Writing a Project Report: A Guide for Diploma Students Universiti Tun Hussein Onn Malaysia (UTHM)
Klug Nichts tun. Die Kunst engagierter Gelassenheit in der Organisations- und Führungspraxis
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OrganisationsEntwicklungZeitschrift für Unternehmensentwicklung und Change Management
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Müheloser WandelWege zu einer gelasseneren Führungspraxis
Die Kunst der GelassenheitEin Essay zu den fünf Schlüsseln gelassener – und engagierter – Führung
Müheloser managenAcht erfahrene Manager erzählen,wie sie Mehrarbeit in Wandelprojekten vermeiden
Wandel leichter verankern Drei Fallstudien aus dem Non-Profit-Sektor
Mehr Einfachheit im ManagementNeue Ansätze und essenzielle Werkzeuge für leichteres Arbeiten
Das ABC der MühelosigkeitTipps zu stressfreiem Change Management aus Psychologie, Medizin, Philosophie, Managementlehre und Weltliteratur
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4 OrganisationsEntwicklung Nr. 2 |2013
Reflexion | Schwerpunkt | Klug nichts tun | Wendelin M. Küpers
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Klug nichts tun Die Kunst engagierter Gelassenheit in der Organisations- und FührungspraxisWendelin M. Küpers
Wir kennen beides: Alltagserfahrungen, welche die Arbeitswelt als eine mühevolle Qual erscheinen lassen, wie auch sol che besonderen Momente mühelosen Gelingens, in denen sich alles wie im Fluss bewegt. In welchem Gesamtkontext erleben wir das? Warum überwiegt die Empfindung belastender Mühe und wie können wir zu einer müheloseren Pra xis im Leben kommen? Und letztlich: Was kann die Führung und die Entwicklung der Organisation zu einer solchen bei tra gen?
«... man lebt wie einer, der fortwährend etwas versäumen könnte ... ‘Lieber irgend etwas tun als nichts’ – auch dieser Grundsatz ist eine Schnur, um aller Bildung und allem
höheren Geschmack den Garaus zu machen. Und so wie sichtlich alle Formen an dieser Hast der Arbeitenden zu Grunde gehen: so geht auch das Gefühl für die Form selber,
das Ohr und Auge für die Melodie der Bewegungen zu Grunde ... man hat keine Zeit und keine Kraft mehr für die Ceremonie, für die Verbindlichkeit mit Umwegen ... «
Friedrich Nietzsche (1993), Die fröhliche Wissenschaft, A. 329 Muße und Müßiggang,in: Kritische Studienausgabe, KSA 3, Berlin, S. 556
KontextUnsere zeitgenössischen organisationalen Lebenswelten mit ih rem permanenten Wandeldruck sind gekennzeichnet von kom plex werdenden Problemlagen, wachsenden Herausforderun gen und Arbeitsverdichtungen sowie vermehrt inneren Kün di gungen und erhöhter Demotivation (Wunderer & Küpers 2003). Wachsende Hochleistungserwartungen, beschleunigender Hy per aktivismus und schleichende Versagensängste führen zu chro nischer Überarbeitung und Erschöpfung, die an die Stelle eines kreativen SchöpferischSeins tritt. Die Warnzeichen des Krisenhaften, die durch diese und weitere Phänomene und de ren belastende Implikationen angezeigt werden, sind un über sehbar. Auch scheint das Bewusstsein dafür zu stei gen, dass nicht mehr wie bisher weitergewirtschaftet und gelebt werden kann.
Diese gegenwärtige Situation und deren Veränderung ruft zu einer umfassenden Umorientierung in Haltung und Handlung auf, insbesondere von Führungskräften, sowie zu einer struktu
rellen und kollektiven Neuausrichtung in Organisationen wie im Wirtschaftsleben überhaupt. Eine zeitgemäße und lebbare Möglichkeit dazu bieten gelassenere Formen des Organisierens, Führens, Wirtschaftens und Lebens. Gerade in Anbetracht der Zunahme von Burnout und Boreout ist eine Besinnung auf Möglichkeiten einer verantwortungsbewussten Gelassenheit hilfreich. Wie im Weiteren beschrieben, kann, anstatt in einer reak tiven Beschleunigungsdynamik und «Bemühungslogik» ver haf tet zu bleiben, eine Ausrichtung auf eine engagierte Gelassenheitspraxis orientierende Perspektiven eröffnen. Eine gelebte Gelassenheit, besonders in der Führungspraxis, nutzt dabei unbeachtete Potenziale und leistet eine Vorbildfunktion, die über Organisationswelten hinaus wirksam sein kann.
Charakteristika und Bedingungen einer engagierten GelassenheitEine Form auf die beschriebene Lage zu antworten und eine Mühelosigkeitspraxis zu entwickeln ist Gelassenheit. Dieses
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GelassenSein meint dabei nicht eine passive, resignative, sondern eine engagierte Haltung. Als solche ist sie gerade nicht «indifferent» gleichgültig, sondern im Gegenteil versteht sich als differenzsensibel und gleichmütig.
Worauf bezieht sich das «Lassen» dieser Gelassenheit? Grundlegend kann Lassen ein Loslassen im Sinne eines NichtFesthalten bedeuten oder auf ein Zulassen im Sinne eines NichtAbwehrens verweisen. Es geht also um ein Loslassenkönnen von fixierten Vorstellungen oder starren Urteilen. Gleichzeitig verweist dies aber auch auf ein Zulassenkönnen von Neuem und Anderem. Von einer aktiven Passivität bewegt, vermag der Gelassene Unbekanntes, Fremdes oder lebendige Widersprüche des Lebens zuzulassen. Er oder sie wird durchlässig, dabei wissend, dass, wer alles zulässt, Identität verliert und wer völlig loslässt, boden und profillos wird.
