Hubert Fehr/Irmtraut Heitmeier (ed.), Die Anfänge Bayerns. Von Raetien und Noricum zur...

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-~ Der später bairische Raum in der Spätantike

• spätrömische Militärorte nach der Not. dig., frühes 5. Jh.

Orte in der vita S. Severini, 460/480 n. ehr. o

tt Kirche, Bischofskirche

römische Straßen

- Provinzgrenzen

Die Anfänge Bayerns Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria

Bayerische Landesgeschichte und europäische Regionalgeschichte herausgegeben vom Institut für Bayerische Geschichte - LMU München

Ferdinand Kramer und Dieter J. Weiß

Band 1

in Verbindung mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege Egon Johannes Greipl

Die Anfänge Bayerns

Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria

herausgegeben von

Hubert Fehr

Irmtraut Heitmeier

EOS Verlag, St. Ottilien 2014

Die Herausgeber danken dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege,

dem Institut für Bayerische Geschichte der LMU München sowie der Michael-Doeberl-Stiftung und Eginhard-und-Franziska-Jungmann-Stiftung,

die die Durchführung des Kolloquiums und die Drucklegung des Tagungsbandes ermöglicht haben.

Für den reibungslosen Ablauf des Kolloquiums und die angenehme Tagungsatmosphäre sei den Mitarbeitern des .. Zentrums für Umwelt und Kultur"

im Maierhof des Klosters Benediktbeuern besonders gedankt.

Für vieWiltige Unterstützung gilt unser Dank zudem den Kollegen der Archäologischen Staatssammlung München und den Mitarbeitern des Instituts für Bayerische Geschichte.

Außerdem danken wir für die freundliche Überlassung von Publikationsrechten der Bayerischen Staatsbibliothek, München, und dem Cornelsen-Verlag, Berlin.

Abbildungen: Für die Abbildungen gilt der Nachweis der Bildunterschriften.

Zusätzlich: Umschlag Handschrift: ASP, Hs. A 5, fol. 3v (Erzabtei St. Peter Salzburg) ; Vorsatzkarte: Bearbeitung der Karte .. Die spätrömischen Provinzen Raetia Secunda, Noricum Ripense und Noricum Mediterraneum im 5. Jh. n. Chr." von Arno Rettner u. Bernd Steidl, in : Ludwig WAMSER

(Hg.), Karfunkelstein und Seide, 2010, 47; Nachsatzkarte: Bearbeitung der Karte .. Das Bairische Stammesherzogtum 788" in: Hermann DANNHEIMER - Heinz DOPSCH (Hg.), Die Bajuwaren, 1988, 163.

Umschlag, Gestaltung und Satz: Elisabeth Lukas-Götz M.A., Thomas Böck

Druck und Bindung: EOS-Druck, St. Ottilien

Gedruckt auf säurefreiem, chlorfreiem Werkdruckpapier .. Alster gelblichweiß" unter Verwendung der Rotis SerifWIG

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie;

detaillierte bibliographische Angaben sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren)

ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielf<iltigt und verbreitet werden.

I. Auflage 2012 2., um eine englische Übersetzung der Einleitung

und ein Register erweiterte Auflage 2014 Deutsche Erstausgabe

~'" eos Copyright @ 2014 by EOS Verlag, St. Ottilien

[email protected] www.eos-verlag.de

ISBN 978-3-8306-7548-8

Vorwort

Die Diskussion um die Anfänge Bayerns in den Transformationsprozessen vom 4. bis 8. Jahrhundert n. ehr. hat in den letzten beiden Jahrzehnten vor allem durch bemerkenswerte archäologische Funde und Befunde, durch ei­nen multiperspektivischen, interdisziplinären sowie in europäischen Bezü­gen vergleichenden Ansatz, außerdem durch die neue Sensibilität für kultur­wissenschaftliche Fragestellungen in den Geschichtswissenschaften neue Impulse bekommen. Vor diesem Hintergrund haben auflnitiative von Dr. Irm­traut Heitmeier und Dr. Hubert Fehr das Bayerische Landesamt für Denkmal­pflege und das Institut für Bayerische Geschichte der LMU München 2010 im "Zentrum für Umwelt und Kultur" in Benediktbeuern eine Tagung veranstal­tet, deren Ergebnisse in diesem Band präsentiert werden.

Zur Ausstattung des Bandes trug wesentlich die Abteilung Frühgeschicht­liche Archäologie und Archäologie des Mittelalters des Instituts für Archäo­logische Wissenschaften der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg bei, die die aufwändige Erstellung der Karten durch Herrn Michael Kinsky ermöglichte. Frau Elisabeth Lukas-Götz M.A. wirkte maßgeblich an der Endkorrektur der Beiträge und durch die Gestaltung des Bandes mit.

Wir danken allen für die engagierte Mitarbeit!

