Symptomatik, Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung

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Übersichtsarbeit Symptomatik, Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung Elena Ise und Gerd Schulte-Körne Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 41 (4), 2013, 271–282 DOI 10.1024/1422-4917/a000241 Zusammenfassung. Kinder mit einer Rechenstörung zeigen Defizite im grundlegenden Mengen- und Zahlenverständnis, wodurch die Entwicklung mathematischer Kompetenzen massiv beeinträchtigt ist. Die vorliegende Arbeit fasst die aktuellen Erkenntnisse bezüglich Symptomatik, Ursachen und Verlauf zusammen und zeigt Möglichkeiten der Diagnostik, der Frühförderung und der Behandlung auf. Die Diagnostik hat sich deutlich verbessert, da aktuelle Rechentests nicht nur den Schulstoff erheben, sondern auch die Kernsymptome der Rechenstörung erfassen. Das IQ-Diskrepanzkriterium wird allerdings weiterhin kritisch hinterfragt. Die internationale Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass eine gezielte Förderung die Rechenleistung deutlich verbessern kann. Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Interventionsforschung, stellt unterschiedliche Förderansätze vor und diskutiert Implikationen für die Praxis. Schlüsselwörter: Rechenstörung, Dyskalkulie, Diagnostik, Behandlung, Therapie Abstract. Symptoms, diagnosis, and treatment of dyscalculia Children with dyscalculia show deficits in basic numerical processing which cause difficulties in the acquisition of mathematical skills. This article provides an overview of current research findings regarding the symptoms, cause, and prognosis of dyscalculia, and it summarizes recent developments in the diagnosis, early intervention, and treatment thereof. Diagnosis has improved recently because newly developed tests focus not only on the math curriculum, but also on basic skills found to be impaired in dyscalculia. A controversial debate continues with regard to IQ achievement discrepancy. International studies have demonstrated the effectiveness of specialized interventions. This article summarizes the research findings from intervention studies, describes different treatment approaches, and discusses implications for clinical practice. Keywords: dyscalculia, math disability, diagnosis, treatment, therapy Kennzeichnend für eine Rechenstörung (auch Dyskalkulie genannt) sind Defizite im Verständnis von Mengen und Zahlen. Diese führen zu Schwierigkeiten beim Einschätzen von Mengen, beim Zählen und bei einfachen Rechenauf- gaben. Die Folge sind schwache Leistungen in Mathematik und anderen Fächern (z. B. Physik, Chemie), sowie Schwierigkeiten in den verschiedensten alltäglichen Situa- tion, angefangen beim Lesen der Uhr (Burny et al., 2012) bis hin zum Umgang mit persönlichen finanziellen Ange- legenheiten (Patton, Cronin, Basset & Koppel, 1997). Nach dem Internationalen Diagnostischen Manual der WHO (ICD-10, Dilling, Mombour & Schmidt, 2011) spricht man von einer Rechenstörung (F81.2) wenn die Re- chenleistung eines Kindes deutlich unter dem Niveau liegt, welches aufgrund des Alters, der allgemeinen Intelligenz und der Beschulung zu erwarten ist. Aktuelle Erhebungen zeigen, dass im deutschsprachigen Raum etwa 3–7 % aller Kinder und Jugendlich betroffen sind (Butterworth, Varma & Laurillard, 2011; Hasselhorn & Schuchardt, 2006; von Aster, Schweiter & Weinhold-Zulauf, 2007; Wyschkon, Kohn, Ballaschk & Esser, 2009). Häufig tritt die Rechen- störung in Kombination mit einer Lese-Rechtschreibstö- rung oder ADHS auf (Gross-Tsur, Manor & Shalev, 1996; von Aster et al., 2007). Symptomatik Bei Kindern mit einer Rechenstörung ist die Entwicklung der sogenannten mathematischen Basiskompetenzen be- einträchtigt. Sie haben Schwierigkeiten beim Vergleichen von Mengen (mehr/weniger) und Zahlen (größer/kleiner), beim Benennen und Aufschreiben von Zahlen und zeigen oft große Lücken im Bereich der Zählfertigkeit (Gaupp, Zoelch & Schumann-Hengsteler, 2004; Landerl, Bevan & Z. Kinder-Jugendpsychiatr. Psychother. 41 (4) © 2013 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

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E. Ise & G. Schulte-Körne: RechenstörungZ. Kinder-Jugendpsychiatr. Psychother. 41 (4) © 2013 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

Übersichtsarbeit

Symptomatik, Diagnostik undBehandlung der Rechenstörung

Elena Ise und Gerd Schulte-Körne

Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie,Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München

Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 41 (4), 2013, 271–282

DOI 10.1024/1422-4917/a000241

Zusammenfassung. Kinder mit einer Rechenstörung zeigen Defizite im grundlegenden Mengen- und Zahlenverständnis, wodurch dieEntwicklung mathematischer Kompetenzen massiv beeinträchtigt ist. Die vorliegende Arbeit fasst die aktuellen Erkenntnisse bezüglichSymptomatik, Ursachen und Verlauf zusammen und zeigt Möglichkeiten der Diagnostik, der Frühförderung und der Behandlung auf.Die Diagnostik hat sich deutlich verbessert, da aktuelle Rechentests nicht nur den Schulstoff erheben, sondern auch die Kernsymptomeder Rechenstörung erfassen. Das IQ-Diskrepanzkriterium wird allerdings weiterhin kritisch hinterfragt. Die internationale Forschung derletzten Jahre hat gezeigt, dass eine gezielte Förderung die Rechenleistung deutlich verbessern kann. Die vorliegende Arbeit gibt einenÜberblick über den aktuellen Stand der Interventionsforschung, stellt unterschiedliche Förderansätze vor und diskutiert Implikationenfür die Praxis.