Gelassensein heißt demnach einen Standpunkt zu haben und zugleich offen zu sein. Gelassene sind fähig, sich «bewegt» abzugrenzen, aber auch Grenzen zu übersteigen; wohlgemut zu überlegen, aber auch Riskantes mutig zu wagen. Zulassenkönnen heißt Lebendigkeit bewahren und ist daher nicht Abkehr vom Leben. Gelassenheit ist gerade nicht passive Bewegungslosigkeit oder aufgebendes Resignieren. Vielmehr ist dieses Lassen eine beständige, aber friedfertige Begegnung, In und Auseinandersetzung mit sich, Anderen und der Welt.
Gelassenheit durch Achtsamkeit und Aufmerk-samkeit — sinnliches und sinnvolles GegenwärtigenGrundlegend äußert sich Gelassenheit in einem achtsamen und aufmerksamen Einlassen. Das Engagement bezieht sich da mit zunächst auf eine aktive sensibilisierte Wahrnehmung. Achtsamkeit wird als «mindfulness» in der Organisations und Managementforschung zunehmend untersucht (Jordan et al 2009). Auch werden deren vielfältigen Qualitäten und Vorteile besonders im Verhältnis zur Aufgabendurchführung in verschiedenen Organisationsumwelten beschrieben (Dane 2011).
Eine achtsame Wahrnehmung macht dabei den «Sinn» des Besinnlichen zugänglich und bewusst. Denn achtsam sein heißt, mit allen leiblichen Sinnen präsent zu sein, ohne dabei allerdings sentimental zu werden. Gelassen aufzumerken folgt dabei nicht be und verwertenden Verfügungsimperativen, wie sie dem leistungsgesellschaftlich ausgerichteten «homo performator» zu eigen sind. Aufmerksam und achtsam zu sein kann helfen, von übervereinfachten Vorstellungen oder fixierten Projektionen der eigenen Person wie von Anderen Abstand zu nehmen. So befreit, lassen sich andere und neuartige Aspekte von sich als Wahrnehmendem, Fühlendem, Denkendem und Handelndem erkunden. Gelassen achtsam sein heißt, im Aufmerken dem Fremden, Neuen, Ungewussten wie auch Unvorhersehbaren offen zu begegnen. Der gelassen Aufmerksame erlaubt der Welt mit ihren mannigfaltigen Erscheinungen, sich durch ihn hindurch in sinnlicher Erfahrung zu zeigen.
Eine völlig vorprogrammierte Ordnung, in der die Aufmerksamkeit diszipliniert und das Aufmerksamkeitsrelief in ein starres Gebilde eingebunden wird, verhindert Spontaneität und provoziert eher Widerstände bei den Mitarbeitern. Sie setzt damit eher zentrifugale Trägheitskräfte frei, die dazu führen, dass Arbeitszwang und Schlendrian, Zeitersparnis und Zeitvertreib, Normierung und Extravaganz nebeneinander existieren.
Als innewerdendes Engagement bezieht sich Gelassenheit auf eine radikalisierte Gegenwärtigung des eigenen Erlebens, Tuns bzw. Lassens. Dies wurde von Claus Otto Scharmer (2009) als Vergegenwärtigung (Presencing) beschrieben, welches ein Hinsehen, Hinspüren und mithin ein Hervortreten eines inneren Wissens sowie Momentbewusstes Handeln integriert. Der Begriff «presencing» verbindet «presence» (Präsenz) und «sensing» (wahrnehmen/spüren) miteinander und verweist darauf, wie das Selbst gleichsam von einem festgelegten «Machen» zurücktritt, um sich einem Fließen zu überlassen, welches auch die Entfaltung von Potenzialen ermöglicht. Nach Scharmer bedeutet Presencing, die angestrebte Zukunft in dem gegenwärtigen Denken und gemeinsamen Handeln spürbar und wirksam werden zu lassen.
Aktives Nicht-Tun als Gelassenheitspraxis —Mühelos aber wirksamWie der Ostasienwissenschaftler und Philosoph Jullien (1999, 2006) aufzeigt, erreicht ein rechtes NichtHandeln, wie es im Taoismus entwickelt wurde, die volle Entfaltung von Wirksamkeit. Diese Wirksamkeit ist dabei nicht bestimmt durch Vorgaben, die durch eine einseitige effiziente ZielMittelBetrachtung auf den Lauf der Dinge projiziert werden. Vielmehr ergibt sie sich durch ein Aktivieren oder Ergreifen des in einer jeweiligen Situation gegebenen Potenzials. Durch eine Sensibilität für umstandsabhängige Potenziale wird Wirksamkeit so zum Geschehenlassen von Wirkungen.
Das Sichergebenlassen ermöglicht dabei eine dem Weg oder Ablauf von Arbeitsprozessen immanente Transformation. Der engagiert Gelassene verbindet sich mit dem Werden und der Logik des Geschehens und kann darin inne sein und mögliche Entfaltungen spürend voraussehen und sich entsprechend engagieren. Mit Laotse: «Der Weise tut nichts, doch bleibt nichts ungetan». Der engagiert Gelassene ist kein ein fa cher NichtHandelnder, denn er bleibt nicht inaktiv. Vielmehr ist er kokreativ engagiert und begleitet während des ganzen Ablaufs partnerschaftlich das Geschehen und was potenziell wirksam werden kann. Die Welt ist für den engagiert Lassenden demnach
«Der engagiert Gelassene ist keineinfacher Nicht-Handelnder, denn erbleibt nicht inaktiv.»
