F. Felten, S. Hiller, C. Reinholdt, W. Gauß, R. Smetana, Ägina-Kolonna 2003. Vorbericht über die...

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Florens FELTEN – Stefan HILLER – Claus REINHOLDT – Walter GAUSS Rudolfine SMETANA ÄGINA-KOLONNA 2003 V ORBERICHT ÜBER DIE GRABUNGEN DES INSTITUTS FÜR KLASSISCHE ARCHÄOLOGIE DER UNIVERSITÄT SALZBURG Einleitung Die Arbeiten der Kampagne 2003 auf Kap Kolonna betrafen die Fortsetzung der im Jahr zuvor begonnenen Freilegung des Baukomplexes an der Westspitze des Hügels (‘Attaleion’), weitere Untersuchungen im Abschnitt ‘Südhügel’ sowie Restaurierungsarbeiten in der prähistorischen Innenstadt 1 . Parallel zu den Grabungen wurde zum Zweck einer topographischen Erfassung möglicher baulicher Strukturen unterhalb des Südhangs der Akropolis und südlich des Bereichs ‘Archaische Häuser’ auf einer Fläche von 390 m² eine ausgedehnte Bodenmessung mit Hilfe von Ground Penetrating Radar (GPR) durchgeführt 2 . 1. Westkomplex (vormals ‘Attaleion’) Bereits durch die Arbeiten des Jahres 2002 konnte für den ausgedehnten mehrräumigen Bau eine lange Nutzungsgeschichte mit einer spätarchaischen Errichtungsphase, einer klassischen Repa- ratur sowie einer durchgreifenden hellenistischen Umgestaltung nachgewiesen werden. Für die archaisch-klassische Zeit geben die Kleinfunde dabei deutlich eine sakrale Nutzung der Anlage zu erkennen. Für die hellenistische Phase fehlen dagegen bislang entsprechende Hinweise, doch dürfte mit einer analogen Funktion zu rechnen sein. Auf jeden Fall aber kann aufgrund der bis- herigen Erkenntnisse die alte, von G. Welter vorgenommene Identifizierung des Komplexes mit dem inschriftlich überlieferten ‘Attaleion’ von Ägina nicht mehr aufrechterhalten werden, so daß von dieser Benennung in Zukunft Abstand genommen wird. Zur Erfassung der Anlage hinsichtlich ihrer möglichen vollständigen Ausdehnung wurde die Grabungsfläche nach Norden und Süden erweitert, für die Bestimmung ihrer möglichen Phasen- sequenz darüber hinaus im Abschnitt ‘Kernbau’ eine ausgedehnte Sondage angelegt. Hierdurch sollten Aufschlüsse über die Schichtenabfolge und damit die Bau- und Nutzungsgeschichte der zentralen Architektureinheit erlangt werden (Abb. 1). 1 Vgl. Grabungsbericht F. Felten u. a., Ägina-Kolonna 2002, ÖJh 72, 2003, 41 ff.; ferner J. Whitley, Archaeological Report 2002/03, 13 ff. 2 Gesamtleitung der Arbeiten: F. Felten, St. Hiller; Grabungsleitung Westkomplex, vormals ‘Attaleion’: C. Reinholdt; Südhügel: W. Gauß, R. Smetana; GPR: A. Stamos; Photographie und Layout: M. Del-Negro, W. Gauß, R. Smeta- na; Fundverwaltung und Koordination: V. Felten; Mitarbeiter/-innen: L. Berger, V. Dimitriou, G. Klebinder-Gauß, D. Knauseder, F. Lang, K. Pruckner, M. Schwembacher, J. Struber, B. Wille, E. Wacha; Fundrestaurierung: B. Schneider, T. Tzekou, E. Lekka; Finanzierung: Paris-Lodron-Universität Salzburg, Fonds zur Förderung der wis- senschaftlichen Forschung, Institute of Aegean Prehistory (INSTAP), KR A. Feistl (Wien), Dr. G. Schuhfried (Mödling). Die Verf. danken Dr. G. Steinhauer und Dr. E. Papastavrou, 2. Ephorie für Prähistorische und Klassische Altertümer (Athen), für freundliche Unterstützung.

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Florens FELTEN – Stefan HILLER – Claus REINHOLDT – Walter GAUSS – Rudolfine SMETANA

ÄGINA-KOLONNA 2003VORBERICHT ÜBER DIE GRABUNGEN DES INSTITUTS FÜR KLASSISCHE

ARCHÄOLOGIE DER UNIVERSITÄT SALZBURG

Einleitung

Die Arbeiten der Kampagne 2003 auf Kap Kolonna betrafen die Fortsetzung der im Jahr zuvor begonnenen Freilegung des Baukomplexes an der Westspitze des Hügels (‘Attaleion’), weitere Untersuchungen im Abschnitt ‘Südhügel’ sowie Restaurierungsarbeiten in der prähistorischen Innenstadt1. Parallel zu den Grabungen wurde zum Zweck einer topographischen Erfassung möglicher baulicher Strukturen unterhalb des Südhangs der Akropolis und südlich des Bereichs ‘Archaische Häuser’ auf einer Fläche von 390 m² eine ausgedehnte Bodenmessung mit Hilfe von Ground Penetrating Radar (GPR) durchgeführt2.

1. Westkomplex (vormals ‘Attaleion’)

Bereits durch die Arbeiten des Jahres 2002 konnte für den ausgedehnten mehrräumigen Bau eine lange Nutzungsgeschichte mit einer spätarchaischen Errichtungsphase, einer klassischen Repa-ratur sowie einer durchgreifenden hellenistischen Umgestaltung nachgewiesen werden. Für die archaisch-klassische Zeit geben die Kleinfunde dabei deutlich eine sakrale Nutzung der Anlage zu erkennen. Für die hellenistische Phase fehlen dagegen bislang entsprechende Hinweise, doch dürfte mit einer analogen Funktion zu rechnen sein. Auf jeden Fall aber kann aufgrund der bis-herigen Erkenntnisse die alte, von G. Welter vorgenommene Identifizierung des Komplexes mit dem inschriftlich überlieferten ‘Attaleion’ von Ägina nicht mehr aufrechterhalten werden, so daß von dieser Benennung in Zukunft Abstand genommen wird.

Zur Erfassung der Anlage hinsichtlich ihrer möglichen vollständigen Ausdehnung wurde die Grabungsfläche nach Norden und Süden erweitert, für die Bestimmung ihrer möglichen Phasen-sequenz darüber hinaus im Abschnitt ‘Kernbau’ eine ausgedehnte Sondage angelegt. Hierdurch sollten Aufschlüsse über die Schichtenabfolge und damit die Bau- und Nutzungsgeschichte der zentralen Architektureinheit erlangt werden (Abb. 1).

1 Vgl. Grabungsbericht F. Felten u. a., Ägina-Kolonna 2002, ÖJh 72, 2003, 41 ff.; ferner J. Whitley, Archaeological Report 2002/03, 13 ff.

2 Gesamtleitung der Arbeiten: F. Felten, St. Hiller; Grabungsleitung Westkomplex, vormals ‘Attaleion’: C. Reinholdt; Südhügel: W. Gauß, R. Smetana; GPR: A. Stamos; Photographie und Layout: M. Del-Negro, W. Gauß, R. Smeta-na; Fundverwaltung und Koordination: V. Felten; Mitarbeiter/-innen: L. Berger, V. Dimitriou, G. Klebinder-Gauß, D. Knauseder, F. Lang, K. Pruckner, M. Schwembacher, J. Struber, B. Wille, E. Wacha; Fundrestaurierung: B. Schneider, T. Tzekou, E. Lekka; Finanzierung: Paris-Lodron-Universität Salzburg, Fonds zur Förderung der wis-senschaftlichen Forschung, Institute of Aegean Prehistory (INSTAP), KR A. Feistl (Wien), Dr. G. Schuhfried (Mödling). Die Verf. danken Dr. G. Steinhauer und Dr. E. Papastavrou, 2. Ephorie für Prähistorische und Klassische Altertümer (Athen), für freundliche Unterstützung.

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1 Ägina-Kolonna. Westkomplex. Gesamtplan der Grabungsfläche mit Phasenkennzeichnung

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Norderweiterung

Um die topographische Gesamtsituation und einen möglichen baulichen Anschluß des Westkom-plexes zu klären, wurde das unmittelbar nördlich des Kernbaus befindliche Areal in die Arbeiten einbezogen. Durch die Abbruchkanten der äußersten westlichen Kapformation ist hier ein kleiner dreieckiger, westseitig abfallender Geländerest verblieben, der auf einer Fläche von annähernd 50 m² untersucht werden konnte. An mehreren Stellen wurden dabei Eingriffe seitens älterer Grabungen festgestellt.

Ziegelkanal

Die Untersuchungsfläche nördlich des Kernbaus wird von einem 0.40 m breiten, stein- und mörtelgemauerten Kanal in zwei Abschnitte geteilt (Abb. 2). Das nach Norden abfallende Ge-rinne durchbricht in Gestalt einer U-förmigen Bettung die Nordmauer der Kernbaus und schwenkt im Verlauf der auf 6 m erhaltenen Führung bogenförmig nach Nordwesten ab. Als Kanalsohle sind 0.85 m lange Flachziegel mit wellenförmigem Fingerstrichmuster verlegt. Mit der an einer Stelle auf einer Länge von 0.70 m erhaltenen Abdeckung beträgt die Tiefe des Kanals 0.60 m. Sein ursprünglicher Verlauf nach Süden und eine mögliche Abzweigung nach Westen sind an weiteren Einbettungen in der Südwand, der Westwand sowie der Westkammer des Kernbaus abzulesen.

2 Westkomplex. Norderweiterung. Hellenistischer Schwellenbau mit spätantikem Kanal. Ansicht von Norden

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Schwellenbau

Östlich des Kanals wurden die Reste eines mit 5.35 und 5.25 m Seitenlänge annä-hernd quadratischen Baus mit Nordwest-Südost-Aus-richtung freigelegt (im Fol-genden: Schwellenbau), dessen 0.60 m starken Wän-de ausschließlich aus Spoli-en sowie speziell hergerich-teten älteren Werksteinen aufgemauert sind (Abb. 2). In seiner Südwand befindet sich eine 1.0 m breite, von quadratischen Pfeilerposta-menten gerahmte und mit einem Schwellstein ausge-legte Türöffnung (Abb. 3). Ein bereits von der Altgra-bung abgelegtes Pfeilerkapi-tell gehört möglicherweise zur rahmenden Eingangsar-chitektur. Freigelegt wurden ferner die Nordostecke des Baus (erh. H 1.0 m) mit den Anschlüssen der Ostwand (erh. L 2.0 m) und der Nord-wand (erh. L 1.60 m). Der weitere Verlauf der Nord-wand wurde über eine Län-ge von 2.50 m nur mit einer einreihig verlegten, klein-steinigen Sockelschar er-faßt. Der Bauverband der

Nordostecke besteht aus einer großsteinigen Spolienmauerung mit unregelmäßigen Sprüngen in den Lagerfugen und teils groben Auszwickungen. Zu den hier verwendeten Spolien zählen ein gesattelter Mauerabdeckstein sowie ein oberseitig abgearbeiteter omphalosförmiger Verschluß-deckel mit Hebebossen (Abb. 1). Auch in der Südwestecke befindet sich eine großformatige, mit Faszien ausgestattete Spolie verbaut. Die auf eine Länge von 1.20 m erhaltene Westwand wird durch den angeführten Ziegelkanal durchschlagen und ist komplett ausgerissen. Hier wurde durch den Verlauf des Gerinnes auch eine 1.20 m starke, quadratische Brunnenmündung aus Poros abgeschlagen, die von der Westwand des Schwellenbaus überlagert wird. Die Mündung ent-spricht in ihrer Ausrichtung exakt dem Verlauf der Nordwand des Kernbaus und dürfte in dessen ursprüngliche Nutzungszeit gehören. Im Inneren des Schwellenbaus mit einer Gesamtfläche von 17 m² ist in der südlichen Hälfte der Boden mit einem festen weißgrauen Lehmestrich noch gut erhalten, im Norden dagegen komplett ausgerissen, was mit den Demontagearbeiten an der Nordwand in Zusammenhang stehen dürfte. Zu weiteren späteren Eingriffen in die Bausubstanz der Anlage gehört neben dem Ziegelkanal auch ein an der Innenseite der Südwand um 0.80 m eingetiefter Bothros (Dm 1.20 m), der größere Mengen an byzantinischer Gebrauchskeramik enthielt (Abb. 2. 4).

