2001, S. 82) • Kiechl/Kiachl m./n (Ma.) - “i ‚Kiechl’“ – kleines flaches und rundes Schmalzgebäck mit

einer runden Vertiefung an der Oberseite und Füllung74 (MMS 2001, S. 143) Regionale Spezialitäten • Rösti f. <<rösti>> – “’rösti’ di patate” (AA 31.12.05, S. 20) • Krapfen m. <<krapfen>> – “una delle leccornie più multiformi e golose della cucina

altoatesina: il Krapfen.” (AA 02.09.05, S. 24); “Cosa sarebbe l’Alto Adige senza i suoi Krapfen?” (AA 02.09.05, S. 24); „[…] passa dal ‚tirtlen’ agli gettonatissimi Krapfen“ (AA 30.11.05, S. 31)

• Spätzle/Spatzeln n. (meist Pl.) <<spätzle>> <gnocchetti di pasta> – „Spatzln“ in Wasser

gekochte, kleine ovale oder längliche Teigstücke75(MMS 2001, S. 63); „La base è lo ‚Spätzle’, una pasta con uova intere e farina, senza latte“ (MMS 2001, S. 62)

• Spatzlhobel m. – „per essere versata nello ‚Spatzlhobel’“ (MMS 2001, S. 63) • Muesli n. <<müsli>> – „muesli“ einziger CH-Import laut Weber (1998, S. 211) • Kraut n. – “[i] crauti” (Kramer 1981, S. 134) • Gröstel n. – “Gröstel di patate” (AA 10.09.05, S. 21); “ un ‘Greaschtl’” (MMS 2001, S.

120); “Gli ‘Herrengröstel’” Speise aus in Fett gebackenen Kartoffelscheiben und Rindfleischstückchen76 (MMS 2001, S. 136)

• Tir(sch)tlan/Tirtlen (nur Pl.) (Ma.) – “’Tirschtlan’, ‘Schöttina’, ‘Grantn Puntscha’ o

‘Roggina Mingilan’ appartengono tutti alla ricca famiglia dei Krapfen.” (AA 02.09.05, S. 02.09.05, S. 24); „Tirtlan pusteresi“ in Fett gebackene,, dünne aufeinander gelegte und an den Rändern zusammengedrückte Teigtaschen mit Füllung aus Kraut oder einer Mischung aus Spinat, Kartoffeln oder Topfen77 (AA 10.09.05, S. 21); „[…] passa dal ‚tirtlen’ agli gettonatissimi Krapfen“ (AA 30.11.05, S. 31)

• Schöttina (Ma.) – “’Tirschtlan’, ‘Schöttina’, ‘Grantn Puntscha’ o ‘Roggina Mingilan’

appartengono tutti alla ricca famiglia dei Krapfen.” (AA 02.09.05, S. 02.09.05, S. 24)

73 VWB 2004: 662 74 VWB 2004: 401 75 VWB 2004: 729 76 VWB 2004: 310 77 VWB 2004: 791

101

Krapfen mit Schottenfüllung (cremige Masse aus saurer Milch)78 (AA 02.09.05, S. 02.09.05, S. 24)

• Grantn Puntscha (Ma.) – “’Tirschtlan’, ‘Schöttina’, ‘Grantn Puntscha’ o ‘Roggina

Mingilan’ appartengono tutti alla ricca famiglia dei Krapfen.” Brot, mit Topfen, Mohn oder Preiselbeeren gebacken, Pustertal79(AA 02.09.05, S. 02.09.05, S. 24)

• Roggina Mingilan/ - Minggelen (Ma.) – “’Tirschtlan’, ‘Schöttina’, ‘Grantn Puntscha’ o

‘Roggina Mingilan’ appartengono tutti alla ricca famiglia dei Krapfen.” Kleine gebackene mit (Roggen)-Mehl, Honig gefüllte Mehlklöße80(AA 02.09.05, S. 02.09.05, S. 24)

• Schlutzkrapfen/Schlutzer m. – “Il Graukäse […] grattugiato sugli Schlutzer” (AA

17.09.05, S. 24); „Schlutzkrapfen“ (AA 10.09.05, S. 21) • Zelten m. – „Lo zelten“ meist in der Weihnachtszeit gegessenes, dunkles, süßes

Früchtebrot81 (AA 02.11.05, S. 19) • Schwarzplentene Riebl(er) m. (ohne Pl.) (Ma.) – „cose vecchie tipo ’Schwarzplentene

Riebl’“ Speise aus Mehl, Fett, Milch und Buchweizen82 (MMS 2001, S. 70) • Kartoffelriebl m. (meist Pl.) (Ma.) – „Kartoffelriebl“ Speise, aus passierten Kartoffeln

zubereitet, die während des Kochens zerbröselt werden83 (MMS 2001, S. 155) • Kartoffelplattlen n. (Ma.) – „Kartoffelplattlen“ in Fett herausgebackene

Kartoffelteigblättchen (MMS 2001, S. 146) • Striezel m. – „Striezel“ gesalzenes Brot aus Kräutermehl, Sarntal (MMS 2001, S. 156) • Frigele (Ma.) – il ‚Frigele’“ Bauerngericht aus Milch, Mehl und Wasser; eine Art Suppe

mit Mehlkügelchen84 (MMS 2001, S. 26) • Nigele n. (Ma.) – „Nigelen“ schmalzgebackenes kleines Törtchen85(MMS 2001, S. 155) • Grießnockerl n. (meist Pl.) (Ma.) – „Grießnockerl“ (Zagami 1974/75, S. 238) Brot • Breatl n. (Ma.) – “il tipico Pane di segale, cumino e anice (Breatl)” (AA 17.09.05, S. 24);

“per ogni Breatl venduto nei negozi Profanter […]” (AA 11.01.05, S. 31); “Dai Vinschgerlen, al Pusterer Breatl“ (AA 10.09.05, S. 28)

78 VWB 2004: 688 79 Schatz 1955: 120 80 vgl.: Schatz 1955: 428 81 VWB 2004: 889 82 VWB 2004: 633 83 MMS 2001: 154 84 MMS 2001: 146 85 Schatz 1955: 452

102

• Schüttelbrot n. – “il ‘Schüttelbrot’” (AA 13.05.05, S. 19); „dallo Schuttelbrot al Vinschger Urpaarl“ sehr hartes, knuspriges und würziges Fladenbrot aus Roggenmehl86 (AA 10.09.05, S. 28)

• Vinschgerlen n. (Ma.) – „Dai Vinschgerlen, al Pusterer Breatl“ kleines, rundliches Brot

aus Roggenmehl87 (AA 10.09.05, S. 28) • Vinschger Urpaarl n. (Ma.) – “dallo Schuttelbrot al Vinschger Urpaarl“ (AA 10.09.05, S.

28) • Brezel f. – „…Brezel“ (AA 24.06.05, S. 33) • Zeile f. – „Zeile“ Brotform (RIED 1972, S. 38) Käse • Graukäse m. <formaggio grigio> – “il formaggio Graukèse” (AA 10.09.05, S. 28); “il

Graukäse in cucina” (AA 17.09.05, S. 24); “Graukas con polenta” ein aus Sauermilch zubereiteter bröckliger Schimmelkäse 88(AA 29.03.05, S. 31); „[…] quelli del ‚Graukäse’“ (MMS, S. 74)

• Almkäse m. – “l’Almkäse” (Faggioni 2005, S. 225) • Hüttenkäse m. – “lo Hüttenkäse” (Faggioni 2005, S. 225) • Bergkäse m. – “il Bergkäse” (Faggioni 2005, S. 225) • Fleischkäse m. – “un Fleischkäse, il classico polpettone tirolese” (Faggioni 2005, S. 216) • Ziegerkäse m. – “Una volta si facevano con ’Ziegerkas’” Topfen (mit Kräutern) aus

Schaf-, Ziegen- oder Kuhmilch89 (MMS 2001, S. 44) Suppen • Gulaschsuppe f. <zuppa (di) gulasch> - „…gulaschsuppe“ (AA 02.09.05, S. 27) • Weinsuppe f. – “la Weinsuppe (minestra di brodo di carne con panna e vino bianco)” (AA

27.04.05, S. 21) • Frittatensuppe f. – “Frittatensuppe” (MMS 2001, S. 82) • Brennsuppe f. – “la ‘Brennsuppe’” dicke Suppe, aus in Fett geröstetem Mehl, Zwiebel,

Pfeffer, Majoran usw. zubereitet90 (MMS 2001, S. 78)

86 VWB 2004: 700 87 VWB 2004: 845 88 VWB 2004: 307 89 VWB 2004: 891 90 VWB 2004: 136

103

Alkoholisches • Krügerl n. (Ma.) – „un krígel di birra“ tirolerische Diminutivform von Krug (Zagami

1974/75, S. 238) • G(e)spritzter m. (Ma.) – “[un] sprizz“ (RIED 1972, S. 37); „sprizz“ (Kramer 1981, S. 134) • Leps m. (Ma.) – „un ‚Lebs’, un vinello leggero“ Leichter Tischwein (von minderwertiger

Bedeutung)91 (Bruna 1985, S. 70) • Kirsch m. <<kirsch>> – “il Kirsch” (Spillner 1992, S. 176) • Sliwowitz m. <<slivoviz>> – „slivoviz“ aus dem Slawischen über Österreich nach Italien

(PISCI 1986, S. 53) • Kümmel m. <<kümmel>>– „kümmel“ Kümmelschnaps (PISCI 1986, S. 53) • Jägertee m. – „Jägertee“ (AA 30.11.05, S. 31) • Glühwein m. <vino caldo/ (vin) brulé> – „Glühwein“ (Zagami 1974/75, S. 238) • Glühweinstand m. – “il ricavato del Glühweinstandl” Eppan (AA 06.01.05, S. 25) • Gewürztraminer m. – „simposio internazionale del Gewürztraminer“ (AA 13.07.05, S. 25) • „Silvaner, Müller-Thurgau, Gewürztraminer, Veltliner, Kerner, Ruländer (Pinot grigio) e

Riesling“ (AA 05.03.05, S. 43) • “Terlaner per gli antipasti caldi; Blauburgunder per il piatto principale; Rosenmuskateller

per il dessert” (AA 15.04.05, S. 18) • Lagrein m. – […] del Lagrein” (AA 20.04.05, S. 27) • Weißburgunder m. – „il Südtiroler Weißburgunder“ (AA 29.10.05, S. 27) Verschiedenes rund ums Essen • Frühschoppen n. <bevuta mattutina> – „la classica Frühschoppen, colazione (!) con

Weisswürst e birra” (AA 13.03.05, S, 23); “poi ‘Frühschoppen’” (AA 22.05.05, S. 31); “Frühschoppen (colazione) a base di spumante e musica” (AA 20.07.05, S. 23)

• Dämmerschoppen n. – “Una ‘Dammer schoppen’, ovvero una serata dedicata alla musica

e all’enogastronomia” (AA 20.07.05, S. 22) • Halbmittag n./m. – “Fare un Halbmittag, uno spuntino” (RICHE 2000, S. 84) • Delikatesse f. – “produttori di delicatessen” (AA 11.11.05, S. 27)

91 VWB 2004: 472

104

• Pfifferling m. – “Ragù di finferli” (AA 04.08.05, S. 25) • Kartoffelsalat m. <insalata di patate> – „la Kartoffelsalat“ (Faggioni 2005, S. 257); “il

‘Kartoffelsalat’” (MMS 2001, S. 24) • Auflauf m. <sformato> „degli ‚Auflauf’“ (MMS 2001, S, 132) • Spiegelei n. <uovo al tegamino/ uova all’occhio di bue> – „un bel piatto di patate saltate

con ‚Spiegeleier’“ (MMS 2001, S. 120)

Eine typische Südtiroler Spezialität ist der Speck, der auch als ‚lo speck’ Eingang ins

Standarditalienisch gefunden hat und im Südtiroler Italienisch entweder klein- oder

großgeschrieben wird. Durch die häufige Frequenz des Begriffs und die Anpassung des

Artikels an die italienische Anfangslautregelung kann man von einer vollständigen

Integriertheit ausgehen. Auch ‚il Bauernspeck’ und ‚l’Osternspeck’ (hier kursiv geschrieben

und unter Beibehaltung des Konsonanten ‚n’ am Ende des ersten Kompositumteils ‚Oster-’,

was den Anschein eines überkorrekten Setzens eines „Pseudo-Fugen-Ns“ vermittelt), die bei

der Übernahme ihren maskulinen Artikel beibehalten, tauchen hie und da im Italienischen auf,

da es hierfür keine Entsprechung im Italienischen gibt, sie sind jedoch als noch nicht

vollständig integriert zu betrachten.

Eine indigene Entsprechung hätten die Speisen ‚Schöpsernes’, ‚Wienerschnitzel’, ‚Rippelen’

und ‚Giggerle’ hingegen sehr wohl, werden aber dennoch oft mit dem deutschen Ausdruck

angegeben, um die regionale Herkunft der Gerichte zu betonen. Dies erkennt man auch daran,

dass beispielsweise ‚Giggerlen’ und ‚Rippelen’ nicht mit den standarddeutschen Begriffen

‚Brathühnchen’ und ‚Rippchen’ wiedergegeben werden, sondern mit mundartlichen

Bezeichnungen. Ein kleiner Schritt in Richtung Integration des Begriffes ‚Schöpsernes’ wurde

vollzogen, denn der deutsche Umlaut <ö> wurde an die Graphie des Italienischen angepasst

und mit <oe> wiedergegeben (‚Schoepsernes’). Auch wurde dem Begriff eine anschließende

Erklärung beigefügt.

Ins Standarditalienisch aufgenommen und somit integriert ist das ‚Würstel’.92 Auch im

Südtiroler Italienisch wird es kleingeschrieben: ‚il würstel’. Vom grammatikalischen

Gesichtspunkt aus betrachtet ändert sich das ursprünglich neutrale Genus und wird maskulin.

Auch auf die übrigen Würstchenarten trifft dies zu.

Die ‚Frankfurter (Würstchen)’ sind bereits im italienischen Wortschatz integriert, im

Gegensatz zur Standardsprache werden sie im Südtiroler Italienisch jedoch großgeschrieben.

Genauso ergeht es den ‚Meraner(n) Würstchen’.

92 Kurioserweise sprechen manche Italiener ‚Würstel’ wie ‚biurstel’ aus.

105

Eine Artikeländerung aus nicht nachvollziehbaren Gründen (die italienische Übersetzung von

‚die Wurst’ ist ‚la salsiccia’) erfahren die femininen Ausdrücke ‚Weißwurst’, ‚Bratwurst’,

‚Hauswurst’; sie werden im Italienischen maskulin. Bei der ‚Blutwurst’ lässt sich das

Artikelgenus aus dem Kontext nicht ableiten, ist aller Wahrscheinlichkeit nach aber ebenfalls

maskulin. Interessant ist, dass die Würste im Plural meist ihre Singularform beibehalten: ‚i

classici Bratwurst’ oder ‚Gli ‚Hauswurst’’. Die ‚Würste’ werden inkonsequent groß- bzw.

kleingeschrieben, teilweise gibt es im Italienischen auch eine Entsprechung und die

Ausdrücke werden teilweise auch unter Anführungszeichen gesetzt, was auf einen geringen

Integrationsgrad hinweist. Meist sind die „Wurst-Komposita“ aber kompakter und kürzer als

die italienischen Ausdrücke hierfür (z.B. <salsiccia fatta in casa>. Es herrscht also

syntagmatische Ökonomie93 vor.

Eine Artikelgenusänderung erfährt auch die ‚Kaminwurz’, die beim Entlehnungsvorgang

maskulin wird.

Von Italienern gern gegessen werden auch ‚die Knödel’. Es gibt sogar ein italienisches

Lehnwort hierfür und zwar ‚i canederli’, das sich lautlich und graphisch an die italienische

Sprache angepasst hat. Es wird jedoch nicht selten das deutsche Wort verwendet, um die

regionale Herkunft dieser Spezialität zum Ausdruck zu bringen. Zahlreiche Knödelarten

wurden in die Replikasprache übernommen: ‚Marillenknödel’, ‚Zwetschkenknödel’,

Pressködel’, ‚Leberknödel’, ‚Fastenknödel’, ‚Serviettenknödel’; allesamt behalten den

maskulinen Artikel und die Großschreibung bei, werden selten näher beschrieben und ebenso

selten unter Anführungszeichen gesetzt.

Bekannt sind auch zahlreiche Süßspeisen aus der Südtiroler Küche, wie etwa der ‚Strudel’,

der bei italienischsprachigen Touristen reißenden Absatz findet. ‚Lo strudel’ ist bereits ein in

die italienische Sprache aufgenommenes Lehnwort, wird im Südtiroler Italienisch jedoch wie

so oft großgeschrieben. Der ‚Apfelstrudel’ wird im Italienischen mittels einer

Lehnübertragung, also einer Einzelgliedübersetzung wiedergegeben: ‚lo strudel di mele’.

Sehr beliebt und auch ins Südtiroler Italienisch integriert ist auch der ‚Strauben’- hier

kleingeschrieben und mit dem Artikel ‚lo’ bzw. ‚gli’ versehen, gemäß der

Anfangslautregelung im Italienischen. Gern gegessen werden auch die ‚Faschingskrapfen’

und das ‚Apfelmus’, die beide eine eigensprachliche Entsprechung hätten. Auch die

‚Buchteln’, der ‚(Kaiser-)Schmarren’, die ‚Kiachl’ und der ‚Scheiterhaufen’ sind beliebt.

Im Standarditalienische Aufnahme gefunden haben die ‚Spätzle/Spatzeln’, die ‚Rösti’, die

äußerst beliebten ‚Krapfen’ und der laut Weber einzige Helvetismus, das ‚Muesli’. Das

93 vgl. Pernstich 1981: 67

106

‚Kraut’ wurde ebenfalls integriert und lautlich-graphisch und sogar morphologisch an die

Zielsprache angepasst: ‚i crauti’. Dasselbe Schicksal wurde auch den ‚Pfifferlingen’ zuteil, die

im Italienischen ‚finferli’ heißen. In das Südtiroler integriert sind beispielsweise auch die

‚Schlutzkrapfen’ und der ‚Zelten’- beide mit dem Artikel ‚lo’/’gli’ versehen.

Um zu unterstreichen, dass es sich bei all diesen Gerichten um Südtiroler Spezialitäten

handelt, werden oftmals Anführungszeichen gesetzt, selten werden sie jedoch beschrieben

oder erklärt, bis auf die in folgenden Satz vorkommenden und mundartlich gezeichneten

typischen Pusterer Gerichte: “’Tirschtlan’, ‘Schöttina’, ‘Grantn Puntscha’ o ‘Roggina

Mingilan’ appartengono tutti alla ricca famiglia dei Krapfen.” Teilweise haben die Ausdrücke

Zitatcharakter, man kann sie aber insofern als integriert betrachten, weil sie Speisen

bezeichnen, die im Italienischen Kulturraum nicht bekannt sind.

Interessant sind die Entlehnungen aus dem Bereich Alkoholisches. So hörte Zagami in einem

Wirtshaus die tirolerische Diminutivbezeichnung von ‚Krug’, ‚krìgel’ (Krügerl) – mit

entrundetem und an die Replikasprache angepassten Umlaut /y:/ (<ü>). Auch die

Bezeichnungen ‚sprizz’ für österreichisch ‚G(e)spritzter’ und ‚Lebs’ für südtirolerisch ‚Leps’

sind ausfindig zu machen. Eingang ins Standarditalienisch gefunden haben die Schnäpse

‚Kümmel’, ‚Kirsch’ und ‚Sliwowitz’ – dort jedoch kleingeschrieben. Hie und da trinken

Italiener auf dem Christkindlmarkt keinen <vin brulé> oder <vino caldo> sondern einen

‚Glühwein’, umgangssprachlich und scherzhaft gebraucht auch ‚il glù’ genannt. Die

Weinsorten seien weitgehend als Eigennamenübernahmen betrachtet, so zum Beispiel:

‚Silvaner, Müller-Thurgau, Gewürztraminer, Veltliner, Kerner, Ruländer’ (AA 05.03.05, S.

43).

Übernommen, weil im italienischen Kulturraum nicht bekannt, sind auch das ‚Frühschoppen’,

welches mit der Umschreibung <bevuta mattutina> nur unzureichend die Bedeutung des

deutschen Ausdrucks wiedergeben kann und das typisch Südtirolerische ‚Halbmittag’, das

eventuell noch mit <spuntino> oder <merenda> übersetzt werden könnte, aber damit nicht

dasselbe ausdrückt, weil letzteres sich beispielsweise eher auf die nachmittägliche Marende

bezieht.

10.2.2. Politik und Verwaltung

Besonders interferenzfreundlich erweist sich das Südtiroler Italienisch im Bereich Politik und

Verwaltung. Vor allem in der Lokalpolitik und der Verwaltung auf Landesebene lassen

sich reichlich Entlehnungen aus der deutschen bzw. Südtiroler Amtssprache ausmachen. Das

107

ist darauf zurückzuführen, dass die italienische Sprachgruppe und Sprache zwar in der

staatlichen Verwaltung dominiert, auf Provinzial- und Kommunalverwaltungsebene jedoch

die deutsche Sprache der italienischen gleichgestellt ist bzw. oftmals sogar vorherrscht (vgl.

Riedmann 1972: 82), beispielsweise in der Landespolitik. Die Südtiroler Landesregierung ist

nämlich in „deutscher Hand“, d.h. dass die im Mai 1945 von Nicht-Optanten gegründete

Partei der deutschen Sprachgruppe (SVP) die absolute Mehrheit im Landtag stellt und das seit

dem Jahr 194894. Seit den letzten Landtagswahlen im Jahr 2003 kann die deutschsprachige,

konservative Südtiroler Volkspartei (SVP) 21 der insgesamt 35 Sitze für sich verbuchen

(wikipedia95).

Riedmann beschreibt die Verwaltungssprache als eine Fachsprache, in der Entlehnungen

vorgenommen werden müssen (Riedmann 1972: 82). Nachdem größtenteils weder

Anführungszeichen und etwaige Erläuterungen beigefügt werden, noch Kursivsetzungen der

Ausdrücke unternommen werden, kann man daraus schließen, dass die Wörter weitgehend in

die italienische Sprache Südtirols integriert sind.