Schlüsselwörter: Rechenstörung, Dyskalkulie, Diagnostik, Behandlung, Therapie

Abstract. Symptoms, diagnosis, and treatment of dyscalculia

Children with dyscalculia show deficits in basic numerical processing which cause difficulties in the acquisition of mathematical skills.This article provides an overview of current research findings regarding the symptoms, cause, and prognosis of dyscalculia, and itsummarizes recent developments in the diagnosis, early intervention, and treatment thereof. Diagnosis has improved recently becausenewly developed tests focus not only on the math curriculum, but also on basic skills found to be impaired in dyscalculia. A controversialdebate continues with regard to IQ achievement discrepancy. International studies have demonstrated the effectiveness of specializedinterventions. This article summarizes the research findings from intervention studies, describes different treatment approaches, anddiscusses implications for clinical practice.

Keywords: dyscalculia, math disability, diagnosis, treatment, therapy

Kennzeichnend für eine Rechenstörung (auch Dyskalkuliegenannt) sind Defizite im Verständnis von Mengen undZahlen. Diese führen zu Schwierigkeiten beim Einschätzenvon Mengen, beim Zählen und bei einfachen Rechenauf-gaben. Die Folge sind schwache Leistungen in Mathematikund anderen Fächern (z. B. Physik, Chemie), sowieSchwierigkeiten in den verschiedensten alltäglichen Situa-tion, angefangen beim Lesen der Uhr (Burny et al., 2012)bis hin zum Umgang mit persönlichen finanziellen Ange-legenheiten (Patton, Cronin, Basset & Koppel, 1997).

Nach dem Internationalen Diagnostischen Manual derWHO (ICD-10, Dilling, Mombour & Schmidt, 2011)spricht man von einer Rechenstörung (F81.2) wenn die Re-chenleistung eines Kindes deutlich unter dem Niveau liegt,welches aufgrund des Alters, der allgemeinen Intelligenzund der Beschulung zu erwarten ist. Aktuelle Erhebungenzeigen, dass im deutschsprachigen Raum etwa 3–7 % allerKinder und Jugendlich betroffen sind (Butterworth, Varma

& Laurillard, 2011; Hasselhorn & Schuchardt, 2006; vonAster, Schweiter & Weinhold-Zulauf, 2007; Wyschkon,Kohn, Ballaschk & Esser, 2009). Häufig tritt die Rechen-störung in Kombination mit einer Lese-Rechtschreibstö-rung oder ADHS auf (Gross-Tsur, Manor & Shalev, 1996;von Aster et al., 2007).

Symptomatik

Bei Kindern mit einer Rechenstörung ist die Entwicklungder sogenannten mathematischen Basiskompetenzen be-einträchtigt. Sie haben Schwierigkeiten beim Vergleichenvon Mengen (mehr/weniger) und Zahlen (größer/kleiner),beim Benennen und Aufschreiben von Zahlen und zeigenoft große Lücken im Bereich der Zählfertigkeit (Gaupp,Zoelch & Schumann-Hengsteler, 2004; Landerl, Bevan &

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Butterworth, 2004). Manche denken zum Beispiel, dassman beim Zählen nur dann zum richtigen Ergebnis kommt,wenn die Objekte in einer festgelegten Reihenfolge gezähltwerden (Geary, Bow-Thomas & Yao, 1992; Geary, Ham-son & Hoard, 2000) oder haben Schwierigkeiten in Schrit-ten größer als Eins zu zählen (Gaupp et al., 2004; MoserOpitz, 2005).

Ein weiteres Symptom der Rechenstörung sind Schwie-rigkeiten im Verständnis des Dezimalsystems (Landerl &Kaufmann, 2008; Moser Opitz, 2005). Diese zeigen sich insogenannten Zahlendrehern («dreiundzwanzig» wird als32 geschrieben), in Stellenwertfehlern («hundertacht» wirdals 1008 geschrieben) und in Fehlern bei Aufgaben zumBündlungsprinzip («Wie viele Zehnerbündel können mit78 Plättchen gemacht werden?»). Acht- bis neunjährigeKinder mit einer Dyskalkulie machen diese Fehler zwaretwas seltener, sie zeigen jedoch erhöhte Antwortzeitenbeim Lesen und benötigen mehr Zeit beim Schreiben vonarabischen Zahlen (Landerl et al., 2004), d. h. sie habenSchwierigkeiten bei der schnellen Zuordnung von Zahlenzu Zahlwörtern und umgekehrt.

Kinder mit einer Rechenstörung zeigen zudem eine mas-sive Beeinträchtigung im Lernen und Abrufen von arith-metischen Fakten (z. B. «3 + 4 = 7»; Gaupp et al., 2004;Geary & Hoard, 2001; Geary, Hoard & Bailey, 2012; Gers-ten, Jordan & Flojo, 2005). Es gelingt ihnen nicht, die Er-gebnisse einfacher Rechenaufgaben abzuspeichern undspäter direkt aus dem Gedächtnis abzurufen. Dies führt da-zu, dass die Kinder sehr lange selbst bei einfachen Rechen-aufgaben Abzählstrategien einsetzen, oft unter Zuhilfenah-me der Finger (Jimenez Gonzales & Garcia Espinel, 2002;Moser Opitz, 2005; Pixner & Kaufmann, 2008). Diese Vor-gehensweise ist nicht nur fehleranfällig, sondern bean-sprucht auch viel Zeit.

Zu den Symptomen der Rechenstörung zählen auch feh-lende oder falsche Vorstellungen von den Rechenschritten,die bei bestimmten Aufgabenstellungen durchgeführt wer-den müssen («mathematische Prozeduren»; Geary &Hoard, 2001). Die Kinder lernen mathematische Prozedu-ren (z. B. die Vorgehensweise bei mehrstelligen Subtrak-tionsaufgaben) auswendig, verstehen sie aber aufgrund ih-rer Defizite im Verständnis von Mengen und Zahlen (u. a.dem Dezimalsystem) nicht. Bei einer neuen Aufgabenstel-lung führen sie dann dieselben Rechenschritte in derselbenReihenfolge durch, auch wenn die neue Aufgabe eine ab-geänderte Vorgehensweise erfordert (siehe Moser Opitz,2005).

