Bauhistorische Untersuchung im sog. 'Schlosserhaus' in Traismauer (Niederösterreich)

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Bauhistorische Untersuchung im ‚Alten Schlosserhaus‘ Traismauer Niederösterreich Vorgelegt im März 2013 von Mag. Ralf Gröninger [Historische Bauforschung & Archäologie] Wien

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Bauhistorische Untersuchung

im ‚Alten Schlosserhaus‘ Traismauer

— Niederösterreich

Vorgelegt

im März 2013 von

Mag. Ralf Gröninger

[Historische Bauforschung & Archäologie] Wien

Bauhistorische Untersuchung im ‚Alten Schlosserhaus‘ Traismauer __________________________________________________________________________________

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‚Altes Schlosserhaus‘, Florianigasse 9-13, 3133 Traismauer [GstNr. 2/12]

Inhaltsverzeichnis Vorwort ...................................................................................................................................... 3 1. Historische Nachrichten und Ansichten ........................................................................... 4 2. Lage im historischen Stadtgefüge .................................................................................... 7 3. Baubeschreibung................................................................................................................. 9

3.1. ‚Altes Schlosserhaus‘ .................................................................................................. 9 3.1.1. Fassaden ............................................................................................................... 9 3.1.2. Erdgeschoß .........................................................................................................11 3.1.3. Dachboden...........................................................................................................17

3.2. Turmanbau ..................................................................................................................20 3.2.1. Fassaden .............................................................................................................20 3.2.2. Erdgeschoß .........................................................................................................21 3.2.3. Obergeschoß .......................................................................................................22

4. Befunde an der nördlichen Außenwand ........................................................................24 5. Dendrochronologische Untersuchungen .......................................................................26 6. Zusammenfassender Überblick zur Baugeschichte ....................................................28 Anhang ....................................................................................................................................29

Dendrochronologisches Gutachten.................................................................................30 Bauphasenplan ..................................................................................................................32 Ansichten und Schnitte .....................................................................................................33

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Abb. 1: Florianiplatz, Aquarell von 1901 (Quelle: www.traismauer.topothek.at)

Vorwort

Auf Initiative des Bundesdenkmalamtes, Landeskonservatorat für Niederösterreich, Frau HR Mag. Margit Kohlert, erhielt ich aus Anlass eines geplanten Umbaus von der Stadtgemeinde Traismauer den Auftrag, im sogenannten ‚Alten Schlosserhaus‘ sowie im anschließenden Turmanbau eine bauhistorische Untersuchung durchzuführen. Die Untersuchung erfolgte vor Ort im Dezember 2012. Mein Dank gilt Herrn Ing. Thomas Riederer (Bauamt) und den Mitarbeitern des Wirtschaftshofes für die Bereitstellung der Planunterlagen und tatkräftigen Unter-stützung vor Ort.

Ralf Gröninger, Wien im März 2013

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1. Historische Nachrichten und Ansichten

Abb. 2: Traismauer von Süd mit „Schlosserhaus“ (Pfeil), Votivbild von 1668 (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Votivbild_Traismauer_1668.jpg)

Im Untersuchungsobjekt bestand seit dem 18. Jh. ein Schlosserei-Betrieb. 1750 lässt sich der Schlossermeister Johann Schmid aus Sieghartskirchen hier nieder. Sein Sohn Paul führt das Gewerbe fort, der es wiederum an seinen Sohn Bernhard Schmid übergibt, der 1803 den Bürgereid leistet. 1829 erwirbt Schlossermeister Gottlob Kitschke Haus und Gewerbe, der es 1865 an seinen Sohn Wilhelm übergibt. Ihm folgt Karl Kitschke und nach dessen Tod schließlich Ferdinand Ettel, von dem 1979 die Stadtgemeinde das Anwesen für eine museale Nutzung erwirbt.1 Ältere Nachrichten zum Untersuchungsobjekt sind nicht bekannt. Die wohl älteste Ansicht von Traismauer zeigt ein Votivbild von 1668 (Abb. 2). Unmittelbar westlich des Hungerturmes zeigt es ein nord-süd orientiertes Haus mit steilem Giebel, bei dem es sich um das Schlosserhaus handeln muss, ohne dass man dabei die Authentizität der Baugestalt in der stark stilisierten Darstellung überbewerten sollte. Festzustellen ist, dass es hier zumindest 1668 schon eine Bebauung gab. Die Ansichten der Straßenfassade aus der Zeit um 1900 (Abb. 1 u. 3) erlauben nur einen bescheidenen Erkenntnisgewinn. Hier ist im Vergleich zur jüngeren Foto-graphie (Abb. 7) aus den 1930/40er Jahren zu konstatieren, dass die Fenster der Schlosserwerkstatt vergrößert worden sind. Auf dieser jüngeren Fotographie ist zudem noch der alte Eingang des Turmanbaues zu sehen, der später vermauert worden ist.