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kein Gegenstand des Handelns mehr, sondern er wird zum Mitwirkenden im Fluss des Geschehens. Er wirkt teilnehmend mit an der Entfaltung der Welt, ohne sie dafür als Ressource zu vereinnahmen, sie zwanghaft zu bearbeiten oder zu bekämpfen. Der Handelnde wird zum Teil des Weges, der sich im Gehen vollzieht. Oder wie es der Dichter Antonio Machado formulierte: «Reisender, es gibt keine Wege, Wege ent stehen im Gehen».
Bezogen auf Organisationen geht es beim Nichttun um die Überwindung von einem Kontrollzwang, der versucht Gegebenheiten so zu (de)formieren, dass sie den Zeit oder Budgetplänen entsprechen. Gelassene Mitarbeiter vermögen es, einfach auch mal abzuwarten, wohlüberlegt innezuhalten oder bewusst nur kleine Schritte zu gehen. Zudem halten sie dabei die Spannung aus, die mit NichtAgieren im Organisationsalltag verbunden sein kann.
Die Kunst, engagiert gelassen zu antworten Gelassenes Engagement ist auch als Kunst eines wohlverstandenen Antwortens und Verantwortens bestimmbar. Engagiert gelassen zu sein heißt damit, auf Anfragen, Ansprüche oder Herausforderungen in rechter Weise zu antworten. Dieses Ant wortverhalten kann als eine spezifische Responsivität bestimmt werden, die allem Empfinden, Fühlen, Denken, Reden und Tun zugrunde liegt (Waldenfels 2004). Dieses Responsive schafft so einen vieldimensionalen Gesprächs, Stimmungs und Handlungsraum, in dem Menschen in ihrem InderWeltSein – sei es familiär, freundschaftlich, kollegial, institutionell etc. – miteinander verbunden sind. Die Responsivität vollzieht sich dabei im jeweiligen Hier und Jetzt in außersprachlichen und sprachlichen sowie handlungswirksamen Weisen.
Beim Antworten kann unterschieden werden zwischen dem, was inhaltlich geantwortet wird (der Antwort), dem, was beantwortet wird (der Frage) und dem, worauf im Antwortgeben geantwortet wird (dem Anspruch). Das, worauf geantwortet wird, bildet dabei weder die Etappe zu einem Ziel, noch den Fall einer Regel, noch das Vorstadium eines zu lösenden Problems.
Der Unterschied zwischen dem, worauf wir antworten, und dem, was wir ziel, regel oder problemorientiert zur Antwort geben, lässt dabei auch neue Ordnungen entstehen, die dann auch neue Ziele und Gebote setzen oder Probleme anders bearbeiten können.
Responsivität im Unternehmensalltag antwortet auf Anforderungen und Ansprüche sowie auf Problemlagen und Her
aus forderungen, wie sie in der Organisationspraxis und im Füh rungsalltag auftreten, in engagierter aber gelassener Art und Weise. Zum Beispiel können konkrete Koordinationsprobleme zwischen Abteilungen oder belastende Kooperationsschwierigkeiten zwischen Mitarbeitern bzw. Konflikte in Teams durch verständnisvolles, vermittelndes Coaching oder soziale Verhandlungen als situative Kunst des rechten Antwortens ad ressiert werden.
Ambivalenzen aushaltend, ist das Antworten auch offen für das Zu und Einfallende. Als solches ist das Antworten dann nicht ein bloß reproduktives Handeln, in dem ein bereits existierender Sinn wieder oder weitergegeben oder einer vorgegebenen Norm gefolgt wird, sondern ein produktives aber gelassenes Antworten. Es erschließt sich als ein innovatives, mehr noch kreatives Antworten, welches sich ergibt und erfindet, indem es zugelassen wird, anstelle gewohnheitsmäßigen Denk oder Handlungsmustern zu folgen. Responsive, offene Anknüpfungen und ein erfinderisches, wertschöpferisches Ant worten lassen also zu, dass etwas auftritt, was nicht erwartet, vorgesehen, vorgeplant oder im Voraus geregelt war. Eine solche Responsivität als Fähigkeit zu antworten («responseability») trägt dabei zu einer integralen Verantwortung im Unternehmens und Wirtschaftsgeschehen bei (Küpers 2008).
Engagierte Gelassenheit als praktische WeisheitInterpretiert als eine bestmögliche Form praktischer Vernunft und klugheits und handlungsorientierte ‚MetaTugend’, dient Weisheit als eine Selbstorientierungskompetenz im Fühlen, Denken und Handeln des Einzelnen, um zur Realisation eines gemeinsamen, guten und glücklichen Lebens beizutragen. Ähnlich wie das aktive NichtTun und das rechte Antworten richtet sich praxisorientierte Weisheit auf den situationsadäquaten und vorausschauenden Gebrauch von Erfahrungen und Kenntnissen zum Beispiel für konkrete Entscheidungsfindungen aus. Entsprechend hängt sie von eingehenden Wahrnehmungen, kompetentem Gefühlsumgang und kritischem Denkvermögen ab. Dieses bewährt sich insbesondere in Momenten von Ungewissheit oder Mehrdeutigkeit, die auch die Lebenswelten von Führungs und Organisationskontexten kennzeichnen. Weisheit verbindet Affekte, Gefühle, Kognitionen, Intentionen, personale Werte, Einstellungen und Begehrens und Willenskräfte. Ihre integrative Qualität manifestiert sich beispielsweise darin, dass sie Überoptimismus oder die Dominanz negativer Erfahrungen und extremer Emotionen ausgleicht oder dazu beiträgt, mit widersprüchlichen oder paradoxalen Erlebnissen und Situationen umzugehen.
