Immersions- und Emotionsforschung, Kernelemente der Bildwissenschaft

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Alie Rechte vorbehalten ©Verlag Dr. H. H. Driesen GmbH, Taunusstein, 2007

Lektorat, Text und Umschlaggestaltung: Albrecht Driesen

Cover unter Veiwendung der Einladungskarte tor die Ausstellung Aufruhr der GefOhle. Leiden­schaflen in der zeifgenassischen Fotografie und Videokunst, Museum filr Fotografie, Braunschweig 2004 mil Cindy Shemian, UntiUed Film Still, #27 (1979), courtesy Cindy Sherman, Metro Pictures, New York, Monika Spriith Philomena Magers, Kiiln, Miinchen, London, des Prograrrvns des E'111-steinforums in Potsdam, Okt-Dez. 2004 mil Louis-Leopold BoiUy, Reunion de trente-cinq tetes d'expression, Tourcoing, Musee des Beaux-Arts, zweier Programmhefte aus dem Musee de la Musique in Paris und eines Versandkatalogs von Frohlich und Kaufmann 2001.

Das Werk einschlieBlich aner seiner TeHe isl urheberrechUich geschiitzl. Jede Verwertung aurierhalb der engen Grenzen des Urheberrechls· gesetzes isl ohne Zuslimmung des Verlags unzulassig und stralbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfiitligungen, Obersetzungen, Mikro­verfilmungen und die Elnspeicherung und Verarbeitung in elektron~ schen Systemen.

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Druck und Buchbinder: SOL Druck und Verlag, Berlin Printed In Germany

ISBN 976-3-936328-76-9

Oliver Grau »Vorsicht! Es scheint, dall er direkt auf die Dunkelheit zustiirzt, in der Sie sitzen.« Immersions- und Emotionsforschung, Kernelemente der Bildwissenschaft

Niemals zuvor hat sich die Welt der Bilder so rasant veriindert wie in den

letzten Jahren: Waren Bilder frtiher Ausnahmeerscheinungen, weitgehend

dem Ritual, dem Kult, spiiter der Kunst und dem Museum vorbehalten, sind

wir im Zeitalter von Kino, Fernsehen und Internet mittlerweile eng von

Bildem umsponnen. Das Bild dringt in neue Segmente: Nicht nur das Fem­

sehen wandelt sich zum Zappingfeld, Grol3bildleinwiinde ziehen in unsere

Stadte, Infografik durchsetzt die Printmedien, Handys versenden Micromo­

vies in Echtzeit. Wir erleben den Aufstieg des Bildes zum computergenerier­

ten virtuellen Raumbild, das sich scheinbar »autonom« zu wandeln und eine

lebensecht, visuell-sensorische Sphare ztl formulieren vermag. Interaktive

Medien veriindem unsere Vorstellung vom Bild ztl einem multisensorischen,

interaktiven Erfahrungsraum im zeitlichen Ablauf. Bildwelten, welche zt1r­

zeit nur mit teueren Stand-Alone-Systemen erzeugbar sind, die jedoch schritt­

weise ins Internet einziehen, sobald dies die Bandbreiten, Dbertragungs- und

Kompressionsraten gewiihrleisten. Ehedem nicht darstellbare Objekte, Bild­

riiume und Prozesse werden optional, die Raumzeitparameter beliebig wan­

delbar und das Virtuelle als Modell- und Erfahnmgsraum nutzbar. Es entste­

hen polysensuell erfahrbare Bildriiume interaktiver Kunstrezeption, welche

Prozessualitiit, Narration und Performanz fdrdem und damit nicht zt1letzt der

Kategorie des Spiels neue Bedeutung verleihen.

Im Verlauf der neuerlichen, nun digitalen Medien- und Bildrevolution

erfuhren die neuen Bildwelten auf der einen Seite zwar ebenso feiemde

Zukunftsprognosen1, wie andererseits platonisch klagende2 oder gar apoka­

lyptische Szenarien.3 Die tatsiichlichen kulturellen Effekte des Medien­

wandels sind allerdings erst ansatzweise analysiert. Unter dem Titel The

Coming and Going of Images veriiffentlichte im Jahr 2000 Rudolf Am­

heim ein eindrucksvolles Pliidoyer fiir die Integration der neuen interaktiv-

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prozessualen Bildwelten in den Kontext der Sch!itze, Erfahrungen und

Einsichten, die uns die Kunst der Vergangenheit hinterlassen hat.4 Wie ein

Ruf nach einer interdiszipliniiren Bildwissenschaft lesen sich seine Worte -

und genau daraufzielte der fast 100-Jiihrige.5

Der vorliegende Beitrag moge als Versuch angesehen werden, diesem Projekt

einen Haustein hinzuzufilgen.6 Im Mittelpunkt,steht die. These, dass in der Ge­

schichte der Illusions- und Imrnersionsbildmedien eine Relation, eine Abhangig­

keit zwischen den jeweils neuen suggestiven Bildtechniken und den inneren

Distanzierungskriiften dee Betrachter festgestellt wenlen kann. Diese stehen in

einem relativen Zusammenhang und hangen von der fiber die Zeit erwor­

benen Medienerfahrung oder -kompetenz der Bildkonsumenten ab.7

Emotionen mochte ich in diesem Zusammenhang mit Wolfgang Lenzen8

und Hermann Schmitz9 als gerichtetes, verkorperlichtes, doch schwer

lokalisierbares Phanomen definieren. Gewiss lassen sich Emotionen teil­weise durch Herzschlag, Blutdruck oder AdrenalinausschUttungen nach­

weisen oder moglicherweise korrelierte neuronale Aktivitiiten visuell

reprasentieren, was aber letztlich Emotionen sind, entzieht sich weitgehend

der Messung und bleibt als psychisches Phiinomen auf Deutung angewie­

sen. Daher zieht diese Untersuchung drei Bild- und zum Teil Tonmedien

der Mediengeschichte heran, um Ubereinstimmungen, aber durch die

Reihung eben auch Unterschiede fassbar zu machen. Aile drei Gegenstiin­

de basieren auf den jeweils modernsten und im Sinne des Illusionismus

avanciertesten Bildmedien und -techniken ihrer Zeit; es sind durchweg

Auftragswerke. Die jUngeren zwei beruhen auf Regierungsauftriigen -

wenngleich giinzlich verschiedener Staaten. Nur mit hohem konzeptionel­

lem und finanziellen Aufwand konnten die Bildwelten realisiert werden,

die zwei jUngsten setzten zudem generalstabsmiiBig organisierte technischc

Apparate voraus, die zum Erreichen ihrer Botschaft alle Register der Sti­

mulans von Emotionen zogen, die in ihrer Zeit bekannt und technisch

moglich waren. Auf dieser Ebene - so die Hoffnung - eroffnet der Ver­

gleich zwischen einem religiosen Altarwerk mit einem als Dokumentatioo

deklarierten Gesamtwerk der Propaganda und einem in unserer Zeit als

Spiel geltendes Gesamtkunstwerk suggestiver Werbung ftlr den Kriep­dienst fruchtbare Erkenntnisse filr eine historisch ausgerichtete Emotions­

forschung. Zugleich spielen damit drei markante medienhistorischc BrO-

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che. tavolutionlire lnnovationen, eine Rolle: die Erfindung der Perspektive,

die 1eheinbare Bewegung des Bildes (Kinematographie) und die scheinba­

re Reaktion des Bildes auf Aktionen der Benutzer (lnteraktion). In der

tflckschau wissen wir um die Verbrechen, die von der Ideologie des NS

'1Jsgingen - Verbrechen, die gewollt oder ungewollt <lurch die Bilderspra­

che der Leni Riefenstahl vorbereitet wurden. Umgekehrt ist es uns nicht

ml:lglich, aus der Gegenwart eine Prognose abzugeben, zu welchen Ergeb­

nissen die suggestiven Anstrengungen filhren, die in Verbindung mit dem

Genre der Kriegssimulation und damit z.B. dem Computergame America's

Army stehen. Sicher scheint allein, dass die visuelle Potenz, die emotionale

Stimulanz und die ideologische Autladung wenig Gutes verheiBen.

Der Jsenheimer Altar

Heute noch bewirkt der Isenheimer Altar mit seiner grauenhaften Vision des

Gekreuzigten einen bedr!ingenden Eindruck und es bedarf einiger Minuten,

um Abstand von den Emotionen zu finden, die das mitreiBende Bilderlebnis

in uns hervorruft. Grunewalds Passion, sich aus einer langen Tradition ent­

wickelt hatte, wurde als Schnittpunkt zwischen der Geisteswelt des ausge­

henden Mittelalters und der beginnenden Renaissance charakterisiert.

Fast ganzlich entzieht sich das Leben des Matthias Grunewald unserer

Kenntnis10, sicher istjedoch, dass sein zwischen 1512 bis 1516 geschaffener

Fliigelaltar unter Einsatz aller verfiigbaren Kenntnisse und Bildtechniken

seiner Zeit entstand. Dieses Streben nach Illusion zur Flirderung emotionaler

Wirkung wird uns in den anderen Gegenstiinden, die inhaltlich mit dem Altar

nichts zu tun haben, wieder begegnen. Jener ist ein Amalgam christlicher,

humanistischer und alchimistischer Symbolik, welcher die Zeit wie in einem

Brennglas fokussiert - ein Schlagbild im Sinne des Wortes.

Im Zentrum, weit iiber seine Proportionen hinausweisend, hangt schwer

und riesenhaft Christus, seine ·Last spannt den Querpfahl wie eine Arm­

brust - eine emotionale Visualisierung, die in ihrer Zeit ihresgleichen

suchte (Abb. I). Grunewald erschafft einen graugrtln-fahl gl!inzenden,

geschundenen Leib, hager-sehnig und verkrampft, nahezu zerfetzt, iibersat

mit otfenen Wunden und gespickt mit domigen Rutenspitzen. Und Grune­

wald war ein wahrer Farbenmagier, der die Szene durch die Lichtfiihrung

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Abb. 1: Mathias Gronewald, lsenheimer Altar, um 1513-1516, Hilhe mu. 355 cm, Ge­samtbrelte In geschloSJenem Zusland 498 cm, Brelte der beweglkhen Flllgel lnsge1. 295 cm, Colmar, Musee des Unterllnden

expressiv weiter zu steigem vennochte. Lebendig noch mtlndet der emiedrig­

te Christuskorper in ein Knauel Obereinander geschlagener Ftll3e, an <lessen

blau geflirbten Zehen augenscheinlich die Verwesung bereits eingesetzt hat.