1 Nach: Fritz Klein, Das alte Traismauer - Einiges aus vergangenen Tagen über Pfarre und Markt Traismauer. Traismauer ²1983, S. 203.

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Abb. 3: Ansicht von Süd, Postkarte 1902 (Quelle: www.traismauer.topothek.at)

Abb. 4: Ansicht von Nord, Aquarell 1901 (Quelle: NÖ Landesbibliothek, Topographische Sammlung, Sign. 7.607)

Abb. 5: Ansicht von Nord, Postkarte 1914 (Quelle: www.traismauer.topothek.at)

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Abb. 6: Ansicht von Nord, Postkarte vor 1931 (Quelle: www.traismauer.topothek.at)

Abb. 7: Ansicht von Süd, Fotografie 2. Viertel 20. Jh. (Quelle: Traismauer. 50 Jahre Stadt, 1958-2008. Hg. v. d. Stadtgemeinde Traismauer. Traismauer 2008, S. 33)

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Die Ansichten der Nordfassade zeigen noch einen ehemals angebauten Holzschuppen, wobei dessen Darstellung auf dem Aquarell (Abb. 4) mit holzverkleideter Fassade (!?) des Turmanbaues wohl eher in die Kategorie „künstlerische Freiheit“ fallen dürfte, wie die Fotographie auf der Postkarte von 1914 (Abb. 5) nahelegen dürfte. Die Ansätze des Schuppendaches sind noch am Putz der Fassaden ablesbar (Abb. 60). 2. Lage im historischen Stadtgefüge

Abb. 8: Skizze mit Lage des römischen Kastells im heutigen Stadtgefüge (Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Skizze_Kastell_Augustianis.jpg)

Das Untersuchungsobjekt liegt innerhalb der römischen Kastellmauer (Abb. 8), die ab dem Spätmittelalter bzw. der frühen Neuzeit noch für den Ausbau der Stadt-befestigung genutzt worden ist. Gleiches gilt für den im Kern römerzeitlichen Hungerturm (auch: Reckturm). Um das Jahr 800 entstand im östlichen Teil des ehemaligen Römerkastells auf Königsgut ein Haufendorf, das schon bald darauf in den Herrschaftsbereich des Erzbistums Salzburg gelangte.2 Nach heutigem Anschein dürfte die Bebauung um den Florianiplatz erst in der Neuzeit erfolgt sein (Abb. 9). Im Mittelalter könnte sich an dieser Stelle ein Hof

2 Erno Deak, Traismauer. In: Alfred Hoffmann (Hrsg.), Österreichisches Städtebuch 4, Die Städte Nieder-österreichs Teil 3 (R-Z). Wien 1982, 165.

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befunden haben, zu dem vielleicht das ermittelte Steingebäude mit Eckquaderung (Kap. 4) gehörte. Das muss in Ermangelung weitreichenderer Befunde, die wohl nur mehr archäologisch zu erbringen wären, jedoch vorerst spekulativ bleiben.

Abb. 9: Baualterplan Traismauer (Ausschnitt), verfasst im Bundesdenkmalamt Wien 1950 von Adalbert Klaar. Legende: Römische Ziffern = Geschoßzahl; Dö = „dörfische Bauten“; A = Altbau

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3. Baubeschreibung [Vergleiche Bauphasenplan mit Raumnummern im Anhang!]