Weisheit hilft damit, durch Illusionen und Selbsttäuschungen hindurchzuschauen, selbstbezügliche Fixierungen zu überschreiten sowie integre, authentische (Küpers 2006) und zugleich empathische Verbindungen mit Anderen im Organisations und Führungsalltag zu entwickeln.
«Die Welt ist für den engagiert Lassenden kein Gegenstand des Handelns mehr, sondern er wird zum Mitwirkenden im Fluss des Geschehens.»
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• Sinnvermittelnde und bedürfnisorientierte Arbeitsgestaltung, z.B. in
Form kreativer Aufgabenvielfalt, erhöhtem Bedeutungsgehalt der Auf-
gaben, freisetzender Handlungsautonomie sowie durch gelassenheits-
förderliche Strukturen und eine Organisationsentwicklung, die zur
Selbstbestimmung und -kontrolle wie auch zur wertebewussten Lö-
sung von sozialen Konflikten ermutigt.
• Der Einzelne lernt sich selbst und Andere wahrnehmend auch als fremd
kennen. Er vermag dabei eine Selbstverständigung und Umgangsweisen
zu kultivieren, die zu einer integrativen Lebenspraxis beitragen. Dies be-
inhaltet ein Sich-ins-Verhältnis-bringen und eine Auseinandersetzung
mit eigenen Begabungen, Vermögen und persönlichen Ressourcen, aber
auch Schwächen und Grenzen sowie (Selbst-)Gefährdungspotenzialen.
• Ziel dieser Selbstbesinnung: die eigene Person selbstbestimmt führen,
also sich selbst und die eigenen Lebensumstände so zu organisieren,
dass den Anforderungen des beruflichen und des privaten Alltags en-
gagiert gelassen begegnet wird und sich Potenziale unverkrampft ent-
falten. Damit kann die eigene Lebenskraft sinnvoll eingesetzt werden,
um Lebenszufriedenheit, Glück und ein erfüllteres Lebens zu gewinnen.
• Umsetzungspraktische Tendenzen sind zu unterstützen bzw. ungünsti-
ge physische, psychische, soziale und systemische Bedingungen, die
eine Verwirklichung behindern, zu reduzieren.
• Weiterentwicklung eigener Einstellungen, Haltungen und Wertvorstel-
lungen, im Sinne einer freigeistigen, aber engagiert verantwortungs-
bewussten Lebenskunst.
• Die Gestaltungsmöglichkeiten der Führung zur Förderung einer enga-
gierten Gelassenheit korrespondieren mit Einflussfeldern einer integ-
ralen Führung und Steuerung (Deeg et al. 2010). Diese beinhalt neben
dem intra-subjektiven Bereich der Selbstführung und -entwicklung (In-
nenwelt) und dem äußeren Bereich des Wissens und (Nicht-)Handelns
auch eine Führung in sozio-kulturellen Lebenswelten sowie in struktu-
rellen, systemischen Beziehungsgefügen.Dabei stehen die individuel-
len Perspektiven der Psyche mit ihrer subjektiven Innenwelt sowie die
Perspektiven des Agenten und deren äußerer Handlungs- und Wirkwelt
mit Welten und Entitäten auf der kollektiven Ebene in einem wechsel-
wirksamen Verhältnis. Kollektiv verweist dabei auf die intersubjektive
Mitwelt der Gemeinschaft und die interobjektive Sach- oder Umwelt
der Organisation als Agentur. Während die soziale Welt auf wertebezo-
gene und gemeinschaftliche Dimensionen in und zwischen Menschen
verweist, beinhaltet die Sachwelt die äußeren, strukturellen und funk-
tionalen Bedingtheiten bzw. Ressourcen.
• Grundlegende Bedeutung einer prozessualen Koordination und Ver-
mittlung zwischen den einzelnen Einflusssphären. Dabei geht es nicht
nur um das, was einzelne Führungskräfte und Mitarbeiter innerlich
prägt und was sie empfinden (Psyche) oder welche Eigenschaften und
Handlungen sie performativ im Außen zeigen (Agent), sondern immer
auch um das, was zwischen Führenden und Geführten in Gemeinschaft
geschieht und sich entwickelt (Kultur) sowie sich in Strukturen und
Funktionen ausdrückt oder verändert (System/Agentur).
• Eine integrale gelassenheitsförderliche Führung setzt sich zusammen
aus Führungskräften als seelische Wesen und Handelnde sowie einer
kollektiven, sozio-kulturellen Führungspraxis und funktionalen Füh-
rungssystemen. Hinzu kommen spezifische Entwicklungsebenen und
-linien in all diesen Bereichen sowie deren integraler Zyklus im Füh-
rungs- und Organisationszusammenhang (Edwards 2010).
Für eine integrative Gelassenheitsförderung durch eine integrale Füh-
rungs- und Organisationspraxis sind alle diese Komponenten zusam-
menhängend zu betrachten. Eine integrale Führung beeinflusst die mit-
einander verflochtenen Innen-, Wirk-, Mit- und Sachwelten und wird
umgekehrt von diesen beeinflusst (vgl. Abbildung 1).
