Kulturas 7/August-September/2013. Das Magazin für Natur und Kultur in Spanien und Portugal

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Das Magazin für Natur, Kultur und Geschichte in Portugal und Spanien. KULTURAS7 August + September 2013 Miguelón in Burgos

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Das Magazin für Natur, Kultur und Geschichte in Portugal und Spanien.

KULTURAS7

August +September2013

Miguelón in Burgos

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Intro

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Das Magazin für Natur, Kultur undGeschichte in Portugal u. Spanien. Nr. 7 / August, September 2013

KULTURAS7

Schriftformen aus dem Mittelalter – ein Thema für Kulturas?

Diesmal sind wir doch gespannt, ob die vielen Seiten mit Bilddokumen­tation über mittelalterliche Schrif­ten bei unseren Lesern „ankom­

men”. Denn es ist gewiß ein selten ven­tiliertes Thema. Aber gerade die Tatsa­che, daß die Schriftkultur von der gro­ßen Mehrheit der Kultur zeitschriften ganz und gar ignoriert wird, hat uns dazu gereizt, dieses Thema aufzugreifen. Schriftkultur ist eben auch ein Teil der Kultur, der Geschichte und des Patrimó­nio eines Landes. Mehr dazu ab Seite 67. Im nächsten Heft werden wir uns den gotischen Schriften widmen. Viel Spaß beim Lesen,

Ihr Paulo Heitlinger

ThemenIntro ................................................2

Gebrauchsanweisung für Kulturas ......................... 215% mehr Wein ...........................................................4

Evolution ...................................... 12Wie wurde der Mensch Mensch? ...........................12Enzyklopädie der Evolution ...................................24Macht die Evolution Sinn? ..................................... 27Suche nach der Schönheit ......................................29

Ein Sommer für Keramik ................ 32Keramik in Spanien und Portugal... .......................33Kachelkunst, nicht nur in Blau-Weiß .................. 46Doesburg, Bill, Wollner ......................................... 49

Design ............................................49

Street Art ......................................64Fefe & die Street-Art Brasiliens ............................. 65Pixação gefällig? ....................................................... 82

Unzialen in Stein ............................ 87Unzialen, vom 11. bis zum 14. Jahrhundert ..........88

Werbung ....................................... 121Reisen auf den Spuren der Westgoten ................124Keramik in Spanien und Portugal ....................... 126

Die Wirtschaft und erst recht die Politik in Por­tugal verursachen beklemmende Trauermel­dungen. Nur die Prognose für die Weinlese 2013 in Portugal ist optimistisch: Die Exper­

ten rechnen mit einem Zuwachs von 7 bis 30% gegenüber dem Vorjahr, was einem Volumen von circa 6,7 Millionen Hektoliter entspricht. Die Schät­

zung kam vom Instituto do Vinho e da Vinha (IVV). Eine Zunahme wird in allen Weinbaugebieten Por­tugals erwartet, mit Ausnahme der Regionen des Tejo und der Halbinsel von Setúbal.

Die verspätete Entwicklung der Wetterbedingun­gen im Frühjahr und im Sommer 2013 kann dazu führen, daß die vindima (Weinlese) auch eine, zwei

oder gar drei Wochen später anfängt. Ein erhebli­cher Zuwachs in der Weinlese wird für das Douroge­biet erwartet – zwischen 15% und 20%. Die größte Zunahme dürfte sich allerdings in den Inseln der Azoren ereignen: satte 30%.

Alles zusammengezählt, bedeutet dies: im Durch­schnitt, 15% mehr Wein in Portugal.

15% mehr WeinBild auf dieser und den nächsten Seiten: Weinlese im Douro-Tal, in der Nähe von Alijó. Fotos: Birgit Wegemann und Paulo Heitlinger.

Weinlese

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Wie wurde der Mensch Mensch?

Evolution

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Seit 2010 besitzt die kastilische Stadt Burgos mit dem Museum der menschlichen Evolution (MEH, Museo Evolución Humana) einen Anziehungspunkt erster Güte. Besucher können sich anhand von Fundstücken aus der nahe gelegenen Ausgrabungsstätte Atapuerca auf eine Zeitreise bis in die Anfänge der Menschheitsgeschichte begeben.

In der bedeutendsten Ausgrabungsstätte des Paläolithikums in Europa finden sich zahlreiche fossile Zeugnisse der ersten menschlichen Bewohner Europas. Fos­

sile, deren wissenschaftliche Untersuchun­gen Informationen von unschätzbarem Wert über das Leben der ältesten unserer Vorfahren bieten.

Atapuerca liegt inmitten des Korri-dors von La Bureba, einem Pass zwi­schen den Flüssen Ebro und Duero. Die durch die Zusammenkunft medi­

terraner, atlantischer und kontinentaler Einflüsse klimatisch bevorzugte Region brachte seit jeher eine vielseitige Flora und

Schädel Nr. 5 der Sima de los Huesos, 1992 ausgegraben. Der Kiefer tauchte bei einer späteren Ausgrabung auf. Der Schädel Nr. 5 ist der weltweit besterhaltene Schädel eines Homo Heidelbergensis, der im Volksmund zu Ehren Miguel Indurains Miguelón genannt wurde.

Kulturas 7 / August+September 2013 / Evolution / Seite 14 Suchen: CTRL+F

Fauna hervor. Dementsprechend reichen hier die Spuren menschlicher Besiedelung bis zu mehr als einer Million Jahre zurück.

Die Gebirgslandschaft Sierra de Ata-puerca besteht aus einem Karstkomplex mit einem weitläufigen unterirdischen System aus Galerien und Höhlen. Viele

von ihnen waren einst nach außen geöffnet und sind durch Einstürze und die Einlagerun­gen von Sedimenten, darunter Überreste von Tieren, Pflanzen, Teilen der Essensvorräte von menschlichen und tierischen Bewohnern, im Laufe der Jahrtausende verschlossen worden.

Bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde vor allem in der Cueva Mayor geforscht. 1868 gab es die ersten Beschreibungen der Höhle. 1910 wurden die ersten Höhlenzeichnungen entdeckt.

Ende des 19. Jahrhunderts hatte man mit dem Bau einer Eisenbahnstrecke durch die Sierra de Atapuerca begonnen. Sie war für den Transport von Kohle und Eisen aus der nahen Sierra de Demanda bis ins Baskenland vorgese­hen. 1910 wurde die Strecke jedoch bereits wie­der stillgelegt.

Systematische Ausgrabungen in der Höhle und entlang der Eisenbahnstrecke gibt es seit dem Jahr 1964. Seit damals und bis heute traf

Galería Trinchera, Atapuerca, Spanien. Foto: Mario Modesto. Die Sierra de Atapuerca ist ein kleiner Gebirgszug nördlich von Ibeas de Juarros in der Provinz Burgos, der sich zwischen

dem Kantabrischen und dem Iberischen Gebirge von Nordosten nach Südosten erstreckt. Sie wurde wegen der archäologischen und paläontologischen Funde zum Naturschutzgebiet, zum schützenswerten Kulturgut und zum Unesco-Welterbe erklärt. Zu den Funden zählen Fossilien von drei Arten von Hominiden: Homo Antecessor, Homo Heidelbergensis und Homo Sapiens.

Kulturas 7 / August+September 2013 / Evolution / Seite 15 Suchen: CTRL+F

man im Laufe der Arbeiten auf Funde von Höh­lenmalereien, Überbleibsel von Begräbnisriten, Steinwerkzeuge und Tierfossilien.

1992: der Homo heidel-bergensis erscheint

Spektakuläre Entdeckungen wie der Fund einer bisher unbekannten Bärenart und jahr tausendealte menschliche Knochen sorgten dafür, daß ein Teil der Menschheits­

geschichte neu geschrieben werden mußte. Im Sommer 1992 stießen die Archäologen in

der Sima de los Huesos, („Erdloch der Knochen“), auf Reste von Menschen beider Geschlechter und unterschiedlichen Alters. Darunter befand sich der berühmte Schädel von Miguelón, einem Homo heidelbergensis, und dem bisher besterhaltenen menschlichen Fund aller Zeiten.

Schwer zugänglich und tief im Innern des Ber­ges gelegen, ist dieses Erdloch der fossilienreich­ste Ort der Welt. Mittlerweile brachte das EIA­Team dort über 6500 hominide Fossilien ans Tageslicht, die von mindestens 28 Individuen stammen. Die Überreste sind mehr als 530.000 Jahre alt und wurden der Art Homo heidelbergen-sis zugeordnet. Es ist nicht klar, wie es zu dieser Ansammlung kommen konnte, eine Epidemie wäre eine mögliche Erklärung.

Insgesamt sind an die 200 Originalfossile aus den Fundstätten der Sierra

de Atapuerca im MEH zu sehen. Darunter stechen die Überreste des Homo Antecessor und des Homo Heidelbergensis hervor, aber auch Fossile von unserem direkten Vorfahren, dem Homo Sapiens.

Obwohl die Ausgrabungen in Atapuerca weitergehen und neue Funde zu Tage fördern, stehen einige Teile des Ausgrabungsgeländes für

Besucher offen. Eine Besichtigung der Stätte beginnt an der Trinchera del Ferrocarril. Von hier gelangt man in die Höhle Gran Dolina, der Fundstelle des Homo Antecessor. Danach folgt ein Rundgang durch die Galería und die Sima del Elefante. Foto: MEH.

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Allein die Funde in der Knochengrube stel­len 70% der bisher in aller Welt gefunde­nen menschlichen Fossile dar! Weitere interessante Funde ließen den Schluss

auf die älteste Art von Kannibalismus in Euro pa zu. Ein unbenutzter Faustkeil, der Exca-libur getauft wurde und Teil einer Bestattungs­gabe war, brachte den Forschern die Gewis­sheit, daß bereits der Homo heidelbergensis, dessen Vorkommen man auf etwa 500.000 bis 600.000 Jahre vor unserer Zeit schätzt, bereits die Fähigkeit zu symbolischen Handlungen hatte.

Die Funde von Gran Dolina: der Homo Antecessor

Schon 1994 wurde die nächste Sensa­tion aus den Sedimenten befreit, dies­mal an der Fundstelle Gran Dolina. Bald stand fest: Diese Fossilien müssen älter

als 780.000 Jahre sein – also die bis dato ältesten Europas. Daraus machten die Forscher des EIA 1997 eine neue Art: Homo antecessor.

Der „vorausgehende Mensch“, der Pionier Europas soll auch noch der gemeinsame Vor­fahr von Neandertaler und Homo sapiens sein, also einen zentralen Platz im menschlichen

In der Nähe von Burgos, im Karstsystem Sierra de Atapuerca, ist in

den letzten Jahren ein enormes paläontologisches Forschungsprojekt entwickelt worden. In einem Geländeeinschnitt, der im Rahmen der Errichtung einer Eisenbahnstrecke vorgenommen wurde, hatte man seit 1978 vereinzelte Fossilien entdeckt.

Im Bild: Ausgrabungen in Gran Dolina, im Jahre 2008. Dieses Panoramabild wurde mit 3 Fotos und Hugin Software hergestellt. Die Archäologische Schicht TD-10 – wo die meisten Menschen sich befinden – wird gerade ausgegraben. Es ist eine Stätte des Homo Heidelbergensis. Etwas tiefer im Bild, dort wo sich eine frauen mit roter Jacke befindet, wurden die ersten Reste des Homo Antecessor gefunden. Foto: Mario Modesto Mata.

Kulturas 7 / August+September 2013 / Evolution / Seite 18 Suchen: CTRL+F

Stammbaum einnehmen. Diese gewagte Inter­pretation fand allerdings von Beginn an keine Zustimmung bei Forschern im Ausland. In der Höhle Gran Dolina stießen die Archäologen auf die damals ältesten menschlichen Knochen in Europa.