Leistungsprofile und Subgruppen

Kinder mit einer Rechenstörung können sehr unterschied-liche Leistungsprofile zeigen. In der Literatur wurden da-her mehrere Subgruppendifferenzierungen vorgeschlagen,die im Wesentlichen auf der Basis von Fallbeschreibungenentwickelt wurden. Die Überprüfung der Validität der Sub-

gruppenklassifikationen in großen epidemiologischenStichproben steht allerdings noch aus.

Faktenwissendyskalkulie und ProzeduraleDyskalkulie

Temple (1991) beschrieb Anfang der 90er Jahre Fälle vonFaktenwissendyskalkulie (number fact dyscalculia) undProzeduraler Dyskalkulie (procedural dyscalculia). Kindermit Faktenwissendyskalkulie haben zwar ein gutes Ver-ständnis von mathematischen Prozeduren, sie zeigen je-doch erhebliche Defizite im Lernen und Abrufen von arith-metischen Fakten (siehe auch Kaufmann, 2002; Kaufmann,Pixner & Göbel, 2011). Diese Kinder brauchen sehr langeum Rechenaufgabe (z. B. 7 × 3) zu lösen, da sie die Auf-gaben in komplizierte Teilschritte zerlegen und diese (zäh-lend) ausrechnen (z. B. 5 × 3 = 15, dann 15 + 1 + 1 + 1 =18 und 18 + 1 + 1 + 1 = 21). Hierdurch stehen ihnen wenigerAufmerksamkeitsressourcen für das Lösen der gesamtenAufgabe zur Verfügung.

Kinder mit Prozeduraler Dyskalkulie zeigen Defizite imVerständnis von mathematischen Prozeduren, sind abernicht beeinträchtigt in der Entwicklung des Faktenwissens.Diese Kinder können die Lösungen für einfache Aufgabenschnell aus ihrem Gedächtnis abrufen. Bei schwierigerenAufgaben fehlt ihnen jedoch das Verständnis, welche Re-chenschritte in welcher Reihenfolge durchgeführt werdenmüssen.

Sprachlicher, arabischer und tiefgreifenderSubtyp

Eine andere Subgruppendifferenzierung unterscheidet densprachlichen Subtyp, den arabischen Subtyp und den tief-greifenden Subtyp. Die empirische Grundlage für dieseDifferenzierung liefert eine Studie mit Grundschulkindernaus Zürich (von Aster, 2000; von Aster, Kucian, Schweiter& Martin, 2005). Die Kinder wurden mit dem Testverfah-ren ZAREKI (von Aster, Weinhold & Horn, 2006) unter-sucht, welches aus mehreren Untertests besteht. Eine Clus-teranalyse zeigte, dass die Kinder aufgrund ihrer Leistungs-profile in drei Subtypen eingeteilt werden konnten.

Kinder, die dem sprachlichen Subtyp zugeordnet wur-den, zeigten Schwierigkeiten bei den Zählaufgaben (u. a.dem Abzählen von Mengen und Rückwärtszählen) und imKopfrechnen. Sie hatten Schwierigkeiten zählend zu rech-nen und arithmetische Fakten abzuspeichern. In dieserGruppe befanden sich viele Kinder, die zusätzlich Symp-tome eines Aufmerksamkeitsdefizits, einer Sprachentwick-lungsverzögerung oder einer Lese-Rechtschreibstörungzeigen. Der arabische Subtyp beschreibt eine Gruppe vonKindern, denen es schwer fällt arabische Zahlen zu lesenund nach Diktat aufzuschreiben. Die Kinder zeigtenSchwierigkeiten bei den Aufgaben, in denen sie ein Zahl-

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wort («einundzwanzig») in die entsprechende arabischeZahl («21») umwandeln mussten. In dieser Gruppe warenviele Kinder, die fremd- oder mehrsprachig aufgewachsenwaren.

Den Kindern, die dem tiefgreifenden Subtyp zugeordnetwurden, schien das grundlegende Verständnis der Konzep-te von «mehr-weniger» und «Teil-Ganzes» zu fehlen, dennsie zeigten Defizite in fast allen überprüften numerischenFertigkeiten. Die meisten Kinder aus dieser Gruppe zeigtenzusätzlich Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben,Aufmerksamkeitsdefizite oder sozial-emotionale Proble-me. Eine genetische Disposition für diese Subgruppe undeine funktionelle Assoziation mit gestörten Funktionen imintra-parietalen Sulcus werden angenommen.

Subtype des gestörten Zahlensinns

Ein primär theoriegeleiteter Subgruppenansatz stammt vonWilson und Dehaene (2007).

Sie postulieren einen Subtyp, der ursächlich durch ge-netische Faktoren beeinflusst wird, mit Veränderungen imhorizontalen Abschnitt des intraparietalen Sulcus einher-geht und auf phänomenologischen Ebene als beeinträchtig-tes Verständnis von Zahlen und Mengen zu beobachten ist.In der klinischen Untersuchung zeigt sich eine mangelndeAssoziation zwischen der arabischen Zahl oder dem gele-senen Zahlwort und der zugrunde liegenden Mengenreprä-sentation. Dieses basale Defizit des Zahlensinns führt zueiner erheblichen Beeinträchtigung von den darauf aufbau-enden Rechenoperationen. Ein weiterer Subtyp ist gekenn-zeichnet von der gestörten Verbindung zwischen dem Zahl-wort und der arabischen Zahl und umgekehrt.