Möglichkeiten der Gestaltung engagierter Gelassenheit
Auch wenn eine Weisheitspraxis u.a. Fakten und Strategiewissen als flexibles Repertoire von Heuristiken über Lö sungsstrategien für Lebensprobleme beinhaltet, entspricht sie nicht einem technologischen Anwendungswissen. Die engagierte Gelassenheit von verkörperter Weisheit kommt vielmehr durch die Einbringung von leiblichem, implizitem Erfahrungswissen und intuitivem Können in konkreten Lebensproblemen zum Ausdruck. Über interpersonelle Dimensionen hinaus, ist eine systemische Weisheit dabei auch bezogen und eingebettet in ein materielles, soziokulturelles und ökologisches Beziehungsgefüge. Als ein verteilter, «plastischer»
Prozess vermittelt Weisheit gerade im strategischen Führungszusammenhang eine spezifische organisationale Anpassungs und Gestaltungskraft zur Gewinnung einer langfristigen Nachhaltigkeitspraxis. Engagiert gelassen vollzogen, repräsentiert prak tische Weisheit in Führungs und Organisationskontexten ein Vermögen, moderate Handlungsmodi zu bedenken und zu er proben, um zu verantwortlichen Urteilen zu kommen und das Leben zu meistern (Küpers 2008). sowie herausfordernde Trans formationen, organisationale Rekonstruktionen und Wandelprozesse in rechter Weise durchzuführen (Grint 2007).
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Abbildung 1
Wechselwirkungen zwischen den Einflussfeldern von Führung für eine engagierte Gelassenheit in Organisationen
Individualität
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«com petere» d.h. «zusammentreffen», «zu etwas fähig sein», «zustehen».
Die Leitorientierung ist demnach «Muße» statt «Müssen». Auch in Organisationen und Führung geht es daher um die Wiedergewinnung von Reflexionsphasen und Momenten des Müßiggangs als einer kulturellen Praxis. Wider dem vermeintlich lasterhaften Sündenfluch kommt es auf die Einsicht an: Müßiggang ist aller Hastender Neuanfang; zumindest zeitweise, um so die eigene Stimme wieder hören zu können.
Dieses neue Anfangen befreit sich aus funktionalen Fängen und öffnet sich zu einer ein und neuanfangenden Zeit des Nach, Anders und Vordenkens. Dabei geht es darum, aus dem Reaktionsmuster eines Kampfmodus herauszutreten und eine andere, eben «lassendere», Lebensform im (Arbeits)Leben zu kultivieren. Dies umfasst auch ein befreiendes «Entmöglichen» vom fremdbestimmt Auferlegten, um so zur Ermöglichung von eigener und eigensinnigeren Bestimmungen zu kommen.
Förderungsmöglichkeiten zur Entfaltung einer engagierten Gelassenheit Jede Organisation muss ihre spezifischen und situativen Förderungs und Umsetzungsformen für eine engagierte Gelas
Eine wirksame Praxis engagierter Gelassenheit ist im Zusammenhang einer Kunst praktischer und integraler Weisheit in Organisationen (Küpers 2012) kultivierbar und als weise Führung (Doppler 2009) umsetzbar. Die Verwirklichung weiser Praxis, die auch zu einem umfassenden Wohlergehen beiträgt, ist dabei, wie die so genannte Optimalerfahrung im Flow, intrinsisch befriedigend.
Möglichkeiten der Führung für die Förderung engagierter GelassenheitHinsichtlich der Gestaltungsmöglichkeiten ist zunächst festzustellen, dass sich engagierte Gelassenheit nicht einfach «managen» lässt, denn sie verweist gerade auf die Grenzen einer Plan und Beherrschbarkeit. Formen einer Instrumentalisierung unterhöhlen das Wesen des engagiert Gelassenen. Ähnlich wie intrinsische Orientierungen durch extrinsische Anreiz und Belohnungs oder Bestrafungssysteme unterminiert werden, ist auch ein Management, welches Gelassenheit wie eine Ressource oder Fertigkeit auszunutzen versucht, verfehlt. Anstelle schnell ausgereizter Anreizkonzepte und eines fraglichen Kompetenztrainings, geht es um ein reizvolles intrinsisch «kompetentes» Gelassenheitsengagement, im Sinne von
Kollektivität
Innen(inter-)subjektive
Identität
Außen(inter-)objektive
Identität
Handlungs-/Wirkwelt
Innenwelt
Gemeinschaft Agentur
PSYCHE AGENT
MITWELTSACH-/UMWELT
BEWUSSTSEINS-QUADRANT
VERHALTENS-QUADRANT
KULTUR-QUADRANT
SYSTEM-QUADRANT
INTEGRALEFÜHRUNG
engagierterGelassenheit
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senheit entwickeln und realisieren. Korrespondierend zu den verschiedenen Formen engagierter Gelassenheit werden daher im Folgenden beispielhafte Förderungsmöglichkeiten beschrieben.
Förderung eines achtsamen Zu- und Einlassens
Hierbei geht es um die Förderung von Achtsamkeit und Aufmerk samkeit gerade im Alltag und in Beziehung. Ganz grund legend beginnt dies mit der Achtung von Bedürfnissen der Leib lichkeit: ausreichend Schlaf, genügend Pausen, ge sun de Er näh rung und Bewegung bei Führungskräften und Mitarbeitern.
Dazu tritt eine Unterstützung durch einlassende Wahrnehmung, aktives Zuhören und Kommunizieren im Dialog sowie organisationsspezifische Möglichkeiten der Entschleunigung und Verlangsamung. Gerade Langsamkeit führt zu angemessener Geschwindigkeit, Wahrnehmungsintensivierung und einem Rhythmus im Umgang mit sich selbst, mit den Mitmenschen und mit der umgebenden Natur.