Neben Steinwerkzeugen und Tierfossilien tauchten die Überreste von Hominiden auf, die vor 800.000 Jahren lebten. Damit entdeckte man eine neue Spezies Mensch, ein vorher unbekanntes Glied in der Kette der menschli­chen Entwicklung, den Homo Antecessor.

Im Jahr 2008 waren die Funde in der Sima del Elefante (Elefantengrube) noch spekta­kulärer mit dem Kieferknochen eines etwa 20­jährigen menschlichen Wesens, dessen

Alter auf 1,2 Millionen Jahre datiert wurde. Der Fund des Unterkiefers zierte im März 2008 das Cover von Nature. Und schon wieder lautete die

Das MEH-Museum versteht sich als ein Museum für Atapuerca, nicht als das Museum Atapuercas. Der Besuch der Ausgrabungsstätte soll eine

Erfahrung bleiben, die nicht durch den Museumsbesuch zu ersetzen ist. Das Museum will lediglich als „virtueller Vorsaal der Ausgrabungsstätte“ zum besseren Verständnis der Ausgrabungsstätte beitragen und anhand der Funde eine didaktische Einführung in die komplexe Welt der Entwicklungsgeschichte der Menschheit leisten. Foto: MEH.

Oben: Sehr wahrscheinlich waren einige unserer Vorfahren Kannibalen. Eine künstlerische Rekonstruktion von den bekannten holländischen Illustratoren Adrie und Alfons Kennis. http://www.kenniskennis.com

Multinationale und mul-tidisziplinäre Zusammen-arbeit bei der Suche nach den ersten Europäern

Auf der Suche nach fossilen Höhlenbärzähnen stieß man in der Sierra de Atapuerca auch auf menschliche Überreste...

Mittlerweile ist das Projekt so stark angewachsen, daß Sommer für Sommer über 100 internationale Mitarbeiter auf bis zu sechs verschiedenen Ausgrabungsstellen gleichzeitig arbeiten.

Diese Fundorte decken in ihrer Gesamtheit beinahe den kompletten Zeitraum des Pleistozäns (die geologische Epoche vor 1.7 Millionen bis vor 30.000 Jahren) ab.

Auf acht verschiedenenen Lagerstätten findet man reiches Material menschlicher Fossilien oder deren Hinterlassenschaften.Foto: MEH.

Eine Serie von Sensationen

Hatte bis 1994 noch niemand an ein höheres Alter menschlicher Besiedlungsspuren in Europa geglaubt, so mußte sich dieses Bild ab jenem Jahre drastisch

ändern. Das geologische Alter einer Fossilienlagerstätte kann man mit absoluten und mit relativen Methoden beurteilen. Unter den relativen ist die biostratigrafische Methode sehr wichtig – anhand der Präsenz oder Abwesenheit von sog. Leitfossilien lässt sich das Alter von ihnen assoziierten Funden relativ gut bestimmen.

Holländische und englische Forscher publizierten, daß es in Europa keine „gesicherten” menschlichen Vorfahren vor einer halben Million gäbe. Das

evolutionäre Verschwinden einer bestimmten Art Maulwurf, Mimomis savini, gibt exakt jenen Zeithorizont vor etwa 500.000 Jahren an, ab dem man in Europa menschliche Fossilien finden konnte.

Anfangs der 90er Jahre nutzte man einige Sedimentvorsprünge, die den Schichten TD4 und TD5 der Gran Dolina entsprechen, um jene unteren

Abschnitte dieser 18 Meter hohen Sedimentschicht zu erforschen. Dabei legten die Wissenschaftler einige plumpe Quarzitwerkzeuge frei. Das besondere daran war, daß jenes Material gemeinsam mit Fauna, welche ‚Mimomis savini‘ enthielt, ausgegraben wurde. Sollte es also doch Siedlungen menschlicher Vorfahren vor 500.000 Jahren gegeben haben? Diese Entdeckung war bereits eine Sensation, allerdings erst die erste einer für die Forschung atemberaubenden Serie an Überraschungen.... Foto: MEH.

Kulturas 7 / August+September 2013 / Evolution / Seite 21 Suchen: CTRL+F

Schlagzeile: Der erste Europäer! Das EIA hatte sei­nen eigenen Rekord nochmals um etwa 400.000 Jahre übertroffen (wie gesagt, der Unterkiefer soll 1,2 Millionen Jahre alt sein).

...

Das Museum der Evolution des Menschen gibt dem Besucher einen sumerischen Über­blick über die spektakulären Funde in Ata­puerca und informiert über die einzelnen

Entwicklungs phasen des Menschen. Das Unterge­schoss ist das Herzstück des Museums. Hier befin­det sich eine Reproduktion der Sima de los Huesos, die in der Ausgrabungsstätte selbst aufgrund des abschüssigen Geländes nicht für die Öffentlich­keit zugänglich ist.

Auf dieser Etage begegnet der Besucher dem Homo Antecessor und den Fundstücken aus Gran Dolina und der Sima del Elefante.

Die Ausstellungsräume im Erdgeschoss des Museums widmen sich der der Evolutionstheo­rie Darwins und der Entwicklungsgeschichte des Menschen sowie den außergewöhnlichen Fähig­keiten seines Gehirns, die ihn von anderen Lebe­wesen unterscheiden.

Der Besuch der ersten Etage beantwortet die Frage, warum wir noch immer dem Jäger von einst gleichen und doch so verschie­den von ihm sind. Man entdeckt die Meilen­

Homo Antecessor, erschienen auf TD6 in Atapuerca: hier eine gut gelaunte Rekonstruktion von den bekannten holländischen Illustratoren, die Gebrüder Adrie und Alfons Kennis. http://www.kenniskennis.com

Kulturas 7 / August+September 2013 / Evolution / Seite 22 Suchen: CTRL+F

steine der kulturellen Entwicklung und erhält dann in der zweiten Etage einen Einblick in die wichtigsten Ökosysteme für die Menschheits­entwicklung: Wälder, Savannen, die Tundra­ und Steppengebiete der letzten Eiszeit.

Insgesamt sind an die 200 Originalfossile aus den Fundstätten der Sierra de Atapuerca im Museum zu sehen. Darunter stechen die Überreste des Homo Antecessor und des Homo

Heidelbergensis hervor, aber auch Fossile von unserem direkten Vorfahren, dem Homo Sapi-ens können bewundert werden.

Man steht vor dem berühmten, etwa 500.000 Jahre alten Schädel von Miguelón, dem Kiefer von Letizia, einem Homo Antecessor, der etwa 850.000 Jahre alt ist, oder vor dem Becken von Elvis, dem weltweit besterhaltenen Fossil eines Homo Heidelbergensis, der ebenfalls vor mehr als 500.000 Jahren gelebt hat.

Aus der Tierwelt gibt es Fossile von Löwen, Equiden ­ den Vorfahren der Pferde – Bären und Hirschen. Aufgrund der lau­fenden Ausgrabungen ist das Museum in

ständigem Wandel begriffen. ­/­

Das MEH-Museum in Burgos wurde von Architekt Juan Navarro Baldeweg (Bild unten) konzipiert. Seine Konstruktion ähnelt einer Truhe, in der sich die vier Stockwerke miteinander verbinden und sich gegenseitig ergänzen. Sowohl das Äußere, das sich in Terrassen bis an den Fluß Arlanzón erstreckt, als auch die Innenräume sollen an die Topographie der Sierra de Atapuerca erinnern. Das Gebäude ist als Prisma konstruiert – mit 60 Metern Breite, 30 Metern Höhe und 90 Metern Länge. Eine doppelte Haut aus Glas überzieht die vier Fassaden. Die Dachkonstruktion erlaubt einen senkrechten Lichteinfall, der die Räume stets lichtdurchflutet und transparent erscheinen lässt. Böse Zungen behaupten, Baldeweg hätte sich ein bißchen zu sehr an Le Corbusier angelehnt. Foto: MEH.

Juan Navarro Baldeweg. Foto: © Carlos Barajas / El Mundo.

Kulturas 7 / August+September 2013 / Evolution / Seite 24 Suchen: CTRL+F

Enzyklopädie der Evolution

Ausgegraben wird in Atapuerca schon seit 1978, aber erst Anfang der 90er machte das Equipo de Investigación de Atapuerca (EIA) Schlagzeilen. Besonders spekta­

kulär war 1992 der Fund eines fast vollständi­gen Schädels in der Sima de los Huesos. Der Schä­del schaffte es auf das Cover von Nature und wurde zu Ehren des spanischen Radrennfah­rers Miguel Indurain Miguélon getauft.

Die wissenschaftliche Bedeutung von Ata­puerca steht außer Frage. Aber kaum weniger beeindruckend sind die gewaltige Popularisie­rungsanstrengungen, die die Forscher um ihre Funde herum aufgebaut haben.

Die Grabungen werden seit 1991 von Juan Luis Arsuaga, José María Bermúdez de Castro und Eudald Carbonell geleitet. Diesem Trio von Ko­Direktoren war schon lange vorher klar, daß ihre Forschung nur dann wirklich erfolg­reich sein würde, wenn sie eine breite Öffent­lichkeit erreichen würde.

Die Atapuerca­Forscher haben ein instru­mentelles Verständnis der Medien und sagen das auch offen. Bermúdez de Castro und Car­bonell bezeichnen Journalisten als „unsere

Freunde”. Auf die Frage, ob die Medien immer das schreiben, was er wolle, antwortet Carbo­nell: „Ja, wenn sie intelligent sind.”

Nachplappern entspricht nun nicht gerade dem Ideal eines kritischen Wissenschafts­journalismus. Diesen Mangel an Distanz mag man kritisieren. Das tut in Spanien aber kaum jemand. Einmal – und an versteckter Stelle – schrieb die Archäologin Ángeles Querol etwas spitz über die Wissenschaftsjournalistin Alicia

Rivera von El País, daß diese immer genau das sage, was auch die Forscher des EIA sagen.

Daß sich die spanischen Medien gerne zum Sprachrohr der Atapuerca­Forscher machen lassen und seit 20 Jahren das hohe Lied ihrer Erfolge singen, hat aber auch einen histori­schen Grund. Anders als etwa in der Kunst haben die Spanier in puncto Wissenschaft einen kleinen Minderwertigkeitskomplex.

Das Gefühl, in Naturwissenschaften und Technik weit hinter anderen europäischen

Eudald Carbonell, José Maria Bermúdez de Castro und Juan Luís Arsuaga.

Kulturas 7 / August+September 2013 / Evolution / Seite 25 Suchen: CTRL+F

Nationen zurückzuliegen, läßt sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Daher das Bedürfnis, aufholen zu müssen – das erklärt uns die begeisterten Berichte über Atapuerca.

Nun haben spanische Forscher es ganz nach oben und zur verdienten internationalen Aner­kennung gebracht. Die Allianz zwischen EIA, Journalisten und Medien ist fest geschmiedet. Arsuaga selbst verfasst Artikel für El País. Die anderen Ko­Direktoren schreiben eigene Blogs bei anderen spanischen Tageszeitungen. Car­bonell bei El Mundo und Bermúdez de Castro bei Público und bei Diario de Burgos.

Seit 1998 haben die drei Ko­Direktoren 30 populärwissenschaftliche Bücher (mit­)ver­fasst. Auch wenn es eher die Regel als die Aus­nahme ist, daß Paläoanthropologen Bücher für das große Publikum schreiben, dürfte diese Produktion doch einzigartig sein.