Prof. Dr. Egon Johannes Greipl, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege Prof. Dr. Ferdinand Kramer, Institut für Bayerische Geschichte - LMU München

Vorwort zur zweiten Auflage

Erfreulicherweise stießen "Die Anfange Bayerns" auf so starkes Interesse, dass nach kurzer Zeit eine zweite Auflage vorgelegt werden kann. Die Auf­sätze sind unverändert wiedergegeben. Die Herausgeber haben mit Hilfe von Dr. des. Daniel Rittenauer ein Register ergänzt. Außerdem fmdet sich die zusammenfassende Einleitung nun auch in englischer Sprache am Ende des Bandes.

München, Februar 2014

Egon Johannes Greipl Ferdinand Kramer

Inhal tsverzeichnis

5 Vorwort

10 Abkürzungsverzeichnis

13 Hubert Fehr, Irmtraut Heitmeier Ein Vierteljahrhundert später ...

21 Michaela Konrad Ungleiche Nachbarn. Die Provinzen Raetien und Noricum in der römischen Kaiserzeit

73 Roland Steinacher Zur Identitätsbildung frühmittelalterlicher Gemeinschaften. Überblick über den historischen Forschungsstand

125 Jochen Haberstroh Der Fall Friedenhain-Prestovice - ein Beitrag zur Ethnogenese der Baiovaren?

149 Ludwig Rübekeil Der Name Baiovarii und seine typologische Nachbarschaft

163 Alheydis Plassmann Zur Origo-Problematik unter besonderer Berücksichtigung der Baiern

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183 Britta Kägler "Sage mir, wie du heißt ... ": Spätantik-frühmittelalterliche Eliten in den Schriftquellen am Beispiel der frühen Agilolfmger

197 Christa lochum-Godglück Walchensiedlungsnamen und ihre historische Aussagekraft

219 Andreas Schorr Frühmittelalterliche Namen an Iller, Donau und Lech. Ihr Aussagewert für eine transdisziplinäre Kontinuitäts- und ,Ethnogenese' -Diskussion

245 Brigitte Haas-Gebhard Unterhaching - Eine Grabgruppe der Zeit um 500 n. ehr.

273 Arno Rettner Zur Aussagekraft archäologischer Quellen am Übergang von der Antike zum Frühmittelalter in Raetien

311 Hubert Fehr Friedhöfe der frühen Merowingerzeit in Baiern - Belege für die Einwanderung der Baiovaren und anderer germanischer Gruppen?

337 Barbara Hausmair Kontinuitätsvakuum oder Forschungslücke? Der Übergang von der Spätantike zur Baiernzeit in Ufernoricum

359 laroslav liNk Böhmen in der Spätantike und der Völkerwanderungszeit unter besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zu Baiern und Thüringen

403 Eva Kropf Möglichkeiten und Grenzen der Anthropologie, dargestellt am Beispiel des frühmittelalterlichen Gräberfeldes von Enkering (Lkr. Eichstätt)

413 losef LöjJ1 Wirtschafts historische Grundgedanken zum bairischen Raum in der Spätantike

425 Stefan Esders Spätantike und frühmittelalterliche Dukate. Überlegungen zum Problem historischer Kontinuität und Diskontinuität

463 Irmtraut Heitmeier Die spätantiken Wurzeln der bairischen Noricum-Tradition. Überlegungen zur Genese des Herzogtums

551 Philippe Depreux Auf der Suche nach dem princeps in Aquitanien (7.-8. Jahrhundert)

567 Christian Later Zur archäologischen Nachweisbarkeit des Christentums im frühmittel­alterlichen Baiern. Methodische und quellenkritische Anmerkungen

613 Roman Deutinger Wie die Baiem Christen wurden

Runder Tisch: Regensburg im frühen Mittelalter. Aktuelle Perspek­tiven aus archäologischer, namenkundlicher und historischer Sicht

633 Einführung 634 Silvia Codreanu-Windauer

Zum archäologischen Forschungsstand in und um Regensburg 640 Arno Rettner

Historisch-archäologische Überlegungen zur Bedeutung Regensburgs im 6. und 7. Jahrhundert

653 Wolf gang Janka Der Raum Regensburg - namenkundlicher Forschungsstand und Perspektiven

658 Alois Schmid Probleme der Frühgeschichte Regensburgs aus historischer Sicht

663 Autorenverzeichnis

665 Introduction and summary: Hubert Fehr, Irmtraut Heitmeier A quarter of a century later ...

673 Ortsregister

685 Personenregister

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Adj. ahd. ANRW BayHStA Bearb. Bez. BHL BLtD BSB CAH2