Aufgabe des in der Isenheimer Kirche des Krankenpflegerordens der Antoni­ter1 1 aufgestellten Altars war es, dies ist in der Forschung unstrittig, durch die

visuell-magische Verbindung zu Christus filr Infizierte von Pest und Antonius­

feuer Heilung zu bewirken oder zumindest, den Sterbenden durch die Hoff­

nung aufbaldige Auferstehung ihr Los zu erleichtem. So berichtet die Oberlio­ferung der Zeit, dass die Begegnung mit den Bildem wiederholt Heilungen

bewirkte wie sie das Mittelalter sonst etwa in der Beriihrung bedeutendct

Reliquien suchte.12 Traditionsgemlill wurden die Kranken daher in der Hoff·

nung auf ein Wunder vor den Altar gebracht, dem mithin therapeutische Funk·

tion zugeschrieben wurde. Erst im Anschluss daran erhielten die Krankelt durch die Ordenslirzte auch medikamentose Behandlung.13 Noch vor der Me-

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dizin rangierte mithin der Glaube an den wundertlitigen Chrisn1s und die me­

diale Verbindung des Bildes, das, um physische Heilung auszu!Osen, die Kran­

ken im Innersten emotional bertlhren musste. Entgegen der in Karlsruhe aufbewahrten, grausigeren Version, die den Kar­

per noch starker entstellt, ihn verkrampft und ungleich menschlicher wieder­

gibt, ist der Christus von Colmar ein erschlaffier Schrnerzensmann. Das tradi­tionelle Gedr!inge von Kriegern und Schaulustigen ist aus dem Bild getilgt. Um

das Kreuz stehen, ungleich kleiner, Johannes, eine auBergewohnlich schone

und junge Madonna, die weiB gekleidet und verschleiert, totenblass, mit offe­nem Mund. einer Ohnmacht nahe dasteht und Maria Magdalena. Wahrschein­

lich ist, class das Programm auf ein enges Zusammenwirken Grtlnewalds mit dem Auftraggeber Guido Guersi zurilckgeht, dem Abt des Klosters, in dessen Kirche das Bild aufgestellt werden sollte. Wie jedoch der KUnstler die Umset­

zung entwickelte, ist in hohem MaBe innovativ und war sicher nicht Gegen­stand des Auftrags: Die engen Raumbegrenzungen !assen das groBe Bildformat eine ilbeiwiiltigende Wirkung entfalten. Die Frontalitiit, das Vorziehen der

Szene bis zur Rahrnenschwelle, zwingt uns in eine planmiiBige Untersicht, die

den Betrachtem das dramatische Geschehen korperlich annlihert und eine distanzierte Rezeption nahezu unmoglich macht. Der Hintergrund, die Tiefe

der Landschaft, wird im Augenblick des Obertritts vom Leben in den Tod von einer Sonnenfinstemis verdunkelt, so dass wir der biihnenartigen Niihe des

dramatischen Geschehens kaum zt1 entgehen vermogen. Immer wieder wurde der Altar mit dem Antoniusfeuer in Verbindung ge­

setzt, dem ignis sacer, einer der verheerendsten Seuchen des Mittelalters. Mit

schneidendem Brandschrnerz tlberzog dieses die Gliedmassen, bis <las erkrank­te Glied unter bedrilckendem Kl!ltegefilhl abstarb. Die Erlosung im Tod, in der Auferstehung, mag, um dem inneren Feuerschmerz zu entgehen, herbeigesehnt

worden sein. Nahezu fotorealistisch, als Attribut der Welt der Kranken, rl\ckt

Grunewald gleich unter dem Gekreuzigten das GefaB mit der legendiiren Medi­zin der Antoniter14 zentral ins Bild. Die Heilungs- und Auferstehungskrlifte, die

dem Elixier nachgesagt wurden15, gewann es durch Berilhrung mit den Gebei­

nen des heiligen Antoniui;, Uber dje es gegossen wurde. Insbesondere die De­

tailstudien, mit denen einfilhlsam die Krankheit wiedergegeben wurde, sind durch Chronikbefunde und ein Wiederauftlackem der vergessenen Krankheit in den I 950er Jahren in Siidfrankreich bis in Einzelheiten bestiitigt worden.16

So wie Chrisn1s die Leiden der Welt auf sich nahrn, so zog Antonius die

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Krankheit seiner Pfleglinge auf sich. Im Hauptmotiv des Altares, der Mensch­

werdung von Christus im Moment der Erlosung, findet sich die visuelle Ent­

sprechung zu Bedeutung und Sinn des Hospizes.

Auf der Rilckseite des Altars entsteigt dem Sarkophag geheilt und leuchtend,

· machtvoll und prlisent, Christus, einer Sonne gleich. Zeit- und raumlos schwebt

er in der sternilbersiiten Nacht- ilbrig sind einzig die Wundmale, die nun selbst

zum Quell des Lichts der Auferstehung werden. Grunewald hat am Beispiel der

darunter zu Boden gegangenen Soldaten virtuose Experimente mit der dritten

Dimension angestellt, die jenen Paolo Uccellos kaum nachstehen. Detailgenau

erstreckt sich Grilnewalds Realismus von Engeln bis zu grandiosen Diimonen

und Ungeheuern, die trotz ihrer Fantastik natilrlicher Zoologie zu entstammen

scheinen. Die Betrachter werden »ins Bild« versetzt, so dass uns die Kreuzi­

gung mit »einer unentrinnbaren Eindringlichkeit umklammert«17• Diese im­mersive Gestaltung steigert in Verbindung mit der starken Untersicht und

ihrem einzigartigen Realismus die emotionale Wirkung.

Film a/s suggestives Medium

Obgleich die Lenkung der Zuschauergefilhle letztlich ilber den Erfolg von

Filmen entscheidet, ist die Frage, wie Filme bei ihren Zuschauem Emotionen

erzeugen, erst in den letzten Jahren verstiirkt thematisiert worden. 18 Dabei

waren die Pfade, auf denen <las Massenmedium Film in die Bildgeschichte

eintrat, von Beginn an diesem Ziel verpflichtet: Auf der Weltausstellung von

1894 wurde der Offentlichkeit das Stereopticon vorgestellt, das mit Hilfe von

16 Diaprojektoren rasch und sukzessiv Rundbilder zu projizieren vermochte.

1900, im Cineorama (Abb. 2), verschmolz <las alte Medium Panorama mit

der neuen Technologie des Films: Das Cineorama, zuerst auf der groBen

Pariser Weltausstellung priisentiert, war ein Hybridmedium, das zehn syn­

chron gezeigte 70-mm-Filme zur geschlossenen 360°-Bildform vereinigte

und die Betrachter mit bewegten Filmbildern eines Ballonaufstiegs vom

Marsfeld in einer illusionierten Gondel konfrontierte und in Aufregung

versetzte. 19 Dberdeutlich erschien zun!ichst noch die Niihe zum Panorama,

<lessen weiB ilbertilnchte Rotundenwiinde20 als Priisentationsort dienten und

die <las Geburtsszenario des Films zugleich in die Niihe immersiver Bildriiu­

me rilckten. Die Weltausstellungen, die bis heute ihre Besucher mit dem

jeweils aktuellsten Bildmedien emotional adressieren, pressten das neue

Medium mithin in cine symbolische Form, die jeder distanzierten Rezepti­

onskultur entgegen stand.

Abb. 2: Das Clneorama auf der Weltausstellung von 1900 In Paris, Klnematographlsches Panorama, Konstrukteur: Raoul Grlmson-Sanson

Im Fokus der Kinematografie standen anfangs kleinste Sujets: Der Auf­

schlag von Wellen auf den Strand, wiegende BHitter im Wind oder die

Einfahrt eines Zuges. Als untrennbare Verflechtung von Legende und

Sensationsreport erscheinen die Berichte um die ersten Vorftlhrungen von

Auguste und Louis Lumiere. Wie zuvor das Panorama, setzte der Film zur

Verdeutlichung seines Medienpotenzials zunlichst auf eine Verdoppelung

des in der Welt Erfahrbaren. Arrivee d'un train von 1895 veranlasste die

Zuschauer, so zahlreiche Dberlieferungen, Zll Panik, besrtlrzter Flucht, gar

Ohnmacht.21 Maxim Gorki, der im Sommer des folgenden Jahres den

Cinematographen Lumiere in Novgorod erlebte, publizierte seine Eindrtlk­

ke im Feuilleton: »Auf der Leinwand erscheint ein Eisenbahnzug. Er rast

wie ein Pfeil direkt auf Sie zu - Vorsicht! Es scheint, daB er direkt auf die

Dunkelheit zusrtirzt, in der Sie sitzen, und aus Ihnen einen zerfetzten Sack

aus Haut macht, angeftlllt mit zerquetschtem Fleisch und zerrnahlenen

Knochen, und daB eF diesen .Saal in Schutt und Asche verwandelt und

dieses Haus zerstlirt.«22 Derartige Emotionen waren mutmaB!ich Resultat

des erstmals wahrgenommenen Effekts der Dbereinstimmung von Kame­

raobjektiv und Betrachterauge, den James Gibson in seinem Ansatz zur

okologischen Wahrnehmungstheorie Uber achtzig Jahre spater beschrieb.23

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Aus heutiger Sicht erscheinen uns Reflexe dieser Natur auf schwarzweiBe