Zur Öffentlichkeitsarbeit des EIA gehören auch Wanderausstellungen, die durch ganz Spanien ziehen und bislang von mehreren Mil­lionen Menschen besucht wurden; Dokumen­tarfilme, für die Arsuaga zum Teil selbst das Drehbuch geschrieben hat. www.atapuerca.tv.

Der krönende Schlußstein dieser multime­dialen Popularisierung ist das Museum der

menschlichen Evolution MEH, das 2010 in Bur­gos von der spanischen Königin eröffnet wurde und das 70 Millionen Euro kostete.

Das EIA versucht mit dieser umfassenden medialen Strategie, der eigenen Arbeit öffent­liche Sichtbarkeit zu verschaffen. Der hohe Bekanntheitsgrad soll wiederum die Geldgeber – in der lokalen Politik, in den Ministerien für Wissenschaft und Kultur, aber auch Sponsoren aus der Wirtschaft (Beispiel: Playmobil) – über­zeugen, weiter in die Ausgrabungen zu inve­stieren. Und nicht zuletzt werden die eigenen Forschungsergebnisse durch die mediale Prä­senz auch legitimiert.

Arsuaga, Bermúdez de Castro, Carbonell und ihre Mitarbeiter haben sich als außeror­dentlich geschickt in der Medienarbeit erwie­sen. Dies zeigt sich auch in der Wahl ihrer Metaphern. Sie sprechen immer wieder davon, daß Atapuerca eine „Enzyklopädie der Evo­lution“ sei, die man gleichsam durchblättern könne, eben weil dort über einen Zeitraum von über einer Million Jahren verschiedene Men­schenarten lebten. Oder eine „Zeitkapsel“, in der sich unsere Vorgeschichte konserviert habe und mit der man quasi in die Vergangenheit rei­sen könne.

Links: http://www.evoluciona.org/

Juan Luís Arsuaga.

Lustig, oder? Eudald Carbonell posiert mit seiner Playmobil-Replik. Foto: MEH.

Kulturas 7 / August+September 2013 / Evolution / Seite 26 Suchen: CTRL+F

Gehts es noch alberner? PlayEvolución. Atapuerca und der MEH in einer Playmobil-Landschaft.

Kulturas 7 / August+September 2013 / Evolution / Seite 27 Suchen: CTRL+F

Nicht nur beim Anblick der täglichen Nachrichten über die unmenschlichen Grausamkeiten, die Menschen aneinander verüben können, kommen uns Zweifel über den Sinn der Entwicklung der Menscheit.

Eine bedauenswerte Enttäuschung für alle, die an den „lie­ben Gott” glauben: Natürlich macht die Entwicklung der Menscheit keinen Sinn – und die Frage ist sowieso falsch gestellt, weil die Evolution sich nach Gesetzmäßigkeiten

entwickelt, die abseits jeder menschlichen (oder göttlichen) Ratio liegen. Sie hat ihre eigenen, und das haben wir seit Dar­win im Prinzip und im Detail kapieren müssen.

Die weltweit berühmten Paläontologen Eudald Carbonell (Ko­Direktor von Atapuerca, immer mit Indiana­Jones­Hut) und der gelernte Biologe Jordi Agustí (Forscher der Institución Catalana de Investigación y Estudios Avanzados, ICREA) dia­logieren über die menschliche Entwicklung und die Zukunft der Menschheit im Buch La evolución sin sentido (Verlag Penín­sula). Darin wurden acht Gespräche zwischen den zwei Wis­senschaftlern festgehalten, die zwar schon 2009 stattfanden, aber keineswegs an Aktualität verloren haben. Lesenswert!

La evolución sin sentido ist ein Dialog und Meinungsaustausch unter zwei renommierten katalanischen Wissenschaftlern. Im Jahre 2009, als das Darwin­Jahr gefeiert wurde, meinten die

Macht die Evolution Sinn?

Der Wissenschaftler Eudald Carbonell hat gewarnt: „Wenn die menschliche Evolution – verstanden als Prozeß der kulturellen oder sozialen Selektion - nicht unter Kontrolle gebracht wird, kann sie gefährlich werden.” Carbonell hat das Buch „La evolución sin sentido”, im Dialog mit Jordi Agustí geschrieben. Foto: Europa Press.

Kulturas 7 / August+September 2013 / Evolution / Seite 28 Suchen: CTRL+F

beiden, sie sollten Beiträge und Prognosen über die unsi­chere Zukunft der Menscheit leisten.

Agustí und Carbonell teilen die Ansicht, daß es unmöglich sei, über die Perspektiven der Menschheit zu urteilen, ohne festzustellen, was die Menschen zu Men­schen werden ließ – und zweifelsohne besitzen beide die nötigen Kenntnisse, um diese Fragestellung kompe­tent anzugehen. Die im Buch zusammengefaßten acht Gespräche sind deswegen auch eine Einleitung in die Evolutionsgeschichte des Homo sapiens.

Eudald Carbonell i Roura, (* 1953, Girona) erhielt seine Ausbildung in Girona, Barcelona und Paris. Er wurde 1986 im Gebiet Archäologie des Quartärs an der Universität Pierre et Marie Curie in Paris und im

Fach Geschichte an der Uni Barcelona promoviert.Seit 2012 ist er Lehrstuhlinhaber und Leiter der For­

schungsgruppe Menschliche Populationsökologie des Quartärs an der Universität Rovira i Virgili in Tarragona. Er ist Direktor des Katalanischen Institutes für Menschli­che Paläoökologie und Sozialevolution, IPHES.

Zusammen mit José María Bermúdez de Castro and Juan Luis Arsuaga leitet er die Ausgrabungen in Ata­puerca. Die dort forschenden Archäologen erhielten 1997 den Prinz­von­Asturien­Preis in dem Bereich wis­senschaftliche und technische Forschung. Carbonell ist auch Träger des von der katalanischen Regierung ver­gebenen Nationalpreises 2008 in der Sparte Philosophie und Wissenschaftskultur.

Eudald Carbonell, José Maria Bermúdez de Castro und Juan Luís Arsuaga. Foto: MEH.

Kulturas 7 / August+September 2013 / Evolution / Seite 29 Suchen: CTRL+F

Suche nach der Schönheit

Die Suche nach der Schönheit war und wird eine feste Größe im Menschen bleiben”, urteilt Quionia Her­rero, Veranstalterin der aktuellen Ausstellung La bel-leza, una búsqueda sin fin, die im MEH Burgos bis 2014 zu

sehen ist. Bei einer solch dünnen antropologischen Begrün­dung war es schon hilfreich, daß das Kosmetikunternehmen L'Oreal España die merkwürdige Show mitsponsorte.

Unter den Ausstellungsstücken, ein Armreif aus Gold, der in Atapuerca ausgegraben wurde. Dann auch Spiegel aus China, Holzkämme aus Chile u.v.a.m. Im Bild: Herstellung von Perücken, Exponate aus der Sammlung.

Fotos: MEH.

Kulturas 7 / August+September 2013 / Evolution / Seite 30 Suchen: CTRL+F

Haare färben – hat da jemand geschrien: „L'Oreal España”?

Kulturas 7 / August+September 2013 / Evolution / Seite 31 Suchen: CTRL+F

Käme und Spiegel, Werkzeuge der Schönheit.

Ein Sommer für Keramik

Kulturas 7 / August+September 2013 / Ein Sommer für Keramik / Seite 33 Suchen: CTRL+F

...ist der Titel des ersten E-Books der Kulturas-Editionen, das sich mit dem Thema Keramik sehr ausführlich beschäftigt. Es widmet sich konkret der Entwicklung der Nutzkeramik aus Ton auf der Iberischen Halbinsel. Im Vordergrund stehen Funktionalität und Ästhetik zahlreicher Formen.

Kann man die 6000­jährige Entwicklung der Nutzkeramik auf spannende Art mit Bildern erzählen? Die Autoren waren sich selbst im Zweifel, ob es gelingen

könnte, den Bogen von der ersten Cardialkera-mik (4.000 Jahre v.u.Z.) bis zur Tonkunst der Gegenwart zu spannen.

Nachdem das Bildmaterial zum x­ten Male durchforscht wurde, fiel die Ja­Entscheidung. Nun sollte die Sommerpause auch dazu ausge­nützt werden, die noch vorhandenen Lücken zu schließen.

Verschiedene Museen wurden zum ersten, manche zum wiederholten Male besucht. Da kam es gerade passend, daß das seit vier Jahren geschlossene Museu da Ola-

Keramik in Spanien und Portugal...

Dieses E-Book vom Kulturas-Verlag gibt es im gut lesbaren PDF-Format. Es kann auf der Website www.portugal-kultur.de bestellt werden.350 Seiten, 15 Euro. Bezahlung online per Paypal oder Banküberweisung.

Kulturas 7 / August+September 2013 / Ein Sommer für Keramik / Seite 34 Suchen: CTRL+F

ria in Barcelos (Nordportugal) hurtig wieder eröffnet wurde – die Kommunalwahlen ste­hen an. Besonders interessant die Ausstellung, die das Museo Etnográfico de Castilla y León (Zamora, Spanien) bietet: eine besonders gut zusammengestellte Serie von Keramikgefäßen, welche die verschiedenartigsten Anwendun­gen des Tons in Spanien dokumentiert. Eben­falls positiv ist die Tatsache, daß das Fotografie­ren jetzt auch im Museu da Cerâmica in Cal­das da Rainha (ein ehemals wichtiges Produk­tions zentrum) erlaubt ist.

Entscheidend für die Bereicherung des Buches, welches auch den Status quo der Olaria und Alfareria dokumentiert, waren auch zahlreiche Begegnungen mit

noch aktiven Tonmeistern – sei es in deren Werkstätten (zum Beispiel in Moveros de Ali-ste, Nordspanien), sei es beim Verkauf auf Märkten und Messen, wie zum Beispiel in Sala-manca und in Barcelos.

Für das archäologische Material hatten wir bereits eine beachtliche Sammlung ange­legt, welche wichtige Etappen der histori­schen Entwicklung einschließt: Cardial­

keramik, Glockenbecher­Kultur, Gefäße aus der Bronze­ und Eisenzeit, Iberische Kultur, römische Periode und die faszinierende Vielfalt

des Tonhandwerks während der islamischen Zeit auf der Iberischen Halbinsel.

Alleine was die hochqualitative römi­sche Tonproduktion angeht, werden im E­book Objekte gezeigt, die in den Museen in Zamora, León, Sória, Braga,

Lissabon, Conímbriga, Mérida, Badajóz, Madrid, Vilamoura, Faro, Sevilla und Tarragona

vorhanden sind. Ähnlich breit ist das Spek­trum der islamischen Nutzkeramik.

Warum dieses Thema? Neben der per­sönlichen Begeisterung, welche die Autoren beim Formen mit Ton spü­ren, fanden sie es nützlich, einige

(erschwingliche) Tongefäße zu sammeln. Die Schönheit der traditionellen Formen, die bis weit zurück in die islamische und römische Zeit zurückreichen, ist immer wieder faszinie­rend. Das weiß jeder, der mit der Hand über ein schönes Gefäß (Bilha, Cantaro, Botijo) oder einen kleinen Krug (Púcaro) gestrichen hat. Es sind geradezu sinnliche Formen...

Die Anmut der Rundungen der Gefäße, die auf einer Töpferdrehscheibe gezo­gen wurde, ist nur schwer mit Worten zu beschreiben – aus diesem einfachen

Grunde ist das hier vorgestellte Buch in erster Linie ein Bildband mit hunderten von Fotos. Die Texte wurden bewußt knapp gehalten, um das Essentielle zu vermitteln.