CIL CSIR dt. ed. F. fo1. FSGA

Gde. germ. GewN griech. Hg. HONE

Abkürzungsverzeichnis

Adjektiv althochdeutsch Aufstieg und Niedergang des Römischen Weltreichs Bayerisches Hauptstaatsarchiv Bearbeiter Bezirk Bibliotheca Hagiographica Latina Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege Bayerische Staatsbibliothek The Cambridge Ancient History, 2. Aufl. Corpus Inscriptionum Latinum Corpus Signorum Imperii Romani deutsch ediert/herausgegeben Femininum folio Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe. Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters Gemeinde germanisch Gewässername griechisch Herausgeber/-in, herausgegeben Historisches Ortsnamenbuch von Bayern

Hzg. idg. Jh. Kop. Kr. lat. Ldkr./Lkr. M. MGH MGHAA MGH Capit. MGH Cone. MGHDD MGH Epp. MGHLL MGHSS mhd. N Ndr. NF o OK ON Or. pdF PN Provo QuE r. RAC Red. RGN S se. (scilicet) SEG SN St. SUB Tr. vlat. W

Herzog indogermanisch Jahrhundert Kopie Kreis lateinisch Landkreis Maskulinum Monumenta Germaniae Historica Monumenta Germaniae Historica, Auctores antiquissimi Monumenta Germaniae Historica, Capitularia Monumenta Germaniae Historica, Concilia Monumenta Germaniae Historica, Diplomata Monumenta Germaniae Historica, Epistolae Monumenta Germaniae Historica, Leges Monumenta Germaniae Historica, Scriptores mittelhochdeutsch Norden Nachdruck Neue Folge Osten Oberkante eines Befundes (in mund NN) Ortsname Original plastisch dekorierte Feinkeramik Personenname Provinz Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte regiert Reallexikon für Antike und Christentum Redaktion Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 2. Aufl. Süden d. h. (das heißt) Supplementum Epigraphicum Graecum Siedlungsname Stadt Salzburger Urkundenbuch Traditionen vulgärlateinisch Westen

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Ein Viertelj ahrhundert später

Hubert Fehr, Irmtraut Heitmeier

Die bayerisch-salzburgische Landesausstellung "Die Bajuwaren. Von Severin bis Tassilo 488-788" setzte 1988 einen vorläufigen Schlusspunkt unter eine in den Jahren zuvor intensiv geführte Debatte zur Frühgeschichte der Baiern. Sie vermittelte ein Bild der bairischen Anfange, das von der Öffentlichkeit breit rezipiert wurde und bis in die Gegenwart weithin geläufIg blieb. Ausgehend von einer Deutung des Baiern-Namens als ,Männer aus Böhmen', nahm man an, dass von dort ein ,Traditionskern' einwanderte, der im Land die ,Ethnoge­nese' der Baiern aus verschiedenen ,germanischen' Gruppen und ansässiger Bevölkerung auslöste. Da dieser These zudem eine archäologische Fundgrup­pe Friedenhain-PreStovice zu entsprechen schien, entstand der Eindruck, dass ,,( .. . ) nach jahrhundertelangen Bemühungen endlich das Rätsel der Herkunft der Bayern gelöst" sei (vgl. SZ Nr. 299 v. 24./25/26.12.2004 S. 51).

Seitdem sind fast 25 Jahre vergangen, in denen sich alle an der Frühge­schichte beteiligten Disziplinen intensiv mit den theoretischen und methodi­schen Grundlagen zur Interpretation ihrer einschlägigen Quellen aus ein an­dergesetzt haben. In diesem Zuge wurden die Konzepte der ,Stammesbildung' bzw. ,Ethnogenese' weiterentwickelt, so dass heute nach der Identitätsbildung frühgeschichtlicher Gruppen gefragt wird. Während die archäologischen Wis­senschaften zunehmend in Frage stellen, ob sich ethnische Identitäten im archäologischen Befund überhaupt konkret manifestieren, etwa in Bestat­tungsgewohnheiten oder Kleidungsstilen, beschäftigt sich die Geschichtswis­senschaft mit dem Problem, wie die Überlieferung auf der einen Seite und

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deren Rezeption im Laufe der Jahrhunderte auf der anderen diese ethnischen Identitäten erst erschuf. Schließlich erwies eine intensive namenkundliche wie sprachgeschichtliche Forschung in Sprachgrenz- und Interferenzgebieten die einseitig ethnische Betrachtung von Sprache ebenfalls als Produkt der nationalen Ideen des 19. Jahrhunderts. Diese Forschungsdiskussion lässt auch die Anfänge Baierns in anderem Licht erscheinen und wirft neue Fragen auf. Ein kritischer Blick auf die Überlieferung in Verbindung mit neu gewonne­nen Einsichten brachte zudem manch ältere ,Gewissheit' ins Wanken, so dass das "Rätsel" keineswegs als gelöst betrachtet werden kann, im Gegenteil: Die Frühgeschichte Baierns ist offener denn je!