Stummfilmbilder kaum nachvollziehbar, rUckblickend allenfalls durch die

Neuartigkeit des Illusionsmediums und sein noch ungekanntes temporiir­

wirksames Suggestionspotenzial erkHirbar. ~er Film ,traf beim Publikum

aufunvorbereitete Wahrnehmungsapparate und ein Bewusstsein, das nicht

auf die Verarbeitung bewegter, simulierter Bilder vorbereitet war. BerUck­

sichtigt man jedoch die llhnlich drastischen Reaktionen, welche die ersten

Panoramen bei ihren Rezipienten ausgelOst hatten, und bedenken wir

weiterhin die Uberlieferte Kette immer neuer Bildsuggestionen, die aus den

Innovationen kunsthistorischer Illusionsmedien resultierten, so wird die

iiberraschende Wirkung des neuen Bildmediums, welches die nicht filmso­

zialisierten Seher getlluscht und ihre innere, psychologische Distanzie­

rungskraft kurzfristig Uberwllltigt hatte, in einem relativen Zusammenhang

erkennbar. Diese Erkenntnis ist filr eine komparatistische Immersions- und

Emotionsforschung von zentraler Bedeutung. Die Korrelation zwischen

technisch gestalteter Illusionsinnovation und bedrllngtem inneren Distan­

zierungsverml!gen kann filr einen gewissen Zeitraum, der sowohl vom

Suggestionspotenzial des neuen Illusionsmediums als auch von der indivi­

duellen Disposition der Betrachter abhllngig ist, bewusst erfahrene Illusion

in unbewusste wandeln und dem Schein die Wirkung des Realen verlei­

hen. 24 So offnet sich bei Einftlhrung eines neuen Illusionsmediums die

Schere zwischen bildlicher Wirkungsmacht und reflektiert bewusster Di­

stanznahme, die sich nach stetem, bald ilberlegtem Umgang wieder ver­

engt. Gewl!hnung schleift die Illusion ab, diese besitzt bald nicht mehr die

Kraft, das Bewusstsein zu bestechen, wird endlich schal und findet gegen­

Uber ihrer tliuschenden Funktion abgestumpfte Betrachter. Ein Kompetenz

schaffender Umgang mit dem Medium scheint mithin Voraussetzung filr

inhaltlich-reflexive und kUnstlerische Verwendung, bis dieser souverine

Umgang schlie.Blich durch ein neues Medium von Mherem Sinnenreiz und machtvollerem Suggestionspotenzial unterbrochen wird und die Betracbter

emeut in den Bann der Illusion eingescblossen werden. Dieser Mechania­

mus, das Wechselspiel zwischen neuen Illusionsmedien und Distanzio­

rungskrliften manifestiert sich in der europliischen Kunst- und Mediengo­

schichte seit dem ausgehenden Mittelalter mit BrUchen und Umwegeo

immer wieder. Wir betrachten historische Illusionsmedien auf der Basis

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unserer gewachsenen Medienkompetenz der Gegenwart und empfinden ihr

Buggestionspotential oftmals als gering, was jedoch keineswegs den Erfah­

nmgen der zeitgenOssischen Betrachter entsprechen muss. Es ist anzuneh­

men, dass aufgrund der geringeren Vorerfahrung das Suggestionspotential

und damit der emotionale Stimulus historischer Illusionsmedien oftmals

st!rker wirken konnte, als jene Medien dies heute vermuten !assen. Diese

Wirkungsrelativitlit der Illusionsmedien hlingt folglich von der medialen

Vorerfahrung der Betrachter ab.

Ein so heterogenes Medienfeld, wie es unter dem Begriff Film subsu­

miert wird, verschlieBt sich dem Versuch einer allgemeinen Definition.

Filmgeschichte bedeutet permanenten Wandel und es scheint, als sei Film­

geschichte vie! eher zwischen den Hunderttausenden von Filmen aufzusu­

chen als in prlizisen und noch so reflektierten Einzelanalysen. Schlicht

unmOglich ist es, ein homogenes Obersichtsbild von dem, was Film ge­

nannt wird, festzulegen. Dennoch soil hier der Charakterisierung Andrey

Tarkovskys gefolgt werden, der den Film als »emotionale Realitiit« defi­

nierte, die den Zuschauer mit einer »zweiten Realitiit« konfrontiere: »A

film is an emotional reality, and that is how the audience receives it as a

second reality. The fairly widely held view of cinema as a system of signs

therefore seems to me profoundly and essentially mistaken.«25 Kino sei auf

unmittelbare sensuelle und emotionale Perzeption angelegt, die dem Regis­

seur unweigerlich Macht Uber die Gefilhle der Zuschauer eintrage und in

manchem Filmschaffenden gar die unbewusste Selbsttiiuschung eines

Demiurgen hervorrufe. Diese suggestive Energie des Films ist es, die

Macht des Bildmediums mitsamt seinem immersiven Potenzial, aus der

dem Regisseur und dem Techniker Verantwortung erwiichst.

Eine solche Perspektive erst, ein ikonisches Filmverst!indnis, erkliirt die

immer wieder konstatierbaren polysensualistischen Bestrebungen der Film­

geschichte. Diese folgen der Grundtendenz, die Illusionsfunktion der Bilder

auszuweiten und vom Auge auf andere Sinne zu lenken. So !asst das Medium

Film Uber das gesamte Jahrhundert in immer neuen Anlliufen den Versuch

erkennen, die 2-D-Leinwan~projekti.on zu Uberwinden, um die Suggestions­

wirkung auf die Betrachter zu intensivieren: Bereits in den Zwanzigerjahren

hielt in den Vereinigten Staaten mit dem Film Teleview (1921) das 3-D­

Format Einzug.26 Farbige Lichtprojektionen, die durch Zweifarbglliser be-

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trachtet wurden, schufen rliwnliche Eindrilcke.27 Auch Abel Gances epocha­

ler Film Napoleon (1926/27) sah zunllchst 3-D-Segmente vor: Stlirker noch als der eindrucksvolle panoramatische Effekt, der von bis zu drei simultan bespielten Leinwiinden herrUhrte, wurden bei intemen Vorfllhrungen die 3-

D-Szenen als zu ilberwllltigend empfi?nden. U~ den Gesamteindruck des 2-D-Filmanteils nicht zu sehr zu schmlllem, sah sich Gance schlieBlich ge­

zwungen, die rliumlichen Passagen wieder herauszuschneiden. 28

Oberraschendeiweise geh6rt auch Sergej M. Eisenstein zu den Visionllren neuer Illusionskunstmedien. Aus der Perspektive der Vierzigerjahre bewerte­

te er den Film als <las h6chste Stadium der Kunstentwicklung. In dem kurz

vor seinem Tod verfassten Aufsatz Ober den Raum.film (1947) zeichnete

Eisenstein die Vision einer unmittelbar bevorstehenden Revolution des Kinoerlebnisses: Das kilnftige, als »reale Dreidimensionalitlit« empfundene

Bild - technische Erklllrungen bot Eisenstein nicht - ergiejJe sich aus der Leinwand in den Zuschauerraum.29 »AuBerste Notwendigkeit« erwachse in diesem Zusammenhang dem Raumton. 30 Dieser ermogliche der Regie, die

Zuschauer »gefangenzunehmen«, und umgekehrt dem Publikum, »v611ig in

die Klanggewalt [ .•. ) einzutauchen.«31 Bereits 1940 hatte Eisenstein, inspi­

riert durch Walt Disneys Fantasia, die Idee, das Kinopublikum mit Lautspre­chem einzukreisen. Keine Silbe verwendet der sowjetische Regisseur auf

einstige Kemaussagen, wonach Ton und Bild als voneinander unabhiingige Montageelemente zu verstehen seien. Was Eisenstein hier mit Worten, die keinen Widerspruch zulieBen, vorzeichnete, war keine virtuelle Realitlit im

Sinne panoramatischer Bilder. Nichtsdestominder prognostizierte er filr <las Bild ein ungekanntes Potenzial an Plastizitlit und Bewegung - eine Potenz und BUndelung, die den Zuschauer im Raumfilm psychologisch aus seiner tatsllchlichen Umgebung in diejenige der Bildwelt fort trUge. Vokabeln des

Distanzverlustes wie eintauchen, gefangennehmen, hereinbrechen, ergiejlol deuten unmissverstlindlich auf die Kemidee - die Erwartung, schon bald den

Besitz eines Mediums zu erlangen, welches die Wahmehmungsapparate und das Bewusstsein der Zeitgenossen in einer Immersion mit dem Bild ver­

schmelzen konne: »Und <las, was wir bisher als Bild auf der Leinwandt11cbo zu sehen gewohnt waren, >schluckt< uns pl6tzlich in eine fiiiher nie erbliclde, hinter der Leinwand sich auftuende Ferne, oder es >dringt< in uns mit einer

nie so ausdrucksstark realisierbar gewesenen >Heranfahrt<.«32

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Triumph des Willens

zwolf Jahre vor Eisensteins Publikation entstand eines der bedrilckendsten

Zeugnisse kalkulierter Produktion von Emotionen durch Bildmedien. Tri­umph des Willens ist in fast der gesamten Literatur mit dem Etikett »wir­

kungsmllchtigster Propagandafilm des 20. Jahrhunderts« versehen. »Im

visuellen Bereich« - so der Zeitgenosse Siegfried Kracauer - »wird viel

davon Gebrauch gemacht, dass Bilder direkt unser Nervensystem anspre­

chen. Viele Mittel werden nur eingesetzt, um beim Publikum bestimmte

Emotionen wachzurufen.«33 Fiir Leni Riefenstah134 war Triumph des Willens nach Sieg des Glaubens von 1933 bereits der zweite Film Uber einen Reichs­

parteitag. Ats Dokumentation deklariert, wurde der Film von der NSDAP

produziert, die zudem in beispielloser Weise die Regie bei den Dreharbeiten

unterstlltzte. Leni Riefenstahls Diktum: »Noch nie in der Welt hat sich ein

Staal derartig filr einen Film eingesetzt«35 stimmte. So bestand das Kemteam

aus 170 Mann, darunter allein 35 Kameramiinner und -assistenten. Um den

reibungslosen Ablauf der Dreharbeiten zu unterstiltzen, stellten SA und SS

hunderte von Ordnem, um Parteiapparat und filmischen Apparat eng zu

verschalten.36 Belichtet wurden insgesamt 128.000 Meter Film37, so dass zur

Veriirgerung von Goebbels die Wochenschau ihr Filmmaterial abzugeben

hatte und Uber Wochen nicht produzieren konnte. Das Bildmaterial wurde

noch um das der intemationalen Wochenschauen ergiinzt, das Riefenstahl zur

Verfilgung gestellt erhielt.38 Das Endergebnis umfasste lediglich ein FUnfzig­

stel <lessen, 113 Minuten Tonfilm, der in einer ausgreifenden Pressekampa­

gne propagiert wurde und <lessen Besuch durch die Parteifilhrung zur »Eh­

ren-Bilrger-Pflicht« erhoben wurde. Zeitgleich in Uber 70 deutschen Stiid­

ten39 lief Triumph des Willens im Verleih der UFA im April 1935 als insze­

nierter Staatsakt an, wurde bis in die hintersten Winkel Deutschlands verbrei­

tet und verzeichnete mit Uber 20 Mio. Besuchem Rekordergebnisse - Zahlen,

mit denen Filme unserer Zeit nicht konkurrieren kllnnen. Bemerkenswert

erscheint, dass zur BefOrdenmg eines immersiven Erlebnisses viele Kinos

schon im Eingangsbereich mit dioramatischer Parteitags-Szenographie aus­

gestaltet wurden und' durch Musik, Reden und den Verzicht auf ein Beipro­

gramm die emotionale Wirkung bei den zeitgenossischen Betrachtem zusatz­

lich befOrdert wurde (Abb. 3).