3 Schwellenbau. Türöffnung und Pflasterung. Ansicht von Osten

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Zu den Funden im Schwel-lenbau zählen ein gut erhalte-ner hocharchaischer Sattelka-lypter aus dem Bereich der Brunnenmündung (Abb. 5, 1)3, hellenistische Reliefkeramik (Abb. 5, 2), die nach Motivaus-wahl und -zusammensetzung z. T. aus kleinasiatischen Ateliers zu stammen scheint4, sowie der Henkel einer rhodischen Am-phora mit einem Rosenstempel und den Resten des Fabrikan-tennamens (Abb. 5, 3), bei dem es sich um Hellanikos handeln dürfte und der in das letzte Viertel des 3. Jahrhunderts v. Chr. zu datieren ist5. Hervorzu-heben sind Fragmente zweier bemalter Tonreliefs, von denen das eine die fast vollständig erhal-tene Darstellung zweier füllhorntragender Gottheiten in einem Naiskos (Abb. 5, 4) zeigt. Auf-

3 Fragmente seriengleicher Stücke bei K. Hoffelner, Das Apollon-Heiligtum, Alt-Ägina I 3 (1999) 61 Abb. 54. 55 Taf. 44, 1–4.

4 A. Laumonier, La céramique hellénistique à reliefs. 1. Ateliers ioniens, Delos XXXI (1977) passim. Zu dem Vor-kommen ephesischer Reliefkeramik in Ägina s. I. Margreiter, Die Kleinfunde aus dem Apollon-Heiligtum, Alt-Ägina II 3 (1988) 46 und Ch. Rogl, Eine Vorschau zu den reliefverzierten Trinkbechern der ephesischen Mono-gramm-Werkstätte, in: F. Krinzinger (Hrsg.), Studien zur hellenistischen Keramik in Ephesos, 2. ErghÖJh (2001) 103 mit Anm. 28.

5 Vgl. Ch. Börker – J. Burow, Die hellenistischen Amphorenstempel aus Pergamon, PF 11 (1998) 88 Nr. 191 f.; G. Jöhrens, Amphorenstempel im Nationalmuseum von Athen (1999) 42 Nr. 100 mit Lit.

4 Byzantinische Keramik aus dem Bothros AT 92 an der Südwand des Schwellenbaus. Auswahl

5 Fundauswahl Schwellenbau. Hocharchaischer Sattelkalypter (1). Hellenistische Reliefkeramik (2). Amphoren-henkel mit rhodischem Rosenstempel (3). Tonrelief mit Götterpaar im Naiskos (4)

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grund fehlender unmittelbarer Motivparallelen ist ihre Benennung schwierig, auch wenn generell die Darstellung ‘Gottheit im Naiskos’ mit Fruchtbarkeitsgöttinnen, vor allem mit Kybele, ver-bunden werden kann6. Diese ist hier aber aufgrund der unpassenden Attribute – Füllhorn statt Löwe und Kymbalon – sicher nicht gemeint7. In Kleinasien, Syrien, Ägypten und Nordafrika tritt die wesensmäßig der Kybele stark angeglichene Aphrodite im Naiskos auf8, für die – entge-gen der Darstellung auf dem äginetischen Relief – ein füllhorntragender männlicher Begleiter allerdings nicht belegt ist. Die wegen des geographischen Umkreises am nächsten liegende Deu-tung auf Hades/Pluto und Kore ist ebenfalls problematisch, da das Füllhorn für Kore zwar kein unbekanntes, jedoch keineswegs geläufiges Attribut darstellt9. Hinzu kommt, daß die weibliche Gottheit mit unbekleidetem Oberkörper abgebildet zu sein scheint – in diesem Punkt erlaubt die verriebene Oberfläche allerdings keine eindeutige Aussage –, was für Aphrodite, nicht aber für Kore angemessen wäre. In noch stärkerem Maß gilt dies für Demeter, die ebenfalls gelegentlich im Naiskos auftritt10. Damit ist eine Eingliederung des Paares in den eleusinischen Kreis unwahr-scheinlich. Eine Identifizierung als Isis-Sarapis liegt in Hinblick auf die Attribute Füllhorn und Schale, die geläufige Angleichung Isis-Aphrodite sowie das Auftreten von Isis-Aphrodite in ei-nem Naiskos zunächst nahe11, doch fehlen die üblichen Attribute – Kalathos sowie Isistracht und Krone. Am ehesten dürfte das dargestellte Paar mit Agathodaimon und Agathe Tyche gleichzu-setzen sein, welche häufig mit Füllhorn und Schale auftreten und darüber hinaus durch eine Angleichung an Hades/Pluto-Isis charakterisiert sind12. Die spezifische Darstellungsform ist im griechischen Osten und in Ägypten zu Hause, auf dem Festland dagegen nur sporadisch belegt13. Der Fund auf Ägina läßt sich wohl mit der neuen Führungsrolle Pergamons auf der Insel erklä-ren; eine Datierung der Reliefs in das 2. Jahrhundert v. Chr. wird auch durch die vergesellschaf-tete Reliefkeramik (Abb. 5, 2) unterstützt.

6 F. Naumann, Die Ikonographie der Kybele, 28. Beih. IstMitt (1983) 110 f. und M. Weber, Baldachine und Sta-tuenschreine (1990) 61 f.

7 Vgl. Reliefs mit Kybele im Naiskos wie Paris, Louvre MYR 690 und MYR 195ter: Mollard-Besques II (1963) Taf. 177a. b; E. Töpperwein-Hoffmann in: K. Nohlen – W. Radt, Kapıkaya. Ein Felsheiligtum bei Pergamon,AvP XII (1987) 80 mit weiteren Beispielen.

8 Vgl. etwa Paris, Louvre CA 1832: Mollard-Besques III 1 (1972) Taf. 114d Nr. E/D 528; Tarsus, Mus. 35–1248 und 35–1348: H. Goldman, Excavations at Gözlü Kule, Tarsus I (1950) 309 f. Nr. 13; Damaskus, Mus. 3151: M.-O. Jentel in: LIMC II 1 (1984) 156 s. v. Aphrodite (in per. or.) Nr. 31; Alexandria, Mus. 5125–26: E. Breccia, Terra-cotte figurate greche e greco-egizie del Museo di Alessandria II (1934) Taf. 5, 13. 14; s. dazu auch Jentel a. O.; Budapest, Museum der Schönen Künste T 502.1,2: L. Török, Hellenistic and Roman terracottas from Egypt (1995) 28 Nr. 4 Taf. 5; Paris, Louvre CA 2622 f.: Mollard-Besques IV 2 (1992) Taf. 93 Nr. E 426 f.; ein vereinzeltes Beispiel stammt aus Süditalien: Paris, Louvre S 1832: Mollard-Besques IV 1 (1986) Taf. 3e Nr. D/E 3345.

9 K. Bemmann, Füllhörner in klassischer und hellenistischer Zeit (1994) 60. 76. 10 Vgl. London, British Museum 1868.7-5.75: L. Burn – R. Higgins, Greek Terracottas in the British Museum III

(2001) 234 Nr. 2744 Taf. 121. 11 Vgl. Tran Tam Tinh in: LIMC V 1 (1990) 761 f. s. v. Isis und G. Clerc – J. Leclant in: LIMC VII 1 (1994) 666 f.

s. v. Sarapis; Isis-Aphrodite im ägyptischen Umfeld im Naiskos: Alexandria, Mus. 23169: Breccia (Anm. 8)Taf. 2, 3 und Jentel (Anm. 8) Taf. 162, 82.

12 s. Bemmann (Anm. 9) 75 f. mit Lit. und F. Dunand in: LIMC I 1 (1981) 277 ff. s. v. Agathodaimon.; zuletzt zu Agathe Tyche: I. Leventi, Παρατηρήσεις στα αττικά αναθηματικά ανάγλυφα, in: O. Palagia – St. V. Tracy (Hrsg.), The Macedonians in Athens 322–229 B.C. Proceedings of an International Conference held at the University of Athens, 2001 (2003) 128 f. Letztlich bleibt auch hier dieselbe Unsicherheit wie etwa bei dem Relief London, British Museum 2163, s. zuletzt Bemmann (Anm. 9) 78 f. und 233 f. B36 mit Lit., das wohl die nächste Parallele bietet, auch wenn hier die Göttin mit Chiton und Mantel bekleidet ist. Hingewiesen werden sollte auch auf die füllhorntragende Göttin auf einem Marmorrelief von Ägina-Kolonna, das diese gemeinsam mit Apollon zeigt; s. zuletzt F. Felten, Neues zu Apollon und Demeter in Aigina, in: B. Asamer – W. Wohlmayr (Hrsg.), Akten des9. Österreichischen Archäologentages 2001 (2003) 41 Taf. 11 Abb. 38.

13 Paris, Louvre MNC 686: Mollard-Besques I (1954) Taf. 66, C 65 (Boiotien) und A. Banaka-Dimaki, Cult places in Argos, in: R. Hägg (Hrsg.), Peloponnesian sanctuaries and cults (2002) 111 Abb. 5 (Argos).

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Pflasterung

Die Tür in der Südwand des Schwellenbaus führt auf ein gepflastertes Laufniveau (Abb. 3), wel-ches aufgrund starker späterer Überbauung nur auf einer Fläche von 6.3 m² untersucht werden konnte. Das direkt an die Südwand anschließende Werkmaterial des Belags besteht überwiegend aus orthogonal verlegten, großformatigen Spolien (Geisonblöcke), während im südlichen und westlichen Anschluß vermehrt gröbere, unregelmäßige und von kleineren Auszwickungen unter-brochene Platten angeordnet sind. Auf der erfaßten Fläche steigt die Pflasterung um 0.20 m ost-seitig an, nach Süden verläuft sie unter einer Ost-West ausgerichteten, 0.70 m breiten und 4.30 m langen Mauer hindurch, die an ihrem erhaltenen westlichen Ende auf der Nordwand des Kern-baus aufsitzt. Diese aus Hausteinen, Ziegeln und dichten Mörtellagen errichtete Struktur steht in Zusammenhang mit einem byzantinischen Zisterneneinbau über der Südostecke des Schwellen-baus. Die Pflasterung entspricht im verwendeten Werkmaterial, der Ausrichtung des orthogona-len Plattenverbandes sowie im Laufniveau dem im Vorjahr über dem Südbau aufgedeckten Spolienbelag14. Diese technischen Übereinstimmungen mit dem Baubefund im Süden wie auch das keramische Fundmaterial im Schwellenbau geben erste Hinweise für eine Datierung der Struktur in das ausgehende 3./2. Jahrhundert v. Chr. Hierdurch ist eine hellenisti-sche Bebauung auch für den nördlichen Anschluß des Kernbaus und damit für den gesamten Westkomplex nachgewiesen. Der in der Norderweiterung aufge-deckte bauliche Befund ge-hört zu einem architektoni-schen Gesamtensemble, dessen Ausbau im Zusam-menhang mit der hellenisti-schen Neukonzeption des alten Sakralbereichs an der Westspitze von Kap Kolon-na zu sehen ist. Mit dieser Umgestaltung wurden die ursprünglich terrassiert an-gelegten Teilbereiche der spätarchaischen Anlage zu-sammengeschlossen und auf ein einheitliches Nutzungs-niveau gebracht. Die engen baulichen Übereinstimmun-gen des Schwellenbaus mit den sekundären Einbauten im Kernbau (Ost- und Süd-wand, Ost- und Westraum) sowie die unmittelbare räumliche Nähe und damit möglicherweise auch die

14 Vgl. Felten u. a. (Anm. 1) 44 Abb. 4.

6 Norderweiterung. Westlicher Grabungsabschnitt mit geometrischen Gräbern. Ansicht von Westen

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konzeptionelle Verbindung beider Strukturen macht eine in sakralem Zusammenhang stehende Funktion des Schwellenbaus wahrscheinlich. Die in seinem Inneren geborgenen Votivreliefs (Abb. 5, 4), die Fragmente qualitätvollen Trinkgeschirrs (Abb. 5, 2) und nicht zuletzt die Ab-messungen seines Innenraumes mit der leicht aus der Mitte verschobenen Position des Eingangs sprechen für eine Verwendung der kleinen Anlage als ritueller Speiseraum15. Entsprechende Strukturen mit einer Mehrfachreihung kleiner Speiseräume sind im Heiligtum der Demeter und Kore von Korinth belegt16.

Geometrischer Horizont

Westlich des Ziegelkanals hat ein älterer Suchgraben entlang der Nordseite des Kernbaus den unmittelbaren Anschluß im Bereich der Norderweiterung bereits zerstört. In der verbliebenen südlichen Hälfte dieses Grabungsabschnittes wurde ein weißer Kalkestrich freigelegt (+8.49 m), dessen zeitliche und bauliche Einordnung aufgrund der erwähnten älteren Grabungseinwirkungen vorläufig noch nicht möglich ist. Dieser Kalkestrich überdeckte mehrere grobsteinig aufgeführ-te Mauern, eine davon in Verlaufsrichtung Ost-West (OK erh. +8.47 m; UK +8.14 m), mit einer

15 Der Baubefund an der Nordostecke des Schwellenbaus mit der nordseitig vorkragenden Omphalos-Spolie und einem ostseitig anschließenden Mauerzug deutet auf eine mögliche parataktische Koppelung der Anlage mit einer anschließenden weiteren Raumstruktur hin. Ausdehnung und mögliche bauliche Gestaltung der Anlage sollen in der Kampagne 2004 untersucht werden.