Südtirol • Landeshauptmann m. <il presidente della giunta provinciale/il presidente della provincia/il

presidente> – “Secondo il Landeshauptmann […]” (CA 14.07.05, S. 5); “Sotto il nuovo Landeshauptmann – ininterrottamente riconfermato sino ad oggi […]” (ROM2 2005, S. 125)

• Obmann m. <presidente/capo> – “l’Obmann Manfred Pliger ha fissato una riunione

[…]”(AA 07.01.05, S. 24); “L’Obmann del SVP” (CA 14.07.05, S. 11); “All’incontro […] era presente il vice-Obmann locale, Hans Joachim Dalsass […]” (AA 12.01.05, S. 26) Laives; “Il vicesindaco […] e l’Ortsobmann Simon Moroder ieri sera hanno fatto il punto della situazione […]” (AA 13.05.05, S. 37)

• Volkspartei f. – <<volkspartei>> – “la prima è quella dei meri calcoli matematici e delle

verifiche giuridiche imboccata fino a questo momento da alcuni esponenti della Volkspartei […]” (AA 19.01.05, S.12); “L’ultima parola spetta al partito, al comitato cittadino della Volkspartei e alla Fraktion […]” (AA 29.05.05, S. 32)

• Svp f. – “la possibilità di andare a ballottaggio e di giocare alla pari con la Svp […]” (AA

03.01.05, S. 6); “la corrente sociale dell’Svp” (AA 11.01.05, S. 12); “L’Obmann del SVP” (CA 14.07.05, S. 11)

• Sammelpartei f. <partito di raccolta> – “Se vogliamo è stato un piccolo successo, vista la

spaccatura che si è registrata, al momento del voto, all’interno del Sammelpartei” (AA

94 http://www.60jahre-svp.org/ 95 http://de.wikipedia.org/wiki/Landtag_(S%C3%BCdtirol)

108

02.01.05, S. 25); “Il vicesindaco […] e l’Ortsobmann […] ieri sera hanno fatto il punto della situazione con gli eletti del Sammelpartei” (AA 13.05.05, S. 27)

• Koordinierungsausschuss m. <comitato di coordinamento> – “A deciderlo è stato il

Koordinierungsausschuss […].”(AA 07.01.05, S. 24); “Clima politico incandescente ad Appiano dove le accuse […] non sono andate giù all’Obmann del Koordinierungsauschuss” (AA 25.05.05, S. 27)

• Wirtsschaftsausschuss m. <comitato economico> – “In seno al Wirtschaftsausschuss i

meno soddisfatti sono gli albergatori […].“ (AA 07.01.05, S. 24) • Parteiausschuss m. <comitato di partito> – “Perdere il ballottaggio per i dirigenti locali si

trasformerebbe in uno smacco difficilmente assorbibile a livello di Parteiausschuss provinciale.” (AA 13.01.05, S. 30)

• Ortsausschuss m. – “[…] l’Obmann Manfred Pliger ha fissato a Ganda una riunione

dell’Ortsausschuss di San Michele.” (AA 07.01.05, S. 24) Appiano • Arbeitnehmer m. (meist Pl.) <lavoratore> – “infine nella corsa degli Arbeitnehmer

chiamata a dirimere lo scontro […]” (AA 31.01.05, S.9); “Con questa mossa l’assessore Arbeitnehmer si mette in rotta di collisione con il presidente della giunta Lusi [sic!] Durnwalder.” Theiner (AA 08.01.05, S. 13); “Gli Arbeitnehmer ora voltano le spalle” (AA 13.01.05, S. 30)

• Arbeitnehmerflügel m. – “l’Arbeitnehmerflügel” (Kramer 1981, S. 134) • Union für Südtirol f. – “Punta al raddoppio l’Union für Südtirol alle prossime elezioni

comunali.” (AA 08.01.05, S. 14) • Freiheitliche m. – “Ieri è toccato ai Freiheitlichen” (AA 13.04.05, S. 14) • Bürgerliste f. <lista civica> – “[…] si incontreranno i rappresentanti della Meridiana, della

lista Per Bronzolo e della Bürgerliste” Bronzolo (AA 09.01.05, S.27) • Dorfliste f. – “La Dorfliste Kaltern, che da sempre si batte anche per l’introduzione di un

servizio-autobus” (AA 09.01.05, S. 29) • Fraktion f. <frazione/gruppo parlamentare> – “L’organismo supremo del partito di

maggioranza relativa […] ha scelto di coinvolgere in questa decisione l’intera Fraktion, ovvero il parlamentino della stella alpina aperto anche ai consiglieri comunali.” (AA 13.01.05, S. 30); “L’ultima parola spetta al partito, al comitato cittadino della Volkspartei e alla Fraktion, l’organismo che raggruppa il gruppo consigliare della stella alpina.” (AA 29.05.05, S. 32)

• Stadtkomitee n. <comitato cittadino> – “Lunedì sera lo Stadtkomittee si è invece concluso

con un clamoroso rinvio.” (AA 13.01.05, S. 30) Meran; “Avevo promesso di effettuare un primo giro di incontri e poi riferire allo Stadtkomitee.” Günther Januth (AA 29.05.05, S. 32)

109

• Kleines Edelweiss n. <stella alpina> – “Ciò che preme di più ad Albert Pürgstaller, candidato-sindaco dell’Svp e della Kleines Edelweiss […]” (AA 05.05.05, S. 40); “Ieri mattina il candidato sindaco di Svp e Kleines Edelweiss, Pürgstaller, ha infatti confermato […]” (AA 15.05.05, S. 34); “[…] conflitti intestini per grandi e piccole Edelweiss” (AA 10.05.05, S. 45); “Walter Amort, l’unico consigliere eletto della Kleines Edelweiss (AA 22.07.05, S. 29)

• Junge Generation f. – “La Junge Generation della Volkspartei” (AA 03.04.05, S. 34);

“Prospettiva, quella del vicesindaco italiano, che per la Junge Generation deve essere scongiurato.” (AA 04.02.05, S. 28)

• Parteileitung f. – “Ieri nell’assemblea della Parteileitung (direzione provinciale)” (CA

13.09.05, S. 2) • Klausurtagung f. – “[…] nella ‘Klausurtagung’ della giunta e dei funzionari […]” Meran

SVP (AA 06.10.05, S. 27) • Leitbild n. <immagine guida> - “[…] per presentare il “leitbild” dell’istituto Merano 2”

(AA 09.06.05, S. 30); “nel corso del dibattito sul Leitbild […]”Kaltern - Pläne für die wirtschaftliche, ökologische und soziale Entwicklung des Dorfes (AA 25.08.05, S. 26)

Die Bezeichnung ‚Landeshauptmann’ für den Regierungschef stammt noch aus der Zeit vor

1919, in der Südtirol verwaltungstechnisch zum österreichischen Bundesland Tirol gehörte.

Im Italienischen wird das Wort mit <il presidente della giunta provinciale/il presidente della

provincia/il presidente> übersetzt. Beide Begriffe werden nebeneinander gebraucht, wobei das

deutsche Pendant beispielsweise im „Corriere dell’Alto Adige“ ohne Anführungszeichen und

Kursivsetzungen angegeben wird, im „Alto Adige“ hingegen teilweise noch mit.

Nichtsdestotrotz kann man es wagen, das Lemma als integriert einzustufen, denn es wird auch

oft im mündlichen Gebrauch verwendet und ist der italienischen Sprachgemeinschaft

geläufig. Des Weiteren ist die Übernahme dadurch motiviert, dass die Mehrheit der

Landesregierung die deutschsprachige SVP stellt. Die Gründe, weswegen die deutsche

Bezeichnung oftmals der italienischen vorgezogen wird, liegen zum einen in der

Sprachökonomie: Der deutsche Ausdruck in der Form eines Kompositums ist schlicht und

einfach kompakter, synthetischer und aussagekräftiger als das italienische, analytisch

realisierte Pendant. Zum anderen gebrauchen Autoren und Journalisten das deutsche Wort

auch, um eine Stilvariation im Text zu bewirken, denn durch Entlehnungen aus anderen

Sprachen wird das eigene Sprachsystem um neue Synonyme erweitert und damit auch die

Wahlmöglichkeit gesteigert. Kramer führt eine weitere interessante Motivation für den

Lehnausdruck an:

„Oft wird hier das deutsche Wort gebraucht, um eine bestimmte, oft pejorative, Charakterisierung zu geben: wenn etwa die Zeitung nicht il presidente della giunta

110

provinciale, sondern il Landeshauptmann schreibt, soll damit zumindest insinuiert werden, dass eben die Provinzleitung mehr die Interessen der deutschsprachigen als der italienischsprachigen Bevölkerung vertritt.“ (Zitat Kramer 1981: 134)

Sehr oft und ohne irgendwelche graphische Kennzeichnungen oder zusätzliche Erläuterungen

wird der Begriff ‚l’Obmann’, ebenfalls ein Relikt aus österreichischer Zeit, verwendet. Im

Standarddeutschen wird hierfür die Bezeichnung ‚Vorsitzender’ verwendet. Im Italienischen

könnte dieser Ausdruck in etwa mit <capo/presidente> umschrieben werden, drückt aber nicht

so treffend die Bedeutung des Begriffs aus. Auch das Kompositum ‚Ortsobmann’ und die

Zusammensetzung ‚vice-Obmann’ werden übernommen.

Direkt und unverändert übernommen werden auch die Bezeichnungen für die

deutschsprachigen politischen Parteien: ‚Volkspartei’, ‚Freiheitliche’, ‚Union für Südtirol’.

Die Artikel bleiben dieselben wie in der Ausgangssprache. Anders verhält es sich jedoch

beispielsweise mit dem Akronym der Südtiroler Volkspartei ‚SVP’: während der Ausdruck

‚Volkspartei’ im Italienischen wie im Deutschen feminin ist, ist das Kürzel oftmals maskulin

‚lo SVP/il SVP/l’SVP’. Dies lässt auf eine Interferenz aus der aufnehmenden Sprache

schließen. Im Italienischen heißt es nämlich ‚il partito’ (m.). Übersetzt könnte ‚Volkspartei’ in

etwa <partito popolare sudtirolese/tedesco/dell’Alto Adige> heißen. Dasselbe Phänomen ist

auch beim Ausdruck ‚Sammelpartei’, eine Umschreibung für die Südtiroler Volkspartei, die

aus mehreren politisch orientierten Flügeln zusammengesetzt ist, festzustellen. Der

ursprünglich weibliche Artikel wird bei Aufnahme des Lexems in die italienische Sprache

männlich: ‚il Sammelpartei’. Beide Ausdrücke sind aufgrund der Anpassung des Artikelgenus

ins Südtiroler Italienisch integriert.

Auffallend oft wird das Wort ‚Ausschuss’ in den verschiedensten Zusammensetzungen

gebraucht. So findet man etwa den ‚Koordinierungsausschuss’, den ‚Ortsausschuss’, den

‚Wirtschaftsausschuss’ und den ‚Parteiausschuss’ – alle vom maskulinen Artikel begleitet.

‚Ausschuss’ würde im Italienischen mit <comitato/commissione> übersetzt werden. Um das

im Deutschen bereits im ersten Teil des Kompositums enthaltene Determinans auszudrücken,

würde im Italienischen ein Präpositionalsyntagma vonnöten sein, z.B. ‚Parteiausschuss’

<comitato di partito> oder ‚Koordinierungssauschuss’ <comitato di coordinamento>. So ist

einerseits die Tendenz zur Sprachökonomie, andererseits die Tatsache, dass es meist um

Anliegen von Deutschsprachigen geht, als Grund für die Übernahme anzunehmen.

Eine eigene Gruppe innerhalb der SVP bilden die ‚Arbeitnehmer’. Zum Großteil wird diese

Bezeichnung nur im Plural verwendet, so auch bei der Übernahme ins Italienische, wo es ‚gli

111

Arbeitnehmer’ heißt. Der deutsche Ausdruck wird auch hier dem italienischen Pendant

<lavoratore> vorgezogen, weil die Arbeitnehmer der deutschen Sprachgruppe angehören.

Im Italienischen passt sich der Artikel sofort an die Kriterien der eigensprachlichen

Artikelbildung an, wo dieser vor Vokal als Anfangslaut ‚l’ im Singular bzw. ‚gli’ im Plural

lautet96. Somit wurde die Integration des Fremdlexems vollzogen. Interessant ist die

Verwendung des Substantivs ‚Arbeitnehmer’ als attributiv gebrauchtes Determinans

‚l’assessore Arbeitnehmer’. Auch ‚l’Arbeitnehmerflügel’ gibt es laut Kramer (1981: 134) im

Südtiroler Italienisch.

In Meran gibt es ein –wahrscheinlich größtenteils deutschsprachiges- ‚Stadtkomitee’, welches

aus diesem Grund möglicherweise nicht mit dem Pendant <comitato cittadino> übersetzt

wird. Der Artikel des Ausdrucks ist im Deutschen sächlich, im Italienischen wird er

interferenzbedingt maskulin, da die italienische Übersetzung <il comitato cittadino> ebenfalls

maskulin wäre. Der italienische Artikel, der den deutschen Ausdruck bei der Übernahme

begleitet, passt sich an die Anfangslautregelung des Italienischen an, nach dem vor s- und

Konsonanten und vor z- der Artikel ‚lo’ gesetzt wird. So heißt es auch ‚lo Stadtkomitee’.

In den einfachen Landgemeinden findet man nicht wie in den größeren Städten die <lista

civica> vor, sondern beispielsweise wie in Branzoll (Südtiroler Unterland) ‚la Bürgerliste’,

weil diese politische Gruppe in den ländlichen Gebieten zum großen Teil aus

Deutschsprachigen zusammengesetzt ist. Eine ähnliche Bewandtnis hat es mit der ‚Dorfliste’

auf sich, die im Italienischen den femininen Artikel beibehält (‚la Dorfliste’). Beide werden

nicht durch Erklärungen näher erläutert, was darauf schließen lässt, dass die Begriffe geläufig

sind. Sehr wohl von einer Erklärung (hier in Klammern) begleitet wird der Ausdruck

‚Parteileitung’: “Ieri nell’assemblea della Parteileitung (direzione provinciale)” (CA 13.09.05,

S. 2), was von einer noch nicht gänzlich erfolgten Integration zeugt.

Eine beigefügte Erläuterung bzw. Umschreibung findet man ebenfalls zum Ausdruck

‚Fraktion’: „l’intera Fraktion, ovvero il parlamentino della stella alpina aperto anche ai

consiglieri comunali.” (AA 13.01.05, S.30) oder „alla Fraktion, l’organismo che raggruppa il

gruppo consigliare della stella alpina.” (AA 29.05.05, S. 32). Im Deutschen versteht man

unter Fraktion laut DudenUW eine „organisatorische Gliederung im Parlament, in der alle

Abgeordneten einer Partei od. befreundeter Parteien zusammengeschlossen sind“ (Zitat

DudenUW 2001: 569), so besteht die Fraktion im Südtiroler Landtag aus den Landesräten der

SVP. Es gäbe zwar im Italienischen die lexikalische Entsprechung <frazione/gruppo

96 Langenscheidt (2003): 3’f

112

parlamentare>, aber nachdem mit ‚Fraktion’ meist die Fraktion der SVP gemeint ist, wird der

deutsche Ausdruck dem italienischen vorgezogen.

Eine Fraktion innerhalb der SVP stellt wohl auch das ‚Kleine Edelweiß’ dar. Der Name geht

auf das politische Logo der Volkspartei zurück, auf dem ein Edelweiß abgebildet ist. Bei

Übernahme ins Italienische wird der im Deutschen neutrale Artikel ‚das’ zu feminin ‚la

Kleines Edelweiss’ umgewandelt, da im Italienischen kein neutraler Artikel existiert. So wird

im Italienischen notgedrungen der am nächsten liegende Artikel verwendet, welcher in

diesem Fall der weibliche wäre, da er sich an den Artikel des entsprechenden italienischen

Ausdrucks anlehnt: <la stella alpina>. Somit kann hier eine Interferenzerscheinung

festgestellt werden. Auch ‚piccole Edelweiss’ findet man- eine Lehnprägung oder genauer

gesagt eine Lehnübertragung, bei der nur einzelne Glieder übersetzt werden (in diesem Fall

‚kleine’ mit ‚piccole’). Erneut wurde der deutsche Ausdruck bei der Übernahme ins

Italienische nicht an die dort vorherrschende Kleinschreibung angepasst, doch wurde das im

Italienischen nicht bekannte Graphem <ß> durch <ss> ersetzt.

Eine weitere Gruppierung innerhalb der SVP bildet die ‚Junge Generation’, die ihren

weiblichen Artikel beibehält. Nicht gänzlich in die italienische Sprache eingegangen, sondern

als Zitatwort verwendet ist der Germanismus ‚Klausurtagung’, welcher unter

Anführungszeichen gesetzt wird: “[…] nella ‘Klausurtagung’ della giunta e dei funzionari

[…]” (AA 06.10.05, S. 27). Eine Klausurtagung ist nach DudenUW „eine Tagung unter

Ausschluss der Öffentlichkeit“ (Zitat DudenUW 2001: 906). Im Deutschen wie auch im

Italienischen wird dieser Ausdruck selten gebraucht, außerdem hat er eher den Charakter einer

Gelegenheitsbildung. Im Italienischen gibt es demnach auch keine eigensprachliche

Entsprechung.

Ebenfalls, aber nicht konsequent unter Anführungszeichen gesetzt und ebenso inkonsequent

kleingeschrieben wird ‚das Leitbild’ – im Deutschen mit neutralem Artikel, im Italienischen

aus nicht nachvollziehbaren Gründen (möglicherweise ‚Bild’ mit ‚il quadro’übersetzt?) mit

maskulinem Artikel versehen: “[…] per presentare il “leitbild” dell’istituto Merano 2” (AA

09.06.05, S. 30); “nel corso del dibattito sul Leitbild […]”(AA 25.08.05, S. 26). Ein Leitbild

ist ein Plan für die wirtschaftliche, ökologische und soziale Entwicklung einer Gemeinde (vgl.

AA 25.08.05, S. 26).

Deutschsprachiger Raum • Land n. <<land: nei paesi di lingua tedesca, ciascuna delle grandi divisioni territoriali

dotate di una relativa autonomia, simili a province autonome nell’ordinamento

113

austriaco97>> – “nel Land a nord del Brennero” Nordtirol (AA 29.03.05, S. 1); “Con la riforma i 16 Länder avrebbero dovuto assumere maggiori responsabilità nella gestione della cosa pubblica tedesca” Deutschland (AA 03.01.05, S. 6); “I Länder attuali della repubblica austriaca” (CA 17.08.05, S. 4)

• Stasi f. – “[…] al servizio della Stasi, la potente polizia segreta” (AA 29.03.05, S. 23) • FPÖ f. – “all’interno della Fpö” (AA 19.04.05, S. 12) • BZÖ n. – “[…] nel passaggio alla Bzö” (AA 19.04.05, S. 12) • Österreichische Volkspartei (ÖVP) f. – “La questione sudtirolese, agitata soprattutto dalla

forte Österreichische Volkspartei (ÖVP) tirolese” (ROM2 2005, S. 99) • Arbeitskammer f. – “Lo conferma l’Arbeitskammer, che sottolinea che la qualità dei

servizi non è assolutamente compromessa dal prezzo basso […]” Innsbruck (AA 09.07.05, S. 11)

• Cdu/Csu f. – “una ‘grosse Koalition’ tra Cdu/Csu e Spd” (AA 04.06.05, S. 10) • SPD f. – “una ‘grosse Koalition’ tra Cdu/Csu e Spd” (AA 04.06.05, S. 10) • Npd f. – “[…] gruppi estremisti di Oltrebrennero, come la ‘Deutsche Volksunion’ la

‘Npd’ e il ‘Fränkische Aktionsfront” (AA 28.12.05, S. 17) • Deutsche Volksunion f. – “Verso la fine degli anni novanta lei ha preso parte […] al

raduno della Deutsche Volksunion (Dvu), partito di estrema destra germanica?” (AA 21.12.05, S. 12)

• Bund m. – “In questo settore al Bund avrebbe dovuto rimanere solo uno spazio

decisoniale del 15%.” (AA 03.01.05, S. 6) • Bundestag m. – “La volontà negoziale dei rappresentanti del Bundestag e del Bundesrat

[…] è riuscita a creare un clima d’intesa tra le parti per trovare soluzioni di compromesso su ben 11 punti in agenda.” (AA 03.01.05, S. 6)

• Bundesrat m. - “La volontà negoziale dei rappresentanti del Bundestag e del Bundesrat

[…] è riuscita a creare un clima d’intesa tra le parti per trovare soluzioni di compromesso su ben 11 punti in agenda.” (AA 03.0105, S. 6)

• Große Koalition f. - “una ‘grosse Koalition’ tra Cdu/Csu e Spd” (AA 04.06.05, S. 10)

Auch aus dem übrigen deutschsprachigen Raum (Österreich und Deutschland) dringen

Germanismen aus dem Bereich Politik und Verwaltung in die italienische Sprache Südtirols

ein. So bezeichnet man im Italienischen mit ‚il Land’ etwa Nordtirol (“[…] nel Land a nord

del Brennero” (AA 29.03.05, S. 1). Man nennt Tirol auch ‚il Land Tirol’ oder ‚il Heiliges

97 DeMauro 2001: 292

114

Land’. ‚I Länder’ beziehen sich sowohl auf die Bundesländer Österreichs als auch auf jene

Deutschlands. Auffallend ist bei diesem Ausdruck der Genuswechsel: Im Deutschen ist ‚das

Land’ neutral, im Italienischen maskulin, was wohl auf ‚il paese’ zurückzuführen ist. Bei

Romeo ist das ‚Heilige Land’ kursiv geschrieben, was aber auf die meisten deutschen

Ausdrücke, die er in seinen Werken verwendet, zutrifft. Es scheint dies also ein individuelles

Stilmerkmal des Autors zu sein.

Als Parteien kommen zunächst die österreichischen Parteien ‚la ÖVP (Österreichische

Volkspartei)’, ‚la Fpö’ und ‚la Bzö’ vor. Das Genus ist nur beim ‚Bzö’ verändert worden.

Nachdem es im Deutschen ‚das BZÖ’ heißt, weil ‚das Bündnis Zukunft Österreich’

(neutrum), wird im Italienischen aus grammatischer Solidarität und Analogie zu den anderen

beiden Parteien der feminine Artikel verwendet. Die deutschen Parteien ‚Spd’, ‚Cdu/Csu’,

‚Npd’ und ‚Dvu’ (Deutsche Volksunion) sind ebenfalls zu entdecken. Aus dem Kontext geht

leider nicht hervor, welchen Artikel die beiden Parteien haben, es ist aber anzunehmen, dass

er weiblich ist: “una ‘grosse Koalition’ tra Cdu/Csu e Spd” (AA 04.06.05, S. 10). In die

Augen fällt, dass die Akronyme der angeführten Parteien mit Ausnahme der ÖVP, nach dem

Anfangslaut nicht wie im Deutschen groß, sondern kleingeschrieben werden. So schreibt man

etwa ‚Spö’ und nicht ‚SPÖ’, obwohl die Kürzel für Substantive stehen. Als Zitatwort

verwendet, weil unter Anführungszeichen gesetzt, wird ‚una ‚grosse Koalition’’, mit Doppel-

S anstatt wie im Deutschen /ß/. Angeführt werden in Bezug auf die deutsche Politik auch‚il

Bund’, ‚il Bundestag’ und ‚il Bundesrat’. Sogar die Abkürzung ‚la Stasi’ für Staatssicherheit

in der Ex-DDR kommt vor. In Bezug auf Österreichs Politik und Verwaltung spricht man des

Weiteren von ‚l’Arbeitskammer’.

10.2.3. Land- und Forstwirtschaft

Da die deutsche Sprachgruppe seit jeher von Viehzucht, Obst- und Weinanbau lebt und

somit im Sektor Landwirtschaft dominiert, sind einige Fachbegriffe in das Südtiroler

Italienisch eingedrungen. Auch aus der Forstwirtschaft stammen einige deutsche

Bezeichnungen. Die meisten Germanismen aus dem Bereich Landwirtschaft sind im

Südtiroler Unterland zu verzeichnen, wo seit jeher auch „Welschtiroler“ bzw. Italiener

trentinischer Abstammung leben. Nicht selten sind diese deutschen Lehnwörter mundartlich

markiert. In der nun folgenden Auflistung, die auf den Ausführungen Pallavers basiert,

werden auszugsweise deutsche Begriffe aus dem Bereich Viehwirtschaft, Obst- und Weinbau

angeführt (Pallaver 1978: 6):

115

• Fiaterer m. (Ma.) – „fieter“ auch in der Verbalform „fieterar“ Fütterer • Joch n. – „giof“ • Staller m. (Ma) – „stalér“ Stallknecht • Schaffer m. (Ma.) – „�ófer“ Vorarbeiter • Sichel f. – „sesla“ • Wiesbaum m. – „bispam“ Stange, die auf den beladenen Heuwagen gelegt wird • Zuber m. – „sever“ eine Art Bottich • Rebler m. (Ma.) – „rebler“ Rebling, Schössling des Weinstocks98 • Panzele n. (Ma) – „pansele“ kleines Fass • Most m. – „most“ • Leiten f. (Ma.) – „laita“ Bezeichnung für ein Weingut; süddt. u. österr.: Berghang,

Abhang99 • Moor n. – „mur“ • Toam m. (Ma.) – „tom“ Damm • Harass f. (Ma.) – „aras“ Obstkiste • Staffelei f. – „staflai“ • Schlotter f. (Ma.) – „�loter“ Klaubsack • Bodenwasser n. – „bombosseri“ • Schlauch m. – „�lauch“ • Spritz f. (Ma.) – „�bris“ auch in der Verbalform „�brisár“ Spritzmittel • Blattsauger m. – „plotsaugher“ Obstschädling • Mulchgerät n. – „mulcaret“ • Sprüher m. – „sprüer“ vollautomatische Spritzmaschine

98 DudenUW 2001: 1281 99 DudenUW 2001: 1010

116

Pallaver führt die Substantive zu unserem Leidwesen ohne Artikel an, sodass über das Genus

derselben nur spekuliert werden kann. Ferner werden die deutschen Lehnwörter an die

italienische Kleinschreibung angepasst. Für die phonetische Transkription der Begriffe hat

Pallaver eigene Regeln aufgestellt. So gibt er etwa den deutschen Frikativlaut /����/ mit dem

Graphem <�> wieder. Die deutschen Ausdrücke werden im italienischen Dialekt des

Unterlandes größtenteils an die eigensprachliche Phonetik angepasst. (Fremde) Phoneme

werden demnach durch Phoneme aus dem eigensprachlichen Phoneminventar ersetzt - oft aus

dem sprachökonomischen Grund der leichteren Aussprache (‚pansele’; ‚�bris’ � /s/ wird

als „zeta trentina“ ausgesprochen). Sie werden teilweise auch an die Morphologie der

italienischen Sprache angepasst (‚bombosseri’; ‚laita’), indem an die (modifizierten)

Stammorpheme die Endungen –i (m. Pl.) und –a (f. Sg.) angehängt werden. Hier zeigt sich,

dass italienischen Nominalklassen der –o (meist m.) und –a (meist f.) Deklination die

produktivsten sind. Interessant ist in Bezug auf die beiden desubstantivierten Verben

‚fieterar’ und ‚�brisár’, dass diese durch Suffigierung die italienische Verbalendung –are

erhalten. Schlussfolgernd kann man behaupten, dass es sich hier um voll integrierte

Lehnwörtern handelt.