Vor diesem Hintergrund war es Ziel der Tagung in Benediktbeuern im März 2010 sowie des hier vorliegenden Bandes die Diskussion zum Thema erneut in Gang zu setzen. Dabei war nicht beabsichtigt, das ältere Modell durch ein neues zu ersetzen - was beim gegenwärtigen Forschungsstand auch gar nicht möglich wäre. Im Vordergrund stand vielmehr die Absicht, die gegenwärti­ge Diskussion zu bilanzieren und unterschiedliche Perspektiven aufzuzeigen. Dies spiegeln die Beiträge des vorliegenden Bandes wider, die nicht nur zahl­reiche neue Denkansätze präsentieren, sondern auch verschiedene, konkur­rierende und zum Teil sich widersprechende Standpunkte vertreten.

Die Entwicklung in den letzten Jahren war einerseits gekennzeichnet durch einen gewaltigen Zuwachs an archäologischen Funden und Befunden in Ver­bindung mit verbesserten Möglichkeiten der Auswertung, etwa hinsichtlich der Feinchronologie, sowie durch den Einsatz naturwissenschaftlicher Verfah­ren. Auch in der Sprachwissenschaft kann heute auf eine wesentlich breitere und methodisch gründlicher bearbeitete Materialbasis zurückgegriffen werden. Andererseits diskutierte man in den einzelnen Disziplinen zum Teil sehr inten­siv über die methodischen Grundlagen der Quelleninterpretation mit der Folge, dass die Aussagekraft der eigenen Quellen heute öfter anders beurteilt wird als noch vor wenigen Jahren. Für die Nachbarwissenschaften entsteht daraus nicht selten das Problem, dass weder die Fülle der Einzelergebnisse noch de­ren methodisches Zustandekommen zu überblicken sind. Dies hat gravierende Konsequenzen für die interdisziplinäre Zusammenarbeit. In manchen Fällen führt die mangelnde Transparenz des Forschungsgangs dazu, dass Ergebnisse der Nachbarwissenschaften ohne das nötige Problembewusstsein übernommen werden, in anderen, dass den Nachbarfächern eine übergroße Skepsis entge­gengebracht wird, im Extremfall bis hin zu deren vollständiger Ausblendung.

Angesichts dieser Entwicklung scheint es dringend notwendig, sich im in­terdisziplinären Gespräch nicht nur über Ergebnisse auszutauschen, sondern auch über deren Zustandekommen und methodische Grundlagen. Denn für sich genommen erlaubt das spezifIsche Quellenmaterial der einzelnen Diszi­plinen jeweils nur einen bestimmten Blick auf die Frühgeschichte. Daher ist keine Disziplin in der Lage, allein anhand ihres Überlieferungsausschnitts ein

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historisch umfassendes Bild zu entwerfen. Nur in einem aktiven interdiszi­plinären Gespräch, das auch methodische Aspekte einschließt, ist es möglich, einerseits das Potential, andererseits aber auch die Fallstricke des interdiszi­plinären Ansatzes zu erkennen.

Wie bereits angedeutet, schien in der Vergangenheit die Kategorie des Eth­nos geeignet zu sein, die Beiträge der verschiedenen Disziplinen zu integrieren. Gewissermaßen bildete die Frage, wie die Baiern als Volk entstanden, einen gemeinsamen ,Fluchtpunkt' für alle Fächer. Dieser Ansatz ist jedoch durch die Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte zur Struktur ethnischer Gemeinschaften im Frühmittelalter fragwürdig geworden. Zudem trat durch die Fokussierung auf das Ethnos eine andere Kategorie in den Hintergrund, die aus heutiger Sicht deutlich besser geeignet ist, als gemeinsamer Bezug für die interdisziplinäre Forschung zu dienen: der Raum. Die Quellen aller an der Erforschung der bairischen Früh­geschichte beteiligten Disziplinen weisen einen deutlichen Raumbezug auf: Das archäologische Material ist in der Regel exakt im Raum verortet; gleiches gilt für die Skelettfunde, mit denen sich die Anthropologie auseinandersetzt. Topo­nyme sind naturgemäß raumbezogen und die schriftlichen Quellen beziehen sich vielfach auf konkrete Orte und Regionen. Es ist daher kein Zufall, wenn im Unterschied zur Landesausstellung von 1988 das Kolloquium in Benediktbeuern den Titel trug "Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria". In diesem Sinne steht auch im vorliegenden Band der historisch bairische Raum im Mittelpunkt der Betrachtung, mit seinen Anfängen im bayerisch-oberöster­reichischen Voralpenland zwischen Iller bzw. Lech im Westen und der Enns im Osten sowie seiner jüngeren Ausdehnung in den Alpenraum.