Abb. 10: Luftbild mit Kartierung des Untersuchungsobjektes

3.1. ‚Altes Schlosserhaus‘ 3.1.1. Fassaden Die Südfassade knickt aus Rücksicht auf den älteren Straßenverlauf östlich des Eingangs nach Nordost ab (Abb. 11). Über dem steinernen Erdgeschoß erhebt sich der hölzerne Dachboden mit gewalmtem Giebel. Die ehemalige „Beschickungs-Öffnung“ des Dachbodens (der sicher als Speicher diente) ist durch das darüber angebrachte Rankengitter des Weinstocks nicht mehr in Verwendung. Die Fassadengestaltung mit farbig abgesetztem Sockel und Umrahmungen der Fenster und des Eingangs dürfte auf eine Maßnahme nach 1979 (Übernahme durch die Stadtgemeinde) zurückgehen. Wie bereits in Kap. 1 dargelegt, wurden die Fenster der Schlosserwerkstatt im 2. Viertel des 20. Jahrhunderts vergrößert (Abb. 12). Dabei dürfte auch die Eingangstür erneuert worden sein. Auch an der rückseitigen Nordfassade dominiert der hohe verbretterte Dachaufbau mit Walm-Giebel, an dem sich zudem ein mit Streben gestützter Eingangs-Erker befindet (Abb. 13). Die bei der Untersuchung unter dem Putz freigelegten Befunde werden näher in Kap. 4 beschrieben.

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Abb. 11: Südfassade

Abb. 12: Fassade von Südost

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Abb. 13: Nordfassade

3.1.2. Erdgeschoß Im Erdgeschoß zeichnet sich durch die Mauerdicken von 54 – 58 cm im südwestlichen Teil des Hauses ein ehemals wohl selbständiges, älteres Gebäude ab. Es besteht aus einem Raum (R 0.1) mit einer Breite von 4,53 m und einer Länge von 5,30 m im Lichten. Der Raum wird durch zwei gleich große Fenster (Breite 1 m) in der Südwand belichtet (Abb. 14) und ist durch einen Zugang in der Ostwand betretbar (Abb. 17). Der Durchgang zu Raum 0.2 in der Nordwand (Abb. 16) wurde erst sekundär mit dem nördlichen Erweiterungsbau eingebracht. Die Sondagen S1 (Abb. 26) und S2 (Abb. 19) an der Nordwand zeigten, dass das Mauerwerk in reiner Ziegelbauweise errichtet worden ist. Das in Sondage S1 gemessene Ziegelformat von 65 x 140 x 275 mm ist im Barock gebräuchlich; da hier die vollständige Dimension nur durch Messungen an zwei Ziegeln im Mauerverband ermittelt werden konnte, kann das Ziegelformat nur als ein Indiz für die Datierung dienen (von den allgemeinen Schwierigkeiten bei der Ziegeldatierung einmal ganz abgesehen). Die reine Ziegelbauweise und vor allem die Bauabfolge mit den jüngeren Anbauten (durch die Deckenbalken dendrodatiert) macht für den „Altbau“ des Schlosserhauses die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts wahrscheinlich.

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Abb. 14: Raum 0.1, Südwand

Abb. 15: R 0.1, Westwand

Abb. 16: R 0.1, Nordwand

Abb. 17: R 0.1, Ostwand

Abb. 18: R 0.2 gen Süd (Westwand geböscht)

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Abb. 19: R 0.2 Südwestecke (zugleich Nordwand R 0.1), Sondage S2 mit Ziegelmauerwerk

Abb. 20: R 0.4 gen Süd

Abb. 21: R 0.4, Westwand (geböscht)

Abb. 22: R 0.4, Nordwand (geböscht)

Abb. 23: R 0.4, Ostwand

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Abb. 24: R 0.3 gen West mit Kamin

Abb. 25: R 0.3, Detail Decke

Abb. 26: R 0.3, Südwand mit Sondage S1 (reines Ziegelmauerwerk)

Abb. 27: R 0.3, Nordwand mit Sondage S3 (Baufuge mit älterem Ziegelmauerwerk links und modernen Hohlziegeln rechts)