Primär galt die Aufmerksamkeit der Autoren der Funktionalität in Küche und im Lagerhaus. Doch haben sie keinesfalls ignoriert, daß Kera­mik immer wieder als Schmuck­ und Dekorati­onsartikel produziert wurde. Besonders span­nend sind die verrückten Kreationen des por­

„Hat irgend jemand gesagt, daß mein Instrument verstimmt ist?” Affe mit Hut, aus rotem Ton modelliert, zwischen 1902 und 1925. Ausgestellt im Museu da Cerâmica, Caldas da Rainha, Portugal.

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tugiesischen Grafikers, Illustrators, Zeitungs­machers und Keramikers Rafael Bordalo Pin-heiro, die in Caldas da Rainha aufbewahrt wer­den.

Aber die Kunst, erstaunliche Figürchen aus Ton zu modellieren, wurde auch von absoluten Kunstlaien beherrscht, wie z.B. die schon legen­däre Rosa Ramalho (Barcelos) oder die Irmãs Flores (in Estremoz, Alentejo).

Viel zu gering ist das Interesse, welches offi­zielle Stellen für ein noch vor 50 Jahren so wich­tiges Handwerk wie die Olaria zeigen. Die noch verbliebenen letzten Vertreter dieser Zunft ste­hen ganz alleine da, wenn es um die Vermark­tung oder Weiterentwicklung ihrer Produkte geht.

Interessant sind die regionalen und nationa­len Unterschiede, stellten wir fest. In Portu­gal fristen das Töpferhandwerk (Olaria) und die Nutzkeramik – ein elementarer Bestand­

teil des Património, – ein tristes Schattendasein. (Ausnahmen, wie Kenner und Sammler, bestä­tigen die Regel). Dieses Handwerk sollte auf dynamische Art gefördert werden, mit neuen Ideen und um mehr Kunden anzusprechen.

Wenn nicht bald die Brücken zum zeit­genössischen Design geschlagen wer­den, stirbt dieses wunderbare Hand­werk ganz aus. Auf kleiner Flamme

brennen die Keramiköfen noch in Bisalhães, Tondela, Coimbra, Leiria, Redondo, Nisa und Estremoz. Aber wie lange noch?

Anders in Spanien, wo sofort auffällt, daß das Publikum immer noch ein starkes Interesse an die erprobten Keramikfor­men zeigt, die zum Braten, Kochen und

Dünsten verwendet werden. Und an solche, mit denen man Wein und Speisen bei Tisch ser­viert. Auch merkt man, daß es einer Anzahl von spanischen Keramikfachleuten bereits gelun­

gen ist, traditionelle Verfahren mit ansprechenden, modernen Design ideen zu kombinieren.

Keramik in Spanien und Portugal. 6000 Jahre Entwicklung der Nutzkeramik auf der Iberischen Halbinsel. Von Paulo Heitlinger und Birgit Wegemann. PDF im Breitformat. 350 Seiten, 15 Euro.Kulturas-Verlag, 2013. Bestellbar auf www.portugal-kultur.de

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Leonel Trindade (Filho), Archäologe und Restaurator, beobachtet mit kritischem Blick das Ergebnis seiner Restauration eines Glockenbechergefäßes aus der chalkolitischen Siedlung Zambujal. Die Keramik wird im Museu de Torres Vedras gezeigt, welches den Namen seines Vaters trägt: Museu Municipal Leonel Trindade de Torres Vedras.Foto: ph.

Außer Leonel Trindade, Filho befragten die Autoren Dr. Michael Kunst (DAI, Madrid), Leiter der Ausgrabungen der chalkolitischen Siedlung Zambujal, zu der Entwicklung des sog. „Glockenbecherphänomens”. Seine Ausführungen sind Teil eines der spannendsten Kapitel des E-Books Keramik in Portugal und Spanien.

Kulturas 7 / August+September 2013 / Ein Sommer für Keramik / Seite 37 Suchen: CTRL+FEin dickwandiges Keramikgefäß aus der Bronzezeit. Olhão, Algarve, Portugal.

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Die Römische Zeit in der Iberischen Halbinsel brachte eine erstaunliche Fülle von Keramikformen. Museu de Conímbriga, Portugal. Foto: ph.

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Trinkschale mit Botschaft. Gefäß aus Terra Sigillata, mit geritzter Inschrift in kursive Schrift. Museo de Zamora,

Spanien. Foto: ph.

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Die Honigreserven schützen.Das Prinzip ist ganz einfach, und die Römer kannten es schon: Ameisen haben eine besondere Vorliebe für Honig. Sie haben zwar einen sehr guten Geruchssinn, der sie rasch zu den Quellen heranführt, doch sie können sehr schlecht schwimmen. Also baue man eine Wasserfalle um die Öffnung eines keramischen Honigtopfes herum, damit alle Ameisen ersaufen, wenn sie versuchen, sich in den Honig zu stürzen. Die römischen keramischen Honigtöpfe – und alle weiteren, die in den nächsten zweitausend Jahren hergestellt wurden, integrieren einen Rand (der mit Wasser gefüllt) verhindert, daß die Ameisen ihn durchqueren.

Dieses schöne Exemplar steht im Museu de Braga. Foto: ph/bw.

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Einfache Keramik aus der islamischen Zeit im Al-Garb, unglasiert, ausgestellt im Museum von Faro, Algarve.

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Einfache Keramik, teilglasiert, aus dem Alentejo. Foto: bw.

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Zwei mit Kettchen verbundene Herzen sind mit Schlüsseln verschlossen – eine oft wiederkerende Formel in der

Volkskunst Portugals. Solche Krüge hatten eine rein dekorative Funktion und ein Verlobter verschenkte diese an seine Braut – als Liebesbeweis. Foto: ph/bw.

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In diesem „Pote de estilar” wurde Branntwein vorbereitet. Museu da Olaria, Barcelos, Portugal.

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Querubim Queiróz da Rocha hält tapfer die Stellung – er ist einer der letzten vier Töpfer, die noch im Dorf Bisalhães (bei Vila Real, Nordportugal) Tonkeramik nach der örtlichen Tradition herstellen. Er beherrscht in Vollendung die Kunst der „Schwarzen Keramik”. Foto: B. Wegemann.

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Kachelkunst aus Portugal und Spanien. Bildband und Dokumentation. Paulo Heitlinger. 2013.

Azulejos

Ein e-book von portugal-kultur.de

Kachelkunst, nicht nur in Blau-Weiß

Nicht nur die barocke Kachelkunst – in diesem E-Book werden auch originelle Werbetafeln, Strassenschilder und weitere zeitgenössische Anwendungen der Wandkacheln dokumentiert. Von den ersten glasierten Keramiken bis zu den Art-Déco-Azulejos in Lissabonn und Porto.

Die Wurzeln der spanischen und portugiesischen Keramiktra­dition reichen tief in die Fülle der über 700 Jahre währenden

islamischen Kultur (und Handwerk) auf der Iberischen Halbinsel. Nach der Reconquista waren es Mudéjares (die Mauren, die im Lande geblieben waren) die Träger der alten Techniken. Sie brachten diese zuerst nach Mur­cia und schließlich in die Region um Valencia.

Die älteste Art der Herstellung von Wandfliesen (Azulejos), die im Al­Andalus praktiziert wurde, war die

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sehr arbeitsintensive Alicatado­Technik (Mosa­ikfliesen). Aus größeren Tonplatten wurden Formen unterschiedlichen Formats ausge­schnitten und dann farbig glasiert (Blau, Grün, Gelb, Schwarz). Diese kleinteilige Azulejos hat man zu komplexen Mosaikmustern zusam­mengesetzt. In Europa ist die Alhambra­Burg in Granada ein Ort, wo man solche wunderbar schimmernde Mosaik fliesen aus kleinen Azu­lejos bewundern kann.

Damals wurde Andalusien von mauri­schen Emiren beherrscht. Die deko­rierten Flächen in der Alhambra waren beeinflußt von den Arbeiten die gerade

„gegenüber”, auf der anderen Seite der Mee­resenge von Gibraltar, in Maroko produziert wurden. In Portugal kann man solche Ali­catado­Fliesen im königlichen Sommerpalast in Sintra bei Lissabon bewundern — König Manuel I hatte sie aus Südspanien kommen las­sen.

Obwohl in Valencia Christen und Muslime zusammenarbeiteten, überwiegen in der Kera­mik die „blauen“ Gruppen mit maurischen Themen. Der größte Teil der bei Valencia im 15. Jahrhundert hergestellten Lüsterkeramik scheint in Manises in Anlehnung an ihre Vor­

gänger aus Granada und Malaga produziert worden zu sein.

Die feintonige, mit Zinnglasur überzo­gene und schließlich bemalte Keramik trat ihren Siegeszug durch mallorcini­sche Händler (wurde dementsprechend

Majolica genannt) zunächst nach Frankreich (hier schon Fayence genannt) und nach Italien an. Osten und der byzantinische Westen, deren Kenntnisse über alkalische Glasuren und Blei­glasuren die Grundlagen gaben für die weitere Entwicklung.

Ägypten und Mesopotamien waren die Schauplätze zweier bahnbrechender Entwick­

lungen in der Keramik, die von dort aus nach Spanien gelangten.

Die Entwicklung einer weißen, opaken Glasur, verbunden mit der Aufglasurmale­rei in Kobaltblau nehmen ihren Ursprung am Euphrat im frühen 8. Jh., während in Ägypten aus einem Gemisch aus Quarzsand, Ton und Glaspulver eine keramische Masse hergestellt wurde: die Fritte.

Das Material von dem nun vorliegenden E­Book wurde in Keramik­Museen in Por­tugal und Spanien, aber auch auf unzäh­ligen Besuchen – zum Beispiel in Triana,

Sevilla – gewonnen. Das Resultat ist eine ein­malige Zusammenstellung über eine Kunst und ein Handwerk mit einer großen Tradition, welches keramische Kacheln für alle mögliche Zwecke geliefert hat.

Azulejos - Kachelkunst in Portugal und SpanienBirgit Wegemann und Paulo Heitlinger.450 Seiten, Format DIN A4 - querEinführungspreis: 20 Euro

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DesignDoesburg, Bill, Wollner

Alle erweisen ihm Reverenz, alle finden ihn unhegeuer bedeutsam und wichtig, keiner mag ihn so richtig. Wenn man den langen Interviews des Designers Alexandre Wollner folgt – man findet mehrere davon online in Youtube – kann man schnell vergessen, daß man einem Brasilianer zuhört, so akademisch „schweizerisch” klingen seine Ausführungen und Ideen.

In der Ausstellung Alex Wollner Brasil. Design Visual (derzeit in der Frankfurter Kunsthalle) geben rund 120 Arbeiten des brasilianischen Designer­Papsts einen Überblick über sein lan­

ges Schaffen. Für Deutsche eine erste Annäherung, für Brasilianer die x­te Wiederholung.

Zwei Aspekte sollen das bereits als histo­risch zu bezeichnende Werk Alexandre Woll­ners (*1928) neue Bedeutung verleihen: einer­seits sein „umfänglicher Designbegriff und seine konsequente Designhaltung”, anderseits die von Wollner vertretene Ideologie der Internationa­

In den letzten Jahren hat Alexander Wollner nur noch an seinen Ewigen Ruhm gedacht. Es wiederholten sich die Bücher, Kataloge und Ausstellungen, die über seine Karriere berichten. Nun ist Frankfurt an der Reihe. Das langweilige Foto von Gui von Schmidt (2013) zeigt Wollner in seiner Luxusvilla in Brasilien.