Aus weiteren schriftlichen Quellen gehen nachfolgende deutsche Ausdrücke hervor:

• Beratungsring für Obst- und Weinbau m. - “Nel 1958 fu fondato il Beratungsring für Obst- und Weinbau (comitato di consulenza per i frutti- viticoltori)” (ROM2 2005, S. 110)

• Verband der Südtiroler Obstgenossenschaften m. - “nel 1960 nacque un comitato di

frutticoltori (dal 1970 Verband der Südtiroler Obstgenossenschaften)” (ROM2 2005, S. 110)

• Amtswälder m. – “boschi demaniali (Amtswälder)“ (FRASS 1963, S. 63) • Gemeine Wälder m. – “boschi comunali (gemeine Wälder)“ (FRASS 1963, S. 63) • Heimwälder m. – „boschi cosiddetti casalinghi (Heimwälder)” (FRASS 1963, S. 63) • Naturlandschaft f. <ambiente naturale/paesaggio naturale> - „Ciò vale in modo particolare

nel sistema territoriale sudtirolese che, in quanto brano esemplare di territorio alpino, è caratterizzato da un particolare intreccio ecosistemico tra natura e paesaggio, tra ambiente naturale (Naturlandschaft) e ambiente antropizzato (Kulturlandschaft).” (Eurac 2002, S. 25)

• Kulturlandschaft f. <ambiente antropizzato/paesaggio culturale> „Ciò vale in modo

particolare nel sistema territoriale sudtirolese che, in quanto brano esemplare di territorio alpino, è caratterizzato da un particolare intreccio ecosistemico tra natura e paesaggio, tra

117

ambiente naturale (Naturlandschaft) e ambiente antropizzato (Kulturlandschaft).” (Eurac 2002, S. 25)

• Saltner m. – „Sotto lo sguardo attento del Saltner, curioso personaggio tradizionale”

Girlan, Rebenfest (AA 20.10.05, S. 27) • Tschaggl m. (Ma.) – “un borsone da portare a tracolla, detto ‘Tschaggl’, usato per

raccogliere le mele” (AA 17.09.05, S. 43)

Eigennamenübernahmen sind die kursiv geschriebenen und mit nachfolgender italienischen

Entsprechung erläuterten Bezeichnungen ‚Verband der Südtiroler Obstgenossenschaften’, der

im Italienischen das Äquivalent <comitato di frutticultori> gegenübersteht, und der

‚Beratungsring für Obst- und Weinbau’, der mit <comitato di consulenza per i frutti-

viticoltori> ein sehr umständliches, aus Präpositionalsyntagmen bestehendes Pendant hätte.

Vermutlich sind in der Verwaltung dieser Verbände hauptsächlich Deutschsprachige tätig,

sodass hier primär die deutschen Namen angeführt werden.

Aus dem Bereich Forstwirtschaft stammen die Begriffe ‚Amtswälder’, ‚gemeine Wälder’

und ‚Heimwälder’. Sie sind in den Belegstellen in Klammern gesetzt und folgen den kursiv

gesetzten italienischsprachigen Umschreibungen nach, wie oben ersichtlich ist. Durch die

Kursiv-Setzung der italienischsprachigen Erklärung wird dessen Zitathaftigkeit untermauert.

Fachbegriffcharakter haben hingegen die in Klammern gesetzten deutschen Ausdrücke, die

schon seit dem 15. Jahrhundert in Südtirol existieren (vgl. Frassoldati 1963: 63).

Die deutschen Begriffe ‚Kulturlandschaft’ und ‚Naturlandschaft’ wurden nach dem

italienischen Ausdruck in Klammern angegeben und kursiv geschrieben. Sie wurden im Sinne

der Eurac, die sich selbst als Bildunginstitution sieht, vermutlich ergänzend zu den

italienischen Fachausdrücken angeführt, damit die am Thema Landwirtschaft Interessierten

auch die deutschen Fachausdrücke kennenlernen und anwenden können.

Die Bezeichnung ‚Saltner’, unter der man in Tirol einen Flur- bzw. Weinberghüter versteht,

wurde als Bedürfnislehnwort in das Italienische übernommen, da dieses den Begriff und den

Beruf nicht kennt (vgl. Schatz 1955: 503) und mit der Umschreibung „curioso personaggio

tradizionale“ ergänzt.

Mit ‚Tschaggl’ meint man im Dialekt einen Klaubsack. Der Ausdruck erscheint hier als

Exotismus bzw. Zitatwort, weil er mit Anführungszeichen und einer italienischen Erklärung

angegeben wird.

118

10.2.4. Allgemeine Einrichtungen, Vereine/Verbände, Lokalitätseigennamen Feste, Events

In diesem Kapitel geht es haupsächlich um deutsche Ausdrücke, die als Eigennamen ins

Italienische entlehnt werden. Es handelt es sich dabei um Allgemeine Einrichtungen,

Vereine/Verbände, Lokalitätseigennamen, Events und Feste, deren Gründer oder Mitglieder

größtenteils der deutschen Sprachgruppe angehören.

Allgemeine Einrichtungen • Bergrettungsdienst m. <soccorso alpino> – „gli uomini del Bergrettungsdienst“Pustertal

(AA 24.06.05, S.41) • Brd m. – “Avevano a bordo le unità cinofile del Brd […]” (AA 20.02.05, S. 10) • Rettungshundestaffel f. – “Avevano a bordo le unità cinofile del Brd, della

Rettungshundestaffel e della Guardia di Finanza nei loro punti di raccolta” (20.02.05, S. 10)

• Lawinensuchhunde m. <cane da valanga/ -ghe> – “I volontari – precisa Hans Berger, capo

dell’unità dei Lawinensuchhunde – sono di lingua tedesca.” ( AA 06.11.05, S. 22) • Sparkasse f. <cassa di risparmio> - “i soldi della Sparkasse” (CA 17.08.05, S. 1) • Kinderdorf n. „il ‚Südtiroler Kinderdorf’“ (AA 10.09.05, S. 32); „vicino al Kinderdorf a

Bressanone“ (AA 07.01.05, S. 29) • Blindenzentrum n. – „Nikolaus Fischnaller, […] ispiratore e anima del Blindenzentrum“

(AA 28.10.05, S. 22) • Seebus m. – „Il Seebus è, in effetti, una delle iniziative di maggior successo del comune di

Caldaro.” (AA 28.10.05, S. 34) Vereine/Verbände • Bauernbund m. <unione agricoltori e coltivatori diretti sudtirolesi> – „presidente del

Bauernbund”; “l’Obmann del Bauernbund” (CA 07.09.05, S. 11); “l’associazione del Bauernbund (CA 13.09.05, S. 7)”

• Bauernjugend f. – “Sono alcuni anni che il club 3P, l’associazione Gaia ed il

Bauernjugend manifestavano l’esigenza di uno spazio per il deposito” (AA 13.03.05, S. 30)

• Schützenbund m. – Oggi lo Schützenbund ha ha vietato […] la partecipazione a queste

maxi-assemblee” (AA 22.12.05, S. 15)

119

• Katholische Jungschar (Südtirol) f. – „richiesta pervenuta dalla Katholischer Jungschar Südtirol“ (05.01.05, S. 26) ; „[…] organizzata […] dalla ‚Katholische Jungschar’, l’associazione cattolica giovanile“ (AA 04.01.05, S. 29)

• Sennereiverband n. – „tramite la Sennerei Verband“ Milkon (AA 05.01.05, S. 18) • Autonomer Südtiroler Gewerkschaftsbund (ASGB) m. - “Nel 1964, tuttavia, fu istituito un

autonomo sindacato dei lavoratori sudtirolesi (un cosiddetto ‘sindacato etnico’), l’Autonomer Südtiroler Gewerkschaftsbund (ASGB)“ (ROM2 2005, S. 112)

• (Südtiroler) Wirtschaftsring m. <associazione degli imprenditori sudtirolesi> –

„l’assemblea generale del Südtiroler Wirtschaftsring” (AA 27.04.05, S. 9); “imprenditori riuniti nel Wirtschaftsring” (CA 04.08.05, S. 7)

• Ökoinstitut n. – “Hans Glauber, direttore dell’Ökoinstitut” (CA 14.07.05, S. 1) • AVS m. – “I quadrupedi in servizio per l’AVS non sono soltanto pastori tedeschi.” (AA

06.11.05, S. 22) • (Südtiroler) Alpenverein m. – “il soccorso alpino dell’Alpenverein” (AA 19.01.05, S. 27);

“[…] al Südtiroler Alpenverein” (GDD2 1999, S. 47) • Heimatschutz m. – “Da anni l’Heimatschutz è consapevole […]” (AA 24.04.05, S. 30) • Heimatschutzverein m. – “Josef Vieider, presidente dell’Heimatschutzverein” (AA

24.04.05, S. 30) • Heimatbund m. – „Hans Stieler, il fondatore dello Heimatbund“ (06.03.05, S. 10);

„esponenti dell’Heimatbund“ (GDD2 1999, S. 56) • Heimatpflege n. – „[…] dalll’ [sic!] associazione dei protezionisti Heimatpflege“ (AA

18.03.05, S. 16) • Hgv m. <albergatori/ associazione albergatori> – “la presidentessa dell’Hgv meranese”

(AA 05.03.05, S. 30) • Südtiroler Marketing Gesellschaft f. <unione commercio e turismo> – “La Südtiroler

Marketing Gesellschaft ha lavorato bene in questa direzione” Interview mit Gundolf Wegleiter (AA 18.03.05, S. 34)

• Kvw m. – „il direttore del Kvw Leonhard Frötscher“ (AA 09.05.05, S. 24) • Südtiroler Bäuerinnenorganisation f. - „[…] del Südtiroler Bäuerinnenorganisation“ (AA

02.11.05, S. 25) • Lebenshilfe f. – „La Lebenshilfe, l’Associazione provinciale assistenza per persone con

handicap“ (AA 01.06.05, S. 24) • VKE m. – „VKE - Verein für Kinderspielplätze und Erholung/Associazioni campi gioco e

ricreazione“ (Hofer 1984, S. 19)

120

• Burschenschaft f. – „un convegno della Burschenschaft ‚Olympia’, un’associazione studentesca austriaca di estrema destra“ (AA 22.12.05, S. 14)

• Andreas Hofer Bund m. – “l’Andreas Hofer Bund […]” (GDD1 1982, S. 70) • Vintlerring m. – „La storia dell’Alto Adige sarà tra i protagonisti del terzo evento del

Vintlerring” (AA 06.10.05, S. 18) Lokalitätseigennamen • Pfarrheim n. – “presso il cortile del Pfarrheim” Leifers (AA 19.04.05, S. 27) • Klösterle n. – “sentiero dal Klösterle” Laag/Neumarkt, Pilgerhospiz (AA 21.07.05, S. 24) • Kursaal m. <sala dei bagnanti> – “nella cornice del Kursaal di Merano si è consumata

[…] la seconda edizione di ‘Uniball’” (AA 05.12.05, S. 10) • Haderburg f. – „il castello Haderburg“ Salurn (AA 27.04.05, S. 30) • Hofburg f. – „Della Hofburg“ Innsbruck (AA 18.08.05, S. 18) • Haus der Familie n. – all’Haus der Familie, Renon“ (AA 20.09.05, S. 24) • Biergarten m. – “la realizzazione di un Biergarten“ Urbanistik Bozen (AA 25.10.05, S. 18) Events • Christkindlmarkt m.<mercatino (di Natale)/mercatino natalizio> – “Al centro del

‘Christkindlmarkt’ […]” (AA 19.11.05, S. 19); “Il classico ‘Christkindlmarkt’ […]” (AA 13.07.05, S. 13)

• Weinkost f. – “Torna a Castel Mareccio Weinkost, kermesse enologica” Schlagzeile (AA

20.04.05, S. 27); “Il grande e atteso ritorno della Weinkost, la Mostra dell’enologia altoatesina” (AA 20.04.05, S. 27)

• Maturaball m. <ballo di maturità> - “Giro di vite per i Maturaball ‘alcolici’” Schlagzeile,

typisch für die deutschsprachigen Schüler (AA 27.04.05, S. 19); “i ‘Maturabäll’” (AA 27.04.05, S. 1)

• Uniball m. <ballo universitario della Libera università di Bolzano> – “Valzer e bollicine,

è l’Uniball” Bozen, Schlagzeile (AA 05.12.05, S. 10) • Bozner Filmtage m. <cinefestival> - “i Bozner Filmtage…” (AA 15.04.05, S. 25) Feste

121

• Altstadtfest n. <festa del centro storico> - “L’Altstadtfest di Brunico” (AA 31.05.05, S. 35); “Richard Franchi – commerciante del centro – difende l’’Altstadtfest’” Bozen (AA 07.09.05, S. 15)

• Oktoberfest n. – “L’Oktoberfest, la kermesse della birra di Monaco di Baviera” (AA

27.04.05, S. 10) • Maibaumfest n. “La Maibaumfest” Auer, Bauernjugend (AA 30.04.05, S. 29) • Speckfest n. „la Speckfest“ Bozen (AA 12.05.05, S. 24) • Laubenfest n. <festa dei portici> „la ‚Laubenfest’“ Neumarkt (AA 06.08.05, S. 23); „della

Laubenfest“ (AA 15.07.05, S. 28) • Marktfest n. – “della tradizionale Marktfest” Kaltern (AA 30.07.05, S. 26) • Kalterer Weinfest n. – “la ‘Kalterer Weinfest’” (AA 13.08.05, S. 23) • Terlaner Kugelfest n. – „la Terlaner Kugelfest“ (AA 09.08.05, S. 23) • Dorffest n. – „la tradizionale ‘Dorffest’“ Marling (AA 13.08.05, S. 27) • Girlaner Kellerfest n. – “la Girlaner Kellerfest” (AA 24.08.05, S. 24)

Dem Bereich Allgemeine Einrichtungen zuzuordnen ist zunächst ‚il Bergrettungsdienst’, der

im Italienischen ein Äquivalent hätte, nämlich <soccorso alpino>. Im angeführten Beleg wird

der deutsche Ausdruck höchstwahrscheinlich deshalb verwendet, weil sich der Unfall im

größtenteils deutschsprachigen Pustertal ereignet hat, oder um eine Stilvariation im Text zu

bewirken, indem ein neues Synonym zur Verfügung steht. Kurz und prägnant ist auch das

Akronym des ‚Bergrettungsdienstes’, welches ‚Brd’ lautet. Aus diesem Grund wird es auch

entlehnt. Die wohl interessanteste unkommentierte Entlehnung ist ‚la Rettungshundestaffel’,

ein aus drei Komponenten bestehendes Kompositum, das aus syntagmatischer Ökonomie

ins Italienische übernommen wurde. Der ‚Lawinensuchhund’ hätte zwar mit <cane da

valanga> ein eigensprachliches Pendant, in diesem Kontext wird aber der deutsche Ausdruck

verwendet, weil es in der Berichterstattung um Deutschsprachige geht. Auch ‚la Sparkasse’

hätte eine italienische Entsprechung, nämlich <cassa di risparmio>. Aus Platzgründen,

sprachlicher Ökonomie und als aufmerksamkeitserheischendes Stilmittel in der Schlagzeile

wird hier jedoch der deutsche Ausdruck verwendet.

Eine Einrichtung für Kinder ist das ‚Südtiroler Kinderdorf’, das aus grammatischen Gründen

im Italienischen maskulin wird und im obigen Beispiel unter Anführungszeichen gesetzt ist,

um den Zitat- bzw. Eigennamencharakter zu unterstreichen. Das ‚Blindenzentrum’ wird im

Italienischen ebenfalls ein Maskulinum und bleibt ohne italienische Entsprechung, weil diese

122

Einrichtung von Deutschssprachigen vor allem für Deutschsprachige Südtiroler errichtet

wurde. Eine „mobile Einrichtung“ ist ‚il Seebus’.

Aus dem Bereich Vereine/Verbände werden nur sehr selektiv die interessantesten Beispiele

herausgepickt. Hervorzuheben ist der ‚Bauernbund’, der eine sehr umständliche und lange

italienische Entsprechung hätte: <unione agricoltori e coltivatori diretti sudtirolesi>. Aus

syntagmatischer Ökonomie und auch aus dem Grund, dass es sich hierbei um eine

hauptsächlich von Deutschsprachigen „bevölkerte“ Vereinigung handelt, wird der deutsche

Name verwendet. Interessant ist, dass die ‚Bauernjugend’ wahrscheinlich in Analogie zum

Genus des ‚Bauernbunds’, welcher maskulin ist, ebenfalls maskulin ist, obwohl der Artikel im

Deutschen feminin wäre.

Ebenso eine italienische Entsprechung hätte der ‚Südtiroler Wirtschaftsring’: <associazione

degli imprenditori sudtirolesi>. Die deutsche Bezeichnung wird aus sprachökonomischen

Gründen verwendet. Bei den restlichen hier angeführten Beispielen handelt es sich

größtenteils um Eigennamenentlehnungen, die nicht näher auffallend bis gar nicht

kommentiert werden. Auf die Lokalitätseigennamen wird nur andeutendungsweise

hingewiesen.

Aus wahrscheinlich stilistischen und soziolinguistischen Gründen werden im Bereich

Events die deutschen Ausdrücke ‚il Christkindlmarkt’ und ‚il Maturaball’ anstelle der

italienischen Äquivalenzen <mercatino di Natale> und <ballo di maturità> verwendet. Es geht

im Kontext entweder um die Stilvariation durch neue sprachliche Synonyme und/oder um

Themen, die die deutsche Sprachgruppe in Südtirol betreffen. Das deutsche Wort ‚Uniball’

wird aus sprachlicher Ökonomie dem italienischen vorgezogen, da das italienische Pendant

sehr umständlich formuliert ist: <ballo universitario della Libera università di Bolzano>.

Sehr viele Namen von Festen werden von Italienern verwendet. Auffallend ist, dass das

deutsche Neutrum ‚das Fest’ im Italienischen konsequent durch den femininen Artikel ersetzt

wird, so z.B. ‚la Speckfest’, was auf Interferenzen aus dem Italienischen zurückzuführen ist

(<la festa>). Eine eigensprachliche Entsprechung der Festnamen konnten nur für die

Ausdrücke ‚Laubenfest’ (<festa dei portici>) und ‚Altstadtfest’ (<festa del centro storico>)

gefunden werden. Wiederum ist jedoch zu bemerken, dass das deutsche Äquivalent kürzer,

weil synthetisch realisiert, ist.

123

10.2.5. Südtiroler Geschichte

Südtirol und auch das Trentino gehörten verwaltungstechnisch bis zum Ende des Ersten

Weltkrieges dem österreichischen Bundesland Tirol und somit auch der habsburgischen

k.u.k.-Monarchie an. Aus diesem Grund schlugen sich einige Germanismen im italienischen

Vokabular nieder (vgl. Weber 1998: 202). Aber auch in der Folgezeit sind deutsche

Entlehnungen aus dem Bereich der Südtiroler Geschichte in der italienischen Sprache

festzustellen, so etwa im Faschismus, vor allem aber aus der Zeit der Option um 1939, als die

deutschsprachichigen Südtiroler vor die Wahl gestellt wurden, entweder in der von Italienern

beschlagnahmten Heimat zu bleiben, oder ins Großdeutsche Reich auszuwandern. Natürlich

blieb auch Südtirol vom Nationalsozialismus nicht verschont. Aus diesem Grund sind auch

sehr viele Lehnwörter aus dem nationalsozialistischen Vokabular in die italienische Sprache

eingedrungen.

Auch aus der Zeit der so genannten „Bombenjahre“ in den 60er-Jahren haben sich einige

Germanismen erhalten. Es war dies eine Art „Freiheitskampf“, in dem deutschsprachige

Südtiroler Aktivisten durch symbolische Sprengungen faschistischer Denkmäler auf den

Misstand in Südtirol aufmerksam machen wollten und die Selbstbestimmung für das Land

Südtirol forderten, weil die faschistische Unterwanderungspolitik trotz Ende des Faschismus

immer weiter vorangetrieben wurde.

• Kulturkampf m.<<kulturkampf: contrasto tra Stato e Chiesa cattolica, sorto in Germania

dopo la proclamazione dell’Impero nel 1871; estens. opposizione all’ingerenza della Chiesa nella vita politica e sociale100>> – “la fine del Kulturkampf in Tirolo” (ROM1 2003, S. 58); “Nel clima del Kulturkampf” (ROM3 2001, S. 17)

• Welschtirol – “Quest’ultimo era distinto, sotto un profilo linguistico, in Deutschsüdtirol

(Tirolo meridionale tedesco) e Welschtirol (Tirolo italiano, cioè il Trentino” (ROM2 2005, S. 10)

• Welschtiroler m. – „era la rivendicazione della coscienza nazionale di alcune fasce della

borghesia trentina, in aperta contrapposizione al clericalismo e patriottismo tirolese (Welschtiroler).“ (AA 09.12.05, S. 52)

• Deutschsüdtirol - Quest’ultimo era distinto, sotto un profilo linguistico, in

Deutschsüdtirol (Tirolo meridionale tedesco) e Welschtirol (Tirolo italiano, cioè il Trentino” (ROM2 2005, S. 10)

• Heiliges Land n. - “Il Tirolo veniva chiamato Heiliges Land (Terra santa) per indicare la

sua assoluta fedeltà al cattolicesimo” (ROM2 2005, S. 10)

100 DeMauro 2001: 286

124

• Kaiserlicher m.(meist Pl.) – „caiserlicchi“ (PISCI 1986, S. 53) • Katakombenschule f. – <scuole clandestine/scuole delle catacombe> „[…] attiva nella

Katakombenschule“ (Romeo, S. 188); „dietro queste ‚Notschule’ (scuole d’emergenza) o ‚Katakombenschule’ (scuola-catacomba)“ (GDD1 1982, S. 75)

• Notschule f. - „dietro queste ‚Notschule’ (scuole d’emergenza) o ‚Katakombenschule’

(scuola-catacomba)“ “ (GDD1 1982, S. 75) • Optanten m. – “Optanten e Dableiber” (DM 2004, S. 102) • Dableiber m. – “i moderati dableiber” (AA 24.04.05, S. 48); „Gli succedette Agostino

Podestà, che mirò ad una politica di consenso verso i Dableiber.” (ROM2 2005, S. 76) • Geher m. – „La comunità sudtirolese si divise tra la maggioranza dei Geher (partenti) e la

minoranza dei Dableiber (restanti).“ (ROM2 2005, S. 74) • Walsche – “Mi dicevano Walsche, soffrivo” (AA 27.10.05, S. 15); “tra le vittime cittadini

italiani domiciliati in zone periferiche dell’Alto Adige e colpiti in quanto considerati ‘Walschen’ (AA 20.09.05, S. 19); “In generale l’opzione fu stravolta, nella percezione popolare, in un plebiscito sulla propria identità nazionale: tedesco o italiano (Deutsche oppure Walsche).” (ROM2 2005, S. 74)

• Rückwanderung f. – “la ‘Ruckwanderung’ (riemigrazione) nel Terzo Reich” (GDD1

1982, S. 80) • Arbeitsgemeinschaft der Optanten für Deutschland f. - „La Arbeitsgemeinschaft der

Optanten für Deutschland […]“(AA 24.04.05, S. 48) • Völkischer Kampfring Südtirol m. – „[…] del Völkischer Kampfring Südtirols“ (AA

24.04.05, S. 48) • Deutscher Verband m. – „[…] nel Deutscher Verband“ (AA 10.06.05, S. 46) • Alpenvorland n. <zona di operazione delle Prealpi/operazioni delle Prealpi > –

„L’Alpenvorland“ (AA 24.04.05, S. 48) • (Durchgangs-)Lager n. <campo di concentramento di transito> – “nel Durchgangslager di

Via Resia” (CA 07.09.05, S. 5); “il lager di via Resia” (AA 19.01.05, S. 37); “il ‘Polizeiliches Durchgangslager Bozen’” (GDD1 1982, S. 84)

• Ein Tirol – “la vivandiera del gruppo ‘Ein Tirol’” (AA 21.02.05, S. 12) • Los von Rom n. – “In chiusura, il motto nazionalista e anticattolico austriaco di fine

ottocento ‘Los von Rom’, ‘Via da Roma’” (AA 25.01.05, S. 12) • Los von Trient n. <distacco da Trento> – “Al motto di ‚Los von Trient’” (AA 25.05.05, S.