Raum 0.2 dürfte ursprünglich mit dem östlich anschließenden Raum 0.3 eine Einheit gebildet haben, bevor man eine Trennwand einfügte. Hier fällte vor allem (wie auch in Raum 0.4) die geböschte Westwand auf (Abb. 18), bei der es sich um eine ältere Außenwand (bzw. Hofmauer) des Nachbargebäudes handeln dürfte. Der Erwei-terungsbau wurde an diese angestellt. Derselbe Befund ist auch an der geböschten Nordwand von Raum 0.4 zu beobachten (Abb. 22+23); hier dürfte es sich im Kern um die spätmittelalterliche Stadtmauer handeln. In Raum 0.3 konnte das Ziegelmauerwerk des „Altbaues“, wie bereits bei Raum 0.1 beschrieben, durch eine Sondage ermittelt werden (Abb. 26). Die Nordwand weist am östlichen Abschluss eine senkrechte Baufuge auf, wie Sondage S3 zu erkennen gab (Abb. 27). Westlich der Baufuge besteht die Wand aus älterem Ziegelmauer-werk; sie gehört zu einer Ecksituation, die sich in Verbindung mit der Ostwand von Raum 0.4 ergibt. Östlich der Baufuge ist Mauerwerk aus modernen Hohlziegeln zu sehen; es gehört zu einer sekundär eingebrachten Wand, die Raum 0.3 vom Flur trennte. Ebenso wurde die Westwand sekundär eingestellt. Raum 0.3 bildete demnach ursprünglich eine Einheit mit dem westlich anschließenden Raum 0.2 und war zum östlich situierten Flur hin offen. Ein Deckenbalken in Raum 0.3 konnte dendrochronologisch jahrgenau auf 1752 datiert werden. Da auch ein Deckenbalken im Flur (R 0.5) auf dieses Jahr datiert werden konnte, erscheint die bauliche Erweiterung des Altbaues auf die heutige Dimension als gesichert.

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Abb. 28: R 0.5 (Flur) gen Süd mit Haupteingang

Abb. 29: R 0.5 gen Nord

Abb. 30: R 0.6 (Flur) gen Nord

Abb. 31: R 0.6 gen Süd

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Abb. 32: R 0.9 gen West

Abb. 33: R 0.9 gen Nordost

Abb. 34: R 0.9, Detail Decke

Abb. 35: R 0.9, Ostwand mit vermauertem Durchgang (Pfeil)

Der Flur wird durch eine Wand mit Durchgang in einen südlichen (R 0.5) und einen nördlichen Raum (R 0.6) geteilt (Abb. 29). Er erlaubt zudem den Durchgang vom Florianiplatz zum nördlich situierten Freigelände. Da die Deckenbalken einen bau-lichen Verband mit der Westwand der „Schlosserwerkstatt“ (R 0.7) bilden, wird dieser östlich an den Flur anschließende Bauteil gleichfalls durch das ermittelte Datum 1752 des Deckenbalkens (aus dem Flur) datiert. Der nordöstlich an den Flur anschließende Raum 0.8 wurde sekundär im 20. Jh. in Raum 0.9 eingebracht und enthält sanitäre Einrichtungen (ohne Abb.). Raum 0.9 dürfte ursprünglich zum westlich gelegenen Flur hin offen gewesen sein. Ein Deckenbalken konnte hier jahrgenau auf 1866 datiert werden. Der Einzug bzw. die Erneuerung der Decke könnte gleichzeitig mit der Decke in der Schlosserwerkstatt erfolgt sein (hier erbrachten die Dendro-Proben leider kein Ergebnis) und in Zusammenhang mit der Übergabe von Haus und Gewerbe an den Sohn Gottlob Kitschkes im Jahr 1865 stehen (s. Kap. 1). Am Fenster in der Nordwand von Raum 0.9 ist anhand des Überfangbogens eine sekundäre Vermauerung zu konstatieren (Abb. 36). Hier könnte sich ursprünglich ein Durchgang oder eine Schießscharte der Stadtmauer befunden haben. Der Stiegenaufgang zum OG des östlich an-schließenden Turmanbau wurde sekundär (wohl 20. Jh.) geschaffen (Abb. 37). Ein heute verschlossener Zugang zum EG des Turmanbaues mag noch auf den Umbau von 1866 zurückgehen (Abb. 35).