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len Schule, die er in Deutschland gelernt und in Brasilien umgesetzt hat. Aber das, was die Freankfurter Schau eigentlich belegt, ist das Wollner eigentlich nie ein Vollblut­Designer war, sondern ein als Designer getarnter ...Kon­kreter Künstler.

Seine ganze Praxis blieb lebenslang von einem starken Einfluss der hfg (Hochschule für Gestaltung Ulm) geprägt. In Ulm studierte Wollner von 1954 bis 1958. Was er hier lernte, setzte er dann auch konsequent­bitter um: Wollners Design wurde ganz und gar un­brasi­lianisch: cool­sachlich, ernsthaft bis langwei­lig, reduziert, ohne Emotion.

Zu Beginn der gestalterischen Tätigkeit Alexandre Wollners stand wiederum ein anderer großer Langweiler Pate: Theo van Doesburg (1883–1931), und sein Begriff

der Konkreten Kunst, die sich auf die Konstruk­tion von Bildern und Objekten ausschließlich aus geometrischen Elementen, geraden Flä­chen und primären Farben stützte.

Seit den 1950er Jahren war der Südosten Brasiliens einer der wichtigsten Orte dieser Bewegung außerhalb Europas. Bereits als Kunststudent am Instituto de

Arte Con tem porânea (IAC) do Museu de Arte de

Konkrete Kunst made in Brasil: Industriefarbe auf Holz, Alexandre Wollner, 1950.

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Counter-Composition VI. 1925. Theo van Doesburg. Foto: Tate Gallery.

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts führten verschiedene Umbrüche und Neuorientierungen der Bildenden Kunst zu radikalen Absagen an die bürgerlich-akademischen, althergebrachten künstlerischen Ausdrucksformen führten.

Die „Konkreten Künstler” wollten sich auch von jeder Tradition lösen und zu einer neuen Kunst gelangen, die jedoch keinerlei Bezug zur außerkünstlerischen Wirklichkeit besitzt. Der niederländische Ideologe und Künstler Theo van Doesburg war der Urvater der Konkreten Kunst und Motor dieser neuen Bewegung.

1930 formulierte er: „Konkrete Malerei, nicht abstrakte, weil nichts konkreter, nichts wirklicher ist als eine Linie, eine Farbe, eine Fläche. Sind auf einer Leinwand eine Frau, ein Baum oder eine Kuh etwa konkrete Elemente? Nein. Eine Frau, ein Baum, eine Kuh sind konkret in der Natur, aber in der Malerei sind sie abstrakt, illusorisch, vage, spekulativ; eine Fläche hingegen ist eine Fläche, eine Linie eine Linie, nicht mehr und nicht weniger.“

Die Konkreten Künstlern möchten nicht Menschen und Landschaften abbilden, sie möchten uns keine Geschichten erzählen. Vielmehr isolieren sie ihre künstlerischen Mittel und untersuchen deren Wirkung und Beziehungen zueinander. Die Konkreten Künstler bilden keine Realität ab, sondern würden gerne eine neue, eine „künstlerische Realität” schaffen.

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Composition. Theo van Doesburg. Foto: Tate Gallery.

Theo van Doesburg: Zur Grund-lage der konkreten Malerei

...2. Das Kunstwerk wird weder mit den Fingern noch mit den Nerven erschaffen. Die Erregung, das Gefühl, die sinnliche Empfindsamkeit haben die Vervollkommnung der Kunst niemals befördert. Nur der Verstand (Intellekt), dessen Geschwindigkeit noch höher ist als die des Lichts, erschafft. Lyrik, Dramatik, Symbolismus, Empfindsamkeit, Unbewusstes, Traum, Inspiration usw. sind nur ein minderwertiger Ersatz für das schöpferische Denken. In allen Bereichen menschlichen Handelns hat immer nur der Intellekt gezählt. Die Entwicklung der Malerei ist nichts anderes als die intellektuelle Suche nach der Wahrheit durch die Kultur des Visuellen. Jenseits dessen, was der Verstand erschafft, gibt es nur Barock, Fauvismus, Animalismus, Sensualismus, Sentimentalismus und jenes hyperbarocke Eingeständnis der Schwäche: Phantasie.Das anbrechende Zeitalter ist hingegen das Zeitalter der Gewissheit und daher der Perfektion. Alles ist meßbar, selbst der Geist mit seinen 199 Dimensionen. Wir sind Maler, die denken und messen.....In: AC – Numéro d’Introduction du Groupe et de la Revue Concret, 1930. (Der Text ist nicht unterzeichnet, er wird Theo van Doesburg zugeschrieben).

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Alexandre Wollner, Konstellation e3, aus der Serie Formulierung - Interaktion – Artikulation, 2010, ein sog. „Digitaler Druck”, 50 x 50 cm. Farbig-transparente Dreiecke überlagern sich, erzeugen ein sternenartiges Gebilde - in der Plottergrafie, die Alexandre Wollner 2012 am Computer gestaltet hat:

Das Dreieck ist eine Art Leitmotiv in seinem Schaffen – so auch auf der Dose der Öl-Sardinen der Firma „Conqueiro”. Letzendlich hat Wollner nicht wirklich Grafik-Design praktiziert; er hat Werbung mit der verarmten Formsprache der „Konkrten Kunst” betrieben...

Alexandre Wollner / Konkrete Kunst

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Max Bill. Translokation auf Rot, 1972, Sammlung Winkler. Copyright: VG Bild-Kunst, Bonn 2008. Foto: Sasa Fuis Photographie Köln

Max Bill / Konkrete Kunst

„konkrete kunst nennen wir jene kunstwerke, die auf grund ihrer ureigenen mittel und gesetzmässigkeiten – ohne äusserliche anlehnung an naturerscheinungen oder deren transformierung, also nicht durch abstraktion – entstanden sind.

konkrete kunst ist in ihrer eigenart selbständig. sie ist der ausdruck des menschlichen geistes, für den menschlichen geist bestimmt, und sie sei von jener schärfe, eindeutigkeit und vollkommenheit, wie dies von werken des menschlichen geistes erwartet werden muss.

konkrete malerei und plastik ist die gestaltung von optisch wahrnehmbarem. ihre gestaltungsmittel sind die farben, der raum, das licht und die bewegung. durch die formung dieser elemente entstehen neue realitäten. vorher nur in der vorstellung bestehende abstrakte ideen werden in konkreter form sichtbar gemacht.

konkrete kunst ist in ihrer letzten konsequenz der reine ausdruck von harmonischem mass und gesetz. sie ordnet systeme und gibt mit künstlerischen mitteln diesen ordnungen das leben. sie ist real und geistig, unnaturalistisch und dennoch naturnah. sie erstrebt das universelle und pflegt dennoch das einmalige, sie drängt das individualistische zurück, zu gunsten des individuums.”

Bill, Max. Konkrete Kunst. In: Ausstellungskatalog Zürcher Konkrete Kunst, 1949.

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Luiz Sacilotto / Konkrete Kunst

Der Brasilianer Luiz Sacilotto (1924–2003) nahm an der documenta 12 mit der hier abgebildeten Skulptur teil. Er zählt zu den

Pionieren der Konkreten Kunst in seiner Heimat. Auch vom Schweizer Max Bill inspiriert, entwickelte er in den 1950er-Jahren die Grupo Ruptura. Von Sacilotto war im Kasseler Aue-Pavillon eine einzelne, bescheiden wirkende Arbeit zu sehen: Escultura Negra von 1959, eine hängende Eisen-Skulptur.

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São Paulo schloss sich Wollner 1953 der kurz zuvor gegründeten konkretistischen Künstler­gruppe Grupo Ruptura an und trat als „konkre­ter Maler” hervor, der bei den Kunstbiennalen in São Paulo Auszeichnungen erhielt.

Dabei übte das, was als „europäische Avant­garde” verkauft und mit der I. Biennale 1951 erstmals in Brasilien gezeigt wurde, auch nach­haltigen Einfluß auf Wollner aus. Avantgarde war damals fast alles, was mit der Abstrakten Kunst zu tun hatte, man hatte ja ganz offiziell dem Realistischen, Figürlichem und erst recht der engagierten Kunst abgeschworen.

Weitere Begegnungen schlossen sich an. Die nächste galt dem Schwei­zer Max Bill, auch dieser einer der emotions gehemmtesten Künst­

ler und Grafiker der Nachkriegszeit. Auf der 1. Biennale von São Paulo wurde Max Bill mit seiner Skulptur Dreiteilige Einheit ausgezeich­net. Bill war in diesem Jahr noch nicht persön­lich zugegen, machte aber 1953 eine Vortrags­reise durch das Land. Er machte sich in Brasi­lien zunächst nicht populär. In „undiplomati­scher Weise” hat er den Architekten Oscar Nie­meyer kritisiert.

Logo für Sucorrico Brasil, ein Konzern der Fruchtsaftindustrie,Alexandre Wollner, 1972. Design im Stil der Arte Concreta.

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Heftige Anfeindungen folgten; die verhin­derten aber nicht, daß brasilianische Studenten nach Ulm an die hfg kamen. Heute ein bekann­ter Künstler und damals einer der ersten Stu­denten aus Brasilien war Almir Mavignier da Silva aus Rio de Janeiro.

Etwas später folgte der junge Alexandre Wollner; 1953 wurde er von Max Bill aus­gewählt, im ersten Jahrgang an der gerade neu gegründeten Hochschule für Gestal­

tung Ulm zu studieren. Von 1954 bis 1958 erhielt er hier die Ausbildung, die fortan seine Entwicklung als Grafik­Designer entscheidend prägte.

Die damals hochgehaltenen Orientierun­gen – Benutzung des Rastergitters, wie es Josef Müller Brockmann gepredigt hatte, Benut­zung steriler, sogenannter „neutralen” Typos, wie sie die Schrift Helvetica darstellte, und ste­rile Vereinfachung zu geometrischen, „interna­tionalen Formen” waren die Postulate, denen sich der oft unterkühlt wirkende Wollner allzu gerne anschloß.

Die hfg Ulm war von Otl Aicher, Max Bill u.a. mit der Absicht gegründet wor­den, die Methoden und die positive Wir­kung des Bauhauses fortzusetzen und Montage der jährlichen Ausstellung, HfG Ulm, 1954. V.l.n.r. Klaus Krippendorf,

Klaus Willy, Klaus Franck, Angela Goldring. Foto: Alexandre Wollner, 1954.

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zählte in den 1950er und 60er Jahren zu den fortschrittlichsten Ausbildungsstätten im Bereich Gestaltung. In den ersten Jahren blieb die Schule unter der Leitung von Max Bill dem Modell des Bauhauses treu, später setzte sich eine Sicht auf Design durch, die dieses als Teil des industriellen Prozesses begriff. Wollner erlebte beide Phasen, wobei vor allem letztere seine Haltung nachhaltig beeinflussen sollte.

In Ulm lernte er die weiteren dort tätigen Dozenten – Otl Aicher, Friedrich Vordem­berge­Gildewart, Josef Albers, Tomás Mal­donado und Max Bense – kennen. Hier

entstanden auch seine ersten fotografischen

Petróleo-Tankstellen São Paulo, Foto:Alexandre Wollner, 1990. Oben: das Logo.

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Arbeiten, die ebenfalls Teil der Frankfurter Aus­stellung sind.

Ende der 50er Jahre begann Wollner zu ver­stehen, daß es mit der Kunst und Male­rei nicht so recht klappen würde und ent­schied sich für eine Laufbahn als Designer.

Warum? Wollner meint, Design schafft „Kollek­tives Wohlbefinden”. Das sei die Funktion von Design.