In der Geschichtswissenschaft hat in jüngster Zeit der so genannte spatial turn das Potential der räumlichen Betrachtung nachdrücklich wieder ins Be­wusstsein gerückt. Der Raum in seinen verschiedenen Ausprägungen ist daher mehr als nur ein gemeinsamer Bezugspunkt aller beteiligten Disziplinen: Er bietet allgemein im naturräumlich-geographischen Sinn die Voraussetzungen für Besiedlung, wirtschaftliche . und verkehrstechnische Möglichkeiten, für strategische und politische Bedeutung - und liefert somit wesentliche Infor­mationen für das Verständnis historischer Entwicklungen. Ein Raum wie das frühe Baiern stellt sich zudem schon zu Beginn der Betrachtung in der Spätan­tike als ein seit langem vom Menschen gestalteter Kulturraum dar mit admi­nistrativen und herrschaftspolitischen Strukturen, die sich etwa in den Namen der römischen Provinzen spiegeln. Inwieweit diese Strukturen die Grundlage der frühmittelalterlichen Baiovaria bildeten, ist zu diskutieren. Letztlich sind fast alle Quellen zur Frühgeschichte ohne Berücksichtigung ihrer Lage bzw. ihres Ortsbezugs nicht zu interpretieren. Das gilt nicht zuletzt für die Namen­landschaft, die in ihrer räumlichen Manifestation zusätzliche Aussagekraft erhält. Der Raum wird damit selbst zur Quelle und es ist zu prüfen, welche Geschichtsbilder auf dieser Grundlage plausibel entworfen werden können.

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Zur visuellen Unterstützung dieses methodischen Ansatzes ist der vor­liegende Band mit verschiedenen thematischen Karten ausgestattet, die die Vorstellung räumlicher Konstellationen und damit auch das Verständnis für daraus resultierende Entwicklungen erleichtern sollen. Dass dabei historische Inhalte manchmal genauer fIXiert werden müssen, als es der Diskussionsstand eigentlich zulässt, ist im Einzelnen zu berücksichtigen.

Die Beiträge des vorliegenden Bandes lassen sich in zwei Gruppen zusam­menfassen: Zum einen handelt es sich um Aufsätze, die Fragen behandeln, die sich zeitlich und räumlich gesehen unmittelbar auf das frühe Baiern be­ziehen, zum Zweiten um Beiträge, die anhand von Beispielen aus anderen Kontexten im Vergleich Probleme der bairischen Frühzeit beleuchten.

Am Anfang steht der Beitrag von Michaela Konrad, der die unterschiedli­che Entwicklung der beiden Provinzen Raetien und Noricum seit der frühen Kaiserzeit skizziert. Während Noricum früh unter römischen Einfluss gelangte und eine durchgreifende Urbanisierung erfuhr, blieb Raetien eine vom Militär dominierte Provinz mit deutlich weniger ,romanisierten' Lebensbedingungen - Voraussetzungen, deren Auswirkungen auf die weitere Entwicklung bisher nicht diskutiert wurden.

Roland Steinacher fasst den aktuellen Diskussionsstand zur Identitätsbil­dung frühmittelalterlicher Gemeinschaften zusammen und arbeitet dabei her­aus, dass frühgeschichtliche Identitäten ein äußerst komplexes, häufIg situativ konstruiertes Phänomen sind. Damit haben sie kaum noch etwas mit dem Modell des kulturell und sprachlich homogenen Volkes gemein, das erst in der Neuzeit entstand.

Jochen Haberstroh setzt sich kritisch mit dem Konzept einer archäologisch defmierten Gruppe Friedenhain-Preslovice auseinander und entzieht damit dem bislang vorherrschenden Modell der Einwanderung eines baiovarischen Traditionskerns aus archäologischer Perspektive die Grundlage. Gleichzeitig zeigt er Wege auf für eine systematische Bearbeitung der plastisch dekorierten Feinkeramik der Völkerwanderungszeit, die ungeachtet der zahlreichen Stel­lungnahmen zum Thema Friedenhain-Prdlovice noch immer aussteht.

Ludwig Rübekeil gelingt es, den Baiern-Namen für neue Denkmodelle zu öffnen, indem er ihn aus einer isolierten etymologischen Einzeldeutung her­ausholt und im Kontext sämtlicher -varii-Namen analysiert. Diese typologische Betrachtung verdeutlicht, dass -varii-Namen keine ethnische, sondern eine mili­tärische Grundlage besitzen, und dass ihr Raumbezug keine Herkunft beinhaltet. Im Namen der Baiern manifestiert sich somit das Fehlen ethnischer Kontinuität, womit auch aus sprachlicher Sicht die Identitätsbildung ,vor Ort' belegt wird.

Die aufgrund ihrer späten Überlieferung problematische bairische ,Stam­message' behandelt Alheydis Plassmann. Sie betont zum einen, dass die Nicht­überlieferung einer frühen Herkunftserzählung der Baiern weder im positiven

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noch im negativen Sinn zu einem Forschungsargument gemacht werden darf, zum anderen, dass die hochmittelalterliche Erzählung zwar möglicherweise auf älteres Material zurückgriff, dass eine Kontextualisierung im 12. Jahr­hundert aber ebenso zu begründen ist, weshalb die Sage keinesfalls für die bairische Frühzeit verwendet werden kann.