273

Abb. 3: Szeoographle an der Fassade des UFA Palastes am Tag der Premiere von Triumph des Willens

Ziel des Kinoerlebnisses war es, den Zuschauer in dauerhafter Ergriffenheit

und Begeisterung zu halten, ihn zu flberwliltigen und einzuschtlchtem, um

seine Zustimmung zu organisieren und zu stabilisieren. Riefenstahl selbst

beschrieb ihre Aufgabe folgendermal3en. »Zwei Millionen konnen sich wohl

in Nflmberg, der Stadt der Reichsparteitage versammeln, 60 Millionen Deut­

sche sollen Zeuge werden dieses gewaltigen Aufmarsches, nacherleben und

mitfilhlen das Aufwilhlende dieser Kundgebung.«40 Und weiter heil3t es zur

Wirkung: »lch habe den Film so gestaltet, dass er den Horer und Zuschauer

von Akt zu Akt, von Eindruck zu Eindruck tlberwiiltigeoder emporreilll Die

innere Dramatik solcher Nachgestaltung ist da, sobald das Filmmaterial von

Nflmberg geformt ist. Sobald sich Rede und Sentenz, Massenbild und K6pfe,

Mll.rsche und Musiken, Bilder von Niimbergs Nacht und Morgen so sinfo­

nisch steigem, dass sie dem Sinn von Ntlmberg gerecht werden.«41

Diesem Ziel folgend liisst Riefenstahl die zeitliche Strukturierung des fil­mischen Parteitages von der historischen abweichen: Tatsiichlich erstreckto

sich die Veranstaltung Uber sieben Tage, wohingegen d!'lr Film ein artifiziel• les Zeitkontinuum von drei Tagen bildet, welche jeweils durch eine nachtli•

che Veranstaltung klar voneinander unterschieden werden und in Filmstati°'

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nen, die vom Anflug Hitlers bis zur Abschlussveranstaltung des Parteitages

reichen, unterteilt ist. Es flillt auf, dass Triumph des Willens weder die Erei­

gnisse des Parteitages kommentiert, noch Angaben Ober Veranstaltungsver­

lauf, Teilnehmerzahlen oder einzelne Programmpunkte macht, nicht einmal

Zeitangaben oder Ortshinweise werden dem Zuschauer angeboten. Die

Handlung konstituiert die Regisseurin aus einer Folge von UmzUgen und

Aufmllrschen, Begrilflungsritualen, Redeausschnitten und genrehaften Stim­

mungsbildern. Der zeitlichen Verdichtung entspricht die riiumliche Zusam­

menfassung der Veranstaltungsorte ztl den idealen SchaupHitzen Strasse,

Halle und Feld, obgleich der Film keine riiumlichen Begrenzungen andeutet

und damit zugleich einen Etfekt von Unendlichkeit und Uberzeitlichkeit

erzielt. Der hohe symbolische Wert der alten Kaiserstadt in seiner Mischung

aus politischen, sakralen, volkstilmlichen und militiirischen Elementen wurde

bekanntlich vom NS kalkuliert ausgespielt und Nilmberg zur Fassade redu­

ziert, aus der Alltag, Industrie und Wohnquartiere ausgespart wurden, wiih­

rend sic <lurch arrangierte Bildsymbolik, Autofahrten und Aufmiirsche mit

einem pseudosakral inszenierten Hitler verschmolzen wurde.

Riefenstahl zeigt die Volksmasse nicht vollstiindig anonymisiert, d.h. als

pures Ornament der Masse. Immer wieder werden einzelne Physiognomien

hervorgehoben, die im Sinne der Rasselehre zt1meist unter massivem

Lichteinsatz als arische Profile oder als Heroen aus Untersicht gefilmt

werden. Besonders die tief emotionalen, ja im Gegenschnitt mit Hitler

erotisch aufgeladenen Frauengesichter spiegeln die Hingabe und dienen

den Zuschauem als Projektionsfliichen ihrer eigenen Attraktion. Bemer­

kenswert ist, dass Riefenstahl niemals Personen zeigt, die direkt in die

Kamera blicken. Durch die Bewegung des Kameraauges erscheint der

Raum, dies bestiitigt auch der Zeitzeuge Panofsky, dynamisiert.42 Mit Hilfe

der Montage, bzw. einer extensiv genutzten Gegenschnitt-Technik, werden

artifizielle Blickbeziehungen hergestellt, die sich fast ausschliefllich auf

Hitler konzentrieren. Riefenstahl verstiirkt und iiberhoht die Ikone Hitler in

mythischer Weise. Mehr noch - <lurch cine Kamera, die ihr Objekt um­

kreist, steigert sic d~ssen Pr~senz und schafft den Eindmck, der Fiihrer

konne Uber die unmittelbare visuelle und akustische Anwesenheit im Film

hinausgreifen.43 Uns Heutigen selbstverstiindliche und weitaus rasanter

begegnende emotionale Gestaltungsmittel wurden (inspiriert <lurch sowje-

275

tische Regisseure) erstmals in dieser Intensitlit von Riefenstahl eingesetzt.

Insbesondere diese filmische Engftlhrung der Personen wurde von den

Zuschauem als tiberwiiltigend geschildert. Gleichfalls spektakuUlr wurden

die aus groBer HCihe gemachten Aufnahmen empfunden, die etwa bei der

Totenehrung (Abb. 4) den Zuschauem einen weiten Blick Uber die 160.000

in schweigenden Karrees angettetenen SA-Minner verschaffte.44 In ihrer

roboterhaften Synchronizitllt - derartige Aufnahmen entstUnden heutzutage

als Computeranimation - werden die geometrisierten Massen durch immer

neu variierte Aufnahmen zum Trliger des Rituals. Die schier unendlichen

Gliederungen, Reihungen und Wiederholungen schufen einen bislang

ungesehenen Ausdruck autoritllrer Lenkung, der auch visuell die Uber­

macht Hitlers klarstellte. Umgekehrt ermCiglichte erst der Film dem Zu­

schauer, der auf dem Parteitag Hitler als winzige Figur aus der Ferne erleb­

te, den FUhrer in starker Untersicht leinwandftlllend zu erleben. Die weiten

R!iume des speerschen Parteitagsgel!indes, von Stadt, Firmament und

raumloser Nacht rufen zudem auch heute noch fast zwangslllufig die bur­

kesche Kategorie des Erhabenen auf und auch den daraus resultierenden

Schauder.45 Die Massenrituale des NS und ihr totalitilrer Hintergrund

erscheinen uns heute abgeschmackt, die »omamentierte Masse«, die sym­

bolische Form des Totalitarismus, wie sie in den 30er Jahren auch in Un­

dem Anziehung entfaltete, die weitgehend demokratisch blieben46, lost

heute sogleich AbstoBungseffekte aus, stellen sich doch reflexhaft vor

unserem inneren Auge Bilder von Auschwitz ein. Die tatsilchliche Wir­

kung des monumentalen Films auf seine Zeitgenossen ist aufgrund der

propagandistischen Nutzung der Presse letztlich nicht in vollem MaBe zu

ermessen47, doch ist die kritische Beschllftigung zahlreicher in die Emigia.

tion gezwungener Wissenschaftler und Kililstler, mit der machtvollca

Wirkungskraft, die der Bildpolitik des NS zugeschrieben wurde, bereits

Indiz genug.48 Auch viele Stimmen irn Ausland, das totalitllre Bildwelteo

aus Italien oder der Sowjetunion kannte, konnten sich anfangs noch nicht

eindeutig distanzieren.49 Durch die Formel »Schauder und Idylle« der Psychotherapeutin Gudrun Brockhaus nicht vollstllndig erfasst. stellte

Riefenstahl die durch die Krisen der Weimarer Republik immcr noch

diffuse Geftlhlswelt der meisten deutschen Kinozuschauer vor eine un-

276

Abb. 4: Trl11111ph da Willens, GroDappell der SA, Totenehrung

missversUlndliche und brutale visuelle Alternative: Marschiert mit uns, gebt uns

Bahn und euch geschieht nichts - stellt Ihr Euch aber gegen diesen »Volkskfir­

per«, so werdet ihr beseitig - der Fememord an Rfihm war noch frisch.50 Die

mediale Botschaft zielte mi thin auf Euphoric, bis hin zu Omnipotenzgefilhlen

bei NSDAP-Anhiingern und Einschllchtenmg bei denen, die anderes wollten.

Unter diesen Konditionen ging es nicht mehr um Inhalte oder Verantwortung,

sondem einzig um Selbstaufgabe, die sich selbst Inhalt genug zu sein hatte.