16 N. Bookidis – R. S. Stroud, The Sanctuary of Demeter and Kore. Topography and Architecture, Corinth XVIII 3 (1997) Pläne 3 ff.; N. Bookidis – J. Hansen – L. Snyder, Dining in the sanctuary of Demeter and Kore at Corinth, Hesperia 68, 1999, 1 ff.; allgemein zur Speiseraumarchitektur in Heiligtümern M. S. Goldstein, The setting of the ritual meal in Greek sanctuaries, 600–300 B.C. (1982) passim.

17 Das wenige und stark zersetzte, von Kleinkindern stammende Knochenmaterial aus beiden Gräbern zeigte keiner-lei Spuren von Kalzinierung, so daß gleich den bisher auf Kap Kolonna aufgedeckten geometrischen Bestattungen von Körpergräbern auszugehen ist. Der erhaltene Teil der Hydriamündung war mit einem Ziegelfragment verschlos-sen; vgl. N. Stampolidis, Οι ταφικές στην αρχαία Ελεύθερνα, in: ders. (Hrsg.), Καύσεις στην εποχή του χαλκού και την πρώιμη εποχή του σιδήρου (2001) 188 Abb. 6–7; die Tatsache, daß sich an der ursprünglich geflickten Hydria keine Bleiklammern mehr fanden, läßt darauf schließen, daß die Hydria für die Aufnahme des Leichnams nachträglich geöffnet und ohne neue Verklammerung beigesetzt wurde. Zur Öffnung von Gefäßen für die Aufnah-me des Verstorbenen vgl. D. C. Kurtz – J. Boardman, Thanatos. Tod und Jenseits bei den Griechen (1971) 60; zuletzt L. Marangou, Ο ταφικός περίβολος πρωϊμων ιστορικών χρόνων στην Μινώα Αμοργό, in: Stampolidis a. O. 214 f. Was die zeitliche Stellung der Hydria betrifft, so ist eine nähere Einengung aufgrund des spärlichen Ver-gleichsmaterials schwierig, doch scheinen sich enger verwandte Beispiele eher in protogeometrisch-frühgeometri-

7 Norderweiterung. Grabhydria und geometrische Keramik. Auswahl

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Stärke von 0.60 m und einer 0.80 m breiten Türöffnung samt Schwelle (Abb. 6). Nördlich dieser Strukturen ließen sich keine eindeuti-gen Lauf- und Nutzungsflä-chen feststellen. Das Erd-material bestand aus einer homogenen und lockeren Ablagerung. An der Nord-kante der angeführten Mau-er wurden zwei Kindergrä-ber – ein Steinkistengrab sowie eine rund ummauerte Hydrien-Bestattung – frei-gelegt (Abb. 6. 7, 1)17. Beide Gräber waren in ihren obe-

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ren Bereichen zerstört. Das Fundmaterial dieser Straten bestand neben wenig mykenischer Ware ausschließlich aus proto- und frühgeometrischer Keramik (Abb. 7, 2) und läßt diesen Horizont dem 10.–9. Jahrhundert v. Chr. zuweisen.

Unabhängig von weiteren geplanten Untersuchungen in diesem Areal kann bereits jetzt als eines der wichtigsten Ergebnisse festgehalten werden, daß sich die baulichen Aktivitäten der beginnenden Früheisenzeit auf Kap Kolonna offenbar bis in die äußerste Westspitze des Hügels ausgedehnt haben. Auch nach Ausweis der bisher festgestellten Kinderbestattungen ist davon auszugehen, daß das Plateau des Hügels zur Gänze durch eine zusammenhängende Siedlung dieser Zeitstufe belegt gewesen ist.

Kernbau

Um die Bau- und Nutzungsabfolge in der trapezförmigen, mit zwei Räumen an ihrer Nordseite ausgestatteten Einheit zu klären, wurde auf der südlichen Innenfläche eine Sondage angelegt (Abb. 8). Hierbei zeigte sich jedoch, daß der Großteil dieses Areals bereits von den Altgrabungen bis auf den gewachsenen Fels erfaßt worden war. Die Einwirkungen betrafen den Nordteil der Fläche sowie einen breiten Streifen entlang der Innenseite der Westmauer. Gleichzeitig ergab sich, daß es sich bei dem von G. Welter für die Grabungen A. Furtwänglers angeführten Archi-tekturbefund eines »rechteckigen Altars mit Auftrittschemel an der westlichen Langseite«18 um einen sekundär verlagerten Porosquader und den Rest eines kleinsteinig gemauerten Schachtes handelte19. Lediglich in der Südhälfte und der Südostecke des Kernbaus konnte eine ungestörte Stratenabfolge untersucht werden.

scher Zeit (vgl. I. S. Lemos, The protogeometric Aegean [2002] 89; W. Müller – F. Oelmann, Tiryns I [1912] 158 Taf. 15, 12) als in fortgeschrittener geometrischer Zeit zu finden, vgl. E. Diehl, Die Hydria (1964) 51 f.; bei den späten Gefäßen setzt der Henkel in der Regel unter der Mündung an, und die Lippe ist exakter ausgeprägt, vgl. etwa A. Cambitoglou, Archaeological Museum of Andros (1981) 37 Nr. 18 Abb. 17.

18 G. Welter, AA 1954, 46. 19 Die Technik des erhaltenen Mauerstücks entspricht den Schächten im Areal der ‘Priesterhäuser’, vgl. Felten

(Anm. 12) 41 ff. bes. 44 Taf. 11; gleich diesen besitzt auch das Mauerstück im Kernbau nur nordseitig eine geglät-tete Sichtseite, während die Südseite unregelmäßig verläuft. Demnach war die Mauer in die Erde eingetieft.

8 Westkomplex. Kernbau mit Schachtrest. Ansicht von Südosten

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Archaische BodenhorizonteIm Bereich dieser Fläche von 6 m² unterhalb der Schachtmauer wurde der Rest eines Fußbodens aus weißgrauem Kalkestrich freigelegt (Boden 1: +8.57 m), in dessen Unterfüllung sich stark zerscherbte Keramik des späten 6. Jahrhunderts v. Chr. fand. Hierzu zählen Fragmente attischer schwarzfiguriger und spätkorinthischer Keramik sowie ein Dachziegel mit Rosettenstempel (Abb. 9)20. Das Niveau dieses Fußbodens stimmt mit einer U-förmigen Ablaufrinne überein, die in der Quaderschar unter den Orthostaten exakt mittig in der 9.70 m langen Westwand eingear-beitet ist. Von Bedeutung ist auch eine zweite identische Ablaufrinne, die sich im Innenbereich des spoliengemauerten Westraumes befindet. Dies bedeutet, daß es sich bei Ost- und Westraum um sekundäre Einbauten in einen ursprünglich offenen, nach Westen hin entwässerten Hofbereich

handelt.Zu einer früheren Nut-

zungsphase des Hofareals gehört ein tiefer gelegener Kalkestrichboden (Boden2: +8.18 m), der nach We-sten hin abfällt. Zwischen ihm und dem höheren Bo-den befindet sich in der östlichen Hälfte des Hofes ein stufenförmiger Absatz, der möglicherweise von ei-ner nachträglichen Erhö-hung der Lauffläche her-rührt. Der untere Boden liegt in Höhe der Lagerfuge zwischen Fundamentschar und der unter den Orthosta-ten verlaufenden Quaderla-ge der Westwand. Er dürfte daher mit der Westwand in keinem baulichen Zusam-menhang stehen, sondern ihr vielmehr zeitlich voraus-gehen. Mit Boden 2 ist der Belagrest eines nach Westen hin wohl weiträumigeren Hofareals faßbar, welches aber bereits mit den spätar-chaischen Strukturen des Südbaus zusammengesehen werden muß. Durch den se-kundären Einzug der West-wand und der Verlegung von Boden 1 wurde das offene Geviert in seiner Ausdeh-nung reduziert (Abb. 1. 8).

20 Vgl. den Stempel Kolonna E 5: R. C. S. Felsch, Boiotische Ziegelwerkstätten, AM 94, 1979, 12 Abb. 9, 1; 36 f. Nr. E 5; in Tonqualität und -farbe entspricht er völlig den übrigen gestempelten Ziegeln aus Ägina-Kolonna, so daß Überlegungen zur Herkunft aus einer anderen Landschaft überflüssig werden, s. Felsch a. O. 23.

9 Kernbau. Archaische Keramik und Stempelziegel aus der Füllung von Boden 1. Auswahl

10 Kernbau. Geometrische Keramik aus dem untersten Nutzungshorizont. Auswahl

106 Florens FELTEN – Stefan HILLER – Claus REINHOLDT – Walter GAUSS – Rudolfine SMETANA 107ÄGINA-KOLONNA 2003

Bemerkenswert ist, daß sich neben dem archaischen keramischen Material in der Füllung von Boden 2 auch vermehrt spät- und subgeometrische Fragmente fanden.

Geometrischer HorizontMit den folgenden beiden Straten (+7.82 bis +7.47 m) wurde die hellbraune lockere Packung der Unterfütterung von Boden 2 durch eine dichte grünliche Erdschicht abgelöst. Auch die ebenfalls stark zerscherbte Keramik bot nun ein gänzlich anderes Bild. Neben wenigen prähistorischen Scherben, darunter neolithische, mittelhelladische und mykenische Ware, war in der ca. 0.40 m dicken Kulturschicht ausschließlich proto- und frühgeometrische Keramik enthalten (Abb. 10). Zu diesem früheisenzeitlichen Nutzungshorizont des 10.–9. Jahrhunderts v. Chr. zählt eine auf dem gewachsenen Fels verlegte massive Pflasterung (OK +7.47 m) aus mittelgroßen, bis zu0.40 m starken rundlichen Flach-steinen (Abb. 1. 11), die entspre-chenden gepflasterten Rundstruk-turen in Eleutherna, Asine, Naxos, Troia und Milet ähnelt21. In der westlichen Grabungszone formt der Belag eine annähernd kreisrun-de Fläche mit einem Durchmesser von ca. 1.20 m und verläuft an-schließend in Gestalt eines 1 m langen Plattenstreifens nach Osten. Hier ist der Plattenverband gestört und partiell ausgerissen. Mögli-cherweise verbreiterte er sich wie-der in eine weitere rundliche Platt-form. An seinem sichtbaren östli-chen Ende wird der Plattenverband von einer starken Mauer über-deckt, die von Norden nach Süden verläuft. Diese Struktur (OK erh. +8.08 m) ist mit großen und unre-gelmäßigen Rollsteinen errichtet und in ihrem vertikalen Bauver-band leicht rückwärtig abge-schrägt. Es dürfte sich dabei um eine Böschungs- bzw. Terrassie-rungsmauer handeln, deren oberer Teil möglicherweise bei der Ver-legung von Boden 2 gekappt wor-den ist. Die Pflasterung ist durch eine ca. 0.10 m starke Unterfütte-rung vom gewachsenen Felsboden getrennt. Das in der Pflasterfüllung

21 Eleutherna: Stampolidis (Anm. 17) 192 f. Abb. 28. 30; Asine: R. Hägg, Funerary meals in the Geometric Necro-polis at Asine?, in: ders. (Hrsg.), The Greek Renaissance of the Eighth Century B.C. Tradition and Innovation. Proceedings of the Second International Symposium at the Swedish Institute in Athens, 1–5 June, 1981 (1983)189 ff. Abb. 1; Naxos: V. K. Lambrinodakis, Veneration of Ancestors in Geometric Naxos, in: R. Hägg – N. Ma-rinatos – G. C. Nordquist (Hrsg.), Early Greek Cult Practice. Proceedings of the Fifth International Symposium at the Swedish Institute at Athens, 26–29 June, 1986 (1988) 235 ff. Abb. 11–12; Troia und Milet: Hägg a. O. 191 Abb. 2–3.

11 Kernbau. Geometrische Rundpflasterungen auf Fels +7.22 m. Ansicht von Westen

108 Florens FELTEN – Stefan HILLER – Claus REINHOLDT – Walter GAUSS – Rudolfine SMETANA 109ÄGINA-KOLONNA 2003

enthaltene, stark zerscherbte keramische Material bestand aus prähistorischer Keramik (endneo-lithische, früh- und mittelhelladische sowie mykenische Ware) sowie protogeometrischen Frag-menten. Der unregelmäßig in Senkungen und Sprüngen verlaufende Felsboden weist mehrere kreisrunde Vertiefungen mit einem Durchmesser von durchschnittlich 0.20 m auf. In einer von ihnen war der Unterteil eines FH-III-zeitlichen Gefäßes eingepaßt. Daraus wird erstmalig deut-lich, daß sich die frühbronzezeitliche Siedlung von Kolonna trotz des Fehlens eindeutig zuweis-barer Architekturreste bis an die Westspitze des Kaps erstreckt hat. Der in der Hofsondage des Kernbaus freigelegte plattengepflasterte Kulturhorizont entspricht in seiner zeitlichen Stellung des 10.–9. Jahrhunderts v. Chr. dem in der westlichen Hälfte der Norderweiterung angetroffenen Befund und bildet mit diesem möglicherweise einen funktionellen Zusammenhang.