IV); „Dopo il ‚Los von Trient’ (AA 13.12.05, 19)”; „Nell’anno del ‘Los von Trient’” (DS 2004)

125

• Todesmarsch m. – “Fu l’epoca in cui il Canonico Gamper reagì pubblicando, sul quotidiano Dolomiten del 28 ottobre 1953, l’ormai famoso articolo sulla ‘Todesmarsch’ (marcia verso la morte)” (GDD2 1999, S. 30); “È l’allarme del Todesmarsch (Marcia della morte), cioè il soverchiamento numerico del gruppo sudtirolese” (AA 25.05.05, S. III)

• Freiheitskampf m. – la loro coerenza nel rivendicare la ‘Freiheitskampf’, la lotta per la

liberazione del Sudtirolo” (AA 06.03.05, S. 10) • Freiheitskämpfer m. - “i protagonisti degli anni Sessanta sono stati definiti in molti modi:

terroristi, attivisti, dinamitardi, bombaroli, irredentisti in italiano; Patrioten, ex Aktivisten, Freiheitskämpfer in tedesco. Fino a ‘Helden’, eroi.” (AA 06.03.05, S. 10); “Nel marzo del 1999 il leader degli ex Freiheitskämpfer, i ‘combattenti per la libertà del Sudtirolo’ aveva rifiutato […] l’ipotesi di una grazia” (AA 06.03.05, S. 11)

• Feuernacht f. <notte dei fuochi> – “dopo la Feuernacht […]” (AA 29.11.05, S. 40); “Le

azioni del BAS culminarono con la cosiddetta ‘notte dei fuochi’ (Feuernacht, 11 giugno 1961).” (ROM2 2005, S. 102); „’Kleine Feuernacht’ (piccola notte dei fuochi“ (ROM1 2003, S. 285)

• Befreiungsausschuss Südtirol (BAS) m. – “[…] dell’organizzazione clandestina

“Befreiungsausschuß Südtirol (BAS)” (Comitato per la liberazione del Sudtirolo)” (GDD2 1999, S. 39); “In coincidenza con il grande raduno di Castelfirmiano nacque il Befreiungsausschuss Südtirols (BAS, comitato di liberazione del Sudtirolo).” (ROM2 2005, S. 102)

• Schutzmacht f. – “Non solo l’Austria assicurò il ruolo di Schutzmacht dei sudtirolesi”

(GDD2 1999, S. 126); “consenso anche dell’Austria, Schutzmacht della minoranza tedesca in Italia” (GDD2 1999, S. 122)

• Aufbau m. – “All’indomani della ‘notte dei fuochi’ si era formato un gruppo d’opinione,

chiamato ‘Aufbau’ (Ricostruzione)” (ROM2 2005, S. 100) • Heimat f. <patria>– “in primo piano i temi della conservazione della Heimat” (Ufs) (AA

08.01.05, S. 14); “il legame alla Heimat proprio della popolazione sudtirolese di lingua tedesca” (DM 2004, S. 82); “chissà se in Valle Aurina, nella loro amata Heimat che non vedono dal 1964, hanno ancora parenti.” (AA 06.03.05, S. 10)

Von 1871 bis 1887 fand eine Auseinandersetzung zwischen dem protestantischen preußischen

Staat und der katholischen Kirche statt. Das politische Schlagwort für diese

Auseinandersetzung prägte der deutsche Mediziner und Politiker R. Virchow. Es lautete

‚Kulturkampf’ (DudenUW 2001: 972). Dieser Kulturkampf, in dem man sich gegen die

Einmischung der Kirche in das politische und soziale Leben wehrte, erfasste auch das Land

Tirol. Der Begriff drang ferner in den italienischen Wortschatz ein, wie man es im

Fremdwörterlexikon von DeMauro nachlesen kann. Während ‚kulturkampf’ im

standardsprachlichen Italienisch jedoch kleingeschrieben wird, wird es im Südtiroler

Italienisch großgeschrieben.

126

In der Habsburgerzeit wurde Tirol unter anderem in ‚Deutschsüdtirol’ und ‚Welschtirol’

(Trentino) untergliedert. Diese Einteilung ist auch dem Vokabular der italienischsprachigen

Südtiroler nicht fremd. Obwohl der Integrationsgrad der beiden Ausdrücke durch

Kursivsetzung, Fettdruck und nachfolgender Erläuterung bzw. einem Übersetzungsversuch

auf den ersten Blick eher gering scheint, kann aus pragmatisch-empirischer Sicht dennoch mit

Fug und Recht behauptet werden, dass beide sehr wohl integriert sind. Außerdem handelt es

sich hier um den individuellen Schreibstil des Historikers Carlo Romeo, der in seinen Werken

stets darum bemüht ist, den italienischen Südtirolern die Geschichte des Landes Südtirol, dem

sie immerhin seit über 80 Jahren angehören, möglichst verständlich nahe zu bringen. Aus

diesem Grund kennzeichnet er auch deutsche Ausdrücke graphisch und versieht sie mit

Erklärungen. Auch mit der Bezeichnung ‚Heiliges Land’, mit dem das Land Tirol gemeint ist,

verhält es sich ähnlich.

Auf die Enlehnung ‚kaiserjäger’, die ebenfalls aus der k.u.k-Zeit stammt, wurde bereits in

Kapitel 9.3.2. näher hingewiesen.

Aus dieser Zeit stammt auch das vollständig integrierte, weil bereits graphisch und

morphologisch an die Replikasprache angepasste Lehnwort ‚i caiserlicchi’ (die Kaiserlichen),

mit dem man im 19. Jahrhundert oftmals die Österreicher bezeichnete (Piscitelli 1986: 53).

Im Faschismus war den deutschsprachigen Südtirolern das Sprechen der deutschen Sprache in

allen Lebensbereichen verboten. Die Schule wurde ausschließlich in italienischer Sprache

abgehalten. Um den Kindern trotzdem die deutsche Sprache irgendwie nahezubringen, hielt

man Geheimunterricht in den so genannten ‚Katakombenschulen’ oder ‚Notschulen’. Diese

Begriffe werden auch in der italienischssprachigen lokalen Geschichtsschreibung verwendet.

Es gäbe eine italienische Übersetzung hierfür (<scuole clandestine/scuole delle catacombe/

scuola-catacomba> und <scuole d’emergenza>), es wird aber dennoch das deutsche Wort

verwendet- wenn auch mit nachfolgender Erklärung- weil es ein Kompositum und somit

kompakter ist. Es handelt sich um die Geschichte der deutschen Sprachgruppe während des

Faschismus, deshalb werden aller Wahrscheinlichkeit nach auch die deutschen Begriffe

angeführt. Diese sind noch nicht gänzlich integriert, da sie teilweise unter Anführungszeichen

gesetzt und mit Übersetzungen versehen sind. Delle Donne lässt die beiden Schulen im Plural

kurioserweise in der Singularform, was sicherlich auf eine Interferenz zurückzuführen ist (‚le

scuole’ vs. ‚le Schule’).

In der Zeit der Option wurde die deutschsprachige Südtiroler Bevölkerung in ‘Dableiber’ und

‘Optanten’ bzw. ‚Geher’ gespalten, die sich gegenseitig ihre jeweilige Entscheidung

vorwarfen. In der italienischen Geschichtsschreibung tauchen diese Ausdrücke ebenfalls auf,

127

sind jedoch entweder kursiv geschrieben und/oder mit einer erklärenden Übersetzung

angegeben. Im Beleg aus dem „Alto Adige“ wird ‚dableiber’ kleingeschrieben. Wieder

handelt es sich um eine Episode aus der Südtiroler Geschichte, welche die deutsche

Sprachgruppe betrifft. Aus diesem Grund wurden auch die deutschen Wörter verwendet. Die

italienischssprachigen Südtiroler Historiker neigen eher dazu, deutsche Ausdrücke als

Zitatwörter anzuführen, die Journalisten handhaben diese aber eher als bereits integrierte

Lexeme.

Mit der negativ konnotierten Bezeichnung ‚Walsche’ werden in Südtirol von den

Deutschsprachigen die Italiener betitelt, welche diesen Ausdruck als beleidigend empfinden,

was auch in den oben angeführten Beispielen zur Geltung kommt. Obwohl inkonsequent als

Zitatwort gekennzeichnet, kann man das Wort durchaus als integriert einstufen, da es häufig

vorkommt und allen Sprechern der italienischen Sprachgemeinschaft in Südtirol bekannt ist.

Mit der ‚Rückwanderung’ bezeichnete man das Auswandern der Südtiroler in das

Großdeutsche Reich. Auch in die italienische Geschichtsschreibung ist der Ausdruck

vorgedrungen, bei Delle Donne jedoch zitathaft wiedergegeben (kursiv, Anführungszeichen,

Übersetzung) und ohne Umlaut <ü>. Einige Eigennamen bzw. Parteienbezeichnungen, die in

die Zeit der Option fallen, wurden ebenfalls übernommen, zum Beispiel ‚la

Arbeitsgemeinschaft der Optanten für Deutschland’, ‚il Völkischer Kampfring Südtirols’ und

‚il Deutscher Verband’.

Auch die Epoche des Dritten Reichs zog nicht unbemerkt an Südtirol vorbei. Aus der Zeit der

nazionalsozialistischen Besatzung in Südtirol (1943-45) stammt die deutsche Bezeichnung

‚Polizeiliches Durchgangslager Bozen’, das sich in den verschiedensten Abwandlungen und

Kurzformen im Südtiroler Italienisch niedergeschlagen hat (siehe oben). Das italienische

Pendant <campo di concentramento di transito> wäre zu lang und umständlich. Der deutsche

Ausdruck ist kürzer und sprachlich ökonomischer. Auch die Bezeichnung Südtirols als

‚(Operationszone) Alpenvorland’ wurde aus syntagmatischer Ökonomie ins Italienische

entlehnt. Die naheliegendsten italienischen Entsprechungen <zona di operazione delle

Prealpi/operazioni delle Prealpi> sind als Präpositionalsyntagmen zu wenig kompakt und

können mit dem fast schon schlagwortartigen Ausdruck ‚l’Alpenvorland’ viel treffender

wiedergegeben werden.

Eine Eigennamenübernahme ist die Bezeichnung für die liberalistische Gruppierung ‚Ein

Tirol’. Zitatcharakter haben die Schlagwortentlehnungen ‚Los von Rom’ und ‚Los von

Trient’, welche sogar als Substantivierungen mit Artikeln und Teilungsartikeln verwendet

werden. Ebenfalls schlagwortartig wurde der Begriff ‚Todesmarsch’, den Kanonikus Michael

128

Gamper geprägt hat, übernommen. Der Artikel wird im Italienischen interferenzbedingt

feminin (‚la marcia della morte’). Auch der ‚Freiheitskampf’, den sich die Südtiroler

Aktivisten in den Bombenjahren lieferten, wird beim Entlehungsvorgang weiblich (‚la lotta’).

Er wird unter Anführungszeichen gesetzt und mit einem nachfolgenden Kommentar ergänzt,

was die Zitathaftigkeit des Begriffs unterstreicht. Die ‚Freiheitskämpfer’ hingegen werden

ohne Anführungszeichen wiedergegeben. Betont werden soll durch Verwendung des

deutschen Ausdrucks der Gegensatz zwischen der verherrlichenden deutschen und der

kritischen italienischen Sicht, was im oben stehenden Beleg sehr klar zum Ausdruck kommt.

Immer noch eher zitatwortartig verwendet wird die ‚Feuernacht’. Sie steht in Konkurrenz mit

dem italienischsprachigen Pendant <la notte dei fuochi>. Der Ausdruck ‚Befreiungsausschuss

Südtirol’ bzw. sein Akronym (BAS) ist eine Eigennamenübernahme. Ein vollständig

integriertes Lehnwort ist ‚Schutzmacht’, ein weniger integriertes der ‚Aufbau’-

fettgeschrieben und mit Kommentierung.

Ein wichtiger Begriff für die Südtiroler ist die ‘Heimat’. Auch die Italiener sprechen von ‚la

Heimat’, nachdem die italienische Entsprechung <patria> nicht so treffend den Inhalt

wiedergibt und konnotativ und emotional anders besetzt ist. Limbach ist der Ansicht, dass die

Deutschen mit ihrer Sprache „wahre Meister der Innerlichkeit“ sind. Denn „Wörter wie

Heimat, Geborgenheit, Gemütlichkeit oder Sehnsucht finden sich in vielen anderen

Sprachen wieder und eröffnen den Sprechern dieser Sprachen die Möglichkeit, ihre Gefühle

zu benennen.“ (Zitat Limbach 2007: 7). Der Artikel bleibt bei der Übernahme des Wortes

feminin, wird aber ausgschrieben und nicht durch Apostroph abgekürzt, wie es sonst vor dem

stummen „H“ im Italienischen üblich ist. Der Ausdruck wird sowohl in der Berichterstattung

über deutschsprachige Südtiroler gebraucht, als auch über italienische. Infolgedessen hat im

Südtiroler Italienisch das Wort ‚Heimat’ in Zusammenhang mit dem Land Südtirol den

Begriff <patria> verdrängt, welcher von Italienern in Bezug auf den Nationalstaat Italien

jedoch sehr wohl verwendet wird.

129

10.2.6. Drittes Reich

Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus Ende der 20er-Jahre geht der sprachliche

Einfluss nicht mehr von Österreich, sondern von (Groß-)Deutschland aus (Weber 1998: 202).

Klemperer bemerkte in seinem Werk „LTI. Notizbuch eines Philologen“101 (1947):

„[…] der Nazismus glitt in Fleisch und Blut der Menschen über durch die Einzelworte, die Redewendungen, die Satzformen, die er ihr in millionenfachen Wiederholungen aufzwang und die mechanisch und unbewusst übernommen wurden.“ (Klemperer zitiert nach Schmidt 2000: 154f).

Dies macht sich auch im Wortschatz des Italienischen bemerkbar. Wie auch in anderen

Sprachen werden sehr viele deutsche Ausdrücke aus dem nationalsozialistischen

Spezialwortschatz übernommen. Diese Wörter können haben fast Fach- bzw.

Spezialwortschatzcharakter, denn es wurden in dieser Zeit sehr viele neue Termini

eingeführt, die nur schlecht bzw. gar nicht in andere Sprachen übersetzt werden können und

oft auch gar nicht übersetzt werden wollen. Der (italienische) Lehnwortbenutzer distanziert

sich durch die Verwendung des deutschen Ausdrucks auch indirekt auch von den Gräueltaten,

die im Nationalsozialismus begangen worden sind. Eine Übersetzung wäre schon fast eine

Rechtfertigung. Mit deutschen Ausdrücken ist also nicht selten eine bestimmte

geistesgeschichtliche, ideologische Haltung verbunden. Wie schon Petralli sagt, muss der

Status der deutschen Sprache im Hinblick auf die belastende Vergangenheit erst rehabilitiert

werden (vgl. Petralli 1996: 107f).

• Anschluss m. – „una ‚anschluss’ austriaco-tedesco’“ Annexion Tirols an das Deutsche Reich (GDD1 1982, S. 64); „Dopo la proclamazione dell’Anschluss, Hitler riparte per la Germania“ (ROM2 2005, S. 73)

• Lager n. <<lager>> – “nei lager nazisti” (CA 07.09.05, S. 5) • Drittes) Reich n. <<reich>> – “il Reich” (AA 24.04.05; S. 48); “[…] della Deutsche

Volksunion, il partito-movimento dei nostalgici del Terzo Reich.“ (AA 06.03.05, S. 10); D’altronde, quando il Terzo Reich Germanico […] fece votare gli austriaci sull’Anschluss […]” (AA 18.08.05, S. 35); “tutelare gli interessi dei sudtirolesi optanti per il Reich” (AA 18.08.05, S. 35)

• Führer m. <<führer>> – “Bruno Ganz nei panni del Führer” (AA 19.04.05, S. 45) • Gauleiter m. <<gauleiter>> – „il Gauleiter del Tirolo Franz Hofer“ (AA 24.04.05, S. 48)

101 LTI = Lingua Tertii Imperii

130

• Wehrmacht f. <<wehrmacht>> – “la Wehrmacht aveva da anni aperto agli uffici di leva […]” (AA 24.04.05, S. 48)

• Deutsche Volksunion f. – „[…] della Deutsche Volksunion, il partito-movimento dei

nostalgici del Terzo Reich.“ (AA 06.03.05, S. 10) • NSDAP f. – “i suoi concetti ‘biologicamente razzisti’ attinti a piene mani dallo Nsdap”

(AA 06.03.05, S. 11) • Gestapo f. – “capo della Gestapo” (AA 21.09.05, S. 5) • Sturmabteilung (SA) f. – “Ernst Röhm e le sue Sturmabteilungen (SA)“ (ROM2 2005, S.

70) • Sturmstaffel (SS) f. - „un Sonderkommando delle SS“ (AA 23.07.05, S. 43) • Sicherheits- und Ordnungsdienst (SOD) m. – „[…] dal SOD (Sicherheits- und

Ordnungsdienst)“ (Marson1 2005, S. 113) • Luftwaffe f. – „Nel marzo 1943 desertò dalla Luftwaffe“ (AA 12.05.05, S. 41) • Fliegerabwehrkanone (Flak) f. – „le batterie della Flak (Fliegerabwehrkanone)“ (ROM1

2003, S. 243) • Sonderkommando n. – „un Sonderkommando delle SS“ (AA 23.07.05, S. 43) • Gau m. – „il primo Gau del Reich ripulito dagli ebrei“ (GDD1 1982, S. 83); “anessione

che avrebbe ‘degradato’ l’Austria da Stato a ‘Gau’” (AA 18.08.05, S. 35) • Hitler – “pangermanista hitleriana” (AA 21.08.05, S. 10) • Hitlergruß m. – “il ‘Hitlergruss’” (AA 07.12.05, S. 51) • Hitlerjugend f. – „[…] della Hitlerjugend“ (ROM1 2003, S. 194) • Volksdeutsche m. – “questi Volksdeutsche” (ROM 2003, S. 213) • Volksgruppe f. – „il territorio dei Sudeti (abitato da una Volksgruppe tedesca)” (ROM2

2005, S. 74); “Heinrich Himmler, nelle cui mani era la gestione di tutte le Volksgruppen tedesche all’estero” (ROM2 2005, S. 74)

• Volksgruppenführer m. – “Lo stesso Volksgruppenführer Peter Hofer fu nominato prefetto

della provincia.” (ROM2 2005, S. 85) • Volkssturm m. – “In provincia […] furono creati la Landwache (guardia territoriale) e gli

Standschützen, versione tirolese del Volksturm nazista.” (ROM2 2005, S. 85) • Schuldfrage f. – „se si pensa alla Schuldfrage…” Jaspers, 1946 (PCI2 1968, S. 76) • Volljuden m. - “Il documento […] riporta l’ordine di cattura dei Volljuden (ebrei da 4

generazioni)” (ROM2 2005, S. 87)

131

• Reichsdeutsche m. – „[…] dei perfetti Reichsdeutsche“ (ROM1 2003, S. 213) • Ostmark f. – “In gran parte essi furono accolti nell’Ostmark (Austria).” (ROM2 2005, S.

76); „annessione che avrebbe ‚degradato’ l’Austria da Stato a ‚Gau’ e non più con il nome di ‘Österreich’ ma di ‘Ostmark’” (AA 18.08.05, S. 35)

• Sudetenland n. – „il Sudetenland“ (AA 18.08.05, S. 35) • Sippenhaft f. – “I parenti dei ricercati venivano arrestati e internati come ostaggi

(Sippenhaft).” (ROM2 2005, S. 90) • Putsch m.<colpo di stato> – “Proprio per l’organizzazione di un fallito putsch (Monaco

1923), Hitler fu arrestato e processato.” (ROM2 2005, S. 71); “nel luglio del 1934 tentarono un putsch, uccidendo Dollfuss” (ROM2 2005, S. 71

In das Italienische eingedrungen ist der Ausdruck ‚Anschluss’, der die Annexion Österreichs

bzw. Tirols an das Großdeutsche Reich meint. Im Italienischen wird jedoch der ursprünglich

maskuline Artikel interferenzbedingt feminin (vgl. ‚l’annessione’) und die deutsche

Anfangsmajuskel wird nur bei Delle Donne zugunsten der italienischen Kleinschreibung

aufgegeben. Dafür lässt Romeo die Anführungszeichen weg.

Vollständig integriert ist das häufig vorkommende ‚il lager’, das im Italienischen einen

maskulinen anstelle des ursprünglich neutralen Artikels erhält. Ebenfalls integriert und im

Fremdwörterbuch verzeichnet ist ‚il (Terzo) Reich’ (‚reich’ dort kleingeschrieben). Aus dem

ursprünglich neutralen Substantiv ‚das (Deutsche) Reich’ wird bei der Entlehnung ins

Italienische ein Maskulinum. Beim Ausdruck ‚il Terzo Reich’ handelt es sich um eine

Lehnübertragung, da nur ein Glied, nämlich das Zahlwort, übersetzt wurde. Auch ‚il

Führer’, ‚il Gauleiter’ und ‚la Wehrmacht’ sind bereits in den Fremdwortschatz

aufgenommene Lehnwörter, werden dort aber mit Anfangsminuskel angeführt.

Eigennamen-, bzw. Akronymübernahmen sind ‚la Deutsche Volksunion’ und ‚lo [sic!]

NSDAP’ (Artikel wird interferenzbedingt maskulin: ‚il partito’), genauso wie ‚la Gestapo’, ‚le

Sturnmabteilungen (SA)’ (kursiv geschrieben)‚la SS’, ‚il SOD (Sicherheits- und

Ordnungdienst)’, ‚la Luftwaffe’, ‚la Flak (Fliegerabwehrkanone)’ und ‚il Sonderkommando’.

Das Deutsche Reich wird in ‚Gaue’, d.h. bestimmte Gebiete bzw. Verwaltungsbezirke

unterteilt. Auch im Italienischen taucht dieser Ausdruck im Zusammenhang mit dem

Nationalsozialismus auf, wird dort aber nicht immer als volles Lehnwort, sondern auch als

Zitatwort (mittels Setzen der Anführungszeichen) gebraucht.

Komposita mit dem Eigennamen ‚Hitler’ als Determinans werden ebenfalls entlehnt, so z.B.

‚il ‚Hitlergruss’’ (Zitatwort) oder ‚la Hitlerjugend’. Interessant ist, dass der Name ‚Hitler’ im

132

Italienischen sogar an indigene Wortbildungsmuster angepasst wird und durch das Anhängen

des adjektivischen Suffixes –iano/ iana ein denominal gebildetes Adjektiv wird: ‚hitleriana’.

Auch mit dem Substantiv ‚Volk’ als Basis werden im Deutschen zahlreiche Komposita

gebildet, die auch in den italienischen Wortschatz eindringen, so z.B. ‚i Volksdeutsche’

(kursiv, Zitatwort), ‚la Volksgruppe’, ‚il Volksgruppenführer’ oder ‚il Volkssturm’ (beide

kursiv).

Der Begriff ‚Schuldfrage’ stammt aus der Philosophie der unmittelbaren Nachkriegszeit,

genauer aus dem Werk Jaspers. Im angeführten Beleg wird er als Zitatwort verwendet, da er

kursiv geschrieben ist. Kursiv gesetzt oder anderweitig kommentiert und damit auch noch

nicht als volle Lehnwörter ins Italienische integriert sind auch die Ausdrücke ‚i Volljuden’, ‚i

Reichsdeutsche’ und ‚l’Ostmark’. Das ‚Sudetenland’ ist als Orts- bzw. Gebietsbezeichnung

jedoch ohne weitere Kommentierung übernommen worden.

Ein für das nationalsozialistische Spezialvokabular tyischer Ausdruck ist ‚die Sippenhaft’, bei

Romeo als kursiv geschriebenes, in Klammern gesetztes und hinter der italienischen

Erklärung folgendes Zitatwort wiedergegeben. Für den ‚Putsch’ der im Beleg klein- und

kursiv geschrieben wird, gäbe es zwar die italienische Entsprechung <colpo di stato>, der

deutsche Ausdruck wird dem italienischen jedoch vorgezogen, weil es im Kontext um

Deutschland und den Sturz Hitlers geht.