Der Film sollte die polysensuelle Immersion des Parteitags durch seine

technischen Mittel nachbilden, ja dem Kinobesucher erstmals emotionale

Machtphantasien verschaffen, die in dieser Dichte von keinem Parteitagsbesu­

cher erfahren werden konnten. So erscheint die Kamera omnipriisent, stilisie­

rend und massiv an der Verwischung von Realem und Imaginiirem beteiligt:

Ungeplantes und Banalitllten, die filr eine Veranstalrung dieser Dimension

typisch sind, wurden vollkominen ausgeblendet. Erst das technische Reper­

toire des Films, mit Zeit- und Gegenschnitt, Oberschau, Lichtregie und die

permanente Montage von Massen oder Individuen mit Close Ups von Hitler,

dessen einsrudierte, demagogische Suggestionsmacht auf diese Weise voll zur

Gelrung kam und mit Wochenschaukonventionen brach, vermochte den

277

gewilnschten suggestiven, beute wilrden wir sagen »immersiven Eindruck« zu erzeugen. Ein Gesamtkunstwerk, das Bildkomposition, Choreographie, Mu­sik, Architektur, Lichtfilhrung, Drama und bewegliche Kamerafilhrung im Dunkel des Kinosaals zu einer totalen Erfahrung verschmolz und mtiglicher­weise das emotionale Erlebnis des Parteitags noch verdichtete.

Wenngleich sich der Film den Anschein gibt, mit der Originalmusik der Festakte zu arbeiten, wurde die Musik doch tlberwiegend im Studio syncbro­nisiert. Mlirsche von Herbert Wind, der spllter Olympia vertonte, rhythmisie­ren die Zuschauer und steigem die suggestive Wirkung der Leinwanderei­gnisse zugunsten einer Schwlichung kritischer Distanzierungskrlifte. Hitler selbst werden Wagner und das Stakkato des Badenweiler Marschs zugeord­net. Als Hauptdarsteller beherrscht Hitler etwa ein Drittel der Filmbilder; frontale GroBaufnabmen zeigen ihn in unge"."ohnlicher Nlihe oder extrem Oberhtiht, ein Effekt, der durch die stark untersichtige Anbringung damaliger Kinoleinwlinde noch verstlirkt wurde. Fast die gesamte erste Hiilfte des Films wird darauf verwendet, Hitlers Erscheinen vorzubereiten. Das »Wir wollen unseren Ftlhrer sehn« entbehrt filr uns Heutige nicht einer makaberen Komik, diese Handlungsfilbrung steigerte jedoch <lurch das hinausgeztigerte Erschei­nen des Ftlbrers den Spannungsbogen immer weiter, so dass Hitler schlieB­lich zum leinwandbeherrschenden Akteur gesteigert werden konnte.

Aus emotionaler Perspektive bewirkt der monumentale Rahmen, je nacb ideellem Standpunkt der Betrachter, eine einschtlchternde, feierlich-bedrtlck~ ja erhabene Gefiihlslage und reiht sich damit in Hitlers Theorie zur Propag~ da: »Gerade darin liegt die Kunst der Propaganda, class sie, die gefilhlsmliBiF Vorstellungswelt der gro&m Massen begreifend, in psychologisch richtiger Form den Weg zur Aufinerksamkeit und weiter zum Herzen der breiten Masae findet.«51 Oberzeugungsarbeit hatte primlir mit sensuellen, d.h. vor allem opli­schen und akustischen Mitteln geleistet zu werden. Wie wir wissen, war es Hitler selbst, der die Grundlagen des praktizierten Propaganda- und Demon­strationsstils entwickelte. Als tlberzeugter Leser von Gustave Le Bons Psycho­

logie der Massen erlcannte er in der Rede das wichtigste Agitationsinstrumlll!lll sab und ihren nachhaltigsten Wirkungsort in der Massenversammlung. Uod so hatte Hitler, von dem auch der Titel des Films stammte52

, die Schneidearbeilel Riefenstahls verfolgt.53 Im Film wird er selbst als »Medium« in Szene gesetzt, das expressive Worthtllsen formuliert und, so die medienideologiscbe Vorsd­lung, dem Volkswillen Kanai und Ausdruck verschaffi.

278

Riofenstahls Film bringt das Ftlhrerprinzip visuell auf den Punkt. Volk

und Partei werden tlber ihr Bekenntnis bedingungsloser Treue und Gefolg­

schaft aufHitler bezogen und visuell zu einem Volkskorper verschmolzen,

der sich der Autorit1it zu unterwerfen hat. Die Monumentalit1it zeigt sich

ftlr denjenigen bedrohlich, der seine rationale individuelle Perspektive

nicht der Emotionen produzierenden Bilderwelt anvertrauen will.

America's Army

Mit einem Jahresumsatz von Uber l 0 Mrd. Dollar Uberflilgelte die Compu­

tergame-Industrie in den letzten Jahren Hollywoodfilm und Musikindustrie

und stieg nahezu unbemerkt zur globalen Nummer I der Bildproduktion

auf. Wohl niemals zuvor lie!! sich Krieg so aufwendig und scheinbar so

realistisch trainieren wie in der Computersimulation, womit wir in das

Bild- und Medienfeld der Gegenwart eintreten: Mit America's Army hat

erstmals ein Staat die Produktion eines Computergames der Popularkultur

mit brillanter Graphik zum Zweck strategischer Kommunikation mit der

l>ffentlichkeit in Auftrag gegeben und <lurch ein neugegrilndetes Institut

realisiert. Das Milit1ir der Vereinigten Staaten adressiert mit AA die mitt­

lerweile in die Millionen gehende Zielgruppe von Spielern. AA ist ein

Recruting Game, das vom Modeling, Simulation and Virtual Environments

Institute (MOVES) der Naval Postgraduate School in Monterey mit einem

staatlichen Budget von 45 Millionen Dollar realisiert wurde und insbeson­

dere Teenager mit hohen technischen Fahigkeiten ansprechen soil. Ein

Ego-, vielmehr Teamshooter, der realistischen Kampf, ja eine ganze Lauf­

bahn beim Militar wird simuliert (Abb. 5).

Stand vor wenigen Jahren das Internet noch fiir einen utopischen Raum,

so entwickelt es sich mittlerweile zur telematischen Erweiterung des exi­

stierenden offentlichen Raumes und schreibt Machtverhaltnisse der physi­

kalischen Sphiire in audiovisueller Kommunika~ion fort. So bietet die

Army nicht nur den kostenlosen Download, es werden zudem die Treffer­

quoten der virtuellen Krieger registriert. Die raffinierte Informationsarchi­

tektur eroffuet detailgenaue statistische Auswertung des Kampfverhaltens

und mi.!ndet konsequenterweise in das Online-Recruting.

279

Abb. 5: America's Army, Scr11enshot, Nacbtslcbtgerflt, 2005

Festzuhalten ist, class America's Army eine ganze Welle von Computer­

spielen reprlisentiert, deren millionenfacher Absatz, so Timothy Lenoir,

auch aus einer neuartigen personellen und finanziellen Verbindung zwi­schen Unterhaltungsindustrie und Militllr zum »Military-Entertainment

Complex« resultiere, dessen Budgets mittlerweile ttber 10% der nicht

geringen R1lstungsausgaben der Vereinigten Staaten ausmache.54

Die Entwicklung von Computergrafik, Netzwerken und kilnstlicher In­

telligenz wurde in den letzten 30 Jahren stets von den Erfordernissen mili­

tiirischer Trainings- und Simulationstechnik angetrieben, aus der zugleic

eine sich ubiquitllr ausbreitende Popkultur entstand.

Mit welchen neuartigen suggestiven Komponenten jedoch erzeugt Amerk

ca's Army emotionale Erregungszustiinde? Charakteristiken des Spiels sind

realistische militllrische Aktionen und das Training militiirischer Techni"

ken.55 In der Grundausbildung steht auf dem Schieflstand der Umgang mit hochrealistischen Waffen, wie dem Ml6 Sturrngewehr auf dem Programqa

Zielt man ttber Kimme und Korn, kann man den eigenen Atem hOren, es

!assen sich etwaige Ladehemmungen beheben und fl.Ir exakte Treffer heillt

es, bis kurz nach dem Ausatmen zu warten. Wer bereits w!ihrend des ersten

280

Trainings 36 von 40 Treffern erzielt, kann zum Sniper aufsteigen. Es folgen

Team-Trainings und schlieBlich »echte« Eins!ltze, die online und in Echtzeit

mit mehreren Beteiligten gespielt werden: Diese etwa 10-mintltigen Missio­

nen, in denen das Heimatland verteidigt, Stiidte durchkiimmt, Geiseln befreit

und gegen Terroristen gekiimpft wird, sind Kem des Spiels. Bei ihnen

komrnt es in erster Linie auf taktisches Verhalten im Team an, das bis zur

Solbstopferung gehen kann: So lesen wir im zugehOrigen PDF-Handbuch

unter dem Stichwort Granaten: »your body may absorb enough of the blast

and fragments to allow the rest to escape damage and avenge your heroic

death.« 2002 bereits ziihlte die Army Statistik 185 Mio. Missions.56 Es gibt

Missionen bei Tag und bei Nacht, bei bester Sicht und bei Nebel, im Sommer

oder im Schnee. Manche Missionen erfordern einen Fallschirmsprung, in

anderen haben die Spieler Nachtsichtgeriite und praktisch alle Waffen und

Granaten zur Verftlgung; wieder andere Missionen erlauben Uberhaupt keine

Waffen. Ftlr get6tete Gegner und befreite Geiseln gibt es Auszeichnungen, so

dass sich die Brust langsam mit virtuellen Orden filllt, mit Abzeichen, welche

die absolvierte Laufbahn fiir alle Mitspieler dokumentieren. In virtuellen

Einslltzen wird natilrlich scharf geschossen, wenngleich Blut kaum ztl sehen

ist. Laut Entwickler sind fiir die n!lchsten vier Jahre dutzende Updates ge­

plant mit vielen neuen Funktionen und Maps. Alie vier bis sieben Wochen

soil es ein neues Update geben. The Army is rollin on.