Süderweiterung

Mit der Ausweitung des Untersuchungsareals nach Süden konnten im Verlauf der Kampagne die Ausmaße, der südliche Abschluß sowie die einzelnen baulichen Gestaltungsformen des Südbaus bestimmt werden. Damit ist nach dem gegenwärtigen Stand auch der gesamte Westkomplex in seinen wesentlichen architektonischen Strukturen sowie mit seiner unmittelbar anschließenden südlichen Peripherie zur Gänze erfaßt. Dies ist für die Anlage auch deshalb von besonderer Be-deutung, da bereits in der Grabung des Jahres 2002 mit den spätarchaischen Bauresten, den klassischen Reparaturen sowie der abschließenden hellenistischen Überbauung für den Komplex eine wechselvolle Baugeschichte nachgewiesen werden konnte.

In seinen Strukturen präsentiert sich nun der Südbau, bestehend aus Ost- und Westraum sowie dem südlich angeschlossenen Hof, als unregelmäßig trapezoides und spitzwinkeliges Ge-viert (Abb. 1. 12). Seine 14 m bzw. 7.50 m langen Ost- und Westmauern sind nicht exakt paral-lel aufgeführt; die Südwand schließt in einem spitzen Winkel von annähernd 50° an das südliche Ende der Ostwand an. Daß sich der Südbau ursprünglich weiter nach Westen erstreckte bzw. eine zusätzliche Struktur im Westen angeschlossen war, wird durch die um 1.40 m westseitig vorkra-gende Nordmauer wahrscheinlich gemacht, auch wenn der bereits im Jahr 2002 untersuchte Westannex II durch den Einbau einer spätantiken Zisterne sowie in der Folge durch den Abbruch der Kapformation nicht mehr zur Gänze erhalten ist.

In ihrem Verlauf dagegen vollständig zu bestimmen ist die 14 m lange Ostmauer des Süd-baus. Sie besteht in ihrer unteren Lage aus einer Reihe 0.40 m breiter Orthostaten (OK +8.57 m; UK +7.86 m), die in der südlichen Hälfte an den inneren Sichtseiten sowie der westlichen Auf-lagerkante starke, partiell mit weißgrauem Weichputz ausgebesserte Schadstellen aufweisen. An den südlichen Abschlußorthostaten schließt in spitzem Winkel der schräg abgegehrte, 1.60 m lange Orthostat der Südmauer an. Auf der Orthostatenlage sind in der nördlichen Hälfte der Ostmauer über eine Länge von 7 m kurze Quader verlegt, die mit der Blockschar auf den Orthostaten der Nordwand auflagerseitig abbinden. Diese originale Blocklage weist an ihrer Oberseite starke rinnenförmige Abnutzungserscheinungen auf (Spurrillen?)22. Ab der Mitte der Ostmauer wechselt der Quaderverband auf der gesamten südlichen Hälfte in eine Lage unregel-mäßiger Blöcke mit z. T. starken Sichtsprüngen der Auflager. Dieser obere Verbandswechsel ist trotz Ausriß des Ecksteines über die spitzwinkelige Südecke hinweg zu verfolgen. In der Folge ändert sich die Mauerungstechnik der Südwand bis in die unteren Lagen grundlegend. Die ge-samte Südwand ist aus kleinsteinigem Werkmaterial, in der Regel Hausteine mit geglätteten Sichtseiten, errichtet. Werkmaterial und Mauerungstechnik entsprechen der bereits von der Alt-grabung erfaßten südlichen Partie der Westwand. Am nördlichen Ende der Südmauer befindet sich ein 0.80 m breiter Eingang mit abgestufter Schwelle; zu seiner Rechten ist hofseitig ein flaches, 0.70 m langes Becken verlegt.

22 s. Felten u. a. (Anm. 1) 44 Abb. 3.

108 Florens FELTEN – Stefan HILLER – Claus REINHOLDT – Walter GAUSS – Rudolfine SMETANA 109ÄGINA-KOLONNA 2003

Die bereits in der Kampagne 2002 festgestellte Baunaht, die sich im Bereich Südbau/Hof in einem markanten Wechsel in der Mauerungstechnik zeigt, ließ sich nun auch für den gesamten südlichen Abschluß der Anlage verifizieren. Mit diesen unterschiedlichen Mauerungstechniken manifestieren sich möglicherweise auch verschiedene Nutzungsphasen in der Baugeschichte der Anlage. In die Errichtungszeit des Baus gehören die massiven Orthostatenverbände der Nord- und Ostwand, die beiden inneren Raumkammern sowie die auf den Orthostaten der Nordwand und der nördlichen Hälfte der Ostwand verlegte Quaderschar. Nachträglich eingesetzt bzw. auf-gemauert wurden die Mauerverbände in der südlichen Partie der Ostwand, der Westwand sowie der überwiegende Teil der schräg geführten Südwand.

12 Süderweiterung. Areal Südbau und Hof. An-sicht von Süden

13 Süderweiterung. Ostseite Hof mit Nord- und Süd-kammer. Ansicht von Westen

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Südstraße

In unmittelbarem südlichen Anschluß an die Anlage wurde die Lauffläche eines Weges bzw. einer Straße23 freigelegt (Abb. 12). Der Belag verläuft entlang der Südmauer und biegt an der spitzwinkeligen Südostecke nach Norden um. Er besteht aus einem sehr harten, weißgrauen Kalkestrich und fällt in der Verlaufsführung von Südost nach Nordwest um 0.40 m ab (von+8.87 m an Südostecke bis +8.44 m an westlicher Grabungsgrenze). Entlang der Südmauer ist der Kalkestrich vermutlich aufgrund des Steinraubes an der Wand partiell ausgerissen. Die Ver-laufsrichtung des Weges wird auch durch einen 0.40 m breiten Kanal bestimmt, dessen aus mittelgroßen Steinen gemauerten Wände sich über längere Partien erhalten haben (OK +8.55 m). Seine Sohle (+8.32 m) ist nicht gemauert, sondern besteht aus einem festen grauen Kalkestrich. Hiermit wird möglicherweise das Laufniveau einer älteren Wegführung faßbar, auf welche der Südbau bereits bei der Anlage seines spitzwinkeligen Gevierts Bezug genommen hat24.

Innenkammern

Von besonderer Bedeutung für die Funktion und die verschiedenen Nutzungsphasen des Hof-areals sind zwei kleine kammerförmige Einbauten (im Folgenden: Nordkammer; Südkammer) an der Ostwand (Abb. 13). Die Mauern beider Strukturen sind in Gestalt stumpfwinkeliger Haken geführt. Sie formen dabei eher offene Raumabtrenner als eigene und geschlossene Baukompar-timente und lassen bei identischer Verlaufsrichtung hinsichtlich ihres Verhältnisses zueinander eine eindeutige Abfolge erkennen. Die Strukturen der Südkammer liegen höher (UK +8.27;+8.29 m) und überlagern bzw. verschließen den südlichen Abschluß der Nordkammer (OK erh. +8.09 m). Die mit je 1.75 m gleich langen Nordmauern beider Kammern setzen an den Ortho-statenverbänden der Ostwand des Hofes an. Die höher gelegene Südkammer greift mit ihrem kleinsteinigen Mauerverband darüber hinaus partiell in den unregelmäßigen sekundären Block-verband über den Orthostaten ein. Die tiefere Nordkammer fährt mit ihrer Nordwand direkt an die innere Sichtseite des Orthostaten heran und ist mit diesem durch die Auflage desselben weiß-grauen Weichputzes verbunden, mit dem auch die Fehlstellen in den Orthostaten-Sichtseiten ausgefüllt sind.

NordkammerIn der 3 m² großen inneren Nutzfläche der Nordkammer befinden sich zwei grobsteinig gemauer-te Gruben (Bothros 1: +8.41 bis +7.92 m; Bothros 2: +8.16 bis +7.56 m). Die 0.70 m auf 0.30 m messenden kleinen Schächte enthielten Füllungen aus stark aschiger Erde, vielen verbrannten Knochenfragmenten sowie stark zerscherbter Keramik, darunter auffallend viel Gebrauchskera-mik, Schalen und Teller sowie Miniaturskyphoi25. Von den beiden Schächten ist Bothros 2 der ältere, da er von den Bodenstraten nachfolgender Nutzungsphasen verschlossen wird. Bothros 1 dagegen war auch nach der partiellen Überlagerung der Nordkammer durch das südlich anschlie-ßende Raumkompartiment weiterhin in Gebrauch.

23 Die absoluten Ausmaße dieses Weges ließen sich durch die begrenzte Grabungsfläche noch nicht bestimmen. Sofern der Kanal straßenmittig angelegt sein sollte, ergäbe sich eine Wegbreite von approximativ 2.50–3 m.

24 Zu unregelmäßigen, partiell auch spitzwinkeligen Grundrißgestaltungen, die durch vorgegebene Wegführungen bedingt sind, vgl. das ‘Heilige Haus’ in Eleusis, das Westtorquartier von Eretria oder den vielräumigen Baukomplex an der Westseite der Athener Agora; M. Kiderlen, Megale Oikia. Untersuchungen zur Entwicklung aufwendiger Stadthausarchitektur. Von der Früharchaik bis ins 3. Jh. v. Chr. (1995) Abb. 2, 6 Nr. A; 6, 3; 7, 1; F. Lang, Archa-ische Siedlungen in Griechenland. Struktur und Entwicklung (1996) Abb. 6–9; 21. Ähnliches gilt auch für die Bauten an der Agora von Megara Hyblaea, Kiderlen a. O. Abb. 14, 3. 4.

25 Der Beschreibung nach entsprechen sie den Opfergruben, die G. Welter für die Altgrabungen A. Furtwänglers angeführt hat; vgl. G. Welter, AA 1932, 162 ff. Verschlüsse durch steinerne Omphaloi fanden sich abgesehen von der in der Nordostecke des Schwellenbaus versetzten Spolie sowie dem bereits von der Altgrabung freigelegten 0.75 m hohen Exemplar jedoch bislang nicht, vgl. Felten u. a. (Anm. 1) 43.

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SüdkammerDie Südkammer nimmt das süd-liche Hofende ein und formt da-durch ein trapezförmiges spitzwin-keliges Geviert mit einer Fläche von 3.25 m². Als Eingang ist eine schmale, 0.60 m breite Öffnung zwischen dem südlichen Kopf des Mauerhakens und der Südwand des Hofes freigelassen. Die drei-ecksförmige südliche Raumhälfte ist mit einem grobsteinigen Belag sowie großen Dachziegeln gepfla-stert. In der Nordostecke befindet sich ein gemauerter Schacht (Bothros 3) mit einer Fläche von1 m², zu dessen Sohle (+7.94 m) mehrere treppenförmig gestaffelte Steinlagen hinabführen. Auch die-ser Bothros enthielt stark zer-scherbte Keramik, darunter Frag-mente von Schwarzfirnißgefäßen, einem rotfigurigen Eulenskyphos26 sowie einer korinthischen Minia-turlekythos (Abb. 14).

26 Ein anpassendes Fragment des Eulenskyphos fand sich in der Auffüllung des Schwellenbaus in der Norderweite-rung. Daraus wird deutlich, daß im gesamten Areal des Westkomplexes ausgedehnte Planierungarbeiten stattge-funden haben.

27 Vgl. Felten u. a. (Anm. 1) 43 ff.

14 Südbau. Hof. Keramik aus dem Bothros 3 in der Südkammer. Auswahl

Hof

In der Süderweiterung über dem Hofareal des Südbaus haben die älteren Grabungen, die im Kernbau sowie in Ost- und Westraum des Südbaus bis tief in die unteren Kulturschichten vor-gedrungen waren, nur Teile der oberen spätantiken Bebauung erfaßt. In der Folge konnten im Hof auf größerer Fläche mehrere Fußbodenstraten und Verfüllungshorizonte bestimmt werden, die Aussagen über die Baugeschichte der Anlage ermöglichen und mit den 2002 in den Räumen des Südbaus freigelegten Befunden korreliert werden können.

Die beiden obersten Abhübe der Fläche (+10.07 bis +9.25 m) formen eine ca. 0.80 m dicke gemischte Schicht, wobei die Reste der byzantinischen Bebauung sowie reichlich kammstrich-verzierte Ware die späteste Nutzungszeit bestimmen lassen. Hinzu kommen jedoch auch Frag-mente von Terrakotten, Lampen und Gefäßen archaischer bis hellenistischer Zeit (Abb. 15). Möglicherweise handelt es sich um eine weitflächige Planierung älterer Horizonte, denn das untere Stratum hat einen großen Bothros gekappt, der vermehrt hellenistische Grob- und Fein-keramik enthielt (Abb. 16, 1).

Mit dem nächsten Stratum (+9.25 bis +9.11 m) ist ein rein hellenistischer Nutzungshorizont erfaßt, welcher dem 2002 über dem Südbau aufgedeckten Spolienpflaster entspricht27, der aber im Gegensatz zum nördlichen Befund keine baulichen Reste enthielt und lediglich eine weit-

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flächige feste Aufschüttung repräsentiert. Um eine Auf-füllung mit durchweg stark zerscherbter Keramik mit Verrollungsspuren dürfte es sich auch bei der folgenden Schicht (+9.11 bis +9.00 m) handeln. Zu ihr gehört ein Bothros (+9.00 bis +8.45 m) mit reichlich hellenistischer Gebrauchskeramik sowie reliefverzierter Feinware (Abb. 16, 2).