Zurückgekehrt nach Brasilien 1958, grün­dete Wollner gemeinsam mit Geraldo de Barros, Ruben Martins und Walter Macedo forminform, das erste Design büro

Brasiliens, mit Sitz in São Paulo. Eine weitere wichtige Figur war Karl Heinz Bergmiller (1928, Bad Tölz). Dieser studierte von 1951 bis 1953 in Ulm. Von 1956 bis 1958 arbeitete Bergmiller mit Max Bill. Dieser Deutsche kam 1959 nach Brasi­lien, gefördert durch ein Stipendium der brasi­lianischen Regierung, und ließ sich in São Paulo nieder. Auch er arbeitete eine Weile im Büro form inform mit.

Vier Jahre später, 1962, gründete Wollner seine eigene Agentur: DICV Design. Im Brasilien der frühen 60er Jahre herrschte Aufbruchstimmung, das Land wollte sich

in kurzer Zeit vom halbkolonialen Agrar­ zum aufstrebenden Industriestaat wandeln.

Poster für das Internationale Filmfestival Brasiliens, Alexandre Wollner und Geraldo de Barros, 1954.

Poster für die III Kunst-Biennale von São Paulo, MAC Museum für Zeitgenössische Kunst USP, Alexandre Wollner und Geraldo de Barros, 1955.

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Über Jahrzehnte hinweg begleitete Wollner die fortschreitende Industrialisierung (und Amerikani­sierung) Brasiliens und verpaß´te vielen brasiliani­schen Unternehmen, Banken und Institutionen ihre visuelle Identität. Viele dieser Logos und Erschei­nungsbilder prägten das neue Brasilien und waren über Jahrzehnte, einige sogar bis heute, in Verwen­dung.

Wie Karl Heinz Bergmiller, begann sich auch Wollner in der Designausbildung zu enga­gieren. Ab 1962 leitete er einen Typogra­fiekurs am Museu de Arte Moderna do Rio de

Janeiro (MAM­RJ). 1963 war er einer der Gründer der ersten Hochschule für Design in Brasilien (und ganz Südamerika), der Escola Superior de Desenho Indu­strial (ESDI, www.esdi.uerj.br), die das Ulmer Modell in Rio de Janeiro einführen sollte.

Stets hat er Briefings der Marketingabteilungen abgelehnt und stattdessen den unmittelbaren Kontakt zur Unternehmensleitung gesucht, um den Charakter des Unternehmens zu ver­

stehen. Er hörte gerne „His Masters Voice” im O­Ton. Auffällig an Wollners Entwürfen war, daß sie jeg­lichen Lokal­ oder Nationalkolorit vermieden und stattdessen reduzierte, klare, universell gültige For­men bevorzugten. Logo für Fenícia, Handelsunternehmen,

Alexandre Wollner, 1975

Logo für Maraú, Frucht- und Saftindustrie, Alexandre Wollner, 1973.

Logo für Gustavo Halbreich, Baugesellschaft, Alexandre Wollner, 1974.

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Mit technischer Akribie hat Wollner die stilisierte Palme (Coqueiro) konstruiert, die das Logo der Sardinenmarke (unten) werden sollte. In vielen

Zeichnungen kaprizierte sich Wollner in einer besonders sterilen Anwendung des „typisch schweizerischen” Rastersystems. Au der Dose ein weißer Fisch aus Dreiecken, mit dem Logo der Firma als Auge – ein Kreis mit einer schemenhaften Palme darin.

Eine andere negative Erscheinung im mageren Spektrum der Kreativität Wollners war der Umgang mit der Schrift, die er oft manipulierte; er konnte

eine von Geburt schon häßlich aussehende Helvetica noch häßlicher aussehen lassen...

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Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist der Begriff der Marke, die ein Qualitäts­verssprechen ausdrückt und damit weit­aus mehr als eine reine Herkunftsangabe

ist, für die moderne Unternehmenswelt von zentraler Bedeutung. Ebenso ist das Prinzip des

Corporate Design zu einem wirtschaftli­chen wie kulturellem Momentum der technisierten Welt geworden. Alexandre Wollner hat in dieser Hinsicht nicht nur

für Brasilien ein bedeutendes Werk geschaf­fen, sondern sein Beitrag zur Entwicklung des modernen Corporate Design ist im weltweiten Vergleich von Relevanz.

Als Mitbegründer des ersten brasilianischen Designbüros auf Höhe der Gestaltungsmoderne, als Mitbegründer einer zeitgemäßen Designaus­bildung in Brasilien und als Urheber vieler bra­silianischen CIs hat Wollner seinen festen Platz in der Designgeschichte erworben.

Die Frankfurter Retrospektive alex wollner brasil. design visual stellt das Wollner’sche Gestaltungsuniversum dar. „Wir wollen so detailliert wie möglich die verschiede­

nen Stufen des kreativen Prozesses beschreiben, so, wie wir sie in unseren Projekten umgesetzt haben, und wir wollen aufzeigen, wie wir im Zuge der Konzeptualisierungen unsere Gedan­kengänge strukturiert haben”, so der inzwi­

Alexandre Wollner und Geraldo deBarros, CBA Düngemittel, 1951.

IV. Biennale von São Paulo, Alexandre Wollner unter Anleitung von Max Bill, 1957.

Kulturas 7 / August+September 2013 / Design / Seite 63 Suchen: CTRL+F

schen 85­jährige Alexandre Wollner, der an der Konzeption der Ausstellung mitgewirkt und die Gestaltungen aus über einem halben Jahr­hundert kreativen Schaffens speziell für diese Retrospektive noch einmal überarbeitet hat.

Die Ausstellung ist Teil des Programms zum Ehrengast Brasilien der Frankfur­ter Buchmesse 2013 und wird gefördert durch die Fundação Nacional de Artes.

Kuratoren sind Klaus Klemp und Julia Koch, in Zusammenarbeit mit Studio Wollner, São Paulo.

Paulo Heitlinger ist Dozent für Design an der Universität ULP in Porto und freier Autor. Vor drei Jahren übersetzte er Rastersysteme von Josef Müller-Brockmann ins Portugiesische.

Mehr zur Ausstellung in www.museumangewandtekunst.de

Mehr zu brasilianischen Gestaltern: Oskar Niemeyer im Heft Kulturas Nr.3, online portugal-kultur.de/kulturas/kulturas3-Maerz-2013.html

Logo für Form, Türen und Raumteiler, Deutschland, Alexandre Wollner mit Franziska Schörghuber, 1957.

Katalog: Klaus Klemp, Julia Koch, Matthias Wagner K (Hg.): «Alex Wollner Brasil. Design Visual», mit Texten von Klaus Klemp, Malou von Muralt, René Spitz, André Stolarski und Alexandre Wollner, Konzeption und Grafikdesign: Alexandre Wollner, dt./engl., 324 Seiten, Ernst Wasmuth Verlag 2013, Preis 49 Euro.

Street Art

Kulturas 7 / August+September 2013 / Street Art / Seite 65 Suchen: CTRL+F

Fefe & die Street-Art Brasiliens

Im Rahmen des „Ehrengastauftritts” von Brasilien bei der Frankfurter Buchmesse 2013 präsentiert die Schirn brasilianische Spray- und Graffiti-Helden. Eine Schau, die garantiert weniger langweilig wird als die Präsentation von Design-Opa Alexandre Wollner...

In Brasiliens Mega­Metropolen findet sich eine der lebendigsten und künstlerisch inter­essantesten Szenen der urbanen Kunst – das hat sich nun auch in Frankfurt herumgespro­

chen.Diese Szene unterscheidet sich sowohl

inhaltlich als auch ästhetisch wesentlich von der US­ und europäischen Street­Art. Nicht nur das spezifische soziale Klima in einem von zutiefst unmenschlichen Umbrüchen gekenn­zeichneten Landes, sondern auch eine unge­heure Vielfalt von Stilen lassen die brasiliani­sche Street­Art aus der globalisierten und weit­gehendst domestizierten Graffitikultur etwas hervortreten.

Von den brasilianischen Street-Artisten ist Fefe Talavera wahrscheinlich diejenige mit den meisten Auslandserfahrungen. Hier eine ihrer Arbeiten in Schweden.

Kulturas 7 / August+September 2013 / Street Art / Seite 66 Suchen: CTRL+F

Elf Künstler/Künstlergruppen aus São Paulo und anderen Städten Brasiliens wurden einge­laden, ihre Bilder ausgehend vom Gebäude der Schirn im Frankfurter Stadtraum zu realisieren und damit den Blick auf die Stadt kurzfristig zu verändern.

Gezeigt werden figurative und abstrakte Bil­der – von überdimensionalen Wandgemäl­den bis zu unscheinbaren ephemeren Zeichen. Bespielt werden unter anderem Frankfurter Bankentürme, Brückenpfeiler am Mainufer, die Bodenfläche der Frankfurter Hauptwache, die Matthäuskirche und das ehemalige Polizei­präsidium der Stadt.

Ein zusätzliches Highlight ist ein bemal­ter U­Bahn­Zug – diese als „Wholetrain“ bekannte Form des Graffitis ist eine Königsdisziplin der Szene. Eine eigens

zur Ausstellung entwickelte und mit zahlrei­chen Hintergrundinformationen und Künst­lervideos bestückte App navigiert die Besucher auf ihrem Spaziergang durch die Frankfurter Innenstadt.

Die Ausstellung Street-Art Brazil wird geför­dert von der KfW Stiftung. Sie wird zusätz­lich von Funarte, dem brasilianischen Kul­turministerium und dem Außenministerium unterstützt. Die Schirn Zeitgenossen fördern das

Ein gehörntes Monster von Fefe Talavera. Mehr auf http://fefetalavera.com

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Werk von Alexandre Orion. Die Deutsche Bank unterstützt das Werk von Fefe Talavera (wel­che Ehre, Fefe!) und die Firma Caparol stellt den Künstlern hochwertige Farben zur Verfügung – das ist doch ein Angebot, oder? „Große Unter­stützung” erfuhr das Projekt auch durch die Stadt Frankfurt am Main, insbesondere durch das Kultur­ und das Verkehrsdezernat (selt­sam!), sowie durch zahlreiche institutionelle und private Eigentümer.

São Paulo gilt neben Rio de Janeiro und Curitiba als Zentrum der brasilianischen Street­Art. Seit Mitte der 80er Jahren hat sich die dortige Szene zu einer der welt­

weit vitalsten entwickelt. Sie zeichnet sich durch vielfältige Eingriffe in den städtischen Raum aus; in São Paulo ist sie omnipräsent.

In Brasilien wird unterschieden zwischen Pixação (Tagging) und Graffitis, großformati­gen figürlichen und abstrakten Murais (Wand­malereien), wie sie die von der Schirn eingela­denen elf Künstler malen.

Zeitlich setzt Street­Art Brazil mit Vertre­tern der ersten Generation der „Grafitei­ros“ (Vitché, Speto und Tinho) ein. Sie begannen nach Ende der Militärdiktatur

– 1985 – mit ihren Malereien auf die Straße zu

Ein Monster von Fefe Talavera.

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drängen und so dem Willen zur öffentlichen Meinungsäußerung nach dem Schweigen wäh­rend und nach der Zeit der Unterdrückung Aus­druck zu geben. Aus Mangel an künstlerischem Material verwendeten sie wie heute noch neben den teuren Spraydosen auch Fassaden­farbe und Farbrollen.

Auch die jüngeren Protagonisten der Szene setzen sich gelegentlich mit den aktuellen sozialen, ökonomischen und ökologischen Problemen ihrer Stadt

auseinander, doch der lange Marsch durch die Instituitionen macht sich bemerkbar. Graffit­tis werden mehr und mehr schick, wie es der berühmte Beco do Batman beweist.