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Abb. 36: R 0.9, Nordwand mit Fensternische (teilweise sekundär vermauert)

Abb. 37: R 0.9, Stiege zum OG des Turmanbaues (Raum 1.1)

Abb. 38: R 0.7 (Schlosserei) gen Nord

Abb. 39: R 0.9 gen Süd

3.1.3. Dachboden Der Dachboden wird über eine Stiege und auskragenden Holzerker an der Nordseite erschlossen (Abb. 13). Am südlichen Giebel befindet sich ebenfalls eine Türöffnung, die aber nur als Öffnung zum Beschicken des als Speicher fungierenden Dachbodens gedient haben dürfte.

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Abb. 40: Dachboden gen Südwest

Abb. 41: DB gen Süd

Abb. 42: Detail Dachstuhl

Abb. 43: DB gen Nord

Abb. 44: Zwerchdach im Bereich zum östlichen Turmanbau

Abb. 45: Detail der Zwerchdach-Konstruktion

Bei der Dachkonstruktion handelt es sich um die Mischkonstruktion eines Pfetten-Sparren-Daches. Dabei ruhen zwei Mittelpfetten (Längsbalken) auf je drei Stuhl-säulen mit Streben und tragen auf der östlichen Dachneige die Rofen (aufgelegte Hölzer, die die Dachhaut tragen und im Gegensatz zu Sparren nicht mit den Dachbalken verzapft sind) bzw. auf der westlichen Dachneige die Sparren (hier mit Dachbalken verzapft).

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Die unterschiedliche Konstruktion ergibt sich aus dem Platzmangel zum westlich angrenzenden Nachbarhaus.

Abb. 46: Abbundzeichen an der südöstlichen Stuhlsäule (III \)

Abb. 47: Abbundzeichen an der mittleren, östlichen Stuhlsäule (II /)

Im nordöstlichen Teil des Dachstuhls ist ein Querdach eingebaut, das Bezug auf den östlich angestellten Giebel des Turmanbaues nimmt (Abb. 44+45). Die Konstruktion des Dachstuhls ist als Skizze in Abb. 48 wiedergegeben. Als Abbundzeichen findet sich an einigen Stuhlsäulen eine Nummerierung mit römischen Ziffern und beigestelltem Schrägstrich (Abb. 46+47), wobei letzterer wohl die Position an einer bestimmten Dachseite angibt. Da die Stuhlsäulen offensichtlich kein einheitliches Fälldatum besitzen, könnten sie von einem anderen Bau wieder-verwendet worden sein, womit sich auch die Funktion der Abbundzeichen aufheben würde. Auf eine Wiederverwendung der Dachstuhlhölzer deutet die Dendro-Probe 15 mit einem jahrgenauen Fälldatum 1806, während die anderen Proben jünger sind und nicht näher zeitlich fixiert werden können. Probe 16 weist ein Datum von 1815 + mind. 6 Jahrringe auf, sodass hier ein Fälldatum frühestens für 1821 vorliegen kann. Da der Dachaufbau auf der Postkarte von 1902 (Abb. 3) auch schon relative Verwitterungsspuren zeigt, wäre eine Entstehung des überlieferten Dachgeschosses spätestens mit dem bereits erwähnten Umbau von 1866 anzunehmen. Somit kommt für die Datierung des Daches der Zeitraum 1821 bis 1866 in Frage.

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Abb. 48: Skizze der Dachstuhl-Konstruktion mit Kartierung der Dendroproben-Entnahmestellen

3.2. Turmanbau 3.2.1. Fassaden Der schlichte Turmanbau besaß, wie bereits erwähnt, ursprünglich einen Zugang mit Stiege zum Obergeschoß am westlichen Ende der Südwand. Die Fassadengestaltung mit farbig abgesetzten Umrahmungen der Wandöffnungen dürfte parallel zum Schlosserhaus nach 1979 erfolgt sein. Vor dem 2. Weltkrieg bestanden hier weiße Putzfaschen (Abb. 7).

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Abb. 49: Turmanbau von Süd

Abb. 50: Turmanbau von Südost

3.2.2. Erdgeschoß

Abb. 51: R 0.10 gen Süd

Abb. 52: R 0.10 gen Nord

Das Erdgeschoß erscheint als leicht eingetiefter Kellerraum (R 0.10) mit segmentbogigem Tonnengewölbe (Abb. 51+52). In der Nordwestecke geht der Raum in eine Gewölbenische über (Abb. 53), die in Zusammenhang mit einem ehemaligen Stiegenaufgang in Raum 0.11 steht (Abb. 56). In die Westwand der Gewölbenische wurde sekundär ein heute wieder verschlossener Durchgang zu Raum 0.9 eingebracht (Abb. 54).