Das folgende Stratum (+9.00 bis +8.57 m) zieht niveaumäßig mit der erhal-tenen Oberkante der Ost-mauer gleich. Hiermit ist der obere, zunächst locker ver-füllte Abschluß einer ausge-dehnten Planierung faßbar, deren Material in den unte-ren Lagen aus einer harten und körnigen Lehmmasse besteht. Hierbei handelt es sich um die niedergerisse-nen und eingefüllten Reste der aufgehenden Lehmzie-gelarchitektur des Südbaus, die bereits 2002 in den nörd-lichen Hofpartien sowie in den beiden Räumen des Südbaus festgestellt werden konnten28. Im Gegensatz zu

28 Ebenda 48.

15 Südbau. Hofareal. Terrakottakopf und Keramik aus hellenistischer Auf-schüttung. Auswahl

16 Südbau. Hofareal. Keramik aus den hellenistischen Bothroi AT 88 (1) und AT 93 (2). Auswahl

dem dortigen Befund ist die Verfüllung in der Südhälfte der Anlage aber gleichmäßig mit großen Mengen an Ziegelschutt sowie Keramikscherben versetzt. Hierzu zählen zwei Fragmente gestem-pelter Ziegel, Vorrats- und Gebrauchsware, Kochgeschirr, Schwarzfirnißkeramik und eine grö-ßere Anzahl Fragmente rotfiguriger Kratere (Abb. 17). Diese auffallende Konzentration an Ke-ramik und Ziegeln läßt sich möglicherweise mit einer intensiveren baulichen Nutzung des Kammerareals in der südlichen Hofhälfte erklären.

Die rötliche Lehmziegelverfüllung endet auf einem oberen weißgrauen Kalkestrichboden (Boden 1: +8.57 m), der den gesamten spitzwinkeligen Südabschluß des Hofes einnimmt und sich in der Folge nach Norden und Westen absenkt. Dieser Boden dürfte in Zusammenhang mit der Errichtung und der Nutzung der südlichen Bothroskammer des Hofes zu sehen sein. Mögli-cherweise gehört dazu auch die Verlegung der unregelmäßigen Blöcke auf der südlichen Hälfte der Ostwand. Innerhalb der Raumkammer geht der Estrichboden in eine behelfsmäßig erschei-nende Pflasterung aus groben Steinplatten und wiederverwendeten Dachziegeln über. Dieser Boden repräsentiert eine sekundäre Aufhöhung des südlichen Hofabschlusses. In seiner Unter-füllung fand sich eine Terrakottastatuette eines hockenden Silens (Abb. 18, 1), die wohl noch

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vor der Mitte des 5. Jahr-hunderts anzusetzen ist29.

Unter Boden 1 ließ sich über eine größere Fläche eine weitere Estrichlage fest-stellen (Boden 2: +8.18 m), die unterhalb der Unter-kanten der Südkammer (+8.29 m) verläuft und die-ser damit vorausgehen dürf-te. Boden 2 verschließt par-tiell die Westmauer der Nordkammer, die aber, wie die höher anstehende Nord-mauer zeigt, weiterhin in Funktion geblieben sein muß und nach Aufgabe von Bothros 2 nunmehr mit Bothros 1 ausgestattet war. Boden 2 reicht nach Norden bis zum Ostraum des Süd-baus. Hier formt der Belag vor dem Schwellstein des Eingangs eine Stufe nach oben und steht vermutlich mit dem dort festgestellten obersten Boden (+8.26 m) in Zusammenhang30. Zu dem Füllmaterial von Boden 2 zählt archaische Gebrauchs- und Feinware, darunter das Fragment eines schwarzfigurigen Gefäßes mit der Darstellung des Herakles und der wagenlenkenden Athena aus dem späteren 6. Jahrhundert v. Chr. (Abb. 18, 2).

Boden 2 bildet ebenfalls eine nachträgliche Erhöhung der Nutz-fläche des Hofareals. Dicht unter ihm befindet sich ein weiterer Laufhorizont in Gestalt eines fe-sten grauen Lehmestrichs (Boden 3: +8.08 m). Dieser Boden nimmt

29 Zur Chronologie und Typologie der hockenden Silene mit zahlreichen Beispielen vgl. B. Schmaltz, Terrakotten aus dem Kabirenheiligtum bei Theben. Menschenähnliche Figuren, menschliche Figuren und Gerät, Das Kabiren-heiligtum bei Theben V (1974) 17 ff.

30 s. Felten u. a. (Anm. 1) 48.

17 Südbau. Hof. Gestempelte Ziegelfragmente und Keramik aus der Lehm-ziegelverfüllung. Auswahl

18 Südbau. Hof. Terrakottasilen aus Füllung Boden 1 (1). Schwarz-figurige Scherbe unter Boden 2 (2)

die gesamte Fläche des Hofareals ein und läßt sich auch im Ost- und Westraum des Südbaus nachweisen. Zu ihm gehört der Bau der Nordkammer, und gleichzeitig dürfte er den Errichtungs-horizont der gesamten Anlage des Südbaus repräsentieren. Die am nördlichen Ende der West-mauer verlegte Eingangsschwelle (+8.15 m) nimmt auf ihn Bezug.

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Zusammenfassung

Die Grabungen des Jahres 2003 erbrachten neben der vollständigen Erfassung der nord-südlichen Ausdehnung des Westkomplexes im wesentlichen Bestätigungen der Erkenntnisse des Vorjahres, daneben aber auch eine Reihe neuer Resultate. So ließ sich erstmals nachweisen, daß die prä-historische Siedlung von Kap Kolonna spätestens seit der Phase FH III bis an die äußerste Westspitze des Hügels gereicht hatte. Gleiches gilt für die durch Kindergräber, reichlich Keramik sowie einige Baureste nachgewiesene Siedlung der proto- und frühgeometrischen Zeit, die wohl nach einer Zäsur während des 11. und 10. Jahrhunderts v. Chr. auf dem Hügel neu angelegt worden ist31. Die baulichen Strukturen des spätarchaischen Westkomplexes betreffend, zeigte sich, daß seine auffallend spitzwinkelige Grundrißgestaltung im Südbereich durch eine vorgege-bene Straßenführung bedingt gewesen war. Im Bereich Kernbau erfuhr die Anlage aller Wahr-scheinlichkeit nach noch in spätarchaischer Zeit eine bauliche Umgestaltung, durch welche die hypäthrale Fläche in ihrer Gesamtausdehnung reduziert wurde. Was die angenommene sakrale Nutzung des Komplexes betrifft, so ergab sich durch die Aufdeckung der Nordkammer im Hof des Südbaus mit Bothros 1 und 2 eine weitere Bestätigung. Darüber hinaus zeugen der Neubau der Südkammer mit Bothros 3 sowie die umfangreichen Reparaturen an Ost-, Süd- und West-mauer von einer kontinuierlichen sakralen Nutzung des Areals bis in klassische Zeit.

Spätestens in hellenistischer Zeit – wohl unter pergamenischer Herrschaft – wurde der Süd-bau aufgegeben und seine Strukturen wurden verfüllt. Es ist anzunehmen, daß nun der Kernbau mit seinen neuangelegten Raumeinheiten (Ost-, Westraum) sowie dem zentralen Schacht die Funktionen des Südbaus übernahm. Zusätzlich dazu wurde im Norden eine weitere Spolienpfla-sterung verlegt und im Zusammenhang damit der Schwellenbau errichtet, der vermutlich als ritueller Speiseraum gedient hat. Die Übereinstimmung im verwendeten Werkmaterial sowie in der Ausrichtung der Pflasterung, die dem Belag über dem Südbau exakt entspricht, lassen ver-muten, daß die Strukturen von Kernbau und in der Norderweiterung in engem funktionalem Zusammenhang standen. Von der spätantiken/byzantinischen Nutzung des Areals zeugen ledig-lich Reste eines Kanals, Zisternen und in den Boden eingetiefte Bothroi. Aufgehende Mauern waren offenbar bereits durch die früheren Grabungen entfernt worden.

Ziel der zukünftigen Grabungen im Bereich des Westkomplexes wird es sein, die bauliche Gestaltung sowie die Nutzungsgeschichte des östlich anschließenden Areals (‘Ostareal’) zu er-schließen.

2. Südhügel

Allgemein

Die im Jahr 2002 begonnenen Grabungen am ‘Südhügel’ von Ägina-Kolonna wurden fortgesetzt, wobei die Grabungs- und Dokumentationsmethode entsprechend dem Vorjahr beibehalten wur-de32. Die Ausgrabungen des Jahres 2003 konzentrierten sich vor allem auf den Töpferofen und seine unmittelbare Umgebung (Q3, Q6 und Q7).

Bereits im Frühjahr 2003 wurden die im Jahr 2002 geborgenen archäozoologischen und archäobotanischen Reste untersucht. Diese Arbeiten finden im Rahmen des von INSTAP geför-derten Projekts »Aegina Kolonna – subsistence and more« statt33. Auch die neuen Grabungen

31 s. zuletzt St. Hiller, Some preliminary thoughts about Aegina in the Dark Ages, in: E. Konsolaki-Giannopoulou (Hrsg.), Argosaronikos II (2003) 11 ff. mit Lit.

32 Zur Dokumentation- und Grabungsmethode s. Felten u. a. (Anm. 1) 56. Durchschnittlich drei Arbeiter und zwei Studenten waren für die Planaufnahme und Schnittbeobachtung zuständig. Mit Mitteln des Projekts »SCIEM 2000« wurde die Teilnahme von L. Berger (Ausgrabung) und B. Wille (Material- und Bauaufnahme) finanziert.

33 Das Projekt wird von G. Forstenpointner, A. Galik und G. Weissengruber (archäozoologische Analysen), K. Grossschmidt und F. Kanz (anthropologische Untersuchungen) sowie U. Thanheiser (makrobotanische Reste)

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19 Südhügel mit Grabungsfläche Q

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erbrachten wiederum eine sehr große Menge an Tierknochen (ca. 40 kg), zudem wurden ungefähr2 000 kg Erde aus stratigraphisch gesicherten, zumeist prähistorischen Kontexten geborgen. Ein vollständig erhaltenes Skelett und geringe Reste wahrscheinlich sekundär verlagerter menschli-cher Knochen wurden ebenfalls bei der Grabung beobachtet und geborgen.

Klassisch/Hellenistisch

Im Jahr 2002 konnte die Frage nach der Westausdehnung des als ‘Altar’ (2002/21 und 2002/146) bezeichneten Fundamentrestes nicht mehr geklärt werden34. Zur besseren Erforschung wurde 2003 der Profilsteg westlich vor dem ‘Altar’ teilweise abgetragen35. Das gesamte Gelände scheint hier gestört zu sein, wie späte, teils byzantinische Scherben zeigen, die in den für den ‘Altar’ relevanten Abhüben gefunden wurden. Seine Fortsetzung wurde jedenfalls nicht festgestellt. Die erhaltene Ausdehnung des ‘Altars’ ist 4.90 m (Nord-Süd) und 1.5 m (Ost-West), die Ausrichtung stimmt mit dem ca. 6 m weiter westlich gelegenen Quaderbau überein, wie im Bericht über die Grabungen von 2002 bereits festgestellt wurde (Abb. 19)36.

Auch der quer über den ‘Altar’ verlaufende Steg zwischen Q3 und Q6 wurde teilweise ab-gegraben37. Dabei zeigte sich, daß fast der gesamte Bereich gestört ist und die Steine des ‘Altars’ weitestgehend fehlen. Unter den ersten Erdschichten liegt eine Aschenfläche (2003/67), darunter eine sehr harte Schicht (2003/70), möglicherweise ein Fußboden oder ein Laufhorizont. Die spärlichen Keramikfragmente aus den Abhüben datieren nach einer ersten Sichtung in spätrömi-

sche bzw. byzantinische Zeit.

Der südliche Teil des ‘Altars’ (2002/21) liegt im Grabungsbereich Q6 (Abb. 19). Im Jahr 2002 wurden hier lediglich die obersten Erdschichten abgegraben. Der darunter zutage gekom-mene massive Steinversturz wurde 2003 entfernt. Un-mittelbar südlich und östlich des ‘Altars’ kam eine L-för-mige Steinsetzung zutage; die nachfolgenden Grabun-gen zeigten, daß es sichum die Einfassung eines Schachts handelt38. Die ein-schaligen Mauern der Nord-

gemeinsam mit W. Gauß im Rahmen des Projektes »SCIEM 2000« durchgeführt. Die Untersuchungen erbrachten interessante Ergebnisse, die in einem eigenen Vorbericht besprochen werden.