Organisationspraktisch sind flexible Lebens, Arbeits und Auszeiten für sich selbst und andere, diesseits einer WorkLifeBalance, zu entwickeln und betriebsindividuell anzubieten. Denn Zeitsouveränität lässt engagiert gelassen mit Zeitdruck bzw. mangel umgehen. Auch Zeiten eines Medienfastens und des bewussten «OfflineSeins» tragen zu weniger äußerer Verfügbarkeit und dafür mehr innerer und sozialer Erreichbar keit bzw. Begegnung mit sich selbst und den konkreten Anderen bei. Weniger EMailAbrufe führen also zu mehr Achten auf innere Rufe und Anrufe Anderer.
Gelassen engagierte, dynamische «Connectors» (MacCormick et al. 2012), vermögen z.B. im Umgang mit Smartphones, anstelle «hypo» oder «hyperconnected» zu sein, je nach situa tivem Bedarf zwischen hoher und geringer Konnektivität zu wechseln und sich auch wohlzufühlen, zeitweise nicht verbunden zu sein sowie sich zu regenerieren.
Hier einige Merkmale zur Einübung aufmerksamen Wahrnehmens (Wagner 2007: 135)• konstatierend: «so ist es», ohne einzugreifen, für wahr neh
men, was ist• konstanter Fokus: nicht abschweifendes oder ablenkendes
Wahrnehmen• weit gestellt: nicht engstellender, sondern offener Wahr
nehmungsraum• wahrnehmend und expressiv: wirklich hinschauend, hinhö
rend, hineinspürend und das Erlebte zum Ausdruck bringen, z. B. in Form eines (Wahrnehmungs)Tagebuchs
Der Übungscharakter der Achtsamkeitspraxis wird auch in Formen klassischer Achtsamkeitsmeditationen deutlich, wie sie von Kai Romhardt beschrieben und vermittelt werden (vgl. das Interview in diesem Heft ab Seite 13).Entscheidend wird es darauf ankommen, die vielfältigen Mög
lichkeiten der Kultivierung einer Gegenwärtigung in den Führungs und Organisationsalltag zu integrieren und für alle Mitarbeiter zugänglich zu machen.
So können Momente des Innehaltens, z.B. in Meetings, Übungs formen für eine andere Umgangskultur sein, in denen sich die Anwesenden ihrer Situation bewusst werden.
Bei all dem geht es um eine gelassenheitsausgerichtete Interpretationsorientierung. Denn es sind nicht die Ereignisse, die uns beunruhigen, sondern die Vorstellungen davon, wie schon der antike Philosoph Epiktet (50–138) wusste, der sinngemäß feststellte: Wir sind nicht für das Geschehen ganz verantwortlich, aber dafür, wie wir es interpretieren, es erleben sowie was wir daraus machen.
Praktizieren eines aktiven Nicht-Tuns Aktiv nicht zu tun aber ermächtigt zu lassen kultiviert eine Situationskompetenz. Mit dieser geht es nicht darum, zwanghaft intervenieren zu wollen, sondern darum, das situative Potenzial auch im Organisationsalltag zu «nutzen» und es reifen zu lassen. Damit wird auch das Unvorhersehbare, welches
Folgende Leitfragen bieten einen diagnostischen und dialogischen Zugang zur Achtsamkeit an:
• Wie fühle ich mich/wir uns?
• Wo(rin) bin ich/wo sind wir gerade?
• Achte ich auf leise Signale?
• Vernehme ich meine leiblich-sinnlichen und seelischen Be dürfnisse?
• Wie verhalte ich mich, welche Haltung nehme ich auch leiblich ein?
• Was geschieht, wenn ich ganz einfach für einen Moment auf meinen
Atem achte?
• Wie würde ich diesen einzigartigen Moment beschreiben?
• Warum bereitet mir diese Situation hier und jetzt Mühe oder macht
müde bzw. nervös?
• Wie kann ich entspannen?
• Wann habe ich zum letzten Mal von Herzen gelacht oder Freude
während der Arbeit empfunden? Wie war das?
«Die Verwirklichung weiser Praxis, die zu einem umfassenden Wohlergehen beiträgt, ist, wie die Optimalerfahrung im Flow, intrinsisch befriedigend.»
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in der Planung gerade nicht bedacht wurde oder werden konnte, zum «Normalen». Um dieses rechtzeitig zu erkennen und entsprechende Umgangsweisen zu erfinden, ist es hilfreich, den Wahrnehmungs und Beobachtungsraum zu erweitern und zu vertiefen. Das heißt für das Management zu fragen, statt zu appellieren, anstelle von der toten Stati(sti)k der Zahlenschlachten zum lebendigen Austausch von Bildern und Pers pektiven zu gelangen sowie Dialog als kreativen Denk und Schenkraum zu verstehen.
Zu strategischen Möglichkeiten im so verstandenen NichtHandeln gehören nach Jullien (1999: 135ff) verschiedene KönnensMomente:• Warten und ZuhörenKönnen • LeichtSeinKönnen• InBeziehungSeinKönnen• Sich mit dem Lauf des Realen verbindenKönnen• Weg des geringsten Widerstand gehenKönnen
Dieses Können erlaubt das Erleben einer negativen Befähigung rezeptiver Aufgeschlossenheit und sinnlicher Hingabe, wie sie der Dichter John Keats beschrieben hat. Diese negative capability verweist auf einen Zustand sich auf Unsicherheiten, Ambiguitäten, Geheimnisse und Zweifel einzulassen, ohne sich ärgerlich nach Tatsachen und Vernunft umzusehen. Als präsen ter Seinszustand richtet sich diese EntHaltung gerade auch im Führungszusammenhang auf eine Transformation in ein Werden hinein, dessen Verwirklichung jedoch keineswegs sicher ist. Doch mit Musil vermittelt ein solch gekonntes NichtTun, sich aus dem dominierenden Wirklichkeitssinn hinaus, zu einem wiederzuentdeckenden Möglichkeits und kreativen Gestaltungssinn hin zu bewegen.