10.2.7. Begriffe aus Kultur und Geisteswissenschaften

Riedmann bemerkt im Jahr 1972: „Die deutsche Volksgruppe entwickelt im Bereich der

Kultur eine beachtliche Tätigkeit (Konzerte, Theater, Vorträge, Ausstellungen, Zeitschriften

u.a.).“ (Zitat Riedmann 1972: 117)

Während für die italienischen Entlehnungen in der deutschen Sprache gilt, dass die

„Sprachliche[n] Übernahmen und Lehnübersetzungen […] sich fast ausschließlich auf

Bezeichnungen kultureller Einrichtungen [beziehen]“, und „ganz selten die Welt der Kultur

im engeren Sinne betreffen“ (Zitat Riedmann 1972: 117), gibt es in der italienischen Sprache

neben den Namen kultureller Einrichtungen sehr wohl deutsche Entlehnungen aus der Welt

der Kultur im engeren Sinne, und zwar aus den Bereichen Musik, Literatur, Philosophie,

Sprachwissenschaft, Bildung und den Medien.

133

Kulturelle Einrichtungen • (Südtiroler) Kulturinstitut n. – „il Kulturinstitut“ (19.04.05, S. 24); „[…] all’Haus der

Kultur di Bolzano, su invito del Südtiroler Kulturinstitut“ (CA 15.09.05, S. 9) • Haus der Kultur n. - „[…] all’Haus der Kultur di Bolzano, su invito del Südtiroler

Kulturinstitut“ (CA 15.09.05, S. 9); „alla Haus der Kultur“ Branzoll (AA 06.01.05, S. 25) • Waltherhaus n. – „Bolzano, alla Waltherhaus“ (AA 15.09.05, S. 41) • Kurhaus n. – “di fronte al Kurhaus” Meran (AA 18.03.05, S. 34); i locali del Kurhaus“

(AA 04.12.05, S. 29) • Bürgerhaus n. – “Nella Bürgerhaus” Tramin (AA 06.01.05, S. 25) • Ballhaus n. – „la Ballhaus“ Neumarkt (AA 29.03.05, S. 25) • Haus Unterland n. – „alla Haus Unterland“ Neumarkt (AA 19.04.05, S. 28) • Haus der Vereine n. – „presso la Haus der Vereine“ Auer (AA 13.03.05, S. 29) • Vereinshaus n. – „presso la Vereinshaus di Penone“ (AA 03.04.05, S. 33) • Kolpinghaus n. <casa Kolping> - „la Kolping Haus“ (AA 17.08.05, S. 17) • Freies Theater (Bozen) n. – „la compagnia bolzanina Freies Theater“ (AA 19.04.05, S.

25); „il Freies Theater di Bolzano porta in scena il ‚Lenz’ di Büchner“ (AA 19.04.05, S. 25)

• Südtiroler Freilichtspiele Unterland f. – “l’associazione teatrale ‘Südtiroler Freilichtspiele

Unterland’” (AA 05.01.05, S. 26) • Theater in der Altstadt n. – „nel ‚Theater in der Altstadt’“ Meran (AA 19.04.05, S. 32) • Heimatbühne f. – „L’Heimatbühne di Ora“ (02.12.05, S. 28) • Südtiroler Künstlerbund m. –“Helga von Aufschnaiter, presidentessa del Südtiroler

Künstlerbund” (AA 01.07.05, S. 22) • Südtiroler Autorenvereinigung f. – „tra i fondatori dell’associazione culturale ‚Südtiroler

Autorenvereinigung’“ Sepp Mall (AA 24.07.05,S. 47) Musik • Bürgerkapelle f. – “… della Bürgerkapelle” Tramin (AA 21.07.05, S. 24) • Böhmische f. – “La Boemische di Nova Levante” (AA 22.05.05, S. 41); “[…] dalla

Altböhmische di San Michele” (AA 21.07.05, S. 25)

134

• Philharmoniker m. – “i Berliner Philharmoniker” (AA 13.03.05, S. 53); „…dei Wiener Philharmoniker“ (AA 17.10.05, S. 39)

• Bläsergruppe f. – „…della Bläsergruppe di Egna“ (AA 02.09.05, S. 26); “si esibirà il

Bläsergruppe della banda musicale di Salorno” (27.04.05, S. 30) • Musikkapelle f. <banda musicale> – “…della Musikkapelle di Sinigo” (01.11.05, S. 28) • Christlicher Sängerbund m. – “un’esibizione del Christlicher Sängerbund” (AA 27.04.05,

S. 30) • Kammerchor Leonhard Lechner m. – „Alla stessa ora a Bolzano […] il Vocal Total

Kammerchor assieme al coro dell’Istituto magistrale federale e dal Kammerchor Leonhard Lechner“ (08.05.05, S. 25)

• Männergesangsverein Bozen m. – „concerto del Männergesangsverein Bozen“ (AA

05.05.05, S. 38) • Lied n. <<lied>> – „tradizione del Lied monodico“ (AA 29.06.05, S. 37); „Tutti 24 lieder

di ‚Des Knaben Wunderhorn’“ (AA 08.07.05, S. 41) • Hackbrett n. – “l’hackbrett (una cetra)” (AA 03.07.05, S. 29) • Alphorn n. <<alphorn>> – “l’alphorn (il corno alpino)” (AA 03.07.05, S. 29) • Minnesang m. <<minnesang>> – “di fronte al Minnesang in senso stretto” (AA 29.06.05,

S. 37) • Minnesänger m. <<minnesänger>> – “del Minnesänger” Walther von der Vogelweide

(ROM1 2003, S. 142) • Jodler m. <<jodler>> – “Gli Jodler di miss Anneliese” (AA 28.12.05, S. 32); “gli Jodler”

(RICHE 2000, S. 80); “…allo Jodeln” (RICHE 2000, S. 79) Literatur • Zeitdichtung f. – „la ‚Zeitdichtung’, poesia ‘legata ai tempi’” (PCI1 1968, S. 328) • Heimatdichtung f. – “la ‘Heimatdichtung’ o ‘poesia di paese’” (PCI1 1968, S. 328) • Weltliteratur f. – “la Weltliteratur” (PCI1 1968, S. 329) • Bildungsroman m. <<bildungsroman: romanzo che racconta un processo di acquisizione

da parte del protagonista attraverso una serie di esperienze formative, della maturità intellettuale, morale o spirituale102>> – “i Bildungsromane” (PCI1 1968, S. 440)

102 DeMauro 2001: 44

135

Sprachwissenschaft • Mittelhochdeutsch n. – „il tedesco medioevale ossia il Mittelhochdeutsch“ (PCI2 1968, S.

17) • Hochdeutsch(e) n. – „Io parlo Hochdeutsch da sempre“ (AA 31.08.05, S. 10) • Umgangssprache f. <<umgangssprache: uso linguistico corrente, colloquiale, in uso in una

comunità103>> – „Umgangssprache…“ (ROM 2003, S. 362) • Ablaut m. – „Ablaut“ Linguistik (PISCI 1986, S. 52) • Umlaut m. <<umlaut>> <metafonia> - „Umlaut“ (PISCI 1986, S. 52), sogar in der

Verbalform „umlautizzare“ Philosophie • Dasein n. – “Il mondo del dasein” Heideggers Philosophie (PCI2 1968, S. 31) • Kategorischer Imperativ m. – „imperativo categorico“ Kant (PISCI 1986, S. 53) • Mehrwert m. – “plusvalore” (PISCI 1986, S. 53) • Übermensch m. – „superuomo“ Nietzsche (PISCI 1986, S. 53) Bildung • Bildung f. – „la Bildung“ Pädagogik, Jaspers (PCI1 1968, 447) • Kulturwissenschaft f. – “…delle Kulturwissenschaften” (PCI1 1968, S. 291) • Kulturgeschichte f. – „kulturgeschichte“ (PISCI 1986, S. 54) Medien • Südtiroler Wirtschaftszeitung f. – „L’invito lanciato dalla Südtiroler Wirtschaftszeitung“

(AA 04.06.05, S. 14) • Tageszeitung f. – „[…] dal Tageszeitung“ (AA 03.04.05, S. 27) • Südtiroler Rundfunk m. – “direttore dell’emittente Südtiroler Rundfunk” Gabriel Torggler

(AA 17.08.05, S. 24)

103 DeMauro 2001: 575

136

Im untersuchten Korpus konnten einige kulturelle Einrichtungen deutscher Sprache in der

italienischen Sprache ausfindig gemacht werden. Zunächst wäre da das ‚Südtiroler

Kulturinstitut’, dem im Italienischen anstelle des sächlichen Artikels ein maskuliner zugeteilt

wird. Zusammensetzungen mit dem Substantiv ‚Haus’ als Determinatum, welches im

Deutschen ein Neutrum ist, werden bei der Übernahme in die Replikasprache mit Ausnahme

von ‚il Kursaal’ feminin, so z.B. ‚l’/la Haus der Kultur’, ‚la Waltherhaus’ oder ‚la Haus der

Vereine’. Der Genuswechsel ist sicherlich interferenzbedingt erfolgt, denn im Italienischen ist

<casa> feminin. Als Lehnübertragung einzustufen ist ‚la compagnia bolzanina Freies

Theater’, auch ‚il Freies Theater di Bolzano’ genannt – letzteres aus Interferenzgründen

maskulin (<il teatro>). Als Zitatworte realisierte - weil unter Anführungszeichen gesetzt und

kommentierte - Eigennamen wurden ‚l’associazione teatrale ‘Südtiroler Freilichtspiele

Unterland’ ‚ und ‚il ‚Theater in der Altstadt’ übernommen. Weitere deutsche, kulturelle

Einrichtungens- bzw. Vereinigungssnamen, die in die italienische Sprache eingedrungen sind,

sind ‚il Südtiroler Künstlerbund’, ‚l’associazione culturale ‚Südtiroler Autorenvereinigung’’

und ‚l’Heimatbühne’.

Aus dem Bereich der Musik wurden viele Bezeichnungen von Musikgruppen und Chören

unkommentiert und artikeltechnisch unverändert ins Italienische übernommen, so z.B. ‚la

Boehmische’ (durch ‚oe’ ans Graphiesystem des Italienischen angepasst), ‚il

Männergesangsverein Bozen’ oder ‚il Kammerchor Leonhard Lechner’. Die Ausdrücke ‚il

Lied’ (inkonsequent großgeschrieben und mit maskulinem Artikel anstelle des neutralen),

‚l’alphorn’, ‚il Minnesang’, ‚il Minnesänger’ und ‚lo Jodler’ sind bereits im Fremdwortschatz

aufgenommen und integriert, werden aber im Südtiroler Italienisch größtenteils

großgeschrieben. Aus dem Instrumentalbereich wurde ‚l’hackbrett’ entlehnt. Es wird im

Beleg kleingeschrieben, kommentiert und von einem vermutlich feminen Artikel begleitet.

Aus der Sparte Literatur wurden als kommentierte und unter Anführungszeichen gesetzte

Zitatworte die Begriffe ‚la Zeitdichtung’und ‚la Heimatdichtung’ übernommen. Diese sind

einerseits synthetischer als die italienischen Umschreibungen und andererseits

prestigeträchtiger, da Deutschland als „Land der Dichter und Denker“ gilt. Das Deutsche übt

vor allem im 19. und 20. Jahrhundert einen starken Einfluss auf die italienische Sprache aus.

Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Entwicklung der Wissenschaft und

der Philosophie im deutschsprachigen Raum zu dieser Zeit eine Vorreiterrolle einnimmt (vgl.

Piscitelli 1986: 51). Aus dieser Zeit stammt auch das bereits im italienischen Wortschatz

vollständig integrierte Wort ‚il Bildungsroman’ und vermutlich auch ‚la Weltliteratur’,

137

welches ebenfalls kompakter und sprachlich ökonomischer ist als die italienische

Umschreibung.

Auch die Sprachwissenschaft blühte im 19./20. Jahrhundert. Es wurden fachsprachliche

Begriffe wie ‚il Mittelhochdeutsch’, die bereits integrierten Lehnwörter ‚la Umgangssprache’

und ‚l’Umlaut’ (das sogar in der desubstantivierten Verbalform ‚umlautizzare’ vorkommt,

wobei die Endung –are aus der ersten Konjugationsklasse, die im Italienischen die

produktivste ist, an das Stammmorphem angehängt wird) und ‚l’Ablaut’ übernommen. Der

Begriff ‚Hochdeutsch’ wurde ebenfalls entlehnt.

In der Sprache der Philosophie entdeckt man einige Lehnübersetzungen deutschen

Ursprungs auch im Italienischen. Laut Piscitelli hatte die deutsche Philosophie des 19. und

20. Jahrhunderts (Kant, Freud, Marx, Fechner, Nietzsche) eine starke Ausstrahlung auf die

internationale Geisteswissenschaft. So heißt etwa der kant’sche ‚Kategorische Imperativ’

‚l’imperativo categorico’, der marx’sche ‚Mehrwert’ ‚il plusvalore’ der nietzsche’

‚Übermensch’ ‚il superuomo’ (vgl Piscitelli 1986: 53). Aus dem philosophischen Werk des

Existentialisten Heidegger stammt der Begriff ‚il Dasein’.

Aus dem Bereich Bildung im weitesten Sinne kommen die Begriffe ‚la bildung’ im

jasper’schen Sinne, ‚la Kulturwissenschaft’ und ‚kulturgeschichte’, hier allesamt zitathaft

verwendet.

Im Bereich Medien sind als Eigennamenübernahmen ‚la Südtiroler Wirtschaftszeitung’ und

‚il Tageszeitung’ (interferenzbedingt maskulin, weil <il giornale>) und ‚il Südtiroler

Rundfunk’ zu verzeichnen.

10.2.8. Südtiroler Kultur und Brauchtum

Als Bedürfnislehnwörter und somit als sachnotwendige Übernahmen einzustufen sind die

Ausdrücke aus dem Bereich Brauchtum/Südtiroler Kultur. Da die deutsche Sprachgruppe in

Südtirol eine andere Kultur als die italienische hat, werden im Italienischen die sachlichen

Innovationen aus dem fremden Kulturkreis mit den jeweiligen Bezeichnungen übernommen.

Auch Eigennamenentlehnungen lassen sich feststellen.

• Stube f. – “[…] stando […] al caldo di una Stube” (AA 30.09.05, S. 37) • Schützen m. <tiratori/ cappelli piumati> – „i Schützen, istituiti da Massimiliano I con il

Landlibell del 1511” (Marson2 2005, S. 115); „i ‚Landesschützen’, cioè gli Schützen territoriali“ (Hye 2002, S. 133)

138

• Standschützen m. – “l’adunata degli Standschützen” (AA 07.12.05, S. 28) • Scheibenschützen m. – „gli ‚Scheiben-Schützen’ (tiratori al bersaglio)“ (Hye 2002, S.

133) • Landesschützen m. „i ‚Landesschützen’, cioè gli Schützen territoriali“ (Hye 2002, S. 133) • Schützenhauptmann m. <capo/capogruppo dei tiratori > – “l’Hauptmann degli Schützen”

(AA 06.01.05, S. 25) • Landeskurat m. – „da parte del ‚Landeskurat’ Paul Rainer“ (AA 21.02.05, S. 12) • Sandwirt m. – “il signor Andreas Hofer, Sandwirth [sic!]” (Hye 2002, S. 57); “casa natale

del ‘Sandwirt’ Andreas Hofer” (Hye 2002, S. 167) • Egetmannumzug m. – “la sfilata dell’Egetmann” Tramin (AA 08.02.05, S. 28) • Egetmannhansl m. – “l’Egetmannhansl, un pupazzo in giacca nera, cilindro e guanti

bianchi” (AA 04.02.05, S. 28) • Ausschnöller m. – “[…] dagli ‘Ausschnoeller’ gli uomini della frusta” (AA 04.02.05, S.

28) • Schnappvie(c)h n. <fauci sbatacchianti (plur.)/ morsicatore> – “le Schnappieh [sic !] o

‘Wudele’“ (AA 04.02.05, S. 28); “gli Schnappviecher o morsicatori” (RICHE 2000, S. 65) • Burgl f. – “le Burgl” (AA 04.02.05, S. 28) • Zusslrennen n. – “lo Zusslrennen, una corsa sfrenata di streghe mascherate” (RICHE

2000, S. 65) • Törggelen n. <castagnata> - “Torna la festa del Törggelen” (AA 24.09.05, S. 40); “Le

castagne […] abbondano nel corso dell’autunno, e non possono mancare a un Torggelen definito come tale” (AA 30.09.05, S. 36); “Il Torggelen è la sintesi di tre diverse culture: delle vite e del vino, del buon bere e dell’ospitalità.” (AA 30.09.05, S. 36)

• Buschenschank m. – „semplici ma simpatici Buschenschank“ (AA 31.03.05, S. 32); „i 171

Hofschank e i 97 Buschenschank” (CA 13.09.05, S. 7); “Dal torchio e dal Buschen, com’è facilmente comprensibile, è nata l’accoppiata dei Torggelen da celebrare e festeggiare nei Buschenschank.” (AA 30.09.05, S. 37)

• Sternsinger m. <cantori della stella> – “Solidarietà grazie agli Sternsinger” Schlagzeile

(AA 08.02.05, S. 26) • Verdienstmedaille f. <medaglia al merito> – “[…] ricevere dal Land Tirol il premio

‘Verdienstmedaille’” Claudio Menapace (AA 13.08.05, S. 17) • Nikolaus m. – “tutti i Nikolaus ed i Krampus” (AA 30.11.05, S. 31) • Krampus m. – “i Krampus non hanno mai fatto male a nessuno.” (AA 30.11.05, S. 31)

139

• Knecht Ruprecht m. – “spesso aiutato dal Knecht Ruprecht” (AA 30.11.05, S. 31) • Kasperl(e) m./n. – Lo spettacolo di burattini ‘Kasperle aiuta Babbo Natale’” (AA

22.12.05, S. 28) • Hirtenspiel n. – “un Hirtenspiel, un piccolo dramma in dialetto, in cui i pastori narrano

l’avventura occorsa loro con l’annuncio dell’angelo e la visita della grotta, ov’è nato il Redentore.” (RICHE 2000, S. 40)

• Herz-Jesu-Bundeslied n. – “Lo Herz-Jesu-Bundeslied” Auf zum Schwur, Tirolerland

(Cardini 1998, S. 71) • Herrgottswinkel m. – “il Herrgottswinkel, l’angolo del Signore sopra alla tavola” (RICHE

2000, S. 22) • Wetterkreuz n. – “una Wetterkreuz, una gran croce con due o anche tre bracci orizzontali,

messa per protegger il paese o le case sottostanti dal tempo cattivo, dal fulmine o dalla grandine” (RICHE 2000, S. 31)

• fensterln n. – “Fensterlen, andare a finestre” (RICHE 2000, S. 104)

Ein im Fremdwörterlexikon von DeMauro nicht verzeichnetes, aber aus Frequenzgründen

dennoch in die italienische Standardsprache eingegliedertes Fremdwort ist der Ausdruck ‚la

Stube’, mit dem in Österreich und auch in Südtirol ein meist getäfelter, rustikaler

Aufenthaltsraum in einer Wohnung gemeint ist104. Im Bereich des Tiroler Schützenwesen

gibt es zahlreiche Entlehnungen. Zunächst gibt es einmal die ‚Schützen’- ein wichtiger

historischer Verein des Südtiroler Brauchtums seit ihrer Gründung im Jahre 1511. Von den

Italienern werden sie auch oft - meist um eine stilistische Abwechslung im Text zu erzielen-

<tiratori> oder scherzhaft-ironisch <cappelli piumati> genannt, weil sie als Hutschmuck

traditionsgemäß aufgesteckte Federn tragen. Während die Schützen früher militärisch aktiv

waren und vor allem in der Zeit der napoleonischen Kriege um 1800 rund um den Tiroler

Nationalhelden Andreas Hofer ihre Blütezeit erlebten, haben sie heutzutage mehr eine

repräsentative, brauchtumserhaltende Funktion inne. Von einigen Seiten werden provokante

Kommentare laut, die Schützen seien nur mehr ein anachronistisch und nostalgisch

anmutender Trachtenverein, der als Brutstätte für rechtsradikales Gedankengut dienen würde.

Dies beklagt unter anderem die italienische Opposition im Südtiroler Landtag. In

italienischsprachigen Zeitungsberichten und Geschichtsbüchern wird meist der deutsche

Ausdruck verwendet. Man spricht von ‚gli Schützen’ – artikeltechnisch an die Regeln der

Zielsprache angepasst, häufig vorkommend und aus diesem Grund auch vollständig in die

104 vgl. VWB 2004: 769

140

Replikasprache integriert (im oben stehenden Beleg wird auch von ‚i Schützen’ gesprochen).

Die Verwendung der deutschen Bezeichnung passiert einerseits sicher deshalb, weil man die

ideologische Ausrichtung des Vereins unterstreichen will, andererseits, um den Gegensatz

Deutsche-Italiener zum Ausdruck zu bringen, also eine Art Schwarzweißmalerei. Es gibt

verschiedene Schützengruppen: Von den ‚Stand-, Scheiben-, und Landesschützen’, die oft

auch kommentiert und unter Anführungszeichen angegeben werden (z.B.

‚Scheibenschützen’� ‚tiratori al bersaglio’) über den ‚Schützenhauptmann’, der im

Italienischen am ehesten die Entsprechung <capo/capogruppo dei tiratori> hätte, und den

‚Landeskurat’ hin zum ‚Sandwirt’ Andreas Hofer.

Ein anderes Gebiet, aus dem notwendigerweise Entlehungen erfolgen, ist das des Tiroler

Faschingsbrauchtums. So gibt es beim traditionellen Traminer ‚Egetmannumzug’ (im Beleg

als syntagmatische Lehnübertragung ‚la sfilata dell’Egetmann’ realisiert) neben der

Hauptfigur, dem ‚Egetmannhansl’ (mit nachfolgender Erklärung), den ‚Ausschnöllern’ (‚gli

Ausschnoeller’: Umlaut <ö> wird an die italienische Graphie angepasst und zu <oe>. Der

Ausdruck ist unter Anführungszeichen gesetzt und der maskuline Artikel passt sich an die

italienische Anfangslautregelung an) auch die ‚Schnappviecher’ (einmal mit feminenen,

einmal mit maskulinem Artikel, da das deutsche Wort im Neutrum steht) und die ‚Burglen’.

Im Italienischen gäbe es für die ‚Schnappviecher’ theoretisch Synonyme, nämlich <fauci

sbatacchianti (plur.)/ morsicatore>, die aber nicht so urig wie die deutsche Bezeichnung

klingen und nicht so treffend sind. All diese Faschingsfiguren sind Bezeichnungs- bzw.

Eigennamenentlehnungen. Ein anderer Faschingsbrauch ist das ‚Zusslrennen’ (mit

maskulinem Artikel ‚lo’ und kursiv gesetzt), das im obigen Beleg mit einer anschließenden

Erklärung ergänzt wird. Das Kursivsetzen und die Kommentierung der Ausdrücke

unterstreichen dass es sich bei den Entlehnungen um Eigennamen bzw. kulturfremde

Ausdrücke handelt.

Typisch für die Tiroler Kultur ist das ‚Törggelen’, ein im Herbst stattfindendes Gelage mit

Kastanien und Most bzw. jungem Wein105, für das es im Italienischen das Pendant

<castagnata> gäbe. ‚Törggelen’ - im Italienischen auch ‚Torggelen’ geschrieben - klingt

jedoch einerseits viel heimeliger und andererseits auch exotischer. Der ursprünglich neutrale

Artikel wird bei der Entlehung in die Replikasprache maskulin, der Umlaut <ö> an die

Zielsprache angepasst und mit <o> wiedergegeben. Das Törggelen findet oft in den so

genannten ‚Buschenschänken’ statt. Ein ‚Buschenschank’ ist ein Lokal, in dem Eigenbauwein

105 VWB 2004: 795

141

aus der letzten Lese ausgeschenkt wird106. Im italienischen Plural bleibt das Wort bei der

Übernahme unverändert und im Singular: ‚i Buschenschank’.

Ein alter Brauch ist auch jener der ‚Sternsinger’ und steht im Italienischen den <cantori della

stella> gegenüber. In der Belegstelle taucht der deutsche Ausdruck in einer Schlagzeile auf

und hat zunächst die Funktion, Aufmerksamkeit zu erregen. Wahrscheinlich erfolgte die

Angabe des Fremdlexems auch aus sprachlicher Ökonomie, da das deutsche Wort - als

Kompositum realisiert – kürzer und synthetischer ist als die analytisch-syntagmatische

italienische Entsprechung.