Ursachen

Rechnen ist sehr komplex und beansprucht das Zusammen-spiel zahlreicher Hirnfunktionen. Kinder mit einer Rechen-störung zeigen während der Bearbeitung von einfachen Re-chenaufgaben eine deutlich reduzierte Aktivität in denHirnregionen, die zum neuronalen Netzwerk der Mengen-und Zahlenverarbeitung gehören (Ashkenazi, Rosenberg-Lee, Tenison & Menon, 2012; Kucian et al., 2006). Dies istwahrscheinlich die Folge einer genetisch bedingten man-gelhaften Ausprägung von angeborenen Kernkompeten-zen, die dazu führt, dass bestimmte kognitive Funktionensich nicht den Entwicklungsaufgaben entsprechend entwi-ckeln (Butterworth, 2005; von Aster et al., 2007). Zum Bei-spiel wird die Verbindung zwischen einer arabischen Ziffer(«8») und der dazugehörigen Menge normalerweise auto-matisch aktiviert. Experimentelle Studien haben gezeigt,

dass dies bei Personen mit einer Rechenstörung nicht derFall ist (Rubinsten & Henik, 2006). Zahlen sind für sie wieWorte ohne Bedeutung.

Auch andere mathematische Basiskompetenzen sind beider Rechenstörung beeinträchtigt (Gaupp et al., 2004; Lan-derl et al., 2004; von Aster et al., 2005). Hierzu gehören dasschnelle (auf einen Blick) Erfassen kleiner Mengen1, das Ver-gleichen von Mengen (mehr/weniger) und Zahlen (grö-ßer/kleiner), das Benennen und Aufschreiben von Zahlen,sowie die Entwicklung eines mentalen Zahlenstrahls. Defizi-te in allgemeinen kognitiven Funktionen, wie dem Gedächt-nis, der Verarbeitungsgeschwindigkeit und visuell-räumli-chen Funktionen, wurden ebenfalls berichtet (Übersicht inLanderl & Kaufmann, 2008).

Familien- und Zwillingsstudien weisen auf eine geneti-sche Komponente der Rechenstörung (Alarcon, DeFries,Gillis Light & Pennington, 1997; Docherty et al., 2010;Petrill et al., 2012; Shalev et al., 2001). Studien zu neuro-physiologischen Korrelaten mittels MRT, fMRT und ERPskonnten Hirnregionen identifizieren, die mit verschiedenenProzessen des Rechnens korrelieren (Übersicht in Vogel &Ansari, 2012). Die Aktivierung des intraparietalen Sulcus(IPS) beider Hemisphären wurde beispielsweise in Abhän-gigkeit von der Fähigkeit, numerische Distanzen zwischenZahlen zu erkennen, gefunden. Die sprachliche Verarbei-tung von Zahlen bei Rechenoperation wird hingegen mitAktivierung im linken Gyrus angularis verbunden.

Untersuchungen mit Kindern mit einer Dyskalkuliekonnten die Bedeutung des IPS für das Schätzen und Ver-gleichen von Mengen bestätigen. Kucian et al. (2006) fan-den eine geringere Aktivierung bei Kindern mit einer Dys-kalkulie bei einer numerischen Schätzaufgabe (z. B. 4 + 3= 9 oder 6). Weitere Studien bestätigen den Zusammen-hang zwischen geringerer IPS-Aktivierung und basisnume-rischen Fähigkeiten (Kaufmann, Vogel et al., 2009; Price,Holloway, Räsänen, Vesterinen & Ansari, 2007).

Verlauf

Die Stabilität von Schwierigkeiten im Rechnen ist in denersten beiden Schuljahren vergleichsweise gering. Etwa einDrittel der Kinder, die in der ersten Klasse schwache Re-chenleistungen zeigen, erzielt bereits ein Jahr später durch-schnittliche Leistungen (Geary et al., 2000). Die Stabilitätnimmt jedoch zum Ende der Grundschulzeit hin zu. Eineisraelische Längsschnittstudie (Shalev, Manor & Gross-Tsur, 2005) untersuchte die Rechenleistung von Kindern,bei denen in der 5. Klasse eine Rechenstörung diagnosti-ziert wurde. Auch sechs Jahre später (in der 11. Klasse)zeigten die meisten Kinder aus dieser Gruppe Schwierig-keiten im Rechnen: 95 % zählten zum schwächsten Viertel

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1 Mengen von bis zu 5 Objekten werden bei nicht-betroffenen Kindern und Erwachsenen automatisch erfasst und müssen nicht abgezähltwerden.

ihrer Altersgruppe. Allerdings erfüllten nur 40 % weiterhindie diagnostischen Kriterien für eine Rechenstörung.

Ein besonders stabiles Symptom der Rechenstörungsind Defizite im arithmetischen Faktenwissen (Gaupp etal., 2004; Geary et al., 2012). Eine amerikanische Studie(Jordan, Hanich & Kaplan, 2003) untersuchte Grundschul-kinder über einen Zeitraum von anderthalb Jahren (Mitteder 2. Klasse bis Ende der 3. Klasse). Dabei zeigte sich,dass rechenschwache Kinder beim Abruf arithmetischerFakten kaum Verbesserungen zeigen, während das Fakten-wissen bei den anderen Kindern deutlich zunahm.