Folgende Leitfragen mögen zum Überdenken und zur Neuausrichtung dabei hilfreich sein:• Was bedeutet für mich (Leistungs)Erfolg? Wie sehr ist mei
ne Identität oder mein Eigenwert daran gebunden?• Kenne ich meine persönlichen (Lassens)Prioritäten in Be
ruf wie Privatleben und nehme ich mir ausreichend Zeit, mich diesen zu widmen?
• Was möchte ich loslassen oder anders machen und wie kann ich das erreichen? Woran halte ich aus Angst oder schlechtem Gewissen trotzdem fest?
• Wie kann ich von einem heroischen Entscheiden zu einer postheroischen Managementpraxis kommen?
Wie empirisch gezeigt wurde, vollziehen sich Formen des «Doing Nothing» (Ehn & Loefgren 2010: 5) in scheinbar unpro
duktiven Phänomenen wie Warten oder Tagträumen auch im organisationalen Alltagsleben. Wer engagiert gelassen wirksam sein will, der kann achtsam abwarten. Wenn situativ gerade nichts möglich erscheint, gilt es z.B. Abwarten und Tee trinken.
All dieses Nichttun ist dann nicht nichtig, wenn es im Zustand besonderer Aufmerksamkeit für Veränderungen der Situation und in Bereitschaft für ein Respondieren oder auch ein Unterlassen geschieht.
Unterlassens-Management als Nicht-Stören von
Mitarbeitern und Abläufen
Beim engagierten Lassen gilt es, Vertrauen in die Dynamik der Situation sowie in die in ihr Involvierten und in die Eigenbewegung der Dinge zu entwickeln und Blockierungen zu reduzieren.
Wie empirische Studien zur Demotivation und Remotivation in Organisationen (Wunderer & Küpers 2003) zeigen, kommt es dabei oft auf Formen eines Unterlassungsmanagements an. Als führungsspezifische Prävention bezeichnet dieses ein bewusstes NichtIntervenieren oder Nichtstören von Mitarbeitern. Anstelle eines übertriebenen oder blinden Aktivismus («Vorgesetzte als Macher»), kann demnach ein maßvolles Lassen von Maßnahmen oft sinnvoller sein, um Demotivation und anderen problematischen Verhaltensweisen vorzubeugen. Damit ist auch das Vermeiden von abwertenden oder konfliktgenerienden Kommunikations und Handlungsmustern angesprochen.
Unterlassen heißt aber nicht «Aussitzen», was als maskierte Gelassenheit verbrämt, taktisch eingesetzt wird, um Macht zu gewinnen oder zu erhalten, sondern es handelt sich um ein wohlverstandenes und freilassendes Enthalten.
Entwickeln eines antwortenden Ein-Lassens und Spielens
Engagiert gelassenes Handeln fragt nicht nur danach, wer, wie, womit, unter welchen Umständen, gemäß welcher Regeln und Normen zu welchem Ziel tätig ist, sondern auch wie dem jeweiligen responsiven Handeln in der Dimension des Tuns selbst etwas vorausgeht, woran es anknüpft oder abweicht.
Die Kunst eines antwortenden Einlassens, einer engagierten Gelassenheit realisiert sich z.B. als ein schöpferisches oder improvisatorisches Spielhandeln. Bei der Umsetzung des Spielerischen in der betrieblichen Praxis geht es nicht um eine organisierte Offenheit, sondern um eine offene Organisiertheit, die auch Formen des Desorganisierten kennt (Neuberger 1988). Der hektischen Betriebsamkeit zeitoptimierenden Arbeitens, die dann der Erholung bedarf, steht eine spielerische Muße gegenüber. Die spielerische Kreation wird zur Wertschöpfung. Interessanterweise bedeutet von der Wortherkunft «crescere» kreativ: «wachsen» und «werden lassen». Kreativ zu sein bedarf also eines lebendigen Entfaltens, und dies in engagiert gelassener Ruhe und Freiheit.
«Es geht darum, das situative Potenzial auch im Organisationsalltag ‘zu nutzen’, es reifen zu lassen.»
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Organisationspraktisch bedarf es dazu u.a. eines Aufbaus oder einer Wiederbelebung von «Organizational Slack», also organisatorischer Ressourcenüberschüsse, welche nicht mit direktem ZweckMittelEinsatz instrumentalisiert sind. Damit ist insbesondere die Wiedereinführung und Kultivierung zeitlicher und struktureller Freiräume und Dispositionsspielräume angesprochen. Der Entfaltung von engagierter Gelassenheit dienen Flexibilitäts und Umsteuerungspotenziale, Mehr fachqua lifizierung und vielseitige Rollenverteilung sowie Entscheidungsdelegation und Zulassen selbstorganisationaler Ele mente und Prozesse.
Förderung praktischer Weisheit
Als Medium engagierter Gelassenheit erfordert praktische Weisheit eine Kultivierung im Bewusstsein und eine Erprobung sowie Realisation im Handeln bei Einbettung und Koordination mit soziokulturellen und systemischen Zusammenhängen.