34 s. dazu Felten u. a. (Anm. 1) 57 f. 35 Abhübe Q6–Q7/1 bis Q6–Q7/4. 36 s. dazu Felten u. a. (Anm. 1) 58; E. Pollhammer behandelt den ‘Altar’ im Rahmen seiner Dissertation »Das Kap

Kolonna auf Ägina zur Zeit der pergamenischen Herrschaft. Untersuchungen zum Bauprogramm und der Baupolitik der Attaliden auf Ägina« (ungedr. Diss. Salzburg 2004).

37 Abhübe Q3–Q6/2 bis Q3–Q6/3. 38 Vergleichbare gemauerte Schächte (viereckig wie rund) sind bei den Grabungen am ‘Südhang’ von Ägina-Kolon-

na im Bereich der sog. Priesterhäuser entdeckt worden; s. dazu Felten (Anm. 12) 44 f. Taf. 11 Abb. 41–42. Vgl. außerdem zu den Kulten in Ägina-Kolonna F. Felten in: S. Buzzi – D. Käch – E. Kistler (Hrsg.), Zona Archaeo-logica. Festschrift H.-P. Isler (2001) 127–134.

20 Q6 – Schacht. Ansicht von Norden

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und Ostseite sind klar zu erkennen (Norden 2003/9, Osten 2002/16), während die südliche Begrenzungs-mauer bislang nicht gefun-den wurde (Abb. 20). Auch der Abschluß an der West-seite ist unklar. Aufgrund der bisherigen Beobachtun-gen scheint es so, als sei der südliche Teil des ‘Altars’ (2002/21) über bzw. auf Tei-len des Schachts gebaut worden (Abb. 21), was be-deutet, daß der ‘Altar’ jün-ger ist als der Schacht. Ob dieser mit dem Bau des ‘Al-tars’ aufgegeben, oder ob er weiter benutzt wurde, müs-sen die folgenden Arbeiten zeigen; der Schacht wurde bislang nur angegraben39. Zu den wichtigsten Funden zählen die Fragmente von Terrakottastatuetten, darun-ter ein Frauenkopf mit den Resten roter Farbe, sowie vermutlich auch eine frag-mentierte Basis mit blauen Farbspuren. Zwei Arme un-terschiedlicher Größe, je-weils mit Bohrloch, verwei-sen auf zwei weitere Terra-kotten, wohl Puppen. Eben-falls aus diesem Schacht stammen das Fragment eines Terrakottareliefs, das vollständige Profil einer Schwarzfirnisschale sowie einige stark korrodierte Bronzefragmente (Abb. 22)40.

Reste eines weiteren möglichen Schachts wurden im Südteil von Q6 freigelegt (Abb. 19). Eingefaßt wird er von den Mauern 2002/117 (Westen), 2003/108 (Norden) und 2002/23 (Süden), die Ostbegrenzung fehlt. Vom Steinboden sind nur noch geringe Reste erhalten (2003/58). Mög-licherweise wurde der Schacht bei der Anlage von Brunnen 2002/17 zerstört. Auffallenderweise wurden in den Abhüben, die über dem Steinboden 2003/58 liegen, ausschließlich prähistorische Scherben gefunden.

In welchem zeitlichen Verhältnis zueinander die beiden in Q6 gefundenen Schächte stehen, ist gegenwärtig unklar. Entscheidend für die Klärung dieser Frage ist das Verhältnis der Mauern 2002/16 und 2002/117 (beide zum ersten Schacht gehörend) bzw. 2003/108 (zum zweiten Schacht gehörend) zueinander.

39 Abfolge der Abhübe: Q6/5, Q6/6, Q6/9, Q6/10, Q6/11. 40 Abb. 22, 1 (Q6/05-1): vgl. Mollard-Besques III (1972) Taf. 15, D64; Taf. 19, D79 und Mollard-Besques II (1963)

Taf. 227, fMYRINA 1239. – Abb. 22, 2 (Q6/09-19). – Abb. 22, 3 (Q6/09-3). – Abb. 22, 4 (Q6/09-2): vgl. S. I. Rotroff, Hellenistic Pottery, Agora XXIX (1997) Nr. 865 Abb. 58 Taf. 71 und Nr. 1028 Abb. 64 Taf. 77.

21 Q6 – Schacht. Ansicht von Südosten mit darüberliegendem ‘Altar’

22 Kleinfunde aus dem Schacht in Q6

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41 Mauern 2002/153, 2002/154, 2003/12, 2003/13. 42 Zunächst wurde die westliche Hälfte, danach die östliche Hälfte in mehreren Abhüben freigelegt (Q7/2 bis

Q7/6). 43 Abb. 24, 1 (Q7/06-4). – Abb. 24, 2 (Q7/06-2). – Abb. 24, 3 (Q7/05-1). – Abb. 24, 4 (Q7/04-2). – Abb. 24, 5

(Q7/06-3). – Abb. 24, 6 (Q7/04-1). – Abb. 24, 7 (Q7/06-1). Besonders interessant ist, daß der frische Tonbruch der beiden Schwarzfirnis-Skyphoi (Abb. 24, 1. 5) nach makroskopischer Analyse typisch äginetisch zu sein scheint. Das weitere Studium des Materials verspricht wichtige Aufschlüsse zur Frage der Keramikproduktion auf Ägina in archaischer bis hellenistischer Zeit.

44 Abb. 24, 1 und Abb. 24, 5: vgl. U. Heimberg, Die Keramik des Kabirions, Das Kabirenheiligtum bei Theben III (1982) Taf. 8. 126–128. – Abb. 24, 2: vgl. B. Sparkes – L. Talcott, Black and plain pottery of the 6th, 5th and 4th centuries B.C., Agora XII (1970) Nr. 1205 Taf. 39. – Abb. 24, 4: ebenda Nr. 1330 Taf. 43. – Abb. 24, 6: ebenda Nr. 1699 Taf. 78.

45 Abhub Q7/7; Reinigung des Steinbodens für die Planaufnahme.

Zwischen dem westlichen, sog. zweiten Quaderbau und dem ‘Altar’ (2002/21) wurden im Grabungsbereich Q7 die Reste eines weiteren, ca. 2.3 ×2 m großen Schachts freigelegt, dessen Mauern teilweise bereits im Jahr 2002 an der Oberfläche sichtbar waren41. Dieser Schacht hat einen gelegten Steinboden (2003/44), der mit einer dünnen Schicht aus Asche bedeckt war (Abb. 23)42. Die Anpassungen einzelner Funde zeigen, daß es sich um eine einheitliche Ver-füllung handelt. Bislang konnten sechs vollständige oder weitgehend erhaltene Gefäße zusammengesetzt werden(Abb. 24, 1–6)43. Sie gehören nach einer ersten Analyse in die spätklassische Zeit (4. Jahrhundert v. Chr.)44. Neben zahlrei-chen großen gefirnißten Ziegelfragmen-ten wurden auch zwei stark korrodierte Münzen in der Verfüllung des Schachts gefunden bzw. unmittelbar über dem Steinboden45. Direkt vor der Südmauer (2002/154) lagen die Halsfragmente einer Amphora, unter denen eine Konzentration von intakten Purpur-schnecken (wahrscheinlich murex bran-daris) beobachtet wurde (Abb. 24, 7).

23a. b Q7 – Schacht. Ansicht von Norden vor und während der Ausgrabung

Frühe Eisenzeit

Unmittelbar westlich des Töpferofens (Abb. 19) wurde von einem höheren Niveau aus ein früheisenzeitliches Steinkistengrab in die mittelbronzezeitlichen Schichten eingetieft. Bereits im Jahr 2002 wurden die Ränder des Grabschachts erkannt (2002/185), entzogen sich damals aber noch der Deutung.

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46 Die anthropologischen Untersuchungen wurden von F. Kanz durchgeführt. Die Analyse ist noch nicht abgeschlos-sen.

47 s. dazu G. Welter, Aigina (1938) 55: »… im westlichen Teil des Kolonnahügels vereinzelte Kindergräber …«; ders., AA 1938, 512; W. Kraiker, Die Vasen des 10. bis 7. Jahrhunderts v. Chr., Aigina I (1951) 21 »Grabfunde«; H. Walter, Ägina. Die archäologische Geschichte einer griechischen Insel (1993) 35 ff. Abb. 25. 27 f.

48 S. Wide, AM 35, 1910, 17 f. mit Referierung des Grabungsberichts von Kavvadias. Bei den submykenischen Bestattungen am Athener Kerameikos ist die ausgestreckte Rückenlage üblich, s. K. Kübler – W. Kraiker, Die Nekropolen des 12. bis 10. Jahrhunderts, Kerameikos I (1939) 8 f.; K. Kübler, Die Nekropole des 10. bis 8. Jahr-hunderts, Kerameikos V (1954) 12.

49 Bereits G. Welter und W. Kraiker beobachteten in einem Kistengrab eine Kiesellage: G. Welter, Aigina (1938) 55 sowie Kraiker (Anm. 47) 21 zu Grab I; 55. Wie R. Hägg feststellt, ist der Kieselbelag in der Argolis verbreitet; s. R. Hägg, Die Gräber der Argolis (1974) 126 f. mit Taf. 26; 153.

50 Vgl. dazu Hägg (Anm. 49) 154, der berichtet, daß in Asine bei einigen protogeometrischen Kistengräbern das Grab mit Erde bzw. Sand gefüllt wurde, eine Sitte, die vor allem aus Korinth bekannt ist, s. ebenda Anm. 287 ff. mit weiterführender Lit.

51 I. Kilian-Dirlmeier, Nadeln der frühhelladischen bis spätarchaischen Zeit von der Peloponnes, PBF XIII 8 (1984) 69.

Das Grab war mit meh-reren Steinplatten abgedeckt und enthielt eine vollkom-men intakte Bestattung eines ca. 25–30 Jahre alten Er-wachsenen (Abb. 25)46. Dies ist außergewöhnlich, da bis-lang ausschließlich Bestat-tungen von Kleinkindern bzw. Säuglingen in der früh-eisenzeitlichen Siedlung von Kolonna bekannt wurden47. Der Tote war in Rückenlage mit angewinkelten Beinen in Ost-West-Ausrichtung bestat-tet (Kopf im Osten). Diese Art der Beisetzung ist aus der submykenischen Nekropole von Salamis bekannt48; mög-licherweise ist sie typisch für den Saronischen Golf. Die Grabsohle war mit einer Kie-sellage bedeckt49, während das Grab mit sehr feiner, san-diger Erde verfüllt war50. Die einzigen Grabbeigaben waren mehrere stark korrodierte Eisenreste (Abb. 26, 3). Es handelt sich dabei um minde-stens eine Eisennadel mit Endscheibe und aufgescho-benem Bronzekopf (Typ B3 nach Kilian-Dirlmeier51). Die Nadel lag auf der rechten

24 Keramik aus dem Schacht in Q7

Schulter im Bereich des Schultergelenks und reichte bis zur Brust/Wirbelsäule. Auf den ver-schiedenen Fragmenten der Nadel haben sich korrodierte Gewandreste erhalten. Weitere Eisenreste

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52 Zur Chronologie s. Kilian-Dirlmeier (Anm. 51) 75 mit Anm. 49–51; zur Verbreitung ebenda 77: »Eine deut-liche Fundkonzentration in der Argolis und in Attika läßt sich für die Eisennadeln mit Bronzekopf feststellen(Typ B3).«

53 Kübler – Kraiker (Anm. 48) 7. 9–11; 180 ff.; Kübler (Anm. 48) 6 ff. 54 Vgl. dazu Hägg (Anm. 49) bes. 159 ff.; C. W. Blegen – H. Palmer – R. S. Young, The North Cemetery, Corinth

XIII (1964) 14 f. 18; s. auch K. Dickey, Corinthian Burial Customs ca. 1100 to 550 B.C. (1992) passim. Vgl. außerdem die bei G. Welter und W. Kraiker für spätgeometrische Zeit in Ägina erwähnte Bestattungssitte in aus-gehöhlten Steinblöcken mit den zahlreichen Bestattungen in Sarkophagen in Korinth bzw. der Korinthia; Welter (Anm. 49) sowie Kraiker (Anm. 47) 21 Grab III; Dickey a. O. 24–36.

55 Abb. 26, 1 (Q2-Q3/02-1). – Abb. 26, 2 (Q2-Q3/02-5). 56 Die Kombination von Steinschüttung und Steinkistengrab ist in der submykenischen Kerameikosnekropole nicht

bekannt (freundliche Mitteilung von F. Ruppenstein). In protogeometrischer Zeit wurde gelegentlich eine Stein-schüttung über der Urnenbestattung angelegt, vgl. dazu Kübler (Anm. 48) 9. 13.

57 s. dazu Felten u. a. (Anm. 1) 61–63.

lagen auf der linken Schulter, im Bereich des Schlüsselbeins. Die chronologische Auswertung durch I. Kilian-Dirlmeier zeigt, daß Nadeln vom Typ B3 auf der Peloponnes und in Athen (Kerameikos und Agora) in protogeometrischer Zeit belegt sind, mit einer besonderen Fund-häufung in Attika und der Argolis52.