Sekundäre Symptomatik undberufliche Folgen

Psychische Auffälligkeiten

Kinder mit einer Rechenstörung zeigen häufiger psychi-sche Auffälligkeiten als nicht-betroffene Kinder (Auer-bach, Gross-Tsur, Manor & Shalev, 2008; Prior, Smart,Sanson & Oberlaid, 1999; von Aster, 1996). Manche Auf-fälligkeiten (z. B. Aufmerksamkeitsdefizite) können unab-hängig von der Rechenstörung auftreten. DepressiveSymptome, aggressives Verhalten und Ängste sind mögli-cherweise eine Reaktion auf schulische Probleme undMisserfolgserlebnisse (Auerbach et al., 2008; Huntington& Bender, 1993). Viele Kinder mit einer Rechenstörungentwickeln Mathe- und Prüfungsängste, die sich über Jahrehinweg manifestieren und zu einem allgemeinen Verwei-gerungsverhalten führen, wodurch die Leistungen auch inweiteren Fächern abfallen (Krinzinger & Kaufmann, 2002;Rubinsten & Tannock, 2010).

Komorbidität

Zu den häufigen komorbiden Störungen gehören das Auf-merksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS, biszu 40 %) und die Lese-Rechtschreibstörung. Die Angabenzur Komorbidität von einer Rechenstörung mit einer Lese-und/oder Rechtschreibstörung schwanken zwischen 25 und40 %, abhängig von den Untersuchungsmethoden, den un-tersuchten Stichproben und der Klassifikation (Landerl &Moll, 2010).

Berufliche Folgen

Parsons und Bynner (2005) werteten Daten aus zwei briti-schen Längsschnittstudien aus und fanden, dass schwacheRechenleistungen gravierende Folgen für die beruflicheEntwicklung haben können. Jugendliche mit schwachenRechenleistungen verließen die Schule oft früh und erwar-ben häufig nur einen geringen oder gar keinen Schulab-schluss. Mit 30 Jahren hatten sie seltener eine Berufsaus-

bildung abgeschlossen, waren häufiger arbeitslos, erhieltenniedrigere Stundenlöhne und waren öfter in Kontakt mitder Polizei gekommen als Gleichaltrige mit durchschnittli-chen oder guten mathematischen Fähigkeiten.

Vorläuferfertigkeiten undFrühförderung

Damit Kinder die Grundrechenarten erlernen können, müs-sen sie die sogenannten mathematischen Basiskompetenzenbeherrschen (Krajewski, 2008). Hierzu gehört neben denoben genannten Fertigkeiten auch die Fähigkeit richtig zäh-len zu können, also die Zahlen zu kennen, beim Zählen jedemObjekt genau eine Zahl zuzuordnen und zu verstehen, dassdie letzte genannte Zahl die gezählte Menge widerspiegelt.Längsschnittstudien bestätigen, dass vorschulische Kompe-tenzen wie Zählen und Zahlenkenntnis (z. B. «Welche Zahlist größer? 5 oder 4?») die spätere Rechenleistung vorhersa-gen können (Aunola, Leskinen, Lerkkanen & Nurmi, 2004;Locuniak & Jordan, 2008) und dass Kinder mit einer Rechen-störung häufig schon im Kindergartenalter über schwächerausgeprägte mathematische Basiskompetenzen verfügen(Gersten et al., 2005; Krajewski & Schneider, 2009; Stock,Desoete & Roeyer, 2010; Weißhaupt, Peucker & Wirtz,2006).

Zur Identifizierung von sogenannten Risikokindern imVorschulalter können verschiedene Testverfahren einge-setzt werden (z. B. ZAREKI-K, von Aster, Bzufka, Horn,Weinhold Zulauf & Schweiter, 2009, oder TEDI-MATH,Kaufmann, Nuerk et al., 2009). Eine frühzeitige Förderungist für diese Risikokinder von besonderer Bedeutung. DasZiel der Frühförderung sollte die Verbesserung des Zahlen-wissens und die Entwicklung effizienter Zählstrategiensein. Dies kann durch spielerische Übungen (z. B. Würfel-oder Brettspiele) erreicht werden (Griffin & Case, 1997;Siegler & Ramani, 2008; Wilson, Dehaene, Dubois &Fayol, 2009). Für den deutschen Sprachraum liegt auch dasFrühförderprogramm «Mengen, zählen, Zahlen» vor(Krajewski, Nieding & Schneider, 2007), welches die ma-thematischen Basiskompetenzen nachweislich verbessert(Krajewski, Renner, Nieding & Schneider, 2008).

Diagnostik

Neuropsychologische Diagnostik nachICD-10

Das Kernstück der Diagnostik bildet die Durchführung ei-nes standardisierten Rechentests. Gemäß den Empfehlun-gen des ICD-10 (Dilling et al., 2011) ist für die Diagnose-stellung einer Rechenstörung eine Diskrepanz der Rechen-leistung zur Altersnorm notwendig (Altersdiskrepanz). Um

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die vom ICD-10 empfohlene IQ-Diskrepanz festzustellen,wird ein Intelligenztest durchgeführt.

Laut ICD-10 ist bei der Rechenstörung vor allem dieBeherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten betrof-fen. Wenn Kinder und Jugendliche erst dann Probleme er-fahren, wenn die höhere Mathematik behandelt wird, liegtin der Regel keine Rechenstörung vor. Bei der Diagnostikwird daher anamnestisch abgeklärt, wann die Schwierig-keiten im Rechnen aufgetreten sind. Hierbei sollte beachtetwerden, dass manche Kinder im ersten Schuljahr erfolg-reich kompensatorische Strategien einzusetzen, so dass dieSchwierigkeiten erst in der zweiten Klasse oder später auf-fallen.