Die Kunst des Lernens und der Bildung von Weisheit bzw. einer Weisheitsatmosphäre in Organisationen wird durch Gestaltungs und Einübungsformen sowie ein Vorleben durch die Führung von gelassenheitsförderlichen Gewohnheiten vermittelt. Dabei geht es nicht um ein wissens oder kompetenzbezogenes Lernen, sondern eher um ein Verstehen der Grenzen von Wissen und Fertigkeiten, Ausdrucksformen von implizitem Wissen und mehr um ein Ent und Neulernen, welches auch ein «lettinggo» erfordert.
Weiterhin unterstützen Räume für Weisheit engagierte Gelassenheit in Organisationen. Sie vermitteln eine psychologische Sicherheit und soziale Beziehungen, in denen auch Zweifel, Sorgen oder Ungewissheiten mitgeteilt werden können. Weisheit, die sich in einen kulturellen Stil oder Ethos einer Organisation assimiliert, kann auch Teil einer unternehmerischen Gelassenheitskultur werden, die sich über längere Zeit ausbildet.
Schluss als Anfang oder warum Gelassenheit eine «anmutige Form des Selbstseins» ist (Marie von Ebner-Eschenbach)Im Sinne einer professionellen Kunstfertigkeit erlaubt engagierte Gelassenheit und praktische Weisheit die kreative Verwirklichung einer wohlverstandenen Exzellenz reflektierter Prak tiker in deren lebensweltlicher und sozioökologischer Ein bettung und Praxis. Entwickelt «in situ» und dann zur Gewohnheit geformt, trägt eine solchermaßen revitalisierte Ausrichtung zu einer nachhaltigen Praxis von Führung und Organisationen sowie ihren Anspruchsgruppen bei.
Bezogen auf unsere aktuelle Zeit geht es dabei auch um eine engagiert gelassene und dabei ethisch reflexive Leistungskultur (Lenk 1983). In einer solchen tritt die intrinsisch eigenmotivierte, schöpferische sowie soziale Leistungspraxis an die Stelle eines nur fremdverordnetem Leistungszwangs. Aus dem
Geist des engagiert Gelassenen kann dann lassend Kreatives geleistet werden.
Es bleiben viele Fragen offen: Wie können Unternehmen über die genannten hinaus, weitere Bedingungen schaffen, so dass diejenigen, die sich gelassen selbst organisieren, um sich kreativ, sozialverantwortlich zu engagieren, dadurch nicht kar rie retechnisch Selbstmord begehen oder anderweitig benachteiligt werden? Wie kann engagierte Gelassenheit als Teil des professionellen Lebens anerkannt und dauerhaft gefördert werden?
Die Beantwortung dieser Fragen erfordert einzusehen, dass engagiert gelassen zu sein, gerade nicht heißt, sich einfach gehen zu lassen. Vielmehr werden Antworten auch praktisch gefunden, wenn sich der Gelassene achtsam auf Eigenleistung und gemeinsames DienstLeisten einzulassen versteht. Engagement in der Gelassenheit schützt damit vor Ausflüchten, In differenz, Relativismus oder Zynismus z.B. gegenüber Visionen und Plänen. Denn dieses Lassen ist nicht planlos. Selbst bei Laotse heißt es, daß der Berufene zwar gelassen und doch gut im Planen ist.
Absichten, Ziele und visionäre Zukunftsentwürfe, die unser Handeln leiten, gehören unabdingbar zu einem selbst verantworteten Leben. Ein solches bedeutet dann eben nicht, wie willenloses Treibholz auf dem Strom des Lebens dahin zu treiben. Sondern dieses Leben ist wirksam entsprechend der Werte in einem schöpferischen Prozess. Es wird zum Medium für Kräfte des Lebens und dies in Verbundenheit und Verbindlichkeit.
Ein wohlverstandener Minimalismus lebt die nichtnaive Weisheit des Einfachen, nach dem Weniger oft Mehr ist. Dabei geht es auch in der Führung um eine Minimierung oder Dosierung von Impulsen sowie um eine Vereinfachung und Entschleunigung des Pulses der Organisation. Gelassen mit einer «SowohlalsauchOrientierung» kann es zu einem engagiert toleranten Umgang mit Mehrdeutigkeit, Paradoxien und Dilemmata kommen. Eine solche Gelassenheitspraxis findet ein dynamisches Gleichgewicht zum Beispiel zwischen Steuerung und Autonomie oder Struktur und Kreativität.
Engagierte Gelassenheit und praktische Weisheit sowie eine entsprechende Führungspraxis helfen adäquat und virtuos auf Herausforderungen in der heutigen und erwartbar noch komplexeren Welt von Morgen in rechter Weise zu antworten bzw. sich einzulassen.
Wenn Leitkulturen der Führung und des Organisationalen ökonomische und gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegeln und mitbeeinflussen, dann manifestiert eine engagiert
«Engagiert gelassen zu sein, heißt gerade nicht, sich einfach gehen zu lassen... Dieses Lassen ist nicht planlos.»
12 OrganisationsEntwicklung Nr. 2 |2013
Reflexion | Schwerpunkt | Klug nichts tun | Wendelin M. Küpers
Dr. Wendelin M. KüpersAssociate ProfessorSchool of Management, Massey UniversityAuckland, Neuseeland
Kontakt: [email protected]
ge lassene, weise Führung eine auch zivilgesellschaftlich re levan te Lebenspraxis, die über die Unternehmen hinausgeht. Der Prüfstein der Verwirklichung einer solchen engagierten Gelassenheit wird es sein, inwiefern sich diese im Alltag von Führung und Organisation lebendig verkörpern und bewähren lässt und inwiefern sich damit neue und nachhaltige Perspektiven auf einen erfüllten Lebenssinn, befriedigendes Glück und eine lebenswerte Zukunft hin eröffnen.
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