Eine Tiroler Auszeichnung ist die ‚Ehrenmedaille’, die bis dato nur deutschsprachigen

Südtirolern überreicht wurde. Aus diesem Grund wird auch die deutsche Bezeichnung und

nicht die italienische Übersetzung <medaglia al merito> angeführt.

Eigennamenübernahmen sind die weihnachtlichen Figuren ‚Krampus’ bzw. ‚Knecht

Ruprecht’ und der ‚Nikolaus’, der im Italienischen <San Nicolò> hieße. Eine weihnachtliche

Theaterform ist das ‚Hirtenspiel’, hier als kommentiertes Zitatwort mit maskulinem Artikel

angeführt. Die Hauptfigur des Kasperltheaters, der ‚Kasperl’ ist eine

Bezeichnungsübernahme, ebenso wie das ‚Herz-Jesu-Bundeslied’ (hier als kursiv gesetztes

Zitatwort mit männlichem Artikel ‚lo’, weil das stumme ‚H’ im Italienischen stimmlos ist),

der ‚Herrgottswinkel’ und das ‚Wetterkreuz’ (kommentiert und kursiv geschrieben). Das

Neutrum ‚Wetterkreuz’ wird im Italienischen feminin und lautet ‚la Wetterkreuz’.

Ein im süddeutschen Sprachraum verbreiteter Brauch ist ‚fensterln’– im Italienischen als

Substantivierung und kommentiert verwendet.

10.2.9. Rechtswesen

Aus der juridischen Fachsprache werden einige wenige Begriffe entlehnt, die zumeist aus

dem österreichischen, deutschen oder lokalen Rechtssystem stammen, in der italienischen

Rechtssprache aber auf kein Äquivalent stoßen und deshalb als Bedürfnislehnwörter

eingestuft werden können. Bei Frassoldati und Romeo werden die deutschen Fremd- bzw.

Lehnwörter durch Kursivsetzung graphisch hervorgehoben. Damit unterstreichen sie sowohl

den Fremdlexemcharakter als auch die Zugehörigkeit der Begriffe zum juridischen

Fachwortschatz. In den folgenden Belegen geht es vorwiegend um das Erbrecht.

106 VWB 2004: 156

142

• Anerbe m. – “Il geschlossener Hof è l’unità fondiario-agricola che può essere trasmessa ad un solo erede (Anerbe).” (ROM2 2005, S. 21); “Ed allora il sistema dell’Anerbe si pone necessariamente in contrasto con il nostro diritto successorio comune” (FRASS 1963, S. 25); “l’Anerbe, cioè l’erede per eccellenza, era soltanto il rappresentante della famiglia.” (FRASS 1963, S. 23)

• Anerbenrecht n. – “In Austria, come in tutti i paesi germanici e nordici, l’Anerbenrecht

costituisce una diffusa tradizione” (FRASS 1963, S. 16); “Perciò in Germania non esiste più un sistema unitario; taluni Länder conservano l’Anerbenrecht” (FRASS 1963, S. 18)

• Bundesanerbengesetz n. – “La legge federale 21 maggio 1958, n. 106

(Bundesanerbengesetz)“ (FRASS 1963, S. 16) Österreich • Weichendenerbe m. – „sono riconosciute particolari facilitazioni per liquidare i coeredi

esclusi (detti coeredi cedenti: Weichendenerben)“ (FRASS 1963, S. 25) • Geschlossener Hof m. <maso chiuso> - “Il geschlossener Hof è l’unità fondiario-agricola

che può essere trasmessa ad un solo erede (Anerbe).” (ROM2 2005, S. 21) • Grundverkehrsgesetz n. – „il trasferimento dei fondi è soggetto al controllo di una

apposita commissione (Grundverkehrsgesetz […] ) (FRASS 1963, S. 17) Österreich • Reichserbhofgesetz n. – “scomparve con la legge nazista del 29 settembre 1933

(Reichserbhofgesetz).” (FRASS 1963, S. 17) • Reichsumlegungsordnung f. – “Una legge generale […] completata dal regolamento del

16 giugno 1937 (Reichsumlegungsordnung).” (FRASS 1963, S. 18) • Höfeordnung f. – “In quella sotto controllo britannico fu emanata la Höfeordnung del 24

aprile 1947” (FRASS 1963, S. 17)

Die Ausdrücke ‚Anerbe’ (bäuerlicher Alleinerbe, Hoferbe (DudenUW 2001: 130),

‚Anerbenrecht’, ‚Bundesanerbengesetz’, ‚Weichendenerbe’, ‚geschlossener Hof’ (mit

italienischer Entsprechung <maso chiuso>) und ‚Grundverkehrsgesetz’ stammen aus der

österreichischen bzw. lokalen, die Begriffe ‚Höfeordnung’, ‚Reichserbhofgesetz’ und

‚Reichsumlegungsordnung’ aus der deutschen Rechtssprache. Die letzten beiden Wörter

stammen aus der Sprache des nationalsozialistischen Rechtssystems.

10.2.10. Sport, Spiel und Freizeit

Die Germanismen aus dem Bereich Sport sind nicht sehr zahlreich. Anzuführen sind

folgende:

143

• Drittel n. <terzo> – „Nell’ultimo drittel il Merano attacca“ Hockey (29.10.05, S. 39); “al 4’31 del terzo drittel” (AA 03.01.05, S. 23); “si mordano le mani i pusteresi che dopo aver chiuso in vantaggio il primo tempo, subito la rimonta dell’Alleghe negli altri due drittel” (AA 09.01.05, S. 38)

• Schuss m. <<schuss: colpo, slancio nello sci107 >> – “lo schuss finale della Saslong”

Kristian Ghedina (AA 12.01.05, S. 22) • Nationalmannschaft f. – “La preparazione della Nationalmannschaft” dt.

Fußballmannschaft, Vorbereitung auf die Fußball-WM (AA 31.08.05, S. 30) • Turner m. – “[…] dal pangermanismo del movimento dei Turner (ginnasti)” (ROM3

2001, S. 27) • Turnfest n. – “piccole Turnfeste” (ROM3 2001, S. 27) • Turnverein m. – “Le società ginniche (Turnvereine) tirolesi” (ROM2 2005, S. 26); “Verso

la fine dell’Ottocento quasi tutti i Turnvereine espulsero i soci ‘non ariani’” (ROM2 2005, S. 27)

• Turnbewegung f. – “Lungo l’Ottocento si era diffuso in tutto il mondo tedesco il

‘movimento della ginnastica’ (Turnbewegung).” (ROM2 2005, S. 26) • Sportverein Lana m. – „La formazione locale ha prevalso […] sull’ostica formazione dello

Sportverein Lana“ (AA 30.04.05, S. 27) • Sporthilfe f. - “altro contributo della Maratona alla Sporthilfe per complessivi 6.500 euro”

(AA 04.06.05, S. 35) • Bauernreiten n. – „Agli inizi del secolo si dotò di un moderno campo sportivo, in cui si

poteva assistere anche a manifestazioni ippiche, sia internazionali che popolari (Bauernreiten, ‘corse contadine’).” (ROM2 2005, S. 26)

• Lutz m. – „anche ieri Carolina è caduta nel secondo salto, questa volta il triplo

lutz.“Drehsprung beim Eiskunstlauf, benannt nach dessen österreichischem Erfinder Alois Lutz (AA 30.01.05, S. 46); “ha proseguito il programma senza alcuna esitazioni sul doppio Axel, nel triplo Salchow e nel triplo Lutz.” (AA 30.01.05, S. 46)

• Rittberger m. <<rittberger>> – „il triplo Rittberger“ Eiskunstlauffigur, benannt nach dem

Erfinder Werner Rittberger (AA 28.01.05, S. 44)

Folgende Germanismen aus dem Sportbereich konnten leider nicht durch Beispiele aus dem

für diese Arbeit angelegten Korpus untermauert werden, seien der Vollständigkeit halber aber

dennoch hier angeführt:108

107 DeMauro 2001: 469 108 vgl. Parole dello Sport: http://www.sapere.it/tca/MainApp?srvc=vr&url=/6/c_4_x

144

• Zickzack m. – “Zigzag” z.B. im Ski-Slalom109 • Vorlage f. – Ski, nach vorne geneigte Körperhaltung Spiele • Watten n. – “un torneo di ‘Watten’, il popolare gioco di carte con le ghiande e i palloni”

(AA 13.05.05, S. 21); “Torna il Watten sotto le stelle” (AA 06.06.05, S. 12) • Preiswatten n. <watten a premi110> – “il tradizionale ‘Preiswatten’” (AA 22.02.05, S. 27) • Volkstanzgruppe f. – “[…] è una pedina stabile del ‘Volkstanzgruppe’” (AA 19.07.05, S.

25); “esibizione della formazione ‘Volkstanzgruppe’ di Sant’Andrea” (AA 24.09.05, S. 40); “il ‘Volkstanzgruppe’” (AA 30.04.05, S. 29)

• Schuhplattler m. – “alle ore 16 il tipico ballo degli ‘Schuhplattler’ di Caerna (Velturno)”

(AA 24.09.05, S. 40); “si daranno da fare anche gli Schuhplattler” (AA 13.05.05, S. 21) • Ranggeln n. – “gli incontri di ‘Ranggeln’, ovvero la tradizionale lotta a due” (AA

13.05.05, S. 21)

Der Ausdruck ‘il drittel’ stammt aus dem Hockeysport, wo es nicht zwei Halbzeiten wie im

Fußball gibt, sondern die Spielzeit in drei Drittel aufgeteilt ist. Das Substantiv ist im

Deutschen ein Neutrum, bei Übernahme ins Italienische wird es zu einem Maskulinum.

Außerdem ist das Fremdlexem konsequent kleingeschrieben und nicht mit irgendwelchen

Kommentaren versehen, was darauf schließen lässt, dass es vollständig in das italienische

Sprachsystem integriert ist. Es hätte zwar die italienische Entsprechung <terzo>, was aber

beispielsweise im Kontext “al 4’31 del terzo drittel” (AA 03.01.05, S. 23) „al 4’31 del terzo

terzo“ hieße. Es erweist sich hier als sprachlich ökonomischer und handlicher, das deutsche

Pendant zu verwenden, denn so kann eine Wiederholung desselben Wortes innerhalb eines

Syntagmas vermieden werden.

Aus dem Skisport stammt der Begriff ‚lo schuss’, der bereits im Standarditalienischen Platz

gefunden hat. Der Artikel bleibt bei der Entlehnung ins Italienische maskulin, passt sich aber

den Regeln der Anfangslautung im Italienischen an und wird aus diesem Grund zu ‚lo’. Im

Deutschen hat ‚Schuss’ die Hauptbedeutung ‚Abschießen eines Geschosses oder Abfeuern

einer Waffe’, im Sportjargon des Skisports erhält das Lemma aber wie im Italienischen die

Nebenbedeutung ‚schnelle, ungebremste Fahrt’ (DudenUW 2001: 1413).

109 Wobei es nicht ganz ausgeschlossen ist, dass es sich bei „Zickzack“ nicht möglicherweise um einen Französismus handelt. 110 vgl: “una gara di watten a premi” (AA 14.02.04, S. 36)

145

Als ‚la Nationalmannschaft’ wird stets die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bezeichnet,

besonders seit der letzten Fußballweltmeisterschaft, die 2006 in Deutschland stattgefunden

hat. Ähnliches ist aus dem Französischen zu berichten, wo ‚la Mannschaft’ schon länger als

Bezeichnung für die deutsche Fußball-Nationalelf gebräuchlich ist. Dieser Ausdruck ist dort

analog zu der im Deutschen verwendeten Bezeichnung ‚squadra azzurra’ für die italienische

Nationalmannschaft zu sehen (vgl. Limbach 2007: 80).

Aus dem vom Nationalsozialismus vorgeschlagenem Programm zur körperlichen

Ertüchtigung der arischen Rasse stammen folgende Bezeichnungen, die jedoch nicht ins

Italienische integriert sind, da sie entweder kursivgeschrieben, in Klammern gesetzt oder

erklärt werden. Interessehalber werden sie dennoch hier angeführt: ‚i Turner’, ‚le Turnfeste’,

‚i Turnvereine’ und ‚Turnbewegung’.

Mit ‚lo Sportverein Lana’ wird ein Eigenname, eine deutsche Vereinsbezeichnung ins

Italienische übernommen, der Artikel an das phonetisch bedingte Artikelsystem angepasst.

Höchstwahrscheinlich handelt es sich hierbei um einen ausschließlich deutschsprachigen

Verein, sodass erst gar nicht nach einer italienischen Übersetzung gesucht wird.

Auch die Organisation ‚Sporthilfe’ wird als Eigenname ins Italienische Lexikon

aufgenommen und behält das weibliche Artikelgeschlecht bei: ‚la Sporthilfe’. Dadurch, dass

es sich um eine Eigennamenübernahme handelt, wird auch an der Großschreibung der

Bezeichnungen nichts verändert. Inkonsequent großgeschrieben wird hingegen der Name

‚Lutz’, mit dem eine Eiskunstlauffigur bezeichnet wird. Der Lutz ist ein Drehsprung, der nach

seinem Erfinder Alois Lutz benannt wurde- also wiederum eine Eigennamenübernahme.

Ebenso verhält es sich mit der Eiskunstlauffigur ‚Rittberger’, die nach ihrem Erfinder Werner

Rittberger benannt wurde. Das ursprüngliche Artikelgenus (maskulin) wird beibehalten. Die

Bezeichnung der Eiskunstlauffigur ist ins Italienische integriert, wird aber im oben stehendem

Beleg nicht wie im Standarditalienisch klein- sondern großgeschrieben. Kursiv geschrieben,

in Klammern gesetzt, mit einem Kommentar versehen und folglich nicht integriert ist

hingegen der Sport des ‚Bauernreiten[s]’.

Ein weiterer typischer Südtiroler Sport ist das ‚Ranggeln’, im oben angeführten Beleg leider

ohne Artikel, dafür aber mit Anführungszeichen und einer nachfolgenden Erläuterungen

versehen. Der Begriff ist großgeschrieben und scheint nicht sehr weit in das Italienische

eingedrungen zu sein.

Ein unter Südtirolern sehr beliebtes Kartenspiel ist ‚das Watten’, das im Italienischen

maskulin wird: ‚il Watten’. Mit dem Spiel wird also auch die Bezeichnung übernommen.

Infolgedessen gibt es natürlich auch keine Entsprechung im Italienischen. An der

146

Großschreibung ändert sich nichts. Manchmal wird das Wort zwar unter Anführungszeichen

gesetzt und mit einer nachfolgenden Erklärung versehen, es ist jedoch davon auszugehen,

dass zumindest der Name des Spiels den Italienern in Südtirol bekannt sein dürfte und die

Bezeichnung aus diesem Grund als integriert einzustufen ist. Auch ‚das Preiswatten’ gibt es-

allerdings nur unter Anführungszeichen und aus diesem Grund augenscheinlich nicht

integriert.

Viele Südtiroler gehören in ihrer Freizeit einer Volkstanzgruppe an. Im Italienischen hat das

Lexem ‚il Volkstanzgruppe’ den Charakter eines Eigennamens. Das feminine Substantiv wird

im Italienischen interferenzbedingt maskulin (� il gruppo). Außerdem wird es immer

großgeschrieben und unter Anführungszeichen gesetzt, was auf einen nicht sehr hohen

Integrationsgrad hinweist. Erklärungen werden jedoch keine hinzugefügt.

Ein traditioneller Südtiroler Tanz ist das ‚Schuhplatteln’. Die Tänzer bezeichnet man als ‚die

Schuahplattler’. Bei Übernahme in die Nehmersprache wird das Fremdlexem nicht immer

unter Anführungszeichen gesetzt, was eine gewisse Bekanntheit dieses traditionellen Tanzes

voraussetzt. Gemäß der Anfangslautsregelung wird das Substantiv im Italienischen vom

Artikel ‚lo/gli’ begleitet, da s + Konsonant folgt.

10.2.11. Mode

Die im Bereich der Mode vorkommenden deutschen Entlehnungen im Südtiroler Italienischen

sind Bedürfnislehnwörter, da sie mit den Gegenständen, die sie bezeichnen, übernommen

werden. Meist handelt es sich dabei um typische (Süd-)Tiroler Kleidungsstücke:

• Tracht f. – „[…] del costume popolare tipico, il ‚Tracht’ (CA 14.07.05, S. 1); “gli abiti tradizionali (i ‘Tracht’) (AA 07.12.05, S. 34); “Il Tracht, simbolo della Heimat” (CA 14.07.05, S. 1); “il ‘Meraner Miedertracht’ (costume tradizionale di Merano)” (AA 17.09.05, S. 43)

• Loden m. <<loden>> – “Noi lavoriamo con materiali tipici: dal Loden austriaco al velluto

a coste” (AA 20.02.05, S. 26) • Lodenmantel m. <mantello di loden> “Lodenmantel” (RIED 1972, S. 38) • Dirndl n. – “una sfilata di ‘Dirndln’, i costumi tipici tirolesi” (AA 04.09.05, S. 10) • Walker m. – “Walker” (RIED 1972, S. 38) • Schürze f. – “i caratteristici ‘Schürzen’, i grembiuli blu” (AA 04.09.05, S. 30)

147

• Sarner m. – “l’attenzione si è così concentrata su una donna, capelli corti e bianchi, ‘Sarner’ e gonna alle caviglie” (AA 21.02.05, S. 12)

Charakteristisch für die Tiroler Mode ist die ‘Tracht’ (feminin), die bei der Entlehnung ins

Italienische einen maskulinen Artikel erhält (‚il Tracht’). Wahrscheinlich erfolgt dies aus dem

Grund, dass die am ehesten in Frage kommende, am nächsten liegende Übersetzung <il

costume tradizionale> maskulin ist. Die Entlehnung ‚Tracht’ scheint im Italienischen aber

offensichtlich immer noch ein Zitatwort zu sein, denn entweder wird ‚Tracht’ unter

Anführungszeichen gesetzt, hinter der italienischen Erläuterung in Klammern gesetzt

und/oder mit einer kurzen vorausgehenden oder nachgestellten Erklärung (auch in Klammern)

versehen, wie in den oben angeführten Belegen ersichtlich ist. Auch der ‚Meraner

Miedertracht’ widerfährt dasselbe Schicksal. Es ist dies eine nahezu unübersetzbare

Spezialbezeichnung.

‚Loden’ ist ein Lehnwort, das bereits im Standarditalienischen Eingang gefunden hat. Damit

wird ein grober, filzartiger Wollstoff bezeichnet, der imprägniert und meist grün, braun oder

grau ist. Besonders häufig wird Jäger-, Wander- oder Trachtenkleidung daraus hergestellt

(DudenUW 2001: 1026). Sehr viele (Süd-)Tiroler deutscher und italienischer Muttersprache

tragen im Winter auch ‚Lodenmäntel’. Beide Wörter werden im schriftlich fixierten Südtiroler

Italienisch großgeschrieben, das Genus des Artikels bleibt unverändert.

Auch das ‚Dirndl’ liegt hoch im Trend. Im angeführten Beleg wird sogar der im Deutschen

richtige Plural ‚Dirndln’ verwendet. Leider wurde hier kein Artikel beigefügt, sodass man

über das grammatikalische Genus nur spekulieren kann. Höchstwahrscheinlich ist der Artikel

in Analogie zur ‚Tracht’ maskulin. Auch hier hat der Ausdruck wieder Zitatcharakter, da

sowohl eine nachfolgende Erklärung beigefügt, als auch das Wort selbst unter

Anführungszeichen gesetzt wurde: “una sfilata di ‘Dirndln’, i costumi tipici tirolesi” (AA

04.09.05, S. 10).

Riedmann führt als Beispiel noch den ‚Walker’ an, ein typisch tirolerisches Jäckchen aus

festem Wollstoff. Ursprünglich kommt der Name dieses Kleidungsstücks laut Schatz aus dem

Althochdeutschen ‚walchan’ (bzw. ‚walkan’), was unter anderem „dicht machen“ oder

„verfilzen“ bedeuten kann (vgl. Schatz 1955: 685; Schade 1969: 1082) Im

Mittelhochdeutschen ist ‚wall-geheder’ die Bezeichnung für ein Wanderkleid (Hennig 1998:

446). Im Dialekt steht ‚wålch’ für ein verworrenes, zerrüttetes Gewebe oder ein zerknittertes

Tuch (vgl. Schatz 1955: 685). Es ist anzunehmen, dass auch der ‚Walker’ dergestalt

beschaffen ist. Auch hier wird der Artikel im Italienischen nicht angegeben. Es wird aber

angenommen, dass er wie im Deutschen maskulin ist.

148

Auch noch nicht vollständig in das Italienische integrierte Bezeichnungen für Tiroler

Kleidungsstücke sind einerseits die typische blaue ‚Schürze’, die im Dialekt unter ‚Firtîg’

(Fürtuch/Vortuch) bekannt ist, und der ‚Sarner’, eine aus meist grauer oder brauner

Schafwolle rechtsmaschig gestrickte Jacke. Das feminine Artikelgeschlecht des deutschen

Ausdrucks ‚die Schürze’ wird bei der Entlehnung maskulin, in Anlehnung an das italienische

Pendant für Schürze <il grembiule>. In Bezug auf ‚den Sarner’ ist das grammatikalische

Geschlecht im Italienischen aus dem Kontext nicht ableitbar, müsste aber maskulin sein, da

die Bezeichnung ‚der Sarner’ auch auf einen Menschen angewandt werden könnte, der aus

dem Sarntal stammt.

10.2.12. Varia

• gemütlich Adj. <confortevole/ accogliente> - „Dove si riesce a respirare un’atmosfera

‚gemütlich’“ (MMS 2001, S. 72); “Mi piace un posto ‘gemütlich’, ma non affollato!” (MMS 2001, S. 138); „è molto gemütlich qui“ (Weber-Egli 1992, S. 112)

• volkstümlich Adj.<popolare/ popolaresco> – “fino all’ideologia volkstümlich dello ‘sport

clandestino’ sudtirolese, orientato alla concezione razzista e militarista del Terzo Reich” (ROM3 2001, S. 14)

• Mediengipfel m. – „la partecipazione al ‚Mediengipfel’ a Berlino” (AA 01.07.05, S. 27) • Deutsche Bahn f. – “Deutsche Bahn” (AA 21.08.05, S. 13) • Tagesmutter f. <mamma che durante il giorno guarda altri bambini (dietro compenso)111>

– „i servizi di Tagesmütter“ (AA 01.07.05, S. 13); “[…] la cooperativa Tagesmutter a gestire la Casa del Bimbo nella zona produttiva a sud della città” (AA 24.06.05, S. 31); “Di Tagesmutter ne abbiamo poco meno di 70” (AA 24.06.05, S. 31)

• Kurdirektor m. – “del Kurdirektor” (AA 10.10.05, S. 12) • Kurstadt f. – „lo sviluppo medico-turistico della ‚Kurstadt’“ Meran (AA 15.09.05, S. 31) • Gasthof m. <ristorante/ trattoria> – “l’elenco dei ristoranti e delle Gasthöfe” (AA

19.10.05, S. 32) • Gasthaus n. <ristorante/ trattoria> - “esistevano a Salorno numerosi alberghi, osterie e

Gasthäuser” (AA 21.07.05, S. 24); “gli sperduti Gasthaus di montagna” (AA 12.08.05, S. 26)

• Wipptal n. <Val di Vizze> – „Casse Rurali Wipptal“ (AA 20.07.05, S. 28)

111 Langenscheidt: 927

149

• Osttirol – “l’Osttirol” (AA 11.01.05, S. 11) • Ötztal n. – “nell’Ötztal” (AA 19.04.05, S. 11) • Vorarlberg – „del Vorarlberg“ (AA 07.05.05, S. 21) • Schwarzenbach m. <rio nero> – “lo Schwarzenbach” Auer (AA 31.03.05, S. 26) • Waalweg n. – „i Waalwege sono un originale reticolo“ (AA 31.03.05, S. 33); “lungo il

Waalweg di Lana-Cermes-Marlengo” (AA 31.03.05, S. 33) • Weinstraße f. <strada del vino> – “al comitato della Weinstrasse” alternativ zu strada del

vino (01.03.05, S. 26); “lungo la ‘Weinstrasse’” (AA 13.07.05, S: 26) • Umfahrungsstraße f. <circonvallazione> – “l’Agip della Umfahrungsstrasse ad Appiano”

(AA 08.05.05, S. 29) Austriazismus (Langenscheidt 2003: 947)

Limbach konstatiert zum Germanismus ‘gemütlich’ im Englischen:

“Als Wörter für typisch deutsche Phänomene erscheinen gemuetlichkeit/ gemuetlich,

wanderlust und weltanschauung“ (Zitat Limbach 2007: 14). Die Deutschsprachigen finden

eher ihr Zuhause oder ihre Stammkneipe gemütlich, während die Englischsprachigen eher an

ein Volksfest à la Oktoberfest denken, wo sie mit Bier, Blasmusik und Trachten in einem

Bierzelt die „deutsche Gemütlichkeit“ erleben wollen (Limbach 2007: 36). Das Adjektiv

‚gemütlich’ bezeichnet im Italienischen jedoch genauso wie im Deutschen ein bequemes,

anheimelndes, behagliches Plätzchen. So finden Italiener etwa eine „Tiroler Stube“ oder eine

Alm ‚gemütlich’. Natürlich ist der Begriff mit der deutschen bzw. tiroler Gemütlichkeit

verbunden. Er drückt viel besser und treffender als die italienischen Entsprechungen

<accogliente/confortevole> die Atmosphäre aus, die an so einem Platz herrscht. Das Adjektiv

wird im italienischen Satz unflektiert in seiner Grundform angeführt und sowohl attributiv

als auch prädikativ gebraucht. Mit dem Adjektiv ‚volkstümlich’ hat es dieselbe Bewandtnis

auf sich.