Es gibt verschiedene standardisierte Testverfahren mitdenen die Rechenleistung untersucht werden kann. Dieseunterscheiden sich unter anderem hinsichtlich der Testin-halte, der Durchführung (Einzel- vs. Gruppentest, Dauerder Durchführung) und der Qualität der Normierung. Eini-ge Testverfahren orientieren sich vorrangig an den Lehr-plänen für Mathematik (z. B. die Tests der DEMAT-Reihe),während andere Verfahren insbesondere die Kompetenzenüberprüfen, von denen man weiß, dass sie bei der Rechen-störung beeinträchtigt sind (kriteriumsorientierte Testver-fahren, z. B. ZAREKI-R, von Aster et al., 2006). MoserOpitz und Ramseier (2012) empfehlen ein Testverfahren zuwählen, das beide Bereiche abdeckt, also nicht nur den Un-terrichtsstoff abfragt, sondern auch die Kernsymptome derRechenstörung erhebt. Hierfür eignen sich zum Beispielder Heidelberger Rechentest (HRT 1–4, Haffner, Baro, Par-zer & Resch, 2005) im Grundschulbereich und der BASIS-MATH 4–8 (Moser Opitz et al., 2010) für ältere Schüler.

Kinder, deren Schwierigkeiten im Rechnen auf Umwelt-faktoren (unangemessene Unterrichtung, mangelnde Förde-rung oder zu wenig Übung) zurückzuführen sind, erfüllennicht die Kriterien für eine Rechenstörung. Die Diagnose Re-chenstörung darf auch nicht gestellt werden, wenn Defiziteim Sehen oder Hören die Ursache der Schwierigkeiten imRechnen sind. Das gleiche gilt für neurologische Störungen,sowie psychische oder psychiatrische Erkrankungen.

Das IQ-Diskrepanzkriterium

Die Kriterien des ICD-10 (Dilling et al., 2011) verlangen,dass ein eindeutiger Unterschied zwischen IQ und Rechen-leistung vorliegt. Die IQ-Diskrepanz soll mindestens2 Standardabweichungen betragen (ICD-10 Forschungs-kriterien). Jacobs und Petermann (2005) empfehlen für dieklinische Praxis ein «weicheres» Kriterium von 1.5 Stan-dardabweichungen.

In der wissenschaftlichen Literatur wird das IQ-Diskre-panzkriterium durchaus kritisch betrachtet und mehrereAutoren empfehlen, auf das IQ-Diskrepanzkriterium ganzzu verzichten (siehe Ehlert, Schroeders & Fritz-Stratmann,2012; Moser Opitz & Ramseier, 2012; von Aster et al.,2007). Hierfür gibt es mehrere Gründe. Zum einen liegenmethodische Probleme vor, da viele Intelligenztests Unter-

tests enthalten, die die Rechenleistung erfassen, so dass re-chenschwache Kinder im Nachteil sind. Außerdem unter-scheiden sich die gängigen Rechentests hinsichtlich ihrerInhalte, d. h. sie erheben zum Teil unterschiedliche mathe-matische Kompetenzen. Dies hat zur Folge, dass verschie-dene Rechentests bei ein und demselben Kind zu unter-schiedlichen Ergebnissen kommen können (Ehlert et al.,2012; Huber, Moeller & Nuerk, 2012). Die Diskrepanzzwischen IQ und Rechenleistung hängt somit auch vondem eingesetzten Rechentest ab. Eine amerikanischeLängsschnittstudie belegt zudem, dass die DiagnoseRechenstörung zeitlich stabiler ist, wenn sie auf demKriterium der Altersdiskrepanz basiert und nicht auf demIQ-Diskrepanzkriterium (Mazzocco & Myers, 2003).

Ein weiteres Argument gegen das IQ-Diskrepanzkrite-rium ist, dass rechenschwache Kinder, die das IQ-Diskre-panzkriterium erfüllen, dieselben Schwierigkeiten imRechnen aufweisen wie rechenschwache Kinder, die diesesKriterium nicht erfüllen. Die beiden Gruppen wenden beimLösen von Rechenaufgaben ähnliche Lösungsstrategien anund erbringen vergleichbare Leistungen (Ehlert et al.,2012; Jimenez Gonzales & Garcia Espinel, 1999, 2002;Moser Opitz, 2005).

Förderung

Förderansätze

In den letzten Jahren wurde eine Reihe von Förderprogram-men für rechenschwache Kinder neu entwickelt. Es gibtsowohl curriculare als auch nicht-curriculare Förderpro-gramme. Curriculare Programme legen den Fokus auf denSchulstoff und orientieren sich an den Lehrplänen für Mathe-matik. Hierzu zählen zum Beispiel Lernhilfen, die von Schul-buchverlagen herausgegeben werden. Nicht-curriculareProgramme orientieren sich an Entwicklungsmodellenmathematischer Kompetenzen und fördern vorrangig mathe-matische Basiskompetenzen in Kombination mit den Grund-rechenarten. Hierzu zählen zum Beispiel die Programme«Kalkulie» (Gerlach, Fritz, Ricken & Schmidt, 2007) und«Rechenschwäche überwinden» (Band 1: Ganser, Schindler& Schüller, 2010; Band 2: Ganser & Schindler, 2011), sowiedie Bamberger Fördermaterialien (Merdian, 2008a, 2008b,2008c, 2008d). Auch Programme, die für das Vorschulalterkonzipiert wurden, können in den ersten Schuljahren erfolg-reich eingesetzt werden (z. B. «Mengen, zählen, Zahlen»;Krajewski et al., 2007; Evaluation: Sinner, 2011; «Dortmun-der Zahlbegriffstraining», Moog & Schulz, 2005; Evaluation:Moog & Schulz, 1997).

Stand der internationalen Forschung

Die internationale Forschung hat gezeigt, dass eine gezielteFörderung die Rechenleistung von Kindern und Jugendli-

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chen mit einer Rechenstörung deutlich verbessern kann(siehe Bryant, Bryant, Gersten, Scammacca & Chavez,2008; Dowker, 2009; Fuchs, Fuchs et al., 2008; Fuchs etal., 2010; Ise, Dolle, Pixner & Schulte-Körne, 2012). DieForschungsergebnisse können als folgt zusammengefasstwerden:

1. Einzelförderung ist bei rechenschwachen Kindernwirksamer als Gruppenförderung, klassenweise Förde-rung oder computerbasierte Förderung (Ise et al., 2012;Kroesbergen & van Luit, 2003).