Die Tatsache, daß in protogeometri-scher Zeit auf Ägina die Körperbestat-tung praktiziert wurde, überrascht, da am Kerameikos in Athen seit dem Ende der submykenischen Zeit die Brandbestat-tung vorherrschte53. Es ist nicht auszu-schließen, daß die Bestattungssitten in Ägina und Athen unterschiedlich waren. Sollte in Ägina tatsächlich die Körperbe-stattung üblich gewesen sein, so besteht eine Verbindung zur Argolis bzw. zur Korinthia, wo die Körperbestattung wäh-rend der gesamten geometrischen Zeit praktiziert wurde54.

Über dem Grab lagen die Reste der bereits im Jahr 2002 entdeckten Stein- und Geröllpackung 2002/147. In den Schichten unmittelbar über den obersten Abdeckplatten befanden sich mindestens drei protogeometrische Scherben sowie zwei Fragmente des ebenfalls im Jahr zuvor gefundenen kretischen Oktopus-gefäßes (Abb. 26, 1–2)55. In welchem chronologischen Zusammenhang die

a

b25a. b Früheisenzeitliches Steinkistengrab

Steinpackung 2002/147 mit der Anlage des Grabes steht, wird die weitere Aufarbeitung zeigen müssen56.

Prähistorisch

Teile eines Töpferofens (2002/13) wurden im Jahr 2002 freigelegt (Abb. 19. 27.28)57. Dank der stratigraphischen Erkenntnisse können Errichtung und Aufgabe des Töpferofens zeitlich be-

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58 Während der Grabung wurde beobachtet, daß die dünne, weißliche Fußbodenschicht von 2002/194 direkt an den Ofen anstößt. Ein Fundamentgraben, der den Fußboden Niveau +14.74/+14.69 m oder den Fußboden Niveau +14.23/+14.04 m durchschlägt, wurde nicht beobachtet.

59 Abhübe Q3/36, Q3/37, Q3/40. 60 Zum Übergang von Mittel Helladisch zu Spät Helladisch s. Felten u. a. (Anm. 1) 60 Anm. 47–48 mit weiterfüh-

render Lit.

stimmt werden. Wie bereits 2002 beobachtet wurde, ist der Fußboden 2002/194 an die Rundung des Ofens 2002/13 angebaut58. Knapp unter dem Boden 2002/194 folgt ein weiterer Boden bzw. Laufhorizont (2003/28). Die Keramik unter dem Fußbo-den59 gehört nach einer ersten Sichtung in die Phase MH III/SH I60. Unter den Funden ist besonders auf die Frag-mente von ‘panelled cups’, das kleine Fragment eines möglicherweise geschlosse-nen Gefäßes mit ‘Ripple’-

26 Funde aus der Auffüllung Q2–Q3 über dem Grab (1–2). Eisennadelfrag-mente aus dem Grab mit Abdrücken von Gewebestrukturen (3)

27 Q3 – Töpferofen mit Roststütze. Ansicht von Süden

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61 Abb. 29, 1 (Q3/37-6). – Abb. 29, 2 (Q3/37-11). – Abb. 29, 3 (Q3/36-7). – Abb. 29, 4 (Q4/40-8). – Abb. 29, 5 (Q3/37-5). – Abb. 29, 6 (Q3/59-1). – Abb. 29, 7 (Q3/59-8). – Abb. 29, 8 (Q3/59-10). – Abb. 29, 9 (Q3/80-7). –Abb. 29, 10 (Q3/80-1).

62 Auch sie stimmen in der Tonzusammensetzung mit naturwissenschaftlich untersuchter Keramik aus Melos überein. Die Beurteilung des Tonbruchs erfolgt nach makroskopischen Kriterien.

63 s. dazu auch Felten u. a. (Anm. 1) 63. 64 Abhübe Q3/38, 39, 41, 42, 54, 55, 58, 59, 63. 65 Das Motiv von Abb. 29, 9 (Q3/59-10) ist vergleichbar mit FM 70:2, ‘scale pattern’. Das Motiv entspricht FM 70:

8 genau, wenn dieses um 180° gedreht wird. Das Motiv von Abb. 29, 7 (Q3/55-5) entspricht FM 58 bzw. FM 64:29; ein ähnliches Motiv auch bei St. Hiller, Mykenische Keramik, Alt-Ägina IV 1 (1975) Taf. 32 Nr. 293.

66 s. Felten u. a. (Anm. 1) 63.

Dekor und auf lokale matt-bemalte Keramik zu verwei-sen (Abb. 29, 1–5)61. Die Fragmente der ‘panelled cups’ sind, nach der Tonzu-sammensetzung zu urteilen, wahrscheinlich kykladi-schen, am ehesten melischen Ursprungs62.

Nachdem der Ofen nicht mehr genutzt wurde, füllte man ihn mit weicher Erde, Keramik und Steinen auf und errichtete darin eine ca. 60 cm breite, Ost-West verlaufende Mauer (2002/28) (Abb. 19)63. In der Ver-füllung fand sich eine große Menge Keramik64, und nach einer ersten Durchsicht ent-stand der Eindruck, daß die Verfüllung einheitlich ein-gebracht worden war. Frag-mente unbemalter bzw. vollkommen bemalter offe-ner mykenischer Gefäße überwiegen unter den Fun-den (Goblets und Kylikes), der Anteil der musterbemal-ten Keramik ist dagegen re-lativ gering (Abb. 29, 7. 9). Nach einer ersten Analyse wurde der Ofen in der Phase

SH IIIA verfüllt65, dieser zeitliche Ansatz ergibt auch einen terminus post quem für die Errichtung von Mauer 2002/2866. Bereits beim Abtragen der Verfüllung zeigte sich, daß der Ofen eine ova-le Mittelstütze (Dm ca. 0.60 m) hatte, was beweist, daß es ursprünglich auch einen Rost gegeben hatte. Die Mittelstütze wurde spätestens bei der Anlage von Mauer 2002/28 abgeschlagen. Der Rost ist fast vollkommen zerstört, nur an der Wandung sind geringe Reste erhalten geblieben.

Die Verfüllung endet auf einer hellgrau verbrannten Aschenlage, die aus mehreren Lagen besteht. Die oberste Aschenlage (2003/90) ist nur noch an wenigen Stellen erhalten und sehr weich, wahrscheinlich handelt es sich um die Asche aus der letzten Nutzungsphase des Ofens.

28 Q3 – Töpferofen mit Zugang zur Feuerung. Ansicht von Westen

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67 Abhub Q3/80. 68 Eine exakte Parallele ist derzeit nicht bekannt. Zum Motiv s. A. Furumark, Mycenaean Pottery. Analysis and

Classification (1972) 306–308, Motiv ‘Argonaut’.

Darunter folgt eine auf der ganzen Fläche gut erhaltene harte Aschenlage (2003/91). Sie bindet sowohl in die oberste Verputzlage der Ofenwandung als auch in die der Mittelstütze ein, ist aber von beiden abgeplatzt. Es handelt sich mit Sicher-heit um den jüngsten Boden der Brennkammer. Er steigt vom Eingang der Feuerung bis zum östlichen Ende kon-tinuierlich an, vermutlich um die Befeuerung bzw. Reinigung des Ofens zu er-leichtern. Die Aschenlage 2003/91 ist sehr hart ver-brannt und hebt sich in dik-ken Lagen ab67. In ihr fan-den sich einige Scherben, die fest mit der Asche ver-backen sind (Abb. 29, 10–11). Unter den chronolo-gisch einzuordnenden Fun-den ist auch eine musterbe-malte Randscherbe eines offenen Gefäßes (Abb. 29, 10). Der teilweise abgerie-bene Dekor erschwert die eindeutige Bestimmung des Motivs, wahrscheinlich han-delt es sich um einen Argo-nauten FM 22 mit schraf-fiertem Zentrum68.

Mindestens drei voll-kommen durchgebrannte Böden mit hellgrau ver-brannter Asche konnten in der Brennkammer beobach-tet werden. Auf die lange

29 Q3 – Keramikfragmente. Unter Fb 2002/194 (1–5). Verfüllung Ofen(6–9). Aus dem Ofenboden (10–11)

30 Q6 – Keramik aus SH-I-Kontext

1

Nutzung des Ofens weist zudem noch die mehrfache Aufhöhung des Zugangs zur Feuerung hin. Die Freilegung des Zugangs ist noch nicht abgeschlossen, doch wurde klar, daß bereits die Un-tersuchungen von G. Welter einen Teil des Zugangsbereichs beseitigt hatten; seine Grabungen reichten bis an die nördliche Türwange der Brennkammer (Abb. 28).

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69 Zu prähistorischen Töpferöfen u. a. mit weiterführender Literatur: C. Davaras, BSA 75, 1980, 115–126; W.-D. Niemeier, Aegaeum 16, 1997, 347–352; J. W. Shaw in: ders. – A. van de Moortel – P. M. Day, A LM IA ceramic kiln in south-central Crete, 30. Suppl. Hesperia (2001) 20; R. D. G. Evely, Minoan Crafts II (2000) 298–311. Vgl. auch die beiden übereinanderliegenden Öfen(?) aus dem mittelbronzezeitlichen Lerna, J. L. Caskey, Hesperia 25, 1956, 158 Taf. 41a. Naturwissenschaftliche Untersuchung zur Keramikproduktion Äginas in der Bronzezeit: H. Mommsen u. a. in: E. Pohl – U. Becker – C. Theune (Hrsg.), Archäologisches Zellenwerk. Beiträge zur Kulturge-schichte in Europa und Asien. Festschrift H. Roth (2001) 80–96; dabei wurde auch in Ägina hergestellte mykeni-sche Keramik untersucht; vgl. dazu ebenda 82–93 Tab. 2; 96 Taf. 3, 22. 26. – Zu äginetischen Importen in Athen jetzt auch H. Mommsen, Mediterranean Archaeology and Archaeometry 3, 2003, 18.

70 Abhub Q6/18. 71 Zu Spät-Helladisch-I-Keramik s. O. T. P. K. Dickinson, BSA 69, 1974, 109–120; J. L. Davis, Hesperia 48, 1979,

234–263; J. B. Rutter, Hydra 6, 1989, 1–19; ders., Hesperia 59, 1990, 375–458; P. A. Mountjoy, Regional Myce-naean Decorated Pottery (1999) 18–20.

72 s. M. Lindblom, Marks and Makers. Appearance, distribution and function of Middle and Late Helladic manufac-turers’ marks on Aeginetan pottery, SIMA 128 (2001) 49 Abb. 14. Es handelt sich um einen neuen Typ mit sechs Kerben, vergleichbar aber mit den Typen C1–C5. Diese haben nach Lindblom a. O. 68–71 eine Laufzeit MH III bis LH III A1.

73 Abb. 30, 1 (Q6/18-1). – Abb. 30, 2 (Q6/18-6). – Abb. 30, 3 (Q6/18-8). 74 H. Walter, Die Leute im alten Ägina (2001) 128. 130–131 Abb. 113. In einer älteren Arbeit, H. Walter – H.-J.

Weißhaar, AA 1993, 294 Abb. 1, sind an dieser Stelle im Plan noch »neolithische Häuser« vermerkt. 75 Ebenda 297: »Großbau«; F. Felten – St. Hiller, ÖJh 65, 1996, Beibl. 40: »großsteinige Bauweise«; ebenda 39 Abb.

8; 41 Abb. 9; 43 Abb. 10; W.-D. Niemeier, Aegaeum 12, 1995, 78: »megastructure«; ferner F. Felten, Νέες ανασκαφές στην Αίγινα-Κολόννα, in: E. Konsolaki-Giannopoulou (Hrsg.), Argosaronikos I (2003) 21 ff. Abb. 2. 10: »μεγάλο κτίριο«.

76 Die Fußbodenschicht stößt an die Mauer 2002/103. 77 Abb. 31, 1 (Q3/86-1). – Abb. 31, 2 (Q3/98-14). – Abb. 31, 3 (Q3/96-8). – Abb. 31, 4 (Q3/100-11). – Abb. 31, 5

(Q3/89-13). – Abb. 31, 6 (Q3/105-1). – Abb. 31, 7 (Q3/105-4). – Abb. 31, 8 (Q3/104-2). – Abb. 31, 9 (Q3/105-2). – Abb. 31, 10 (Q3/105-3). – Abb. 31, 11 (Q3/98-20).

78 Die von I. Kilian-Dirlmeier, Das mittelbronzezeitliche Schachtgrab von Ägina, Alt-Ägina IV 3 (1997) passim veröffentlichte Keramik stammt fast ausschließlich aus den alten Grabungen vor dem Zweiten Weltkrieg; s. dazu auch St. Hiller in: C. Zerner (Hrsg.), Wace and Blegen. Pottery as Evidence for Trade in the Aegean Bronze Age (1993) 197–199.

Die Entdeckung des Ofens ist besonders interessant und wichtig, da zum einen nur wenige Töpferöfen aus dieser Zeit bekannt sind und zum anderen klar wird, daß Ägina bis weit in die mykenische Zeit Keramik produzierte69.