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Abb. 53: Teilweise abgemauerte Gewölbenische

Abb. 54: Verschlossener Zugang zu R 0.9

Abb. 55: Gewölbenische, Detail

Abb. 56: Blick aus der Gewölbenische gen Süd in „Raum“ 0.11 mit moderner Vermauerung der Südwand (ehem. Öffnung zu Stiegenaufgang)

3.2.3. Obergeschoß Im schlichten Obergeschoß-Raum des Turmanbaues (R 1.1) fällt vor allem der Zugang zum Hungerturm durch seine gewaltige Mauerdicke auf (Abb. 58). In der Westwand ist ein Schornstein eingebaut (Abb. 59), die barockzeitlichen Fenster sind segmentbogig überfangen (Abb. 57).

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Abb. 57: R 1.1 im OG gen Südost

Abb. 58: R 1.1 gen Ost mit Zugang zum Hungerturm

Abb. 59: R 1.1 gen West mit Zugang zu R 0.9

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4. Befunde an der nördlichen Außenwand

Abb. 60: Nordfassade nach Freilegung der Eckquaderung; Putzreste deuten auf den ehemaligen Schuppenanbau (Pfeile)

Im Bereich des Turmanbaues und des Hungerturmes sind im Putz die Dachansätze eines ehemaligen Holzschuppens erkennbar (Abb. 60). Ebenfalls am Turmanbau zeigt sich im unteren Bereich ein etwa „unruhiges“ Mischmauerwerk aus Bruchsteinen und Ziegelausflickungen (Abb. 61), bei dem es sich um den Mauerkern der römischen Kastellmauer handeln dürfte, der ursprüng-lichen Mauerschale „beraubt“. Westlich (im Bild rechts) schließt sich ein Fenster in Ziegelbauweise an. Wiederum östlich des Fensters erbrachte eine Putzsondage eine massive Eckquaderung (Abb. 62+63). Die sauber gearbeiteten Quader bilden einen sorgfältigen Verband mit dicht anliegenden Fugen, sodass hier die Wiederverwendung von Spolien ausgeschlossen werden kann. Die Eckquader fassen Bruchsteinmauerwerk mit geringem Ziegelanteil ein. Es setzt sich deutlich vom westlich (im Bild rechts) anschließenden, unstrukturierteren Mauerwerk mit grobkieseligem Mörtel ab. Die Eckquaderung ist in einer Höhe von über 3 m erhalten. Ein Bezug der Eckquaderung zum römerzeitlichen Kastell macht in dessen Mauerverlauf keinen Sinn, ebenso wenig im Verlauf der spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Stadtmauer. Daher dürfte eine Entstehung im Früh- oder Hochmittelalter am wahrscheinlichsten sein. Die Deutung des Gebäudes muss aufgrund weiterer Befunde spekulativ bleiben –hier könnten allenfalls noch archäologische Untersuchungen in den dahinter liegenden Räumen Licht ins Dunkel bringen. Vorstellbar wäre ein Adelssitz (darauf deutet die qualitativ hochwertige Ausarbeitung der Eckquaderung) bestehend aus einem massiven Haus, das mit dem Hungerturm gemeinsam einen baulichen Komplex bildete.

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Abb. 61: Füllmauerwerk der römerzeitlichen Kastellmauer (später Stadtmauer)