2. Förderung ist besonders effektiv, wenn sie an das indi-viduelle Leistungsniveau des rechenschwachen Kindesangepasst ist (Burns, Codding, Boice & Lukito, 2010;Codding et al., 2007; Dowker, 2009).

3. Rechenschwache Kinder profitieren von einem struk-turierten Aufbau und einer hierarchischen Gliederungder Lerninhalte (Fuchs, Fuchs et al., 2008).

4. Die Förderung von Basiskompetenzen (z. B. das Trai-ning effizienter Zählstrategien) ist nicht nur im Vor-schulalter effektiv, sondern auch bei Schulkindern mitDefiziten in diesen Bereichen (Bryant et al., 2008;Fuchs et al., 2009; Sinner, 2011; Wilson, Revkin, Co-hen, Cohen & Dehaene, 2006; Wilson et al., 2009;Wright, Martland, Stafford & Stanger, 2002).

5. Das Auswendiglernen von arithmetischen Fakten(Blitztraining) verbessert das Faktenwissen von re-chenschwachen Kindern (Fuchs et al., 2006; Fuchs, Po-well et al., 2008; Hasselbring, Goin & Bransford, 1988;Powell, Fuchs, Fuchs, Cirino & Fletcher, 2009). Blitz-training ist besonders wirksam, wenn Kinder dazu an-geleitet werden, falsch beantwortete Aufgaben durchzählendes Rechnen richtig zu lösen oder die richtigeLösung von bekannten Fakten abzuleiten (Askew, Bib-by & Brown, 2001; Fuchs et al., 2010; Tournaki, 2003).

6. Eine geringe Erwartungshaltung, Matheangst undVermeidungsverhalten erschweren die Durchführungder Förderung und beeinträchtigen den Lernerfolg(Hanich, 2011). Förderung ist daher besonders wirk-sam, wenn sie rechtzeitig durchgeführt wird, d. h. be-vor Ängste und Vermeidungsverhalten gefestigt sind(Dowker, 2004).

7. Belohnungen (z. B. Punkte-Pläne mit Belohnungssti-ckern) oder Übungen am Computer verbessern die Mo-tivation für das Bearbeiten von Rechenaufgaben (But-terworth & Laurillard, 2010; Fuchs, Fuchs et al., 2008).

8. Rechenschwache Kinder profitieren von häufiger Wie-derholung und regelmäßigem Üben der gelernten In-halte, z. B. anhand von Übungen am Computer (Fuchs,Fuchs et al., 2008).

9. Die Förderung rechenschwacher Kinder in der Schuleist wirksam, und zwar vor allem dann, wenn Lehrkräftein der Durchführung von Diagnostik und Förderung in-tensiv geschult werden (Dowker, 2009; Gross, 2007;Haseler, 2008).

10. Mit zunehmendem Umfang und zunehmender Dauernimmt die Effektivität der Förderung deutlich zu.Kurzfristig angelegte Förderungen, die weniger als 10

Stunden umfassen, zeigen nur sehr geringe Effekte (Iseet al., 2012).

Computerbasierte Förderprogramme

Studien haben gezeigt, dass auch computerbasierte Förder-programme die mathematischen (Basis-)Kompetenzen re-chenschwacher Kinder verbessern können (Kucian et al.,2011; Lenhard, Lenhard, Schug & Kowalski, 2011; Wilson,Revkin et al., 2006). Hierzu gehören die Programme «Re-chenspiele mit Elfe und Mathis I und II» (Lenhard & Len-hard, 2010; Lenhard, Lenhard & Lingel, 2010), «DybusterCalcularis» (von Aster, Käser, Kucian & Gross, 2012) und«Zahlenrennen» (Wilson, Dehaene et al., 2006, kostenloserDownload: http://sourceforge.net/projects/numberrace/).Da computerbasierte Programme weniger effektiv sind alsEinzelförderung (Ise et al., 2012), können sie die indivi-duelle Förderung durch einen qualifizierten Dyskalkulie-therapeuten nicht ersetzten. Sie sind eher als gute Ergän-zung zu betrachten, die es ermöglicht, Kompetenzen durchhäufiges Wiederholen zu festigen und Motivationsproble-me zu überwinden.

Implikationen für die Förderpraxis

Die wichtigste Schlussfolgerung für die Praxis ist, dass dieFörderung langfristig angelegt und im Einzelsetting durchge-führt werden sollte. Die Wahl eines geeigneten Förderpro-gramms muss für jedes Kind individuell getroffen werden.Für einige Kinder ist ein curriculares (lehrplanorientiertes)Förderprogramm geeignet, das eine intensive Wiederholungdes Schulstoffes darstellt. Dabei muss jedoch sichergestelltwerden, dass die Kinder über das nötige Grundlagenwissenverfügen, auf dem der Schulstoff aufbaut.

Bei Kindern mit Defiziten in den mathematischen Ba-siskompetenzen sollte ein nicht-curricularer Ansatz ge-wählt werden, der darauf abzielt, diese Basiskompetenzenzu verbessern, auch wenn in der Schule deutlich komple-xere Aufgaben behandelt werden. Hier eignen sich auchProgramme, die als Frühförderprogramme konzipiert wur-den. Bei Kindern mit Defiziten im arithmetischen Fakten-wissen kann ein sogenanntes Blitztraining eingesetzt wer-den, bei dem das Auswendiglernen von arithmetischenFakten im Vordergrund steht. Wenn das Verständnis für dieGrundrechenarten fehlt, sollten unbedingt zusätzlich zumBlitztraining effiziente Zählstrategien und Rechenschrittetrainiert werden.