Als eine Art Eigennamenentlehnung zu betrachten ist der Begriff ‚Mediengipfel, der ein

mediales Event bezeichnet, das im Jahr 2005 in Berlin stattfand. Es ist in der Belegstelle

wegen der Anführungszeichen als Zitatwort markiert. Ebenso ein Eigenname ist die

‚Deutsche Bahn’.

Eine interessante Übernahme ist die Berufsbezeichnung ‚la Tagesmutter’, die definitiv ihrer

syntagmatisch-synthetischen Ökonomie wegen (als Kompositum realisiert) ins Italienische

integriert wurde. Es gibt keine lexikalische Entsprechung im Italienischen. Die einzige im

Langenscheidt belegte italienische Umschreibung des deutschen Begriffs ist äußerst

150

umständlich, weil sie formal durch einen Relativsatz ausgedrückt wird: <mamma che durante

il giorno guarda altri bambini (dietro compenso)112>. Im Plural wird das Fremdlexem nicht

immer wie im Deutschen flektiert, sondern bleibt in der Singularform.

Aus dem Bereich der Meraner Thermenkultur sind ‚il Kurdirektor’ und ‚la Kurstadt’ ins

lokale Italienisch vorgedrungen und als Zitatworte bzw. als eine Art für die Stadt Meran

speziell gebrauchtes Epitheton ornans oder Prädikat (‚la Kurstadt Meran’) markiert.

Aus der Gastronomiekultur wurden die Begriffe ‚la Gasthof/le Gasthöfe’ (maskulines

Substantiv wird feminin) und ‚il Gasthaus’ übernommen (neutrales Substantiv wird

maskulin). Vermutlich deshalb, weil sie sich auf die typisch tirolerische Gastfreundschaft,

Gemütlichkeit und Kochtradition beziehen (vgl. ‚gemütlich’). ‚Gasthaus’ wird in einem der

oben angeführten Beispiele weder an die deutsche noch an die italienische Pluralbildung

angepasst und bleibt singular.

Die restlichen deutschen Entlehnungen sind entweder Orts- oder Gebietsbezeichnungen,

Straßen- oder Wegnamen oder Flussnamen. Alternativ zum italienischen Ausdruck <Val di

Vizze> wird oftmals die deutsche Bezeichnung ‚Wipptal’ in italienischen Artikeln verwendet.

Dasselbe gilt für das Lexem ‚la Weinstrasse’, das alternierend zum italienischen Pendant

<Strada del vino> verwendet wird, und der Flussname ‚lo Schwarzenbach’ (Artikel gemäß

der it. Anfangslautregel: ‚lo’). Die Bezeichnungen der Gebiete ‚l’Osttirol’, ‚l’Ötztal’ und ‚il

Vorarlberg’ werden übernommen, da es sich um österreichische Orts- bzw. Eigennamen

handelt. Ein Eigenname ist auch der für Südtirol typische ‚Waalweg’, der im Italienischen am

ehesten mit <itinerario tipico> wiedergegeben bzw. umschrieben werden könnte.

Bei ‚la Umfahrungsstrasse’ handelt es sich um einen Austriazismus. Im Italienischen stünde

diesem Kompositum der äquivalente Ausdruck <circonvallazione> gegenüber. Warum das

deutsche Wort in vorliegendem Beleg jedoch dem italienischen vorgezogen wird, lässt sich

jedoch nicht erkennen; allenfalls könnten die Motive „journalistische Faulheit“ oder

Zeitknappheit der Grund für diesen Germanismus sein.

112 Langenscheidt: 927

151

10.3. Einordnung der Entlehnungen nach pragmatisch-funktionalen Aspekten

10.3.1. Der kommunikativ-pragmatische Fakor

In Kapitel 10.2. wurden die deutschen Fremdlexeme in der italienischen Sprache nach

Sachgebieten gegliedert und in einem zweiten Schritt einer umfassenden linguistischen

Analyse unterzogen. Die Entlehnungen wurden auf ihre jeweilige Lehnmotivation hin

beleuchtet, indem die linguistischen Faktoren Onomasiologie und Sprachökonomie und der

extralinguistischen Faktor Kommunikation/Pragmatik untersucht wurden. In diesem Kapitel

geht es nicht um eine Sachgliederung der Ausdrücke, sondern um eine kommunikativ-

pragmatische Einordnung am Beispiel der Symptom- und Signalfunktion.

10.3.2. Deutsche Ausdrücke mit Symptom- und Signalfunktion

Laut Weber erscheinen in Titeln oft einfache deutsche Wörter mit Signalwirkung. Einerseits

können diese darauf hinweisen, dass sich der folgende Bericht um ein für Deutschsprachige

relevantes oder von Deutschen handelndes Thema dreht, andererseits will der Autor mit dem

exotisch wirkenden Begriff die Aufmerksamkeit des Lesers erregen (Weber 1998: 204). Die

am häufigsten vorkommenden aufmerksamkeitserregenden Entlehnungen sind den

Ausführungen Webers zufolge die Interjektion ‚Achtung-…’, der erste Vers des

Deutschlandliedes ‚Deutschland, Deutschland über alles’, die Partikeln ‚ja’, und ‚nein’, die

idiomatische Wendung ‚Zimmer frei’ und oft metaphorisch verwendete, bereits integrierte

Ausdrücke wie etwa ‚blitz’ (vgl. Weber 1998: 204). Nicht selten wird einem deutschen Wort

wegen seines Klangs der Vorzug gegeben, auch wenn der Inhalt durch ein Wort aus der

eigenen Sprache ausgedrückt werden könnte. Deutsche Wörter klingen mitunter relativ „hart“

und „barsch“. Im Englischen zum Beispiel erfolgen Hundekommandos auf Deutsch.

Limbach nennt etwa „Hopp! Aus! Sitz! Pass auf! Pfui! Such!“ (vgl. Limbach 2007: 15).

Außer den von Weber bereits genannten einfachen deutschen Wörtern mit Signalwirkung

wurden im Korpus auch noch folgende ausfindig gemacht:

• „Gute Nacht Alto Adige“ Schlagzeile (AA 21.07.05, S. 1) • “L’Italia agli italiano. Raus“ (AA 06.07.05, S. 31)

152

• “Governo con la destra? Nein, danke” Schlagzeile, Luis Durnwalders Antwort auf die Koalition mit der Rechten (AA 14.06.05, S. 18)

• Troppi nein, caro Luis“ Titel, Leitartikel, Giustino di Santo, prefetto della Repubblica

(AA 19.07.05, S. 13) • “Turismo, ‚Zimmer frei’ anche a Ferragosto” Das Ausbleibern der deutschen Turisten in

Meran (AA 12.08.05, S: 26) • Deutschland, Deutschland über alles – „Le sciabole delle confraternite studentesche di

destra, i cappelli piumati, le medaglie di Schützen al petto e ‚Deutschland Deutschland über alles’ perché l’ottica era quella delle camicie brune altro che Sudtirolo libero.” Anspielung auf das Deutschlandlied (AA 06.03.05, S. 10)

• Über alles – „come un manager guidato dalla logica dell’efficienza ‘über alles’ (AA

13.09.05, S. 29); “Über alles c’è Trezeguet” Sport, Schlagzeile (AA 03.11.05, S. 35) • „Ein Prosit in Tarvis“ Unterüberschrift (AA 11.11.05, S. 27) • „König Achmüller“ Sport, Schlagzeile; in Bayern Athlet Hermann Achmüller Gewinner

(AA 10.10.05, S. 37)

Provokant und ironisch gebraucht wird das deutsche Wort im folgenden Beleg. Im Text geht

es um die Auflistung der am häufigsten in Südtirol vorkommenden Nachnamen. Es wird

darauf angespielt, dass die Nachnamen nicht nach italienischer und deutscher Sprachgruppe

getrennt aufgelistet wurden. Die Angst vor der sprachlichen Vermischung bzw. der

Assimilation ist seit dem Faschismus in den Köpfen der deutschsprachigen Bevölkerung als

nur schwer zu tilgendes Trauma verhaftet.

• “un po’ di ‘Vermischung’ non guasta” Nachnamen nicht nach it./dt.getrennt aufgelistet, (AA 21.09.05, S. 19)

Im nun folgenden Beispiel erfüllt der deutsche Ausdruck die Funktion, eine Gemeinsamkeit,

also einen Verbundwert herzustellen. Durch den Gebrauch des heimelig anmutenden

dialektal geprägten ‚Rittner Buam’, wird diese Funktion erfüllt.

• „Ron Ivany, tecnico dei Rittner Buam, crede nella potenzialità della sua squadra.” Hockey Renon-Alleghe (AA 03.12.05, S. 42)

Durch das Anführen des deutschen Kosenamens für den Bären, ‚Meister Petz’, wird der

Sympathiewert für das bedrohliche Raubtier gesteigert, seine Gefährlichkeit abgemildert.

Der deutsche Ausdruck hat also eine Art Verniedlichungsfunktion.

153

• “Per nulla intimorito, ‘Meister Petz’ – così chiamato dalla popolazione di lingua tedesca con un vezzeggiativo che ricorda un noto personaggio delle fiabe” (AA 04.06.05, S. 30)

Bekannte deutsche Ausdrücke werden vor allem in Überschriften auch metaphorisch

gebraucht. Hauptsächlich in der Sprache des Sports greift man zu Metaphern, wie man an den

folgenden Belegen erkennen kann. Die Begriffe ‚Panzer’ und ‚Bunker’ drücken

beispielsweise die Stärke und Unbezwingbarkeit der genannten deutschen Mannschaften aus.

Diese Stilfigur will die Aufmerksamkeit des Lesers erregen. Auch in der Politik werden

Metaphern verwendet, wie am letzen Beispiel deutlich wird.

• “Valzer delle punte: Simon Inzaghi verso la Samp per Bazzani alla Lazio” Sport, Unterüberschrift (AA. 03.01.05, S. 16)

• Panzer m. – „I Panzer andranno in ritiro in Sardegna“ Bezeichnung für die dt.

Fußballmannschaft (AA 31.08.05, S. 30) • Bunker m. – „Una cannonata dal bunker biancorosso“ Schlagzeile, Fußballspiel Salò-

Bozen (AA 24.01.05, S. 20)

• Quindi il sindaco deve essere corretto e non giocare, come invece sembra fare, solo a “Schwarze Peter” (il gioco dove se “peschi” il cagnolino nero hai già perso)” Wahlkampf Benussi (AA 13.06.05, S. 7)

10.4. Einordung der Entlehnungen nach systemhaften Aspekten

10.4.1. Phonetischer, graph(em)ischer und morphologischer Grad der Integration

In Hinblick auf sprachsystemische Aspekte sind die meisten Übernahmen formal gesehen

Substantive bzw. mehrgliedrige Nominalsyntagmen. Äußerst selten werden die deutschen

Lehnwörter an die indigene Morphologie angeglichen. Die einzigen morphologisch

angepassten Substantive sind ‚bombosseri’, ‚laita’, ‚crauti’, ‚canederli’, ‚caiserlicchi’ und

‚finferli’, die an die produktivsten italienischen Nominalklassen der -a- und o-Deklination

angepasst werden und mit italienischem Artikel bzw. Genus versehen werden. Deutsche

Komposita werden ebenfalls gerne übernommen, und zwar aus syntagmatischer Ökonomie.

Die italienischen Entsprechungen bzw. Umschreibungen sind oft durch umständliche

Präpositionalsyntagmen, Relativsätze oder (erweiterte) Nominalsyntagmen (z.B.

Substantiv+Adjektiv) realisiert und folglich analytisch. Die deutschen Komposita bringen

154

Konzepte oft viel kompakter und synthetischer zum Ausdruck: Der Begriff Tagesmutter

würde im Italienischen beispielsweise <mamma che durante il giorno guarda altri bambini

(dietro compenso)> lauten, Kulturlandschaft <ambiente antropizzato/paesaggio culturale>,

Parteiausschuss <comitato di partito>, Altstadtfest <festa del centro storico>,

Lawinensuchhund <cane da valanga/ -ghe> und Landeshauptmann <il presidente della giunta

provinciale/il presidente della provincia>. Eine besonders interessante Komposita-Entlehnung

ist ‚la Rettungshundestaffel’, für die es im Italienischen keine Entsprechung zu geben scheint.

Oft erfahren Artikel bei der Übernahme ins Italienische einen Genuswechsel, was ein erstes

Anzeichen für den Integrationsgrad des deutschen Ausdrucks im Italienischen sein kann. Dies

geschieht entweder aufgrund der Tatsache, dass es im Italienischen kein Neutrum gibt und

ergo eine Ersatzlösung gefunden werden muss, die meistens eher maskulin als feminin

ausschaut, oder interferenzbedingt, d.h. das Genus der am nahe liegendsten italienischen

Entprechung wird übernommen (‚il Sammelpartei’ � il partito; ‚il diktat’ � il dettato; ‚il

Tracht’� il costume; ‚la Dorffest’ � la festa; ‚la Haus der Kultur’ � la casa). Meistens

werden im Italienischen die Substantive in der korrekten deutschen Pluralform angeführt.

Mitunter aber werden deutsche Substantive, die im Italienischen plural verwendet werden,

nicht an die morphologischen Kategorien Numerus und Kasus des Deutschen angepasst,

bleiben folglich unflektiert und als „falscher Plural“ in der Singularform stehen (‚i

Maturaball’; ‚gli Gasthaus’). Die italienische Artikelform richtet sich bei der Übernahme des

Lehnguts nach den in der Replikasprache geltenden Regelungen bezüglich des

grammatischen Geschlechts und des Anfangslautes des Substantivs. Infolgedessen lautet

der bestimmte Artikel vor einem Vokal als Anfangslaut im Singular „l’“ (= f. + m.) und im

Plural „gli“ (m.) oder „le“ (f.).

• ‚l’Altstadtfest’ (f. Sg.); ‚l’Obmann (m. Sg.)

• ‚le Ansitz’ (f. Pl.) ; ‚gli Arbeitnehmer’ (m. Pl.)

Selbst vor Akronymen macht die Anfangslautregelung nicht Halt. So wird die ‚SVP’

mitunter sowohl vom Artikel „lo“ (wegen s + Konsonant) als auch vom Artikel „l’“

(phonetisch bedingt: SVP wird „Ess-Fau-Pe“ ausgesprochen) begleitet. Dahingestellt sei, ob

es sich bei letzterem um einen femininen oder einen maskulinen Artikel handelt.

Sehr häufig werden deutsche Wörter, die mit <H> anfangen, im Italienischen mit dem Artikel

„l’“ respektive „gli“ versehen, der eigentlich nur vor Vokal steht. Wenn im Deutschen ein

Wort mit /h/ beginnt, spricht man phonetisch vom gehauchten Vokaleinsatz. Diesen

aspirierten Vokaleinsatz gibt es im Italienischen nicht. Aus diesem Grund lassen Italiener

beim Sprechen das <H> am Anfang entweder weg oder vermischen feste und gehauchte

155

Vokaleinsätze (����ose statt Hose) (vgl. Kaunzner 1997: 52). Dieses für das gesprochene

Italienisch geltende Phänomen wird auf das Südtiroler Schriftitalienisch übertragen, wo das

/h/ am Anfang eines Wortes gewissermaßen übergangen wird und ziemlich „stumm“ ist. Was

zählt, ist der darauf folgende Vokal. So heißt es beispielsweise: ‚l’hackbrett’,

‚l’Heimatbühne’, ‚gli Hauswurst’, das Akronym ‚dell’Hgv’ (ausgesprochen: „����A-Ge-Fau“)

und ‚l’Heimatschutz’. Daneben gibt es aber auch konsonantisch betrachtete /h/’s mit

entsprechendem Artikel bzw. Präpositionalartikel wie etwa ‚dello Heimatbund’, ‚la

Heimat’, ‚il Hitlergruss’ und ‚della Hitlerjugend’.

Vor maskulinen Nomina, die mit <s> + Konsonant beginnen113 und vor dem Anfangslaut

/��������/ (graphisch <z>) wird der Artikel „lo“ (Sg.) und „gli“ (Pl.) gesetzt:

• ‚lo strudel’ (Sg.); ,lo Sportverein’ (Sg.); ‚lo zelten’ (Sg.)

• ,gli Strauben’ (Pl.)

Selbst Ausdrücke, die im Deutschen mit dem Frikativlaut /����� beginnen, der phonetisch im

Grunde genommen nur ein einziger (Zisch-)Laut ist und keine Konsonantenverbindung wie

etwa die Affrikate /ts/, werden an die italienische Anfangslautregelung angepasst. Hier

erkennt man, dass diese deutschen Lexeme wohl schriftlich übernommen worden sind, denn

graphematisch wird /����� bzw. <sch> durch s + (sogar mehrere) Konsonanten wiedergegeben.

• ‚lo Schützenbund’ (m. Sg.)

• ‚gli Schlutzkrapfen’; ‚gli Schützen’ (m. Pl.)

Ähnliches gilt für die unbestimmten Artikel „un/ un’/ uno/ una/“: Vor maskulinen

Substantiven, die mit einfachem Konsonanten oder Vokal beginnen, wird „un“ gesetzt, vor

<s> gefolgt von einem Konsonanten und vor /��������/ wird der Artikel „uno“ gesetzt. Bei einem

Femininum wird vor Konsonant der Artikel „una“, vor Vokal „un’“ angeführt.114 Die

Distinktion zwischen maskulin und feminin gestaltet sich neben den vom Artikel ‚l’“

begleiteten Substantiven besonders schwierig bei den „preposizioni proprie/ semplici“ a, in,

di, da und su (auch con und per), denen ein bestimmter Artikel männlichen oder weiblichen

Geschlechts enklitisch angehängt wird. Man nennt diese so flektierten Präpositionen im

Italienischen „preposizioni articolate“ (Dardano/Trifone 1985: 96). Sie werden unter anderem

zur Bildung der Kasus herangezogen, die im Italienischen nicht wie im Deutschen

synthetisch, sondern durch Präpositionalsyntagmen, also analytisch, ausgedrückt werden. So

wird etwa der Dativ (im Satz = „complemento di termine“) mit Präp. „a“ + best. Artikel

113 (s + Konsonant wird auch „s [sprich: esse] impura“ genannt) 114 vgl. Langenscheidt 2003: 3’f

156

gebildet, der Genitiv (bzw. mit Präp. „di“ und best. Artikel (vgl. Renzi 1991: 508; 513). Die

Präpositionalartikel „all’, sull’, dell’, dall’ und sull’ (Präposition + Artikel „l’“) könnten

theoretisch sowohl maskulin als auch feminin markiert sein. Deswegen konnte man auch nicht

immer mit absoluter Sicherheit das jeweilige Genus des Ausdrucks bestimmen (vgl.

‚dell’Anschluss’).

Auf die Nomina folgt eine sehr geringen Anzahl an desubstantivierten und an die

Morphologie der italienischen Sprache angepassten Verben (‚umlautizzare’ � Umlaut;

‚‚fieterar’ � Fütterer; ‚�brisár’ � Spritze), die häufig im Trentiner Dialekt des Unterlandes

auftauchen. Diese Verben stammen aus dem deutschen bzw. mundartlich markierten

Fachwortschatz des Agrarsektors, wo die deutsche Sprachgruppe seit jeher dominierte und in

dem auch Welschtiroler beschäftigt waren. Die Welschtiroler in Südtirol passten sich

sprachlich an, übernahmen deutsche Ausdrücke und mit fortlaufender Zeit glichen sie diese an

die Morphologie und Phonetik des Trentinischen an. Aufallend ist, dass das desubstantivierte

Verb durch Suffigierung die im Italienischen die Verbalendung der produktivsten

Flexionsklasse (der ersten) –are erhält. Nicht an die indigene Morphologie angepasst und

folglich im Italienischen als Zitatwort verwendet wird das deutsche desubstantivierte Verb

‚fensterlen’ (� Fenster).

Die einzigen übernommenen Adjektive sind die desubstantivierten Ausdrücke ‚hitleriana’ �

Hitler‚mitteleuropeo’ � Mitteleuropa und die Lexeme ‚volkstümlich’ und ‚gemütlich’, die im

Satz in ihrer unflektierten Form attributiv oder prädikativ gebraucht werden.

Zur (Ortho-)Graphie ist anzumerken, dass die deutschen Entlehnungen im Südtiroler

Schriftitalienisch fast konsequent großgeschrieben werden. Nur wenige im

Fremdwortschatz des (Gesamt-)Italienischen verzeichneten Lehnwörter wie etwa ‚blitz’,

‚leitmotiv’, ‚diktat’, ‚lieder’, ‚bunker’ oder ‚föhn’ werden teilweise kleingschrieben115. Die

graphische Nicht-Anpassung der deutschen Fremdlexeme an die übliche indigene Graphie

(Anfangsminuskel bei Substantiven) ist in Bezug auf das Südtiroler Italienisch jedoch nicht

unbedingt und zwingend ein Faktor für den Integrationsgrad derselben, sondern ein eher

unerhebliches bis vernachlässigbares Kriterium. Man kann diesen Umstand als ein für das

Südtiroler Schriftitalienisch typisches Charakteristikum betrachten. Dieses Phänomen ist auf

die Tatsache zurückzuführen, dass die in Südtirol ansässigen Italiener bereits in der

Volksschule Deutsch als Zweitsprache lernen und somit relativ früh mit der deutschen

Sprache, ihrem morphologisch-grammatikalen, phonematischen und (ortho-)graphischen

115 Ich halte mich hier an DeMauro, Tullio/ Mancini, Marco (2001): Dizionario delle parole straniere nella lingua italiana.

157

System in Kontakt treten. Aufgrund des zuletzt genannten Motivs und auch aus einer Art

Neigung zur Hyperkorrektheit wird bei der Entlehnung der deutschen Fremdlexeme ins

Südtiroler Italienisch auch höchstwahrscheinlich die Großschreibung der Nomina beibehalten

werden.

Der italienischen Phonetik/Phonologie fremd sind die gerundeten Vokale [y]�(geschl. kurzes

<ü>), [y����] (geschl. langes <ü> und [Y] (off. kurzes <ü>) und die Laute�[�]�(geschl. kurzes

<ö>), [�����]� (geschl. langes <ö>) und� [] (off. kurzes <ö>). Das Italienische kennt des

Weiteren in seinem Graphemsystem den Umlaut <ä> nicht. In der mündlichen

Sprachverwendung tendieren Italiener deshalb eher dazu, das „ü“ aufgrund der Ähnlichkeit

als „u-“ oder „i-Laut“ auszusprechen, das „ö“ hingegen als „o-“ oder „e-Laut“ (vgl.