Abb. 62: Sondage S4 mit Eckquaderung eines mittelalterlichen Gebäudes

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Abb. 63: Sondage S4, Detail

5. Dendrochronologische Untersuchungen [Die Entnahmestellen der Dendro-Proben sind in den Plänen kartiert!] Die dendrochronologischen Untersuchungen der Bauhölzer wurden von Dr. Michael Grabner (Institut für Holzforschung an der Universität für Bodenkultur Wien) durchgeführt. Von den insgesamt 16 Proben lieferten 4 ein exaktes, jahrgenaues Fälldatum (Gutachten im Anhang!). Nur die Ergebnisse mit Waldkante (WK) sind jahrgenau. Alle anderen Ergebnisse (von 'nicht datierten' abgesehen) ergeben nur einen 'Terminus post quem' an, d.h. die Einbauzeit der Hölzer (bzw. das "Fälldatum") liegt nach dem ältesten Baumring und ist nicht näher bestimmbar (können wenige Jahre oder auch mehrere Jahrzehnte sein). In der Forschung geht man davon aus, dass die Hölzer in der Regel fällfrisch am Bau verwendet worden sind. Das trifft sicher auf die im Erdgeschoß ermittelten absoluten Datierungen der Deckenbalken zu. Dadurch ergaben sich wertvolle Hinweise für die Baugenese. Somit können der Erweiterungsbau des Schlosserhauses („Altbau“) auf 1752 und ein Umbau bzw. eine Deckenerneuerung (mit Dachstuhl?) auf 1866 datiert werden. Im Dachgeschoß muss man von einer fällfrischen Verwendung leider Abstand nehmen, da hier das absolute Datum eines Balkens von 1806 (Probe 15) als „Ausreißer“ anzusehen ist, die übrigen Balken sind jünger und mit Probe 16 auf frühestens 1821 zu datieren.

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6. Zusammenfassender Überblick zur Baugeschichte

Abb. 64: Vereinfachte Darstellung der Baugenese

Die ältesten Befunde liegen an der nördlichen Fassade vor. Hier birgt ein an den Halterturm anschließender Mauerabschnitt noch den Kern der römerzeitlichen Kastellmauer (4./5. Jh.). In einem Mauerabschnitt weiter östlich wurde bei Entfernen des Putzes eine qualitativ hochwertige Eckquaderung angetroffen. Das zugehörige Gebäude kann mangels weiterer Befunde jedoch nicht näher verifiziert werden. Es könnte mutmaßlich zu einem massiven Haus gehört haben, dass in Verbindung mit dem Halterturm stand und womöglich einen Adelssitz repräsentierte. Da die Eckquaderung funktionell nicht zur Kastellmauer bzw. zur spätmittelalterlichen Stadtmauer gehören kann, muss eine Entstehung zwischen diesen Perioden im Früh- oder Hochmittelalter angenommen werden. Das „Alte Schlosserhaus“ birgt als ältesten Kern ein rechteckiges Gebäude im südwestlichen Bereich, das sich durch größere Mauerdicken auszeichnet (54-58 cm). Es ist in reiner Ziegelbauweise errichtet und aufgrund des Ziegelformats und der Bauabfolgen in die 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts zu datieren. Der Turmanbau könnte ebenfalls in dieser Zeit entstanden sein, spätestens jedoch vor Mitte des 18. Jahrhunderts, da die Erweiterungsbauten des Schlosserhauses an den Turmanbau angestellt worden sind und aufgrund von Dendrodaten der Deckenbalken aus 1752 (oder kurz darauf folgend) stammen. Die Erweiterungsbauten des Schlosserhaus-Altbaues erfolgten nördlich bis zur Stadtmauer und im Osten mit einem im Süden abgewinkelten Anbau. Der mittig eingebaute Flur erlaubte nun den Durchgang von Süd nach Nord. Ein ehemals zum Flur hin offener Raum wurde durch eine angebaute Wand im 20. Jh. geschlossen, nachdem hier bereits im 19. Jh. der westliche Raumteil durch eine Zwischenwand abgeteilt worden war. Ein im nordöstlichen Raum jahrgenau auf 1866 datierter Deckenbalken dürfte auf einen Umbau durch den Schlossermeister Wilhelm Kitschke zurück gehen, der 1865 von seinem Vater Haus und Gewerbe übernommen hat. Wie das Dachgeschoß im 18. Jh. aussah, kann nicht gesagt werden. Das vollständig aus Holz bestehende Dachgeschoß ist nach Auswertung der Dendro-Daten und historischen Quellen zwischen 1821 und 1866 entstanden, wahrscheinlich erst mit dem Umbau im letztgenannten Jahr. Der Turmanbau besaß ursprünglich in der Südwand einen Stiegenaufgang zum Obergeschoß-Raum, der erst in der Nachkriegszeit vermauert worden ist.

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Anhang

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Dendrochronologisches Gutachten

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