Um zu vermeiden, dass Matheangst und Vermeidungs-verhalten die Durchführung der Förderung und den Lern-erfolg beeinträchtigen, können rechenschwache Kinder mitBelohnungen (Verstärkerpläne) und Übungen am PC(Lernsoftware) motiviert werden.

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Kostenübernahme

Die Rechenstörung ist keine Behandlungsindikation inden Heilmittelrichtlinien. Die Therapie wird daher nichtvon den Krankenkassen übernommen. Eine Ausnahmebilden Kinder und Jugendliche, bei denen die sekundäreSymptomatik (z. B. Angst) stark ausgeprägt ist. Hierbesteht die Möglichkeit einer Kostenübernahme im Rah-men des Kinder- und Jugendhilferechts (Sozialgesetz-buch VIII, § 35a). In der Regel müssen die Angeboteprivatrechtlich organisierter Institute in Anspruch ge-nommen werden. Um die Qualität der Ausbildung zumDyskalkulietherapeuten zu sichern, hat der Bundesver-band Legasthenie und Dyskalkulie e. V. (BVL) einenWeiterbildungs-Standard entwickelt. Zertifizierte Ein-richtungen können seit einigen Jahren den Titel «Dyskal-kulietherapeut nach BVL» verleihen.

Fazit für die Praxis

Kinder mit einer Rechenstörung zeigen Defizite im grund-legenden Mengen- und Zahlenverständnis, wodurch dieEntwicklung mathematischer Kompetenzen massiv beein-trächtigt ist. Aufgrund der erlebten Misserfolge entwickelnviele Kinder Mathe- und Prüfungsängste oder andere psy-chische Auffälligkeiten. Um diese psychischen Belastun-gen möglichst zu vermeiden, sollten bereits im Vorschulal-ter sogenannte Risikokinder identifiziert und anhand vonFrühförderprogrammen erfolgreich gefördert werden.

Die Diagnostik im Schulalter ist umfangreich. Zur Erfas-sung der Rechenleistung sollte ein Testverfahren gewähltwerden, das nicht nur den Unterrichtsstoff abfragt, sondernauch die mathematischen Basiskompetenzen (z. B. Zählen,Mengenschätzen, Zahlen benennen und aufschreiben). Stu-dien zeigen, dass eine gezielte Förderung die Rechenleistungdeutlich verbessern kann, insbesondere wenn sie im Einzel-setting durchgeführt wird und langfristig angelegt ist. Bei derWahl eines Förderprogramms sollte unbedingt darauf geach-tet werden, dass die Trainingsinhalte auf die individuellenSchwierigkeiten des Kindes eingehen. Wenn Kinder nichtüber das Grundlagenwissen verfügen, auf dem der Schulstoffaufbaut, sollten vorrangig die mathematischen Basiskompe-tenzen gefördert werden. Verhaltenstherapeutische Verstär-kerpläne und regelmäßiges Wiederholen (z. B. anhand vonÜbungen am PC) erhöhen den Therapieerfolg.

Danksagung

Die Autoren danken dem Bundesverband Legasthenie undDyskalkulie e. V. (BVL) für die finanzielle Unterstützungder vorliegenden Arbeit.

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Manuskripteingang 27. November 2012Angenommen 29. November 2012Interessenkonflikte Nein

Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne

Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie,Psychosomatik und PsychotherapieKlinikum der Ludwig-Maximilians-Universität MünchenNußbaumstraße 5a80336 Mü[email protected]

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CME-Fragen

1. Welche Aussage über die Prävalenz von Rechenstörun-gen trifft für den deutschsprachigen Raum zu?a) 2–6 %b) 3–7 %c) 5–7 %d) 8–10 %e) 1–2 %

2. Welche Aussage trifft für die Entwicklung der sogenann-ten mathematischen Basiskompetenzen nicht zu? Es be-stehen Schwierigkeiten:a) beim Vergleich von Mengen (mehr/weniger)b) Schwierigkeiten beim Vergleich von Zahlen (grö-

ßer/kleiner)c) Schwierigkeiten beim Benennen von Zahlend) Schwierigkeiten beim Aufschreiben von Zahlene) Das Verständnis des Dezimalsystems ist nicht betrof-

fen

3. bei den Rechenstörungen werden unterschiedliche Leis-tungsprofile und Subgruppen beschrieben. Welche derfolgenden Begriffe ist falsch:a) Faktenwissendyskalkulieb) Prozedurale Dyskalkuliec) Sprachlicher Subtypd) Tiefgreifender Subtype) Lateinischer Subtyp

4. Kinder mit einem tiefgreifenden Subtyp weisen eineReihe von Leistungsdefiziten auf. Welches gehört nichtdazu?a) Es bestehen Schwierigkeiten, arithmetische Fakten

abzuspeichern.b) Das grundlegende Verständnis des Konzepts von

«mehr/weniger» fehlt.c) Es bestehen ergänzende Schwierigkeiten im Lesen

und Rechtschreiben.d) Eine genetische Disposition wird angenommen.e) Es werden Funktionsdefizite im intraparietalen Sul-

cus diskutiert

5. Welche Aussagen zu den Ursachen der Rechenstörungtrifft nicht zu?a) Es wird eine genetisch bedingte mangelhafte Ausprä-

gung von angeborenen Kernkompetenzen vermutet.b) Bei der Bearbeitung von einfachen Rechenaufgaben

erhöht sich die Aktivität in Hirnregionen des entspre-chenden neuronalen Netzwerkes.

c) Die sprachliche Verarbeitung von Zahlen bei Rechen-operationen ist mit der Aktivierung im linken Gyrusangularis verbunden.

d) Familien und Zwillingsstudien weisen auf eine gene-tische Komponente hin.

e) Studien zu neurophysiologischen Korrelaten konntenHirnregionen identifizieren, die mit verschiedenenProzessen des Rechnens korrelieren.

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