Kaunzner 1997: 23; 39). Für die schriftlichen Belege ist anzumerken, dass die Südtiroler

Italiener eher selten die Umlaute „ä“, „ü“ oder „ö“ weglassen bzw. umformen, was, wie

bereits erwähnt, sicherlich auf ihre sprachliche Bildung/Kompetenz zurückzuführen ist. Für

die eher selten erfolgende Anpassung an die italienische Graphie gilt: <ü> wird entweder zu

<u> oder <ue>, <ö> entweder zu <o> oder zu <oe>, <ä> zu <a> oder <e>, so z.B. bei

‚Torggelen’ (Törggelen), ‚Boehmische’ (Böhmische), ‚Weisswurste’ (Weißwürste),

‚Ruckwanderung’ (Rückwanderung)‚ ‚Kaiserschuetze’ (Kaiserschütze), Dammer schoppen’

(Dämmerschoppen) oder ‚Graukese’ (Graukäse).

10.4.2. Sprachlich-formale Vorgeprägtheit

Zu den vorgeprägten sprachlichen Einheiten gehören Sprichwörter, Redensarten, geflügelte

Worte, Phraseologismen und kommunikative Formeln (Koller 1977: 178).

Schlagwort- bzw. zitatwortartig verwendet oder als stehende Wendungen ins Italienische

übernommen werden deutsche Phraseologismen zumeist, wenn es um Themen geht, welche

den deutschen Sprachraum und/ oder die deutsche Sprachgruppe in Südtirol betreffen. Die

deutschsprachigen idiomatischen Wendungen sind ferner als nicht ganz getrennt von der

bereits oben genannten Symptom- und Signalfunktion zu betrachten, die sie z.B. in

Schlagzeilen und Überschriften einnehmen, um die Aufmerksamkeit des Lesers zu erregen

(siehe oben).

Eine interessante Lehnübersetzung bzw. Lehnübertragung ist ‚fare blau’ für deutsch

‚blaumachen’ (Schule schwänzen). Laut Riedmann gebrauchen „Jugendliche, insbesondere

158

Schüler und Studenten, […] in ihrem Jargon den deutschen Ausdruck (lehnübersetzt)“

(Riedmann 1972: 38)

• Los von Rom– „In chiusura, il motto nazionalista e anticattolico austriaco di fine ottocento ‘Los von Rom’, ‘Via da Roma’” (AA 25.01.05, S. 12)

• Los von Trient – “Al motto di ‘Los von Trient’ (AA 25.05.05, S. IV); „Si gettano le basi

di un’esperienza nuovissima per l’Italia e l’Europa: l’autonomia. Prima regionale, dopo il ‚Los von Trient’, provinciale“ (AA 13.12.05, S. 19); „Nell’anno del ‚Los von Trient’…“ (DS 2004)

• Gott, Kaiser und Vaterland – „Sì, insomma: ‚Gott, Kaiser und Vaterland’, ma con una

robusta iniezione di pangermanismo.” (AA 06.03.05, S. 10) • Zimmer frei – „Che in zona si punti, ancora e soprattutto, sull’ospite tedesco lo testimonia

il fatto che, all’esterno di tanti esercizi ricettivi, i cartelli sono sempre gli stessi: ‘Zimmer frei’” (AA 27.07.05, S. 22); “Turismo, ‘Zimmer frei’ anche a Ferragosto” (AA 12.08.05, S. 26)

• Blut und Boden – “[…] dell’ideologia “ del Blut und Boden (‚sangue e suolo’)“ Zweiter

Weltkrieg, Motto des Nationalsozialismus (ROM1 2001, S. 186) • Das letzte Aufgebot – “Quell’ultima battaglia,’das letzte Aufgebot’ Schlacht um Andreas

Hofer (Cardini 1998, S. 39) • blaumachen – „fare blau“ (RIED 1972, S. 38)

10.5. Ausblick auf den Gebrauch von Germanismen in der gesprochenen Sprache

10.5.1. Gruß- Wunsch- und Anredeformen in der mündlichen Alltagssprache

Hier sei nur ausblickhaft und äußerst kurz das Thema Germanismen in der italienischen

Alltagssprache angeschnitten. Kramer meint schon 1981:

„In die Alltagssprache der italienischsprachigen Bevölkerung sind für den Umgang mit Deutschsprachigen und zum scherzhaften Gebrauch deutsche Anrede- und Grußfloskeln eingedrungen“ (Zitat Kramer 1981: 135)

Zu diesen deutschen Anrede- und Grußfloskeln zählen etwa:

• „Grüß Gott, Auf Wiedersehen“ (Kramer, S. 135); „un ‚gruess-gott’“ (Agostini 2005, S. 9) • „bitte, danke“ (Kramer 1981, S. 135)

159

• „Fräulein, Frau und Herr“ Kramer bemerkt zu den im letzten Beleg angeführten Anredeformen:

„Besonders bemerkenswert ist es, dass Fräulein, Frau und Herr wie signorina, signora und signore ohne Hinzufügung des Namens verwendet werden (bitte, Frau!), was im Deutschen ja nicht möglich ist.“ (Zitat Kramer 1981: 135)

Riedmann zufolge „bedienen sich Italiener mittlerer oder höherer Schichten [mitunter] ganz

bewusst und in spielerischer Form stereotyper deutscher Ausdrücke.“ (Zitat Riedmann 1972:

38). Dazu gehört etwa die phatische Floskel „wie geht es?“ (Kramer 1981, S. 38).

In Bergdörfern, wo in der Regel nur sehr wenige Italiener leben, kennen diese oft nur die

Ausdrücke „griasti“ und „guat morget“ (Landthaler 1990: 71). Hie und da gebraucht wird

auch die typisch südbairische Floskel „Vergelt’s Gott“ (für ‚danke vielmals’), die laut

Richebuono am ehesten mit „Ti rimeriti Iddio“ wiedergegeben werden könnte (RICHE 2000,

S. 33). Wenn jemand niest, wird auch oft „Helf’ Gott“ ausgerufen (“ad uno starnuto si augura

Helf’ Gott! Dio ti aiuti”; RICHE 2000, S. 33). All diese Belege für den mündlichen Gebrauch

von Germanismen im Italienischen stammen aus schriftlichen Quellen. Anzuführen wären

hier jedoch noch weitere Germanismen, die häufig in der Alltagskommunikation auftauchen,

die jedoch nur aus mündlichen Quellen stammen. Interessant dabei ist, dass den Südtiroler

Italienern, wenn sie auf deutsche Wörter in ihrer Sprache angesprochen werden, spontan

nichts einfällt.

Im Folgenden werden nun einige Beispiele aus der mündlichen Sprache samt Kontext – falls.

vorhanden bzw. rekonstruierbar - genannt, in dem sie gebraucht wurden.

Sehr oft verwendet wird das deutsche Wort ‚kaputt’. Als informelle

Verabschiedungsformel, oft scherzhaft oder „verniedlichend“ gebraucht, wird ‚Pfiati/ Fiati!’.

Auch ‚Dankeschön’ hört man immer wieder, sowohl wenn ein Italiener mit einem

deutschsprachigen Südtiroler kommuniziert, als auch mit einem gleichsprachigen

„Landsmann“ („Ciao, Dankeschön!“ in einer Bäckerei in Bozen gehört). In gleich zwei

Bäckereien gehört wurde das im Imperativ verwendete deutsche Verb ‚schau!’, als die

Verkäuferinnen den Kunden Waren über die Theke reichten („Schau, Robbi…“).

Immer öfter wird auch die bestätigende Rückmeldungspartikel ‚gell?!’ von Italienern

gebraucht. Es handelt sich in diesem Fall mit Sicherheit um ein Bedürfnislehnwort, da der

Ausdruck kein italienisches Pendant hat und somit unübersetzbar ist. Wenn einem Italiener

etwas auf die Schnelle nicht gleich einfällt, gebraucht er mitunter auch das deutsche Füllwort

‚dings…’. Das „Würstlstandl“ wird von Italienern auch oft ‚brataro’ genannt (� Bratwurst ?)

160

– wahrscheinlich deshalb, weil meistens deutschsprachige Südtiroler in diesem

gastronomischen Bereich tätig sind.

Die Italiener scheinen ferner eine besondere Vorliebe für deutsche bzw. mundartlich

markierte Kosenamen zu haben, die die Form eines Diminutivums (mit Suffix –i oder –ele

gebildet) und deshalb auch Sympathiewert bzw. eine Art „Verniedlichungsfunktion“

haben. So hört man schon mal ‚Schatzi/ Schatzele’, ‚Schneggi/ Schneggele’ oder ‚ Potschele’

(„Mamma mia, che Potschele che sei!“ - italienischer Mann zu seinem Hund. Potschele =

Bezeichnung für einen tollpatschigen Menschen). Aber auch abwertende Betitelungen

werden aus dem Deutschen übernommen. Zu nennen ist hier der mundartliche Ausdruck

‚Tschöggl/ Tschökkl’als Bezeichung für einen geistig minderbemittelten oder sich

„proletarisch“ benehmenden Menschen.

161

11. Forschungsergebnisse

Zunächst ist anzumerken, dass sich die präsumierten Verdachtsmomente bezüglich der

Distribution deutscher Lexeme im Südtiroler Italienisch bzw. der Domänen, in denen die

deutsche Sprache in Südtirol vorherrscht und somit einen besonderen Einfluss auf die

italienische Sprache ausübt, bestätigt haben. Es sind vor allem die Bereiche Politik, Südtiroler

Geschichte, Mode, Südtiroler Kultur/Brauchtum, Einrichtungen/Verbände, Landwirtschaft

und Gastronomie, die besonders aufnahmefreudig sind, was Germanismen anbelangt. Die

Entlehnungen aus diesen Gebieten sind größtenteils Bedürfnislehnwörter, da die fremde

Sache aus Notwendigkeit mit der Bezeichnung in die Replikasprache übernommen wird.

Oftmals werden die Lexeme auch ihrer syntagmatischen Ökonomie wegen übernommen

(z.B. Komposita).

Paradebeispiele aus der Fachsprache der Politik sind ‚il Landeshauptmann’, ‚l’Obmann’, ‚la

Volkspartei’ und ‚gli Arbeitnehmer’. Im Bereich Einrichtungen/Verbände sind sehr viele

Eigennamenübernahmen auszumachen. Meist handelt es sich dabei um deutschsprachige

Einrichtungen und Verbände (‚il Kursaal’, ‚lo Schützenbund’; ‚il Bauernbund’;

‚l’Heimatschutzverein’). Da zu vielen Lexemen aus den oben genannten Bereichen weder

Anführungszeichen und irgendwelche Erläuterungen beigefügt werden, noch Kursivsetzungen

der Ausdrücke unternommen werden, kann man davon ausgehen, dass die Wörter weitgehend

bekannt und in die italienische Sprache Südtirols integriert sind. Falls doch vorhanden (z.B.

im Bereich Südtiroler Brauchtum/Kultur oder bei manchen kulinarischen lokalen Speisen)

markieren diese Kommentierungen meist die deutsch- bzw. regionalsprachliche Herkunft

der Wörter bzw. der Sache, die sie umschreiben, und erklären um des besseren Verständnisses

willen kurz, um was es sich handelt.

Zahlreiche deutsche Lehnwörter haben im Italienisch jedoch noch Zitatcharakter, d.h. sie

werden unter Anführungszeichen gesetzt, in Klammern angegeben oder kursiv gesetzt, mit

vorangehender oder nachgestellter Erläuterung bzw. Übersetzung versehen. Auffallend ist,

dass in der italienischen Sach- und Fachliteratur zu Südtiroler Themen viel mehr

Kommentierungen aller Art vorgenommen werden, als dies bei den Zeitungen der Fall ist.

Deutsche Ausdrücke werden auch aus kommunikativen Gründen im Italienischen

verwendet. Manche nehmen Symptom- und Signalfunktion ein und werden besonders in

Schlagzeilen bzw. Überschriften eingesetzt, um die Aufmerksamkeit und das Interesse des

Lesers zu erregen. Sie können zum einen darauf hinweisen, dass sich der folgende Bericht um

ein für Deutschsprachige relevantes oder von Deutschen handelndes Thema dreht, zum

162

anderen, dass der Schreiber mit dem exotischen deutschen Begriff das Interesse des

Rezipienten wecken will. Nach Weber sind die am häufigsten vorkommenden

aufmerksamkeitserregenden Entlehnungen die Interjektion ‚Achtung-…’, der erste Vers des

Deutschlandliedes ‚Deutschland, Deutschland über alles’, die Partikeln ‚ja’, und ‚nein’, die

idiomatische Wendung ‚Zimmer frei’ und oft metaphorisch verwendete, bereits integrierte

Ausdrücke wie etwa ‚blitz’ (vgl. Weber 1998: 204). In unserem Korpus konnten neben

anderen außerdem die folgenden aufmerksamkeitserregenden deutschen Wörter gefunden

werden: „Gute Nacht Alto Adige“; “L’Italia agli italiani. Raus“, “Governo con la destra?

Nein, danke”.

Bekannte deutsche Ausdrücke werden – wie bereits gesagt - auch metaphorisch gebraucht,

vor allem in Überschriften. Die Stilfigur Metapher will die Aufmerksamkeit des Lesers

erregen. Sie wird hauptsächlich in der Sportsprache eingesetzt. So wird eine deutsche

Fußballmannschaft etwa mit einem ‚Panzer’ und einem ‚Bunker’ verglichen. Diese

Metaphern stehen für die Stärke und Unbezwingbarkeit der Gruppe. Deutsche Wörter können

in einem italienischen Text auch ironisch, provokant, sympathiesteigernd, verniedlichend

und verbindend gebraucht werden.

Manche Ausdrücke, die auf den ersten Blick gesehen formal eher Zitatwörter denn

vollständig integrierte Lehnwörter zu sein scheinen, kann man jedoch aufgrund ihrer

Frequenz, mit der sie immer wieder in italienischen Texten auftauchen, als integriert

betrachten, beispielsweise ‚il Frühschoppen’, ‚il drittel’, ‚il Törggelen’, ‚il Tracht’ oder ‚la

Heimat’.

Oft werden deutsche Lexeme auch wegen ihrer besonderen Treffsicherheit und

Ausdruckskraft ins Italienische übernommen. Der Begriff ‚la Heimat’ z.B. ersetzt wegen

seiner starken Expressivität und seiner emotional positiv und atmosphärisch besetzten

Konnotation die italienische Entsprechung <la patria>. Limbach zufolge sind die Deutschen

mit ihrer Sprache „wahre Meister der Innerlichkeit“ (Zitat Limbach 2007: 7). Bei den

Wörtern, die mit besonderer Innerlichkeit und Emotionalität besetzt sind und wegen ihrer

Treffsicherheit in andere Sprachen aufgenommen wurden, nennt sie Heimat, Geborgenheit,

Gemütlichkeit und Sehnsucht (Limbach 2007: 7), die – mit Ausnahme von Geborgenheit –

auch in unserem Korpus belegt sind. Auch ‚la Stimmung’ zählt zu diesen Substantiven,

mittels derer treffend und konzis eine ganz bestimmte Atmosphäre ausgedrückt werden kann.

Im 19. und 20. Jahrhundert wurden besonders viele deutsche Begriffe bzw. Termini aus den

Geistes- und anderen Wissenschaften, in denen die Deutschen zu jener Zeit führend waren, in

die italienische Sprache entlehnt. Deutschland hatte damals den Ruf als „Land der Dichter

163

und Denker“. Das Anführen von Germanismen in der eigenen Sprache geschah folglich unter

anderem aus Prestigegründen und war Zeugnis von Bildung. Diese Germanismen haben

nämlich den Charakter einer „voce dotta“, einer gelehrten Form (auch Buchwort genannt).

Aus diesem Grund fanden zahlreiche deutsche Ausdrücke in den verschiedensten Sprachen

Eingang. Es waren dies Begriffe wie ‚il Bildungsroman’, ‚la Weltliteratur’ oder ‚il leitmotiv’

aus der Literatur, Lehnübersetzungen aus der Philosophie Kants (‚imperativo categorico’),

Marx’(‚plusvalore’) und Nietzsches (‚superuomo’) oder Begriffe aus dem Bereich Bildung im

weitesten Sinne, wie etwa ‚la bildung’ oder ‚la Kulturwissenschaft’.

Mitunter werden Germanismen, die ein italienisches Pendant hätten, aus stilistischen

Gründen verwendet. Nicht nur, weil die Verwendung des deutschen Ausdrucks von einer

gewissen Intellektualität zeugt, sondern weil der deutsche Ausdruck als Synonym zum

italienischen Äquivalent gebraucht werden kann, um den Text abwechslungsreicher zu

gestalten. So vermeidet man, nicht immer denselben Ausdruck wiederholen zu müssen. Dies

gilt etwa für ‚la Weinstraße’ vs. <la strada del vino>, ‚la Sparkasse’ vs. <la cassa di

risparmio>, ‚l’Altstadtfest vs. <la festa del centro storico> oder ‘il Landeshauptmann’ vs. <il

presidente della giunta provinciale>. Manchmal wird trotz des Vorhandenseins äquivalenter

eigensprachlicher Synonyme gezielt der deutsche Ausdruck verwendet, um so zu markieren,

dass es um ein Thema geht, das entweder Deutschsprachige betrifft, von ihnen handelt oder

den Umstand unterstreicht, dass gewisse Domänen (auf Südtirol bezogen) in „deutscher

Hand“ sind – so etwa die Lokalpolitik. Die Mehrheit im Landtag stellt die deutschsprachige

SVP, welche die Landesregierung bildet. Die politische Realität spiegelt sich auch im

italienischen Sprachgebrauch wider: So heißt etwa die <frazione> nicht frazione, sondern ‚la

Fraktion’, die <stella alpina> (= Parteilogo der SVP) ‚la Edelweiss’, <il partito di raccolta> ‚il

Sammelpartei’ und <i lavoratori> ‚gli Arbeitnehmer’.

Viele Germanismen sind aus der Zeit des Nationalsozialismus in das Italienische

eingedrungen. Diese werden meist kommentarlos angeführt, da sie durch den Zweiten

Weltkrieg internationale Verbreitung erfahren haben. Den Begriffen, die fast so etwas wie

Spezial- bzw. Fachwortschatzcharakter haben, haftet eine bestimmte geistesgeschichtliche

bzw. ideologische Haltung an. Mithilfe des deutschen Fremdlexems distanziert sich der

Fremdwortbenutzer so unbewusst auch von den damit konnotierten Grausamkeiten, die

während des Zweiten Weltkrieges begangen worden sind. Es gibt kaum Übersetzungen dieser

Termini, sie sprechen für sich.

Aus der Südtiroler Geschichte, besonders aus der Zeitgeschichte (ab der Annexion Südtirols

an Italien 1919), wurden ebenfalls einige deutsche Ausdrücke entlehnt. Es handelt sich hierbei

164

um schlagwortähnliche Übernahmen, die sich meist auf die deutsche Sprachgruppe bzw.

deren Probleme und Taten beziehen. Hier kann man etwa den Schlachtruf ‚Los von Trient’

nennen, sowie die Begriffe ‚la Feuernacht’, ‚la Todesmarsch’, ‚il Freiheitskampf’, ‚Aufbau’.

Vom formalen Standpunkt aus betrachtet sind die meisten Entlehnungen Substantive bzw.

mehrgliedrige Nominalsyntagmen. Meistens wird im Südtiroler Schriftitalienisch auch die

korrekte deutsche Pluralform der Substantive angeführt. Auf die Substantive folgt eine

überschaubare Anzahl an desubstantivierten und an die italienische Morphologie

angepassten Verben (z.B. ‚fieterar’ � Fütterer), die jedoch meist nur im Trentiner Dialekt

des Unterlandes ausfindig zu machen sind. Nur sehr selten werden die deutschen Lehnwörter

an die italienische Morphologie angeglichen. Als aufnahmefreudig erweist sich die

italienische Sprache im Hinblick auf deutsche Komposita, die aus syntagmatischer

Ökonomie übernommen werden. Deutsche Komposita sind synthetischer als die analytischen

italienischen Pendants, die meist als umständliche Präpositionalsyntagmen, Relativsäte oder

erweiterte Nominalphrasen realisiert werden. Ein Beispiel hierfür wäre der Begriff

‚Tagesmutter’, der im Italienischen etwa <mamma che durante il giorno guarda altri bambini

(dietro compenso)> lauten würde.

Artikel erfahren bei Übernahme der entsprechenden Lexeme ins Italienische sehr oft einen

Genuswechsel. Einerseits kann dies interferenzbedingt erfolgen (das Genus der am nahe

liegendsten italienischen Entsprechung wird übernommen, z.B. ‚il Sammelpartei’ � il

partito), anderseits geschieht es aufgrund der Tatsache, dass es im Italienischen kein Neutrum

gibt. Die Artikelform im Italienischen richtet sich bei der Entlehnung der deutschen Lexeme

außerdem nach den in der eigenen Sprache geltenden Regeln in Bezug auf den Anfangslaut

des Substantivs, z.B. erhalten Substantive, die mit s + Konsonant beginnen, den Artikel ‚lo’

(Pl. ‚gli’) (‚lo Strudel’), solche, die mit Vokal beginnen, den Artikel ‚l’’ (Pl. ‚le’ oder ‚gli’)“

(‚l’Obmann’). Dieselbe Regelung gilt auch für die unbestimmten Artikel und die

„preposizioni articolate“ (siehe Kapitel 1.1.).

Deutsche Entlehnungen im Südtiroler Italienisch werden überwiegend großgeschrieben,

während es im Rest Italiens üblich ist, (deutsche) Lehnwörter kleinzuschreiben. Diese

graphische Nicht-Anpassung der Übernahmen an die Graphie der Replikasprache ist eine

soziolinguistisch bedingte Pekuliarität des Südtirol-Italienischen (siehe Kapitel 1.1.) und gibt

nicht unbedingt Aufschluss über den Integrationsgrad des Fremdlexems. Die Großschreibung

der Nomina wird aus einer Art Hyperkorrektismus heraus beibehalten, lernen die Südtiroler

Italiener ja schon sehr früh die deutsche Sprache und ihr System. Dieser Hang zur

Überkorrektheit lässt sich auch in der Realisierung der dem italienischen Graphem- und

165

Phonemsystem fremden Umlaute <ü>, <ö> und <ä>116 feststellen. Diese werden sehr selten

an die italienische Graphie angepasst.

Im Korpus konnten nur sehr wenige Lehnprägungen bzw. Lehnformungen entdeckt

werden. Die produktivste innere Lehnformungskategorie im Südtiroler Italienisch scheint die

Lehnübertragung, also die Einzelgliedübersetzung, zu sein. Hier sind ‚fare blau117’ (�

blaumachen), ‚lo strudel di mele’ (� Apfelstrudel), ‚il Terzo Reich’ (� Drittes Reich),

‚piccola Edelweiss’ (� kleines Edelweiß), ‚la compagnia bolzanina Freies Theater’ / ‚il

Freies Theater di Bolzano’ (� Freies Theater Bozen) und ‚la sfilata dell’Egetmann’ (�

Egetmannumzug) zu nennen. Lehnübersetzungen kommen aus der Terminologie der

Philosophie, z.B. ‚l’ imperativo categorico’ (� Kategorischer Imperativ) und ‚il superuomo’

(� Übermensch).

11.1. Ausblick

Ein für künftige Forschungsarbeiten interessantes Thema wäre das Anstellen eines Vergleichs

der Distribution bzw. Häufigkeit deutscher Lehnwörter vor und nach Einführung des Zweiten

Autonomiestatuts (1972) mittels Dominanzkonfigurationsanalyse.

Ein äußerst spannendes Thema wäre auch die Untersuchung der Germanismen in der

gesprochenen italienischen Sprache.

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„Denn eben, wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.“

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116 Phonetisch gesehen entspricht <ä> im Italienischen das offene e. 117 Riedmann betrachtet ‚fare blau’ fälschlicherweise als Lehnübersetzung.

166

Quellenverzeichnis

Primärliteratur

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Lebenslauf

Ich, Angelika Pedron, wurde am 15. März 1982 als Zweitälteste von insgesamt vier

Geschwistern und einzige Tochter der Musiklehrerin Olga Coser und des Revisors Walter

Pedron in Bozen geboren. Von 1988 bis 1993 besuchte ich die Grundschule Johann Steck in

Margreid (Südtiroler Unterland). Die Mittelschule besuchte ich am Franziskanergymnasium

in Bozen (1993–1996), wo ich auch von 1996 bis 2001 meine Oberschulkarriere (Klassisches

Gymnasium/ Lyzeum) fortsetzte und maturierte, und im Frühjahr 2006 als Supplentin das

Fach Deutsch unterrichtete.

Im Herbst 2001 inskribierte ich an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck Deutsche

Philologie (Diplom) als Hauptstudium und Romanistik (Italianistik) als Wahlfachstudiengang.

Derzeit arbeite ich an der EURAC (Europäische Akademie Bozen) als Praktikantin am

Institut für Angewandte Sprachwissenschaft.