Den jüngsten Diskussionsanstoß von Carl 1. Hammer (HAMMER, From Ducatus to Regnum, 2007, 49) aufgreifend, der pointiert darauf verwies, dass sich die Zugehörigkeit der ältesten Herzöge zu den Agilolfmgem nicht belegen ließe, während umgekehrt die ältesten bekannten Agilolfmger keine bairischen Her­zöge waren, problematisiert Britta Kägler das Axiom, dass die Herzöge Baiems bereits seit der Mitte des 6. Jahrhunderts immer Agilolfmger gewesen seien.

Die beiden folgenden Beiträge befassen sich mit der frühen Namenland­schaft. Mit den Walchensiedlungsnamen behandelt Christa Jochum-Godglück eine Gruppe von Toponymen, die in der älteren Forschung als Belege für "Rest­romanenturn" angesehen wurden. Gebildet mit dem germanischen Ethnonym *walh-oz- (in Glossen mit Romanus gleichgesetzt) sind sie ein Phänomen bi­lingualer Sprachgrenzzonen, weisen daneben aber häufIg eine Lage auf, die an eine Entstehung im Rahmen fIskalischer Raumorganisation denken lässt. Mit diesem Ergebnis eines kontextabhängigen Auftretens wird die Aussage der Walchennamen für die Bevölkerungsverhältnisse deutlich relativiert.

Andreas Schorr wendet sich mit dem Gebiet an Iller, Donau und Lech dem westlichen Rand der Baiovaria zu und fragt danach, ob sich in diesem bairisch­alemannischen Überschneidungsgebiet SpezifIka des frühen Bairischen oder Alemannischen im Namengut fmden lassen; er diskutiert aber insbesondere auch für weiter zurückliegende Epochen anhänd verschiedener Ortsnamenkategorien Stand und Tendenzen der etymologischen Diskussion und lotet die Konsequen­zen für das interdisziplinäre Gespräch aus, indem er deren jeweilige Aussagen für kommunikative Reichweite und Kontinuitätsfragen problematisiert.

Der Beitrag von Brigitte Haas-Gebhard zum Gräberfeld von Unterhaching stellt eine der bedeutendsten archäologischen Neuentdeckungen der letzten Jahre zur Frühmittelalterarchäologie in Bayern vor und demonstriert darüber hinaus das breite Spektrum an modemen Untersuchungsmöglichkeiten in der Archäologie. Der Befund zeigt, dass in der Zeit um 500 an verkehrstechnisch und wohl auch administrativ wichtiger Stelle auf der Münchner Schotterebene eine hochrangige Personengruppe ansässig war, die nach Ausweis des Fund­materials auch christlichen Glaubens war.

Im größeren Rahmen wendet sich Arno Rettner den Aussagemöglichkeiten der archäologischen Quellen in Raetien zu. Nach dem Hinweis auf den Pieri­us-Grabstein als wenig bekanntem Zeugnis eines der Hauptprotagonisten des späten 5. Jahrhunderts diskutiert er das Problem archäologisch wahrgenom­mener Zäsuren als Ergebnis methodischer DefIzite. Hinsichtlich des Potenti­als der Gräberfelder legt Rettner neue Argumente für die germanische bzw.

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romanische Deutung bestimmter Merkmale des frühmittelalterlichen Bestat­tungswesens vor. Abschließend betont er aufgrund der frühen christlichen Zeugnisse die Bedeutung Augsburgs.

Dem gegenüber vertritt Hubert Fehr die These, bei dem Modell der Ein­wanderung der Baiovaren bzw. einer weitgehenden Neubesiedlung des Alpen­vorlandes durch germanische Zuwanderer während der Völkerwanderungs­zeit handele es sich um eine Meistererzählung, die aus archäologischer Sicht nicht belegt werden könne. Weder stellten die typischen Reihengräberfelder ein Zeugnis für eine solche Zuwanderung dar, noch könnten Merkmale wie die Beigabe von Waffen und Bügelfibeln als essentiell germanisch gelten.

Barbara Hausmair geht dem Problem des Hiatus nach, den der archäologi­sche Befund in Oberösterreich für die Zeit von der Aufgabe der Provinz Ufer­noricum 488 bis in die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts suggeriert. Sie wirft die Frage auf, ob es sich hier tatsächlich um eine Diskontinuität der Besiedlung handelt - wie in Anlehnung an die Vita Severini häufIg angenommen wurde - oder doch eher um eine Forschungslücke. Strukturelle und teilweise strati­graphische Zusammenhänge der Befunde deuten darauf hin, dass insbeson­dere die zahlreichen beigabenlosen Gräber in den spätrömischen und erneut frühmittelalterlichen Friedhöfen das fehlende Bindeglied sein könnten.