Im angrenzenden Grabungsbereich Q6 wurde eine kleine Gruppe von Gefäßen bzw. voll-ständigen Profilen entdeckt, die nach ersten Studien in die Keramikphase SH I gehören70, ein bemerkenswertes Ergebnis, da Keramik dieser Zeit aus Siedlungszusammenhängen wenig be-kannt ist71. Zu den Gefäßen gehören u. a. zwei äginetische Kochtöpfe, einer davon mit einem charakteristischen Töpferzeichen am Fuß72, eine bichrom musterbemalte und eine unbemalte Vapheiotasse sowie zwei unbemalte Goblets (Abb. 30)73. Der Anteil der mykenisch musterbe-malten Keramik ist sehr gering, ebenso jener der mattbemalten Keramik.

Unmittelbar unter dem Töpferofen wurden die Reste eines sehr großen Gebäudes freigelegt. Geringe Reste der Außenmauern dieses Gebäudes waren bereits seit den Grabungen G. Welters bekannt. Die Ausdehnung des Gebäudes von mindestens 20 × 20 m, seine Lage im Zentrum der Siedlung und die für den Bau verwendeten besonders großen Steinblöcke, die sonst bei keinem anderen bislang gefundenen Gebäude mit Ausnahme der Befestigungsmauer vorkommen, wie auch die Stärke der Mauern zeugen von der Bedeutung des Gebäudes. H. Walter spricht vom ‘Haus des Königs’74, und im Sprachgebrauch der neueren Grabungen wird das Gebäude als ‘Großsteinbau’ bezeichnet75.

Der Töpferofen steht auf bzw. stört teilweise eine Fußbodenschicht (2002/112), die zu einer späten Phase des genannten ‘Großsteinbaus’ gehört76. Unter dem Fußboden folgt eine mächtige, mindestens 0.60 m starke Auffüllungsschicht, bestehend aus aschiger Erde, Steinen, zahlreichen Knochenresten und einer großen Menge an Keramik (Abb. 31)77. Besonders wichtig ist, daß erstmals in stratigraphischem Zusammenhang minoische Fein- und Gebrauchskeramik gefunden wurde, die aus lokalem äginetischem Ton hergestellt worden ist78. Insgesamt scheint der Anteil

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79 s. dazu Lindblom (Anm. 72) bes. 46. 80 C. Reinholdt, AKorrBl 22, 1992, 57–62; Niemeier (Anm. 75) 77–78 Taf. 14–15. 81 Bereits G. Welter nahm an, daß kretische Töpfer auf Ägina lebten; s. dazu G. Welter, AA 1937, 24; ders. (Anm. 49)

23. 101. Auch St. Hiller geht in verschiedenen Arbeiten davon aus, daß zumindest eine lokale, von einem Kreter betriebene Werkstatt auf Ägina existierte, s. Hiller (Anm. 65) 52; St. Hiller in: E. Acquaro – L. Godart – F. Mazza (Hrsg.), Momenti precoloniali nel Mediterraneo antico (1988) 77 mit Anm. 24 und 25.

der minoischen Fein- und Gebrauchskeramik (lokal hergestellt wie importiert) für äginetische Verhältnisse groß zu sein (Abb. 31, 5–10). Obwohl bislang nur wenig Zeit zur Verfügung war, das Material nach An-passungen zu durchsuchen, konnten bereits mindestens 15 vollständige Profile oder ganze Gefäße zusammenge-fügt werden. Neben lokaler mattbemalter sowie voll-kommen bemalter und po-lierter Keramik ist der Anteil der kykladischen Keramik beachtlich (Abb. 31, 1–4. 11. 12) , während grauminy-sche Keramik fast völlig fehlt. Interessante Detailbe-obachtungen können bereits jetzt an der lokal hergestell-ten Keramik gemacht wer-den. Die minoisch/mi-noisierend-äginetische Ke-ramik scheint, soweit zu überblicken, auf der Töpfer-scheibe hergestellt worden zu sein, wie dies z. B. Ab-drehspuren auf der Untersei-te des Bodens zeigen. Die in lokaler Tradition stehende mattbemalte, unbemalte und vollkommen bemalte Kera-

31 Q3 – Keramik. Kykladisch (1–4). Minoisch, lokal und importiert (5–10). Äginetisch (11–12)

mik wurde nicht auf der Töpferscheibe gefertigt; zumindest fehlen Abdrehspuren oder ähnliche charakteristische Anzeichen. Andererseits haben die meisten dieser Gefäße Töpferzeichen an charakteristischen Stellen79, während solche auf der äginetischen Keramik minoischen Typs bis-lang fehlen.

Vor allem die Fragmente minoischer Küchenkeramik und von ‘conical cups’, beides nach makroskopischer Analyse aus äginetischem Ton, lassen unseres Erachtens zusammen mit anderen Artefakten, wie z. B. dem ‘Kulthammer’ von Ägina oder dem Steinmetzzeichen, keinen Zweifel daran80, daß auf dem Hügel von Ägina-Kolonna zumindest zeitweise Kreter lebten81. Nach den ersten Einschätzungen gehören die minoischen Funde in die Phase MM IIB bis MM III. Bestä-

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tigt die Aufarbeitung diesen zeitlichen Ansatz, dann besteht eine direkte chronologische und damit auch historische Verbindung zwischen dem Schachtgrab von Ägina und dem sog. Groß-steinbau.

Zusammenfassung

Die Grabungen des Jahres 2003 konzentrierten sich vor allem auf die weitere Erforschung des Töpferofens und seine unmittelbare Umgebung (Q3, Q6 und Q7). Wichtige neue Erkenntnisse wurden für die Kulttopographie des klassischen bzw. hellenistischen Heiligtums gewonnen. Der bereits im Jahr zuvor ergrabene und als ‘Altar’ bezeichnete Fundamentrest im Grabungsabschnitt Q3 und Q6 (Mauern 2002/21 und 2002/146, Abb. 19) ist nicht vollständig erhalten, da das Fun-dament in spätrömischer bzw. byzantinischer Zeit gestört wird. Seine Lage und Ausrichtung auf einen weiter westlich gelegenen Quaderbau machen die Deutung als Altar sehr wahrscheinlich. Unmittelbar unter dem Südteil des ‘Altars’ (2002/21) liegt ein viereckiger Schacht, der bislang Funde aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. enthielt. Ein weiterer viereckiger Schacht liegt zwischen ‘Altar’ und Quaderbau (Abb. 19. 23). Die Verfüllung des Schachts, der nur noch wenige Stein-lagen hoch erhalten war, ist einheitlich und gehört in das 4. Jahrhundert v. Chr. (Abb. 24). Im Grabungsabschnitt Q3 wurde in unmittelbarer Nähe des Töpferofens ein früheisenzeitliches Steinkistengrab mit einer intakten Bestattung eines Erwachsenen gefunden (Abb. 19. 25). Dies ist außergewöhnlich, da bislang ausschließlich Beisetzungen von Kleinkindern bzw. Säuglingen im Bereich der früheisenzeitlichen Siedlung gefunden wurden. Die einzigen Grabbeigaben waren mehrere stark korrodierte Eisenreste, u. a. die Reste einer Eisennadel mit Endscheibe und auf-geschobenem Bronzekopf. Bemerkenswert ist, daß sich auf den verschiedenen Fragmenten der Nadel korrodierte Gewandreste erhalten haben (Abb. 26, 3).

Die im Jahr 2002 begonnene Freilegung des Töpferofens in Q3 wurde fortgesetzt und weit-gehend abgeschlossen (Abb. 19. 27. 28). Der Ofen hat einen inneren Durchmesser von ca. 1,8 m. Im Zentrum befindet sich eine ovale Mittelstütze, was beweist, daß ein Rost vorhanden gewesen sein muß, der jedoch nur noch an wenigen Stellen der Ofenwandung erhalten geblieben ist. Die Brennkammer besaß mindestens drei hart verbrannte Böden, und auch der Zugang zur Feuerung ist mehrfach aufgehöht worden; beides läßt auf eine lange Nutzung des Ofens schließen. Nach den bisherigen stratigraphischen Erkenntnissen und der ersten Sichtung der Funde wurde der Ofen wahrscheinlich am Übergang von der Mittleren zur Späten Bronzezeit errichtet und späte-stens in der Phase SH IIIA aufgegeben und verfüllt (Abb. 29).

Direkt unter dem Töpferofen liegen die Reste eines sehr großen Gebäudes, des sog. Groß-steinbaus. Seine Ausdehnung, die Lage im Zentrum der Siedlung und die für den Bau verwen-deten besonders großen, grob zugeschlagenen Steinblöcke sowie die Stärke der Mauern zeugen von der Bedeutung des Gebäudes. Mindestens zwei Phasen können bislang unterschieden wer-den. Unter dem jüngsten erhaltenen Fußboden wurde eine mächtige Auffüllung beobachtet. In ihr wurde lokal hergestellte Keramik minoischen Typs zusammen mit Importen aus Kreta und von den Kykladen gefunden (Abb. 31). Die äginetische Keramik minoischen Typs bestärkt neben anderen Indizien die Annahme, daß zumindest zeitweise Kreter auf Ägina lebten. Nach einer ersten Sichtung scheint die minoische Importkeramik in die Phase MM IIB bis MM III zu ge-hören. Bestätigt die weitere Aufarbeitung diesen Eindruck, dann besteht zudem eine chronolo-gische und damit auch historische Verbindung zu dem Schachtgrab von Ägina. Weitere wichtige Aufschlüsse zu dieser Problematik wie auch zur Phasenabfolge und Chronologie des ‘Großstein-baus’ werden die kommenden Grabungen liefern.

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3. Restaurierungsarbeiten in der prähistorischen Innenstadt

Der Baubestand der seit den Grabungen von G. Welter (ab 1925) freiliegenden mittelbronzezeit-lichen Hausmauern westlich des Apollon-Tempels (sog. prähistorische Innenstadt) hatte seit der Aufdeckung durch Ausschwemmungen und Verwitterung stark gelitten. Das gesamte Areal wurde so weit wie möglich wieder aufgeschüttet. Dabei wurde Bedacht darauf genommen, das einzigartige Bild der mittelhelladischen Siedlungsstruktur sichtbar zu halten. Wo es notwendig war, wurden höher liegende Mauerunterkanten gesichert sowie die unter den Mauern befind-lichen Flächen erdfarben verputzt. Die Fugen der aufgehenden, ausschließlich aus Rollsteinen errichteten Mauern wurden behutsam mit lehmfarbenem Mörtel ausgefüllt. Zu den wesentlichen Vorgaben der durchgeführten Restaurierungsarbeiten gehörte dabei, an dem bestehenden prä-historischen Mauerwerk keinerlei Veränderungen vorzunehmen und dieses ausschließlich in seinem angetroffenen Zustand zu konservieren. Insgesamt ergibt sich somit als Ergebnisein eindrucksvolles Bild der in diesem Bereich freiliegenden mittelbronzezeitlichen Siedlung (Abb. 32).

4. Georadar-Untersuchungen südlich des Kolonna-Hügels

Die Georadar-Untersuchungen in der Fläche südlich des Kolonna-Hügels erbrachten aufgrund des stark mit Steinen versetzten Erdreichs nur eingeschränkte Ergebnisse. Erfaßt wurden im wesentlichen Mauerzüge der letzten byzantinischen Überbauung. Zudem zeigte sich, daß die

32 Prähistorische Innenstadt. Restaurierte Mauerzüge der mittelhelladischen Siedlung des Nordbereichs. Ansicht von Nordwesten

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5 m breite, massive Befestigungsmauer der hellenistisch-römischen Zeit (‘Hafenmauer’)82 im Anschluß an ihren sichtbaren Bestand über eine längere Strecke hinweg geradlinig weiter nach Süden verläuft, in der Folge jedoch nahezu vollständig ausgeraubt ist.

Prof. Dr. Florens FeltenProf. Dr. Stefan HillerProf. Dr. Claus ReinholdtDr. Rudolfine SmetanaInstitut für Klassische Archäologie der Universität Salzburg, Residenzplatz 1/II, A-5020 SalzburgE-Mail: [email protected]

Dr. Walter GaußÖsterreichisches Archäologisches Institut, Zweigstelle Athen, Leoforos Alexandras 26, GR-10683 AthenE-Mail: [email protected]

Abbildungsnachweis: Abb. 1: Umzeichnung und digitales Layout: C. Reinholdt und E. Pollhammer;Abb. 2–18. 32: Photo M. Del-Negro; Abb. 19: Umzeichnung und digitales Layout: W. Gauß und H. Birk; Abb. 20–31: Photo W. Gauß; alle Abb. © IKA Salzburg.

82 Zu den Befestigungen: E. Pollhammer, Das Kap Kolonna. Eine Festung der Attaliden auf Ägina, in: B. Asamer – P. Höglinger – C. Reinholdt u. a. (Hrsg.), Temenos. Festgabe für F. Felten und St. Hiller (2002) 99 ff. Taf. 19 Abb. 2, 5; ders., Überlegungen zu den hellenistischen Festungsmauern auf der Akropolis von Ägina, in: Asamer – Wohlmayr (Anm. 12) 165 ff. bes. 169 Taf. 54 Abb. 190.