Eine individuelle Positionierung durch eine singuläre Bildsprache gelingt nur wenigen; Fefe Talavera, eine brasiliani­sche Künstlerin mit mexikanischen Wur­

zeln, ist hier ein herausragendes Beispiel. Ihr progonostizieren wir eine weitere erfolgrei­che internationale Karriere. Andere Künstler, wie der von mir geschätzte Pixação-Held Tony de Marco, ein Pixador und anerkannter Font­Designer, sind so kreativ, daß ihr Talent früher oder später die Grenzen Brasiliens überschrei­ten wird.

Die ungezählten Entführungen von Kindern in den 90er Jahren sind das Thema von Tinhos Arbeiten. Er stellt gefesselte, weinende oder kauernde Kinder anhand von Fotovorlagen aus Vermisstenanzeigen dar. Die Kinder blicken den Betrachter meist direkt an,

bleiben aber dennoch isoliert und einsam. Einige seiner Bildfiguren finden sich einzeln unter S-Bahngleisen, vor Garagentoren oder hinter Büschen, als würden sie sich an ebendiesem Ort in der Stadt aufhalten. Oft fügt er sie in eigens gestaltete Hintergründe mit den für São Paulo typischen Hochhäusern und Straßenverkehr ein. Das ehemalige Frankfurter Polizeipräsidium dient ihm als Fläche für seine berührenden Werke.

Vor dem Werbeverbot in São Paulo im Jahr 2007 nutzte Fefe Talavera Poster und Plakate als Interventionsflächen. Heute stellt die Künstlerin ihre Buchstaben im Holzdruck selbst her und fügt diese zu großformatigen „Monster Paintings“ zusammen. Im Bild: Fefe Talavera, São Paulo, 2006

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Fefe Talavera. Glasportal der Deutsche Bank AG-Türme an der Taunusanlage, Frankfurt am Main, 2013. © SchirnKunsthalle Frankfurt 2013, Foto: Norbert Miguletz.

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Rimon Guimarães, Curitiba, 2011.

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Zwei Romantiker der Szene: Jana Joana und Vitché. Schirn Außentreppenhaus, Frankfurt am Main, 2013. © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2013, Foto: Norbert Miguletz.

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Beco do Batman, das inzwischen sehr schicke Graffiti-Viertel im Stadteil Vila Madalena, São Paulo, 2013. Foto: Metrópole Projetos, Brasil.

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Beco do Batman, das inzwischen sehr schicke Graffiti-Viertel im Stadteil Vila Madalena, São Paulo. Foto: Nicolas de Camaret.

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Beco do Batman, das inzwischen sehr schicke Graffiti-Viertel im Stadteil Vila Madalena, São Paulo. Foto: Nicolas de Camaret.

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Speto. Frankfurt am Main, 2013Fassade der Matthäuskirche in der Friedrich-Ebert-Anlage 33. © Schirn, Kunsthalle Frankfurt 2013, Foto: Norbert Miguletz.

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Nunca. Fassade in Toronto, 2009. Foto: Nunca.

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Onesto (a.k.a. Alex Hornest). Gebäude der Sparkasse in der Neuen Mainzer Straße 59 und Fassade in derNeuen Mainzer Straße 57, Frankfurt am Main, 2013 © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2013, Foto: Norbert Miguletz.

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Dem brasilianischen Ursprung seiner Bilder gab Nunca in seiner Frankfurter Arbeit Ausdruck. Auf der Brandwand des Gebäudes in der Niddastraße 64 im Bahnhofs-viertel führte er ein bereits im August 2013 in São Paulo gemaltes „Mural“ in gleichem Maßstab fort.

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Eine bunte Alternative zu den blöden Wahlplakaten der Saison: Rimon Guimarães. Bauzaun am KfW-Gebäude in der Bockenheimer Landstraße 102-104, Frankfurt am Main, 2013. © SchirnKunsthalle Frankfurt 2013, Foto: Norbert Miguletz.

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Pixação gefällig?

Eine weitaus extremere Form der brasilianischen Graffittis als die jetzt zu bewundernden in Frankfurt/Main ist die Pixação, die ihre Wurzeln in Sao Paulo hat. Die Texte werden in einem besonderen Schrift-Stil gesprüht.

Die Pixadores lassen sich nicht auf die salon­fähig gewordene Street­Art ein. Um das zu zeigen, stürmten sie 2008, nach vorheriger Inkenntnisssetung, die Fakultät der Univer­

sität der Schönen Künste (Universidade de Belas Artes) in São Paulo. Der Protest richtete sich neben der universitären Einrichtung auch gegen die Gale­ria Choque Cultural, gegen öffentlich nutzbare Graffiti­Mauern (Murais de Graffiti Autorizados) und die 28. Bienal de Artes de São Paulo.

Dagegen hat der Grafiker Tony de Marco (Bild unten) eine milde, sagen wir mal, domestizierte Form der Pixação entwickelt: den Pixotosco.

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Der Brasilianer Tony de Marco hat eine domestizierte Form der Pixacao entwickelt: den Pixotosco.

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Unzialen in Stein

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Unzialen, vom 11. bis zum 14. Jahrhundert

Auf den folgenden Seiten werden einige Erscheinungsformen der Unziale als Steinschrift dokumentiert. Die Fotos wurden ausschließlich in Portugal und Spanien gesammelt.

Die Unziale ist eine Versalschrift, die aus der ehrwürdigen Capi ta lis Quadrata der Römer entwickelt wurde – durch die Abrundung der Buchstabenformen, was

das Schreiben sehr beschleunigte. Gleichzeitig reduzierte die Unziale die

Anzahl der Striche, die für das Schreiben nötig waren, was abermals den Duktus beschleunigte. Diese runde Form der römischen Capitalis ent­stand recht früh, schon im Verlauf des 4. Jahr­hunderts und wurde bis zum 8. Jahrhundert für den Fließtext (!) von vielen Buchmanuskripten (Codices) verwendet.

In dieser ersten Etappe wurde mit der Rohr­feder auf Pergament geschrieben; wir ken­nen sowohl lateinische als auch griechische/byzantinische und kyrillische Formen der

Unzialschrift. Es sind circa 300 sehr alte Manu­

13. Jahrhundert. Grabinschrift für Dom Honorico. Unzialschrift. Museu Machado de Castro, Coimbra. Foto: ph.

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skripte, meist Teile der Bibel, in Unzialschrift erhalten. Vollständig erhalten sind beispiels­weise der berühmte Codex Sinai ticus und der Codex Vaticanus.

Uncialis als SteinschriftÄhnlich wie die Capitalis Quadrata, beginnt die Unziale ihre Karriere als reine Buchschrift, doch sie wurde auch in Stein gemeisselt und in Metal geformt, wie aus den Bildern der näch­sten Seiten zu entnehmen ist; Dokumentatio­nen, die aus Portugal und Spanien stammen. Gelegentlich scheint sich die Unziale mit For­men der Visigotischen Versalie zu vermischen.

Was unmittelbar auffällt, ist daß die For­men der Uncialis in Stein oft in die Höhe getrie­ben werden; dadurch werden die gestreckten Buchstaben schmäler und verlieren schnell die rundliche Behäbigkeit, die sie in geschriebenen Büchern oft zeigen.

Obwohl die Unziale für die Niederschrift von Manuskripten entwickelt wurde, finden wir eine ganze Reihe von unzialen Inschriften in mittelalterlichen Monu­

menten. Damit wurden meist Epitaphe, aber auch längere Dokumente in Stein gehauen.

Schaut man sich in Lissabon, Alcobaça, Évora und Coimbra um, entdeckt man eine

«Aqui jaz Dona Moor Peres e Dona Maria...» Unziale Lettern. Diese Inschrift ist im Museu Machado de Castro, in Coimbra, ausgestellt.

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erstaunliche Vielfalt an Varianten. Bevor die gotische Minuskel in Erscheinung tritt – unser nächstes Thema –, ist die Unziale die „typische Steinschrift” des Mittelalters.

Die hier skizzierten Stationen der Entwick­lung der Unziale zeigen noch zwei bedeu­tende Etappen, die eine formale Ähnlich­keit, aber keine funktionale Verwandt­

schaft mit der Urform zeigen. Nach dem Jahr 800 wurde sie nur noch als Auszeichnungs­schrift verwendet, für prunkvolle Titel und Untertitel. Hier beginnt sie auch Farben anzu­nehmen; sie wird nicht nur in Rot, sondern auch oft in Blau und Grün geschrieben – besser gesagt: gemalt.

In einer dritten (kalligraphischen) Lebens­phase schmückt sie als Initiale unzählige Manuskripte und Inkunabeln, welche mit karolingischen, dann mit gotischen Buch­

staben geschrieben (und später, gedruckt) wur­den. So erscheint sie, zum Beispiel, in der 42­zei­ligen Bibel von Gutenberg. Im späten Erschei­nungsbild – als Initiale –, wurden die Versal­formen der Unziale nicht kalligraphisch (mit einer Feder), sondern mit feinen Pinseln ent­worfen und behutsam farbig ausgemalt.

Enge und schlanken unzialen Lettern. Diese Inschrift ist im Museu Machado de Castro, in Coimbra, ausgestellt. Foto: ph.

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In dieser dritten Erscheinungsform ist die Verwendung von Farben beson­ders üppig; die Schmuck­Unzialen dür­fen als die «buntesten Buchstaben» der ganzen europäischen Schriftentwick­lung gelten.

An anderer Stelle (Cadernos de Design e Tipografia, www.tipografos.net) habe ich 10 digitale Versionen der Unziale vorgestellt, welche die erstaunliche Laufbahn dieser Versalschrift nach­zeichnen – ein erster Abschluß der Recherchen, die zunächst auf 2 bis 3 Wochen angelegt waren, sich dann über mehrere Jahren ausdehnten. Ich hoffe, daß diese digitalen Fonts der historischen Entwicklung der Unziale über mindestens 11 Jahrhunderten gerecht werden!

Paulo Heitlinger

Eine der Inschriften im Portikus der mozarabischen Klosterkirche San Miguel de Escalada (Provinz León, Spanien), die sich auf hier verstorbene Mönche beziehen. Die Einweihung der Kirche durch Gennadius, Bischof von Astorga, ist eindeutig auf das Jahr 951 der spanischen Ära

(913 unserer Zeitrechnung) datiert, doch wir wissen nicht, wann diese Inschrift angebracht wurde. Die klobig-quadratische Form der Buchstaben läßt jedoch vermuten, daß es sich um eine frühe Erscheinung der Unziale als Steinschrift handelt. Foto: ph.

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Eine der Inschriften im Portikus der mozarabischen Kirche San Miguel de Escalada (Provinz León, Spanien), die sich auf hier verstorbene Mönche beziehen. Diese Unzialschrift zeigt verschiedene ungewöhnliche Ligaturen, welche möglicherweise aus der Schreibpraxis der Visigotischen Versalschrift stammen.

Diese Kirche – sicherlich einer der schönsten Beispiele der mozarabischen Baukunst –, ist ausführlich dokumentiert in „Reisen auf den Spuren der Westgoten”, eine E-book-Edition von Kulturas.

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Eine der Inschriften im Portikus der mozarabischen Klosterkirche San Miguel de Escalada (León, Spanien), die sich auf dort verstorbene Mönche beziehen. Diese Unzialschrift zeigt verschiedene ungewöhnliche Ligaturen, welche möglicherweise aus der Schreibpraxis der Visigotischen Versalschrift stammen – die Schrift, die vor der Unziale in der Iberischen Halbinsel verwendet wurde.