Den archäologischen Quellen der Völkerwanderungszeit in Böhmen sowie dessen Beziehungen zu benachbarten Räumen widmet sich der Aufsatz von Jaroslav Jink. Dabei kann er zeigen, dass sich archäologisch zwar intensive Verbindungen in das heutige Südwestdeutschland sowie in den mittleren Do­nauraum abzeichnen; die archäologischen Belege für unmittelbare Kontakte zwischen Bayern und Böhmen sind dagegen äußerst spärlich und stehen damit im Gegensatz zur traditionellen These einer Zuwanderung aus dieser Region.

Der Beitrag von Eva Kropf lotet ausgehend vom Beispiel des frühmittel­alterlichen Gräberfelds von Enkering Möglichkeiten und Grenzen anthropo­logischer Untersuchungen an frühgeschichtlichem Skelettmaterial aus. Dabei wird deutlich, dass einerseits traditionelle morphometrische Methoden nach wie vor großes Potential besitzen, andererseits aber aktuell die Gefahr besteht, durch die unkritische Anwendung neuer naturwissenschaftlicher Verfahren alte Fehler bei der Interpretation von Messdaten zu wiederholen.

Aus wirtschaftshistorischer Sicht verweist Josef Löffl auf die Verkehrsgunst Baierns mit der Donau als schneller Wasserstraße wie den Zugängen zu verschie­denen Alpenpässen und betont, dass besonders im Rahmen von Schifffahrt und Güterverkehr mit organisatorischen Kontinuitäten zu rechnen ist. Aufgrund einer klimatischen Ungunstphase im 5./6. Jahrhundert wie auch der unsicheren politischen Entwicklung erfolgte in der Landwirtschaft eine Schwerpunktverla­gerung auf die für äußere Bedrohung weniger anfallige Viehwirtschaft.

Stefan Esders wendet sich dem spätrömischen Dukat als militärischer Orga­nisation von Grenzgebieten wie Raetien zu, der als Vorläufer frühmittelalter-

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licher Herzogtümer anzusehen ist. Am Beispiel des libyschen dux Pentapoleos um 500 wie des dux Histriae um 800 illustriert er ihre institutionellen Vor­aussetzungen, nicht zuletzt ihre fmanzielle Ausstattung. Der istrische Dukat bietet zudem ein Beispiel für den bruchlosen Übergang von Ostrom zu den Franken bei gleichzeitiger Änderung der Gegnerkonstellation, wie sie auch für Raetien zu bedenken ist. Um die Voraussetzungen des bairischen Dukats wie anderer merowingischer Herzogtümer zu verstehen, ist die diachrone Be­rücksichtigung langfristig wirksamer Sub strukturen und ihre Untersuchung in lokalen Funktionskontexten erforderlich.

Ausgehend von der Frage, welchen Hintergrund die Gleichsetzung Baierns mit Noricum in früh- bis hochmittelalterlichen Quellen besitzt, entwickelt Irm­traut Heitmeier das Modell einer dualen Genese des bairischen Herzogtums. Auf der Grundlage der spätrömischen Administration, die Raetien zu Italien, Noricum aber zu Illyrien rechnet, wird dem Inn eine übergeordnete raumglie­dernde Funktion zugewiesen, die bereits in ostgotischer und später in mero­wingischer Zeit verschiedene Hoheitsräume trennte. Die Integration von Teilen beider Territorien kann die strukturelle Zweiteilung des späteren Herzogtums wie auch die Besonderheiten der bairischen Herzogsherrschaft erklären.

In der Diskussion um die Qualität der bairischen Herzogswürde als erblicher Prinzip at wurde besonders auf eine Entsprechung in Aquitanien verwiesen. Aus diesem Grund begibt sich Philippe Depreux auf die Suche nach dem princeps in Aquitanien im 7. und 8. Jahrhundert. Dabei wird aufWidersprü­che und chronologische Probleme im Modell der "principautes periqueriques" Karl Ferdinand Werners hingewiesen und durch eine gen aue Analyse der Miracula sancti Martialis aufgezeigt, dass der principatus in Aquitanien ein Konstrukt des zweiten Viertels des 8. Jahrhunderts darstellt, damit deutlich später auftritt als der postulierte Höhepunkt der "principautes periqueriques". Letztlich handelte es sich um einen von den Karolingern im Rückblick den Machtinhabern in Aquitanien zugestandenen Titel, als dieses bereits ein un­tergeordnetes Königtum geworden war.