Die Immersion wird insbesondere durch die Reaktion des audiovisuellen Er­

eignisraums in Echtzeit, die Interaktion und die Kommunikation mit den Mit­

spielem befOrdert. Asthetisches Erleben resultiert mithin nicht aus dem objekt­

haften Gegenilber eines stehenden Bildes und der daran m6glichen inneren

Distanznahme, sondem findet in einem artifiziellen und polysensuellen Ereig­

nisraum statt, dessen Suggestionen intensive Emotionen auslost, gesteigert

nicht zuletzt durch die involvierende Kraft der Musik. Kommuniziert wird mit

der eigenen Truppe und den Gegnem durch Handsignale oder Online-Chat,

hinzu treten diverse Funk-Verbindungen, die den. Team-FUhrem zt1r Verftlgung

stehen, am besten kommt der immersive Surround Sound natilrlich mit dem

Headset zur Geltung. Michael Zyda vom MOVES Instin1te betont die besonde­

re Bedeutung des 'sound fiir die Erzeugung von Emotionen: »In conversations

with experts at THX, Lucasfilm, Skywalker Sound and Dolby we were repe-

281

Abb. 6: America's Army, Screenshot, Nftchtlicher Kampr 2005

tedly told, »sound is emotion«. Und weiter: »The sound design for AA:O is

incredibly rich and textured. Weapons sounds are modeled for a combination of

sonic accuracy and emotionality.«57 Physiologische Messungen der Hauttem­

peratur, Heizrate, etc, belegen dies.58 Dennoch hat sich in der Szene ein Trend,

ja ein Kult entwickelt, Missionen mit stimulierender, zum Tei! brutaler Rock­

musik zu unterlegen, ein Vorgang iibrigens, der stark den Gewohnheiten der

US-Truppen im Irak folgt, die, wie Michael Moore in Fahrenheit 9/11 berich­

tet, sich vor dem Kampf mit Musik enthemmen. So existieren im Netz Hunder­

te von Videos »erlebter« Missions, die innerhalb der AA-Kultur ein neues

Genre fiir den emotionalen Erfahrungsaustausch begrtindet haben (Abb. 6).59

Liest man amerikanische Forschungsarbeiten, die Hunderte von AA·

Webforen durchleuchtet haben, dann miissen Zitate von Spielern, wie die

folgende oral history, als reprlisentativ gelten: »The war (Irak) has only

affected me in the way that I want to play more. I guess it's an adrenaline

thing ... watching the war and then playing AA ... it also made me wish I was

shooting at the French (since they had opposed the war).«60 Und: »The

thought in my mind was >there would be no way in hell they do this in the

army< ... from that moment on I played less AA and started looking for more

282

info on the (real) Army ... after all the wins and victories I had I didn't feel as

good when around (people) who were veterans and (when I said) >ya. I'm so

good at this army game< and they just look at you like motherfuckers, it's just

a game .. I actually sat back and said I know I can do this in real life.«61 Der

immer st!rkere Einsatz von Videobildern des Gegners, welche die Perspekti­

ve der Computergames fortsetzen, verwischen zunehmend die Ditferenz

zwischen virtuellem und physikalischem Raum. Trotz aller emotional­

lmmersiven Distanzlosigkeit zeichnet den erfolgreichen Kampfer im Spiel

und in der Schlacht die Fahigkeit aus, den Dberblick zu behalten.

Immersive Bildmedien, die wieder und wieder Momente des Dionysi-

1chen inszenieren, sind sicher eine KerngrC>Be zum Verstiindnis medialer

Bntwicklung ttberhaupt. Und selbstverstandlich besteht zwischen kritischer

Distanz und Immersion nicht ein schlichter Zusammenhang im Sinne eines

»Entweder-Oder«. Die Verbindungen sind vielmehr vielschichtig verwo­

ben, dialektisch, teilweise widersprtlchlich, in jedem Falle aber von der

Disposition der Betrachter abhlingig, ihrer historisch gewachsenen Medi­

enkompetenz, die bis in unsere Gegenwart gewachsen ist. Immersion kann

ein geistig aktiver Prozess sein, in den meisten Fallen jedoch - in der

lllteren Kunstgeschichte wie der jtlngsten Gegenwart - ist Immersion men­

tale Absorbierung, die einen Prozess, eine Passage auslC>st. Kennzeichen ist

die Minderung kritischer Distanzierung und eine emotionale Involvierung,

die kaum Raum ftlr gemischte Gefiihle bieten.

Zur Relativitiit von Suggestionspotentialen und Distanzier11ngskrliften

AA mit Triumph des Willens gleichzusetzen ware absurd, zu unterschied­

lich sind die Staaten, die diese Bildwelten hervorgebracht haben, zu abwei­

chend die ideologischen Gnmdlagen und die technischen Mittel. Dennoch

gibt es Parallelen, die in der immersiven Konstrukt!on einer Wertegemein­

schaft durch Bildwelten liegen. AA konstruiert gezielt das Geftlhl, Teil

einer groBen, ilberlegenen Sache zu sein und zieht hierfiir alle Register

durch ein suggestives Gemisch ·aus emotionssteigemder Musik und Bi Idem

von Realismus und Action. Im Unterschied zu Riefenstahls filmischer

Immersion in den Parteitag werden die suggestiven Eindrilcke in AA <lurch

Interaktion in einem in Echtzeit berechneten audiovisuellen Ereignis- und

283

Kommunikationsraum hoher Auflosung erzielt, einer virtuellen Sphare,

belebt mit Avataren von Freund und Feind, die einen pennanenten Wandel

der Perspektiven bietet und immer neue unvorhersehbare Situationen

erzeugt. Asthetisch reflektiertes Erleben im cassirerschen Sinne, das kriti­

sche Distanz zum Objekt bedingt62, um i.iberhaupt ein listhetisches, ein

reflektiertes Erleben zu erfahren, weicht einer polysensuellen Ansprache in

einem belebte~ Bildraum, der emotionale Erregung, Action und das Gefilhl

vennitteln soil, Teil einer Sache zu sein, filr die sich Krieg lohnt. Letztlich

zielt auch Triumph des Willens auf ein Recruting: Angesprochen sind das

Biirgertum, die Sozialdemokratie, Kommunisten und andere Nicht­

Parteimitglieder. So besteht ein widerspriichlicher Unterschied innerhalb

der immersiven Mechanik: Hebt Riefenstahl die Distanz auf, bricht schein­

bar das lndividuum ins Nichts und zwingt es visuell in die Volksgemein­

schaft, so bleiben in AA Restwerte des Individuums erhalten, denn nur

derjenige, der als Einzelner die Ubersicht behiilt, iiberlebt das Spiel. Beide

audiovisuellen GroBversuche zielen auf Affektkulturen der Unifonnitat,

Superioritlit, ja Omniprasenz, und beider Konsequenz ist Krieg und den­

noch: Obgleich AA filr uns Europlier eine bedenkliche Mischung aus

Adrenalin, hegemonialem Patriotismus und christlichem Fundamentalis­

mus transportiert, bleibt doch der kardinale Unterschied zur Gleichschal­

tungskultur des NS bestehen, die Moglichkeit des Abschaltens.

Computergestiltzte virtuelle Spielwelten vollziehen keine Revolution,

wie ihre Protagonisten postulieren, nichtsdestotrotz werden sie innerhalb

der kulturgeschichtlichen Evolution der Medien als einschneidende Weg­

marke erkennbar. Seit Pong oder DOOM I sind eine Vielzahl von invol­

vierenden, Emotionen produzierenden Games entwickelt worden und auch

fiir die Interfaces gilt: Es werden wohl noch viele Prototypen ersonnen

werden, bis sich Standards filr die Mensch-Maschine-Schnittstelle etablie­

ren - sofern der Gedanke langfristiger Standards nicht von vornherein der

evolutionaren Phlinomenologie der Medien und ihrem Telos widerspricht.

Es ist filr diesen Zusammenhang unerheblich, ob letztlich ein spezifisches

technisches Geriit existieren wird, das mehr oder minder groBe Anteile

jener Utopievorstellungen erfiillt. Bedeutsamer ist die sich in einer Viel·

zahl von unterschiedlichen Medien manifestierende Suche nach einer

illusionliren, letztlich unmerklichen Verbindung zum Bild.

284

Venuchen wir aus der rllckblickenden Distanz heraus die bisherige Ge­

achichte der Bildmedien als Ganzes ztt erfassen, dann erweist sich der

Gewinn an Suggestionsmacht als ein Hauptziel und Motivationskern der

Bntwicklung neuer Illusionsmedien. Wie ein Mechanismus scheint dies der

Antrieb zu sein. Mit immer neuen Suggestionspotenzialen wird die Macht

t1ber die Betrachter wieder und wieder erneuert, um immer neue Regime

der Wahrnehmung zu errichten. Dennoch ist die Vorstellung, der Mensch

kOnne in einen vorsymbolisch und vormedial erlebten Naturzustand im

Sinne Rousseaus zurl1ckkehren, also symbolische Vermitteltheit zum

Verschwinden bringen und bildmediale Unmittelbarkeit finden, letztlich

Illusion. Die Entwicklung visueller Medien - von Altarbildern, wie dem

aus Isenheim, Ober Panorama, Cineorama, Stereoskop, Laterna Magics,

Diorama, Phantasmagoria, Stumm-, Farb-, Gemchs- und Tonfilm, wie dem

Triumph des Willens, IMAX und Telematische Medien bis Computerga­

mes, wie America's Army und dem Virtuellen Bildraum - erscheint aus

dieser Perspektive als Geschichte sich kontinuierlich wandelnder Maschi­

nen, Organisationsformen und Materialien, die immer wieder vorangetrie­

ben wird von der Faszination der Illusionssteigerung. Wir erkennen einen

schier unendlichen Strom, in dem sich bei nliherer Betrachtung selbst

vermeintlich gesicherte Entitliten wie das Kino als Zusammenfilgung sich

immer neu arrangierender Splitter in einem Kaleidoskop evolutioniirer

Kunstrnedienentwicklung offenbaren. Die Gesamtschau erst verdeutlicht

die unabl!lssigen Energien, die mit der Suche und Erzeugung immer neuer

Illusions- und Immersionsrliume zur Steigerung der visuellen Macht ilber

andere verbunden waren. Unter diesen Voraussetzungen wird nunmehr

cine Evolutionsgeschichte der visuellen Medien mtsglich, in Verbindung zu

den Emotionen, die sie hervorriefen - eine Evolutionsgeschichte, die zu­

gleich auch ihre Verirrungen, Widersprl1che und Abwege umfasst.