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12. Jahrhundert. Detail der Inschrift auf der ersten Seite dieses Artikels. Igreja de Santa Justa. Museu Machado de Castro, Coimbra. Diese Unzialschrift zeigt eckige Formen und auch Ligaturen, die stark an die Visigotische Versalschrift erinnnern. Foto: ph.

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Inschrift zum Dekan Ordonius an der Seitenwand der asturischen Kirche San Salvado de Val de Diós, nahe bei Oviedo. Eine sehr kompaktierte Form der Unzialschrift, eng und hoch. Detailansicht: nächste Seite.Datum unbekannt.

Diese Kirche – ein spätes Beispiel der Baukunst der asturischen Monarchie –, ist ausführlich dokumentiert in „Reisen auf den Spuren der Westgoten”, eine E-book-Edition vom Kulturas-Magazin

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1035Regelmäßíge, großformatige Unzialschrift. Mit Anklängen an der Visigotischen Versalschrift. Grabesinschrift für König Sanch0 III (el Mayor) von Navarra. Marmor. „Hier ruht Sancho, König der Pyrinäen und von Tolosa ....). Hispanische Ära: 1073. Unsere Zeitrechnung: 1035.Ursprungsoprt: San Isidóro de León.Ausgestellt im Museo de León, León, Spanien. Foto: ph.

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Inschrift im Museo de León. Eine Spätform der Visigotischen Versalschrift? Eine Unziale? Eine Mischform?

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Eine bizarre, faszinierende Kombination: Unziale Lettern kontrastieren mit dekorativen Bändern im Mudéjar-Stil. Pátio de la Montería, Alcázar, Sevilla, Spanien. Foto: ph.

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1364Eine bizarre, faszinierende Kombination: Unziale Lettern kontrastieren mit dekorativen geometrischen Bändern. Inschrift aus dem Jahre 1364. Pátio de la Montería, Alcázar, Sevilla, Spanien.

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Inschrift mit unzialen Lettern. Museu Machado de Castro, Coimbra. Foto: ph.

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Unzialen in einer Steininschrift der Sé de Lisboa. Betonte Serifen, Ähnlichkeit mit der Buchschrift. Foto: ph.

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Unregelmäßig gravierte Unzialschrift. Epitaph für Fernão Gonçalves da Arca. Capela de Fernão Gonçalves da Arca. 14. Jahrhundert. Convento de São Domingos, Évora. Im Museu de Évora ausgestellt. Foto: ph.

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Monasterio de los Santos Facundo y Primitivo, Inschrift aus dem Jahre 1184. Sahagún, León, Spanien.

1184

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1298Unziale Schrift, schmal laufend, wohlgeformt. Catedral de la Santa Creu, Barcelona. Diese Inschrift erinnert an den Anfang der Bauarbeiten, während der Regierungszeit von König Jaume II. Foto: Bertran de Seva....l‘obra d‘aquesta seu va ser començada les calendes de maig de l‘any del senyor 1298, regnant l‘Il·lustríssim senyor Jaume rei d‘Aragó, València, Sardenya, Còrsega i comte de Barcelona.

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1329Inschrift an der gotischen Kirche Santa María del Mar, Barcelona. Transkription des Textes in katalanischer Sprache: En nom de la Santa Trinitat e honor de Madona Santa Maria fo comensada la obra d’aquesta esgleya lo dia de sancta m(aria) de mars en l’ayn de MCCCXXIX regnant n’Anfós, per la gràcia de Déu rei d’Aragó qui conques lo regne de Cerdeya.

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Steininschrift in der Kathedrale von Córdoba.Foto: ph.

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Uncialis, sehr hoch und schmal. Grabinschrift des Pedro Franco. Igreja-colegiada de Santiago, Coimbra, 1197.Museu Arqueológico do Carmo, Lissabon. Foto: ph.

1197

pEtrUS.FRANcUSFAMvs

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Unziale. Epitaph für Donna Maria de Arco. Igreja-colegiada de Santiago, Coimbra, 1230 (?). Die Kirche Igreja de Santiago steht in der Praça do Comércio, in Coimbra, Portugal. Ende des 12.Jahrhunderts erbaut, ist diese Kirche eines der großen Monumente im romanischen Stil. Die hier abgebildete Steininschrift wird im Museu Arqueológico do Carmo, Lissabon, gezeigt. Foto: ph.

1230

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Unziale Versalien, hoch und komprimiert.Steininschrift mit der „Lauda da abadessa Doña Sancha”. 1293. Kloster Santa Maria de la Vega. Museu Arqueológico de las Astúrias, Oviedo. Foto: ph.

1293

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1128Die Kirche Santa Maria da Alcáçova, die innerhalb der Mauern der Burg von Montemor-o-Velho steht, wurde Ende des 11. Jahrhunderts gegründet. Sie steht dort, wo einst eine islamische Moschee stand. Diese Inschrift mit unzialer Schrift, vom Jahre 1128, nimmt Bezug auf die Weihung der Kirche.

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1340Kloster Mosteiro de Alcobaça, Grabinschrift mit Unzialen. Das Wort «ALCOBACIE» wurde hervorgehoben. Verschiedene Mauern dieses Klosters zeigen noch ähnlich Grabinschriften. Die ersten Mönche, die hier angesiedelt wurden, hatten eine „kolonisierende Wirkung”, da sie Gebiete wieder bewohnen mußten, die vom ersten portugiesischen König, Afonso Henriques, radikal entvölkert worden waren. Die ursprüngliche mozarabische Bevölkerung wurde vertrieben (oder ermordet), Mönche aus Galicien wurden als neue Siedler importiert.

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1246Kloster Mosteiro de Alcobaça, Grabinschrift mit Unzialen. Die eindrucksvolle Zisterzienser-Abtei wurde von Afonso Henriques gestiftet. 1147 gelobte er – so die Legende –, für die Jungfrau Maria Kloster zu gründen, falls die Portugiesen siegreich aus der Schlacht von Santarém (gegen die Mauren) hervorgingen. Er hielt sein Versprechen und schenkte das Gebiet von Alcobaça für den Bau des Klosters.

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Grobförmige Unzialien, in Stein gemeißelt. Möglicherweise schwingt hier noch ein Einfluss der Visigotischen Versalie nach. Die Anlage von Alcobaça ist fast so alt wie Portugal selbst. Den Grundstein der Kirche legte Afonso Henrique, der erste portugiesische König, schon 1148. Das Gebiet von Alcobaça wurde dem Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux geschenkt, wie es (urkundlich belegt) im Jahre 1153 erfolgte. 1223 konnten Mönche in das neue Kloster einziehen und 29 Jahre später war der Bau abgeschlossen.

1323

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1344Grobförmige Unzialien, in Stein gemeißelt. Inschrift im Kloster von Alcobaça. Mit der Darstellung zweier Burgen.

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1272 1277

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Grobförmige Unzialien, in Stein gemeißelt. Inschrift im Kloster von Alcobaça. Mit der Darstellung eines Ritters und seines Wappens. Foto: ph.

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1387Regelmäßig gestaltete Unzialschrift. Grabinschrift des Adeligen Lopo Fernandes Pacheco, in der Grabkapelle São Cosme e Sao Damião, in der Charola (Chorumlauf) der Sé de Lisboa. Foto: ph.

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Inschrift mit Unzialen. Kreuzgang der Kathedrale von León, Spanien. Foto: bw.

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Ein Azulejo (Kachel, Wandfliese) mit der Darstellung des N aus der Unziale. Museu do Azulejo, Lissabon, Portugal.

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Reisen auf den Spuren der WestgotenDurch Spanien und Portugal: Städte, Monumente, Museen, Monarchen, Kunst, Kirchen, Bücher und Gesang. Eine Führung von Birgit Wegemann und Paulo Heitlinger. 1. Auflage, August 2013. Im PDF-Querformat. 400 Seiten, 500 Abbildungen. Ein neues E-book vom Verlag www.portugal-kultur.de

Die Kultur der westgotischen Ära in der Iberischen Halbinsel ist eine der am wenigsten dokumentierten. So dauerte es einige Jahre, bis die Autoren Paulo

Heitlinger und Birgit Wegemann genügend Material zusammentragen, auswerten und verstehen konnten, um das nun vorliegende E­book fertigstellen zu können.

Und dann dachten wir, vielleicht hätten Sie Lust, diese Entdeckungen mit uns zu teilen. Und so kam es zu diesem wahrhaft „alternati­ven Reiseführer”.

Die Grundidee: Sie machen einen wunder­schönen Urlaub, kreuz und quer durch Spanien

und Portugal, und lernen dabei einige beson­ders interessante Zeugnisse der westgotischen Zeit kennenlernen. Sie entdecken die mozara­bische Architektur und die Bauten der frühen asturischen Könige.

Die Schwierigkeiten, einen Überblick über die Bauten, Kunstprodukte und Dokumente zu bekommen, ergeben sich aus der historischen

Entwicklung selbst. Die erste visigotische Mon­archie war eine Zeit großer Unruhe und vie­ler Umbrüche. Sie beginnt mit den Invasionen der sog. "Barbaren”, um 409, und wird von der islamischen Beherrschung, ab 711, vernichtet. Aber nur teilweise, denn sie findet in der moza­rabischen Kultur eine Fortsetzung. Die Neufor­mierung der Christen in den Bergen Asturiens

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Möchten Sie benachrichtigt werden, wenn das nächste E-book von

Kulturas erscheint? Dann schicken Sie bitte eine kurze E-mail

an [email protected] mit dem Betreff «E-books»wird schließlich in die lang anhaltende Recon­quista führen, an deren Ende zwei neue Staaten enstanden sind: Portugal und Spanien.

Die vorliegende Dokumentation beschreibt und illustriert die verschiedenen Etappen die­ser komplexen Evolution. Das bedeutet, daß die ganze Iberische Halbinsel – Spanien, Por­tugal und auch noch die balearischen Inseln – nach Spuren der Westgoten durchsucht wer­den mußte...

Für die Kompilierung der Texte in diesem E­book haben wir eigene Recherchen geführt und uns auf folgende Autoren gestützt: Kathe­rine Fischer Drew, Christoph Eger, Peter Klein, Emil Hübner, Claudio Torres und Virgilio Lopes (Campo Arqueológico de Mértola), José Mattoso, Mário Jorge Barroca, sowie auf Texte und Bilder von namhaften Museen und Biblio­theken.

Reisen auf den Spuren der Westgoten.Von Paulo Heitlinger und Birgit Wegemann. PDF im Breitformat. 400 Seiten, 15 Euro.Kulturas-Verlag, 2013. Bestellbar auf www.portugal-kultur.de

San Pedro de la Nave ist eine westgotische Kirche im Nirgendwo. Im kleinen Flecken El Campillo, in der Gemeinde San Pedro de la Nave-Almendra (Zamora), wurde die Kirche wiederaufgebaut, die dem Wasser eines Stausees weichen mußte. Der Baubeginn wird in die Regierungszeit des westgotischen Königs Egica (687-702) datiert.

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ten E­Book wird der Bogen von der ersten Cardial-keramik (4.000 Jahre v.u.Z.) bis zur Tonkunst der Gegenwart zu spannen. Von den Vasen der Glok-kenbecherkultur bis zu den modernen Krea­tionen der Terrissa aus Katalunien. Das Mate­rial wurde in verschiedenen Keramik­Museen in Portugal und Spanien, aber auch auf unzähligen Begnungen mit Oleiros und Alfareros gewonnen. Das Resultat ist eine einmalige Zusammenstel­lung über ein Handwerk mit einer großen Tradi­tion, welches keramische Gefäße für alle mögliche Zwecke geliefert hat.

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Keramik in Spanien und Portugal

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