Mit der Frage: Christen oder Heiden? akzentuieren die beiden folgenden Beiträge noch einmal das Problem der Identität der frühen Baiern. Christian Later geht der Frage nach, wie sich religiöse Bekenntnisse und besonders das Christentum im archäologischen Befund abzeichnen. Dabei befasst er sich nicht nur mit den verschiedenen diesbezüglichen Quellenkategorien, sondern stellt ausgehend von den Steckkreuzen der Aschheimer Therme die These zur Diskussion, dass diese einen Hinweis auf lokal geprägte Varianten des christlichen Bekenntnisses darstellen könnten. So wenig eindeutig der ar­chäologische Befund ist, so problemlos ist er mit der Vorstellung vereinbar, dass in den römischen Provinzen Raetien und Ufernoricum das Christentum als Staatsreligion längst verbreitet war und daher im Grabbrauchtum nicht mehr explizit zum Ausdruck gebracht werden musste.

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Dies ist die These, zu der Roman Deutinger bei einer kritischen Analyse der schriftlichen Quellen gelangt. Er entlarvt die Berichte zur Christianisierung der Baiem erst im 7. und 8. Jahrhundert als Meistererzählung, deren Prämissen zum einen die Vorstellung von individuellen Bekehrungen, zum anderen die Annahme einer bereits vor der Einbindung in christliche Reiche vorhande­nen ethnischen und religiösen (heidnischen) Identität der Baiern sind. Wurde letzteres bereits zurückgewiesen, so ist dies für ersteres nachzuholen, denn in einem längst christianisierten Siedlungsraum und unter der Führung eines christlichen Herzogs konnten die Baiern schon im 6. Jahrhundert keine Heiden mehr gewesen sein. Zu fragen ist allenfalls nach der Art ihres Christentums.

Den Band beschließen vier kleinere Beiträge von Silvia Codreanu-Windauer, Arno Rettner, Wolfgang Janka und Alois Schmid zu Regensburg und seinem Umland. Diese gehen auf einen Runden Tisch während der Tagung in Bene­diktbeuem zurück und erörtern aus archäologischer, historischer und namen­kundlicher Sicht die zuvor behandelten Fragen am konkreten Beispiel der me­tropolis Baioariae. Als Schwerpunkte zeichneten sich Konstanz bzw. Wandel in den Bevölkerungsverhältnissen, die Frage der frühen ,Hauptstadt' Baierns sowie, damit einhergehend, die nach der Transformation des römischen terri­torium legionis zu einer Herrschaftsgrundlage der agilolfmgischen Herzöge ab. Die Kurzbeiträge sind als Material für die weitere Diskussion gedacht.

Zuletzt sei noch ein Wort zur Graphie des Baiem-Namens verloren: Der hier behandelte Raum der bairischen Frühzeit reicht über die Grenzen des heu­tigen Freistaats vor allem im Osten und Süden deutlich hinaus, während er im Norden an der Donau endete. Um dies auch graphisch zum Ausdruck zu bringen, wird dafür die Schreibung Baiern mit <ai> verwendet. Dies korre­liert mit der in der Sprachwissenschaft üblichen Schreibweise für die bairische Sprache, deren Ausbreitung in ihren mittel- und südbairischen Dialektgebie­ten in etwa dem Baiem der Frühzeit entspricht. In den frühmittelalterlichen Quellen erscheint der Raumname am häufigsten als BaioariajBaiovaria und der seiner Bewohner in der Form Baiovarii. Die heute populäre Graphie Baju­waren hat ihren Ursprung hingegen im 19. Jahrhundert und beruht auf einem Missverständnis der Schreibung Baiuuarii, in der <uu> für w (nicht für uw) steht (Rübekeil). Wenn Ernst von Schwind seine Edition des bairischen Ge­setzbuches mit Lex Baiwariorum betitelte, ist er diesem Fehler gerade nicht erlegen, weshalb seinem Titel im Band der Vorzug gegeben wird gegenüber dem üblichen Lex Baiuvariorum. Insgesamt erschien es auch in Hinsicht auf den Namen wünschenswert, eine problematische Auffassung des 19. Jahrhun­derts zu korrigieren und den frühen Baiem wie ihrem Raum den Namen in der überlieferten Form zurückzugeben: Baiovarii und Baiovaria.

(for english translation see p. 665-672)

DER TERRITORIALE RAHMEN_21 I DIE VERHÄLTNISSE IN DER ZEIT VOR DEM ALPENFELD­

ZUG_23 I FRÜHE KONTAKTE MIT ROM UND IHRE FOLGEN FÜR DIE PROVINZGESCHICHTE

IN NORICUM UND RAETIEN_27 I DER ALPENFELDZUG UND SEINE FOLGEN_30 I SIED­

LUNGSSTRUKTIJR_33 I Al ZENTRALORTE_33 I Bl DAS LÄNDLICHE SIEDELWESEN_37 I SOZIALSTRUKTIJR UND LOKALE IDENTITÄT_ 40 I MILITARISIERUNG UND BEFESTIGUNG DER

GRENZEN33 I DIE SPÄTANTIKE: EIN AUSBLICK36 I NACHTRAG_53