~ N~rbert Bolz, Eine kurze Geschichte des Schein~, MOnchen 1991 . D1etmar Kamper, Der Ja1111skopf der Medie11. Asthetisierimg der Wirklichkeit. E11tri/s11111g der

flnne, in: Digita/er Schei11, hg. von Florian R!llzer, Frankfun a. M. 1991, 93-99. Jean Baudrillard, J?as pe1fektf! Verbreche11, Monchen 1996.

: Rudo If Amheim, The Coming a11d Going of Images, in: Leonardo 3 (2000), 167-168. Rudolf Amheim in einem Brief vom 5. 8. 2000 aus Ann Arbor an den Verfasser.

6 JUngst: W J .T. Mitchell, What Do Pictures Want? '111e Lives and Loves of Images, Chicago 2005;

Oliver Grau, Virtual Art, From ll/11sion to Immersion, Cambridge 2003; Felice Frankel, Envisioning Science, The Design and Craft of the Science Image, Cambridge 2002; Barbara Stafford, Devices of Wonder, From the World in a Box to Images on a Screen, Getty Research Institute 2001.

285

7 Ausflihrlich hierzu die Ableitung des historisch-mathematischen Modells fllr das Bildwissen­schaftliche Kolloquium in Magdeburg, Oliver Grau, Zwisclren Bilds11ggeslio11 1111d Distmugewi1111, in: Vom Realisnms der Bilder, /111erdiszipli11lire Forsclr1111ge11 zrw Sema11tik bildliclrer Darstell1111gs­fom1e11, hg. von Klaus Sachs-Hombach, Magdeburg 2001, 213-227. Vgl. ebenfalls, James Elkins, Pictures a11d Tears. A Histo•J' of People Who Have Cried in Frolll of Paintings, New York 2001 . 8 Wolfgang Lenzen, Grrmdziige ei11er plri/osoplrischen Tlreorie der Gefiihle, in: Patlros -Affekt -Gefiilrl. Die Emoti011e11 i11 de11 Ki/11ste11, hg .. von Klaus,HerdinglBemhard Stumplbaus, Berlin 2004, 80-103. 9 Hermann Schmitz, Spiire11 1111d Se/1e11 a/s Zrrgli11ge zrrm Leib, in: Qrrel corps? Ei11e Frage der Repriise111a1i011, hg. von Hans Belting u. a., MUnchen 2002, 429-438. 10 So vermutete ZUJch im Namen Grunwald ein MissversHlndnis Joachim von Sandrats, der 1675-79 erstmals biographische Dalen zum KUnstler vertlffentlichte. Vgl. Dcrs., L'Academia Todesco de/la Arclritectrrra Scrrl111ra et Pictrrra, Oder Terr/Scire Academie der Etlle11 Barr, Bild rrrrd Malerei-Ki/rrste, Ntimberg 1679. 11 Der Orden der Antoniter blickte auf cine lange bis ins FrOhchristentum zurtickreichende Tradition der Ptlege Schwerkranker zurtick, die insbesondere der Linderung von Seuchen wie der Pest oder dem »Antoniusfeuer« gait. 12 Zurn Bilderglauben die fundamentalen Studien von Hans Belting, Bild 1111d K11/1, Ei11e Ge­sc/1icl11e des Bi/des 1•or dem aitalter der K1111st, Miinchen 1991. Man muss nicht die Legende vom Goldenen Kalb bemiihen, ein unschlagbarer zeitgenllssischer Beleg filr den Rausch von GefUhlen, religios aufgeladene Bildwerke ist Ostendorfers zeitnaber Holzschnitt Die Wallfalrrt zur Sc/1011e11 Maria i11 Rege11sbrrrg, der, einer Reportage gleich, das hingebungsvolle aber auch 11,eschllftige Treiben um ein wundertlltiges Madonnenbildnis dokumentiert.

Franziska Sarwey, Grii11e11"a/d St11die11, Z111· Realsymbolik des lse11/1eimer Altars, hg. und bearbeitel von Harald Mohring, Stuttgart 1983, 86. Ebenfalls, Andree Hayum, 77re /senlreim Altarpiece, God's Medicirre a11d the Painter's Visio11, Princeton 1989. 14 Ein wunderkrllftiges Heilelixier in einer Glaskaraffe, das jedes Jahr am Auferstehungstag im Mutterkloster St.-Antoine-en-Viennois feierlich eingeholt und Uber die Gebeine des aus Byzanz dorthin gebrachten heiligen Antonius gegossen wurde. Auf diese Weise erreichte e.~ einen besonderen Weihegrad. 15 Wolfgang KUhn verfasste einen ganzen Artikel iiber »GrUnewalds lsenheimer Altar als Darstellung mittelalterlicher Heilkrlluler« und lieferte damit eindruckvolle lndizien fur dessen aullergewohnlich prllzisen Realismus. Ders., in: Kosmos 44 (1948), 327-333. 16 Sarwey [Anm. 13), 97. 17 Vgl. Wilhelm Fraenger, Mathias Grii11ewald i11 sei11e11 Werke11, Ei11 pl1ysiog110111isc/1er Ver­s11ch, Berlin 1936, 128. 18 Vgl. u.a., Maximilian Le Cain, Emotiorr, in: Senses of Cinema, A11 0111i11e Film Jo11111al, Devoted lo tire Seriorrs a11d Eclectic Discussion of Ci11ema 13 (200 I) sowie Carl Plantinga/Greg M. Smith, Passio11ate Views. Film, Cog11itio11, a11d Emotion, Baltimore/London 1999. 19 Hierzu, Georg Malkowsky, Die Pariser We/ta11ss/ell1111g ill Wort 1111d Bild, Berlin 1900, sowic: Anne Friedberg, Wirrdow Shoppi11g, Cinema and the Postmodem, Berkeley 1993, 84f. Einc auffiillige Korrelation existiert zwischen der Geschichte der Weltausstellungen und der Einftlb­rung neuer lmmersionsmedien - ein Forschungsfeld, das noch am Anfang steht. 20 Vgl. Silvia Bordini, Arte, lmilazio11e, lll11sio11e, Doc11111e11ti e note sulla pillrrra dei ,Pa11oraml' (1787-1910), in: Di111e11sio11i, Strrdi srrlle /11/eraziorri Ira Arie, Scie11za e Teclrnolagia I, La Costn1Zio11e delle /111agi11i, Rom 198 I , I 0 I ff. 21 Vgl. Kevin Brownlow, Piorriere des Films, Basel 1997, 26; Jerzy Toeplitz, Gesclric/1/e des Filw 1895-1928, Miinchen 1979, 18, oder: Emmanuelle Toulet, Pimriere des Ki11os, Ravensburg 1995, 17; insbesondere der eindrucksvolle Artikel von Stephen Bottomore, T71e Pa11icki11g Audience? Early ci11e111t1 arrd the 1h·ai11 ~{feel<, in: Histol1cal Jorrmal o/Fi/111, Radio a11d Tefevisio11 XIX/2 (1999), 177· 216; Abweichend, Martin Loiperdinger, u1111ie1"1?S A11/a111ft des Zliges, in: K!Ntop J ( 19%), 37-70. 22 Vgl. I. M. Pacatus, Fl1icl1tige Notize11, in: Nizegorodskij listok, Niwij-No1gorod 182 (4, 7. 1896), zit. nach K/Ntop 4 ( 1995). 13. Auch Jahrzehnte spftter war diese Wirkung auf Menschen, die zum ersten Mal mil dem Medium konfrontiert wurden, kaum anders, So zHhlte man 1931 im rumllnischen Dorf Goerovesti, nach einer Panik, die von den Bildem der ersten Filmvorfilhrwti ausging, ein Dutzend Verletzte. 23 »Die Illusion des Darbeiseins kann noch verslllrkt werden, wenn die Kamera den Deobach­tungsort eines Darstellers in der Handlung einnimmt.« James J. Gibson, 1Valrmehm11ng und Umwe/t, Der okologisclre Ansatz irr der vis11el/e11 1Valrmel11111mg, Miinchen 1982 (1979). 321. 24 Auf der Weltausstellung von 1900 kehrten die Lumieres noch einmal zum Panoramaformat zur11Clr. Dort zeigten sie ihr Photorama, die panoramatische Diaprojektion eines 90 cm langen, 11 cm hohen Filmstreifens, eine Rundaufuahme, in Form eines Zylinders von etwa 29 cm Durchmesser. ZwOlf~

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,...ir. '9bundene Objektive umkreisten das Diapositiv und warfen das Bild StOck um StOck mit dilllliacr Ocschwindigkeit auf die Wand, dass der Eindruck eines geschlossenen Rundbildes entstand. VIII. Pli«lrich von l.glinicki, Der Weg de.r Films, Hildesheim 1979 ( 1956), I 06. :ll'AndreyTarkovsky, Sc11/pti11g In. Time, ~~flexio11s. on Cinema! Austin, Texas. 1986, 176. . • n.n Stere0film ging das »1llumhch« prOJtz1erte Ota voruus. Dte Laterna Mag1ca verbrettete dtese Bilder seit elem 17. Jahrhundert weltweit und gewann im Phantasmagoria nahezu 30-Qualitlit. Vgl.

Rob· son, '171e Lantem Image, /conogmphy of the Magic Lall/em 1420-1880, Nutnay 1993. Zur ichte des Kinos auch, Laurent Mannoni, The Great An of light and Shadow, Archaeology

Cfnema, Exeter 2000, jilngst, Erkki Huhtamo, Elements ofScreeno/ogy, Towards an Archae­liJIJlw of the Screen, in: /conics 7 (2004) (=The Japan Society of Image Arts and Sciences), 3 l-82. ff£ M. Hayes, 3·D Movies, A History and Fi/mography of Stereoscopic Cinema, Jefferson, NC 1989,S. •Ebd.,9. • Seqcj Eisenstein, Ober den Ra11mfilm, in: ders., Das dynamische Q11adrat, Schriften z11m Film, hg. von Oksana Bulgakova u.a., Leipzig 1988, 196-261, bier 199. JO Ebel., 235. ,. Ebd.,23S. J2 Ebd., 201. " Siegfried Kracauer, Von Caligari z11 Hitler, Eine psychologische Geschichte des De11tschen l't/tn1, Frankfurt a. M. 1977 (1947), 326. Erfreulich ist, dass Kracauers honorierte Schrift Mosse und Propaganda, die unter dem Eindruck der NS Bildwelten im Pariser Exit entstand, Vldlff'endicht wird. :w KUnlich, Karin Wieland, Die utz1e, uni Riefe11sta/JI 1111d das 20. Jahrlmndert, in: Merk11r­Deut1che Zeitsc/1rlftfiir E11ropliisc/1es De11ken 54112 (2000), 1193-1202. 11 Leni Riefenstahl, Wieder Fi/111 vom Reicl1sparteitag e111s1e/11. Noc/111ie ill der We/1 /1a1 sk/1 ei11 Staal derartig fiir ei11e11 Film ei11gesem, Eine Unterredung mit Leni Riefenstahl, in: Magdeb11r-1•r Ta1UV!it1111g (13.1.1935). Vgl. die Analyse bei Frank P. Tomasulo, T/1e Mass Psychology of Ft11cisl Cinema, l..eni Riefenstahl's Tri11111p/1 of the Will, in: Close Readi11gs of Doc11111et11ary Film and Video, hg. von Barry Keith Grant, Detroit 1998, 99-118. 16 Vgl. Claudia Lenssen, U111erwoife11e Gefiih/e, Na1io11a/sozialistisc/ie Mobi/isierimg und tmotiona/e Manip11/atio11 der Masse11 i11 de11 Parteitagsfilmen l..e11i Riefe11s1ahls, in: E11101io11ali­llll. Zur Geschic/11e der Gefiihle, hg. von Claudia Benthien u.a., Ki!ln 2000, 198-212; ebenfalls: M. Loiperdinger, Tri11mp/1 des Willens - VI. Reic11spartei1ag der NSDAP i11 Niimberg, 4.-10. September 1934, (lnstitut fUr den Wissenschaftlichen Film Gottingen), Publikationen zu Wissen­achaftlichen Filmen, Sektion Geschichte Publizistik 6/4 (1989). n Val. Deutsche Allgemei11e Zei11111g vom 15.12.1934, »Aus 128 000 Metem werden 3000. Mit Leni Riefenstahl an der Arbeit«. : So stellten Fox, Tobis-Melo, Paramount u.a. ihr gesamtes Filmmaterial zur VerfUgung.

Triumph des Willens vo//e11de1. Fest/iche Ura11.lfiilm111g i11 Berlin, Am 5. April Ersta11ffilhn111g in 70 deutsche11 S1/Jdte11, in: Vo/kisc/1er Beobacfller, Norddeutsche Ausgabe (23.3.1935) . .. Leni Riefenstahl in: Der De11tsclie (17.1.1935), zit. nach Herbert Heinzelman, Die Heilige Messe des Reic/1sparteilages, Zur Zeidiempache vo11 le11i Riefe11stahls Triumph des Willens, in: 1111ienienmg der Macht, iisthetische Faszi11atio11 des Fasc/iismus, hg. von der Neuen Gesell­schaft fllr Bildende Kunst, Berlin 1987, 161-169, bier 163. 41 Ebd. 41

Erwin Panofsky, Style and Medium i11 the Motion Pictures (1936), hier in: 17iree Essays 011 ~lyl~, hg. von Irving Lavin, Cambridge 1995, 96.

Hier-Lu Kracauer: » ••• schwelgt >Triumph des Willens< in endlosen Bewegungen ... Bewegung, die, dun:h die Kamera produziert wird, ergilnzt die der Objekte. Es wird standig zur Seite, nach oben und unten geschwenkt und gefahren - so daB die Zuschauer nicht nur eine fieberhafte Well vorbei­ziehen sehen, sondern sich in ihr enlwuralt ftlhlen. Die allgegehwartige Kamera zwingt sie, auf den unmi!glichsten Wegen zu gehen, und die Schnitte treiben sie noch weiter ... Hier scheint vi!llige Bewegung die Substanz verschlungen zu haben, Leben gibt es nur im Obergangszustand.« Vgl. Kracauer (Anm. 33), 355. Den Diskussionen mit meinen Studenten an der Humboldt-Universitm zu Berlin und der Universitflt Siegen verdanke ich in diesem Zusammenhang wichtige Beobachtungen. "" Die innovativen Flugaufnahmen, die vom Luftschiff D/PN30 und aus einer Klemm-Maschine ~emacht wurden, waren gleichfalls spektakulllr.

Edmund Burke, A Philosophical Enq11i1y into the origi11 of our ideas of the sublime a11d Bea11tif11I, London 1757. 46 As1011i1/iil1g Nuremberg Scenes, Leader's spec1ac11/ar Entry To Co11gress, in: The Daily Tele­graph (6.9.1934) oder: W. Duesberg, U11 Film •kolossal«, in: la Revue, Lausanne (10.4.1935).

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47 Dennoch la•sen die immer wieder ge.<ehilderten spontnnen Beifallskundgebungen wiihrend der Fihnvorftlhrung - filr uns heutige unvor.;tellbar- auf die emotionale Ausdehnung des ReiclLspruteitags in den Kinosaal schlie6en. Vgl. Triumph tiber die Herom, in: Fi/111-Kmier, Berlin (29.3.1935), I; sowie: Eitr Epoclrales Fi/111dokr1111ent, Triumplr des Willens, in: lie/rt Bild Bii/111e, Berlin (29.3.1935), I. 48 Vgl. auch die umfassende Darstellung von Hilmar Hoffmann, »U11d die Fah11efiihrt 1111.r i11 die Ewigkeit•, Propaga11da im NS-Film, Frankfurt a. M. 1988, 79ff. 49 Schwedische Filmstudenten in Berlin zu Gast, baten den eindrucksvollen Film ein zweites Mal sehen zu konnen. Schwedische Film•tudenten in Berlin, Begeisterung Uber den Reichsparteitags­Film, in: lic/1t-Bild-Bi//111e (18.4.1935); sowie: R.R., Le11i Riefeiutahl a prese11te im~tes, Le tri­om11l1e de la volollle, in: l'intro11signearrt (5.7.1937), 10; Die japanische Regierung setzte Tri11111p/r des Willens ein, um die politische Annllherung an den ehemaligen Kriegsgegner Deutschland in der Offentlichkeit zu befdrdem, in Osterreich, in Schweden oder Danzig wurde der Film als Bild vom neuen Deutschland prllsentiert; ebenfalls: Corriere delta Sera, I film proiettati o Ve11el.ia, Fredda accolie11za a •la Maso/le•. II documellfario nazi.rta • Trio11fo de/la Vololllir• (24.8.1935). '

0 Im Volkisc/1e11 Beobaclrter schwelgte Ewald von Demanclowski: »Was man auch bi sher an filmischen Leistungen je gesehen hat, seien es die Monstre-Filme der Amerikaner, die Ausstattungs- und Historien-Filme jeder Herkunft, sie verblassen alle gegen dieses epochale Filmwerk, von dem man mit Stolz sagen kann, >Es isl das GroBte, was wir je gesehen haben!«< Der Reichsparteitagsfilm, Ei11 eiltmaliges Erlebnis in ei11111aliger Gestalt1111g, in: VOlkiscl1er Beobacluer, Berliner Ausgabe (29.3.1935). 51 A. Hitler, Mein Kampf. 198. 52 Tri11111ph des Willens, Der Fiilrrer prligt de11 Name11 filr de11 Reiclisparteitags-Fi/111 1934, in: Kinematograp/1 (26.9.1934). 53 Der Fiilrrer bei den Sc/meide-Arbeiten Le11i Riefenstaltls filr •Triumph des Willens•, in: Fil111k11rier (7 .12.1934 ). ,. Timothy Lenoir, Fashio11i11g the Military-E11te11ai11me111 Complex, in: Correspo11de1ice. An brtemational Review of Culture and Society 2002/2003, 14-16, ausfilhrlich, James Der Derian, Vi1111011s War. Mapping the Mililary-lml11sflial-Media-E11te11ai11111e111 Netwo•*• Westview Press 2001, ebenfalls: Kiystian Woznicki, Das g/obale Ob1111gsdoif, in: Vi11uelle Welte11- reale Gewalt, hg. von Florian Rotzer, Hannover 2003, 68-79. Der Austausch zwischen Mililllr und Entertainment lndustrie lasst sich personell festmachen. So etablieren sich zunehrnend Karrieren, die zwischen Simulationslabor und Disney hin und bcrpendeln. Anliisslicb der Erllffuung des erwllhnten Anny Institute for Creative Technology betonte der zustilndige Leiter Louis Caldera: »We could never hope to get the expertise of a Steven Spielberg ... working on Anny Projects.« Doch das neue lnstitut werde, so Caldera: »a win-win for everyone«. 54 Die dam it verbundene Neubewertung und einschneidende tbeoretiscbe Neuorientierung des Spiels zwischen Militiir und Unterhaltungsindu­strie (auch in seiner scheinbar trivialen Natur) gilt es bier festzuhalten. " Allein 19 Militllrbasen wurden in der Planungsphase des Spiels von den Entwicklem besucht. 56 Vgl. statistische Oaten unter: www.amerjcasarmy com (Aug. 2003). 57 Russell Shilling u.a., /111roduci11g Emotion into Military• Sim11/atio11 and Videogame Desig11, Americas An11y, Operotio11s a11d VIRTE, in: Proceedings of the Game011 Ca1rfere11ce, London, 30. Nov. 2002, 151-154, bier 152. " Vgl., R. Sanders u.a., n1e Effect of Sound Delivery Methods 011 tire User's Se11se of Presence i11 a Virtual E11vironmelll, MOVES Institute, Naval Postgraduate School, Monterey 2002. 59 httpl/americasanny.filefront.com/files/Americas ArmWMedia!Video; 953 .. Vgl., Zhan LI, Potellfial of America's An11y tire Video Game as Civilia11-Military Public Sflrere (Master's Thesis), MIT 2003, 61. 6 Ebd. 62. 62 Vgl. Ernst Cassirer, /11dil'idr111m mrd Kosmos, Darmstadt 1963 (1927), 179.

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